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Die Rote Austernförmige Schildlaus am Oberrhein Leitfaden II Bedeutung, Verbreitung und Bekämpfung Foto: Dahlbender, DLR Rheinpfalz Bedeutung Die Rote Austernschildlaus wird in der Mitte bzw. im Süden Deutschlands und vorallem am Oberrhein mittlerweile in vielen Zwetschen- und Mirabellenanlagen und zum Teil auch in verschiedenen Birnenanlagen festgestellt. Im Elsaß gab es 2010 einen Fund in einer jungen Mirabellenanlage. Regelmäßige Beo- bachtungen in 2016 und 2017 haben bisher keine weiteren positiven Funde im Elsaß ergeben. Auch aus der Nordschweiz werden bislang keine Funde gemeldet. Starker Befall führt zum Absterben von Zweigen bzw. ganzen Bäumen, zu reduziertem Wachstum und zu Gummifluss. An Apfel, Kirsche und Strauchbeeren wurde bislang am Oberrhein noch kein Befall festge- stellt.

Die Rote Austernförmige Schildlaus am Oberrhein

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Page 1: Die Rote Austernförmige Schildlaus am Oberrhein

Die Rote Austernförmige Schildlaus am Oberrhein

Leitfaden II

Bedeutung, Verbreitung und Bekämpfung

Foto: Dahlbender, DLR Rheinpfalz

Bedeutung

Die Rote Austernschildlaus wird in der Mitte bzw. im Süden Deutschlands und vorallem am Oberrhein mittlerweile in vielen Zwetschen- und Mirabellenanlagen und zum Teil auch in verschiedenen Birnenanlagen festgestellt. Im Elsaß gab es 2010 einen Fund in einer jungen Mirabellenanlage. Regelmäßige Beo-bachtungen in 2016 und 2017 haben bisher keine weiteren positiven Funde im Elsaß ergeben. Auch aus der Nordschweiz werden bislang keine Funde gemeldet. Starker Befall führt zum Absterben von Zweigen bzw. ganzen Bäumen, zu reduziertem Wachstum und zu Gummifluss. An Apfel, Kirsche und Strauchbeeren wurde bislang am Oberrhein noch kein Befall festge-stellt.

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Foto: Wahl, DLR Rheinpfalz Foto: Dahlbender, DLR Rheinpfalz

Verbreitung

In 2008 wurde diese invasive Schildlausart erstmals an Mirabellen im Oberrheingraben (Pfalz und Rheinhessen) nachgewiesen, später dann auch zunehmend in den badischen Anbaugebieten . Seit 2010 tritt sie in diesen Anbauregionen zunehmend auch an Zwetschen (Cacaks, Presenta) auf. Seit 2015 findet man zudem Befall an Birnen (Williams, Concorde). Mittlerweile hat sie sich im gesamten Rheingraben mit seinem warmen Weinbauklima ausgebreitet, allerdings noch nicht auf der französischen Seite (nur ein Fund) und nicht in der Nordschweiz.

Es ist davon auszugehen, dass auch bei der Roten Austernschildlaus die Verbreitung in Obstanlagen und grösseren Arealen hauptsächlich über die Windverfrachtung der Wanderlarven erfolgt.

Nach unseren Erfahrungen an Birnen schreitet sie jedoch nicht so schnell voran wie bei der Maul-beerschildlaus.

Foto: Dahlbender, DLR Rheinpfalz

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In Abbildung 1 sind die bisherigen Nachweise (in rot) der Roten Austernschildlaus im Oberrheingraben dargestellt. Diese Verbreitungskarte wird permanent bei Auftreten neuer Funde aktualisiert und ist u.a. über www.dlr.rlp.de (siehe Hinweis auf letzter Seite) abrufbar.

Die grünen Punke zeigen Fundorte an, wo biologische Gegenspieler wie z.B. Schlupfwespen, Gallmücken und Marienkäfer nachgewiesen wurden.

Abb. 1: Nachweise von Roter Austernschildlaus und natürlichen Gegenspielern im Oberrheingraben (Stand: Nov. 2017)

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Bekämpfung Die Bekämpfung der Roten Austernschildlaus gestaltet sich wie bei der Maulbeerschildlaus als sehr schwierig, da die adulten weiblichen Schildläuse versteckt unter der verkrusteten Rinde leben.

Infolge dieser versteckten Lebensweise sind sie sehr gut vor Insektiziden geschützt, so dass andere nicht chemische Massnahmen bei der Bekämpfung im Vordergrund stehen. Von großer Bedeutung ist dabei das rechtzeitige Erkennen des Befalls (Hinweise dazu siehe Leitfaden I).

Versteckte Lebensweise der Weibchen unter der Rinde erschwert die Bekämpfung Foto: Harzer, DLR Rheinpfalz

1. Abstrahlen der Bäume

Die mechanische Beseitigung des Schildlausbefalls durch das Abstrahlen der Bäume (siehe Maulbeer-schildlaus) wurde noch nicht getestet. Es ist aber davon auszugehen, dass diese Massnahme nicht so effektiv ist wie bei der Maulbeerschildlaus. Während die Weibchen bei der Maulbeerschildlaus größtenteils unter den männlichen Schilden aber auf der Rinde sitzen, leben die weiblichen Läuse der Roten Austernschildlaus versteckt unter der Rinde und sind daher vermutlich vom Wasserstrahl nicht erreichbar.

2. Abschneiden und Roden Die wichtigste Gegenmassnahmne ist zweifelsfrei das Roden stark befallener Bäume und das Weg-schneiden befallener Äste und Zweige.

Dieses mechanische Beseitigen und Verbrennen von Befallsmaterial wird nach wie vor vorrangig empfohlen.

Da befallene Bäume und Sträucher als wichtige Infektionsquellen dienen und sich die Schildlaus von diesen aus im Bestand ausbreiten kann, sollten Sanierungsmassnahmen sofort nach Erkennen des Befalls durchgeführt werden. Insbesondere vor der Schlupfperiode der Crawler (ab Mitte Mai) sollte starker Befall ausgeräumt sein.

Page 5: Die Rote Austernförmige Schildlaus am Oberrhein

Fotos: Wahl, DLR Rheinpfalz

3. Ausnutzung und Förderung natürlicher Gegenspieler

Im Rahmen des Projekts ‚InvaProtect‘ wird seit 2016 am DLR Rheinpfalz in Zusammenarbeit mit dem Landwirtschaftlichen Technologiezentrum (LTZ) Augustenberg nach natürlich vorkommenden Gegen-spielern der Roten Austernschildlaus am Oberrhein gesucht.

In Schildlausproben aus der Pfalz und aus Rhein-hessen (Birne, Zwetsche, Mirabelle) konnten vorallem Aphytis-Arten gefunden werden, die noch näher bestimmt werden müssen (H. Rauleder, LTZ Augustenberg). Ähnliche Funde gab es auch aus dem gesamten badischen Anbaugebiet.

In Einzelproben wurden zusätzlich gefunden (H. Rauleder, LTZ Augustenberg):

- Thomsonisca amathus (Chalcidoidae)

- Metaphicus insidiosus (Chalcidoidae)

- Lestodiplosis diaspidis (räuberische Gallmücke)

Die ermittelten Parasitierungsraten lagen z.B. bei den Rheinland-Pfälzischen Proben zwischen 1,2 und 8,7 % (H. Rauleder, LTZ Augustenberg) und sind damit nicht so hoch wie bei der Maulbeerschildlaus. Eventuell spielt hier die versteckte Lebensweise der Schildläuse unter der verkrusteten Rinde eine Rolle.

Aphytis diaspidis (Quelle: Internet, Zastita bilja u ratarstvu)

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Zur Förderung der natürlichen Gegenspieler und zum Erhalt vorhandener Nützlingspopulationen wird empfohlen, geschnittenes Befallsmaterial (Zweige, Äste) unter den Bäumen zu belassen und nicht zu mulchen. Damit ist gewährleistet, dass von diesem Befallsmaterial ausgehend eine Wiederbesiedlung z.B. durch parasitische Wespen und räuberische Gallmückenarten auf die Bäume gesichert ist.

Erste Versuche am LTZ Augustenberg bei der Maulbeerschildlaus haben gezeigt, dass es desweiteren sinnvoll ist, Nützlingspopulationen auch aktiv in befallenen Anlagen auszusetzen, um die Parasitierungs-leistung zu erhöhen.

Durch die Ausnutzung natürlicher Gegenspieler können erfahrungsgemäss nach ca. 4 - 5 Jahren Schildlaus-populationen zusammenbrechen. Eingriffe in die Artenvielfalt und Ökosysteme des Oberrheingrabens durch den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel kann damit vermieden werden und so zum Erhalt der Schutzräume beitragen.

4. Chemische Insektizide

Chemische Insektizide sollten nur in Ausnahmenfällen zum Einsatz kommen, wenn andere Massnahmen nicht ausreichend wirksam sind. Dabei ist darauf zu achten, dass die Bekämpfung gezielt nur auf die empfindlichsten Stadien ausgerichtet ist. Dies bedarf einer genauen Überwachung der Anlagen und der phänologischen Entwicklung der Schildlaus (siehe Leitfaden I).

Nur bei gezieltem Einsatz nützlingsschonender Insektizide wie z.B. Movento (Spirotetramat) sind nachhaltige negative Auswirkungen auf die Naturräume auszuschließen. Dies sollte unbedingt beachtet werden.

Versuche am DLR Rheinpfalz in Oppenheim mit verschiedenen chemischen Insektiziden - appliziert auf die adulten Tiere - haben gezeigt, dass die männlichen Schildläuse zwar zum größten Teil absterben, die weiblichen Tiere allerdings die Insektizidbehandlungen weitestgehend überleben, so dass eine dauerhafte Regulierung des Befalls nicht möglich ist.

Am empfindlichsten gegenüber chemischen Insektiziden reagieren die Wanderlarven; allerdings können diese je nach Witterung über mehrere Wochen schlüpfen und umherwandern. Zudem liegt der Bekäm-pfungszeitraum von Mitte Mai bis Ende Juli in der Regel im rückstandsrelevanten Bereich (siehe Abb. 2).

Versuche am DLR Rheinpfalz in Oppenheim gegen die Wanderlarven der Schildlaus haben gezeigt, dass Spirotetramat eine gute Wirkung auf die Larven dieser schwer bekämpfbaren invasive Art hat.

Rückstandsrelevanter Bereich

Abb. 2: Entwicklungszyklus Rote Austernschildlaus (modifiziert nach Dahlbender)

Jan. Feb. März April Mai Juni Juli August Sept. Okt. Nov. Dez.

Winter Frühjahr Sommer Herbst Winter

Entwicklungszyklus: Rote Austernschildlaus (Epidiaspis leperii) (Quelle: Douglass R. Miller et. all.)

Wanderlarve

Eibildung

Ungefl. Männchen

Entwicklung Weibchen

ausgewachsenes Weibchen überwintert

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Andere sowohl in der Schweiz, Frankreich und in Deutschland zugelassene Insektizide mit einer Nebenwirkung auf Napfschildläuse wie z.B. Confidor (Imidacloprid), Calypso (Thiacloprid) oder Envidor (Spirodiclofen) haben in diesen Versuchen nicht ausreichend gewirkt.

Diese Publikation wurde im Rahmen des Projektes InvaProtect „Nachhaltiger Pflanzenschutz gegen

invasive Schaderreger im Obst- und Weinbau“ veröffentlicht.

Weitere Informationen erhalten Sie über www.dlr.rlp.de, nach dem Erscheinen der Startseite gehen Sie über ‚Direkt zu‘ auf ‚InvaProtect‘

IMPRESSUM Herausgeber:

• Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinpfalz, Breitenweg 71, 67435 Neustadt a. d. Weinstraße, Tel: 06321/671-0, Fax: 06321/671-390, E-Mail: [email protected], www.dlr-rheinpfalz.rlp.de

• Landwirtschaftliches Technologiezentrum Augustenberg (LTZ), Neßlerstr. 25, 76227 Karlsruhe, Tel.: 0721/9468-0, Fax: 0721/9468-209, E-Mail: [email protected], www.ltz-augustenberg.de

• FREDON Alsace (Fédération Régionale de Défense contre les Organismes Nuisibles), 12 rue Galliéni, 67600 Selestat, Tel.: 0388821807, E-Mail: [email protected]

Redaktion: U. Harzer, W. Dahlbender, J. Sauter (DLR), H. Rauleder, O. Zimmermann (LTZ), S. Frey (FREDON Alsace)