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Der sklerolytische Effekt der Schlaftherapie

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Page 1: Der sklerolytische Effekt der Schlaftherapie

394 THIRD INTERNATIONAL CONQRESS OF INTERNAL MEDICINE

Der sklerolytische Effekt der Schlaftherapie

VON ROLF EMMRICH Medizinisehe Klinik der Medizinisehen Akademie Magdeburg, Germany

I n der amerikanischen Literatur wird die diffuse progossive Sklerodermie unter den “Collagen Diseases’’ eingereiht. Wir ziihlen die Sklerodermie in ihrer diffusen wie auch in ihrer lokalisierten Form zu einer grossen Gruppe mit Sklerosierung und auch Zellproliferation einhergehender Krankheiten, die wir unter der Bezeichnung Sklero- puthie zusammenfassen. Das kennzeichnende morphologische Substrat ist die Skle- rose, eine durch Alteration des Bindegewebes hervorgerufene Verhartung der Gewebe, an der sowohl Zellen des Bindegewebes als auch Interzellularsubstanzen Anteil haben. Ohne auf die Pathogenese der Sklerose naher einzugehen, sei hervorgehoben, class Sklerosierungsprozesse fur den Organismus keineswegs gleichgultig sind, sie bedingen haufig ein weiteres Portschreiten der Sklerose. Wir sprechen dann von einem Herdgeschehen 11. Ordnung. Auch an anderen Stellen kommt es zur Sklerosierung, hinzutretende akute Entzundungen werden in die Sklerose eingelenkt. Der Organis- mus reagiert jeweils im Sinne einer chronischen Entziindung, wie man aus Blutzell- bild und Bluteiweissbild erkennen kann.

Fur die Skleropathie charakteristisch ist ausser einem bestimmten Ausbreitungs- Modus sklerotischer Prozesse die Fixution nervaler Regulationen und eine bisher geringe therapeutische Beeinflussbarkeit. Bestimmt man bei der Skleropathie die ,,mittlere akrale Wiedererwarmungszeit” nach HEIDELMANN, so findet sich regel- massig ein Arteriolen-Konstriktionstyp (Starre-Typ). Diesem Arteriolen-Konstrik- tionstyp begegnet man allgemein bei chronischen Entzundungen, bezw. bei chroni-

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acher Sensibilisierung, bei Unterfunktion des Hypophysen-Vorderlappens und der Schilddriise, bei Akrocyanose, Digitus mortuus, Morbus Raynaud, Oziina, Tetanie u. a ., aber auch altersphysiologisch jenseits des 55. Lebensjahres.

Die bei skleropathischen Krankheiten beobachtete Fixation nervaler Regulationen gab Veranlassung, die Sklerodermie mit medikamentdaern Heibchlaf zu behandeln.

1. 2. 3. 4. 5. Taa

1. Physiologischer Schlaf

ev. Barbiturate;

physiol. Schlaf j -nu < mehrere Wochen 2. ,,Vcrliingerter*' nl nl A I nl bedingt reflektorisch

Dammerzustand, zu mehreren I lytische Kombination

' Schlaf. 3. Kunstlicher Winterschlaf

euro-vegetat. Blockade Wochen

4. Schlaf-Stosstherapie a. Zweiphasenheilschlaf

1. und 2. Tag Pantopon-Scop., 3. und 4. Tag phyr. NaCI,

ev. Barbiturate 0 , 1 4 2

b. lytische Kombination ------

1. 2. 3. 4. 5. Tag

Rhythmcn der Schlaftherapie (schematisch)

Abb. 2 . Rhythmen der Schlaftherapie, Schlaftechnik.

Zur Schlaftechnik wurde benutzt der Zwei-Phasen-Heilschlaf (nach WEIDNER) mit Pantopon-Skopolamin und auch der Schlaf mit Phenothiazin-Derivaten, insbesondere mit Megaphen und Atosil. Dabei zielt der Zwei-Phasen-Heilschlaf auf eine Hemmung der Funktionen von Grosshirnrinde und Stammhirn ab, die Phenothiazin-Derivate fiihren als lytische Kombination zu einer neurovegetativen Blockade. Eine Unter- kiihlung wurde nicht vorgenommen.

Abb. 1 und 2 geben einen uberblick iiber die Schlaftechnik. Eine 3Sjahrige Frau mit diffuser progressiver Sklerodermie erkrankte zusiitzlich

an einem schweren Rheumatoid ihrer grossen Gelenke, die Schmerzzustande waren kaum noch zu ertragen. Der Arzt verordnete Alkaloide, ohne dass die Schmerzen wichen; schliesslich bat er eindringlich, die Kranke in der Klinik aufzunehmen. In der Klinik erhielt die Kranke 3 Tage lang Pantopon-Skopolamin (Hoffmann la Roche) injiziert, am 4. Tage nur physiologische NaCl-Losung. Sie schlief 4 Tage hindurch. Nach dieser Behandlung schwand das Rheumatoid und die Sklerodermie zeigte eine ganz auffallende Besserung. Die Frau bewegte ihren Mund so, dass sie wieder pfeifen konnte, was infolge der Sklerodermie der Gesichtshaut bis dahin nicht

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Abb. 3. Sklerodermie. Hande wor der Schlaftherapie.

gelang. Vor allem aber wurde die Haut der Unterarme und der Hande weicher. Nach diesem Anfangserfolg wurde eine grossere Anzahl von Kranken mit diffuser progressiver Sklerodermie und mit lokalieierten sklerodermischen Prozesscn ebenfalls mit Heilschlaf behandelt. In allen Fallen wiederholte sich der sklerolytische, ,,weich- machende” Effekt der Schlaftherapie. Die Wirkung setzte bereits am 2. Tage des Schlafens ein und verstarkte sich noch bis zu einer Woche nach dem Schlafe. Sie hielt dann mehrere Monate und langer vor. Kaum beeinflusst wurde der Morbus Raynaud. Wesentlich war, dass bei den Sklerodermie-Kranken keine akuten ent- zundlichen Prozesse vorlagen, sie schwiichten den sklerolytischen Effekt ab. Man muss daher vor der Schlaftherapie Fokalinfekte beseitigen.

Fur den Enderfolg ausschlaggebend ist der Schweregrad der Sklerodermie. Weniger ausgepriigte und weniger intensive sklerodermische Prozesse werden nahezu vollig normalisiert, schwere Krankheitsprozesse dagegen gradweise gebessert. Der skleroly- tische Effekt besitzt eine bestimmte Grossenordnung. Fur diese Grossenordnung sind verschiedene Faktoren von Bedeutung: Das Medikament, die Reagibilitat des Orga- nismus und der Krankheitsprozess selbst. J e tiefer und anhaltender die Kranken schliefen, umso starker war die Sklerolyse. Fast immer traten am 2. Tage des Schla- fens leichte Temperaturen auf, vielfach auch profuse Schweisse. Regelmassige Kon- trollen des Blutzellbildes und des Bluteiweissbildes ergaben zum Teil hderungeii im Sinne der Entziindungs-Konstellation, zum Teil iiberhaupt keine Abweichungen

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Abb. 4 . Sklerodermie. Hande nach der Schlaftherapie mit Pantopon-Skopolamin.

von den Ausgangswerten. Eine vorher nachweisbare Aniimie konnte schwinden, das rote Blutzellbild nach dem Schlafe normalisiert sein.

Gleich gute Erfolge wie in der Behandlung der Sklerodermie wurden auch bei Narbenkeloiden erzielt. Der sklerolytische Effekt der Schlaftherapie betrifft jedoch nicht nur die Haut. Mein Mitarbeiter PETZOLD machte darauf aufmerksam, dass bei Kranken mit Teleangiektasien (spider naevi) nach der Schlaftherapie solche Tele- angiektasien verschwunden waren. Es war dies nicht immer der Fall und nicht alle spider naevi bildeten sich zuruck, aber die Tatsache, dass solche Ruckbildungen vorkommen, erschien bemerkenswert. Die bekanntesten Teleangiektasien sind die ,,Eppinger-Sternchen" bei der Lebercirrhose und die Gefiiss-Sternchen bei Morbus Osler. Sogar bei Morbus Osler ging unter der Schlaftherapie die Zahl der hellroten, kriihenfussartigen Gefasserweiterungen zuriick. Eine Beeinflussung mittlerer und grosserer Arterien sahen wir nicht. Bei allgemeiner Arteriosklerose sollte die Schlaf- therapie iiur mit grosser Vorsicht vorgenommen werden.

Wir machten noch eine weitere Beobachtung: Bei Kranken mit Hepato- oder auch Splenomegalie fuhrte die Schlaftherapie zu einer Verkleinerung des Organs. Die Hepatomegalien waren Falle von chronischer Hepatitis, bezw. von Cirrhose der Leber, was laparoskopisch und histologisch gesichert war. Bei den Splenomegalien lag ein Morbus Banti vor. Die Verkleinerung von Leber oder Milz war verschieden stark ausgepragt, sie kern sowohl nach Pantopon-Skopolamin als auch nach Mega-

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phen-Atosil zustande. Zumeist wurde einige Tage nach dem Schlafe das Organ wieder grosser, erreichte jedoch nicht seine ursprungliche Grosse. Elektrophero- gramme und Leberfunktionsproben anderten sich nicht, auch die histologischen Bilder blieben die gleichen.

Abb. 5 Verkleinerung der Leber nach Schlaftherapie.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass der sklerolytische Effekt der Schlaftherapie am deutlichsten wird in der Behandlung der diffusen progessiven und der lokalisierten Sklerodermie, weil er dabei unmittelbar beobachtet werden kann. Er weist eine bestimmte Grossenordnung auf und ist sicher uber langere Zeit hin wirksam. Die Beobachtungen an den spider naevi sprechen dafiir, dass sich der sklerolytische Effekt auch auf kleine Blutgefasse erstreckt. Ob sklerosierende Prozesse grosser Organe wie der Leber und Milz nachhaltig in gunstigem Sinne zu beeinflussen sind, bleibt dahingestellt.

Die intensive Schlaftherapie hat die Funktion eines ,,Weichmachers". Zu deuten ist dieser sklerolytische Effekt in erster Linie als eine entquellende Wirkung, wobei es zu einem Abpressen von Wasser aus dem sklerosierten Gewebe kommt, das nun aber nicht wieder eingelagert wird. Messungen der Wechselstrom-Widerstande an der sklerosierten Haut vor und nach der S-hlaftherapie ergaben, dass die bei der Sklerodermie stark erniedrigten Widerstande nach der Schlaftherapie anstiegen. Damit der sklerolytische Effekt wirksam werdcn kann, ist Voraussetzung, dass die arterielle Blutversorgung sklerotischer Gewebe bis zu einem gewissen Grade erhalten geblieben ist. Bei den behandelten Sklerodermien wurden stark sklerotische Finger nicht oder nur wenig beeinflusst. Es ist rontgenologisch und histologisch erwiesen, dass die Finger-Arterien bei der Sklerodermie - zumal bei gleichzeitigem Morbus Raynaud - fiir den Blutstrom nicht oder kaum mehr durchgangig sind. Wenn die arterielle Blutversorgung jedoch bis zu einem gewissen Grade noch erhalten geblieben ist, wie z. B. unter dem sklerosierten Handrucken, dann tritt der sklero- lytische Effekt auch ein.

In der Wirksamkeit der Schlaftherapie kommt eine besondere Bedeutung den Neuro-Hormonen zu. Wir konnten zeigen, dass der Histamin-Conjunctival- Test (nach REMKY), der unter der Schlaftherapie mit Pantopon-Skopolamin und auch

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Abb. 6. Der Histamin-Conjunctival-Test (nach Remky). Verschiedene Krankheiten. Klein daneben: Verhalten des Testes vor, wahrend und nach physiol. Schlaf.

mit Megaphen-Atosil positiv wurde, noch Wochen und Monate nach beendeter Schlafbehandlung stark positiv ausfiel. Die dem positiven Test zugrunde liegende erhohte Histamin-Empfindlichkeit beweist die nachhaltige Wirkung der Schlafthera- pie.

Abb. 6: Verhalten des Histamin-Conjunctival-Testes wahrend des physiologischen Schlafes und nach der Schlaftherapie.

Literatur

EMMRICH, R.: Zschr. inn. Med. 1952, 987; 1954, 737. EMMRICH, R. und PETZOLD, H.: Dtsch. med. Wschr. 1954, 1003. EMMRICH, R. und HUTH, J.: Klin. Wschr. 1954, 514. HEIDELMANN, G.: Acta Neurovegetativa V I I I , 211, 1953.

Ehlers-Danlos Syndrome

A Congenital Mesenchymal Disorder

BY J ~ E I A N N SBMUNDSSON Reykjavik

1. Introduction

In the year 1899 Ehlers demonstrated a patient in the Danish Dermatological Society, suffering from abnormal elasticity of the skin, unusual hyperextensibility of the joints and a tendency to hemorrhages into the skin.