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Aus der Bundesstaatlichen ImpfstoffgewinnungsanstMt, und dem Bundesstaatlichen Serumpriifungsinstitut Wien (Vorstand: M. KAISm~). Die subcutane Blatternschutzimpfung mit standardisierten Impfsto~fen *. Von M. I~AISFR. Der Frunzose Ctt~,IYVEAU hat bereits in den Jahren 1866--1877 im groJ3en Stil Versuche unternomlnen, durch subcutane Injektion yon Vaccine Pferde und Rinder gegen Poeken zu immunisieren. Er hat dalnals auch 6 Kinder auf diese Weise zu schiitzen versucht. Seine Versuche sind yon versehiedenen Autoren mit verschiedenem Ergebnis naehgeprfift worden. In den J~hren 1906--1908 haben die ()sterreieher W. K~6~FEL- ~ACgER und G. NOB~L die praktische Verwertung dieser Impfmethode ffir die Pockenprophylaxe ausgearbeitet und empfohlen. ' Ein durchsehlagender :Erfolg ist ihnen, aus heute sehr begreiflichen Griinden, versagt geblieben, weil die yon ihnen beniitzten Lymphen, die aus der Wiener Staatsimpfanstalt bezogen ~rden, zwei Fehler h~tten. Erstens waren sie nieht frei yon lebenden Bakterien, zweitens waren die yon den Autoren selbst angefertigten Lympheverdiinnungen yon so verschiedenartiger Wertigkeit, daI] den mit ihnen ausgeffihrten Versuchen ein ~4ssensehaftlicher Wert gar nicht beigemessen werden konnte. Dieser zweite Vorwurf gilt iibrigens fiir sehr viele andere Ver- suche mit Vaccinavirus, sofern nicht entweder ein standardisierter Impfstoff verwendet oder die vorhandenen M~ingel in ganz groBen Ver- suehsserien gewisserma~en ausgebfigelt werden. Auf diesem Gebiete verfiigt die Wiener Staatsimpfanstalt fiber eine groBe Erfahrung, weil in den dreiBiger ~[ahren fiber tausend Grol~tiele (Kfihe) unter versehiedenen Verh~ltnissen geimpft werden konnten. "Das Ergebnis dieser Impfungen, die teils cutan, tells subcutan er- folgten, bestand im wesentliehen in einer Best~tigung der li~ngst be- kannten, aber bei Nachpriifungen meist zu wenig gewiirdigten Tatsache, dal~ jede Immuniti~t durch eine Nachimpfung mit einer wirksameren Lymlohe durehbroehen werden kann. Man kann also auch bei Naeh- prfifungen am gleichen Tage versehiedenc Ergebnisse erzielen, ~'enn man verschiedcn wirksame Lymphen benfitzt. Auf den Mensehen fibertragen diirfen bier wohl die Ergebnisse zitiert werden, die der ,lalJaner HIDETAI~E YAOI aus den Arbeiten seiner Kollegen IGUCHI * Herrn Prof. Dr.H. SCtrLOSSBER(~ER zum 60. Geburtstag gewidmet. Zeitschr. f. Hygiene. Bd. 128. 1

Die subcutane Blatternschutzimpfung mit standardisierten Impfstoffen

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Page 1: Die subcutane Blatternschutzimpfung mit standardisierten Impfstoffen

Aus der Bundesstaatlichen ImpfstoffgewinnungsanstMt, und dem Bundesstaatlichen Serumpriifungsinstitut Wien (Vorstand: M. KAISm~).

Die subcutane Blatternschutzimpfung mit standardisierten Impfsto~fen *.

Von M. I~AISFR.

Der Frunzose Ctt~,IYVEAU hat bereits in den Jahren 1866--1877 im groJ3en Stil Versuche unternomlnen, durch subcutane Injektion yon Vaccine Pferde und Rinder gegen Poeken zu immunisieren. Er hat dalnals auch 6 Kinder auf diese Weise zu schiitzen versucht.

Seine Versuche sind yon versehiedenen Autoren mit verschiedenem Ergebnis naehgeprfift worden.

In den J~hren 1906--1908 haben die ()sterreieher W. K~6~FEL- ~ACgER und G. NOB~L die praktische Verwertung dieser Impfmethode ffir d i e Pockenprophylaxe ausgearbeitet und empfohlen. '

Ein durchsehlagender :Erfolg ist ihnen, aus heute sehr begreiflichen Griinden, versagt geblieben, weil die yon ihnen beniitzten Lymphen, die aus der Wiener Staatsimpfanstalt bezogen ~ r d e n , zwei Fehler h~tten. Erstens waren sie nieht frei yon lebenden Bakterien, zweitens waren die yon den Autoren selbst angefertigten Lympheverdiinnungen yon so verschiedenartiger Wertigkeit, daI] den mit ihnen ausgeffihrten Versuchen ein ~4ssensehaftlicher Wert gar nicht beigemessen werden konnte. Dieser zweite Vorwurf gilt iibrigens fiir sehr viele andere Ver- suche mit Vaccinavirus, sofern nicht entweder ein standardisierter Impfstoff verwendet oder die vorhandenen M~ingel in ganz groBen Ver- suehsserien gewisserma~en ausgebfigelt werden.

Auf diesem Gebiete verfiigt die Wiener Staatsimpfanstalt fiber eine groBe Erfahrung, weil in den dreiBiger ~[ahren fiber tausend Grol~tiele (Kfihe) unter versehiedenen Verh~ltnissen geimpft werden konnten.

" D a s Ergebnis dieser Impfungen, die teils cutan, tells subcutan er- folgten, bestand im wesentliehen in einer Best~tigung der li~ngst be- kannten, aber bei Nachpriifungen meist zu wenig gewiirdigten Tatsache, dal~ jede Immuniti~t durch eine Nachimpfung mit einer wirksameren Lymlohe durehbroehen werden kann. Man kann also auch bei Naeh- prfifungen am gleichen Tage versehiedenc Ergebnisse erzielen, ~'enn man verschiedcn wirksame Lymphen benfitzt. Auf den Mensehen fibertragen diirfen bier wohl die Ergebnisse zitiert werden, die der ,lalJaner HIDETAI~E YAOI aus den Arbeiten seiner Kollegen IGUCHI

* Herrn Prof. Dr.H. SCtrLOSSBER(~ER zum 60. Geburtstag gewidmet. Zeitschr. f. Hygiene. Bd. 128. 1

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und ~h~TAKI anfiilirt, yon denen der eine bei der Nachimpfung ein ffahr nach der percutanen Impfung 25,5 %, naeh zwei Jahren 42 %, der andere Autor nach einem ~ahr 13,6 %, naeh zwei ~ahren 32 %, nach drei ~ahren 46,6%, nach vier Jahren 57,3% und naeh ]~nf ~ahren 51,1% yon ,,take", also Pusteln verzeichnen konnte .

Diese Zahlen betreffen nicht einige wenige Impflinge, sondern in der Statistik yon Ioucm z. B. 4551 Personen in den Altersgruppen yon 2---18 ~ahren. ~3~oer den Titer der verwendeten Impfstoffe haben die Autoren leider keine Angaben gemaeht.

Zu derartigen Versuchen gibt es in unseren Gegenden gar keine Gelegenheit , wir k6nnen also dazu nicht Stellung nehmen und miissen uns auf die Ergebnisse der Revaeeinationspriifungen beschr/~nken, wie sie auf breiter Basis, z. B. in Berlin, Hamburg und Mfinchen, 10 ;Iahre naeh der Erstimpfung durchgefiihrt wurden.

Auf den engeren Gegenstand des zu besprechenden Themas kommend, daft also hervorgehoben werden, dab bei der tJ~berpriifung der Immunit/it auf die Wirksamkeit der zur Impfung und Wieder- impfung angewendeten Impfstoffe unbedingt Riieksieht zu nehmen ist.

Diese Prdimisse gilt natiirlich in erster Linie, wenn eine neue Methode de r lmmunisierung gegen Blattern empfohlen werden sell.

Sie ist nicht erfiillbar, solange wir nicht mit standardisierten Impf- stoffen oder, riehtiger gesagt, mit Impfstoffen yon mSglichst haltbarer und gleicher Wirksamkeit arbeiten.

Dieses Ziel ist erst erreieht worden durch die noch zu be.~hreibenden Troekenimpfstoffe.

Mit ihnen konnten also Versuche fiber die subcutane Impfung wieder aufgen0mmen werden.

~ber tastende Versuche ist in verschiedenen 5sterreichischen Zeit- schriften beriehtet worden.

In gerlngerem MaBstabe konnten erstuialig im Jahre 1937 Versuche an 2000 Rekruten vorgenommenwerden, well hier Impflinge h6tierer Altersjahrggnge und eine Anzahl yon erwachsenen Erstimp]lingen geprfift werdeli konnten, deren Reaktion besonderes Interesse erweeken muBte. Der dazu verwendete Trockenimpfstoff hatte einen Titer yon 1:3200. Verabreieht wurden den drei gew/~hlten Gruppen und zwar den Erstimpflingen 0,1 ecru, wie sie far Sauglinge gebraueht wurden, eine zweite Gruppe erhielt 0,2 ecm, und eine dritte 0,3 ecru, als es sich herausgestellt hatte, dab die Wiederimpflinge diese Dosis ohne Sehaden vertrugen.

Bei Ablesung der Reaktionen wurden auch die vorhandenen Narben verzeichnet, die auf Impfungen in sehr versehiedenem Alter zuriiek- gingeh. Es war interessant festzustellen, ob die Gr6Be der ~qa.~ben yon EinfluB auf das Ergebuis der Impftmgen war.

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Die s u b c u t a n e B l a t t e r n s c h u t z i m p f u n g m i t s S a n d a r d i s i e r t e n I m p f s t o f f e n . 3

Um nicht zu ausfiihrlich zu werden, sol! nur hervorgehoben werden, daft das positive Impfergebnis bei narbenlosen Impflingen 93% be- trug und dab beiNarben yon 500--20002 mm und dariiber in 73--85% positive Reaktionen naeh subcutaner Impfung (Infiltrat, RStung) naehgewiesen werden konnten.

Es zeigten sich also .Wiederimpflingsreaktionen ganz unabh~ngig yon der Narbengruppe.

Teilt man die Impflinge zweier Kasernen in Gruppen nach ihrer NarbengrSl3e ein, so finder man folgende Verhi~ltnisse:

Ohne Narben Narben I Narben Narben Befund Narben 500 m m ~ 500--1000 mm~ 11000--1500mm t 1500--2000 mm~

/ N e g a t i v . . 12 282 190 I 11 3 Positiv . . 73 448 330 [ 23 16

Eine Priifung der Immunit~t auf die erstmalig vorgenommene subcutane Impfung ist uns aus gui~eren Grtinden leider nicht m6glioh gewesen, es war aber immerhin wertvoll feststellen zu kSnnen, dal3 aueh nach der cutanen Erstimpfung so viele kr~ftige Wiederimpfungs- reaktionen aufgetreten sind, wenn subcutan nachgeimpft wurde. Deshalb glaube ich, daB der umgekehrte Schlui3 eine subeutane Impfung wegen aufgetretener positiver cutaner Impfungen als minder- wertig hinzustellen, wissenschaftlich nur schwer zu vertreten ist.

Was nun die Reaktionen im allgemeinen betrifft, so waren bei 38 S~uglingen, die langere Zeit unter st~ndiger Aufsicht standen, die Reaktionen st~rkere als sie z. B. yon GAZLARDO in Madrid oder dem ~apaner YAoI beschrieben wurden. Diese Re~ktionen sind durch drei d e r klassisehen Symptome der Entztindung gekennzeiehnet: Rubor, Tumor, Calor.

Die lokale Reaktion beginnt als R6tung um die Impfstelle etwa am 10. Tag, erreieht ihren H6hepunkt am 14. und blaBt dann allmahlich. yon der Mitre aus beginnend gegen die Peripherie ab, wobei sich um die blaBgelb gefiirbte Mitre als Randr6te ein Halo zu bilden beginnt. Die StSrungen des Allgemeinbefindens dauern auf der t t6he der Reaktion etwa 2---3Tag~e mit seltenen Komplikationen, wie Erbrechen oder vaecinalen polymorphen Erythemen, wie es den Impfungen nach eutaner Impfung des Virus eigentiimlich ist. Das entstandene Infi l t rat bildet sieh ohne irgendwelehe Komplikationen im Laufe yon einigen Woehen zuriiek. In ibm konnte nach 3--18 Woehen p. v. lebendes Virus dureh den Cornealversuch naehgewiesen werden.

Wesentlieh anders waren die Reaktionen, welche auf erstmalig ge- impften Rekmten beobaehtet wurden. 47 Erstimpflinge erhielten eine Dosis yon 0,1 ccm subcutan, so wie sie die S~uglinge erhielten, eines

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Impfstoffes veto Titer 1:3200. Das Ergebnis war beunruhigend 1. Die Reaktionen inaehten den Eindruck yon Phlegmonen. Die Schwellung lind das entstandene tJdem, das den Unterarm keulenfSrmig auftrieb, reiehten mitunter bis zum tIandgelenk, die Lymphdriisenschwellung

�9 war eine starke und empfindliche. 12--14 Tage naeh der Impfung gingen diese bedrohliehen Erscheinungen ohne den geringsten Naehteil restlos zuriick; sie erM~rten sigh aus der dilatatorischen Wirkung auf grSBere Gefiige, auf die das Virus eingewirkt haben dfirfte, und auf die mangelhafte Sehonung, die diesen Impflingen, die als Erstimpflinge empfindlich waren, versagt blieb. Ftir die Imlofung wurde, wie bereigs gesagt, ein besonderer impfstoff beniitzt.

Seine Zubereitung ist in verschiedenen Zeitsehriften beschrieben. Im wesentliehen war es eine 10%ige, sehr grfindliehe Aufschwemmung eines ursprfinglich gefrorenen, mit 0,3% Zephirol versetzten Rohstoffes, die zentrifugiert wurde. Nut die iiberstehende Fliissigkeit wurde fiir die Bereitung des Impfstoffes ,cerwendet, der daher naeh MSglichkeit schlackenfrei und bakterienarm war und in gleiehen Mengen gleiehc Virusquanten enghMten diirfte. Dieses Material wurde mit einer ab- gebauten 10%igen Gelatine Merck im Verh/~ltnis 1:10 versegzt, in Ampullen abgefiillt, eingefroren und unter Vakuum gegrocknet. Die mit diesem Verfahren erzielte Pastille -con Troekenimpfstoff ISst sieh n aeh Zusatz yon physiologiseher Koehsalzl6sung oder Glycerin und Aqua destillata sofort und gestattet die Anlegung versehiedener Kon- zentrationen der Aufschwemmung. Dieser fiir eutane Impfungen be- niitzte Impfstoff erf~hrt, wenn er subcutan angewendet werden soll, noel, eine weitere Verdfinnung auf 1:10--20 je naeh seinem TigeL Die ,con uns zur amtlichen Priifung iibergebenen Impfstoffe, die Professor Fmm~.R geprtift hat, waren bakterienfrei, durften daher subeutan ver- impft werden, womit dem ersten Postulat fiir derartige Impfstoffe ent- sproehen wurde:

Die gleiehmitl3ige Verteilung des Virus in den Aufschwemmungen gibt die Gewi~hr dafiir, dab jede Dosis die gleiehe Menge Virus enth/~lt. Die Haltbarkeit der Troekenimpfstoffe ist eine weitere Garantie, dab zumindest wi~hrend der Dauer eines Versuches stets mit einem Material yon gleiehem TiLer und yon gleieher Virulenz gearbeite'c werden kann.

Von grSgter ~u ist die Frage der erzielten Immunititt. Es soll night nnterlassen werden, darauf hinzuweisen, dab die Feuerprobe dafiir nur das Verhalten der Impflinge w~ihrend einer Pockenepidemie sein kann. Einen weitgehenden Sehlug gestattet auch die Nachimpfung. Jedes Verfahren, welches die alte, l~ngst b.ew/ihrte Cutanimpfung zu ersetzen traehtet, befindet sich in der sehr sehwierigen Lage mit den

1 u DOERE, R: Zbl. Bakter. usw. I Orig. 110, 141 (1929).

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vorhandenen Statistiken fiber die Cutanimpfung, die mit Millionen- ziffern aufwarten kSnnen, konkurrieren zu miissen. Dieser Kampf ist ein ungleieher. Es bleibt nichts anderes iibrig, als auf die erzielten Ergebnisse aufmerksam zu machen und Analogiesehlfisse zu ziehen. :Die Ergebnisse der Priifungen der :Nachimpfungen miissen mit dem gleichen MaBstab gemessen werden und da wird man auch auf die sub-

cutan erzieIten positiven Impfergebnisse verh/~ltnismaBig kurze Zeit nuch der cutanen Erstimpfung hinweisen dfirfen.

Solehe Result~te haben wir einige, die wir unter besserer :Kontrolle hielten als es sonst in der Praxis mSglieh ist.

So wurden z. B. 25 erstmalig im Wiener Zentralkinderheim subeutan geimpfte sauglinge innerhalb yon 5--17 Monaten cutan naehgeimpft und zeigten eine Wiederimpfungsreaktion. Unter ~cht in der Reichs- anstalt fiir Miitter- und Kinderffirsorge subcutan geimpften Kindern, die zu einer Naehimpfung erreieht werden konnten, reagierten naeh 61/2 Jahren 3 auf die subcutane Wiederimpfung gar nicht, 4 mit typischer Wiederimpfreaktion und 1 mit einer geringgradigen Erst- impflingsreaktion.

Eine gr61]ere Serie yon Nachimpfungen ergab sich im Arbeits- bereieh eines Kollegen in OberSsterreich, der seit mehr als 10 Jahren

s tandig subcutan geimpft hat, dei'zeit aber gen6tigt war, eutan zu impfen, weil ibm unter den gegebenen Yerh~ltnissen der fiir diese Imp- fungen bestimmte Impfstoff nieht zur Verffigung gestellt werden konnte. Die cutane ~achimpfung blieb na6h dieser Zeit an 118 lmpflingen, die genauer beobachtet werden konnten, in 42 Fi~llen ohne ]~rfolg, in 10 F/~llen traten Kn6tchen auf, in 21 F/illen Pustetn mit beschleunigtem Verlauf, 45 zeigten eine Reaktion wie :Erstimpflinge. Die Ergebnisse waren also nieht schlechtere als man sie gelegentlich bei Nachimpfungen nach vorangegangener cutaner Impfung linden kann, wobei die zitierten japanischen Ergebnisse in ]~rinnerung gebr~cht werden dfiffen. Seh!ieB- lich soll noch die praktiseh wichtigste Frage erSrtert werden: Haben wires n6tig, iiberhaupt die altbew/~hrte Methode der Pockenschutz- impfung, die eutane, zu verlassen oder wenigstens teilweise durch eine andere zu ersetzen .~

Diese Frage is t eine mfil]ige fiir Lander, die ihre Angeh6rigen durch das Gesetz verpflichtet h~ben, sich cutan impfen zu lassen. Anders is~ es in Li~ndern ohne gesetzliehe Impfpflicht. Diese Lander miissen ffir die Impfung werben. Fiir sie wird es yon Wichtigkeit sein, sieh Gedanken dariiber zu machen, ob sie nicht Anh/inger fiir die lmpfung gewinnen k6nnten, wenn sie naehzuweisen in der Lage waren, dab die angewendete Impftechnik ohne Verunstaltung durchgeffihrt werden ,kann und daft mit ihr das Mall der sonstigen Impfschaden auf das kleinste erreichb~re Minimum reduzier~ wird.

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6 M. K~sEa:

Rein wissensehaftlich betrachtet, ergibt sich die interessante Auf- gabe, zu erforsehen, ob eine yon der cntanen abweichende Einsaat des vaeeinalen Virus die gleiehen Chaneen ffir eine dauerhafte und praktiseh verwertbare Immunit~t verleiht oder ob sie in kfirzerer Zeit, als es nach der eutanen Impfung der ]Fall ist, einer Erneuerung bedarf. Wenn wir ehrlieh sein woIlen, so mfissen wit zugeben, dab wir der J E ~ E R - schen Art zu impfen so viel schulden, dab wir nicht dankbar genug sein k6nnen. Wfirden ~rzte, Pilegepersonen und Impflinge so sein, wie sie sein sollten, so ware nicht der geringste AnlaB zu einer Ab- ~nderung des bisher bew~hrten Impfverfahrens gegeben. ])as ist ~ber beides leider nicht der Fall und es kann gelegentlich wenigstens die Notwendigkeit gegeben sein, die Teehnik zu ~ndeI~ und nicht beim Althergebraehten zu verharren, weil es irgend ein Gesetz vorsehreibt. Soviel Recht muB dem Arzt einger~umt werden, dab er unter Um- st~nden eine sonst bew~hrte Teehnik verlassen daft, wenn er es fach- lieh rechtfertigen kann. Wenn dem so ist, so muB man ihm aueh sagen, wie er in solehen F~llen vorzugehen hat.

Wir wissen, dab wir auf versehiedenen Wegen gegen das stamm- verwandte Vaeeinavirus immunisieren k6nnen: eutan, subcutan, intra- eutan, intranasal, intraperitoneal, intraven6s, ja sogar intratestikul~r, kurz im Tierexperiment hat sich jede Art der Einverleibung des Virus in den empf~ngliehen tierisehen K5rper als immunisierend be- w~hrt. Glficklicherweise wurden bisher noch nicht alle extracutanen Methoden am Menschen ausprobiert. Die intra- und subeutane Impfung sind am besten studiert und ungef~hrlieh; GYORE ist es vorbehalten geblieben das Virus aueh dorthin zu ~ringen, we es dem Ort, den es gelegentlieh sehwerst seh/~digen kann (p. race. Ene.) am n/~ehsten ist. Seine Experimente der intranasalen Applikation yon Vaecinavirus am Mensehen haben gliicklicherweise, soweit ich orientiert bin, keine Verbreitung gefunden.

Wir haben also d~rfiber sehliissig zu werden, ob wir i n t r a - o d e r subeutan impfen sollen, dort, we es uns indiziert erseheint. Die langst bekannten Vorteile der einen oder anderen Teehnik sollen bier nieht wiederholt werden, es sol1 aber doeh vorerst zugestanden werden, dab die Chancen fiir die eutane Impfung bessere sind, schon deshaIb, weil die SteIle, yon der die Immunisierung ausgeht, die besten Aussiehten fiir eine mindestens mehrt~gige optimale Vermehrung des Virus gibt, und diese erh~hte Virusaussaat den Saftstrom tagelang unabl5ssig iibersehwemmt nnd zur Abwehr reizt. In dieser tI insieht mfissen wir auch zugeben, dab die MSgliehkeiten einer besseren und den natiirliehen Verhaltnissen ngher kommenden Vermehrung des Virus durch die intra- eutane Impfung gegeben sind als dureh die subeutane, weil das Antigen doch in dasselbe Gewebe abgelagert wird wie bei der eutanen Impfung.

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Ich gebe ferner zu, dal~ das alles spekulative Betrachtungen sind, die zwar duroh einige Versuehe und Erfahrungen gestiitzt, aber bisher wenigstens nicht so begriindet sind wie die Ergebnisse der eutanen Einverleibung.

Denjenigen Autoren, die fiir eine oder andere yon der bisherigen abweichende Impfteehnik ointreten, mag weiters zugegeben werden, dab die nicht ganz siehere Dauer der auf diesem abweiehenden Weg er- zielten Immunit~t durch •achimpfungen naeh ktirzerer Zeit (etwa nach 3--5 Jahren} verl/ingert werden kann.

Wet also ftir sieh oder seine Pflegebefohlenen eine Abiinderung der bisherigen Impftechnik wiinseht, wird seiner physischen Besehaffen- heir oder seiner SehSnheit das Opfer bringen miissen, sieh mehrmals impfen zu lassen.

Zusammen]assung. Es wird die Frage diskutiert, unter welehen Umst~nden eine Ab'~nde-

rung der bisherigen Teehnik der Blatternsehutzimpfung erfolgen darf. Eine der bisher mSgliehen Ab~nderungen ist die subeutane Impfung, die auf den Franzosen C~AW~Au (60or ~ahre) zuriiekgeht. Sie mufite mangelhafte, unsiehere Ergebnisse erzielen, wei| die ftir diese Impfung verwendeten impfstoffe nieht bakterienfrei waren und nieht standardi- siert. Fiir die Priifung der Ergebnisse daft beides erwartet werden. Die in den Versuehen der Wiener Staatsimpfanstalt verwendeten Impf- stoffe erfiillen beide Bedingungen. Die verwendeten Impfdosen ent- halten, so welt als es heute iiberhaupt m6glieh ist, gleiehe Virusquanten.

Beider Prtifung der erzielten Immunit~tdarf nicht vergessen werden, dab jede Immunit~t durch st~rkere Virusdosen, als sie zur Anfangs- impfung verwendet werden, durchbroehen werden kann. So erklhren sich z.B. die in ffapan verh~ltnism~fiig wenige ~ahre nach positiver eut~ner Erstimpfung erzielten positiven Wiederimpfungsreaktionen. Unter denselben Pr~imissen daft aueh die auf subcutanem Wege erzielte Immunit~t nieht beurteilt werden.

Vergleicht man unter denselben Yerhi~ltnissen, also bei gleiehen l~ehlern (versehiedene Impfstoffe und Mengen fiir die Erst- und Wieder- impfung) die eutane und die subeutane Impfung, so ergeben sieh un- gfinstige Ziffern fiir die eine und die andere.

Der wahre Wert einer Impfung gegen Poeken kann nur naehgewiesen werden an Hand sehr groBer Zahlen. Da sind weder die subeutane noch die intracutane Impfung mit der eutanen konkurrenzf~hig. Das letzte Wort kann nur das Verhalten der Geimpften in einer Blattern- epidemie sprechen. Die eutane Impfung hat dieses Wort bereits ge- sproehen, ihre beiden Sehwestern" sind es uns noeh sehuldig. Trotzdem soll dartiber diskutiert werden, ob nieht unter Umsti~nden eine Ab- i~nderung der Impftechnik zul~ssig ist.

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8 M. KA~SER: Suhcutane Blatternschutzimpfung mit standardisierten Impfstoffen.

Diesbezfigliche Versuche sind nich$ nur theoretisch interessant, sie sind auch praktiseh wiehtig, well sich die ~lotwendigkeit einer ab- ge/mderten Technik ergeben kann, und man es dem praktischen Arzt dann sagen muB, wie er vorzugehen hat.

Darauf k6nnte sogar das Gesetz eingehen, indem es diesbeziiglich erfahrenen -~rzten freie Hand l~Bt.

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