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NEIN, SEINEN KOCHHUT wird er nicht ablegen, auch wenn er nun einen «Gault Millau»-Punkt weniger auf seinem Konto hat. Schliesslich hat Bruno Hurter bereits im «Seehus» in Stäfa und im «Marina» in Lachen gezeigt, was er kann. Seine Ambi- tionen liegen als Executive Chef des 5-Sterne-Betriebs Wald- haus in Flims anderswo. «Ich will eine schlichte, ehrliche Kü- che machen», sagt er. Das heisst: vor allem mit regionalen Pro- dukten arbeiten und sie authentisch auf den Teller bringen. So schlicht und einfach, wie wenn man in einer Bergbeiz der Umgebung eingekehrt wäre, war das Vorgesetzte im Grand Restaurant Rotonde (13 GM-Punkte) dann doch nicht. Ange- fangen beim karamellisierten Galegge-Formacini auf Brioche und Tomaten-Chutney und Kürbispesto (Fr. 19.–) und der Kür- bisschaumsuppe mit Kernöl (Fr. 17.–), beides sorgfältig und perfekt zubereitet. Die Kalbskopfbäggli mit buntem Herbstge- müse im Kartoffelmousse-Nest (Fr. 49.–) absolut zart, die geba- ckenen Apfelknödel mit Zimt-Sauerrahm-Sauce und Joghurt- Eis (Fr. 18.–) zum Dessert ein krönender Abschluss. Ohne Zwei- fel: Er darf seinen Hut weiterhin mit Stolz tragen. SILVIA SCHAUB Südlicher Esprit in frischer Alpenluft Grand Restaurant Rotonde, Waldhaus Flims Bruno Hurter vom Grand Restaurant Rotonde, Hotel Waldhaus Flims, Flims. Tel. 081 928 48 48, www.waldhaus-flims.ch. Geöffnet: täglich ab 19 Uhr geöffnet, im Winter von Mo bis Do auch von 12 bis 14 Uhr. KÜCHE Mediterran inspirierte Küche mit Frischprodukten aus der Region SERVICE Umsichtig, charmant und unkompliziert AMBIENTE Modern, luftig, mit grandioser Bergsicht PREISE Vorspeisen ab Fr. 13.–, Hauptgänge ab Fr. 54.– AUFGETISCHT SCHREIBEN SIE IHRER NACHBARIN eine Karte mit trostspenden- den Worten – und zwar unmittelbar, nachdem Sie vom Unglück erfahren haben. Haben Sie das Bedürfnis zu mehr, dann klingeln Sie bei der Nachbarin an der Haustür und teilen ihr Ihr persönli- ches Beileid mit. Von Vorteil tun Sie dies ein paar Tage nach der Beerdigung. Bis dann haben sich der erste Schock und die vielen Verpflichtungen etwas gelegt. Zeigen Sie, dass Sie betroffen sind von dem Unfall, und überlegen Sie sich bereits im Vorfeld, was Sie sagen möchten. Auch wenn sie sonst bis anhin keinen Kon- takt hatten, können Sie Ihre Hilfe für Einkäufe oder sonstige Er- ledigungen anbieten. In diesen Situationen ist man einfach nur froh, Beistand von Leuten zu bekommen. Aussergewöhnliche Situationen verlangen oft aussergewöhnliche Taten. Drängen Sie sich jedoch nicht auf. Und wenn Sie auf einen Kaffee eingeladen werden, ist es höflich, sich nach einer halben Stunde wieder zu verabschieden. Corinne Staub ist Image-Beraterin in Zürich und Mitautorin der Bücher «Dressguide» und «Imagefaktor». Der Mann meiner Nachbarin ist bei einem Arbeits- unfall ums Leben gekommen. Wir pflegen keinen Kontakt zueinander. Der Gruss im Treppenhaus ist alles, was uns verbindet. Wie reagiere ich nun? SO STIMMTS Stellen Sie Ihre Fragen unter [email protected] BILD: SILVIA SCHAUB Alpenwein aus den Dolomiten Nachdem ich hier letztes Mal einen Blaufränkisch aus dem Leithagebirge entkorkte, das als Ausläu- fer der österreichischen Alpen eine Brücke zu den Karpaten bildet, wurde ich von einem Leser gefragt, was denn der Wein mit den Alpen zu tun habe. Sehr viel, meine ich. Denn ein- mal abgesehen davon, dass fast alle grossen Wei- ne unseres Landes aus den Alpen stammen, ist der Alpenbogen, der sich von Nizza über 1200 Kilometer durch acht Länder bis nach Wien schwingt, eine Schatzkammer von authentischen Wei- nen aus häufig autochthonen Sorten. Darum entkorke ich heute gerade noch- mals einen Wein der Alpenweinbühne von Mémoire & Friends. Diesmal stammt er aus den Dolomiten oder besser gesagt vom Rand der Dolomiten, die bis an Süd- tirols Landeshauptstadt Bozen heranrei- chen. Nirgendwo sonst als hier auf den Flussschwemmböden in der Ebene von Gries westlich der Altstadt gedeiht Südti- rols ureigenste Vorzeigesorte Lagrein so gut. Ein besonders schönes Beispiel ist der Lagrein Riserva vom Taberhof, der von der Kellerei Bozen gekeltert wird. Die Degustationsnotiz zum Lagrein Ri- serva Taber 2007 ähnelt fast aufs Wort jener des letzten Mal entkorkten Leitha- berg Blaufränkisch 2007: sehr dunkles, jugendliches Rot; Aromen von schwarzen Beeren, Pflaumen, Zwetschgen mit wür- zigen Noten; vollmundig, saftige Säure, feines, strenges Tannin; grosser Wein mit Stil. Tatsächlich haben beide Weine auch viel gemeinsam und passen zu ganz ähn- lichen Gerichten. Nicht umsonst standen sie in den Alpenweinseminaren und in der Nachdegustation der Zeitschrift «marmite» (verdeckt) nebeneinander. Im Gegensatz zur Fachjury hatte das Publi- kum allerdings mit dem noch etwas un- nahbaren Blaufränkisch mehr Mühe als mit dem schon jetzt leichter zugängli- chen Lagrein (siehe www.weininfo.ch). Persönlich gab auch ich dem Taber mit 17,5 Punkten eine meiner höchsten No- ten, denn sehr viel schöner kann ein Lag- rein nicht sein. ANDREAS KEL LER ENTKORKT Produzent Kellerei Bozen, Bozen (I) Herkunft Südtirol Appellation Südtirol-Alto Adige DOC Rebsorte Lagrein Beste Trinkreife Jetzt bis Ende 2017 Passende Gerichte Kalbshaxe, Wild, Hartkäse Bewertung 17,5 Punkte Bezugsquelle Vinothek Brancaia, Seefeldstrasse 299, Zürich, Tel. 044 422 45 22, www.brancaia.ch, Fr. 45.– LAGREIN RISERVA TABER 2007 Der Sonntag | Nr. 42 | 24. Oktober 2010 Seite 52 GENIESSEN Die Enttäuschung war gross, als der Be- such auf das Lammgigot schaute: Igitt, alles noch ganz rot! Dabei hatte der Hob- bykoch das Fleischstück über Stunden auf niederer Temperatur im Ofen garen lassen. Annemarie Wildeisen weiss schnell, was da schieflief. «Der Koch hat in diesem Fall wohl das Fleisch direkt aus dem Kühlschrank in den Ofen ge- schoben – oder dann war das Fleisch zu wenig lang abgehangen.» Das sind die häufigsten Fehler beim Niedergaren. «Oder man hat schlicht ein falsches Stück gewählt», so der Küchen- profi. Denn nicht jedes Stück eignet sich auch für diese Kochmethode. «Gerade die traditionellen Schmorstücke sind überhaupt nicht geeignet fürs Niederga- ren.» Vorsicht sei auch bei Biofleisch ge- boten, weil dieses oft noch sehr frisch und somit zu wenig gelagert sei. IN SACHEN NIEDERGAREN ist Annemarie Wildeisen in der Schweiz so etwas wie eine Vorreiterin. Sie praktiziert diese schonende Art der Fleischzubereitung schon seit über zwanzig Jahren und hat zum Thema bereits mehrere, sehr er- folgreiche Kochbücher geschrieben. Ihr Bestseller «Fleisch sanft garen bei Nie- dertemperatur» hat sich über 200 000- Mal verkauft. Weshalb also ein neues Buch zum Thema? «Weil es die Quint- essenz aus all meinen Erfahrungen ist», betont sie. «Das grosse Buch vom Fleischgaren bei Niedertemperatur» beinhaltet nicht nur neue Rezepte. Annemarie Wildeis- ten lässt auch neue Erkenntnisse ein- fliessen. Mit gutem Grund: «Es wird im- mer wieder bemängelt, dass das Fleisch nicht richtig warm ist, wenn es auf den Tisch kommt.» DESHALB HAT DIE Köchin und Kochbuch- autorin vor zwei Jahren angefangen, grös- sere Fleischstücke am Schluss der Nach- garzeit nochmals kurz zu erhitzen. Für den Wärme-Finish, wie sie es nennt, wird unmittelbar vor dem Servieren des Flei- sches die Ofentemperatur von bisher 80 Grad auf 230 Grad Unter-/Oberhitze er- höht. Dabei nimmt das Fleisch in aufstei- gender Temperatur je nach Grösse des Stücks nochmals fünf bis zehn Minuten Hitze auf. «Das Fleisch bleibt dadurch trotzdem zart, hat aber eine angenehme- re Farbe – und ist vor allem heiss.» Die Garmethode bei niederen Tem- peraturen basiert also weder auf uner- klärlicher Magie noch auf besonderer Kü- chenphysik. «Jeder, der ein Rezept lesen kann, kann kochen», gilt Wildeisens De- vise auch fürs Niedergaren. Für viele ist das Sanftgaren die ideale Zubereitungs- art, wenn sie Gäste haben. So kann das Anbraten einige Zeit im Voraus erledigt werden und das Fleisch bleibt auch bei Verspätung der Gäste zart. Ganz fanati- sche Köche inszenieren die Suche nach absoluter Zartheit des Fleisches auch im Sou-vide-Verfahren. Von diesem rät Wild- eisen für den Hausgebrauch ab. Das Fleisch müsse dafür absolut top sein und zudem braucht es teure Vakuum-Geräte. Annemarie Wildeisen: Das grosse Buch vom Fleischgaren bei Niedertemperatur. AT Verlag. 200 S., Fr. 49.90. Erst der Wärme-Finish kurz vor dem Servieren macht das Niedergaren wirklich perfekt Nichts ist einfacher als Nieder- garen, heisst es. Und doch kann so manches misslingen. Anne- marie Wildeisen weiss, wieso. Das Finale bei 230 Grad VON SILVIA SCHAUB SAUCE > 100 ml frisch zubereiteter Schwarztee > 1 unbehandelte Orange > 1 unbehandelte Zitrone > 300 ml Rotwein > 2 Gewürznelken > ½ Zimtstange > 2 EL Zucker > 1 TL Fleischextrakt > 200 g Trauben (weisse oder blaue) FLEISCH > 500-600 g frische Hirsch- entrecotes (nicht tiefgekühlt) > Salz, schwarzer Pfeffer > 1 EL Bratbutter > 50 ml roter Portwein ZUM FERTIGSTELLEN > 75 g Butter 1 Schwarztee zubereiten; er sollte nicht allzu stark im Aroma sein. Von der Orange und der Zitrone die Schale dünn abreiben. 2 Alles zusammen mit Rotwein, Nelken, Zimt und Zucker in einen kleinen Topf geben und bei grosser Hitze auf etwa 100 ml einkochen. Absieben und in den ausgespülten Topf zurückgeben. Den Fleischextrakt beifügen. Beiseite stellen. 3 Die Traubenbeeren von den Zweigen zupfen, waschen, längs halbieren und die Kerne entfernen. 4 Backofen auf 80 Grad vorheizen und eine Platte mitwärmen. Die Hirschentrecotes beidseitig mit Salz und Pfeffer würzen. In der Bratpfanne die Bratbutter erhitzen. Das Fleisch hineingeben, Hitze um etwa ein Drittel reduzieren und die Entrecotes je nach Dicke insgesamt 6–7 Minuten braten. Dann sofort auf die vorgewärmte Platte geben und im 80 Grad heissen Ofen 20–30 Minuten nachgaren lassen. 5 Den Bratensatz mit dem Portwein ablöschen und zur Hälfte einkochen lassen. Durch ein Sieb zur beiseite gestellten Sauce giessen. 6 In einem Pfännchen 1 EL Butter erhitzen und die Trauben darin kurz erhitzen. Warm halten. 7 Die Sauce nochmals aufkochen. Die restliche Butter in Stücken beifügen und in die leicht kochende Sauce einziehen lassen. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Das Hirsch- entrecote in Scheiben aufschneiden, mit den Trauben anrichten und alles mit Sauce umgiessen. AUS: FLEISCHGAREN BEI NIEDERTEMPERATUR, ANNEMARIE WILDEISEN, AT VERLAG Hirschentrecote mit Glühweinsauce BILD: ANDREAS FAHRNI, AT VERLAG AARAU UND MÜNCHEN

Der Sonntag | Nr. 42 | 24. Oktober 2010 Seite 52 Das ... · NEIN, SEINEN KOCHHUT wird er nicht ablegen, auch wenn er nun einen «Gault Millau»-Punkt weniger auf seinem Konto hat

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Page 1: Der Sonntag | Nr. 42 | 24. Oktober 2010 Seite 52 Das ... · NEIN, SEINEN KOCHHUT wird er nicht ablegen, auch wenn er nun einen «Gault Millau»-Punkt weniger auf seinem Konto hat

NEIN, SEINEN KOCHHUT wird er nicht ablegen, auch wenn ernun einen «Gault Millau»-Punkt weniger auf seinem Kontohat. Schliesslich hat Bruno Hurter bereits im «Seehus» in Stäfaund im «Marina» in Lachen gezeigt, was er kann. Seine Ambi-tionen liegen als Executive Chef des 5-Sterne-Betriebs Wald-haus in Flims anderswo. «Ich will eine schlichte, ehrliche Kü-che machen», sagt er. Das heisst: vor allem mit regionalen Pro-dukten arbeiten und sie authentisch auf den Teller bringen.So schlicht und einfach, wie wenn man in einer Bergbeiz derUmgebung eingekehrt wäre, war das Vorgesetzte im GrandRestaurant Rotonde (13 GM-Punkte) dann doch nicht. Ange-fangen beim karamellisierten Galegge-Formacini auf Briocheund Tomaten-Chutney und Kürbispesto (Fr. 19.–) und der Kür-bisschaumsuppe mit Kernöl (Fr. 17.–), beides sorgfältig undperfekt zubereitet. Die Kalbskopfbäggli mit buntem Herbstge-müse im Kartoffelmousse-Nest (Fr. 49.–) absolut zart, die geba-ckenen Apfelknödel mit Zimt-Sauerrahm-Sauce und Joghurt-Eis (Fr. 18.–) zum Dessert ein krönender Abschluss. Ohne Zwei-fel: Er darf seinen Hut weiterhin mit Stolz tragen. SILVIA SCHAUB

Südlicher Esprit infrischer AlpenluftGrand Restaurant Rotonde, Waldhaus Flims

Bruno Hurter vom Grand Restaurant Rotonde, Hotel Waldhaus Flims,Flims. Tel. 081 928 48 48, www.waldhaus-flims.ch. Geöffnet: täglich ab19 Uhr geöffnet, im Winter von Mo bis Do auch von 12 bis 14 Uhr.

KÜCHE Mediterran inspirierte Küche mit Frischprodukten aus der RegionSERVICE Umsichtig, charmant und unkompliziertAMBIENTE Modern, luftig, mit grandioser BergsichtPREISE Vorspeisen ab Fr. 13.–, Hauptgänge ab Fr. 54.–

AUFGETISCHT

SCHREIBEN SIE IHRER NACHBARIN eine Karte mit trostspenden-den Worten – und zwar unmittelbar, nachdem Sie vom Unglückerfahren haben. Haben Sie das Bedürfnis zu mehr, dann klingelnSie bei der Nachbarin an der Haustür und teilen ihr Ihr persönli-ches Beileid mit. Von Vorteil tun Sie dies ein paar Tage nach derBeerdigung. Bis dann haben sich der erste Schock und die vielenVerpflichtungen etwas gelegt. Zeigen Sie, dass Sie betroffen sindvon dem Unfall, und überlegen Sie sich bereits im Vorfeld, wasSie sagen möchten. Auch wenn sie sonst bis anhin keinen Kon-takt hatten, können Sie Ihre Hilfe für Einkäufe oder sonstige Er-ledigungen anbieten. In diesen Situationen ist man einfach nurfroh, Beistand von Leuten zu bekommen. AussergewöhnlicheSituationen verlangen oft aussergewöhnliche Taten. Drängen Siesich jedoch nicht auf. Und wenn Sie auf einen Kaffee eingeladenwerden, ist es höflich, sich nach einer halben Stunde wieder zuverabschieden.

Corinne Staub ist Image-Beraterinin Zürich und Mitautorin der Bücher«Dressguide» und «Imagefaktor».

Der Mann meiner Nachbarin ist bei einem Arbeits-unfall ums Leben gekommen. Wir pflegen keinenKontakt zueinander. Der Gruss im Treppenhausist alles, was uns verbindet. Wie reagiere ich nun?

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Stellen Sie Ihre Fragen unter [email protected]

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Alpenwein ausden DolomitenNachdem ich hier letztesMal einen Blaufränkischaus dem Leithagebirgeentkorkte, das als Ausläu-fer der österreichischenAlpen eine Brücke zu denKarpaten bildet, wurde ichvon einem Leser gefragt,was denn der Wein mit denAlpen zu tun habe. Sehrviel, meine ich. Denn ein-mal abgesehen davon,dass fast alle grossen Wei-ne unseres Landes ausden Alpen stammen, istder Alpenbogen, der sich

von Nizza über 1200 Kilometer durchacht Länder bis nach Wien schwingt, eineSchatzkammer von authentischen Wei-nen aus häufig autochthonen Sorten.Darum entkorke ich heute gerade noch-mals einen Wein der Alpenweinbühnevon Mémoire & Friends. Diesmal stammter aus den Dolomiten oder besser gesagtvom Rand der Dolomiten, die bis an Süd-tirols Landeshauptstadt Bozen heranrei-chen. Nirgendwo sonst als hier auf denFlussschwemmböden in der Ebene vonGries westlich der Altstadt gedeiht Südti-rols ureigenste Vorzeigesorte Lagrein sogut. Ein besonders schönes Beispiel istder Lagrein Riserva vom Taberhof, dervon der Kellerei Bozen gekeltert wird.Die Degustationsnotiz zum Lagrein Ri-serva Taber 2007 ähnelt fast aufs Wortjener des letzten Mal entkorkten Leitha-berg Blaufränkisch 2007: sehr dunkles,jugendliches Rot; Aromen von schwarzenBeeren, Pflaumen, Zwetschgen mit wür-zigen Noten; vollmundig, saftige Säure,feines, strenges Tannin; grosser Wein mitStil. Tatsächlich haben beide Weine auchviel gemeinsam und passen zu ganz ähn-lichen Gerichten. Nicht umsonst standensie in den Alpenweinseminaren und inder Nachdegustation der Zeitschrift«marmite» (verdeckt) nebeneinander. ImGegensatz zur Fachjury hatte das Publi-kum allerdings mit dem noch etwas un-nahbaren Blaufränkisch mehr Mühe alsmit dem schon jetzt leichter zugängli-chen Lagrein (siehe www.weininfo.ch).Persönlich gab auch ich dem Taber mit17,5 Punkten eine meiner höchsten No-ten, denn sehr viel schöner kann ein Lag-rein nicht sein.

ANDREAS KEL LER

ENTKORKT

Produzent Kellerei Bozen, Bozen (I)Herkunft SüdtirolAppellation Südtirol-Alto Adige DOCRebsorte LagreinBeste Trinkreife Jetzt bis Ende 2017Passende Gerichte Kalbshaxe, Wild,HartkäseBewertung 17,5 PunkteBezugsquelle Vinothek Brancaia,Seefeldstrasse 299, Zürich, Tel. 044422 45 22, www.brancaia.ch, Fr. 45.–

LAGREIN RISERVATABER 2007

Der Sonntag | Nr. 42 | 24. Oktober 2010Seite 52GENIESSEN

Die Enttäuschung war gross, als der Be-such auf das Lammgigot schaute: Igitt,alles noch ganz rot! Dabei hatte der Hob-bykoch das Fleischstück über Stundenauf niederer Temperatur im Ofen garenlassen. Annemarie Wildeisen weissschnell, was da schieflief. «Der Koch hatin diesem Fall wohl das Fleisch direktaus dem Kühlschrank in den Ofen ge-schoben – oder dann war das Fleisch zuwenig lang abgehangen.»

Das sind die häufigsten Fehler beimNiedergaren. «Oder man hat schlicht einfalsches Stück gewählt», so der Küchen-profi. Denn nicht jedes Stück eignet sichauch für diese Kochmethode. «Geradedie traditionellen Schmorstücke sindüberhaupt nicht geeignet fürs Niederga-ren.» Vorsicht sei auch bei Biofleisch ge-boten, weil dieses oft noch sehr frischund somit zu wenig gelagert sei.

IN SACHEN NIEDERGAREN ist AnnemarieWildeisen in der Schweiz so etwas wieeine Vorreiterin. Sie praktiziert dieseschonende Art der Fleischzubereitungschon seit über zwanzig Jahren und hatzum Thema bereits mehrere, sehr er-folgreiche Kochbücher geschrieben. IhrBestseller «Fleisch sanft garen bei Nie-dertemperatur» hat sich über 200 000-Mal verkauft. Weshalb also ein neuesBuch zum Thema? «Weil es die Quint-essenz aus all meinen Erfahrungen ist»,betont sie.

«Das grosse Buch vom Fleischgarenbei Niedertemperatur» beinhaltet nichtnur neue Rezepte. Annemarie Wildeis-ten lässt auch neue Erkenntnisse ein-fliessen. Mit gutem Grund: «Es wird im-mer wieder bemängelt, dass das Fleischnicht richtig warm ist, wenn es auf denTisch kommt.»

DESHALB HAT DIE Köchin und Kochbuch-autorin vor zwei Jahren angefangen, grös-sere Fleischstücke am Schluss der Nach-garzeit nochmals kurz zu erhitzen. Fürden Wärme-Finish, wie sie es nennt, wirdunmittelbar vor dem Servieren des Flei-sches die Ofentemperatur von bisher 80Grad auf 230 Grad Unter-/Oberhitze er-höht. Dabei nimmt das Fleisch in aufstei-gender Temperatur je nach Grösse desStücks nochmals fünf bis zehn MinutenHitze auf. «Das Fleisch bleibt dadurchtrotzdem zart, hat aber eine angenehme-re Farbe – und ist vor allem heiss.»

Die Garmethode bei niederen Tem-peraturen basiert also weder auf uner-klärlicher Magie noch auf besonderer Kü-

chenphysik. «Jeder, der ein Rezept lesenkann, kann kochen», gilt Wildeisens De-vise auch fürs Niedergaren. Für viele istdas Sanftgaren die ideale Zubereitungs-art, wenn sie Gäste haben. So kann dasAnbraten einige Zeit im Voraus erledigt

werden und das Fleisch bleibt auch beiVerspätung der Gäste zart. Ganz fanati-sche Köche inszenieren die Suche nachabsoluter Zartheit des Fleisches auch imSou-vide-Verfahren. Von diesem rät Wild-eisen für den Hausgebrauch ab. Das

Fleisch müsse dafür absolut top sein undzudem braucht es teure Vakuum-Geräte.

Annemarie Wildeisen: Das grosse Buchvom Fleischgaren bei Niedertemperatur.AT Verlag. 200 S., Fr. 49.90.

Erst der Wärme-Finish kurz vor dem Servieren macht das Niedergaren wirklich perfekt

Nichts ist einfacher als Nieder-garen, heisst es. Und doch kannso manches misslingen. Anne-marie Wildeisen weiss, wieso.

Das Finale bei 230 Grad

VON SILVIA SCHAUB

SAUCE > 100 ml frisch zubereiteterSchwarztee> 1 unbehandelte Orange> 1 unbehandelte Zitrone> 300 ml Rotwein> 2 Gewürznelken> ½ Zimtstange> 2 EL Zucker> 1 TL Fleischextrakt> 200 g Trauben (weisse oder blaue)

FLEISCH> 500-600 g frische Hirsch-entrecotes (nicht tiefgekühlt)> Salz, schwarzer Pfeffer > 1 EL Bratbutter> 50 ml roter Portwein

ZUM FERTIGSTELLEN> 75 g Butter

1 Schwarztee zubereiten; er sollte nicht allzu stark im Aroma sein. Von der Orange undder Zitrone die Schale dünn abreiben.2 Alles zusammen mit Rotwein, Nelken, Zimt und Zucker in einen kleinen Topf gebenund bei grosser Hitze auf etwa 100 ml einkochen. Absieben und in den ausgespültenTopf zurückgeben. Den Fleischextrakt beifügen. Beiseite stellen.3 Die Traubenbeeren von den Zweigen zupfen, waschen, längs halbieren und die Kerneentfernen.4 Backofen auf 80 Grad vorheizen und eine Platte mitwärmen. Die Hirschentrecotesbeidseitig mit Salz und Pfeffer würzen. In der Bratpfanne die Bratbutter erhitzen. DasFleisch hineingeben, Hitze um etwa ein Drittel reduzieren und die Entrecotes je nachDicke insgesamt 6–7 Minuten braten. Dann sofort auf die vorgewärmte Platte gebenund im 80 Grad heissen Ofen 20–30 Minuten nachgaren lassen.5 Den Bratensatz mit dem Portwein ablöschen und zur Hälfte einkochen lassen.Durch ein Sieb zur beiseite gestellten Sauce giessen.6 In einem Pfännchen 1 EL Butter erhitzen und die Trauben darin kurz erhitzen.Warm halten.7 Die Sauce nochmals aufkochen. Die restliche Butter in Stücken beifügen und in dieleicht kochende Sauce einziehen lassen. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Das Hirsch-entrecote in Scheiben aufschneiden, mit den Trauben anrichten und alles mit Sauceumgiessen.

AUS: FLEISCHGAREN BEI NIEDERTEMPERATUR, ANNEMARIE WILDEISEN, AT VERLAG

Hirschentrecote mit Glühweinsauce

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