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7/24/2019 Deutschland.ein Wintermarchen
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Deutschland. Ein Wintermärchen
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Heinrich Heine zur Zeit der Winterreise 1843/44
Deutschland. Ein Wintermärchen[1] (1844) ist ein satirisches
Versepos des deutschen DichtersHeinrich Heine (1797–1856). Dessen
äußeren Rahmen bildet eine Reise, die der Autor im Winter 1843
unternahm[2] und die ihn von Paris nach Hamburg führte.[3]
Der UntertitelEin Wintermärchen spielt an aufWilliam Shakespeares
Alters-RomanzeThe Winter's Tale (1623) und deutet an, dass Heine
seinen Gedichtzyklus als Gegenstück zu dem drei Jahre früher
entstandenen VerseposAtta Troll. Ein Sommernachtstraum verstand,
das seinen Untertitel ebenfalls einem Werk Shakespeares verdankt: der
KomödieA Midsummer Night's Dream (1600). Die formale
Verwandtschaft der beiden Epen zeigt sich zusätzlich darin, dass auchdasWintermärchen, wie der Atta Troll, genau 27Capita umfasst, deren
Strophen ebenfalls aus Vierzeilern bestehen.[4]
Inhaltsverzeichnis [Verbergen]
← 1 Entstehungsgeschichte
← 2 Inhalt
← 2.1 Übersicht
← 2.2 Zu den einzelnen Kapiteln
← 3 Form← 4 Rezeption
← 5 Literatur
← 5.1 Textausgaben
← 5.2 Sekundärliteratur
← 6 Fußnoten
← 7 Weblinks
Entstehungsgeschichte[Bearbeiten]
Unzufrieden mit den politischen Verhältnissen imDeutschland der
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Restaurationszeit, die ihm als getauftem Juden keine Möglichkeit für
eine juristische Tätigkeit boten, und auch um derZensur zu entgehen,
emigrierte Heine 1831 nachFrankreich.
Abdruck in „Neue Gedichte“ 1844
1835 verbot ein Beschluss des deutschenBundestags seine Schriften
zusammen mit den Veröffentlichungen der Dichter desJungen
Deutschland. Ende 1843 kehrte er noch einmal für wenige Wochen
nach Deutschland zurück, um seine Mutter und seinen VerlegerJulius
Campe inHamburg zu besuchen. Auf der Rückreise entstand, zunächstals Gelegenheitsgedicht, der erste Entwurf zuDeutschland. Ein
Wintermärchen, den er im Laufe der nächsten drei Monate zu einem
höchst humoristischen Reiseepos weiterentwickelte, zuversifizierten
Reisebildern, die eine höhere Politik atmen als die bekannten
politischen Stänkerreime.[5]. Sein damaliger Verleger allerdings fand
das Werk von Anfang an zu radikal und warnte seinen Schützling:Sie
werden viel für diese Gedichte zu leiden haben (...) Nicht zu gedenken,
dass Sie den Patrioten neue Waffen gegen sich in die Hände gebenund so die Franzosenfresser wieder in die Schranken rufen, auch die
Moralisten werden über Sie herfallen (...) Wahrlich, ich habe nie so bei
einem Ihrer Artikel geschwankt als eben bei diesem, nämlich was ich
tun oder lassen soll.[6]
Das fertige Versepos erschien 1844 beim VerlagHoffmann und Campe
in Hamburg. Nach derZwanzig-Bogen-Klausel, einer Zensurrichtlinie
derKarlsbader Konferenz von 1819, unterlagen Manuskripte von mehr
als zwanzigBogen, also mehr als 320 Seiten[7], vor dem Druck nicht
der Zensur. Daher brachte der VerlagDeutschland. Ein Wintermärchen
zusammen mit anderen Gedichten im BandNeue Gedichte heraus.
Trotzdem musste sich Heine zu seinem Bedauern vor der
Veröffentlichung seines Werkes „dem fatalen Geschäfte des
Umarbeitens“ unterziehen und den Versen zahlreiche „Feigenblätter“
anheften, um dem voraussehbaren allgemeinen „Naserümpfen“ etwas
vorzubeugen und sich gegen den Vorwurf zu wehren, ein „Verächter des
Vaterlands“ und parteiischer „Freund der Franzosen“ zu sein.[8]
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Schon am 4. Oktober 1844 wurde das Buch in Preußen verboten und
beschlagnahmt. Am 12. Dezember 1844 erließ KönigFriedrich Wilhelm
IV. vonPreußen einen Haftbefehl gegen Heine. In der Folgezeit wurde
das Werk wiederholt von denZensurbehörden verboten. In anderen
Teilen Deutschlands war es zwar in Form einer – ebenfalls bei
Hoffmann und Campe erschienenen – Separatausgabe erhältlich, doch
musste Heine es kürzen und umschreiben.
Inhalt[Bearbeiten]
Erste Separatausgabe
Übersicht[Bearbeiten]
Der folgende Überblick der Kapitel zeigt den groben Verlauf und die
Hauptstationen derliterarischen Kutschfahrt: Capita I – II: Französisch-
deutsche Grenze; Caput III: Aachen; Capita IV – VII: Köln; Capita VIII –
XIII: Westfalen (Mülheim, Hagen, Unna, Paderborn); Capita XIV – XVII:
Exkurs über Kaiser Barbarossa; Caput XVIII: Minden; Caput XIX:
Bückeburg und Hannover; Capita XX – XXVI: Hamburg; Caput XXVII:
Epilog.
Dietatsächliche Hinreise, die nicht „im traurigen Monat November“(Caput I, erste Strophe), sondern bereits im Oktober stattfand und
„welche höchst langweilig und ermüdend war“[9], nahm jedoch den
kürzeren Weg über Brüssel, Münster, Osnabrück und Bremen nach
Hamburg.[10] Erst die Rückfahrt (vom 7. bis 16. Dezember) verlief über
die oben angegebenen Stationen.
Heine verknüpft seine Reisebeschreibung anhand regionaler,
historischer und autobiografischer Fakten mit politischen und
philosophischen Betrachtungen. Dabei stellt der Ich-Erzähler seine
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„illegalen“ Gedanken in den Vordergrund, die er sozusagen versteckt als
„Konterbande“ (Schmuggelgut), wider das Verbot, mit sich führte.
Deutschland. Ein Wintermärchen zeigt Heines bilderreiche poetische
Sprache in enger Verbindung mitsarkastischer Kritik an den Zuständenin seiner Heimat. Der Autor stellt seine liberale gesellschaftliche Vision
dem trüben „Novemberbild“ des reaktionären Heimatlandes gegenüber.
Er kritisiert vor allem den deutschenMilitarismus und reaktionären
Chauvinismus gegenüber den Franzosen, derenRevolution er als
Aufbruch in ein sozialeres Europa versteht. Er bewundert Napoleon als
Vollender der Revolution und Verwirklicher der Freiheit. Sich selbst sieht
er nicht als Feind Deutschlands, sondern als patriotischen Kritiker aus
Vaterlandsliebe:Pflanzt die schwarz-rot-goldne Fahne auf die Höhe desdeutschen Gedankens, macht sie zur Standarte des freienMenschtums, und ich will mein bestes Herzblut für sie hingeben.
Beruhigt euch, ich liebe das Vaterland eben so sehr wie ihr.[11]
Zu den einzelnen Kapiteln[Bearbeiten]
Caput I: Nach dreizehn Jahren im Exil steht H.[12] nicht ohne Rührung,
zum ersten Mal wieder an der deutschen Grenze und fühlt sichwie
durch Zaubersäfte wunderbar erstarkt. Angesichts eines kleinenHarfenmädchens, dasmit wahrem Gefühl und falscher Stimme die alte
Leier vomirdischen Jammertal singt, verspricht er seinen deutschen
Freunden (mit dem nun folgenden Versepos) einneues Lied, besseres
Lied:Wir wollen hier auf Erden schon / Das Himmelreich errichten.
Caput II: Bevor H., voller Euphorie, im Gepäck nurHemden, Hosen und
Schnupftücher, doch im Kopfein zwitscherndes Vogelnest / Von
konfiszierlichen Büchern, deutschen Boden betreten kann, wird sein
Gepäck von den preußischen Zöllnernvisitieret undbeschnüffelt:IhrToren, die Ihr im Koffer sucht! / Hier werdet Ihr nichts entdecken! / Die
Contrebande, die mit mir reist, / Die hab ich im Kopfe stecken.
Caput III: Imlangweiligen Nest Aachen begegnet H. erstmals wieder
preußischen Soldaten:Noch immer das hölzern pedantische Volk, /Noch immer ein rechter Winkel / In jeder Bewegung, und im Gesicht /
Der eingefrorene Dünkel. H. lästert über deren Schnurrbärte (Der Zopf,
der ehmals hinten hing, / Der hängt jetzt unter der Nase) und macht sich
ironisch lustig über den Helm, die Pickelhaube:Ein königlicher Einfall
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wars! / Es fehlt nicht die Pointe, die Spitze! / Nur fürcht ich, wenn ein
Gewitter entsteht, / Zieht leicht so eine Spitze / Herab auf Euer
romantisches Haupt / Des Himmels modernste Blitze!
Der unfertige Kölner Domzur Zeit Heinrich Heines
Caput IV: Auf der Weiterreise nachKöln spottet H. über die
anachronistische deutsche Gesellschaft, die lieber rückwärtsgewandt
den seit demMittelalter unvollendetenKölner Dom fertig baue, als sich
der neuen Zeit zu stellen. Dass die Arbeiten an dem mittelalterlichen
Bauwerk im Zuge derReformation eingestellt wurden, bedeutet für den
Dichter den eigentlichen Fortschritt: Die Überwindung des traditionellen
Denkens und das Ende der geistigen Unmündigkeit. H. ersetzte in derSeperatausgabe die letzte Strophe aus der Edition Neue Gedichte
durch fünf neue, in denen er Kritik an derHeiligen Allianz übte.
Caput V: H. trifft auf denRhein, alsVater Rhein deutsche Ikone und
deutscher Erinnerungsort. Der Flussgott zeigt sich aber als
unzufriedener alter Mann, des deutschtümelnden Geschwätzes
überdrüssig. Er sehnt sich nach den fröhlichen Franzosen zurück,
fürchtet jedoch deren Persiflage wegenNikolaus Beckers politisch
kompromittierendenRheinlieds, das den Fluss als reine Jungfrau
darstelle, die sich ihren Jungfernkranz nicht rauben lassen wolle. Doch
da kann ihn H. beruhigen: Die Franzosen seien inzwischen noch ärgere
Philister geworden als die Deutschen.Sie singen nicht mehr, sie
springen nicht mehr und tränken jetzt Bier und läsenFichte undKant.
Caput VI: H. bringt die Überzeugung zum Ausdruck, dass einmal
gedachte Gedanken nicht wieder verloren gehen können und
revolutionäre Ideen sich auf Dauer auch in der Realität durchsetzen. Alsausführendes Organ seiner revolutionären Gedanken lässt H. einen
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Dämon auftreten, der wie einLiktor ein Beil vor sich hertrage und ihm
schon lange als schattenhafter Begleiter folge, immer präsent und auf
ein Zeichen wartend, um das Urteil des Dichters sofort zu vollstrecken:
„Ich bin die Tat von deinem Gedanken.“
Caput VII: H. träumt von einer Exekution. Gefolgt von seinemstummen
Begleiter wandert H. durch Köln. Zuletzt erreicht er den Dom mit seinem
Dreikönigenschrein und zerschmettert die armen Skelette des
Aberglaubens. Die Heiligen Drei Könige können dabei als Anspielung
auf die reaktionäreHeilige Allianz der Großmächte Preußen, Österreich
und Russland gesehen werden.
Caput VIII: H. fährt mit der Kutsche über denPostkurs von Köln nach
Hagen. Die Reise führt zunächst durch Mülheim (jetztKöln-Mülheim),das in H. seine frühere Begeisterung fürNapoléon Bonaparte in
Erinnerung ruft. Dessen Umgestaltung Europas hatte auch in H. die
Hoffnung auf Vollendung der Freiheit wachgerufen.
Hermannsdenkmal bei Detmold
Caput IX: InHagen genießt H. diealtgermanische Küche mit
Sauerkraut, Kastanien, Grünkohl, Stockfischen, Bücklingen und
Würsten, gewürzt mit satirischen Spitzen gegen metaphorische
Schweinsköpfe -Noch immer schmückt man den Schweinen bei uns /
Mit Lorbeerblättern den Rüssel[13] - und eine allzu fromme Gans:Sie
blickte mich an so bedeutungsvoll, / So innig, so treu, so wehe! / Besaß
eine schöne Seele gewiß, / Doch war das Fleisch sehr zähe.[14]
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Caput X: H. singt ein gutmütiges Loblied aufdie lieben, guten
Westfalen[15]:Sie fechten gut, sie trinken gut, / Und wenn sie die Hand
dir reichen / Zum Freundschaftsbündnis, dann weinen sie; / Sindsentimentale Eichen.
Caput XI: H. reist durch denTeutoburger Wald. InDetmold sammelt
man Geld für den gerade begonnenen Bau desHermannsdenkmals.
Auch H. spendet und phantasiert darüber, was wohl geschehen wäre,
wenn der CheruskerArminius die Römer nicht besiegt hätte: Römische
Kultur hätte das deutsche Geistesleben durchdrungen, und stattdrei
Dutzend Landesväter[n] gäbe es jetzt wenigstens einen richtigen Nero.
Das Caput ist – verdeckt – auch eine Attacke auf die Kulturpolitik des
‚Romantikers auf dem Thron‘, Friedrich Wilhelm IV.; denn fast alle indiesem Zusammenhang genannten Persönlichkeiten (z. B. Raumer,
Hengstenberg;Birch-Pfeiffer,Schelling,Maßmann,Cornelius)
residieren in Berlin.
Caput XII: Als im Teutoburger Wald auf mitternächtlicher Fahrt die
Kutsche plötzlich ein Rad verliert und eine Reparaturpause eingelegt
werden muss, hält H. den ringsum hungrig heulenden Wölfen eine
persiflierende Dankesrede.
Caput XIII: BeiPaderborn erscheint dem reisenden im Morgennebel ein
Kruzifix. Christus, der „arme jüdische Vetter“ hatte weniger Glück als H.,
den eine liebevolle Zensur bisher vor einer Kreuzigung bewahrt hat.
Kaiser Barbarossa
am Fuße des Kyffhäuserdenkmals
Caput XIV: H. erinnert sich an seine alte Amme, die ihm von traurigen
Märchen und vom KaiserRotbart erzählte, der imKyffhäuser lebe und
mit Ross und Reiter darauf warte, dereinstGermania von ihren Ketten
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zu befreien.
Caput XV: Ein feiner Dauerregen wiegt den Reisenden in den Schlaf. Er
träumt das Ammenmärchen von Barbarossa weiter. Doch da präsentiert
sich der mythische Kaiser nicht mehr als mutiger Haudegen, sondernals seniler Greis, der stolz darauf ist, dass seine Fahne noch nicht von
den Motten gefressen worden ist, sich aber ansonsten kaum um
Deutschlands innere Not bekümmert. Da es ihm ohnehin noch an einer
ausreichenden Anzahl von Schlachtrossen fehlt, lässt er sich Zeit mit
dem Befreiungsschlag und vertröste H. mit den Worten:Wer heute nichtkommt, kommt morgen gewiß, / Nur langsam wächst die Eiche, / Und
chi va piano, va sano[16], so heißt / Das Sprüchwort im römischen
Reiche.Caput XVI: H. informiert den Kaiser darüber, dass zwischen Mittelalter
und Neuzeit, zwischen Barbarossa und 1843 dieGuillotine für die
Abschaffung manch gekrönter Häupter sorgte. Der Kaiser ist empört,
spricht vonHochverrat undMajestätsverbrechen und verbietet H.
weitere respektlose Reden. Doch der lässt sich nicht einschüchtern:
Das beste wäre, du bliebest zu Haus / Hier in dem alten Kyffhäuser - /
Bedenk ich die Sache ganz genau, / So brauchen wir gar keine Kaiser.
Caput XVII: Wieder aus seinem Schlummer erwacht, bereut H. seinen
Streit mit Kaiser Rotbart. Er bittet ihn im Stillen um Verzeihung und fleht
ihn an, dasalte heilige römische Reich wiederherzustellen, denn dessen
modriger Plunder undFirlefanze sei allemal noch besser als das jetzige
politische Zwitterwesen, dasweder Fleisch noch Fisch sei.
Caput XVIII: In der bedrohlichen preußischen FestungMinden fühlt sich
H. ähnlich gefangen wie damals Odysseus in der Höhle des einäugigen
Riesen Polyphem. Das Essen und das Bett sind so schlecht, dass erunruhig schläft und davon albträumt, wie Prometheus an einen Felsen
gekettet zu sein und vom preußischen Adler die Leber herausgehackt
zu bekommen.
Caput XIX: Nach einem Besuch des Geburtshauses seines Großvaters
inBückeburg reist H. weiter nachHannover, wo sich König Ernst
August, bestens geschützt durch die Feigheit seiner Untertanen, zu
Tode langweilt und sich, an das freiere großbritanische [sic] Leben
gewöhnt, am liebsten selbst erhängen möchte.[17]
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Caput XX: H. ist am Ziel seiner Reise. InHamburg quartiert er sich bei
seiner Mutter ein. Diese bringt sogleich ein deftiges Essen auf den
Tisch und stellt ihm, typisch Mutter,mitunter verfängliche Fragen:
Versteht deine Frau die Haushaltung? (...) Welchem Volk wirst du den
Vorzug geben? (...) Zu welcher Partei gehörst du mit Überzeugung? Der
Sohn jedoch gibt nur ausweichende Antwort:Der Fisch ist gut, lieb
Mütterlein, / Doch muss man ihn schweigend verzehren; / Man kriegt so
leicht eine Grät in den Hals, / Du darfst mich jetzt nicht stören.
Caput XXI: H. tut sich in Hamburg schwer, die alten Stätten seiner
Jugendzeit wiederzufinden, da die halbe Stadt vor kurzem einem Brand
zum Opfer gefallen ist. Man hat jedoch reichlich Schadenersatz
eingestrichen. Umso höhnischer mokiert er sich über das heuchlerischeSelbstmitleid der Hanseaten.
Mosaik der Hammonia
am Portal des Hamburger Rathauses
Caput XXII: H. blickt nostalgisch zurück. Die Zeiten haben sich
verändert. Die Hamburger erscheinen ihmwie wandelnde Ruinen und
viele seiner ehemaligen Bekannten sind alt geworden oder schon nicht
mehr da.
Caput XXIII: H. singt ein Loblied aufs gute Essen und Trinken - und
seinen Verleger Campe, der ihn zu beidem einlädt. In weinseliger
Stimmung erscheint ihmHammonia, Hamburgs Schutzheilige, die ihn
mit auf ihrKämmerlein nimmt.
Caput XXIV: Hammonia offenbart H., dass er nach dem Tode
Klopstocks ihr Lieblingsdichter sei, und erkundigt sich nach den
Gründen für Heines Reise. Der gesteht ihr, seineKrankheit undWunde
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seien sein Heimweh und seine Vaterlandsliebe:Die sonst so leichte
französische Luft, / Sie fing an mich zu drücken; / Ich mußte Atem
schöpfen hier / In Deutschland, um nicht zu ersticken.
Caput XXV: Die Göttin verspricht, ihrem Besucher das zukünftigeDeutschland zu zeigen, wenn er zu schweigen gelobe. An Stelle eines
Eides verlangt sie zur Besiegelung einen frivolen Liebesdienst:Heb auf
das Gewand und lege die Hand / Hier unten an meine Hüften, / Und
schwöre mir Verschwiegenheit / In Reden und in Schriften!
Caput XXVI: Mit glühenden Wangen zeigt Hammonia H. ihren
Zauberkessel, der sich als Nachttopf Karls der Großen entpuppt und
dessen Gestank derdeutsche Zukunftsduft sei. Hastig schließt die
verliebte Göttin den Deckel und gibt sich dem Poeten in einem Rauschwilder Ekstase hin, die den Genius des Dichters zu neuen
schöpferischen Visionen begeistert. Kein Wunder, dass an dieser Stelle
der Zensor einschreitet und der Leser über alles Weitere unaufgeklärt
bleibt.
Caput XXVII: Zum Ende seines Wintermärchen entwirft H. ein
optimistisches Bild zukünftiger Leser-Generationen: Das alte
Geschlecht der Heuchelei wird verschwinden, denn schonknospet die
Jugend, welche versteht / Des Dichters Stolz und Güte, / Und sich an
seinem Herzen wärmt, / An seinem Sonnengemüte. - Mit den letzten
Strophen stellt sich Heine in die Tradition vonAristophanes undDante
und spricht dann den König von Preußen direkt an:Beleid’ge lebendige
Dichter nicht, / Sie haben Flammen und Waffen, / Die furchtbarer sind
als Jovis Blitz, / Den ja der Poet erschaffen. Mit der Androhung der
ewigen Verdammnis des Königs schließt das Epos.
Form[Bearbeiten]Das Werk besteht, neben einemVorwort[18] und einemNachtrag[19],
aus 27 „Kapiteln“ (Capita I – XXVII) mit mehr als 500 Strophen, die in je
vier Verse aufgeteilt sind und Ähnlichkeit mit der sogenannten
Nibelungenstrophe haben. Der erste und dritte Vers jeder Strophe
weisen je vier Hebungen auf, der zweite und vierte je drei. DasMetrum
wird überwiegend vonJamben bestimmt. Die Zahl der unbetonten
Senkungen variiert jedoch (wie es typisch fürVolkslieder ist), sodassder Rhythmus des Epos häufig vomAnapäst mitgeprägt wird und so
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freier undprosa-ähnlicher wirkt. Auch das Reimschema ist einfach –
Vers 2 und 4 sind durch einenKreuzreim verbunden, Vers 1 und 3
reimlos. Nach demselben Schema verteilen sich dieKadenzen: die
Zeilen 1 und 3 klingen immer männlich aus, die Zeilen 2 und 4 immer
weiblich.
Rezeption[Bearbeiten]
Heines Versepos war bis in unsere Zeit hinein in Deutschland sehr
umstritten. Vor allem im Jahrhundert seiner Entstehung betrachtete man
das Werk als „Schmähschrift“ eines heimatlosen „Vaterlandsverräters“,
Miesmachers und Schandmauls. Diese Sichtweise vonDeutschland.
Ein Wintermärchen fand sich später besonders in der Zeit desNationalsozialismus, die Heine als „jüdischen Nestbeschmutzer“ sah
und verbannte, bis ins dümmlich Groteske übersteigert.
Die moderne Zeit sieht in Heines Werk – möglicherweise aufgrund
eines entspannteren Verhältnisses zu Nationalismus und
Deutschtümelei vor dem Hintergrund der europäischen Integration – ein
bedeutendes politisches Gedicht in deutscher Sprache, souverän in
Witz, Bildwahl und Sprache.
Ein Großteil des Reizes, den das Versepos heute ausübt, liegt darin
begründet, dass seine Botschaft nicht eindimensional, sondern
vieldeutig die Gegensätze in Heines Denken engagiert zum Ausdruck
bringt. Der Dichter zeigt sich als Mensch, der seine Heimat liebt und als
kreativen Kontrast zum leichtlebigen Frankreich sucht. So wie der Riese
Antäus (Caput I, letzte Strophe) den Kontakt zur Erde braucht, so
schöpft auch Heine seine Kraft und Gedankenfülle aus dem Kontakt
zum Heimatland.
Exemplarisch wird hier der Bruch sichtbar, den dieJulirevolution für das
intellektuelle Deutschland bedeutete: Der frische Wind der Freiheit
erstickt in den reaktionären Bestrebungen derRestauration, der schon
eingetretene „Frühling“ weicht einer neuen Frostperiode der Zensur,
Unterdrückung, Verfolgung und Exilierung; der Traum von einem
demokratischen Deutschland ist auf ein ganzes Jahrhundert hinaus
ausgeträumt.
Deutschland. Ein Wintermärchen markiert einen Höhepunkt der
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politischen Dichtung desVormärz. Es istein Bekenntnis zur
Lebensfreude und Gegenwärtigkeit in Gleichheit und Freiheit, bloßes
Amüsement jedoch wäre eineunangemessene Reaktion, weil sie den
aufklärerischen Ernst Heines verkennt.[20] War das Werk jahrzehntelang
als antideutsches Pamphlet des „Wahlfranzosen“ Heine verpönt, so gilt
es heute als bewegendes lyrisches - und teilweise visionäres - Zeugnis
des Exilanten und Emigranten Heinrich Heine, in dem er nicht zuletzt
den Untergang Preußens durch dessen Militarismus vorausahnt. Es hat
im Laufe der Jahrhunderte über zwanzig Nachahmer gefunden, der
bekannteste darunterWolf Biermann, der 1972 das Motiv der
Wintermärchen-Reise auf seine Ausweisung aus der DDR und seine
Übersiedlung in die BRD, ebenfalls nach Hamburg, übertrug.
Dem deutschen RegisseurSönke Wortmann diente der Titel 2006 als
Vorbild für seinen DokumentarfilmDeutschland. Ein Sommermärchen.
Katja Riemann verknüpfte Auszüge ausDeutschland. Ein
Wintermärchen mit Liedern aus dem ZyklusDie Winterreise zuWinter.
Ein Roadmovie, das bei denRuhrfestspielen 2012 uraufgeführt wurde.