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Masterarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades
Master of Arts / Master of Arts in Deutscher Sprach- und Literaturwissenschaft
der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich
Der Fluss, die Liebe, das Buch
Eine Studie zu Polyphonie und Intertextualität in Pierre Imhaslys
‚Rhone Saga’
Verfasser: Philippe Imwinkelried
Matrikel-Nr.: 04-209-391
Referent: Prof. Dr. André Bucher
Abgabedatum: 04.05.2014
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung .................................................................................................................. 2!2. Theoretische Diskussion .......................................................................................... 4!
2.1 Grundlagen ......................................................................................................... 4!2.2 Operationalisierte Verfahren .............................................................................. 7!
3. Die Rhone Saga – Kein einziger Text? ................................................................... 11!4. Vielfalt der Gattungen oder der Textsorten? .......................................................... 17!
4.1 Lyrik und Epik .................................................................................................. 17!4.2 Textsorten ......................................................................................................... 22!
5. Themen und Stimmen ............................................................................................. 25!5.1 Themen ............................................................................................................. 25!5.2 Stimmen ............................................................................................................ 30!
5.2.1 Stimmenvielfalt .......................................................................................... 30!
5.2.2 Erzählhaltung und –stimme ....................................................................... 38!
6. Intertextualität ......................................................................................................... 41!6.1 Intensive Intertextualität? ................................................................................. 41!
6.1.1 Referentialität ............................................................................................ 47!
6.1.2 Kommunikativität ....................................................................................... 48!
6.1.3 Autoreflexivität .......................................................................................... 50!
6.1.4 Strukturalität .............................................................................................. 51!
6.1.5 Selektivität .................................................................................................. 53!
6.1.6 Dialogizität ................................................................................................ 55!
6.1.7 Quantität .................................................................................................... 57!
6.2 Bilder als poetische Ebene ................................................................................ 59!7. Schluss .................................................................................................................... 62!Literaturverzeichnis .................................................................................................... 65!
Primärliteratur ......................................................................................................... 65!Sekundärliteratur ..................................................................................................... 65!
Tabellenverzeichnis .................................................................................................... 67!Anhang ........................................................................................................................ 68!!
2
1. Einleitung
Die Rhone Saga wurde 1996 an der Frankfurter Buchmesse vorgestellt und gilt seit
ihrem Erscheinen als literarisches Ereignis. Nach mehreren grösseren Werken wie
Sellerie, Ketchup und Megatonnen (1970), Widerpart und Fuga mit Orgelpunkt vom
Schnee (1979) und Corrida (1982) schuf Imhasly mit der Rhone Saga ein Werk, das
schon von der Gesamtkonzeption wenige Vergleichsmöglichkeiten bietet. Die Nach-
folgewerke Paraiso sì und Maithuna\Matterhorn führen thematisch und motivisch
zwar weiter, was in der Rhone Saga schon präsent ist. Trotzdem bleibt die Rhone Sa-
ga Imhaslys opus magnum, das durchaus als Dreh- und Angelpunkt im Schaffen die-
ses Walliser Schriftstellers verstanden werden kann.
In den Medien war beim Erscheinen der Rhone Saga oft die Rede von Vielstimmig-
keit oder Polyphonie1, von einer Fülle an Figuren, Themen, Sprachen und verschie-
denen Texten.2 Auch der Autor selbst spricht von einem „Hypertext, mit vielen
Strängen und Möglichkeiten.“3 Die Attribute, die der Rhone Saga zugeordnet werden,
beziehen sich sowohl auf die äussere Gestalt des grossformatigen Werkes, als auch
auf den Text selbst. Diese Attribute sind Inspiration und Ausgangspunkt der folgen-
den Arbeit.
Die folgende literaturwissenschaftliche Studie, verfasst als Masterarbeit am Deut-
schen Seminar der Universität Zürich, befasst sich mit jener Vielgestaltigkeit und
Vielstimmigkeit der Rhone Saga. Im Zentrum steht die Analyse des Werkes auf den
verschiedenen Ebenen, die durch die Gestalt und den Text vorgegeben werden. Aus-
gang der Analyse bilden Überlegungen zur Textualität der Rhona Saga, um dann auf
Fragen der Gattungen und der Genres zu sprechen zu kommen, die wiederum auf eine
thematische Breite anspielen, die sich schliesslich in einer Vielfalt von Stimmen ma-
nifestiert. Hier liegt der Kernpunkt der Analyse, die aufzeigen soll, inwiefern die
Rhone Saga tatsächlich ein polyphones Werk ist, das überdies in mannigfaltiger Be-
ziehung steht zu weiteren Texten und deren Autoren, aber auch den Bogen macht zur
bildenden Kunst als einer weiteren bedeutungstragenden Ebene.
1 Vgl. Jergius 1996. 2 Vgl. Keller 1996. 3 Jossen 1996. [Interview mit Pierre Imhasly].
3
Es geht also darum, die Rhone Saga als ein Werk zu verstehen, dessen Vielgestaltig-
keit erstens rein äusserlich zum Tragen kommt. Zweitens soll gezeigt werden, wie
verschiedene Gattungen diese Vielfalt in den Text hineintragen, um dann schliesslich
in einem dritten Schritt auf Themen und besonders auf verschiedene Stimmen zu
sprechen zu kommen, die im Werk präsent sind. Angeknüpft daran folgt dann ein
letztes Kapitel, das sich vollumfänglich der Intertextualität widmet. Diese wird ja
heute oft genannt, wenn man Polyphonie meint und umgekehrt.
Um einen Überblick zu schaffen, wurde ein Inventar des Buches angelegt, das den
Umfang des Werkes etwas herunterbrechen sollte, und das neben inhaltlichen Aspek-
ten auch die mehrstufige Textkonstruktion abbilden soll.4 Um einen theoretischen
Rahmen zu setzen, werden in einem ersten, einführenden Kapitel die wichtigsten
Theorien zu Polyphonie und Intertextualität kurz umrissen und diskutiert.
Die Rhone Saga war bisher nie Untersuchungsgegenstand literaturwissenschaftlicher
Studien. Ein Ziel dieser Arbeit ist es folglich, mit Hilfe einiger wichtiger literaturwis-
senschaftlicher Theorien und Ansätze eine erste Analyse zu präsentieren, die hoffent-
lich weitere fruchtbare Überlegungen zum Werk Pierre Imhaslys hervorbringen kann.
Die Auswahl theoretischer Texte folgt in etwa der historischen Entwicklung der Inter-
textualitätstheorie. Ausgehend von Michail Bachtin und seinem Text Das Wort im
Roman sind es die Arbeiten von Julia Kristeva (Wort, Dialog und Roman bei
Bachtin), von Gérard Genette (Paratexte und Palimpseste) und besonders auch von
Ulrich Broich und Manfred Pfister (Intertextualität – Formen, Funktionen, anglisti-
sche Fallstudien), die hier herauszuheben sind. Obwohl auch deren Texte bereits aus
den 1970er-, 1980er- oder den frühen 1990er-Jahren stammen, sind sie bis heute die
massgeblichen Autoren und Vordenker geblieben, die sich mit Intertextualität be-
schäftigen. Insofern sind sie auch für diese Arbeit unumgänglich geworden. Auch
kürzere Texte von Roland Barthes (Vom Werk zum Text und Der Tod des Autors) und
als Einstieg in die Materie von Marie-Hélène Pérennec (Das Konzept der Polyphonie
als Instrument der Textinterpretation) waren hilfreich. Hinweise zur Analyse lyri-
scher Textstellen liefern vor allem Hugo Friedrichs Die Struktur der modernen Lyrik.
4 Siehe Anhang ab S. 68.
4
2. Theoretische Diskussion
Die folgenden Seiten sollen eine Art Instrumentarium bieten, verknüpft mit grundle-
genden Überlegungen zu den wichtigsten Theorien, die zur Erforschung von Poly-
phonie und Intertextualität beigetragen haben. Unter Instrumentarium ist hier ein
Werkzeug zu verstehen, das so eindeutig wie möglich sein sollte, um auch die
Textanalyse so eindeutig wie möglich zu halten. Allerdings liegt gerade in der ange-
strebten Eindeutigkeit die Crux begraben. So ragen etwa Gérard Genettes Texte5 in
diesem Zusammenhang sicherlich heraus, da sie der gängigen Vorstellung literatur-
wissenschaftlicher Texte teils widersprechen und dementsprechend nicht immer zu
einer schnellen und möglichst unkomplizierten Anwendung taugen. Auch die Tatsa-
che, dass die Konzepte von Polyphonie und später von Intertextualität sehr unter-
schiedliche Auffassungen widerspiegeln, erschwert eine eindeutige Anwendung.
2.1 Grundlagen
Der Begriff der Polyphonie wurde von Michail Bachtin schon Ende der 1920er-Jahre
und dann besonders Mitte der 1930er-Jahre in seiner Studie Das Wort im Roman (ver-
fasst 1934/35) geprägt. Bachtin sagt darin: Der Roman ist künstlerisch organisierte Redevielfalt, zuweilen Sprachvielfalt und individuelle
Stimmenvielfalt. Die innere Aufspaltung der einheitlichen Nationalsprache in soziale Dialekte,
Redeweisen von Gruppen, Berufsjargon, Gattunssprachen, Sprachen von Generationen und Al-
tersstufen, Sprachen von Interessengruppen, Sprachen von Zirkeln und von Moden [...] der Ro-
man orchestriert seine Themen, seine gesamte abzubildende und auszudrückende Welt der Ge-
genstände und Bedeutungen mit der sozialen Redevielfalt und der auf ihrem Boden entstehenden
individuellen Stimmenvielfalt.6
Für Bachtin ist ausschliesslich der Roman als vielstimmig und dialogisch zu charakte-
risieren. Der Poesie7 spricht er die Möglichkeit des Dialogischen entschieden ab. Im
poetischen Werk, so Bachtin, verwirklicht sich die Sprache „als unumstritten, unan-
fechtbar und umfassend.“8 Da das Wort in der Poesie unumstritten sei, kann es, und
davon geht Bachtin aus, nicht in eine dialogische Wechselwirkung treten mit einem
5 Genette bietet immerhin eine einigermassen abgeschlossene Nomenklatur, die auch hier teilweise an-gewandt werden kann. 6 Bachtin 1979, S. 157. 7 Gemeint die Gattung der Lyrik. 8 Bachtin 1979, S. 178.
5
andern, fremden Wort, das ebenfalls auf denselben Gegenstand verweist, sich also im
selben Gegenstand realisieren würde.9 Obwohl diese Negation der Möglichkeit des
Dialogischen in der Poesie später von anderen Literaturwissenschaftlern revidiert
wurde10, liefert Bachtin erste Ideen und Ansätze, die auch tatsächlich an literarischen
Texten gezeigt werden können. Erstens weist Bachtin darauf hin, dass ein Wort in ei-
nem literarischen Werk an sich dialogischen Charakter haben kann. Ein Wort ver-
weist damit nicht nur auf einen Gegenstand, sondern verweist immer auch auf andere
Wörter, die sich in den Bedeutungsschichten schon abgelegt haben.11 Der Interpret
muss nun, will er denn ein Werk verstehen, diese Bedeutungsschichten freilegen. Ei-
ne Aufgabe, die nie endgültig abgeschlossen werden kann, da man wohl nie alle Wör-
ter, die irgendwann auf denselben Gegenstand Bezug genommen haben, kennen kann.
Zweitens erkennt Bachtin richtig, dass ein literarisches Werk (nicht nur der Roman)
künstlerisch organisierte Redevielfalt sein kann, dass also ein literarischer Text aus
verschiedensten Registern bestehen kann. Wie oben zitiert, kann es sich dabei um ei-
ne fast endlose Menge an verschiedenen Registern handeln (Dialekt, Soziolekt, Spra-
che einer Generation, Berufsjargon etc.). Das heisst, auch hier stösst der Interpret auf
Schwierigkeiten, wenn er sich zum Ziel setzt, alle Register ausfindig zu machen und
zu beschreiben. Zu sehr hängt dieser Anspruch mit den Vorkenntnissen zusammen,
die so unterschiedlich sind, wie es jedes Individuum ist. Natürlich kann es helfen,
zumindest den kulturellen und sprachlichen Hintergrund des Autors zu berücksichti-
gen, wie Umberto Eco dies betont.12 Allerdings erliegt man dann unter Umständen
der Verlockung, zu sehr auf Aussagen des Autors zu achten, was ja für das Verständ-
nis des Werkes keinesfalls notwendig sein sollte. Und, es ist durchaus möglich, dass
der Leser in einem Text mehr sieht, als dass der Autor intendiert hat. Zwischen Tex-
tintension und Autorintension können bekanntermassen Welten liegen.13 Die beste
Möglichkeit die Vielgestaltigkeit und Vielstimmigkeit zu erfassen, besteht wohl da-
rin, schichtweise vorzugehen und zu versuchen, über eine Analyse der Gattung(-en)
und der thematischen Linien eines Buches, Kategorien zu schaffen, die möglichst das 9 Vgl. Bachtin 1979, S. 172. 10 Vgl. u.a.: Lachmann, Renate: Gedächtnis und Literatur: Intertextualität in der russischen Moderne. Frankfurt a. M. 1990. 11 Vgl. Bachtin 1979, S. 170. 12 Vgl. Eco 2012, S. 280. 13 Vgl. ebd., S. 284.
6
ganze Werk in verschiedene Register einzuteilen vermögen. Diese Methode scheint
auch für diese Arbeit die fruchtbarste zu sein, um den relativ grossen Umfang der
Rhone Saga möglichst exakt zu erfassen.
Während also Bachtin noch auf der Wechselwirkung von Wörtern und ihrem Bezug
auf einen Gegenstand fixiert bleibt, hebt nun Julia Kristeva mit ihrem Aufsatz
Bachtin, das Wort, der Dialog und der Roman diese Thematik auf eine neue Stufe.
Erstens löst Kristeva die Differenz von monologischen und dialogischen (respektive
polylogischen) Texten auf. Ihr geht es nicht darum, nur gewisse Texte einer gewissen
Gattung in ihrem Modell zu fassen, sondern „ein Modell der Architektur der poeti-
schen Bedeutungen“14 zu schaffen. Ein Modell, das im Gegensatz zum Ansatz
Bachtins, sich nicht an Gattungsgrenzen hält und allen Texten dieselben Eigenschaf-
ten zuschreibt.
Dafür definiert Kristeva zweitens einen textuellen Raum, der durch drei Dimensionen
definiert ist: „das Subjekt der Schreibweise [nicht mehr der Autor], der Adressat und
die anderen Texte.“15 Da nun der Adressat nicht im Werk, aber im Diskurs präsent ist,
jedes weitere Buch („die anderen Texte“) aber ebenfalls erst in diesem Diskurs vor-
handen ist, resultiert daraus, dass „das Wort (der Text) [Überschneidung] von Wör-
tern (von Texten)“16 sein muss. Auf eine formelhafte Aussage gebracht, sagt Kriste-
va, dass „jeder Text [...] sich als Mosaik von Zitaten [aufbaut], jeder Text ist Absorp-
tion und Transformation eines anderen Textes.“17 Jeder Text ist somit zugleich Zitat
als auch Zitatgeber, es kommuniziert nicht ein Autor mit einem Adressaten, es sind
Texte, die miteinander in Beziehung treten. Ein Text ist somit nicht in erster Linie
genuine Schöpfung eines Autors. Laut Kristeva ist er „nichts und niemand, sondern
die Möglichkeit einer Permutation von S zu D, von der Geschichte zum Diskurs und
vom Diskurs zur Geschichte.“18 Diese Idee wird 1968 von Roland Barthes in Der Tod
des Autors aufgenommen. Auch er sagt, dass die Sprache keine Person, sondern nur
ein Subjekt kennt.19 Weiter sagt er, dass ein Text „ein Gewebe von Zitaten“20 ist. Da-
14 Kristeva 1972, S. 345. 15 Ebd., S. 347. 16 Ebd., S. 347. 17 Ebd., S. 348. 18 Ebd., S. 358. 19 Vgl. Barthes 2012, S. 188. 20 Ebd., S. 190.
7
raus folgert Barthes, dass „die vielfältige Schrift [...] nur entwirrt, nicht entziffert
werden [kann].“21 Auch hier treffen wir erneut auf die Idee, dass ein Werk nie entzif-
fert, also endgültig interpretiert und verstanden werden kann. Es geht darum, zu ent-
wirren, also so viele Schichten als möglich freizulegen. Jeglicher Anspruch auf abso-
lute Vollständigkeit wäre vermessen. Als Interpret ist man immer beschränkt auf das
eigene Vorwissen, auf die Kenntnisse von Texten, die vielleicht in den Schichten des
zu interpretierenden Werkes abgelegt sind.
Kristeva muss drittens für ihren entgrenzten Textbegriff erwähnt werden. Wenn sie
schreibt, dass Bachtin „den Text in die Geschichte und die Gesellschaft, welche wie-
derum als Texte angesehen werden, die der Schriftsteller liest, in die er sich einfügt,
wenn er schreibt“22 stellt, dann heisst das, dass alles Text ist. Wenn folglich alles Text
ist und alle Texte intertextuell sind, dann bedeutet dies, das Intertextualität und Tex-
tualität zusammenfallen. Diese revolutionäre Offenheit, sowohl in der Benennung, als
auch in der Anwendung23, bringt zwar viele Möglichkeiten, aber ebenso einige
Schwierigkeiten mit sich. Wie Broich/Pfister bemerken, ist für die Textanalyse und –
interpretation sicherlich ein engeres Intertextualitätsmodell fruchtbarer, selbst wenn
das weite Modell für die Literaturtheorie von bedeutender Tragweite ist.24 Die Opti-
on, alles als Text lesen zu können, ist als Grundlage interessant und bietet für diese
Arbeit einige Anknüpfungspunkte. Allerdings braucht es für die Analyse und Inter-
pretation ein auch in seiner Begrifflichkeit tauglicheres Modell.
2.2 Operationalisierte Verfahren
Es geht in diesem Unterkapitel nun darum, aufbauend auf den oben genannten Grund-
lagen, ein vermittelndes Modell vorzustellen, dass eine Analyse und Interpretation
zulässt, ohne jeweils darauf verweisen zu müssen, dass Intertextualität potenziell ein
unendliches Phänomen ist und dementsprechend nicht endgültig und abschliessend
analysiert werden kann.
21 Barthes 2012, S. 191. 22 Kristeva 1972, S. 346. 23 Wenn alles als Text angesehen werden kann, bringt das für den Interpreten quasi unendliche Mög-lichkeiten, den zu untersuchenden Text in ein Textgewebe einzubauen. 24 Vgl. Broich/Pfister 1985, S. 25
8
Erstens soll hier auf Gérard Genettes Paratexte verwiesen werden25. Genettes Studie
erlaubt es, das literarische Werk als ein aus verschiedenen Texten aufgebautes Gan-
zes zu verstehen (vgl. Kap. 3; S. 11). Obwohl dieser Ansatz nicht primär an Intertex-
tualität, sondern an Intratextualität gekoppelt ist, bietet seine Begrifflichkeit eine erste
Möglichkeit, textliche Referenzen in einem abgeschlossenen Werk zu analysieren.
Der Paratext ist der zweite von fünf Typen von Transtextualität, die Genette in
Palimpseste vorstellt.26 Der Grund, wieso aus der Reihe transtextueller Möglichkei-
ten, die Genette aufzeigt, hier nur eine gewählt wird, liegt in der besseren Handhab-
barkeit des Modells von Broich/Pfister für die Analyse und Interpretation anderer
Phänomene der Text-Text-Beziehungen. Laut Genette besteht nun der Paratext aus
Peritext und Epitext. Als Peritext sind alle textuellen Elemente zu verstehen, die sich
in ein und demselben Band befinden, aber nicht zum sogenannten Haupttext gehören
(z.B. Titel, Vorwort, Motto etc.).27 Demgegenüber ist unter Epitext jene heterogene
Ansammlung von Texten zu verstehen, die im weiteren Umfeld des Originaltextes
entstanden ist (z.B. Interview, Gespräch, Briefwechsel, Tagebücher etc.).28 Diese Un-
tersuchung zur Rhone Saga beschäftigt sich vor allem mit dem Peritext. Genette
schlägt folgende Leitfragen vor, die ein solches paratextuelles Element näher definie-
ren:29
! Wo ist das Element zu finden?
! Wie existiert das Element (verbal oder non-verbal?)
! Von wem an wen richtet sich das Element?
! Was ist die Funktion dieses Elements?
Wenn nach der Funktion eines paratextuellen Elements gefragt wird, knüpft sich aus-
serdem die Frage nach der illokutorischen Wirkung dieser Mitteilung daran.30 Ange-
nommen ein partextuelles Element ist, wie Genette behauptet, immer ein Hilfsdiskurs
25 Für eine typologische Ordnung von Intertextualität muss auch auf Genettes Palimpseste verwiesen werden. 26 Transtextualität ist der Begriff, den Genette anstelle von Intertextualität benutzt. Die andern Mög-lichkeiten von Text-Text-Beziehungen sind Intertextualität, Metatextualität, Hypertextualität und Ar-chitextualität. Falls gelegentlich auf diese Begriffe zurückgegriffen wird, werden sie näher erläutert. 27 Vgl. Genette 2001, S. 12. 28 Vgl. ebd., S. 12f. 29 Vgl. ebd., S. 12. 30 Vgl. ebd., S. 18.
9
und steht im Dienst einer anderen Sache, nämlich des Textes,31 dann kann man fol-
gern, dass der Paratext die Wirkung des Gesamttextes massgeblich beeinflusst und
dementsprechend in eine Interpretation eines Werkes unbedingt miteinbezogen wer-
den muss. Besonders für die Rhone Saga ist dieser Ansatz, wie sich zeigen wird,
wertvoll.
Broich/Pfister liefern zweitens ein Modell, das zwischen einem weiten Intertextuali-
tätsbegriff, wie von den Poststrukturalisten proklamiert, und einem engen Begriff
vermittelt. Zunächst gehen Broich/Pfister auf die Verbindung von Autor, Leser und
Text ein und stellen fest, dass bei Modellen eines universalen Intertextes, geschuldet
der Dezentrierung der Subjekte, Fragen nach dem Textrepertoire von Autor und Re-
zipient und nach der Textintentionalität belanglos sind. 32 Allerdings geht es
Broich/Pfister genau darum. Denn für sie sind Prätexte „nur solche, auf die der Autor
bewusst, intentional und pointiert anspielt und von denen er möchte, dass sie vom Le-
ser erkannt und als zusätzliche Ebene der Sinnkonstitution erschlossen werden.“33 In-
tertextualität muss also irgendwie im Text markiert sein, damit sie vom Rezipienten
erkannt werden kann.34 Auch hier kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Rezi-
pient trotzdem nicht alle Referenzen erkennen kann. Im Optimalfall müsste der Rezi-
pient denselben Kenntnisstand wie der Autor haben, oder die Markierungen auf Prä-
texte müssten dermassen explizit sein, dass sie ohne weiteres von allen Rezipienten
erkannt werden können. Broich/Pfister schlagen nun quantitative und qualitative Kri-
terien vor, die den Intensitätsgrad von Intertextualität anzeigen. Einem konzentrische
Schalenmodell folgend, markiert der Mittelpunkt die höchstmögliche Intensität an In-
tertextualität, weiter vom Mittelpunkt entfernt, nimmt die Intensität ab.35
Unter den quantitativen Kriterien lassen sich zwei Faktoren näher betrachten und be-
schreiben. Zunächst „die Dichte und Häufigkeit der intertextuellen Bezüge“36, dann
die Anzahl und die Streuung der Prätexte, die im Werk aufscheinen.37
31 Vgl. Genette 2001, S. 18. 32 Vgl. Broich/Pfister 1985, S. 22. 33 Ebd., S. 23. 34 Allerdings bemerken Broich/Pfister ebenfalls, dass Markiertheit nicht immer notwendig ist und schon gar nicht als Bedingung für Intertextualität verstanden werden soll. Wenn z.B. auf allgemein be-kannte Texte verwiesen wird (z.B. Klassiker, Bibel) kann auf die Markierung verzichtet werden (vgl. Broich/Pfister 1985, S. 32). 35 Ebd., S. 25. 36 Ebd., S. 30.
10
Zu den quantitativen Kriterien kommen sechs qualitative Kriterien dazu:38
! Referentialität: Wie stark wird in einem Text auf einen anderen Text verwie-
sen und der Bezug wird offengelegt (Broich/Pfister nehmen hier Bezug zu
Genettes Metatext39)?
! Kommunikativität: In welchem Ausmass sind sich Autor und Rezipient der
intertextuellen Bezüge bewusst?
! Autoreflexivität: Inwiefern wird die eigene Intertextualität in einem Text re-
flektiert? Etwa in dem sie gerechtfertigt und/oder problematisiert wird.
! Strukturalität: Wie ist ein Prätext syntagmatisch in einen Text integriert? Wird
ein Prätext nur anzitiert oder „wird ein Prätext zur strukturellen Folie eines
ganzen Textes“40?
! Selektivität: Wie prägnant wird ein prätextuelles Element ausgewählt und in
den Text eingebaut? Werden vollständige Zitate übernommen oder wird eher
auf Topoi oder Mythen Bezug genommen?
! Dialogizität: Wie stark ist die Spannung, die entsteht, wenn ein Prätext in ei-
nem Text aufscheint (besonders die Spannung zwischen dem eigentlichen
Kontext des Prätextes und seinem neuen)?
Alles sechs Typen, so ist anzunehmen, können einzeln, aber auch zusammen auftre-
ten. Broich/Pfister erwähnen immer wieder, dass besonders moderne und postmoder-
ne Literatur hochgradig intertextuell funktioniert.41 Ob und inwiefern das der Fall ist,
kann in dieser Arbeit nicht abschliessend beurteilt werden.
Einschränkend muss gesagt werden, dass es Broich/Pfister keineswegs darum geht,
eine naiv positivistische Messung von Intertextualität zu erreichen.42 Versucht wird,
eine Geschichte der Intertextualität zu schreiben, die über eine Typenbildung, „die
sowohl die Einstrukturierung und Markierung der Prätexte im Text selbst als auch das
Verhältnis von Text und Prätexten und die kommunikativen Aktivitäten von Autor
und Rezipient berücksichtigt“43, erst in greifbare Nähe rücken. In diesem Sinne ist
37 Vgl. Broich/Pfister 1985, S. 30. 38 Vgl. ebd., S. 26 – 29. 39 Vgl. Genette 1993, S. 13 40 Broich/Pfister 1985, S. 28 41 Vgl. ebd., S. 27. 42 Vgl. ebd., S. 30. 43 Ebd., S. 30.
11
auch die folgende Arbeit verfasst, in dem versucht wird, die oben genannten Krite-
rien, wo nötig in einer Synthese der verschiedenen Ansätze, auf die Rhone Saga an-
zuwenden, um eine möglichst runde Interpretation formulieren zu können.
3. Die Rhone Saga – Kein einziger Text?
Die Frage im Titel kann durchaus als eine rhetorische Frage verstanden werden. Eine
rein äussere Beschau, also bevor überhaupt eine Zeile gelesen wird, macht klar, dass
die Rhone Saga kaum als ein einziger Text gesehen und verstanden werden kann. Die
Vielfalt zeigt sich schon im Druckbild der ersten Seiten.44 Ähnlich wie Bachtin inte-
ressieren uns in folgendem Kapitel vor allem „konkrete Formen von Texten und kon-
krete Lebensbedingungen von Texten, ihre Wechselbeziehungen und Wechselwir-
kungen.“45 Wie von Roland Barthes postuliert, wollen wir die Bedeutung oder mögli-
che Bedeutungen des Textes als serielle „Bewegung von Versetzungen, Überlappun-
gen und Variationen“46 verstehen. Daran schliesst auch das Verständnis des Textes
als mehrschichtiges Gewebe, das „kein Nebeneinander von Bedeutungen, sondern
Durchschreitung, Durchquerung“47 ist.
Was ist also der Text der Rhone Saga? Wie schon erwähnt, ist die textuelle Vielge-
staltigkeit bereits vom Layout her vorgegeben. Wie Genette erwähnt, „gibt es Fälle,
bei denen die graphische Gestaltung sich nicht vom literarischen Vorhaben trennen
lässt [...].“48 Nehmen wir an, das literarische Vorhaben, in der Rhone Saga realisiert,
ist erstens die Rühmung und Preisung einer Frau, was ja schon im Motto „A celle qui
m’a donné une langue“49 (RS, 5) angedeutet wird und durch das Langgedicht Bodre-
rito Sutra immanent wird. Zweitens legt der Erzähler50 seine Welt, seine Landschaft,
44 Vgl. Imhasly 1996, S. 8 – 9. Zitate nach dieser Ausgabe künftig im Text unter der Sigle RS und mit Seitenzahl. 45 Bachtin 2005, S. 182. 46 Barthes 2005, S. 44. 47 Ebd., S. 45. 48 Genette 2001, S. 39. 49 Übers.: An die, welche mir eine Stimme gegeben hat. 50 Vielleicht sollte eher von „erzählendem Subjekt“ gesprochen werden. Obwohl die Trennung von Autor und Erzähler eingehalten werden sollte, scheint schon mit dem Foto im Umschlag vorne klar, dass das Werk hier ins Leben des Autors und das Leben des Autors teils autobiographisch ins Werk zielt. Zumindest wird das an mehreren Stellen ersichtlich, etwa wenn Personen aus dem Text den Leser durch eine Portraitaufnahme anblicken und die Fiktionalität damit aufgehoben wird. Zum Begriff des Subjekts: Vgl. Genette 2010, S. 137.
12
seine Freunde etc. dieser und anderen Frauen dar. Etwa wenn Mère Catherine ange-
sprochen wird: „Ganz zuerst, Mère Catherine, war Tiefe alles und Heilongjiang, fins-
ter ganz.“ (RS, 69) Oder dann, wenn der Text direkt an Bodrerito gerichtet ist: Was haben wir nicht die Welt erfunden, zusammen, über die Jahre, refait le monde, Bodrerito,
an vielen Orten in allen Lagen, Felix der Grafiker, Armin der Redaktor, Felix mit seinem Na-
turspleen, Armin mit dem Geschichtsfimmel, und ich, Bodrerito, tu servidor innato. (RS,
122).
Drittens gibt der Titel des Werkes vage Hinweise, in welche Richtung dieses abzielt.
Die Rhone, der Fluss, scheint das Epizentrum des Werkes zu sein. Mit ihm öffnet sich
gleichsam ein kultureller Raum, der nicht geographisch, also von der Quelle zum
Meer, sondern assoziativ und in der Auswahl der Orte und Menschen subjektiv
durchschritten wird. Der zweite Teil des Titels, der Begriff der Saga ist etwas schwie-
riger zu verorten. Einerseits erinnert er an die isländische literarische Grossform der
Saga. Andererseits schwingt im Begriff Saga auch die erzählerische Kleinform der
Sage mit. Denkt man an die lange Tradition der Sagen im Wallis, so scheint es mög-
lich, dass der Autor auch an diese Tradierungslinie gedacht hat. Beide Fälle sind
denkbar. Der Umfang der Rhone Saga spricht eher für eine Anlehnung an die isländi-
sche Saga, inhaltliche Elemente wie die verschiedenen Handlungsorte, die Personen,
die tatsächlich zu existieren scheinen, weisen eher auf eine entfernte Verwandtschaft
mit der Sage hin.51
Das komplexe, mehrschichtige Layout ist ziemlich klar der literarischen Ambition
geschuldet, die auf eine mehrsträngige Heterogenität abzielt. Keine Seite gleicht der
anderen, das Layout wechselt zwischen Bildern, Fotos und dem eigentlichen Text,
der wiederum keiner Linie zu folgen scheint. Als Beispiel sei hier der Text Ich bin ein
Berg und muss mich selber steigen (RS, 128) genannt. Die vier Seiten setzen sich zu-
sammen aus dem genannten Titel, aus Bildern des Künstlers Gottfried Tritten, dessen
Werk Inhalt dieses Textes ist, einem Fotoportrait des Künstlers, einem Haupttext (der
zweigeteilt in Versen beginnt und endet, dazwischen aber in Blocksatz gefasst ist),
einem zentriert abgedruckten Glossar und den typischen Untertiteln oder Fusszeilen,
die später näher betrachtet werden.
51 Vgl. Metzler Literaturlexikon, Sage, S. 405.
13
Wenn nun genauer untersucht werden soll, was der Text der Rhone Saga ist, wird hier
explizit auf Genettes Paratexte verwiesen. Wie weiter oben schon erwähnt, interes-
siert uns hier besonders der Peritext, also jene textuellen Elemente, die als Beiwerk
des eigentlichen Textes verstanden werden können. Wie unter Kap. 2.2 dargestellt,
soll dieser Peritext anhand von vier Fragen genauer gefasst werden,52 damit mögliche
Beziehungen unter den einzelnen Textelementen klarer werden.
Wir können grundsätzlich annehmen, dass der Haupttext der Rhone Saga der Samm-
lung jener Texte entspricht, die im Inhaltsverzeichnis jeweils mit Titel und allenfalls
Untertitel genannt sind (RS, 457 – 461). Dieser Haupttext kann wiederum in zwei
Teile geteilt werden.53 Einerseits wird das Werk durch das Langgedicht Bodrerito
Sutra geprägt, das mit Unterbrüchen jeweils auf der linken Seite steht, bis es schliess-
lich ab S. 411 doppelseitig erscheint und vor dem Schluss des Buches auf S. 434 en-
det. Dieses Gedicht ist wiederum in Teile gegliedert und jeweils vom Deutsch ins
Französische übersetzt. Andererseits setzt sich das Werk aus einer heterogenen Masse
anderer Text zusammen, die teils alleine stehen, teils anderen Texten gegenüberge-
stellt werden. So stehen die beiden Texte Wiler Haus Grenadier Abend und Mond ist
Artemis also (beide RS, 36 – 43) einander gegenüber, graphisch getrennt durch nor-
male und kursive Zeichenlage, zusammengehalten durch einen dritten Text, der an
ein Glossar erinnert. Während in Mond ist Artemis also ein Bewohner des Lötschen-
tals im O-Ton von seiner Heimat berichtet und auf „die deutschen Studenten und
Goetz“54 (RS, 37) zu sprechen kommt, wird in Wiler Haus Grenadier Abend ein Ge-
spräch eben jener Studenten mit ihrem Professor wiedergegeben. Der in kleinerer
Schrift gehaltene, zentrierte Text informiert den Leser dann über das eigentliche Vor-
haben der Studenten und ihres Professors und liefert damit wertvolle Hintergrundin-
formationen über eigentlichen Haupttext. Auch für andere Texte der Rhone Saga
kann eine ähnliche Konstellation aufgezeigt werden (vgl. etwa Corrida du grosse
subversive Emotion, RS, 94 – 97).
Wie schon erwähnt, finden sich über das gesamte Werk verteilt textuelle Einschübe,
die sich durch Schriftart und -grösse oder durch ihre Stellung gegenüber dem Haupt-
52 Siehe S. 7 (Kap. 2.2). 53 Dazu unter Kap. 4 mehr. 54 Auch auf den Autor wird ironisierend verwiesen: „[...] der Imhasly vor allem, wenn er einmal drei Worte hintereinander Deutsch redet, [...]“ (RS, 37)
14
text vom eigentlichen Text abheben.55 Erstens gibt es Einschübe, die in Schriftart und
-grösse identisch mit dem Glossar (RS, ab 444), der Ikonographie (RS, 455) und dem
Dankeswort (RS, 456) sind. Das Glossar ist an den eigentlichen Text angehängt und
erläutert weitgehend unbekannte Begriffe,56 die in den jeweiligen Kapiteln (oder ein-
zelnen Texten) dem Leser zu einem bessern Verständnis helfen. Allerdings scheint
hier ein teils subjektiver Ton (ein „Ich“, das spricht) durch, der über eine rein sachli-
che Beschreibung hinausgeht. So wird etwa La Verrennerie erklärt mit: „Langes auf-
fälliges Atelier. Ob es etwas mit Glas zu tun hatte, weiss ich nicht mehr.“ (RS, 446).
Auch wenn die Einträge nicht fiktiv sind, erinnern sie doch an die von Genette als
„fiktiv auktorial“ bezeichneten Anmerkungen einiger Werke.57 Der subjektive Tonfall
ist in den Einschüben im Haupttext, die vom Textbild her also identisch mit dem
Glossar sind, noch verstärkt und weist eher darauf hin, dass diese als eigenständige
Texte zu lesen sind, die zwar in Beziehung zum Haupttext stehen, aber eine andere
Erzählebene aufbauen. Zumal auch der Umfang dieser Texte weit über denjenigen
der gewöhnlichen Glossareinträge reicht. Sie stehen zwar in enger Beziehung zum
Haupttext, sind aber ebenfalls auf Erklärungen aus dem Glossar angewiesen. Für den
kurzen Text Bodrerito ist der Text, Macarena (RS, 19 und 21) finden sich im Glossar
21 Einträge. Einige der erklärten Begriffe müssen auch für den Nebentext (vgl. RS,
21) herangezogen werden, der hier nun direkt kommentierend auf das Gespräch des
erzählenden Subjekts mit der Macarena eingeht und in dem eine eigenständige Stim-
me fragt: „Wo hat denn deine Macarena diesen Blödsinn her, den von der Rocío, die
wegtritt?“ (RS, 21).58 Man kann festhalten, dass soweit von einem dreistufigen Text
gesprochen werden kann: Haupttext, glossarähnlicher Nebentext und Glossar.
Für die meisten Texte der Rhone Saga kommt nun zweitens ein viertes paratextuelles
Element hinzu und erinnert, dass „in einem Buch mehrere Systeme nebeneinander
bestehen“59 können. Es handelt sich hierbei um teils elliptische Bemerkungen in der
Fusszeile, die sich entweder pro Text zu einem sinnvollen Ganzen verbinden lassen:
55 Dazu würden auch Titel, Untertitel, Inhaltsverzeichnis und verlegerische Angaben zählen, die hier vorerst übergangen werden. 56 Erwähnt werden u.a. Orte, Begriffe der spanischen Tauromachie, Wörter aus dem Französischen, Spanischen, Okzitanischen, Chinesischen etc. 57 Vgl. Genette 2001, S. 307. 58 Macarena und Rocío sind nun zwei Begriffe, die ohne Glossar wohl nicht zu verstehen wären. 59 Genette 2001, S. 306.
15
Stierland hat eine vierte Dimension: Leidenschaft / Stiermenschen haben einen sechsten Sinn:
Revolte / Nun heisst es, nichts davon verspielen / und seien noch so eindimensional die Zeiten
(RS, 100 – 103)
oder als einzelne Aussagen zum jeweiligen Text zu verstehen sind: Macarena Imperfekt – no hay suerte! / Zu nichts hat’s gereicht im Avant-Bodrerito / Des
Mondes manische Seite, mon Dieu! (RS, 81 – 83)
Diese Fussnoten oder Fusszeilen fehlen durchwegs beim programmatischen Langge-
dicht Bodrerito Sutra und bei einzelnen anderen Texten, etwa beim mehrgliedrigen
Text Placard pour un chemin des ecoliers60 (RS, 50/51). Im Leman Tarot (RS, 352 –
375) wechseln sich je zwei Seiten mit Fussnoten mit je zwei Seiten ohne diese ab.
Falls Genette mit der Annahme richtig liegt, dass solche Anmerkungen „den Status
einer fakultativen Lektüre besitzen“61, sollte das Verständnis des eigentlichen Textes
wohl nicht beeinträchtigt werden. Und tatsächlich ist es so, dass die Fussnoten zwar
auf den jeweiligen Text Bezug nehmen, diesen aber oft auch konterkarieren oder poe-
tisierend kommentieren, wenn etwa gesagt wird: „Wo meine pagane Mystik dem Ob-
jekt / der Begierde kaum gerecht werden kann“ (RS, 108/109). Hier wird die Aussage
des eigentlichen Textes, der poetisch den Körper der Frau beschreibt, betitelt mit Ta
chair île de mon salut62 (RS, 108), etwas zurückgestuft, in dem das erzählende Sub-
jekt seine eigenen auch literarischen Fähigkeiten in Frage stellt. An einer Stelle wird
der Leser in einer Fussnote gleich frontal angesprochen und man erfährt vom erzäh-
lenden Subjekt selbst, welche Funktion die Fusszeilen haben können: Hier, Leser, kann man nichts zurückübersetzen / in eine Kolumnenzeile, Laufzeile unten /
Noch ist da etwas auszudeuteln, fortzuführen / noch hinzuweisen, nachzutragen, aufzufangen
/ Auch hier nicht, lieber Leser / und da schon gar nicht / Ebensowenig. Das ist das Schöne da-
ran: / Es ist vielleicht alles drin (RS, 246 – 253)
Diese Äusserung poetologischen Charakters verdeutlicht, dass die Fussnoten in jedem
Falle eine Ergänzung, aber durchaus als fakultative Zutat zum Haupttext aufzufassen
sind. Sie können Nachtrag, Fortführung oder Hinweis sein. Zudem äussert das erzäh-
lende Subjekt, dass diese „Laufzeilen“ doch nur dort notwendig sind, wo nicht alles
im Text Platz hat.
60 Übers.: Schrank für den Schulweg. 61 Genette 2001, S. 308. 62 Übers.: Dein Leib, Insel meiner Rettung.
16
Wie gezeigt wurde, setzt sich der Peritext der Rhone Sage vor allem aus dem Glossar,
glossarähnlichen Texten und aus Fusszeilen zusammen. Zu diesen dominanten und
aussergewöhnlichen Formen kommen weitere peritextuelle Elemente hinzu, die in
weiteren Kapiteln genauer diskutiert werden. Herauszuheben ist sicherlich der Bild-
nachweis, der mit Ikonographie (RS, 455) betitelt ist. Dieser Begriff deutet schon an,
dass die Abbildungen im Werk nicht einem rein illustrativen Zweck dienen, sondern
auf eine weitere Inhaltsebene verweisen. Und wenn wir einem weiten Textbegriff
folgen, bei dem Texte auch in anderen Medien realisiert werden können,63 besonders
in der bildenden Kunst, dann müssten auch die vielen Bildelemente der Rhone Saga
als Peritext miteinbezogen werden (vgl. dazu Kap. 6.2). Ein erstes Beispiel sind die
zwei Abbildungen, die als eigentlicher Einstieg ins Werk dienen (vgl. RS, 6/7). Die
beiden Fotografien von Thomas Andenmatten sind im Bildnachweis mit „Gletscher-
schliff und jüngste Rhone“ (RS, 455) betitelt. Auf den Titel und das danach folgende
Werk bezogen, bilden sie den Ausgangspunkt sowohl des realen Flusses, der oberhalb
von Gletsch im Kanton Wallis entspringt, als auch den Ausgangspunkt des sprachli-
chen Flusses, der auf der nächsten Seite mit dem Gedicht Bodrerito Sutra einsetzt.
Als Konterpunkt dazu steht die Fotografie auf der letzten Seite des Hauptteils (vgl.
RS, 443), eine Aufnahme der im Buch angebeteten Bodrerito vor der berühmten
Burgruine in Les Baux-de-Provence. Damit wird erstens der geographische Raum des
gesamten Textes widerspiegelt, der von der Quelle der Rhone bis nach Südfrankreich
zur Flussmündung reicht. Zweitens wird auch ein grober inhaltlicher Bezugsrahmen
gebildet, in dem der Fluss als Metapher dient, der das erzählende Subjekt zur gelieb-
ten Frau trägt, und der als sprachlicher Fluss zu verstehen ist, der wiederum erst
durch die Frau ermöglicht wurde (vgl. das Motto, RS, 5).
Auch das Dankeswort zeigt ein letztes Mal, wie sehr der Peritext zur Gesamtheit des
Werkes gehört und wie die der Text schlussendlich ins reale Leben hineinzielt, wenn
es heisst: „Der ist am Ende. [der Autor] Beim Text: Lucienne Bodrero, Bodrerito!
Kein leichtes Leben; ein Leben!“ (RS, 456).
Die vorangegangenen Betrachtungen haben gezeigt, dass bereits ausgehend vom
Layout, also der rein äusserlichen Gestaltungsmittel, klar wird, wie vielgestaltig und
63 Vgl. Berndt/Tonger-Erk 2013, S. 157.
17
im weitesten Sinne vielstimmig die Rhone Saga realisiert ist. Die drei genauer analy-
sierten peritextuellen Elemente beweisen, wie komplex der Verweischarakter zwi-
schen den Elementen ist, und wie der Peritext als poetisches Mittel eingesetzt werden
kann. Diese Komplexität setzt sich auf Ebene der Gattungen und auch thematisch
fort.
4. Vielfalt der Gattungen oder der Textsorten?
Wenn man davon ausgeht, dass der Textkorpus der Rhone Saga aus dem Langgedicht
Bodrerito Sutra, den grösseren Texten neben dem Langgedicht und aus mehreren
verschiedenen Peritexten besteht, stellen sich in einem zweiten Schritt Fragen, wie
diese Texte in das uns zur Verfügung stehende Gattungsmodell einzuordnen sind.
Haben wir es mit einer einzigen Gattung zu tun? Gibt es Gattungsmischung? Sollten
man eher von Textsorten, denn von Gattungen sprechen?
4.1 Lyrik und Epik
Wie oben gezeigt, besteht der Haupttext aus einem Langgedicht Bodrerito Sutra und
einer Vielfalt anderer Texte. Wenn wir diesen Textkorpus in das gängige Modell der
klassischen Gattungstrias einpassen wollen, wird klar, dass wir es vornehmlich mit
einem lyrischen Text und mit einer Vielzahl anderer, wahrscheinlich epischer Texte
zu tun haben. Obwohl es einige stark dialogisch geprägte Texte gibt, ist nicht davon
auszugehen, dass sie dramatischer Natur sind. Zwei Texte sind zwar eng angelehnt an
traditionelle Formen der Dramenwelt, sind aber trotzdem keine klassischen Dramen-
texte. Im Text Das kleine Testament von Törbel (RS, 156 – 161) treten nacheinander
Figuren der Commedia dell’Arte auf (Coviello, Mezzettino, Capitano, Fritellino und
am Schluss der bekannte Arlecchino). Zudem finden sich kursiv gehaltene Textein-
schübe, die als gliedernde Regieanweisungen verstanden werden können: „Die Kanne
geht um, der zweite Trunk“ (RS, 158) oder „Die Kanne geht um, der fünfte Becher.“
(RS, 159). Der Text Aïgo-Boulido, Bodrerito, sauvo la vido! verweist, zumindest von
den Hauptfiguren her, auf die alte Volkstheatertradition der „Wild-Mann-Spiele“. Die
wohl aus heidnischer Zeit stammende Tradition wird heute z.B. noch in Baltschieder
18
im Wallis am Leben erhalten.64 Im Stück wird meistens ein menschliches Halbwesen,
das eine Sünde begangen hat, gejagt. Diese Jagd wird im Text nachgespielt, in dem
man die Wilden jagt und immer wieder mit verschiedenen Speisen locken will:
„Trappola, trappola! ihrer [der Wilden] habhaft werden. Fallen stellen, Lockspeisen
auslegen vielleicht.“ (RS, 222).
Für die anderen zwei Gattungen scheint es auf den ersten Blick einfach zu sein, eine
klare Linie zu ziehen. Das Langgedicht Bodrerito Sutra kann klar der Lyrik zugeord-
net werden. Dafür spricht in erster Linie die Gliederung des Textes in Verse und
Strophen, auch wenn diese unregelmässig sind, also keinem einheitlichen Versmass
folgen und die Strophen aus einer jeweils unterschiedlichen Anzahl von Versen be-
stehen. Auf Interpunktion wird weitgehend verzichtet, die Gliederung wird durch
Einzüge, wenige Schrägstriche und Doppelpunkte und die Unterteilung in jeweils
übertitelte grössere Einheiten gewährleistet:65 Von Erde von Erde nichts
Der Mond wölfische Sonne
Der Mond wölfische Sonne
Verhöhnt dich
Und es bewegt sich doch
Früheste Götter schutzloser kosmischer Krypten
Die Gletscherspalten gähnen
Unnütze Meteore im Nirgendwo schwarzer
Verwerfung (RS, 8)
Die Wiederholung in der ersten Strophe verdeutlicht eine gewisse Rhythmisierung,
die über das gesamte Gedicht vorhanden ist. Die syntaktische Ordnung wird durch-
brochen, indem immer wieder auf das Prädikat verzichtet wird und ein Nominalstil
vorherrscht. Inhaltliche Brüche werden durch kursive Schriftlage gekennzeichnet. So
etwa wenn zuerst von Leben und Tod die Rede ist und dann eine Art Gebet folgt,
markiert durch die Anrede „Herr im Himmel“: Ketten will es [das Leben] den Tod
64 Vgl. http://www.baltschieder.ch/dasdorfbaltschieder/geschichte/dswiltmandji.php [21. März 2014]. Oder Hinweise in der Rhone Saga selbst (vgl. RS, 216/217). 65 Die hier zitierten Strophen stehen im ersten Teil des Gedichts, betitelt mit Nicht Schrift nicht Spra-che.
19
[...]
Herr im Himmel der die Sonne setzt
Sie an er Mond der bleiche Schmied
Die Sterne seine kleinen Essen (RS, 18)
Hugo Friedrich veranschlagt für die Lyrik des 20. Jahrhunderts unter anderem die
Existenz eines intellektuellen Dichtens,66 das sich „in der Abkehr von normaler Ding-
lichkeit und von üblichen Sentiments, im Verzicht auf begrenzende Verstehbarkeit,
an deren Stelle eine vieldeutige Suggestivität wirkt“67 realisiert. Er spricht auch von
einem inkongruenten Stil, der Gedichte „nicht vom Inhalt her befriedigend deuten“68
lässt und von zerbrochenem Sprachgefüge und sprachlicher Ordnung.69 Obwohl der
Begriff der „Verstehbarkeit“ schwierig zu generalisieren ist, da das Verstehen eines
Gedichts zwangsläufig mit dem individuellen Vorwissen zusammenhängt, ist es doch
augenscheinlich, dass Bodrerito Sutra ebenfalls über eine „vieldeutige Suggestivität“
verfügt und statt auf Inhalte eher auf Symbole und bildhafte Wendungen gestützt ist.
Der Bruch mit dem eigentlichen, alltäglichen Sprachgebrauch verstärkt diesen Ein-
druck. Als Beispiel sollen folgende vier Verse dienen: Berge hüten
Bäume melken
Steine buttern
Wasser abheuen (RS, 16)
Jeder Vers bricht mit dem eigentlichen Gebrauch der Prädikate. Die Worte werden
zwar verstanden, allerdings hütet man keine Berge, man melkt keine Bäume, man
buttert keine Steine und man heut kein Wasser ab. Die Prädikate werden mit Objek-
ten verbunden, die im alltäglichen Sprachgebrauch nicht passen und die alle einen re-
lativ hohen Symbolgehalt haben, der weit über den literarischen Gebrauch hinaus-
geht. Man denke nur etwa an den Baum des Lebens in der Bibel (Altes Testament,
Gen 2,9) oder an das Weihwasser. Hinzu kommt, dass besonders das Wasser und die
Berge wichtige strukturelle Elemente der Rhone Saga sind. Das Wasser ist bereits
66 Als Beispiel dienen ihm Lyriker wie Guillaume Apollinaire, García Lorca und besonders Saint-John Perse. Dichter, die auch in der Rhone Saga über intertextuelle Beziehungen vorkommen (vgl. Kap. 6.1). 67 Friedrich 2006, S. 143. 68 Ebd., S. 149. 69 Vgl. ebd., S. 151.
20
durch den titelgebenden Fluss im Werk präsent. Berge werden ebenfalls immer wie-
der thematisiert. Es wird entweder direkt auf einen bestimmten Berg verwiesen, etwa
das Matterhorn in Schutthaufen nennen Ahnungslose diese meine weisse Maison
carré (RS, 34/35) oder sie dienen als symbolische Referenzpunkte, wenn es etwa
heisst: „Aber der Berg meiner Freude heißt Bodrerito“ (RS, 27) oder „Dent Blanche
Dent Bleue-Bodrerito“ (RS, 33). Die gewagten Verbindungen zwischen den Prädika-
ten und den Objekten lassen kühne Bilder entstehen, die allerdings nicht in die gegen-
ständliche Welt zurückgeführt werden können. Allerdings schaffen sie so jene sprach-
liche Transzendenz, die wiederum Friedrich als ein Merkmal der modernen Lyrik
veranschlagt.70 Auf das Gedicht wird später nochmals hingewiesen. Allerdings kann
hier keine voll umfängliche Analyse und Interpretation des Gedichts stehen, da dies
eine eigene Arbeit umfassen müsste.
Wie oben veranschlagt, wäre es nun naheliegend, alle andern Texte der Gattung der
Epik zuzuordnen und allenfalls eine weitere Unterteilung in verschiedene Genres
vorzunehmen. Allerdings wird dieses Unterfangen durch den Text selbst schnell un-
tergraben. Erstens finden sich auch sonst, verteilt im Werk, Texte, die klar der Lyrik
zugerechnet werden können. So finden sich im schon erwähnten Kapitel Placard
pour un chemin des ecoliers acht kleinere Texte, die entweder als Prosaminiaturen
charakterisiert oder gleich besser als kurze Gedichte interpetiert werden können, zu-
mal sie zu dem Teil der Rhone Saga gehören, der inhaltlich um den französischen Ly-
riker René Char kreist. Auch sprachlich sind sie eher lyrischer als epischer Natur. Die
Texte sind in Verse gefasst und bestehen meist aus einer einzigen Strophe, wie etwa
La forme en vue: Der Mensch wird als Schwalbe reden
ehe der Morgen dämmert
mit dem sachtesten Flügelschlag der Welt (RS, 51)
Und wiederum wird klar, dass die obigen Kriterien, die von Hugo Friedrich aufge-
stellt wurden, auch hier anwendbar sind. Die eigentliche Sprachbedeutung wird ver-
ändert, es entsteht ein neuer Sinn, ein neue Bild, wenn es etwa heisst, dass ein
Mensch als Schwalbe reden wird.
70 Vgl. Friedrich 2006, S. 151.
21
Zweitens sind andere Texte zwar nicht in Versen verfasst, weisen aber eine Dichte
und einen symbolischen Charakter auf, der sie nur schwer als episch bezeichnen lässt.
Ein Text der in diesem Sinne aus dem Rahmen fällt ist Coldest Stone (RS, 114 –
118). Dieser Text verweist im Titel auf das ebenfalls abgebildete Werk gleichen Na-
mens des Malers Sam Francis. Im Unterschied zu den typisch lyrischen Texten ist für
diesen Text durchaus ein Erzählstrang festzustellen, selbst wenn dieser nur schwach
konstituiert ist. Thema des Textes ist der Gletscher, das ewige Eis oder eben der käl-
teste Stein des Titels. In neunzehn unterschiedlich langen Absätzen wird der Glet-
scher zum Thema einer Meditation, die Frau und Elemente miteinbezieht und auf Be-
griffe des Chinesischen und des Sanskrit verweist und damit einen hohen Komplexi-
tätsgrad erreicht, der einer einfachen Deutung zuwiderläuft. Zudem wird die Ortho-
graphie bewusst verfälscht, was wiederum den Lesefluss irritiert. Folgende Zeilen
sollen als Illustration für den gesamten Text dienen: Der Grosse Regen thut dem gletscher gut / Bodrerito Wolke und Regen / Er
wachset / Der Grosse Schnee machet den Gletscher still / und wie der kleinste
Vogel wirft er keinen Schatten mehr / all so auch du sanfft wirst / feng-yün und
Yün-yü Bodrerito / Sela /sanft und gantz still. (RS, 114)
Der Text setzt in einem Erzählton ein und wird dann je länger je rhythmisierter und
über den Gebrauch von Alliterationen (gross und Gletscher) und Innreimen (sanft und
gantz [sic!]) kippt er eher in einen lyrisch-musikalischen Tonfall. Der Text wird zu
einer Evokation der Frau, die in fast jedem Abschnitt des Textes mit Namen ange-
sprochen wird, etwa „Bodrerito africana du“ (RS, 115) oder „Bodrerito ma Belle
Leçon“ (RS, 118). Gegen Ende des Textes wird die Frau mythologisiert, wenn sie in
den Reigen von Frauen der griechischen Mythologie eingereiht wird: „Palme ist Nau-
sikaa / Nausikaa ist Artemis / Artemis ist Bodrerito“ (RS, 118). Die formale Ge-
schlossenheit des Textes, die kunstvolle Rhythmisierung und die eigenwillige Struk-
turierung lassen nun eher den Schluss zu, dass es sich bei diesem Text weder um ei-
nen rein epischen noch einen rein lyrischen Text handelt. Eher ist von einer Misch-
form auszugehen, etwa einer poésie en prose, also der Mischform eines Prosage-
dichts.71
71 Vgl dazu: Metzler Literaturlexikon, Prosagedicht, S. 366.
22
Die zwei Beispiele zeigen, dass eine durchgehende, einfache Einteilung der Texte un-
ter dem Label der Epik nicht möglich ist oder zumindest keinen Sinn macht, da es ei-
ne zu grosse Vereinfachung bedeutet, die dem Text nicht gerecht wird.72 Eine Unter-
teilung des Textkorpus’ ist deshalb mit anderen Kriterien anzugehen.
4.2 Textsorten
Die Einteilung von Texten nach Textsorten anstatt nach Gattungen und Genres, geht
davon aus, Texte eher nach funktionalen und sozialen Kriterien zu beurteilen und ein-
zuteilen.73 Der Vorteil liegt sicherlich darin, sich nicht zwangsläufig an ein zu rigides
Schema halten zu müssen, das es manchmal unmöglich macht, gewisse Texte unter-
zubringen. Wie gezeigt, erlaubt es das bekannte Schema von Gattungen und Genres
nicht, eine vernünftige Einteilung der eher epischen Texte der Rhone Saga vorzu-
nehmen. Auch mit funktionalen Kriterien wird es schwierig, alle Texte zu fassen.
Trotzdem kann man mit Hilfe weniger Kriterien, eine möglichst grosse Anzahl von
Texten einigermassen schematisch einteilen. Für die Rhone Saga können vier funkti-
onale Kriterien vorgeschlagen werden. Ausgangspunkt ist der Text Bodrerito Sutra,
für den das schon angewandte Label des Lyrischen weiter benutzt wird. Alle anderen
Texte werden zunächst eingeteilt in berichtende und erzählende Texte und in solche,
die enzyklopädischen Charakter haben, die also besonders der Wissensvermittlung
dienen und insbesondere helfen den geographischen und kulturellen Rahmen des Bu-
ches zu definieren. Als vierte Form fungiert die schon genannte Mischform des Pro-
sagedichts, das sowohl lyrisch, als auch erzählend, berichtend und manchmal ebenso
der Wissensvermittlung dient. Allerdings bilden diese Prosagedichte mehrere, auf das
gesamte Werk bezogene strukturelle Einschnitte. So bildet das Figurengedicht
Schutthaufen nennen Ahnungslose diese meine weisse Maison Carrée (RS, 34/35)
den inhaltlichen Übergang weg von Bodrerito und Bodrerito Sutra hin zum Text über
das Lötschental und den Ethnologiestudenten (vgl. RS, 36 – 43), der kurze Text
Cavalier seul der allein reitet (RS, 334/335) ist Übergang zwischen den Texten zu
Genf und Nicolas Bouvier und den folgenden Texten, die wiederum der südfranzösi-
schen Umgebung gewidmet sind. Der Hauptteil des Werkes wird beschlossen mit 72 Diesen Schluss lassen auch weitere Texte zu. Etwa Cavalier seul der allein reitet (RS, 334/335) oder Tausend Sonnen strömen soll der Strom (RS, 436 – 443). 73 Vgl. dazu: Metzler Literaturlexikon, Textsorten, S. 460.
23
Tausend Sonnen strömen soll der Strom (RS, 436 – 443), einem vielschichtigen Text,
der Eros, Herz/Schönheit und die Erleuchtung zusammenführt.74 Andere Texte, die
ebenfalls einen eher lyrischen Ansatz verfolgen und weniger erzählenden und vermit-
telnden Charakter haben, dienen als Einschübe, die dem Gesamttext einen genus sub-
lime entgegensetzen. Dieser hohe, feierliche Stil kontrastiert sprachlich stark mit den
enzyklopädischen, aber auch mit den erzählenden und berichtenden Texten. Auch das
Druckbild unterscheidet sich durch die grössere Schrift und hebt diese Texte hervor.
Besonders die drei Texte Berge aus Klarsicht und der Zärtlichkeit, Ariane (RS,
126/127), So hört mein Dorf (RS, 132/133) und Maja Desnuda le Lac Bodrerito (RS,
174 – 177) sind zu nennen. Der erste wechselt formal von der Versform zur Langzeile
und sprachlich von einem poetischen Stil, realisiert in Sätzen wie „Und wie die Mon-
din selbst ist Bodrerito. In ihrem Schatten wachsen noch die Berge.“ (RS, 126) zu ei-
nem eher alltagssprachlichen Stil: „Ich habe mit dem Wallis zu tun. Da bin ich oft am
Arsch.“ (RS, 126). Der zweite Text bleibt sprachlich im hohen Stil, vermischt die
deutschsprachigen Sätze mit Äusserungen fremder Sprachen (Französisch, Italie-
nisch, Spanisch, Latein etc.). Das Dorf Visp, Heimatort des Autors Pierre Imhasly,
wird über die Mehrsprachigkeit charakterisiert, über verschiedene Stimmen, die sich
in den diversen Sprachen manifestieren. Im dritten Text wird der Liebesakt vor allem
über Begriffe aus dem Tantra poetisch in Sprache gefasst. Auf Interpunktion wird
vollständig verzichtet, folglich muss der Text über den Inhalt und die Sprache geglie-
dert werden. Er beginnt mit „Grande Shakti Bodrerito Tage und Nächte träume ich
esse ich die Nacht und den Tag trinke ich schlafe ich tanze ich Blau“ (RS, 174). Das
Personalpronomen „Ich“ gibt den Rhythmus vor, das „Blau“ verweist auf eine Farb-
metaphorik, die später im Text über die Farben „Orange“, „Zinnober“, „Gelb“ und
„Grün“ wieder aufgenommen wird. Die Äusserung „Zeile für Zeile stosse ich Atem
um Atemzug gleite ich in dein Weltreich“ (RS, 175) ist poetologisch zu verstehen
und zeigt, wie das erzählende Subjekt oder das lyrische „Ich“ den Atem als literari-
sches Mittel, als Mittel der Textrhythmisierung versteht. Die drei Texte mögen so-
wohl inhaltlich wie auch sprachlich unterschiedlich sein. Trotzdem heben sie sich
74 Vgl. dazu die Begriffe Yesod, Tipheret und Satori im Glossar (RS, 454).
24
insbesondere durch ihr textliches Umfeld ab, das aus erzählend-berichtenden Texten
besteht.
Der als enzyklopädisch bezeichnete Text ist vor allem in den „glossarähnlichen“ Ab-
schnitten realisiert (vgl. Kap. 3), die als Nebentext zu einigen Texten auftreten. Diese
Texte werden damit noch näher an das eigentliche Glossar gerückt, das exklusiv der
Wissensvermittlung dient, wenn auch mit subjektivem Subtext. Die glossarähnlichen
Texteinschübe sind vom Umfang her sowie auch thematisch heterogen. Längere sol-
cher Einschübe sind immer dort zu finden, wo der Haupttext um verschiedene Künst-
lerpersönlichkeiten (Maler oder Schriftsteller) kreist und sie eine biographische An-
näherung an die Portraitierten erlauben. Dies ist für den Text zu Albert Chavaz der
Fall (vgl. Grand. Simple. Vrai., RS, 164 – 169), wo dem Nebentext auch Bildminiatu-
ren von Werken des Künstlers beigestellt sind. Wie an diesem Nebentext gezeigt
werden kann, sind auch diese „glossarähnlichen“ Einschübe keinesfalls blosse Lexi-
kaeinträge, die rein objektiv auf ihren Gegenstand referieren. Vielmehr stellt sich her-
aus, dass sie literarische Miniaturen sind, kleine Werke in sich, die sprachlich ebenso
verspielt sind, wie das Gesamtwerk an sich. So setzt der Text zu Albert Chavaz mit
der direkten Anrede des Künstlers ein: „[...] einsam warst du, Künstler, schon als
Kind [...]“ (RS, 168), um dann wenige Zeilen später doch in die dritte Person Singular
zu wechseln: „[...] Chavaz, werweiss ein verhinderter Sculpteur [...]“ (RS, 168). Zu-
dem wird Bodrerito als Referenzpunkt des Textes auch hier beibehalten, als Adressa-
tin der Erklärungen. Andere der glossarähnlichen Texte widmen sich jeweils den
Themen, die im Haupttext realisiert werden. Sie liefern Zusatzinformationen, Mei-
nungen von Drittpersonen, die dann z.B. in erster Person Singular ihre persönliche
Sicht darstellen können: „Ich sage gern, was ich denke, und ich irre selten.“ (RS,
234). In jedem Falle erweitern sie den Haupttext um eine zwar fakultative, aber trotz-
dem informative bis unterhaltsame Ebene. Zusammen mit dem Glossar bilden sie ei-
ne eigene Gruppe von Texten innerhalb der Rhone Saga, die durchaus als eigene
Textebene verstanden werden kann.
Als dritte Gruppe von Texten folgt nun der Hauptteil des Werkes, also jene Texte, die
als erzählende und berichtende Texte bezeichnet wurden. Trotz der Einreihung dieser
relativ grossen Anzahl an Texten unter diese zwei Begriffe, kann nicht von einer
durchgehenden Gleichförmigkeit gesprochen werden. Das heisst, dass man trotz der
25
eindeutigen Begrifflichkeit nicht von einem homogenen Erzählstrang und dement-
sprechend einer homogenen Thematik und Erzählstimme ausgehen kann (vgl. Kap.
5). Die Texte werden hier in erster Linie nur unter dem Aspekt ihrer kommunikativen
Funktionalität betrachtet. Zusammengehalten werden die Texte vor allem durch zwei
Aspekte. Erstens liefern diese Texte den zweiten grossen Strang neben dem Langge-
dicht Bodrerito Sutra. Das heisst, dass diese Texte dem Objekt des Liebesgedichts
den geographischen und kulturellen Raum erklären. Zudem öffnen sie den Raum, den
der Erzähler (oder das erzählende Subjekt) durchschreitet, und der dem erzählenden
Subjekt die Möglichkeit zur Selbstreferentialität öffnet, die den Entstehungs- und
Schreibprozess ins Werk einbeziehen. In So sei es, pauvre Vincent (RS, 23 und 25)
wird die Macarena zitiert, die sagt: „Geh jetzt, mein Sohn, und schreib es herunter,
eins nach dem andern schreib es herunter.“ (RS, 25). Zweitens kulminiert erst in die-
sem Textteil das breite Themenspektrum zu einem Ganzen. Erst hier brechen und rei-
ben sich Themen, Motive und Referenzen und Überleitungen zwischen den einzelnen
Texten werden immanent. Im nächsten Kapitel soll nun darum besonders auf themati-
sche Aspekte eingegangen werden. Erst über eine Analyse der Themen, Motive und
auch der Erzählstimmen kann der erzählende und berichtende Haupttext in seiner He-
terogenität gefasst werden.
5. Themen und Stimmen
Die Mischung von Gattungen oder Textsorten bietet einen ersten sprachlichen und
strukturellen Hinweis, dass die Rhone Saga ein Text ist, der von verschiedenen
Stimmen getragen wird, die sich ebenfalls durch eine thematische Breite realisieren.
Bevor hier auf die Stimmen im Werk eingegangen wird, soll kurz der Versuch unter-
nommen werden, eine thematische Gliederung für das Werk, besonders für den erzäh-
lenden Teil, zu finden. Im zweiten Unterkapitel soll eruiert werden, wie sich die
Stimmen im Buch realisieren. Welche Stimmen gibt es? Treten diese in einen Dialog
zueinander? Gibt es die eine Erzählstimme?
5.1 Themen
Wie der Fluss im Titel der Rhone Saga, so nimmt der Text den Leser mit durch eine
vielfältige thematische und motivische Landschaft. Es geht hier darum, aufzuzeigen,
dass der erzählende und berichtende Teil der Rhone Saga nur über eine Analyse der
26
thematischen und motivischen Breite und auch der Brüche annähernd gegliedert wer-
den kann. Zudem zieht sich in der Vielzahl von Themen weiter, was als Ausgangsbe-
hauptung über die Rhone Saga aufgestellt wurde, nämlich die Vielgestaltigkeit, die
sich über das Textäussere hin zu den Textsorten bis in den Text hinein realisiert.
Welchen thematischen Ansatz das Buch verfolgt, lässt sich an Äusserungen im Werk
ablesen. Wenn in einer Fusszeile „Tutte le creature in der einen, meint dieses Buch“
(RS, 401) steht, ist das erstens ein Hinweis darauf, wie das liebende, erzählende Sub-
jekt die Welt vollständig in der angebeteten Frau, die ja erst im Buch existiert, aufge-
hen sieht. Zweitens wird über die Aussage „Tutte le creature“75 klar, wie allumfas-
send der Anspruch des Werkes ist, die Welt, die sich um die Rhone, das erzählende
Subjekt und die Frau konstituiert, miteinzubeziehen. Dieser Anspruch ist poetisches
Programm und folgt keinem objektiven Ansatz, sondern gibt einzig dem erzählenden
Subjekt Raum, seine Welt auszubreiten.
Diese Welt formiert sich im Buch in folgenden Themenkomplexen, die sich teils auch
motivisch manifestieren: Die Liebe (lyrisch und erzählend), Portraits (Freunde und
Künstler), Orte und Berge und die Corrida. Es mag erstaunen, dass der Fluss hier als
Thema nicht genannt ist. Allerdings ist der Fluss, die Rhone, im Text selbst wenig
präsent. Wie schon bemerkt, ist er zwar Epizentrum des Textes, da er den geographi-
schen Raum des Werkes absteckt. Aber thematisiert wird der Fluss direkt nur in Tao
Rhone (RS, 69 – 74). Dieser Text folgt einigen Begriffen des chinesischen Tao te
King (Daodejing) und der Fluss ist ein Referenzpunkt dieser chinesischen Textsamm-
lung. Besonders über den Begriff des Tao wird der Fluss in den Text eingebracht:
„Sagen wir dem Hauptweg Rhone; wer will schliesst sich an.“ (RS, 70). Der Fluss
wird als diskursives Element eingeführt, das den Weg des Werkes vorgibt, aber im
Text selbst nicht mehr als Entität vorkommt.
Die Liebesthematik ist vor allem über das Gedicht Bodrerito Sutra gegeben. Sie ma-
nifestiert sich aber in einer Vielzahl weiterer Texte, die direkt auf die Frau verweisen.
Die beiden Texte Ta chair île de mon salut (RS, 108/109) und Ton âme continent de
mon salut76 (RS, 113) sind erotisierende Geständnisse an die geliebte Frau: „Nackt,
bringen deine Schenkel den Schnee zum Schmelzen, weit herum.“ (RS, 109). Der
75 Übers.: Alle Kreaturen [alles]. 76 Übers.: Deine Seele, Kontinent meines Heils [meiner Rettung].
27
Körper Bodreritos wird in poetisierenden Vergleichen dargestellt, um die geliebte
Frau schliesslich als den Text selbst zu charakterisieren, was bedeutet, dass der Text
nur über die Liebe zu verstehen ist: Zwei starke Wasser, Rhone und Saône die Schenkel
Der Bodrerito: wie sie nebeneinander fliessen, im glei-
chen Bett, und wie sie sich mischen zum Grund-
strom, dem kosmischen.
[...]
Bodrerito ist der Text. (RS, 113)
Auch in Maja Desnuda le Lac Bodrerito (RS, 174 – 177) wird die Frau in einer eroti-
sierenden Metaphorik gewürdigt: „Bodrerito Lust-Feld des Himmels yin-t’ing mein
Stempel und mein Staubgefäss Bodrerito yin hsing ma Femelle“ (RS, 177). Das „Ich“
tritt an manchen Stellen hervor: „so sehe ich dich aufscheinen jedesmal anders“ (RS,
175), nimmt sich aber als liebendes Subjekt sonst zurück.
Ein zweites Themenfeld, das breit gestreut über das Werk vorhanden ist, sind literari-
sche Portraits von Freunden des erzählenden „Ichs“ und von Künstlern, die ebenfalls
in einer persönlichen, teils intimen Nähe zum Erzählsubjekt stehen, teils aber auch
nur als literarische Vorbilder dienen. Je nach dem ob es eine persönliche Beziehung
zu den portraitierten Menschen gibt oder nicht, wechselt der Erzählton zwischen Nä-
he und Distanziertheit. Das erste Künstlerportrait des Buches ist jenes über den fran-
zösischen Dichter René Char, das mit einem kurzen reportagehaften Text (Ne te
courbe que pour aimer, RS, 48) beginnt. Das eigentliche Portrait des Dichters ist kurz
auf einer einzigen Seite gehalten (vgl. RS, 49) und wird mit einer Doppelseite voller
Fotos des verlassenen Anwesens von René Char abgeschlossen. Andere Portraits sind
in ihrer Form konziser und abgeschlossener. Die drei Freunde des Erzählers, Jean-
Pierre, Roland und Renato, werden auf je einer Seite beschrieben und charakterisiert,
jeweils anhand persönlicher Anekdoten (vgl. RS, 144 – 146). Die meisten der Por-
traits sind Personen gewidmet, die durch ihr Wirken oder ihr Werk irgendwie in die
Rhone Saga hineinpassen. Das wird besonders ersichtlich, wenn etwa der Maler Jean-
Pierre Formica portraitiert wird (vgl. RS, 262 – 268), dessen Bilder über das gesamte
Werk verteilt zu sehen sind. So stammt unter anderem die Zeichnung auf dem Um-
schlag des Werkes von Formica. Dasselbe gilt für den Maler Bruno Baeriswyl (BB:
Mit Bruno Baeriswyl meinem Malerfreund nach Ozeanien und zurück, RS, 190 –
28
196), dessen Bilder als wichtiger Bezugspunkt für einige der Texte der Rhone Saga
gelten kann. Auch die Fotografen, die für die meisten der Fotos im Werk verantwort-
lich sind, werden über literarische Portraits im Text selbst ins Werk geholt, so etwa
Thomas Andematten, der sich für einen Grossteil der Aufnahmen im Buch verant-
wortlich zeichnet (Ein Fotograf für sieben Gedichte, RS, 397 und 399). Mehrere Por-
traits sind zudem jeweils Einstieg oder Überleitung zu den darauffolgenden Texten.
So heisst es in Die Sonne der Mensch das Meer, Anne-Marie (RS, 202/203): „Dass
doch, Anne-Marie, o Bruder Corbusier, dass doch die Steine zu schreien begännen!“
(RS, 203). Die Anrede an den Architekten Le Corbusier weist indirekt auf den nach-
folgenden Text im Werk hin (De Profundis, Le Corbusier, RS, 204 – 213), der dem
Kloster Sainte-Marie de la Tourette gewidmet ist, das von Le Corbusier erbaut wurde.
Auch der Text Ia orana, Mina (RS, 236/237) verweist mit dem Schluss „Weil auch
ich ihn, du ahnst es nicht, gern hatte, Vincent: die Sonnen von Arles.“ (RS, 237) auf
Vincent van Gogh, dessen Leben und Werk und die bekannte Geschichte mit dem
abgeschnittenen Ohr im Folgetext erzählt werden (vgl. RS, 238 – 243)77. Der Text
Annie, belle et candide (RS, 300/301) wird mit einem Doppelpunkt abgeschlossen,
was darauf hinweist, dass noch etwas folgen muss. Davor heisst es: „Nach Calanda
ging ich, und zwar am Karfreitag und mitten hinein in die Trommeln, eine wilde Ge-
schichte, Spanien; und eine delikate, jedenfalls:“ (RS, 301). Danach folgt der Text,
der vom Karfreitagstrommeln in Calanda berichtet. Der Text folgt den vierzehn Stati-
onen des Kreuzwegs (vgl. RS, 302 – 307). Die Portraits dienen als Anknüpfungs-
punkte, die es dem Erzähler erlauben, eine Geschichte nicht nur an den Leser, son-
dern auch an andere Personen im Buch zu adressieren. Der Bezugsrahmen wird
dadurch vergrössert und die thematische Verknüpfung wird verstärkt.
Ein dritter Themenkomplex des Werkes beschäftigt sich mit geographischen, örtli-
chen Begebenheiten. In erster Linie werden Orte geschildert und in das poetische Ge-
samtkonzept des Buches aufgenommen, aber auch auf verschiedene Berge geht der
Text näher ein. Als Beispiele können etwa die oben erwähnten Texte zum Kloster
Sainte-Marie de la Tourette oder zum Karfreitagsbrauch im spanischen Calanda gel-
77 Dieser Text passt nicht vollends in eines der vorgeschlagenen Themenfelder. Er portraitiert vor al-lem den Künstler Van Gogh, beschreibt aber auch die südfranzösische Stadt Arles, also den örtlichen Raum.
29
ten. Abgesehen davon, dass Calanda weit weg der Rhone liegt, werden vor allem Orte
geschildert und in den literarischen Verlauf miteinbezogen, die in unmittelbarer Nähe
zur Rhone liegen. Allerdings ist keine logische Reihenfolge festzustellen, weder folgt
der Text dem Fluss von der Quelle zum Meer noch umgekehrt. Der erste Ort, der im
Text eine wichtige Rolle spielt, ist die Stadt Nîmes (vgl. In dieser lichten Stadt des
hellen Midi [...], RS, 15), Ort an dem das erzählende Subjekt Bodrerito getroffen hat.
Danach wechselt der Text vom Lötschental (vgl. Wiler Haus Grenadier Abend, RS,
36) wieder nach Nîmes, um danach das Goms (vgl. Grün auch weiss von Kapellen
unter dem Gletscher das Tal, RS, 119/120) und weitere Orte des Wallis ins Werk
miteinzubeziehen (z.B. Brig, Visp, Visperterminen), bevor auch Orte wie Genf, Lyon,
die Camargue etc. mit Anekdoten verknüpft im Werk auftauchen.
Der letzte grosse Themenkomplex der Rhone Saga ist die spanische Corrida. Der
spanische Stierkampf wird über zwei verschiedene Methoden ins Werk eingebunden.
Erstens ist die Corrida als kulturelles Phänomen präsent, das im Mündungsgebiet der
Rhone bis in die heutige Zeit hinein praktiziert wird. Der Corrida, aber auch der
Course Camarguaise sind einige Texte gewidmet, die sowohl auf geschichtliche, als
auch auf technische Aspekte verweisen. Die zwei Texte Corrida du grosse subversive
Emotion (RS, 94 – 97) und Course camarguaise ehemals course libre (RS, 100 –
103) geben auf mehreren Ebenen Wissen und Anekdoten aus dem Innenleben der
zwei Spektakel wieder. Im ersten der beiden Texte spricht etwa ein Mayoral78 über
die Stiere seiner Zucht: „Die unseren sind, kann ich ohne falsche Scheu sagen, sind
nun seit einer schönen Zeit von den besten Stieren [...]“ (RS, 95). Die Texte werden
über eine Abbildung verschiedener Bildtafeln zusammengehalten, die von Jean-Pierre
Formica geschaffen wurden. Sein Werk ist ebenfalls fast obsessiv durch die Corrida
geprägt, was in der Rhone Saga auffallend zur Geltung kommt.79 Weitere Texte be-
schäftigen sich mit einzelnen Matadores: „Rafael [Matador] kann ja nicht laufen, wie
Belmonte [grosser Matador des 20. Jahrhunderts] ist er eigentlich ein Bewegungsidi-
ot.“ (RS, 59), oder auch mit berühmt gewordenen Stieren: „Er hiess Espantapájaros,
nom d’un ange für einen Toro [...]“ (RS, 79). Die Corrida ist aber andererseits auch
motivisch im Text vorhanden und dient als literarische Projektionsfläche und Meta-
78 Oberhirte einer Stierzucht. Vgl. Neuhaus 2007, S. 330. 79 Vgl. die Skizzen in RS, 269.
30
pher. So wird etwa die Macarena, Patronin der Toreros80, übertragen auch zur Patro-
nin des erzählenden Subjekts, das mit der Heiligen in einen Dialog tritt, und den Tod
verschiedener Toreros verhandelt: „Vale! Macarena, aber wir haben noch eine Rech-
nung offen [...].“ (RS, 19). Im oben erwähnten Text zum Karfreitagsbrauch von
Calanda (vgl. RS, 302 – 307) wird fast jeder der vierzehn Stationen des Kreuzwegs
eine Szene aus dem Ablauf einer Corrida entgegengestellt.81 Bei der zweiten Station
heisst es: „Die Capa hat den Stier fixiert. Es gibt kein Entrinnen mehr.“ (RS, 303), bei
der dreizehnten folgt der Schluss jeder Corrida: „Den toten Stier schleift man in die
Runde.“ (RS, 307). Die Corrida ist hier nur eine Projektionsebene, die den Brauch des
Trommelns am Karfreitag und den Leidensweg Christi ergänzt. Die Corrida ist hier,
so wie es das Kreuz als religiöses Symbol ist, Metapher für Leben und Tod.
Die thematische Breite wird in den einzelnen Texten durch eine explizite Vielstim-
migkeit erweitert. Diese heterogen angelegte Vielstimmigkeit ist eines der konstituie-
renden Merkmale der Rhone Saga.
5.2 Stimmen
Der Begriff der Stimme alleine ist zu ungenau, um damit eine Analyse durchzufüh-
ren. Da es in diesem Kapitel um die Vielstimmigkeit des Werkes geht, wird hier zu-
nächst auf Bachtin verwiesen. Vielstimmigkeit oder Polyphonie, so wurde im theore-
tischen Einstiegskapitel besprochen, ist eine Eigenschaft, die laut Bachtin nur für den
Roman Gültigkeit hat.82 Trotz dieser Einschränkung zeigt Bachtin, wie ein erzählen-
der Text Dialogizität realisiert. Auch auf die Frage „Wer spricht hier?“ soll hier näher
eingegangen werden. Es wurde schon darauf hingewiesen, dass es für die Rhone Saga
schwierig ist, einen klaren, fiktiven Erzähler auszumachen. Diese Diskussion soll hier
eingehender geführt werden.
5.2.1 Stimmenvielfalt
Wie schon mehrere Male angedeutet, kann die Rhone Saga als ein vielstimmiges
Werk gelesen und interpretiert werden. Bachtin spricht für den Roman von „künstle-
risch organisierte[r] Redevielfalt“83. Er spricht von der Autorenrede, der Erzählerrede
80 Vgl. Glossareintrag zu Nuestra Señora Esperanza la Macarena, RS, 444. 81 Vgl. dazu auch Kap. 6.1.4, S. 52). 82 Vgl. Bachtin 1979, S. 170. 83 Bachtin 1979, S. 157.
31
und von der Rede der Helden als von „grundlegenden kompositorischen Einheiten“84,
welche die Redevielfalt eines Werkes definieren. Die verschiedenen Formen der Re-
de, seien es verschiedene Sprachen oder verschiedene soziale Sprachregister, heben
die einheitliche Sprache auf und stehen in Kontakt zueinander.85 Es entsteht folglich
ein Dialog, der nicht nur zwischen den Protagonisten des Werkes geführt wird, son-
dern auch über die Sprachen an sich, die in wechselseitiger Beziehung zu einander
stehen. Es stellt sich hier die Frage, was für Sprachen, respektive Stimmen in der
Rhone Saga aufeinandertreffen?
Zunächst fällt auf, dass der Text gespickt ist mit Ausdrücken und Begriffen fremder
Sprachen, und dass das Langgedicht Bodrerito Sutra selbst komplett zweisprachig
(Deutsch – Französisch) verfasst ist. Der Autor selbst äussert sich folgendermassen
zum Gebrauch fremder Sprachen in seinen Texten: Wörter, Worte aus fremden Sprachen aber liebe ich und gebrauche sie hemmungslos.
Erstens wenn sie eine andere oder grössere Aura haben [...]. Zweitens, bei anderen Konnotati-
onen, Bedeutungsverschiebungen, die ich mitgeben will. Drittens wenn sie klingen, also eine
Musikalität schaffen [...]. Viertens, wenn sie eine Etymologie ausweisen, die [...] ihre kreative
Energie entwickelt.86
Anhand des Glossars in der Rhone Saga kann abgeschätzt werden, aus welchen kultu-
rellen und sprachlichen Hintergründen die Wörter stammen, die dem Werk die ge-
wünschte Wirkung einschreiben. Eine Vielzahl der Wörter stammt aus dem breitgefä-
cherten Vokabular der spanischen Corrida. Daneben finden sich Begriffe aus dem
Chinesischen, dem Lateinischen, dem Französischen und weiterer Sprachen. Als Bei-
spiel dient hier das spanische Wort duende (vgl. Glossar, RS, 444). In Et in pulverem
revertis wird das Wort folgendermassen benutzt: Ich sehe den Bronzestrand der Haut: darüber alles in der Farbe des duende; hoch und eben-
mässig und unmässig da sehe ich Sie, unter der Chaquetilla, duende sí. (RS, 9)
Dieses Wort87 fällt erstens durch seine besondere Tonalität auf, geprägt durch die
Vokale u und e und das zweifache d. Zweitens wird die Beschreibung auf eine andere
Stufe gehoben, die stark von der alltäglichen Sprache abweicht und die sich einem
84 Ebd., S. 157. 85 Vgl. ebd., S. 186. 86 Imhasly 2008, S. 16. 87 Übersetzt mit Kobold (vgl. http://de.pons.com/übersetzung?q=duende&l=dees&in=&lf=de [19.04.2014]), was die tatsächlich gemeinte Bedeutung nur ungenau erfasst.
32
erweiterten kulturellen Hintergrund zuwendet.88 Das erzählende Subjekt öffnet sich
hier der Gefühlswelt des Flamenco und des Stierkampfes, wenn es die Haut der Frau
beschreibt. All die Punkte zusammen ergeben die vom Autor intendierte kreative
Energie, die über solche Wörter freigesetzt werden kann. Ähnlich funktioniert der
Gebrauch fremder Sprachen auch an anderen Stellen im Text. Allerdings sind nicht
alle Ausdrücke dermassen aufgeladen mit Bedeutung. Oftmals sind es eher die klang-
lichen Qualitäten eines Wortes, die hervorgehoben werden. Oder das Wort weisst auf
den sprachlichen Hintergrund gewisser Personen hin, die im jeweiligen Text vor-
kommen: „Das habe ich Jacques Durand abgeschaut, Jacques mon pote [...].“ (RS,
79). Das Wort pote (vgl. Glossar, RS, 447) besitzt keine weitere Bedeutung ausser
Kumpel oder Freund und zeigt nur auf, dass Jacques wahrscheinlich französischspra-
chig ist.
Das übrige Sprachregister ist so vielfältig wie die Themen und Personen, die im Werk
vorkommen. Die Stimmen, die Register wechseln nahezu auf jeder Seite, mit jedem
neuen Text. Interessant sind besonders jene Texte, innerhalb derer sich verschiedene
Stimmen abwechseln und in Dialog treten, oder die durch eine Stimme getragen wer-
den, die im Buch einzigartig ist. Für den ersten Fall sollen drei Texte näher betrachtet
werden.
Zunächst sind es die drei Texte, die sich thematisch dem Lötschental widmen, die
durch mehrere Register definiert sind. Der Text wird vor allem getragen durch die
zwei parallel verlaufende Teile. Auf der einen Seite folgen wir Professor Goetz Dah-
lmüller, der sich mit Studenten über Berggebiete, deren Kultur und deren Probleme
unterhält. Die eingefügten Titel geben Auskunft über den Ort der Handlung und das
zeitliche Voranschreiten: „Wiler Haus Grenadier Abend“ (RS, 36), dann: „Wiler
Haus Grenadier später am Abend“ (RS, 39). Der Text verläuft streng protokollarisch,
wiedergegeben ist einzig der Wortwechsel zwischen den Sprechenden, deren Namen
jeweils genannt ist: Manfred: Heute ist alles weitgehend über Literatur vermittelt; sogar, wie sich der Fliessband-
arbeiter am Fliessband fühlt, kannst du nachlesen.
Nada: Reicht dir das?
Stocky: Heisst das, die Wirklichkeit total erfassen?
88 In diesem Fall wiederum der Welt der spanischen Corrida.
33
Alex: Was ist denn das für ein Anspruch: Wirklichkeit total erfassen!
Stocky: Das gibt es halt nicht! (RS, 42)
Der Ton bleibt sachlich, selbst wenn festzustellen ist, dass die Sprechenden nicht ei-
ner Meinung sind. Am zitierten Beispiel kann man sehen, wie der Diskurs der Stu-
denten ein wissenschaftlicher bleibt.
Auf der anderen Seite, in kursiv gesetzter Schrift, betitelt mit Mond ist Artemis also,
findet sich ein Text, der als Monolog gestaltet ist und sich sprachlich deutlich vom
parallel verlaufenden Gespräch unterscheidet. Gegliedert in elf Abschnitte, ansonsten
aber als ein Redefluss verlaufend, folgen wir den Ausführungen von Georg L., ein
Einheimischer des Lötschentals, der vieles, was die Studenten und der Professor dis-
kutieren, aufnimmt und mit den Erfahrungen seines Lebens ergänzt: Dann ist kein Mensch mehr da, was heisst das schon, das Lötschental ist von jeher bewohnt;
aber die Mutter ist 1979 gestorben, war eine liebe Mutter; meine Lebensgeschichte, meint der
Goetz, interessant, gerade für Jüngere, auch Akademiker, schlimm sei, dass keine Kontakte
mehr liefen, nichts, die Leute hingen in ihren Häusern, und dieses kaputte Medium, das noch
Leute verführe, die nur Kühe und Schafe gekannt hätten [...]. (RS, 38)
Thematisch verläuft der Text äusserst sprunghaft, was allerdings die Wirkung des
mündlich Erzählten verstärkt. Gewisse Stellen im Text deuten darauf hin, dass der
Leser es hier nicht mit einem originalen Wortlaut zu tun haben kann. Der Satzbau
wird komplizierter, motivische Anknüpfungspunkte zu anderen Texten werden offen-
gelegt und die Frau (Bodrerito), sowie die Entstehung der Rhone Saga an sich rücken
dann ins Zentrum des Interesses: [...] mit deiner Nausikaa, die eine Penelope werden soll, aber nicht zu früh, weil ein Trouba-
dour im Nichtfixierten lebt, [...] dann von der Funktion im Buch her eine Circe, Circe des
Weines, aber sie ist so gut zu ihm, dass sie eine Kalypso sein muss [...]. (RS, 41)
Über die Frauenfiguren aus der griechischen Mythologie wird ein hoher Stil evoziert,
der nicht mehr ohne weiteres verstanden werden kann. Auch am Schluss des Textes
wird dieser poetisierende, feierliche Stil nochmals aufgenommen: „[...] der Schnee ist
weisse Asche, Nada heisst Nichts in der Sprache der Stiere; das Vieh, getränkt; soll
der Mond essen, wie wir; Mond ist Artemis also.“ (RS, 43). Beide Texte werden über
einen dritten Text verbunden, der glossarähnlich den Hintergrund der Studienreise ins
Lötschental beleuchtet und die Personen kurz vorstellt:
34
Was heisst da Schritt! Reisen hiess ihnen [den Studenten], ein Land erst einmal physisch er-
kennen, wie die Alten gingen, [...] knapp unter dem Petersgrat, über die Wasserschneide hin-
ein in dieses altgediente Lötschental und hinauf bis zu dem Georg L. [...] (RS, 37)
Die drei Texte zusammen ergeben ein breit gefächertes Panorama von Stimmen, die
über den thematischen Referenzpunkt, das Lötschental, miteinander verbunden sind.
Das Thema wird geteilt, die Stimmen bleiben getrennt, verweisen aber jeweils auf die
Existenz des anderen Sprechers.
Auch der Text, welcher der Person und dem Werk Albert Chavaz’ gewidmet ist, ragt
durch schnelle und überraschende Stimmenwechsel heraus. Die Stimmen werden hier
nicht durch die graphische Gestaltung voneinander getrennt, sondern müssen im Text
selber über den Wechsel etwa der Anrede und der Personalpronomen erkannt werden.
Drei Stimmen teilen den Text unter sich auf: Françoise, die aus einem Bild von Al-
bert Chavaz heraussteigt und spricht; Bodrerito, die mit dem Bild in einen Dialog tritt
und schliesslich das erzählende Subjekt, das hier vermittelnd auftritt, sich aber weit-
gehend zurückhält: „(Bodrerito wendet sich ab.)“ (RS, 165). Am Schluss wendet sich
das erzählende Subjekt selbst an die Frau des Bildes: „Ja, Françoise, im Schlaf ist
Bodrerito, kleine Nausikaa, noch schöner. Seele will durchscheinen; wie auf dem
Bild von dir.“ (RS, 167). Der Text setzt mit der direkten Rede von Bodrerito ein, auch
wenn keine Anführungszeichen gesetzt sind: „J’ai un amour, il est Suisse. C’est un
poète, il est mon troubadour“ 89(RS, 164). Die Frau aus dem Bild Albert Chavaz’
antwortet zugleich und stellt sich zunächst vor: „[...] ich bin Françoise und ich steige
aus dem Bild von Albert Chavaz [...]“ (RS, 164). Die Rede des Bildes ist inhaltlich
zunächst bestimmt durch die Lobrede auf Bodrerito, die dann verknüpft wird mit dem
Leben und dem Werk von Albert Chavaz, erzählt aus der Perspektive des Bildes:
„[...] tausend Lotusblüten auf deiner Haut, aus deinem Leib, gewiss seh [sic!] ich hin,
jedesmal, denn da bist du ein nu von Chavaz: grand, simple, vrai [...]“ RS, 165). Die-
se Rede des Bildes ist das Verbindungsglied, das immer wieder die Anknüpfung an
Chavaz’ Werk sucht. Bodrerito hingegen äussert sich in ihren Redebeiträgen vor al-
lem zu ihrem Liebhaber, der identisch mit dem erzählenden Subjekt ist, sowie zur
Liebe allgemein: „C’est un soir où mon amour aussi me fait peur, tellement cet amour
89 Übers.: Ich habe einen Liebhaber, er ist Schweizer. Er ist Dichter, er ist mein Troubadour.
35
me dépasse.“90 (RS, 266). Bodrerito spricht meist in ihrer französischen Mutterspra-
che. Der Redewechsel zwischen den zwei Frauen äussert sich nicht durch ein grund-
sätzlich unterschiedliches Sprachregister, sondern wird über die direkte Anrede des
Gegenübers markiert. Inhaltlich bricht der Text mit den zwei Abschnitten, die über
die erste Zeile miteinander verbunden sind. Zuerst heisst es: „Es ein Tag im Januar
1990 [...]“ (RS, 166), dann: „Es kommt der Abend, Bodrerito [...]“ (RS, 167). Im ers-
ten Fall wird auf den Tod Albert Chavaz verwiesen, im zweiten Abschnitt erfährt
Bodrerito vom Tod ihrer Tochter. Und wie im Text steht „Deine Nacktheit hat sich
gewendet, arme Frau [...]“ (RS, 167), so wendet sich hier auch der Text und nimmt
bis zum Schluss nur noch auf Bodrerito Bezug. Da das erzählende Subjekt, der ver-
mittelnde Erzähler, sich hier zurücknimmt, gilt der Text als gutes Beispiel, wie im
Text die Figurenrede organisiert und markiert ist. Zwar könnte mit Bachtin gespro-
chen eingewendet werden, dass hier nicht wirklich real vorhandene, soziale Dialekte
abgebildet werden, die in einen Dialog miteinander treten.91 Trotzdem scheint doch
klar, dass verschiedene Textteile zumindest inhaltlich miteinander in einer starken
Wechselbeziehung stehen.
Im Text Seit immer gebrandmarkt von ihr werde ich sie finden JA (RS, 275 – 287,
nur ungerade Seiten, parallel zu Bodrerito Sutra) wechseln sich ein Bewusstseins-
strom, der adressiert ist an Paco [Ojeda]92 mit der kursiv gestalteten Rede des Dok-
tors, der ebenfalls mit Namen genannt ist. Der in der Ich-Perspektive gehaltene Mo-
nolog, der dialogisch an Paco gerichtet ist: „Nein Paco das Pulver haben wir jetzt aus
Genf das Pulver aber die Frau ist weg [...]“ (RS, 275), kommt ohne Interpunktion aus
und berichtet von den alkoholbedingten Rückfallgeschichten des erzählenden Sub-
jekts. Zudem ist die Entstehung des Werkes Rhone Saga in diese Problematik einge-
bunden. Das „Ich“ des Textes ist damit nicht mehr nur als Erzählperspektive zu ver-
stehen, sondern wird zum „Ich“ des real existierenden Autors Pierre Imhasly93: „[...]
ich sah das ganze Buch kartografiert in allen Sprachen und in allen Farben [...]“ (RS,
275). Während das erzähelnde „Ich“ oder das „Autor-Ich“ sprachlich delirierend und
sprunghaft den Alkoholismus und die daraus resultierenden Probleme verhandelt,
90 Übers.: Es gibt Abende, da macht mir meine Liebe Angst, so sehr übersteigt sie mich. 91 Vgl. Bachtin 1979, S. 179. 92 Stilbildender Matador 1980er-Jahre (vgl. Glossar, RS, 445). 93 Vgl. Kap. 5.2.2.
36
bleibt die Rede des Doktors sachlich und klar: „Der Alkohol verändert dich total. Zu
unvorsichtig bist du geworden in deiner Trockenzeit. Du hast es überstanden, meinst
du.“ (RS, 277). Über mehrere Einschübe in den Bewusstseinsstrom klärt er das „Ich“
des Monologs über die Folgen und Risiken des Alkoholismus auf. Im letzten kursiven
Einschub schaltet sich das erzählende „Ich“ des Bewusstseinsstrom in klaren Worten
an den Doktor: „Adiós! doctor. Der mir wie ein Bruder kam.“ (RS, 287). Das erzäh-
lende „Ich“ offenbart hier in ein und demselben Text eine zweite Stimme, die sich
deutlich von derjenigen des Bewusstseinsstroms abhebt, indem ein Adressat inner-
halb des Textes angesprochen wird.
Andere Texte sind nicht durch den Wechsel von Stimmen geprägt, sondern geben ei-
ne einzige Stimme wieder, die in ihrem Register spricht. Das ist etwa in der Fusszeile
am Ende des Textes Aïgo-Boulido, Bodrerito, sauvo la vido! (RS, 222 – 235) der Fall.
Dieser kurze Monolog von Henri B., einem Metzger aus den Markthallen in Nîmes,
knüpft thematisch zwar schwach an den Haupttext (Thema: das Essen, die Kulinarik),
bleibt aber sprachlich als Entität bestehen. Der mündliche Charakter wird durch
Äusserunge wie „[...] s’war nicht wie heute [...]“ (RS, 234) hervorgehoben. Der dia-
logische Charakter bleibt schwach bestehen, wenn der Gesprächspartner durch Rück-
frage im Text präsent wird: „Ich brauche, wenn ich rede, so viele Diminutive wie die
Andalusier?“ (RS, 234). Dass Texte auch mehrheitlich eine einzige Stimme wieder-
geben können, zeigen auch zwei fiktive Briefe, die im Werk zu finden sind. Der eine
ist, wie für Briefe typisch, mit einer Anrede versehen: „Bodrerito, cara“ (RS, 197),
wird mit einer Grussformel abgeschlossen: „à très bientôt, je t’embrasse“ (RS, 201)
und ist auch mit Sabina unterzeichnet. Der Brief ist also an Bodrerito gerichtet und
die vermeintliche Verfasserin Sabina Engel beschreibt darin ihre Stadt Genf und ihren
Lebensweg als Verlegerin. Es gibt keine Hinweise darauf, ob der Brief echt ist oder
nicht. Der Brief ist in der Ich-Form gehalten und die Sprache bleibt meist nüchtern,
wenn auch subjektiv geprägt: Wenn sie in der Stadt ganze Zellen, Quellen rasieren, kommt mein Gemüt nicht mit. Es ist, als
machten sie dir ein Loch in dein Gedächtnis. Nicht einfach die Perspektiven ändern, nein,
man löscht mir den Urbanismus einer ganzen Epoche aus. (RS, 198)
Der gesamte Text folgt in etwa demselben Muster, wie dieses Zitat. Sachverhalte, his-
torischer oder kultureller Natur, werden reflektiert und beleuchtet und mit dem eige-
37
nen Leben in Verbindung gebracht. Die Stimme bleibt über den gesamten Text kon-
stant demselben Register verbunden.
Der andere Brief ist auf den ersten Blick nicht als solcher zu erkennen. Es gibt keine
Anrede, die den Brief von Beginn an als solchen markieren würde. Der Text betitelt
mit Der Wahrheit näher zu kommen suchte und fand ich dich (RS, 238 – 243) und
setzt mit einer Einleitung zur Stadt Arles und zum Künstler Vincent van Gogh ein,
der bereits in So sei es, pauvre Vincent (RS, 23/25) als personale Referenz für das er-
zählende Subjekt im Zentrum steht. Die Einleitung wird mit „Wenn du willst, komme
ich mit, Mina“ (RS, 238) und mit einem Abschnitt des Übergangs abgeschlossen.
Spätestens mit Sätzen wie „Für Vincent und mich, kein Zweifel. Er verbrannte, ich
erlosch.“ (RS, 239) oder „Keine zwei Sekunden, von den euren, dauert es, und ich
habe Vincent das Rasiermesser entwunden. Ich haue ihm ein Ohr ab.“ (RS, 239)
scheint klar, dass man rein zeitlich einen Sprung zurück ins 19. Jahrhundert macht, in
die Zeit in der Vincent van Gogh in Arles gelebt hat und dort auf Paul Gauguin trifft.
Letztgenannter ist zugleich mit seiner Unterschrift (RS, 243) als Verfasser des Briefes
genannt. Der Brief verhandelt weitgehend das problematische Verhältnis der beiden
grossen impressionistischen Künstler. Obwohl der Brief ohne Anrede beginnt, wird
im Text selbst immer wieder Mina angesprochen: „Für den Rest, der darunter ist, Mi-
na, brauchst du nicht gross Psychologie.“ (RS, 240). Mina ist Yasmina aus dem Text
Ia Orana, Mina (RS, 236/237), die dort schon Dialogpartnerin für das erzählenden
Subjekts ist. Zudem bereitet dieser Text auf den nachfolgenden vor und liefert sozu-
sagen den Subtext für die spätere Geschichte: Da im Februar 88 Vincent nach sechzehn Stunden Bahnfahrt ankommt, liegt Arles unter dem
Schnee, Schnee wie nie, wenn das kein Omen ist, Mina, zum Empfang des Mannes, der, wie
ein Azteke, die Sonne anbetet, schneit es. (RS, 237)
Der fiktive Brief Gauguins zeigt, wie eine Erzählhaltung etabliert werden kann und
sich trotz ihrer Kühnheit als weitere Stimme ins Werk einreiht. Zudem wird eine rela-
tiv bekannte Geschichte neu erzählt, was durchaus programmatisch zur Rhone Saga
passt.94
94 Die These wonach Gauguin das Ohr van Goghs abgeschnitten hat, wird immer wieder aufgebracht: Vgl. Baier 2008 (http://www.welt.de/kultur/article2852603/Was-wirklich-mit-Van-Goghs-Ohr-geschah.html [12.03.2014]).
38
Wie nun gezeigt werden konnte, treffen in der Rhone Saga verschiedenste Stimmen
aufeinander. In den meisten Fällen werden die Stimmen dialogisch, wenn auch nicht
immer direkt aufeinander bezogen, gesetzt. Obwohl für die Rhone Saga eine Gat-
tungseinordnung schwierig ist und Bachtin wahrscheinlich seine Einwände hätte, sie
als Roman zu kategorisieren, kann trotzdem davon ausgegangen werden, dass gerade
dieses Werk in hohem Masse dialogisch und vielstimmig funktioniert.
5.2.2 Erzählhaltung und –stimme
Es wurde schon mehrfach darauf hingewiesen, dass das Werk nicht nur vonseiten der
Themen und der verschiedenen Stimmen schwer als Ganzes zu fassen ist. Auch die
Frage nach einem durchgehenden Erzähler oder einer Erzählerstimme ist schwierig
zu beantworten. Natürlich kann durch die unmögliche Gattungszuordnung behauptet
werden, dass auch eine Zuordnung eines durchgehenden Erzählers für das gesamte
Werk nicht möglich ist. Das ist einer der Hauptgründe, wieso bisher von erzählendem
Subjekt gesprochen wurde. Dieser Begriff ist in erster Linie als Hilfskonstrukt zu ver-
stehen, um die literaturwissenschaftliche Begrifflichkeit von personalem und auktori-
alem Erzähler zu umgehen. Diese von Stanzel geprägten Begriffe werden hier durch
die exaktere Begrifflichkeit von Genette ersetzt.95 Der Begriff des Subjekts soll da-
rauf hinweisen, dass trotz der theoretisch vorhandenen Trennung von Erzähler und
Autor96 doch an eine Person hinter dem Erzähler zu denken ist. Genette beschreibt
das Subjekt als jene Instanz, die Handlung vollzieht oder erleidet, aber auch davon
berichtet.97 Auch der Begriff des „lyrischen Ichs“ bringt für die Betrachtung der meis-
ten Texte der Rhone Saga keinen Mehrwert. Erstens kann nicht festgestellt werden,
dass der Gesamttext zur Gattung der Lyrik gezählt werden könnte, wodurch der Be-
griff des „lyrischen Ichs“ nicht zutreffend wäre. Zudem weist etwa Burdorf darauf
hin, dass auf den Begriff des „lyrischen Ichs“ zu verzichten sei, und stattdessen von
einem „repräsentativen Ich“ gesprochen werden sollte.98 Diese Benennung entgrenzt
das „Ich“ des Textes von einem „empirischen Ich“ und zeigt den exemplarischen
95 Genette weist explizit auf die Unterschiede zwischen seiner Theorie und jener von Stanzel hin: Vgl. Genette 2010, S. 245 f. 96 Vgl dazu: Metzler Literaturlexikon, Auktoriales Erzählen, S. 32 f. 97 Vgl. Genette 2010, S. 137. 98 Vgl. Burdorf 1997, S. 187.
39
Charakter des „Ichs“ auf, das nicht mehr auf eine empirische Person verweist, son-
dern potentiell auf alle Menschen. Dieser Ansatz wäre für eine exaktere Analyse des
Gedichts Bodrerito Sutra hilfreich.
Für die anderen Texte stellt sich nun die Frage, ob es eine Klassifizierung gibt, die ein
möglichst treffendes Konzept bietet, um die Erzählstimmen der Rhone Saga zu fas-
sen. Wie schon gezeigt, ist es alleine durch die Stimmenvielfalt in den verschiedenen
Texten kein einfaches Unterfangen, überhaupt eine Erzählinstanz zu finden, die stabil
und konsequent im Buch präsent ist. Trotzdem scheint es diese Stimme zu geben,
auch wenn sie einem gewissen Wechselspiel unterworfen ist. Genette spricht dieses
Phänomen an, wenn er sagt, dass es „eine variable oder flottierende Beziehung zwi-
schen Erzähler und Figur(en)“99 geben kann. Er spricht auch von einem „Taumel der
Pronomen“100, was zur Folge hat, dass die Idee einer Personalität im Text erheblich
komplexer wird. Dieses Flottieren der Personalpronomen gehört mitunter auch zu den
Stilprinzipien der Rhone Saga. Der Haupttext des Buches, abgesehen vom Langge-
dicht Bodrerito Sutra, beginnt folgendermassen: „Mais non! Springen wird er, Him-
mel im Hirn, ab den Felsen von Les Baux [...] Und: springen wird er nur mit ihr.“
(RS, 9). Der Text setzt also zunächst ohne das „Ich“ ein, das den weiteren Textverlauf
erheblich prägen wird. Das heisst, dass zu Beginn eine Distanz zwischen diesem kur-
zen Text und den weiteren längeren Texten aufgebaut wird. Zudem wechselt die Er-
zählstimme innerhalb weniger Zeilen, wenn es plötzlich heisst: „Warum ich sie Mère
Catherine nenne, da sie doch nicht meine Mutter und auch keine Schwester Oberin
sei?“ (RS, 9). In Genettes Klassifizierung kann festgestellt werden, dass man es zu-
nächst mit einem extradiegetisch-heterodiegetischen Erzählertypus zu tun hat. Eine
Erzählerstimme also, die zunächst eine Geschichte zu erzählen scheint, in der sie
selbst nicht präsent ist (markiert über das Personalpronomen „Er“).101 In diesem Falle
könnte man, wie Genette dies auch vorschlägt, davon ausgehen, dass der Autor selbst
die Geschichte erzählt, in der er allerdings nicht selber vorkommt. Allerdings könnte
der Gebrauch des Futurs auch auf eine homodiegetische Erzählung hinweisen, in
welcher der Erzähler von sich selbst in der dritten Person spricht. Mit dem Wechsel
99 Genette 2010, S. 160. 100 Ebd., S. 160. 101 Vgl. Genette 2010, S. 161.
40
zum Personalpronomen „Ich“ verändert sich die Erzählhaltung grundlegend. Die Be-
ziehung zur Geschichte wird eindeutig homodiegetisch. Die narrative Ebene kann
durchaus als intradiegetisch (Erzähler auf zweiter Stufe) bezeichnet werden. Aller-
dings wäre dann eine Markierung notwendig, die diese zweite Stufe erst erkennbar
macht. Möglich wäre, man nimmt das Motto „A celle qui m’a donné une langue“
(RS, 5) als eine extradiegetische Ebene an, auf der die Erzählerstimme eindeutig als
die des Autors gelesen werden kann. Man hätte somit einen Rahmen gesetzt, der es
ermöglicht, den Text der danach folgt als Binnenebene zu charakterisieren. Innerhalb
dieser Binnenebene kann dann davon ausgegangen werden, dass der Erzähler zudem
selbst Teil der Geschichte ist, also homodiegetisch präsent ist. Folglich wären dann
weite Teile der Rhone Saga als intradiegetisch-homodiegetisch zu taxieren. Das „Ich“
des Textes wäre eine Stimme auf zweiter Eben, die zudem selbst Teil der Narration
ist. Wie weiter oben bereits dargestellt, ist dieses „Ich“ über das gesamte Werk gese-
hen keineswegs durchgehend präsent, sondern wechselt ab mit den andern Stimmen,
die ebenfalls als „Ich“ im Text erscheinen.
Man könnte nun veranschlagen, dass die Rhone Saga, ähnlich wie dies Genette für
Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit feststellt, zuweilen in eine autobio-
graphische Form kippt. Da diese Annahme im Rahmen einer rein literaturwissen-
schaftlichen Arbeit allerdings nie endgültig bewiesen werden kann, soll dieser Aspekt
hier nicht weiter verfolgt werden. Viel eher soll noch geklärt werden, inwiefern der
Text über die dominante Erzählstimme mit seinen Adressaten umgeht. Wie Genette
bemerkt, gehört zu einem „intradiegetischen Erzähler [...] ein intradiegetischer Adres-
sat“102. Die Adressatin des intradiegetischen Erzählers ist zunächst klar als die Frau
(Bodrerito) auszumachen. An sie richtet sich der Erzähler in den verschiedenen Tex-
ten immer wieder, sie ist der Ausgang des Textes und ihr wird der geographische und
kulturelle Raum erläutert und erklärt: „Schwarz die Augen der Statue, schwarz die
Augen der Hirschkuh. Sie, Madame Empresa, tragen Schwarz.“ (RS, 9). Allerdings
ist auch die Adressatin keineswegs stabil und durchgehend im Text präsent. Die Er-
zählstimme spielt auch hier mit den aufgebauten Leseerwartungen. Zuweilen wech-
selt die Adressatin und es wird Mère Catherine angesprochen: „Ganz zuerst, Mère
102 Ebd., S. 169.
41
Catherine, war Tiefe alles und Heilongjiang, finster ganz.“ (RS, 69), oder Bodrerito
ist nicht mehr Adressatin des Textes, sondern verehrte Person, die in dritter Person
vorhanden ist: „Ein einziger Sommer ist der Hals der Bodrerito, ein Sommer, und al-
les erwacht.“ (RS, 113). Wenn die intradiegetische Adressatin für kurze Zeit wegfällt,
ist anzunehmen, dass das Werk durchaus auch auf einen extradiegetischen Adressa-
ten, etwa auf einen virtuellen Leser zielt, mit dem sich der reale Leser dann identifi-
zieren kann.103 Dieser extradiegetische Adressat wird besonders in der schon bespro-
chenen Fusszeile ersichtlich, wenn es heisst: „Hier, Leser, kann man nichts zurück-
übersetzen [...]“ (RS, 246).
Insgesamt zeigt sich, dass eine eigentliche konstante Erzählstimme der Rhone Saga
sich zwar über das gesamte Werk feststellen lässt, aber trotzdem ein Wechselspiel
herrscht zwischen verschiedenen Erzählhaltungen und Adressaten.
6. Intertextualität
Neben der Vielfalt an Texten, Themen und Stimmen sind es die intertextuellen Bezü-
ge, welche die Rhone Saga zu einem dialogischen und damit mehrstimmigen Buch
machen. Unter Intertextualität ist insbesondere die Text-Text-Beziehung zu verste-
hen, aber auch der Miteinbezug von Bildern kann als eine weitere Stimme aufgefasst
werden. Wie weiter oben gezeigt, ist Intertextualität ein variantenreiches Phänomen
und als solches entzieht es sich einer vollständigen Analyse. Hier soll es in erster Li-
nie darum gehen, diesen Variantenreichtum auch anhand der Rhone Saga zu spezifi-
zieren, um dann ausgewählte Texte dazu analysieren zu können.
6.1 Intensive Intertextualität?
Ein erster Schritt besteht darin, intertextuelle Phänomene ausfindig zu machen und
kurz zu beschreiben. Da der Umfang des Werkes selbst für dieses Vorhaben zu gross
ist, wurde eine Auswahl an Texten getroffen, die in irgendeiner Form auf Intertextua-
lität hinweisen und ihren intertextuellen Charakter offenlegen. Wie schon in den Ka-
piteln davor kann es nicht darum gehen, jede Textstelle, die potentiell intertextuell ist
zu analysieren, sondern anhand einer Auswahl an Texten Intertextualität ausfindig zu
machen und strukturell zu beschreiben. Da das Erkennen von Intertextualität immer
103 Vgl. Genette 2010, S. 169.
42
rezipientenabhängig ist, folgt die Auswahl dem persönlichen Vorwissen des Autors
dieser Arbeit. Ausgewählt wurden besonders die Texte, in denen eine Anknüpfung an
einen anderen Autor oder Text offenkundig markiert ist, sei es durch die Nennung des
Autornamens oder eines Werktitels. Die Auswahl der Texte ist in folgender Tabelle
wiedergegeben: Seite Titel Intertextualität
34 / 35 Schutthaufen nennen Ahnungslose diese meine
weisse Maison Carrée
Figurengedicht z.B. als An-
knüpfungspunkt an das Werk
von Guillaume Apollinaire
48 – 55 Ne te courbe que pour aimer (und weitere Texte,
v.a. X)
Bezug zum Dichter René Char
und weiteren Poeten
85 – 88 Bei Null anfangen, Maurice Chappaz? Pierre Imhasly war Übersetzer
der meisten Bücher von Mauri-
ce Chappaz
125 A las cinco de la tarde Text zitiert Verse von Lorca
156 Das kleine Testament von Törbel Text gegliedert nach Figuren
der Commedia dell’Arte
180 / 181 Shih Tsu, Kate, oder die Perfektion ist auch: MEI Verweis auf viele Schriftsteller
und deren Werke
290 / 291 Retour à Tipasa Titel und weitere Hinweise auf
Albert Camus im Text
302 – 307 Die Seele, Annie, bebt dir bis auf den Grund der
Erde
Passionsgeschichte als Text-
gliederung
332 / 333 Stadt und Land des Nicolas Bouvier Leben und Werk von Bouvier
Tab. 1: Textauswahl für Analyse der Intertextualität in der Rhone Saga.
Bevor die Intensität von Intertextualität untersucht wird, soll für einige der Texte hier
kurz dargestellt werden, wie die Text-Text-Beziehung aussieht und funktioniert. Vier
Texte sollen hier einander gegenübergestellt werden: Zum einen A las cinco de la
tarde, dann Retour à Tipasa, X, und schliesslich Shih Tsu, Kate [...]. Da Intertextuali-
tät eine mehr oder minder bewusste Anspielung eines Autors auf andere Texte (Prä-
texte) ist,104 soll hier dargestellt werden, auf welche Texte diese vier Texte der Rhone
Saga anspielen.
104 Vgl. Broich/Pfister 1985, S. 23.
43
Im ersten Fall ist bereits der Titel eine zweideutige Anspielung. Zunächst bedeutet
dieser Satz aus dem Spanischen übersetzt ‚Am Nachmittag um fünf Uhr.’ (vgl.
Glossar, RS, 449). Das entspricht der Uhrzeit, zu der spanische Stierkämpfe in der
Regel beginnen. Zugleich ist dieser Titel bereits ein Zitat aus dem Gedicht Klage um
Ignacio Sánchez Mejías.105 In dieser Elegie auf einen getöteten Matador figuriert die-
ser Vers als gebetsartiger, repetitiver Ausruf: Una espuerta de cal ya prevenida
a las cinco de la tarde.
Lo demás era muerte y sólo muerte
a la cinco de la tarde.106
Das Schema von Lorcas Gedicht wird für den erwähnten Text der Rhone Saga, in
dem mehrere Verse daraus zitiert werden, frei übernommen. Allerdings ist es nicht
der Ausruf „A las cinco de la tarde“ der als Refrain aufgenommen wird, es sind die
anderen zitierten Verse, die den Text über das Weisshorn gliedern.107 Die Verse Lor-
cas, die den Tod beklagen, werden folglich übernommen und in einen neuen Kontext
gestellt. Sie erweitern hier die Beschreibung des Berges und stellen ein erweitertes
poetisches Register dar, wie folgendes Zitat zeigt: Die Eismünder offen, gepfählt von spitzen metallischen Zähnen. Da Licht und Schrei verklin-
gen. Lo demás... muerte y solo muerte: Die Pyramide ein grosses gemartertes Pferd, das Pferd
ein gekreuzigter Christus. (RS, 125)
Ähnliches kann für den Text Retour à Tipasa festgestellt werden. Auch wenn dieser
Text einen eher erzählenden Charakter besitzt, bezieht er sich anhand mehrerer direk-
ter, ebenfalls kursiv gesetzter Zitate, auf Texte eines fremden Autors. In diesem Falle
ist es das Werk Albert Camus’, das als Ausgangspunkt fungiert. Bereits der Titel
verweist hier auf einen Text des französischen Autors, erschienen 1954 in einem mit
L’été betitelten Sammelband. In deutscher Sprache wurde der Band später mit dem
Titel Heimkehr nach Tipasa versehen.108 Daneben sind es kleine Versatzstückte, die
unter anderem auf Camus’ L’homme révolté (Der Mensch in der Revolte) anspielen.
Etwa wenn geschrieben steht: „[...] Bauern verbrennen Pneus auf dem Markt, in Apt,
105 Lorca 2007, S. 114. Übers.: Ein Korb mit Löschkalk, schon bereit / um fünf Uhr am Nachmittag / Der Rest war Tod, und nichts als Tod / um fünf Uhr am Nachmittag. 106 Ebd., S. 114. 107 Die eingefügten Verse sind im Glossar übersetzt (RS, 449). 108 Vgl. Camus 1957, Titel des Sammelbandes.
44
hommes révoltés“ (RS, 290), oder wenn gleich der erste Satz von Camus’ Essay ziti-
tiert wird: „qu’est-ce que l’homme révolté? un hommme qui dit non“ (RS, 290)109.
Auch Camus’ L’étranger (Der Fremde) liefert Zitate für den Text der Rhone Saga.
Allerdings sind es keine ganzen Sätze, die aufgenommen werden, es sind eher Para-
phrasen, die nur ungefähr auf das Original verweisen. In der Rhone Saga heisst es:
„Meursault, grundlos, vielleicht à cause du soleil hat der viermal geschossen“ (RS,
290). Im Ursprungstext, allerdings in der deutschen Übersetzung, heisst es: Das Brennen der Sonne stieg mir in die Wangen, und ich habe gespürt, daß sich Schweißtrop-
fen in meinen Augenbrauen sammelten. Es war dieselbe Sonne wie an dem Tag, als ich Mama
beerdigt habe, und wie neulich tat mir vor allem die Stirn weh, und alle ihre Adern pochten
auf einmal unter der Haut.110
In der Rhone Saga wird auf den Mord, den der Protagonist Meursault in L’étranger
begehet, angespielt. Zugleich wird gemutmasst, dass der Grund für den Mord die
Sonne gewesen sein könnte. Der Verweis auf den fremden Text ist also nicht bloss
ein Hinweisen auf etwas, es ist als interpretierender Gestus zu verstehen. Auch aus Le
mythe de Sisyphe (Der Mythos des Sisyphos) wird zitiert: „La révolte de la chair,
c’est l’absurde, blau ging das in uns hinein [...]“ (RS, 290). In der deutschen Überset-
zung des Originaltextes heisst es: „Dieses Aufbegehren des Fleisches ist das Absur-
de.“111 Imhaslys Text ist hier eine Ehrbekundung an Albert Camus: „Albert war Licht
und agnostisch, gnostisch das Licht, die verrückte Befreiung [...]“ (RS, 290) und zu-
gleich eine biographische Rückbesinnung auf die Jugendzeit, in der die Lektüre von
Camus’ Werken aktuell war. Der Tod dieses Autors wird im Text ebenfalls betrauert:
„[...] wir waren zwanzig, als es, midi trente, aus dem Radio kam wie ein Blutsturz,
auf der Karte von Frankreich mitten im Herzen an einem Baum [...]“ (RS, 290). Der
Tod Albert Camus’ ist auch der Anknüpfungspunkt für das erzählende Subjekt, dass
im Text selbst, zusammen mit Bodrerito, das Grab Camus’ in der französischen Ge-
meinde Lourmarin besucht. Die Texteinschübe und das Erzählen vergangener Tage
verweben sich so zu einem Netz, das sich bis in die Gegenwart der Rhone Saga hin-
ein manifestiert.
109 Die Vergleiche folgen hier der deutschen Ausgabe: Camus 2011, S. 27. 110 Camus 1994, S. 70. 111 Camus 2011, S. 26.
45
Der dritte bemerkenswerte Fall von Intertextualität findet sich im mehrteiligen Text,
der vor allem auf den französischen Dichter René Char verweist. Allerdings ist es be-
sonders der mit X betitelte Text, der aufsehenerregend ist, da er ein einziges Zitat ei-
nes Gedichtes von Monique Laederach ist. Das Gedicht ist in französischer Sprache
verfasst und ohne Übersetzung abgedruckt. Allerdings geht es ja hier nicht so sehr um
den Inhalt des Gedichtes, sondern darum, was es heisst, wenn ein vollständiges Ge-
dicht in einen ansonsten genuin eigenständigen Text eingebaut ist. Laut Genette ist es
die „effektive Präsenz eines Textes in einem anderen Text“112, die Intertextualität
markiert, was sich besonders im direkten Zitat zeigt. Während wir es bei den vorher-
gegangenen Fällen laut Genette eher mit einem Plagiat zu tun haben, da die wörtli-
chen Übernahmen aus Lorcas Gedicht und aus den verschiedenen Werken Camus’
nicht deklariert waren,113 wird das Gedicht von Laederach als Zitat markiert, wenn
am Seitenende steht: „(in: Monique Laederach, Jusqu’à ce que l’été devienne une
chambre...)“ (RS, 53). Die Quellenangabe ist aus wissenschaftlichem Blickwinkel
zwar unvollständig, genügt aber vollauf, den Text als Zitat auszuweisen. Monique
Laederach wird zuvor als eine der drei Dichter/Innen genannt (neben Maurice Chap-
paz und Nicolas Bouvier), die das erzählende Subjekt quasi als Kanon nennt: Ich aber habe drei Dichter
[...]
Und über den Wassern Monique
Monique Laederach in magischem Land (RS, 52)
Das Zitat dieses Gedichts kann folglich als Huldigung verstanden werden, analog zu
den Verweisen auf Camus’ Werke. Es scheint, dass das Verweisen auf Texte anderer
Autoren in der Rhone Saga also durchaus poetisches Programm ist. Dem eigenen
Werk wird vom Autor bewusst ein subjektiv gewählter Kanon anderer Werke, die im
Rückschluss selbst inhaltlich auf die Rhone Saga verweisen, etwa wenn thematische
Analogien gezogen werden können, entgegengestellt.114
Ganz anders präsentiert sich die Situation in Shih Tsu, Kate [...]. Dieser Text zitiert
keine anderen Texte, sondern basiert bestenfalls nur auf Anspielungen, die sich aller-
112 Genette 1993, S. 10. 113 Vgl. ebd., S. 10. 114 Vgl. dazu auch die Bezüge zu Maurice Chappaz in der Rhone Saga, dessen Werke von Pierre Im-hasly ins Deutsche übersetzt wurden.
46
dings vornehmlich durch die Nennung von Autoren auszeichnen. Es stellt sich in dem
Zusammenhang die Frage, ob für einen solchen Fall überhaupt von Intertextualität
gesprochen werden soll. Im Sinne aber, dass selbst die Nennung von Autorennamen
und teilweise auch von Werktiteln die oben angesprochene subjektive Kanonisierung
erweitern, ist durchaus von Intertextualität zu sprechen. Jedenfalls kann festgestellt
werden, dass selbst durch die Nennung eines Autorennamens auch jeweils sein Werk
mitschwingt. Verstärkt wird dieser Eindruck noch, wenn das erzählende Subjekt diese
Autorennamen anekdotisch anreichert oder wiederum in die eigene Biographie ein-
baut, etwa wenn über Charles-Ferdinand Ramuz gesagt wird: „[...] aber dennoch, hat
er der Romandie ein Nationalbewusstsein gegeben“ (RS, 181). Der Reigen an ge-
nannten Namen ist äusserst umfangreich und reicht von den Grössen der französi-
schen Literatur (Stendhal, Lamartine etc. [RS, 180]) bis zu bekannten Schweizer Lite-
raten (Frisch, Dürrenmatt[RS, 181]). Über den französischen Dichter Saint-John Per-
se sagt das erzählende Subjekt: „Saint-John Perse, tibetanischer, der grösste französi-
sche Dichter des Jahrhunderts, jedenfalls für mich“ (RS, 189). Perses Leben und
Werk wird besonders im Text Jean Genoud ou l’amour accompli du désir resté livre
(RS, 182 – 187) thematisiert. Die Beschreibung von Saint-John Perses Poetik: „Er
machte nur Bilder, St.-J.P. Rhythmen und Bilder.“ (RS, 184) liest sich da wie ein
Hinweis auf die Poetik der Rhone Saga. Und wenn Paul Claudel in seinem Nachwort
zu Saint-John Perses Langgedicht Winde schreibt: Es gibt eine Poesie, die aus dem Raum lebt und die des Raumes zu ihrer Entfaltung bedarf,
eine Poesie, die weniger der genauen Zusammenfügung eines Wortgebildes entspringt als der
hinausgewandten Aufmerksamkeit auf ein Ganzes.115
wird klar, dass diese Worte ebenso für Imhaslys Rhone Saga ihre Gültigkeit haben.
Ein genauer Vergleich des dichterischen Werkes von Saint-John Perse z.B. mit dem
Langgedicht Bodrerito Sutra würde zudem weitere Analogien zu Tage treten lassen.
Zumindest was das Schreiben in der Form des Prosagedichts anbelangt sind die Ge-
meinsamkeiten offensichtlich.116 Es müsste dann allerdings auch auf das Werk Ezra
Pounds eingegangen werden, das für den Gebrauch fremder Sprachen im eigenen
Schreiben Massstäbe gesetzt hat und für den Schriftsteller Pierre Imhasly bestimmt
115 Claudel 1978, S. 457. 116 Vgl. Perse 1978, S. 259.
47
eine der grundlegenden Inspirationen war, dies ebenfalls zu tun. Als Beispiel könnten
etwa Pounds Die Pisaner Cantos herangezogen werden.117
In einem zweiten Schritt wird nun anhand der Kriterien von Broich/Pfister analysiert,
welche Intensität die Intertextualität in der Rhone Saga erreicht. Dazu dienen uns die
sechs von Broich/Pfister vorgeschlagenen qualitativen Kriterien sowie die zwei quan-
titativen Kriterien.118
6.1.1 Referentialität
Unter Referentialität soll laut Broich/Pfister untersucht werden, ob ein Text sich bloss
eines anderen Textes bedient, oder ob explizit auf ihn verwiesen, also referiert
wird.119 Ein Zitat, das sich nahtlos in einen Text einfügt, ist demnach von geringer in-
tertextueller Intensität. Wenn der Zitatcharakter aber hervorgehoben wird, entsteht
Referentialität, was auf eine grössere Intensität schliessen lässt.
Wie oben gezeigt, erweist das erzählende Subjekt der Rhone Saga verschiedenen Au-
toren und deren Werk seine Referenz. Der würdigende Charakter ist in diesem Falle
nur dann gegeben, wenn der Prätext explizit genannt wird. Allerdings wird der inter-
textuelle Bezug nicht immer im Haupttext ausgewiesen. So wird beim Text A las cin-
co de la tarde erst mit dem Glossareintrag (RS, 449) klar, dass es sich bei den kursi-
ven, spanischsprachigen Einschüben um Zitate aus dem Gedicht Klage um Ignacio
Sánchez Mejías120 handelt. Besonders die Übersetzung der eingefügten Zitate und die
kurze inhaltliche Zusammenfassung des Gedichts im Glossar lassen einen hohen
Grad an Referentialität erkennen. Für diesen Text kann folglich von einer hohen in-
tertextuellen Intensität gesprochen werden. Einschränkend muss allerdings erwähnt
werden, dass diese Intensität keineswegs über das gesamte Werk und für alle intertex-
tuellen Bezüge festgestellt werden kann. Im Text Retour à Tipasa (RS, 290/291) wird
der Leser zunächst im Ungewissen gelassen, welche Sätze überhaupt Bezüge auf ei-
nen Prätext sind. Zumindest wird der Autorname Albert Camus’ zum Schluss des
Textes genannt. Die einzelnen Zitate, auch hier kursiv gedruckt, können allerdings
ohne Vorwissen unmöglich einem der Werke Camus’ zugeordnet werden. Im Gegen-
satz zum davor genannten Text, muss man hier also davon ausgehen, dass Referentia- 117 Vgl. Pound 2013, S. ab S. 269. 118 Vgl. Kap. 2.2. 119 Vgl. Broich/Pfister 1985, S. 26 120 Lorca 2007, S. 114.
48
lität nur in geringem Masse gegeben ist. Für Die Seele, Annie, bebt dir bis auf den
Grund der Erde (RS, 302 – 307) kann ähnliches festgestellt werden. Es wird zwar
schnell klar, dass der Text den vierzehn Stationen des christlichen Kreuzwegs folgt.
Ab der zweiten Station wird der Text mit Einschüben, die eng an die Bibel angelehnt
sind, ergänzt: „Jesus nimmt das Kreuz auf sich.“ (RS, 303). Da ein Kreuzweg aller-
dings nicht einem einzigen biblischen Text folgt, sondern eine Kompilation aller vier
Evangelien darstellt, wird die Referentialität stark zurückgestuft.121 Man weiss als
Leser zwar, dass der Text den vierzehn Stationen der Leidensgeschichte Christi folgt,
man wird daraus aber nicht ohne weiteres ableiten können, auf exakt welchen Prätext
Bezug genommen wird.
Insgesamt kann festgestellt werden, dass die Referentialität sich in der Rhone Saga
oft in einem mittleren Intensitätsgrad abspielt. Durch das Glossar, aber auch durch die
direkte Nennung von Autorennamen122 werden Texte zwar hochgradig referentiell.
Dieser hohe Referentialitätsgrad wird allerdings immer wieder unterlaufen, so dass
der Leser teils nur über ein gewisses Vorwissen Referenzen erkennen kann.
6.1.2 Kommunikativität
Angelehnt an die Referentialität steigert sich die intertextuelle Intensität im Falle der
Kommunikativität, je höher beim Autor und beim Rezipienten das Bewusstsein ist,
wo auf welchen Text gerade Bezug genommen wird.123 Hier kommt es vor allem auf
die durch den Autor bewusst gesetzten Markierungen intertextueller Bezugnahmen
im Werk an, die dann allerdings vom Rezipienten auch erkannt werden müssen. Wie
schon für die Referentialität gezeigt, ist die Kommunikativität nicht in jedem Falle
gegeben. Man kann zwar annehmen, dass beim Autor der Rhone Saga ein hohes Be-
wusstsein dafür vorhanden ist, auf welche Texte er sich bezieht. Anders ist die Diver-
sität und Vielfalt der verschiedenen Prätexte nicht zu erklären. Allerdings kann nur
schlecht analysiert werden, inwiefern die Rezipienten des Buches die einzelnen An-
spielungen auf Prätexte erkennen und inwiefern die Prätexte den Rezipienten auch
121 So bezieht sich der Satz „Jesus, seiner Kleider beraubt.“ (RS, 306), die zehnte Station des Kreuz-wegs, auf Mt 27,33 – 36; auf Mk 15,24; auf Lk 23,34 und auf Joh 19,23 – 24 des Neuen Testaments. Andere Stationen sind nicht in der Bibel belegt (z.B. die sechste Station; das Schweisstuch der Veroni-ca). 122 Vgl. etwa Shih Tsu, Kate [...] (RS, 180/181). 123 Vgl. Broich/Pfister 1985, S. 27.
49
bekannt sind. Wie Broich/Pfister bemerken, ist die Intensität dann am höchsten, wenn
auf kanonisierte Texte der Weltliteratur zurückgegriffen wird.124 Trotzdem bleibt es
schwierig, auszumachen, was genau unter „kanonisierten Texten“ zu verstehen ist.
Was für einige Rezipienten durchaus zum Kanon der Weltliteratur gehört, muss für
andere nicht zwangsläufig dazugehören. Für die Rhone Saga stellt sich in diesem Zu-
sammenhang die Frage, inwiefern etwa Maurice Chappaz zu einem Kanon der Welt-
literatur gehört, oder ob allenfalls die weitgehend vergessenen Dichter Saint-John
Perse, René Char oder Ezra Pound dazugezählt werden dürfen.125 Abgesehen davon,
ob man bei den genannten Schriftstellern und deren Texten von kanonisierter Litera-
tur sprechen kann oder nicht, bleibt die Frage, wie ausgeprägt, die Kenntnis des Rezi-
pienten bezüglich der Prätexte ist. So scheint es klar zu sein, dass der Autor der Rho-
ne Saga in Bei Null anfangen, Maurice Chappaz? (RS, 85 – 88) sehr bewusst nicht
nur ein persönliches Portrait von Chappaz zeichnet, sondern auch dessen Werk im
Hintergrund mitklingen lässt. Im Haupttext selbst wird etwa auf Die Zuhälter des
ewigen Schnees angespielt, indem Biographisches und Werkimmanentes vermischt
wird: Die Niedertracht, die unser Land auch mit vollen Löffeln frass, seit die Heiligen auszogen, die
vereinigte Niedertracht wollte Sie in den Suizid treiben, damals, als Les Maquereaux des
Cimes Blanches zu wirken begannen [...]“ (RS, 85).
Das 1976 erschienene Werk Chappaz’ wird hier nur indirekt über die kurze Anspie-
lung auf seinen Inhalt und über seine Wirkungsgeschichte anzitiert. Über die Proble-
me, die das Werk mit sich bringen steht im Vorwort von Die Zuhälter des ewigen
Schnees: „Nicht-Lebenslänglich im Wallis, Nicht-Lebenslänglich für alle. Man macht
den Tod nur aus im Wechsel aller Dinge.“126 Der drohende Suizid auf den in der
Rhone Saga angespielt wird, schwingt in diesem Zitat mit. Inwiefern der Rezipient
die Vorgeschichte von Chappaz’ Pamphlet kennt, kann nicht beantwortet werden.
Zumindest wird spätestens in der glossarähnlichen Ergänzung zum Chappaz-Text
(vgl. RS, 88) auf dessen Gesamtwerkt verwiesen, was eigentlich annehmen lässt, dass
selbst ohne Kenntnis von Chappaz’ Werk ein intertextueller Bezug klar sein sollte.
124 Vgl. Broich/Pfister 1985, S. 27. 125 Zumindest im deutschsprachigen Raum sind deren Werke entweder vergriffen oder erst kürzlich zum ersten Mal komplett aufgelegt worden (z.B. Die Cantos von Pound). 126 Chappaz 2009, S. 6.
50
Abschliessend kann festgestellt werden, dass in den gezeigten Fällen von Autorseite
her klar auf die jeweiligen Prätexte verwiesen wird und insofern von einer hohen In-
tensität auf Ebene der Kommunikativität gesprochen werden kann. Generell muss
man annehmen, dass der Rezipient, über die gesamte Lektüre der Rhone Saga und
durch die immer wiederkehrenden Bezüge auf verschiedene Autoren und Werke, ein
relativ hohes Bewusstsein entwickeln sollte für das Vorhandensein intertextueller Be-
züge im Werk. Das würde folglich heissen, dass durchaus von einem hohen Grad an
Kommunikativität gesprochen werden kann.
6.1.3 Autoreflexivität
Hier soll untersucht werden, ob es im Text selbst sozusagen eine Metakommunikati-
on gibt, welche die eigene intertextuelle Bezugnahme reflektiert. Wird Intertextualität
im Text selbst thematisiert, steigt auch die Intensität. Dieser metakommunikative As-
pekt wird von Broich/Pfister besonders für Werke der Moderne und Postmoderne
veranschlagt.127 Da die Rhone Saga durchaus als ein Werk der Postmoderne angese-
hen werden kann, müsste dieses Werk besonders viele autoreflexive Passagen auf-
weisen. Explizite Hinweise auf die intertextuellen Bezüge lassen sich in der Rhone
Saga keine finden. Der Autor belässt es allenfalls bei einer impliziten, subtilen Art
und Weise, die Intertextualität zu thematisieren und zu rechtfertigen. Über das gesam-
te Werk gesehen, wird Intertextualität zwar praktiziert, aber nicht problematisiert. Die
einzigen Hinweise auf eine gewisse Reflexivität hinsichtlich der intertextuellen Be-
züge lassen sich bestenfalls in den kurzen Äusserungen zu gewissen Autoren lesen:
„Mein Land ist ein kleines Land / Ich aber habe drei Dichter [...]“ (RS, 52). Zwar
wird nicht gesagt, wie genau diese Dichter im Werk nun präsent sind. Alleine die
Kontrastfigur, die sich aus der Nennung des „kleinen Landes“ ergibt, lässt aber darauf
schliessen, dass impliziert wird, dass die drei Dichter trotz dem kleinen Land zu den
grossen Dichtern gehören. Diese Wertung bezüglich der drei Autoren zeigt zumin-
dest, dass die späteren Bezugnahmen auf jene Autoren (Chappaz, Bouvier, Laeder-
ach) keinesfalls zufällig sind, sondern von vorneweg mitgedacht sind. Weiter lässt
sich auch sagen, dass der Autor indirekt auf die Wichtigkeit der intertextuellen Bezü-
ge pocht, wenn man berücksichtigt, wie umfangreich und detailliert das Glossar und
127 Vgl. Broich/Pfister 1985, S. 27 f.
51
die Ikonographie gestaltet sind. Das umfangreiche Glossar lässt vermuten, dass dem
Autor sehr daran gelegen ist, dass der Leser dieses auch konsultiert und sich damit
den vielfältigen Bezügen des Textes aussetzt. Ebenso verhält es sich mit der Ikono-
graphie. Alleine schon die Tatsache, von Ikonographie zu sprechen, anstatt von Bild-
nachweis (o.ä.) weist darauf hin, wie gross der Stellenwert etwa der verschiedenen
Bilder im Werk ist und wie diese zu interpretieren sind. Das heisst, Intertextualität
wird zwar nicht explizit thematisiert, die Struktur des Werkes, die hohe Bereitschaft,
Bezüge zu anderen Autoren, Werken und zu anderen kulturellen Begebenheiten zu
klären, verweist auf einen hohen Grad an Reflexivität von Seiten des Autors. Auch
der universale Anspruch, den man der Rhone Saga durchaus zugestehen kann, reali-
siert in der Breite der aufgenommenen Themen, lässt sich rückwirkend als Erklärung
hierzu anbringen.
6.1.4 Strukturalität
Wenn „ein Prätext zur strukturellen Folie eines ganzen Textes wird“128, dann ist das
Kriterium der Strukturalität am intensivsten erfüllt. Das blosse Anzitieren von Wer-
ken ist demgegenüber in geringerem Masse intertextuell. Wie schon gezeigt, gibt es
in Pierre Imhaslys Werk mehrere Texte, die in Form von Zitaten (Genette würde von
Plagiaten sprechen129) auf ihren jeweiligen Prätext verweisen. Es gibt für den Ge-
samttext der Rhone Saga keine „strukturelle Folie“, die als Prätext angesehen werden
kann. Das Werk in seiner Gesamtheit ist dementsprechend strukturell gesehen wenig
intensiv an Intertextualität. Wie schon angedeutet, könnte man unter Umständen an-
nehmen, dass einzelne Texte von Saint-John Perse oder Ezra Pound eine solche Folie
bieten könnten. Allerdings sind die Markierungen dazu in der Rhone Saga zu gering
oder gar nicht vorhanden. Und zudem müssten solche Beziehungen eher für das
Langgedicht Bodrerito Sutra gesucht werden, was den Rahmen dieser Arbeit spren-
gen würde. Bezogen auf einzelne andere Texte lassen sich aber durchaus Prätexte
feststellen, die als eine solche Folie dienen. Erinnert sei etwa an den Text Die Seele,
Annie, bebt dir bis auf den Grund der Erde (RS, 302 – 307), dessen Prätext die Passi-
on Christi ist. Wie schon gezeigt, basiert dieser Text, der dem Kreuzweg Christi folgt,
auf verschiedenen Textstellen aus der Bibel. Trotzdem ist die Struktur, der Ablauf des 128 Broich/Pfister 1985, S. 28. 129 Vgl. Genette 1993, S. 10.
52
Geschehens klar festgelegt und folgt den Ereignissen, wie sie in den Evangelien er-
zählt werden. Auch für andere Texte sind ähnliche strukturelle Prätexte denkbar, auch
wenn nicht immer auf einen empirisch genauen Text zurückgegriffen wird. Denkbar
wäre auch, angelehnt an Clifford Geertz, ritualisierte kulturelle Bräuche textuell zu
verstehen und anzuwenden. Geertz weist darauf hin, dass Kultur, analog zu Texten,
ein selbstgesponnenes Bedeutungsgewebe darstellt und deshalb interpretiert werden
kann.130 So dient dem oben erwähnten Text, zusätzlich zur Passion Christi auch der
kulturell codierte Ablauf einer spanischen Corrida als Prätext. Beinahe jeder Station
des Kreuzwegs ist ein Satz beigestellt, der den Ablauf der Corrida erläutert. Zusam-
mengenommen ergibt sich daraus: In der Corrida spielt der Präsident den Pilatus. [...] Die Capa hat den Stier fixiert. Es gibt kein
Entrinnen mehr. [...] Dreimal rennt der Stier ins Pferd. Drei Picas bringen ihn zu Fall. [...]
Aufblitzen nur, doch aus einem guten quite können Pailletten der Ewigkeit rieseln, aus einem
Stier und einem Mann mit seinem Tuch. [...] Gut gesteckt, sollen die banderillas den Stier aus
dem Schock mit dem Pferd, aus dem Trauma zurückholen. [...] Das Schweisstuch vor dem
Stier: verónica, it’s basic. [...] Ins rote Tuch wird der schwarze Stier genommen. [...] So sanft
dieser pase de pecho. [...] Nächst dem gefallenen Menschen ein durchaus unterträgliches
Bild: der hingefallene Stier. [...] Über die weissen Hörner ginge mit seinem weissen Degen
der Mann hinein. [...] Der Stier hat den Gnadenstoss empfangen. [...] Den toten Stier schleift
man in die Runde. [...].131 (RS, 302 – 307).
Der streng festgelegte Ablauf einer Corrida erlaubt es durchaus, hier von einem Be-
deutungsgewebe zu sprechen, dass sich nahezu als Text lesen und verstehen lässt.
Auch andere Bräuche dienen der Rhone Saga als ein solches kulturell codiertes Feld,
das als prätextuelle Folie dient. Als Beispiel sei hier besonders der mit Leman-Tarot
(RS, 352 – 375) betitelte Text genannt, der als fiktives Spiel zwischen Personen ge-
dacht ist, die im Werk bereits vorgestellt wurden (Bodrerito, Bernard Crettaz, Nicolas
Bouvier und Bruno Baeriswyl). Als prätextuelle Grundlage dienen zwölf verschiede-
ne Karten des Tarots. Die verschiedenen, symbolisch aufgeladenen Karten dienen als
Konterpart zum Text und liefern Anknüpfungspunkte und Ergänzungen. Die ver-
schiedenen Personen sprechen sich teilweise untereinander an und nehmen Bezug zur
jeweiligen Karte, die abgebildet ist. So etwa wenn Nicolas Bouvier an Bodrerito ge-
130 Vgl. Geertz 2005, S. 274. 131 Zum Ablauf einer Corrida: Vgl. Neuhaus 2007, S. 200 – 244.
53
richtet spricht und auf die Karte L’Impératrice – The Empress sagt: „Was alles an
Fülle du haben magst, Bodrerito, meine Karte deckt es auf.“ (RS, 353). Weitere Ab-
bildungen ergänzen die Tarot-Karten und den Text (z.B. Fotografie des Grabes von
Jorge Luis Borges oder Abbildungen aus dem Kamasutra). Insgesamt entsteht, was
für das Werk an sich ja bereits charakteristisch ist, ein äusserst vielstimmiger Text,
der aber vor allem über das titelgebende Tarot zusammengehalten wird. Auch Das
kleine Testament von Törbel (RS, 156 – 161) basiert auf einem kulturellen Prätext,
wenn die Gliederung des Textes durch Personen der Commedia dell’Arte vorgegeben
wird. Die Stücke der Commedia dell’Arte kennen keinen schriftlich fixierten Ablauf,
sondern sind improvisiert. Festgelegt sind einzig die typisierten Figuren,132 von denen
einige in der Rhone Saga präsent sind. Die Figurenrede der Personen aus dem Dorf
wird hier verknüpft mit den genau festgelegten Rollenvorstellungen, die man von den
Figuren (z.B. von Arlecchino) hat.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es unmöglich ist, für das Gesamtwerk
Rhone Saga einen einzigen Prätext als „strukturelle Folie“ vorzustellen. Für einige
der Texte sind, unter Berücksichtigung eines weitgefassten Textbegriffs, Prätexte als
solche Folien erkennbar. Das heisst, dass die intertextuelle Intensität nicht durchge-
hend hoch gehalten wird, sondern auf Ebene der Strukturalität variabel vorhanden ist.
6.1.5 Selektivität
Selektivität beschreibt, wie Prätexte oder Elemente davon, ausgewählt und in einem
Text benutzt werden. Ein Zitat ist hier die intensivste Möglichkeit der intertextuellen
Bezugnahme, während etwa der Verweis auf eine gewisse Gattung oder die Anspie-
lung einen geringeren Intensitätsgrad darstellen.133 Wie bereits an den oben genann-
ten Beispielen erkannt werden kann, ist für die Rhone Saga auch im Bereich der Se-
lektivität von keiner durchgehend hohen oder niedrigen Intensität auszugehen. Viel
eher ist auch hier das Wechselspiel verschiedener Intensitätsstufen das konstituieren-
de Merkmal. Eine Abstufung auf Ebene der Selektivität zeigt, dass etwa das Figuren-
gedicht Schutthaufen nennen Ahnungslose diese meine weisse Maison Carrée (RS,
34/35) nur schwach selektiv auf andere Figurengedichte verweist. Es kann durchaus
davon ausgegangen werden, dass dieses Figurengedicht, das in der Mitte die Form ei- 132 Vgl. dazu: Metzler Literaturlexikon, Commedia dell’Arte, S. 86 f. 133 Vgl. Broich/Pfister 1985, S. 28.
54
nes Berges (hier das Matterhorn) ausspart, in Anlehnung an die vielen bekannten Fi-
gurengedichte Guillaume Apollinaires verfasst wurde.134 Zumal Apollinaire im Text
Et j’aime de t’y aimer cette Nîmes l’andalouse (RS, 57/59/61) ebenfalls erwähnt
wird. Allerdings könnte dieses Gedicht ebenso auf andere bekannte Figurengedichte
hinweisen. Sicher ist, dass man es hier mit einem „Bezug auf die Normen und Kon-
ventionen einer Gattung“135 zu tun hat und die Prägnanz der intertextuellen Bezug-
nahme nur eine geringe ist. Am anderen Ende des Spektrums findet sich demnach X
(RS, 53), jener Text also, der ein Gedicht von Monique Laederach vollständig zitiert
und dieses Zitat explizit ausweist. Die Intensität auf Ebene der Selektivität wird in
diesem Fall verstärkt durch die Texte, die in direkter Umgebung des Zitats stehen. Pa-
rallel zu X findet sich der kurze Text René Char zu feiern (RS, 52), auf den nächsten
Seiten folgen die Fotos, die das Wohnhaus René Chars zeigen. Das von Laederach zi-
tierte Gedicht steht also gewissermassen quer in einem Kontext, der vor allem durch
die Präsenz von René Char geprägt ist. Zwischen diesen zwei extremen Positionen,
zwischen niedriger und hoher Intensität auf Ebene der Selektivität, bewegen sich an-
dere Texte, die etwa auf Prätexte und deren Inhalt verweisen, diese aber nicht zitie-
ren. Der reich bebilderte und mehrgliedrige glossarähnliche Text zu Nicolas Bouvier
verweist auf drei seiner wichtigsten Werke (L’usage du monde, Chronique japonaise,
Le poisson-scorpion)136. Obwohl die Ursprungstexte nicht zitiert werden, wird in
knappen Worten auf den Inhalt der Werke Bezug genommen, so etwa zu L’usage du
monde: „Du glaubst, du unternimmst eine Reise. Bald einmal aber ist es die Reise, die
dich nimmt, oder auseinandernimmt.“ (RS, 333). Diese knappe, etwas verklausulierte
Paraphrase des Inhalts von Bouviers Werk weist dieses als Prätext aus, wenngleich
die selektive Intensität keine hohe ist. Ähnliches kann auch in weiteren Texten festge-
stellt werden, etwa in Leman-Tarot, wo dieses Mal scheinbar Nicolas Bouvier auf ei-
ne Vielzahl von Autoren verweist, unter anderem auf Charles-Ferdinand Ramuz:
„Ramuz: Leib, Feuer, Sonne, Katastrophe, Leben, Energie [...]“ (RS, 359). Auch in
diesem Fall wird das Werk nicht zitiert, sondern nur einer subjektiven Bestandsauf-
134 Besonders erwähnenswert sind die unter dem Titel Calligramme erschienenen Gedichte Apolli-naires, die leider nie ins Deutsche übersetzt worden sind. 135 Broich/Pfiste 1985, S. 28. 136 Übers.: Die Erfahrung der Welt, Japanische Chronik, Skorpionfisch. Alle drei sind bei Lenos (Ba-sel) kürzlich neu aufgelegt worden.
55
nahme unterzogen. Da in diesem Fall nicht mal mehr auf ein einziges Werk verwie-
sen wird, sondern das Gesamtwerk als Bezugspunkt dient, ist die Intensität hier
nochmals abgeschwächt. Die zwei schon genauer besprochenen Texte A las cinco de
la tarde (RS, 125) und Retour à Tipasa (RS, 290/291) wiederum sind durch die direk-
ten Zitate im fremden Text von hoher Intensität bezüglich ihrer Selektivität.
Insgesamt schwankt die Intensität auf Ebene der Selektivität erheblich. Je nach Text
lässt sich ein exakter Prätext nur schwer eruieren und es ist eher die Form, auf die
verwiesen wird. Andere Texte lesen sich als Paraphrase auf einen Prätext oder zitie-
ren direkt aus ihnen.
6.1.6 Dialogizität
Hier ist die Intensität je höher, desto grösser die semantische und ideologische Span-
nung zwischen Prätext und Text ist.137 Das bedeutet, dass die Intensität zunimmt, je
weniger offensichtlich ein Prätext in einen Text passt, in welchem Masse also die
beiden eine ungewöhnliche, überraschende Verbindung eingehen. Das Überra-
schungsmoment beginnt mehrheitlich dort, wo eine gewisse Leseerwartung untermi-
niert wird. Es ist allerdings schwierig, festzustellen, wie die Leseerwartung im Ein-
zelnen zu formulieren wäre. Man kann jedoch für die Rhone Saga davon ausgehen,
dass die Leseerwartung, die der Titel aufbaut, relativ bald hintergangen wird. Der Ti-
tel evoziert ja, dass das Buch irgendwie dem Flusslauf der Rhone folgt. Das wiede-
rum heisst, dass man in irgendeiner Form erwartet, auf eine chronologische oder geo-
graphische Ordnung zu stossen, die letztlich nicht zu finden ist. Bereits die ersten Sei-
ten des Werkes zwingen den Leser, seine Erwartungen aufzugeben und sich dem
mehrsträngigen, mehrstimmigen Text auszuliefern. Diese Spannung, die bereits über
die äussere Form aufgebaut wird, setzt sich innerhalb der Texte und besonders auf
Ebene der intertextuellen Bezüge fort. Broich/Pfister gehen davon aus, dass „die blo-
ße und möglichst getreue Übersetzung von einer Sprache in eine andere, die bloße
Versetzung von einem Zeichensystem in ein anderes [...]“138 auf eine geringe inter-
textuelle Intensität hinweisen. Alleine die Tatsache, dass in der Rhone Saga oftmals
auf eine Übersetzung der Zitate ins Deutsche verzichtet wird und der originale Wort-
laut mit dem Deutschen in einem engen semantischen Umfeld verwoben wird, weist 137 Vgl. Broich/Pfister 1985, S. 29. 138 Broich/Pfister 1985, S. 29.
56
auf eine grosse Spannung zwischen Prätext und Text hin. Es sei hier wiederum an die
Lorca-Verse erinnert, die in A la cinco de la tarde (RS, 125) herangezogen werden,
um das Weisshorn (Berg in den Walliser Alpen) zu beschreiben. Die Verse Lorcas
wurden ursprünglich als Elegie für den in der Arena getöteten Matador Ignacio Sán-
chez Mejías verfasst. Die elegischen Verse, die spanische Originalsprache wird bei-
behalten, kontrastieren stark mit der eigentlichen, deutschsprachigen Beschreibung
des Berges: Die Eismünder offen, gepfählt von spitzen metallischen Zähnen. Da Licht und Schrei verklin-
gen. Lo demás... muerte y solo muerte: Die Pyramide ein grosses gemartertes Pferd, das Pferd
ein gekreuzigter Christus. (RS, 125).
Die Leidensmetaphorik wird zwar in deutscher Sprache durch den Bezug auf die Pas-
sion Christi beibehalten. Trotzdem verschiebt sich das Augenmerk weg von einer rein
objektiven Beschreibung eines Berges, hin zu einem symbolisch aufgeladenen Text,
der mit den Leseerwartungen spielt. Die von Broich/Pfister definierte „semantische
und ideologische Spannung“, die sich aus dem neuen Zusammenhang ergibt, in dem
die Verse Lorcas stehen, ist hier klar gegeben. Diese Spannung zwischen eigentli-
chem semantischem Umfeld eines Textes oder auch eines kulturellen Brauchs und der
Einbindung in den Textkorpus der Rhone Saga ist latent über das gesamte Werk vor-
handen. Als Beispiel hierfür sei nochmals auf das umfangreiche Glossar verwiesen,
das in etwa illustriert, welche kulturellen Räume dialogisch zum Gesamttext stehen.
Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang jene Begriffe, die fernöstlichen Ur-
sprungs sind. So dient das Tao te King (Daodejing) als Grundlage für den Text Tao
Rhone (RS, 69 – 73). Die einzelnen chinesischen Zeichen geben eine elementare Leh-
re wieder, die inhaltlich mit der Geographie, mit dem Raum, den die Rhone öffnet, in
Zusammenhang gebracht werden: „Tao Rhone, Fliessender Weg, der voranstürzt.“
(RS, 69); oder: „Und wenn du den Kopf hebst, Mère Catherine, über dir Huashan, der
heilige Westberg Dent Blanche.“ (RS, 71). Der Text Samsâra oder die kleine Bodre-
rito-Meditation folgt hingegen Begriffen des Sanskrit und verweist auf die buddhis-
tisch geprägte Meditation. Gepaart werden diese Begriffe jeweils mit kurzen Texten
zu den Stieren der spanischen Corrida und der Course camarguaise. Zwischen den
zwei mit Thanka I und Thanka II betitelten Texten leiten zwei Sätze in die eigentliche
„Meditation“ ein: „Uns ist die Plaza das Zendô, die Meditationshalle. Und duende ist
57
uns satori, die Illumination.“ (RS, 78). Es ist offensichtlich, wie gross die ideologi-
sche Spannung hier ist. Die semantisch hoch aufgeladenen Begriffe des Sanskrit und
des chinesischen Tao te King treffen aufeinander und vermählen sich in einem poe-
tisch einzigartigen Konzept.
Im Rahmen der Dialogizität bestätigt sich die Annahme, dass die Rhone Saga bereits
vom Gesamtkonzept her äusserst intensive Spannungsverhältnisse aufbaut. Ein-
schränkend muss erwähnt werden, dass der Prätext auch hier nicht immer rein textu-
eller Natur ist, sondern sich vielfältiger kultureller, religiöser und philosophischer
Grundlagen bedient, die in ein dialogisches Verhältnis treten mit dem Haupttext. Die-
ser widmet sich dem durch die Rhone definierten Raum, zwischen der Quelle im
Wallis und dem Mündungsdelta in Südfrankreich.
6.1.7 Quantität
Hier soll aufgezeigt werden, wie dicht intertextuelle Bezüge in der Rhone Saga prä-
sent sind, wie häufig diese vorkommen, aber auch, welche Anzahl an Texten als Prä-
texte in Frage kommen.139
Wie jetzt bereits gezeigt wurde, sind die intertextuellen Bezüge, die sich auf konkret
feststellbare Prätexte beziehen, die sowohl durch Autornamen und teilweise den Titel
vorgegeben sind, breit über das gesamte Werk verstreut. Nimmt man die Dialogizität
als Grundlage um das quantitative Vorhandensein von Intertextualität zu beschreiben,
wird klar, wie dicht das intertextuelle Netz gewoben ist. Auch hier kann zunächst auf
die räumliche Eingrenzung verwiesen werden, welche durch den Werktitel abgesteckt
wird. Der geographische und kulturelle Raum, der durch den Lauf der Rhone abge-
grenzt wird, bietet dafür den Hintergrund. Da die Rhone Saga kein ethnologisches
Sachbuch ist, kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine empirisch genaue Be-
standsaufnahme aller kulturellen Begebenheiten zwischen Rhone-Quelle und Fluss-
mündung erreicht wird. Die Auswahl der Themen, Bräuche und Begegnungen stellt
ein persönliches Panorama des erzählenden „Ichs“ dar. Nimmt man an, die eigentli-
che Grundlage des Textes wird durch die Liebe des Mannes (präsent im erzählenden
„Ich“) zur Frau (Bodrerito) gebildet, sind bereits die vielfältigen Bezüge zur Kultur
des Rhone-Raumes als intertextuelle Verweise zu lesen. Wenn das erste Kapitel des
139 Vgl. Broich/Pfister 1985, S. 30.
58
Buches mit dem Et in pulverem reverteris140 (RS, 9) einsetzt, wird auf einen religiö-
sen, christlichen Kontext Bezug genommen. Dieser religiöse Prätext, wenn auch nicht
immer anhand von Bibelstellen belegbar, ist in verschiedenen Texten präsent, was be-
reits gezeigt wurde. Dieser christliche Kontext kann durchaus mit dem kulturellen
Raum des Buches verknüpft werden. Die Orte und Gebäude etwa, die in der Rhone
Saga Erwähnung finden, sind oft an einen solchen Kontext gebunden, so etwa: Genf
in Sabina oder das Labyrinth der Stadt Genf in der Metropole des Traumes (RS, 197
– 201) oder in Christine, mon Ronda calviniste (RS, 318 – 325), das von Le Corbu-
sier erbaute Kloster in De Profundis, Le Corbusier (RS, 204 – 213) oder die imaginä-
re Kathedrale, die durch Bernard Crettaz im Leman-Tarot (RS, ab S. 365) über kunst-
historische Begriffe in den Text einfliesst. Wie in Ansätzen gezeigt, sind auch die
Verweise auf die spanische Corrida vielfältig und durchdringen den Text fast über
das gesamte Werk. Zudem wird die Corrida auch im Mündungsdelta der Rhone prak-
tiziert. Die Bräuche rund um das Thema Stier können bekanntlich als ein Prätext ge-
lesen werden.141
Zum erweiterten Prätext kann man ebenfalls die kulturellen, religiösen und literari-
schen Begebenheiten zählen, die über den engeren Rhone-Raum hinausweisen. Dazu
gehören die schon analysierten Bezüge zum Tao te King (Daodejing) oder zu den Be-
grifflichkeiten der buddhistischen Meditation. Die höchste quantitative Dichte wird
folglich in Texten erreicht, in denen bestenfalls mehrere der jetzt genannten Bezüge
zu Tage treten. Als Beispiel sei hier der schon mehrfach genannte kurze Text A las
cinco de la tarde erwähnt, der sowohl auf die buddhistische Meditationspraxis, auf
die spanische Corrida, als auch auf einen literarischen Prätext anspielt.
Ebenfalls zu erwähnen sind die vielen Portraits, seien es von Freunden, Schriftstellern
oder Künstlern, die zwar ein anderes prätextuelles Feld schaffen, aber das Bezugsfeld
nichtsdestotrotz merklich erweitern. Nimmt man diese in die Betrachtungen mit hin-
ein, ist klar, dass wir im Falle der Rhone Saga ein quantitativ dichtes Netz von Ver-
weisen vorfinden. Im Zusammenhang mit der Anzahl verschiedener Texte, die zitiert
140 Übers.: Und zum Staub wirst du zurückkehren. Vgl. Altes Testament, Gen 3,19. 141 Evtl. könnte man hier sogar davon ausgehen, dass Pierre Imhaslys eigenes Buch Corrida – Der spanische Stier und sein Fest als Prätext figuriert.
59
oder auf die hingedeutet wird, kann für Pierre Imhaslys Werk Rhone Saga von einem
quantitativen Höchstmass an intertextueller Intensität ausgegangen werden.142
6.2 Bilder als poetische Ebene
Dieses Kapitel widmet sich abschliessend der Frage, wie wir den Bilderreichtum, den
wir in der Rhone Saga vorfinden, in eine Textanalyse miteinbeziehen können. Wie
schon erwähnt wurde, ist anzunehmen, dass die Mehrzahl der im Buch abgedruckten
Abbildungen keinesfalls einem rein schmückenden Zweck dienen. Da die Stichpro-
benmenge auch hier gross ist, wird an zwei Beispielen erläutert, wie sich die Bilder in
den Gesamtzusammenhang des Textes einfügen.
In der einleitenden theoretischen Diskussion wurde gezeigt, dass man sowohl von ei-
nem weiten, wie auch einem engen Intertextualitätsbegriff ausgehen kann. Der exten-
sive, poststrukturalistisch geprägte Begriff, von Julia Kristeva eingeführt, zeigt, dass
Text nicht nur durch Worte gebildet werden kann, sondern dass alles Text sein kann.
Das bedeutet, selbst Bilder sind Text und können als solchen gelesen und gedeutet
werden. Intertextualität kann also über Mediengrenzen hinaus, etwa in einer kombi-
natorischen Gattung ihre Entfaltung finden.143 Als Beispiel sei hier das Emblem ge-
nannt, das besonders im Barock äusserst beliebt war und jeweils dem dreiteiligen
Schema von inscriptio, pictura und subscriptio unterworfen war. Ein ähnliches for-
melles Schema ist auch für die Rhone Saga denkbar.
Es geht hier in erster Linie darum, anhand zweier Beispiele zu zeigen, wie in der
Rhone Saga die Kombination von Medien vollzogen wird. Es geht hier nicht um die
ekphrastische Bezugnahme des Textes auf Werke der bildenden Kunst, sondern auf
die im Werk materialiter präsenten Werke und ihrer Beziehung zum Text. Inwiefern
ein Bild zu seinem Betrachter spricht und sich die Bedeutung im Betrachter auch tat-
sächlich realisiert, kann nicht festgestellt werden. Aus diesem Grund sollen hier be-
sonders zwei Abbildungen kurz analysiert werden, auf die auch im Text explizit ver-
wiesen wird.
142 Eine genaue Zahl konnte nicht ermittelt werden. Alleine die Streuung der Herkunft der Autoren, auf die offenkundig verwiesen wird ,lässt diesen Schluss aber zu. Es finden sich Hinweise auf italienische Autoren (Dante, Petrarca), auf deutschsprachige Autoren (Dürrenmatt, Frisch etc.), auf spanische Au-toren (z.B. Lorca), auf französische Autoren (Saint-John Perse, René Char, Albert Camus), auf ameri-kanische Autoren (z.B. Ezra Pound). 143 Vgl. Berndt/Tonger-Erk 2013, S. 166.
60
Wie bereits mehrere Male beschrieben, ist der spanische Stierkampf eines der
Grundmotive oder eben einer der Prätexte, welcher die Rhone Saga durchzieht. Ob-
wohl nur vereinzelte Fotos einer echten Corrida im Werk zu finden sind, ist sie über
die Bilder von Jean-Pierre Formica auch bildhaft stetig im Werk präsent. Obwohl
nicht nur Formicas Bilder aus dem Umfeld der Corrida die Rhone Saga zieren, sind es
doch besonders diese Bilder, die im Zusammenhang mit dem Text von Interesse sind.
Dem Künstler Jean-Pierre Formica ist im Werk ein eigenes literarisches Portrait ge-
widmet. Das erzählende „Ich“ beschreibt die Kunst Formicas und seine Biographie.
Ins Zentrum des Textes rückt allerdings ein dialogisch geprägter Teil, in dem Bodre-
rito, Formica und Pierre (das erzählende Subjekt, der Autor) sich treffen und über die
Kunst reden. Formica sagt an einer Stelle: „ Ohne Gefahren einzugehen, die Toreros
laufen, habe ich meine Wände ein bisschen nach dem Ablauf von Corridas gebaut.“
(RS, 265). Nur drei Seiten später wird anhand von zwölf Skizzen Formicas genau
dieser Ablauf auch bildlich dargestellt. Wenngleich der Ablauf für einen Laien nicht
einfach zu entziffern ist, sind doch jene Elemente zu erkennen, die elementar zu einer
Corrida gehören: Stier, Mann und Pferd. Die Aussage Formicas wird im Anschluss an
den Text gleich über sein eigenes Werk exemplifiziert und seine Aussage wird ge-
doppelt. Zudem treten diese zwölf kleinen Skizzen in einen Dialog mit dem schon ei-
nige Male zitierten Text Die Seele, Annie, bebt dir bis auf den Grund der Erde (RS,
302-307). Der jeweils über einzelne Sätze beschriebene Ablauf einer Corrida wird
von den Skizzen Formicas vorweggenommen. Das Beziehungsnetz, das sich hier
zwischen Text, Bild und wiederum Text öffnet, ist exemplarisch für das gesamte
Werk, in dem sich Bedeutungen und Ebenen ständig durchmischen und brechen. In
diesem Falle ist von den Bildern durchaus von einer weiteren poetischen Ebene aus-
zugehen, die sich nahtlos ins komplexe Feld der textuellen Beziehungen einfügt.
Ähnliche Bezüge könnten auch für die Bilder Bruno Baeriswyls gezeigt werden,
obschon Baeriswyls Werk weitaus abstrakter und dementsprechend schwieriger zu
deuten ist, als jenes von Formica.
Als zweites Beispiel seien hier die Fotos von Oswald Ruppen genannt, die eng an das
ihm gewidmete literarische Portrait gebunden sind. Im Gegensatz zu den Bildern
Formicas nehmen die Fotografien Ruppens nur indirekt und unterschwellig auf Leit-
motive der Rhone Saga Bezug. In erster Linie illustrieren die Bilder Aussagen aus
61
dem Text zu Oswald Ruppen. Im Text steht etwa: „Das Wallis, wie es vom Mittelal-
ter in den Comic rutscht, in die BD, den Videoclip, wie es sich auslöschte innert einer
Ewigkeitssekunde.“ (RS, 385). Hier wird auf den Inhalt von Ruppens Bilder ange-
spielt, die insbesondere das Wallis und seine Menschen in den Jahren der Modernisie-
rung ab den 1960er-Jahren zeigen.144 Die Bilder die dem Text angefügt sind, gross-
formatig jeweils auf einer Seite abgedruckt, illustrieren diesen Zwiespalt eines Lan-
des zwischen althergebrachtem Brauchtum (z.B. das Bild trauernder Witwen nach
dem Mattmark-Unglück in Saas-Almagel 1965; RS, 393) und dem Modernisierungs-
schub der 1960er-Jahre (z.B. Bild des Baus der Staumauer Grande Dixence 1961; RS,
394). Ausserdem weist der Text darauf hin, dass auch Bilder literarischen Gehalt ha-
ben können: „Dass man seine Bilder literarisch betrachten müsse! Weil keine Litera-
tur drin ist, sondern das Original, werden sie es irgendwie: literarisch. Über die Zeit.“
(RS, 385). Insofern sind auch Bilder textuell zu verstehen. Und, wenn im Text von
einem Original die Rede ist, das in den Bildern sei, kann es sich dabei nur um die
Abbildung eines vermeintlich „originalen“ Wallis handeln. Jenes Tal oder Land, das
im Text literarisch zu fassen versucht wird, als Teil eines geographischen und kultu-
rellen Ganzen, das mit der Rhone über die Grenzen hinaus weist.
Wie hier nur kurz und exemplarisch gezeigt wurde, liefern die Abbildungen in der
Rhone Saga eine weitere, letzte Ebene, die für das Gesamtverständnis des Werkes
unabdingbar ist. Die Verweise sind ebenso vielfältig und vielschichtig wie jene des
Textes. Und so sind auch die Bilder im vorderen und hinteren Vorsatz zu lesen, die
programmatisch die Liebe und den geographischen Raum zeigen.
144 Vgl. Historisches Lexikon der Schweiz: Oswald Ruppen. http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D48579.php [20.04.2014].
62
7. Schluss
Die Rhone Saga von Pierre Imhasly wurde in der Einleitung, durch Zitate aus Rezen-
sionen, als mehrstimmiger Text charakterisiert. Die vorliegende Arbeit hatte zum
Ziel, zu klären ob diese Annahme stimmt und falls dem so ist, wie diese Mehrstim-
migkeit mithilfe eines literaturtheoretischen Konzepts analysiert und interpretiert
werden kann. Anhand der theoretischen Ansätze Bachtins, Kristevas, Genettes,
Broichs und Pfisters wurde eine mehrschichtige Methode angewandt, um das Werk
möglichst umfassend zu analysieren und zu erklären. Ausgangspunkt der Analyse war
zunächst die Frage nach dem Text der Rhone Saga. Anhand von Gérard Genettes the-
oretischen Ansätzen in Palimpseste und Paratexte konnte gezeigt werden, wie der
Text des Werkes sich konstituiert. Bereits auf einer aussertextlichen Ebene ist die
Rhone Saga als ein vielschichtiges und reichhaltiges Werk zu charakterisieren.
In einem zweiten Schritt wurde versucht, die unterschiedlichen Texte in einen Gat-
tungszusammenhang zu bringen. Die grobe Aufteilung des Werkes zwischen dem
Langgedicht Bodrerito Sutra und den meisten anderen Texten läuft durchaus zwi-
schen den Grenzen von Lyrik und Epik. Für den Gesamtkorpus an Texten wurden
danach vier funktionale Kriterien vorgeschlagen, die es erlauben sollten, möglichst
alle Texte der Rhone Saga zu erfassen.
Durch die Einteilung der Texte in verschiedene Textsorten, die funktionalen Kriterien
folgen, wurde dann darauf hingewiesen, dass sich die Vielgestaltigkeit und Mehr-
stimmigkeit auch in den Texten selbst manifestiert. Bevor der intertextuelle Charakter
des Werkes analysiert wurde, konnte gezeigt werden, dass das Werk auch thematisch
keiner einheitlichen Linie folgt. In dieser Arbeit wurden vier grössere Themenkom-
plexe vorgeschlagen (Liebe, Portraits, Orte und Berge, Corrida), die das Werk im In-
nersten zusammenhalten. In dem Zusammenhang wurde dann gezeigt, dass sich das
Werk über die Themen hinaus in verschiedenen Stimmen realisiert. Anhand mög-
lichst prägnanter Beispiele konnten einige der Stimmen eruiert und analysiert werden.
Eng daran geknüpft war auch die Frage, wer der Erzähler der Rhone Saga ist. Die en-
ge Verzahnung von Autorbiographie und Werk, die in diesem selbst latent vorhanden
ist, der dauernde Wechsel der Erzählperspektive, das Spiel mit den unterschiedlichen
Stimmen waren Ausgangspunkt dieser Fragestellung. Es wurde gezeigt, dass die Er-
zählerrolle vor allem vermittelnd im Werk auftritt und den Ablauf über den Gesamt-
63
zusammenhang moderiert. Der Begriff des erzählenden Subjekts wurde soweit beibe-
halten, als dass es nicht sinnvoll gewesen wäre, eine strikte Nomenklatur auf das
Werk anzuwenden. Dieser Begriff lässt zumindest anklingen, dass da nicht nur je-
mand erzählt und spricht, sondern dass die Erzählerrolle auch an ein Subjekt gebun-
den ist, das ja im Werk durchaus präsent ist.
Das letzte Kapitel war schliesslich der Analyse der Intertextualität gewidmet. Auch
für dieses wurde eine Textauswahl getroffen, die möglichst eingehend analysiert
wurde. Nachdem klar geworden ist, dass der Text an sich und in sich bereits mehr-
stimmig ist, konnten Hinweise präsentiert werden, wo und wie in der Rhone Saga Be-
ziehungen zu anderen, fremden Texten aufgebaut werden. Anhand der sechs Katego-
rien von Broich/Pfister wurde dann illustriert, welch unterschiedlichen Grad an Inten-
sität Intertextualität erreicht. Als Abschluss wurde im Zusammenhang der Intertex-
tualität dann noch kurz diskutiert, wie ein extensiver Intertextualitätsbegriff die Inter-
pretationsmöglichkeiten noch steigern würde, indem man die Fülle an Abbildungen
ebenfalls als Text verstände und in die Textanalyse miteinbezöge. Anhand der disku-
tierten Abbildungen und ihrem Verweischarakter konnte zumindest annähernd ge-
zeigt werden, dass über die Mediengrenzen hinweg ein weites Beziehungsnetz eruiert
werden kann, das die Interpretationsmöglichkeiten erheblich steigert.
Es ist dem Werk von Pierre Imhasly zu wünschen und zu hoffen, dass es in weiteren
germanistischen Arbeiten diskutiert wird. Diese Arbeit, die erste, die sich im Rahmen
einer germanistischen Studie einem dieser Werke gewidmet hat, soll Anstoss sein,
das Werk Imhaslys weiteren Untersuchungen zu unterziehen. Das Gesamtwerk Pierre
Imhaslys mag nicht umfangreich sein, alleine mit der Rhone Saga hat dieser Autor al-
lerdings Aussergewöhnliches geschaffen. Und selbst dieses Werk ist mit dieser Arbeit
mitnichten abschliessend analysiert und diskutiert worden. Alleine schon das Lang-
gedicht Bodrerito Sutra müsste einer intensiveren Betrachtung unterzogen werden, da
es in dieser Arbeit fast unerwähnt blieb.
Diese Arbeit ist ab dem Herbst 2014 Ausgangspunkt einer Rhone Saga-Lesereihe, die
neben weiteren Anlässen zum 75. Geburtstags des Autors im Wallis stattfinden wird.
64
Es bleibt zu danken:
Prof. Dr. André Bucher. Dafür, dass er es gewagt hat, sich ebenfalls der Rhone Saga
anzunehmen. Das Buch wiegt schwer.
Meinen Eltern. Für ihre Geduld. Und besonders meiner Mutter für das Lektorat.
Pierre Imhasly. Für ein unvergleichliches Werk. Und für Rat und Tat, als die Tau-
romachie noch ein Buch mit sieben Siegeln war. Wie das Leben.
65
Literaturverzeichnis
Primärliteratur
Imhasly, Pierre: Rhone Saga. Basel, Frankfurt am Main 1996.
Camus, Albert: Heimkehr nach Tipasa. Zürich 1957.
Camus, Albert: Der Fremde. Hamburg 1994.
Camus, Albert: Der Mensch in der Revolte. Hamburg 2011.
Camus, Albert: Der Mythos des Sisyphos. Hamburg 2011.
Chappaz, Maurice: Die Zuhälter des ewigen Schnees. Ein Pamphlet. Oberegg 2009.
Lorca, Federico García Lorca: Poemas. Gedichte. Hgg. von Gustav Siebenmann. Stuttgart 2007.
Perse, Saint-John: Winde. In: Perse, Saint-John: Das dichterische Werk. Erster Band. Hgg. von Fried-
helm Kemp. München 1978. S. 255-407.
Pound, Ezra. Die Cantos. Zweisprachige Ausgabe. In der Übersetzung von Eva Hesse. Zürich 2013.
Sekundärliteratur
Bachtin, Michail M.: Die Ästhetik des Wortes. Herausgegeben von Rainer Grübel. Frankfurt am Main
1979.
Bachtin, Michail M.: Das Problem des Textes. In: Kammer, Stephan; Lüdeke, Roger (Hgg.): Texte zur
Theorie des Textes. Stuttgart 2005. S.172-183.
Baier, Uta: Was wirklich mit Van Goghs Ohr geschah. In: Die Welt, 09.12.2008.
http://www.welt.de/kultur/article2852603/Was-wirklich-mit-Van-Goghs-Ohr-geschah.html
[12.03.2014].
Barthes, Roland: Vom Werk zum Text. In: Kammer, Stephan; Lüdeke, Roger (Hgg.): Texte zur Theo-
rie des Textes. Stuttgart 2005. S. 40-51.
66
Barthes, Roland: Der Tod des Autors. In: Jannidis, Fotis; Lauer, Gerhard et. al. (Hgg.): Texte zur The-
orie der Autorschaft. Stuttgart 2012. S.185-193.
Berndt, Frauke; Tonger-Erk Lily: Intertextualität. Eine Einführung. Berlin 2013.
Die Bibel. Online unter: http://www.bibleserver.com/start [23.04.2014].
Broich, Ulrich; Pfister, Manfred (Hgg.): Intertextualität. Formen, Funktionen, anglistische Fallstudien.
Tübingen 1985.
Burdorf, Dieter: Einführung in die Gedichtanalyse. Stuttgart, Weimar 1997.
Claudel, Paul: „Winde“. Ein Gedicht von Saint-John Perse. In: Perse, Saint-John: Das dichterische
Werk. Erster Band. Hgg. von Friedhelm Kemp. München 1978. S. 457-467.
Eco, Umberto: Zwischen Autor und Text. In: In: Jannidis, Fotis; Lauer, Gerhard et. al. (Hgg.): Texte
zur Theorie der Autorschaft. Stuttgart 2012. S.279-294.
Friedrich, Hugo: Die Struktur der modernen Lyrik. Von der Mitte des neunzehnten bis zur Mitte des
zwanzigsten Jahrhunderts. Hamburg 1996.
Geertz, Clifford: Dichte Beschreibung. Bemerkungen zu einer deutenden Theorie von Kultur. In:
Kammer, Stephan; Lüdeke, Roger (Hgg.): Texte zur Theorie des Textes. Stuttgart 2005. S. 274-292.
Genette, Gérard: Die Erzählung. Paderborn 2010.
Genette, Gérard: Palimpseste. Die Literatur auf zweiter Stufe. Frankfurt am Main 1993.
Genette, Gérard: Paratexte. Das Buch vom Beiwerk des Textes. Frankfurt am Main 2001.
Historisches Lexikon der Schweiz: Oswald Ruppen: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D48579.php
[20.04.2014].
Imhasly, Pierre: Prägung. In: faena. Blätter der Peña Bodrerito el Arte. Nr. 13, Oktober 2008.
Jergius, Holger: Ein Heimat- und Weltbuch. Pierre Imhaslys verrückt-großartiges Lyrik- und Prosage-
misch ‚Rhone Saga’. In: Nürnberger Zeitung. Nr. 284. 07.12.1996.
67
Jossen, Christine A.: ‚Die Liebe, das Leben, das Werk: ein Ganzes’. Ein Gespräch mit Pierre Imhasly
über die ‚Rhone Saga’. In: Walliser Bote, 18.10.1996.
Keller, Deborah: Wortgewaltig und bilderflutend. Pierre Imhasly hat mit der ‚Rhone Saga’ ein monu-
mentales Kultbuch geschrieben. In: Tages-Anzeiger. 27.11.1996.
Kristeva, Julia: Bachtin, das Wort, der Dialog und der Roman. In: Ihwe, Jens (Hgg.): Literaturwissen-
schaft und Linguistik. Ergebnisse und Perspektiven (Band 3). Zur linguistischen Basis der Literatur-
wissenschaft, II. Frankfurt am Main 1972. S. 345-375.
Lachmann, Renate: Gedächtnis und Literatur: Intertextualität in der russischen Moderne. Frankfurt a.
M. 1990.
Neuhaus, Rolf: Der Stierkampf. Eine Kulturgeschichte. Frankfurt a. M./Leipzig 2007.
Schweikle, Günther; Schweikle, Irmgard: Metzler Literaturlexikon. Begriffe und Definitionen. Stutt-
gart 1990.
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Textauswahl für Analyse der Intertextualität in der Rhone Saga. S. 41.
Tab. 2: Tabellarische Inhaltszusammenfassung der Rhone Saga. (siehe Anhang).
Anhang
Tab. 2: Tabellarische Inhaltszusammenfassung der Rhone Saga
Seite Titel Untertitel Beschreibung Notizen
9-13 Et in pulverem reverteris Wo Schnee fällt, auch Artemis; Ent-
schwärzen wir die schwarze Sonne;
Changez de peau, Messieurs les Mon-
tagnes!
Mère Catherine / Félicien; Beerdigung; Benennen
=> Lulu / Bodrerito; erste Begegnung
Erzählung, Zeitsprünge, Gerüche, Farben, Vögel,
Natur, Wallis, Brauchtum
S. 8: Bodrerito Sutra setzt ein [Nicht
Schrift nicht Sprache]
15-17 In dieser lichten Stadt des
hellen Midi – da könnten
sie ihn mal mit Formeln
von
Gauguin am gelbsten antizipiert; Noah
schweigt – was soll ich sagen?
Nîmes, Kathedrale, Fries, clochards
Bericht, Beschreibung
19-21 Bodrerito ist der Text,
Macarena
Die Stärkste im Kartell: La Macarena;
Die Macarena apoderiert auch die
Rocío
Macarena, Friedhof grosser Toreros, Dialog und
Glossar (21) => poetische Lizenz; Konterpart zum
Haupttext
23-25 So sei es, pauvre Vincent Die Trianera, Herrscherin über die Pa-
rapsychologie; Eigentlich bin ich Schilf
im Wind
Sevilla => Vincent erscheint, daraus Abhandlung
über Lebenssituation van Goghs; Schluss
Macarena mit Aufruf zum Schreiben
27-33 Schatten und Seele, ein
Wort, Mère Catherine –
Aber der Berg meiner
Freude heisst Bodrerito –
Buddha-Seele hier – dort L. Cranach
im Schritt; Wo Liebe heimlich und
Corrida offen vorkommt; Einstod ver-
wandt mit Vielhunderttausendtod;
Disparater zweispaltiger Text; links: Berge, Marie
Métrailler; rechts (kursiv): Bo, dann schwierig =>
Toreros, Geschäft => Geschwätz dann Wallis;
über Berge schreiben, Dialog mit Berg, Schluss
Bodrerito Sutra setzt ab S. 32 aus
(bis S. 56)
Berg meiner Trauer, Bod-
rerito! – Vox clamantis in
deserto – Bis das weh tat
das Glück – I kôan von
den Bergen I – Dent Blan-
che Dent Bleue-Bodrerito
– Bodrerito CH’UN Bod-
rerito SHAN
MEI=la perfection, Lao-Tseu, papillon
invisible
MC
Ab Dent Blanche: hoher Ton, kein Erzählton
S. 33 rechts: Dialog
34-35 Schutthaufen nennen Ah-
nungslose diese meine
weisse Maison Carré
Ensabando, Mithras, Bodrerito-Miura Matterhorn => zuerst Geschichte (Bonatti,
Whymper), dann poetisch Vergleich Maison carré
36-43 Wiler Haus Grenadier
Abend, später am Abend,
noch später am Abend
Mit Wissen dabei, mit Herz, Hand und
Fuss; Die Sache auf den Punkt bringen,
G.L.; Und Nada duftete nach Ararat
fast; GL: Arme Seelen hangen nachts
an seinem Arm; Die Schürze von Kath-
rin ist wo?; Ob man auch ohne Litera-
tur da ist?; Was heisst hier, Wirklich-
keit total erfassen?; Und Artemis also,
das ist wer? G.L.
Dialog zwischen Studenten und dem Professor
[Ethnologen im Lötschental]=> sachlicher Ton,
selbstkritisch, ohne Autor! Wissenschaftlicher
Kommentar zum Leben in den Bergen
Glossar zu Lötschental und Ethnologie
(36/37)
37-43 Mond ist Artemis also s.o. Stimme: Georg Lehner und der Erzähler/Autor,
der auch kritisiert wird / G.L. redet von seinem
Leben im Lötschental
Paralleltext zu den Ethnologen (s.o.) -
kursiv
46-47 Der Himmel ist weit und
tief
Teils kindlicher Ton; Viviane will Bodrerito se-
hen, die dem Fluss entlang ins Wallis kommt
48 Ne te courbe que pour ai-
mer
Wo wir keien Matinaux sind Persönliche Begegnung mit René Char
49 Recherche de la base du
sommet
Solitaire et solidaire Biographie zu René Char S. 49: kurzer Text zu René Char
50-51 Placard pour un chemin
des ecoliers
Kurze, eher klassische Gedichte; evtl. René Char
nachgeahmt
52 René Char zu feiern Kurzes Gedicht / Lob dreier Dichter
53 X Gedicht von Monique Laederach (Zitat) => typi-
scher Intertext
54-55 Album de souvenirs à
René Char
Fotos (hier als weitere Stimme zu fassen)
57-61 Et j’aime de t’y aimer cette
Nîmes l’andalouse
Comme Guillaume aimait Lou – c’est
un début...; L’apothéose, cher Alphon-
se Daudet; Verhurt nur das Wort – du-
ende bleibt duende
Antonio und die Corrida, über Hebel, Apollinaire
zu Los Suizos und zu Rafael de Paula
Stimme Antonios; zuerst Einführung
ab S. 56: Bodrerito Sutra [Van Gogh
warf den Pinsel hin]
63-67 Planet und Paradies Lao-dse hat auch eine Mutter; Mère
Catherine; Paradies, wie kommt man
hinüber?; Glatt, rund und sanft die letz-
ten Dinge; Und das Meer geht in den
Himmel
Einleitung Mère Catherine; dann Dialog über
Tod, Paradies, Glauben => MC mit Félicien
S. 64: Bodrerito Sutra setzt aus (bis
S. 258)
69-73 Thao Rhone Panta rhei ab den Gletschern; Stück- S. 69: Art Einleitung
werk das Ziel, hundert Wege; Jangtse /
Dent Blanche – ein Weg: Tao; Neu-
mond: farandoulo et sinfoni, Laozi;
T’ein=ein Himmel, der aus Bodrerito
fliesst
Tao: Weg Rhone
Ch’uan: Fluss als Gedächtnis
Chiang und He: Vergleich Flüsse Chinas; Engfüh-
rung China – Wallis
Shan: Fluss / Berg, kleine Geschichte aus Frank-
reich
Yueh: Fast Gebet, das Ich sucht, säuft und findet
Sie
Ch’un: Frühling, die Liebe geschickt
T’ein: Geschichte, Rhone, die die Liebe umfliesst
74-75 Und Yin ist wie Beten,
Mère Catherine
So lasset uns beten in allen Weibchen;
mit allen Mädchen, mit allen Frauen
der Welt
Biographie und Philosophie des Yin und Yang –
Frau / Mann etc. Frauenname und chinesische
Zeichen; quasi innerer Monolog oder Redestrom
mit Frauen; dann Thanka mit Zitaten aus Kunst
und Geographie
76-80 Samsâra oder die kleine
Bodrerito-Meditation
Wiedergeburt, jetzt weiss ich – mir wi-
derfuhr sie; Corrida ist auch acte
d’amour; Stierland hat seine grossen
Herrscher; Manche von ihnen reden,
beinahe!; Bodrerito-Delta, wo anders
soll es münden!
Thanka I: Vereinigung, Lotussitz, Bild Corrida
Thanka II: Tod, Spanien, Corrida Yin und Yang
Wang: der Stier
Wang I: Stier 1970er Sevilla
Wang II: Stier 1980er Nîmes
Wang III: Stier der Course camarguaise (Sanglier)
=> Jacques Durand
Wang IV: Dela = Camargue, Fluss, fliessen
81-83 Macarena wo warst du? Macarena Imperfekt – no hay suerte!;
Zu nichts hat’s gereicht im Avant-
Bodrerito; Des Mondes manische Seite,
mon Dieu!
Klagelied mit Dialogpartien aus dem Sterbebett
Paquirris, daneben der Arzt und die Frau
84 Mon époque glaciaire La Sainte et ma sainte femelle, oh oui! Das Verrücktsein vor der Rhone Saga; biographi-
scher Abriss, knapp gehalten, läuft teils ins Offe-
ne
85-88 Bei Null anfange, Maurice
Chappaz?
Ein Mystiker in schweren Schuhen;
Und ein Grüner ausser der Reihe; Ein
Dichter mit dem Patent der Berufung;
Chappaz, das Testament der oberen
Rhone
Flaschenpost I, II, III, IV; Anrede – Sie
Chappaz und sein Land => Kampf, Krieg, Werk
und Katastrophen, das Schreiben
S. 88: Glossar mit Biographischem
89-91 Ein Stier wird kommen,
kleine Valerie
Dem Tod abgerungen, letzter Lebens-
wunsch; Im Angesicht der Totenpro-
zession ersteht der Stier; auf der zuge-
frorenen Rhone, kleiner Jenissei...
Text an Valérie; Ort: Pfynwald; Corinna Bille im
Spital; warten auf Stier und Les-Saintes-Maries-
de-la-Mere
92 Toro céleste Himmlisch, was sonst soll ich sagen! Repetitiv, zuerst Mutmassung „du musst...“; viel
DU hier
S. 93: Bild Formica [Bodrerito]
94-97 Corrida du grosse subver-
sive Emotion
Corrida, du grosse Transgression; Die
Lehre von Leben und Tod und allem
dazwischen; Mut und Betrug – Schön-
heit, Kunst, Tragödie; Auch die Voll-
endung: in Transzendenz
Text über die Corrida – was ist reizvoll daran,
aber auch parasitär
El Mano: Art direkte Rede aus dem Innern der
Corrida-Welt (teils spanisch)
Luis: Ein Mayoral erzählt über Stiere und Nîmes
S. 98/99: Bilder Formica
(teils spanisch)
100-103 Course camarguaise ehe-
mals course libre
Stierland hat eine vierte Dimension:
Leidenschaft; Stiermenschen haben ei-
nen sechsten Sinn: Revolte; Nun heisst
es, nichts davon verspielen; und seien
noch so eindimensional die Zeiten
Info zur Course camarguaise, zuerst objektiv, Art
Reiseführer; Schluss subjektiv, Art Abrechnung
An jedem Finger...: Züchter spricht aus eigener
Erfahrung
Neuen Sinn suche...: Rede Paul Coulomb, mit
Kommentaren unterbrochen => Dialogisch
S. 104/105: Foto Course Camarguaise
106 Die Palme steht auf dem
Marktplatz
Wo es keinen Zufall mehr gibt Schnee in Nîmes, Michel (Freund), dann Bo
(Umarmung) => Nausikaa
107 Das Leben das ganze! Jetzt oder nie! Stell deinen Mann Stimmen von Frauen, die über Lucienne (Bodreri-
to) reden; sehr philosophisch, das ins Poetische
übergeht
108-109 Ta chair île de mon salut Wo meine pagane Mystik dem Objekt;
der Begierte kaum gerecht werden
kann
Begegnung in Nîmes (Schalter Billeterie) => dann
erotisierende, quasi Anrufung
110-111 Taquilla als sagte sie:
Olymp!
Oder Nofretete oder la Lupa estrusca
entläuft; dem gläsernen Käfig ganz aus
Stein
Theater/Gerede im Büro; deutsch – frz.; mit ein-
geschobenen Kommentaren
Bild: Remus/Romulus / Lupa etrusca
=> Arena Nîmes
112-113 Ton âme continent de mon
salut
Es aufnehmen mit ihrer strahlenden
Seele, aiutatemi!
Poetisch verdichtet, mit indirekten Zitaten aus
Namen o.ä. der Körper der Bodrerito
Titel vgl. S. 108
114-118 Coldest Stone Coldest Stone, gestossen einst bis nach
Lyon; Ay Aska, ay Agatha, comme je
vous plains; Ich lebe 100 Leben – mit
Fehlerhafte Orthographie (irritiert Lesefluss); fast
abgehackter innerer Monolog; schnelle Verse;
ausufernd
S. 116/117: Glossar über Andreas Züst,
Glaziologe, Forscher, Fotograf, Maler
dir, Bodrerito; Einen finde ich, attenti-
on, einen Granatapfelbaum...
Titel bezieht sich auf das Gemälde von
Sam Francis (Coldest Stone)
119-120 Grün auch weiss von Ka-
pellen (...)
Barock – mit Facteur Chevals Messern
geschnitzt; Von Heiligen, Hallbarden,
Dreschflegeln, Armen Seelen
Schilderung Tal (etwa Goms), Rezept Cholera;
dann Altäre, Kapellen, Heilige
120 Nothing great in political
things, Bodrerito
Von Heiligen, Hallbarden, Dreschfle-
geln, Armen Seelen
Über Marignano, Schiner und Supersaxo
121 Permafrost innen Sibirien und Kanada unter dem einen
Gletscher
Geschichte von GS; wüste, traurige Lebensge-
schichte
121 Kanada weiss und weit Sibirien und Kanada unter dem einen
Gletscher
Heinrich will nach Kanada
122 Mozart samt Geissen Also alle Musik ist Volksmusik, ver-
standen!
Gregor: Schlosser und Komponist
122-124 Meine zwei Freunde, Bod-
rerito
Also alle Musik ist Volksmusik, ver-
standen!; Und wie man diesem Volk
den Rest gibt!; Ein echter Picasso in
meiner Sammlung
Dialog zwischen Felix, Armin und Pierre (S.
123); Gespräch über Bücher (Projekte), die heuti-
ge Zeit, dann übers Wallis
S. 124: Foto Weisshorn
125 A las cinco de la tarde Weisshron, Lorca, Picasso
126-127 Berge aus Klarsicht (...) Bodrerito; Wallis => kursiv gesetzt Bild Formica; Foto Ariane
128-131 Ich bin ein Berg und muss
mich selber steigen
Im Geist und mit den Händen; das
Meer hinauftragen auf den Berg; Fluss
werden und aufgehen im Strom; Auf
der nächsten Seite hast du La Haute
Text über Gottfried Tritten, viele Bilder und Glossar Gottfried Tritten (S. 129)
Dame...
132-133 So hört mein Dorf - und wie, geläutert, ich mich ihrer
Kunst verschrieb
„Sie legte sich zu mir.“ - Beginn der Kunst; viel
Fremdsprache (frz., spa., engl.)
Vgl. Fusszeile mit Fusszeile S. 131
134-138 Mira, Bodrerito, wie der
Cäsar in der Küche seine
Käslein macht!
Der Cäsar melkt vor, Churchill kann
keine Kuhglocke; ausstehn, Agnes
braut einen Schnaps zusammen; Der
Cäsar umgekehrt proportional zur Sta-
tistik; Der Cäsar und kuschen – wäre ja
gelacht
Über das Bauer sein im Wallis (mit Fotos); eher
Dokumentarisch, Reportagestil (aber Einschübe
zu Bodrerito mit drin)
S. 139: Bild Beinhaus
140-143 Hagia Sophia oder auch
Brig (...)
Wie wir Alten sungen: Hagia; und So-
phia, zwitschern nicht mehr die Jun-
gen; Ziemlich verwegen, recht ver-
zweifelt doch
Hagia Sophia = Kollegium Spiritus Sanctus Brig;
vgl. früher zu heute; frühere Gefährten z.B. Alf-
red Gründwald; heute mit eng. Einschüben
144-146 Meine ganze lateinische
Cuadrilla (...)
Bonjour, Madame Durruti, notre uto-
pie!; Ronda, Bejing und dann CH-3930
im Schnee; Bach (J.S.), Gondo, Uni-
versum, andere Himmelsleiter
Straigth on!: J.P. D’Alpaos
Du passt (...): Roland
Himmelskörper: Renato Jordan
Drei Portraits von drei Freunden
S. 147: Bild BB
148-151 CH-3930 Edith Das Leben, überhöht; IBM/McIntosh-
Frau: 10 Sek. Erinnerungstrip; Von
heiligen Wassern und vom Fortschritt;
als der noch aufrecht ging
Links: Vater + Mutter des Erzählers (Autor) =>
kleiner Text
HT: Text über Edith Henzen (persönliches Por-
trait)
S. 150/151: Glossar zu Ulrich Imbo-
den; Wasser (Suone, Staumauer), Lu-
zius Theler und Fliegenfischen; Fotos
von Oswald Ruppen
152-154 Das Dorf der Dörfer (...) Über den Sternen, unter den Alpenro-
sen; Fromme Totems, frugale viatica;
Visperterminen; Adelina => Ethnologie teils Glossar über Hirtenleben auf einer Al-
pe; Fotos Fronleichnam
155 Törbel ist wie Venedig,
Chantal
Törbel – Venedig (Karneval); Überleitung zum
nächsten Text (s.u.)
156-161 Das kleine Testament von
Törbel
Art kleines Theaterstück, folgt etwa den Rollen
der Commedia dell’ Arte; viele Informationen
zum Bergleben; mit Nebentext (kursiv) und Fotos
162 A ta bonne santé, mein
Dorf!
Vulnerant omnes / ultima necat:
perchè?
Alex Sadkowsky; Künstlerportrait; Text auch et-
was surrealistisch; spezielle Bilder
S. 163 Bild B. Baeriswyl
164-170 Grand. Simple. Vrai. Frangunt omnes, pourquoi, Françoise?;
Sal, sol y sombra diaphan; Poren zu,
Seele gekippt, Macarena, por qué?
Ikone von Albert Chavaz im Dialog mit Bodrerito
(Antwort teils frz.); Tod der Tochter von Bodreri-
to; dazwischen Biographie von A. Chavaz
S. 168/169: Glossar Chavaz mit Bil-
dern
S. 170: Glossar Jacqueline Port (Frau-
enbewegung)
171-173 Manuel Steigeisenmönch
little Miles Davis
Hoch hinaus in Schutt, Fels, Eis; macht
200 Jahre actes gratuits; in den Steil-
wänden unseres VS-Himalaja
Manuel Mengis => Bergsteiger; Beschreibung
von Bergen und Routen und Manuel als Kletterer
S. 173: Einschub eines kleinen Textes
zu Chappaz (mit gezeichnetem Por-
trait)
174-177 Maja Desnuda le Lac Bod-
rerito
Liebesakt tantrisch, teils recht explizit, aber poe-
tisch erhöht; viele Begriffe aus Zen, Tantra =>
Buddhistisch
178 Vieux-Emosson wie Pom-
peji, Bodrerito
Schon fliesst ein 1000jähriger Lymph-
drüsen-Krieg
Ortschaft Emosson und Alpenfaltung und Nukle-
arkatastrophe (Tschernobyl)
S. 179: Kinderzeichnung
180-181 Shih Tsu, Kate, oder Die
Perfektion ist auch: MEI
Kate und die Dichter; quasi Schriftstellerschau:
Lamartine, Saint-John Perse, Ramuz, Frisch, Dür-
renmatt etc.
Zentral: Bilder Formica; Foto Kate
182-187 Jean Genoud ou l’amour Pourquoi pas – in Lausanne ist alles Dichter und Orte, besonders Saint-John Perse;
accompli du désir resté liv-
re
möglich; Ein Papagei dort kennt den
Dichter der Dichter; Einen, der aus
Hymnen Kathedralen baute; Ich kenne
dort einen Drucker, Maître Jean; Jean
Genoud macht aus Büchern Lebens-
stoff; Hannibals Elephanten zogen
nicht vorbei – werweiss morgen!
Ausgangspunkt Lausanne; J. Genoud (Drucker),
darüber was hier zu drucken ist => ein Buch (de-
taillierter Beschrieb) mit Rede J. Genoud
188-189 Einer hängt Geigen zum
Trocknen auf in meinem
Dorf
Eine Geige à la Kiki de Montparnasse;
vas-y! es wäre ein Tastinstrument...
Thomas der Geigenbauer (Portrait Freund); die
Geige verglichen mit Kiki de Montparnasse
Rechts: Bild BB [Bruno Baeriswyl]
190-196 BB: Mit Bruno Baeriswyl
meinem Malerfreund nach
Ozeanien und zurück
BB, weiland Bert Brecht; einstens Bri-
gitte Bardot; BB, hier und jetzt: Bruno
Baeriswyl!; Art brut: ozeanisch, aber in
nucleo Rembrandt; BB: inuit (der
Mensch), aber auch Klee, Paul Klee;
Klee, aber auch Aloïse, mater dolorosa;
Aloïse, aber auch Ferdinand Hodler,
Matador; BB: Der Film ist ein Leben
aus Ideogrammen
BB; Aldolf Wölffli (art brut); über BB => Bio-
graphie und viel Kunstbetrachtung, dazwischen
andere Künstler z.B. Aloïse, Auguste
S. 196: Glossar zu BB
197-201 Sabina oder das Labyrinth
der Stadt Genf in der Met-
ropole des Traumes
Bonjour! Sabina Engel sans répondeur
automatique; Calvin, die ganze refor-
mierte Walhalla!; Wo soll – poesiuleini
– Sabinas cervelle da hin; Traum vom
Brief von Sabina Engel an Bodrerito; Sabina
spricht über ihre Stadt Genf und über Bücher;
Buch als Architektur!; Nicolas Bouvier wird er-
wähnt
S. 197: Bild BB
Verlag als nicht entfremdetem Traum;
Si, Sabina, l’eurreur est initial,
d’accord, Pavese
202-203 Die Sonne der Mensch das
Meer, Anne-Marie
Einleitung zu Corbusier Text (s.u.); mit Anne-
Marie Donzel
S. 202: Bild Formica
204-213 De Profundis, Le Corbu-
sier
Klosterbau von Le Corbusier und ‚innere’ Ge-
schichte von Tito de Alencar; Moduswechsel von
Er zu Ich; dialogische Partien
214-215 Mein Dorf schaut in sich
hinein
CH-3930, Kaff, also planetarisch, mon
vieux!; Fassaden flicken – keine Zeit
für sentimientos!
Text über J.J. Burgener; ironisierter Tonfall zwi-
schen Vergangenheit und Gegenwart
S. 215: Bild BB
216-221 Von CH-3937 (...) Die Alpen zersägt, pas tendre, BC;
L’esprit remonte le Fleuve (in etwa
Ch.-F. Ramuz); La force descend le
Fleuve; Dann schlafen die Wilden nicht
länger, BC; Dein wilder Ethnologe ge-
fällt mir, BC; Gut, BC, Genf, aber jetzt
knistert mein Haar...
Bernard Crettaz und Roman Wenger; Genf und
Baltschieder; Ethnographie/Ethnologie und tat-
sächliches Brauchtum; Der wilde Mann (vgl. Text
ab S. 222), kursiv und normal; disparater Text mit
mehreren Ebenen
222-235 Aïgo-Boulido, Bodrerito
sauvo la vido!
Allwo es um unser Roggenbrot ge-
schehen ist; wiewohl die Wilden sich
jeder Lockspeise enthalten; Allein bei
Chantal sind sie umgedrehter Hand-
schuh; Lyon, Tor zum Süden! Macht
Längerer Text über die Wilden (Stück Baltschie-
der), die der Rhone entlang flüchten bis nach
Lyon, dem Essen nach => Rezepteinschübe und
viele Spracheinschübe (Fremdsprachen)
S. 230-233: Fotos O. Ruppen – Wild-
mann-Jagd in Lyon
S. 234/235: Glossar Les Halles in
Nîmes mit Foto
ihnen keiner vor; Statt Asche aufs
Haupt, stecken sie alles in Brand; Der
Mensch lebt nicht vom Kopf, kapieren
sie; So das Allmensch Pongo ihnen die
Leviten liest; In Panik verlieren die
Wilden ihre Unschuld; Sie waren das
beste Stück von uns, Riri des Halles
236-237 Ia orana, Mina Text Ich-Perspektive von Paul Gauguin, der seine
Beziehung zu Vincent Van Gogh klären will; In-
formationen zu Arles und Umgebung
S. 236: Bild Formica
238-243 Der Wahrheit näher zu
kommen suchte und fand
ich dich
Vincent und Paul in Kommune – Pleite
vorausprogrammiert; Auch im Jenseits
nicht aufs Maul gefallen, dieser PG;
Einleuchtend, Mina, ich kann das nach-
fühlen; Dass er uns nicht zuviel Psy-
chologie herbemüht; Wohl Gauguins
letztes rhetorisches Drängen - ; vor je-
nem Absoluten, das auserwählte Men-
schen frisst
Brief von Gauguin an Mina; Ohr von Vincent und
das Leben, die Kunst Van Goghs in Arles
244 Der Geist weht in meinem
Dorf
Allerseelen in Visp; Moritz gest. 1988 S. 245: Bild BB
246-255 Entre Mar Rose e li Santo Hier, Leser, kann man nichts zurück-
übersetzen; in eine Kolumnenzeile,
Text über das Languedoc und die Camargue; auch
Historisches dazu; Elemente von Corrida und
Fotos von Thomas Andenmatten
S. 254/255: Foto Arena Nîmes und
Laufzeile unten; Noch ist da etwas aus-
zudeuteln, fortzuführen; noch hinzu-
weisen, nachzutragen, aufzufangen;
Auch hier nicht, lieber Leser; und da
schon gar nicht; Ebensowenig. Das ist
das Schöne daran: Es ist vielleicht alles
drin
Flamenco Glossar
256-257 Elles étaient belles tes
Arènes, ma Louve
Ohne Text; Bild BB
259-261 Missa Solemnis Weih-
rauch und Tod
Faschistoide Konstellation schon in der
Überschrift? Nichts da, nein!; Da ist
nur Sol, sonst nichts; Nur Sol y Somb-
ra, ja!
Text über den Torero Litri und Nachfolger => To-
reros und Corrida in Nîmes
S. 258: Bodrerito Sutra (eine Seite
lang) [Flügel haben wenn der Schnee
hoch liegt]
S. 261: Glossar über Paco Ojeda und
Vergleich zu andern Toreros
262-71 Jean Pierre Formica die
Muleta aus dem tiefsten
Byzanz
In J.-P.F. das Original gefunden inmit-
ten der hundert Kopien; Ein Suchender,
ein Finder geht zu den Manen; In einer
Tradition sein heisst: diese brechen;
J’ai faim! Bodreritos klassischer ren-
voi; Gewoben, verwoben: ein Farben-
Tantra; Oder auch, selbst gewirkt, die
je neue Archäologie; Ein Schnee aus
Samt, wenn es Toros von J.-P.F.
Text zur Kunst von Jean-Pierre Formica mit kur-
siven Zitaten Formicas und Dialog; persönlicher
Stil mit Verweisen auf Künstler und Geschichte
Malerei und Literatur
S. 262/264/266/268: Glossar zu Bodre-
rito; Verhältnis zu J.-P.Formica
S. 266/267: Skizzen Formica (Corrida)
S. 270/271: Glossar mit Fotos zur
Course Camarguaise => Hotel Impéra-
tor
schneit;
273 Victor Matter Endlosgeschichte, abrupt abgebro-
chen...
Victor Matter: Leben, Werk, Leuk (Portrait); nur
Kommas, kein Punkt
ab S. 272: Bodrerito Sutra (bis S. 288
immer linke Seite) [S. 278: Du meine
Cantaora, sag; S. 282: Der Fluss
schreit Graffitti]
275-289 Seit immer gebrandmarkt
gezeichnet von ihr werde
ich sie finden Ja
Weil wir da hinein und hindurch müs-
sen: Inferno; Wie du nehme ich bei den
Hörnern meinen Stier, Paco; Wie wei-
land Jonas noch einmal davongekom-
men; Yesod, Macarena, Bo-meine-
Mitte, sie ging verloren?; Ferdinand
Hodler, einer aus deiner Zunft, Paco;
Und wär ich schon toro muerto, ich
fände sie doch; Abdruck und Wärme
dring, ja, und ist ihr Pareo, Ja
Bodrerito weg, Rückfallgeschichte Alkoholismus
als innerer Monolog / Dialog zusammen mit Paco
Ojeda in Genf; dazwischen Victor Matter; zwei
Stimmen (eine davonkursiv gesetzt) Arzt
S. 289: Glossar zur Rhone und den Re-
gionen, Bernard Comby, Hans Wyer;
Überleitung zum nächsten Text
290-291 Retour à Tipasa Von ch’un und Weltschmerz, von ei-
nem absurden Tod; zu T’ein mon
Amour in Camus’ blauem Mistrau
Besuch am Grab von Albert Camus; Text mit
Einsprengseln von Camus’ Werk (Ideen) plus ei-
gene Lese-Biographie
292 Mei Jen du auch je t’aime
donc je suis
Bodrerito-Kwannon: wie sie mich er-
löst
Kursiver Text; monologisch ohne Interpunktion,
hoher Ton; etwa Liebesakt, teils erotisch
293-295 Die Hörner glühen und die
Steine frieren
Paco Ojeda, der Hügel über den Hü-
geln wird Berg; To-re-ro! To-re-ro!
Dueno de su propio destino;
Eingangs Paco Ojeda (innerer Monolog), dann
mit Interpunktion steigernder Text bis zum Tod
von Nimeno II
S. 294/295: Glossar Nimeno II mit Fo-
to; Zahnarzt des Erzähler
296-299 Wenn Steine frieren gehen
sie weit weg
Nix von Schwalben im Himmel über
der Maestranza; Aber von Steinen, die
sie zum Singen bringen
Text über einen Steinbruch in Embd (VS) und
über Gastarbeiter
S. 296: Glossar Mayoral Nîmes
S. 297/298: Glossar zu Mineuren aus
St. Niklaus (Arthur Pollinger)
S. 299: Glossar Biner Toni, Jagd, Be-
sitzer Steinbruch
300-301 Annie, belle et candide Auch ohne Leiris, so abwegig ist gar
nicht; das Ding von der Literatur als
Corrida
Zuerst Text über Annie, ihr Vater, dann Corrida
und Literatur, schliesslich Pamplona (wie Krieg);
mit Überleitung am Schluss (Doppelpunkt) zu
Calanda
302-307 Die Seele, Annie, bebt dir
bis auf den Grund der Erde
Du brauchst deine Seele noch? Also
hineinstehen; in diesen Stier: pagan
und schrecklich; macho und fascio,
mystisch und zart; Obsessiv und apol-
linisch, erregend, erregt; katholischer
geht nicht – verlassener auch nicht
Calanda, Passion, Corrida => Trommelprozession
- Ich geht da durch; kurze Sätze => dadurch
Staccato; Bibelzitate zur Passion; kleine Kaptiel I
- XIV
308-311 Kam ein Stier gesegelt Wort und Bild: zwei Meister ihres Fa-
ches; Zuverlässiger begleitet hier kei-
ner die Tauromachie; Clergue in der
Welt, Durand in unserer Familie; Der
Kleingeist ringsum kümmert sie nicht:
sie geben
Schrift normal: berichtender Text; Betrachtungen
Fotografie zu Lucien Clergue (Potrait)
Konterpart zu kursivem Text (s.u.)
S. 311 => Foto Gitanos
308-311 Umleiten den Guadalquivir s.o. Jacques Durand => Journalist; Portrait, eher über
das Schreiben Durands, weniger zur Biographie
S. 310: Portrait J.D.
312-317 Es muss ein Tank gewesen
sein, Ornella
Domodossola und Rom haben ihre
grosse Geschichte; Aufs Gas und auf
die Bremse: einverleibt; Ist ja bekannt:
an ein bisschen Glück; die Tragödie
einzuhandeln, trifft es, Verdammnis;
trifft es, auf der Welt, immer die sel-
ben, aber immer!; Es fehlen die Worte.
Smettetela! Schreit keiner mehr
Portrait von Ornella (Gastarbeiterin); dann Jugo-
slawien, Krieg und Tod; gegen Ende des Textes
fehlt die Interpunktion (Art innerer Monolog, der
mit dem Tod eines Kindes kommt)
Viele Fotos aus Jugoslawien (Trauerze-
remonie etc.)
318-325 Christine, mon Ronda cal-
viniste
Samt Märchenkindheit eine starke
Frau geworden; Wenn der smarte Rest
ihrer Gesellschaft zurücksteckt; hält
sie, hugenottische Rodeña, den Kopf
allein hin; Humilité, die Sache erdul-
den: Christine Rocío; entschädigt für
viel españolistischen Schmarren, sagt
meine Macarena; ich bin echt stolz auf
sie; sagt die Macarena auch, so weit
geht sie selten; Dem Rejoneador für die
Reiterin, die zwei Legenden für die
Currista in dir. Wo sie sitzen? Gute
Frage.; Als Macareno ist noch jemand
stolz auf sie
Portrait von Christine F. (Filmerin aus Genf);
Text gegliedert durch den Tagesablauf in einem
katholischen Kloster, unterbrochen durch Briefe
zwischen P.I. und Bodrerito
326-327 Das steckt in keinem Tin- Pénélope imaginaire, aber echt, mit Überleitungstext über Pénélope (Buchhändlerin),
tenfass beiden Akzenten; Von Tragabú zu Ta-
merlan, von Tamerlan zu Nicolas
über Tragabú und Tamerlan zu Nicolas Bouvier
328-330 Im Geist und im Leib die
30.000 Bilder der Windro-
se
Nicolas Bouvier: aus Bildern träumen;
Aus Bildern träumen, ein Humus fürs
Schreiben?; NB der Kosmopolit sieht
zuhause jede Ecke in der Ecke
Text kursiv; Konterpart zu Text (s.u.); Text über
Bouvier und die Bilder, Bouvier als Bildersucher;
Text eher in normalem Erzählton gehalten
330-333 Stadt und Land des Nico-
las Bouvier
s.o. S. 329-330: Genf, Geschichte der Stadt und darin
Nicolas Bouvier (normaler, subjektiv geprägter
Erzählton)
S. 331: Glossar zu N. Bouvier
S. 332/333: Bilder und Text; div. Personen des
Buches tauchen auf; die Objekte werden gezeigt,
geschildert => Verknüpfung von Personen, Ge-
schichten und Bildern
334-335 Cavalier seul – der allein
reitet
Dt. frz. Text von N.B. (Gedicht); unten: Glossar
zu diesem Gedicht
336-341 T’AI HE nicht – einen
Schatten davon schon
Mit Françoise und Stefan nach Ulan
Bator geritten; Mit Kim, Saigon, boat
people zurück, im Traum; Und Kim ist,
überlebensstrategisch, auch Bodrerito;
So jagt, wen wundert’s, eines das ande-
re, im Traum
Text über Pferde (Camargue), Mongolei, Kim,
Bodrerito, Françoise und Stefan => Engführung,
eher poetisch und sprachlich komplex (mit chin.
Wörtern)
S. 340/341: Fotos
342-345 Im Schatten unter einem Der Midi hat ihn mit Leib und Seele; Zweiteiliger Text (Portrait) über J.-D. Valade; zu-
Baum dennoch ein Mann, der über die Zäume
hinaussieht
erst eine Art Einleitung, dann folgen 18 Miniatu-
ren mit J.-D. Valade im Zentrum
Überleitung zu Elsa
346-347 Elsa im Elsaland Et puis enquoituparles? Frag mich et-
was Leichteres; Vielleicht Elsasprak
aus meinem Land
Elsa im O-Ton => kindliche, verspielte Sprache;
Kursiv eingestreute, kommentierende und korri-
gierende Passagen eines Erzählers
S. 348/349: Foto mit Steingräbern und
der Rhone im Hintergrund
350 Als hätte ich keinen Schat-
ten gehabt
Angekommen bist du: Mach dich auf
die Socken nun!
Erzähler berichtet vom alten und vom neuen Le-
ben (Bodrerito)
351 Es könnte auch anders ge-
wesen sein, Pedro
Warum nicht chiromantisch tabula rasa
spielen?
Tarot wird aufgegleist; teils mit Dialog
352-375 Léman-Tarot Immer abwechselnd zwei Seiten ohne
Fusszeile!
Unser Mistrau ist der Leman; Nicolas
plaudert mir aus der Schule; Gar nicht
calvinistisch, ma Languedocienne ver-
tébré...; Riffe vor der Künste: die gros-
sen Autoren der Romandie; Nicht um-
sonst bekam er die höchste Note; Vir-
tueller Doppelmord, den es zu verhin-
dern gilt; Mord über Mord, unaufhalt-
sam, diese reale Geschichte; Wo die
Toten die Lebenden beim Ärmel neh-
men; Wo sogar Mass & Mässigung zur
Vielgestaltiger mehrstimmiger Text (auch von
den Themen her); wie Dialog in hohem Ton; mit
Bildern durchsetzt (Tarot-Karten etc.); mehr-
schichtiges Konzept von Text und Bild
Versuchung werden!; Papillon, wann
bin ich Stern? ganz Bodrerito!; Es wird
die Sonne nach dir drehen, Bo, sagt
BC. Genau!; Lao dse, Pollaiuolo, Klee,
Kahlo, BB übersetzt Bo
376-382 Meine kleine Önologin
ganz gross
Ein Mädchen, das kein Talent vergra-
ben hat; Walliser Weinwunder, sans
fausse note; Auf kleine, steile Parzellen
legt sich Subtiles; Heute, nicht morgen,
Anne-Lise, versprochen
Gerade Seiten:
Portrait Anne-Lise; Text über den Wein in Form
eines Interviews, aber auch berichtender Text
über das Weinland Wallis
S. 376: Foto Anne-Lise und Bild BB
377-383 Chantal, wo der Gast Gott
ist, nicht König
Ungerade Seiten:
Portrait Chantal (Weinbäuerin), auch teils dialo-
gisch; hoher, poetischer Tonfall
S. 377: Foto Chantal und Bild BB
385-395 Fotograf für Fotografen L’ami Ruppen, des Wallis kalligrafier-
tes Gedächtnis; das Land und er: yin
und yang
Portrait Oswald Ruppen; Bild und Text; viele Fo-
tografien (ganzseitig und doppelseitig)
ab S. 384 (linksseitig): Bodrerito
Sutra setzt wieder ein [S. 384: Viel-
leicht dass Markt wäre, Bodrerito
mío]
397-399 Ein Fotograf für sieben
Gedichte
Wenn der Funke überspringt, wird
Thomas zum challenger; Willst du,
dass er dir redet, gib ihm einen habano
Portrait Thomas Andenmatten; Wallis und per-
sönlicher Text zu T. A.; teils intertextuelle Bezü-
ge
Bodrerito Sutra setzt bis S. 402 aus
[S. 404: Still liegt]
400-409 Sion mon chef-lieu ta cap-
tiale – je la veux tout à fait
Bod-re-ri-to
Tutte le creature in der einen, meint
dieses Buch [Motto des Buches]
Text über Sion; ausgehend vom Gefängnis; Bod-
rerito zentral; lyrisch mit viel Fremdsprache (vor
allem frz.); Kosmologie (Kreaturen, Sonne, Mond
S. 400: Bild Chillida Eduardo
S. 411-434: exklusiv Bodrerito Sutra
, Sterne, Wasser und Erde) [S. 411: Soufert / Souferto; S. 414:
Dichter lügen viel; S. 421: Also
spricht Bodrerito; S. 423: Aix riecht
nach Mandeln; S. 425: Tags fauchen
den Schrecken die Taquilla hoch; S.
427: Si mon amour est perdu; S. 429:
Oder nimm die Ouvèze; S. 431: Ich
trug einen Stein im Mund]
435 Per sora nostra morte cor-
porale
Kleines Gedicht; petit morte = Orgasmus (Liebe)
436-443 Tausend Sonnen strömen
soll der Strom
Dreistimmiger Text (Yesod=Eros; Tiphe-
ret=Herz/Schönheit; Satori=Erleuchtung); geglie-
dert in insgesamt sechs Kaptiel; Fotos unterbre-
chen den Text; programmatische Texte zum Ende
des Buches; ganz auf Bo bezogen
444-456 Glossar, Ikonographie,
Dank
Nebentext, der aber unbedingt ins Werk einbezo-
gen werden muss, rein schon vom Sprachgestus
her
Philosophische Fakutät Studiendekanat Universität Zürich Philosophische Fakultät, Studiendekanat Bereich Abschluss/Prüfungen Rämistr. 69 CH-8001 Zürich Telefon +41 44 634 54 12 Telefax +41 44 634 41 27 www.phil.uzh.ch/studium.html
Selbstständigkeitserklärung
Hiermit erkläre ich, dass die Masterarbeit von mir selbst und ohne unerlaubte Beihilfe
verfasst worden ist und ich die Grundsätze wissenschaftlicher Redlichkeit einhalte.
.........................................................................................................................................
Ort und Datum Unterschrift