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P. b. b., Verlagspostamt 2340 Mödling, Zul.-Nr. GZ 02Z030737 M Postnummer 1 www.wirtschaftsverlag.at 1-2 2012 Glaubwürdig seit 1945 Das Magazin des Österreichischen Wirtschaftsverlags Glaube Was er in der Wirtschaftswelt verloren hat. Wie Unternehmer von ihm zehren. Und warum er unseren Erfolg bestimmt.

Die Wirtschaft 01-02/12

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"die wirtschaft" = Das KMU + Magazin: Service + Trends + Netzwerk Als Servicemagazin für Unternehmer und Manager behandeln wir ausschließlich Themen aus dem Unternehmensbereich und haben uns der Berichterstattung aus dem Blickwinkel der kleinen und mittleren Unternehmen verschrieben. Wir erreichen als einziges Wirtschaftsmagazin in Österreich diese Gruppe lückenlos.

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P. b. b., Verlagspostamt 2340 Mödling, Zul.-Nr. GZ 02Z030737 M Postnummer 1 www.wirtschaftsverlag.at

1-22012

Glaubwürdig seit 1945

Das Magazin des Österreichischen Wirtschaftsverlags

GlaubeWas er in der Wirtschaftswelt verloren hat. Wie Unternehmer von ihm zehren.Und warum er unseren Erfolg bestimmt.

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im FebruarWelche Rolle spielt der Glaube im Wirtschaftsleben allgemein, und woran

glaubt die österreichische Wirtschaft im Speziellen? In unserer Cover-

strecke (ab Seite 6) legen prominente Unternehmerpersönlichkeiten Zeug-

nis ab.

Apropos Glaube: 2012 wurde bereits als Jahr der Krise und des Unter-

gangs ausgerufen. Doch kein Grund zur Panik! Wir zeigen, in welchen

Regionen trotzdem wirtschaftlich der Bär steppt: Seite 22.

Was tun, wenn die Bank keinen Kredit lockermacht? In unserem Finanzierungsschwerpunkt

(ab Seite 24) haben wir Unternehmer besucht, die auf alternativen Wegen Kapital aufgestellt

haben.

Einblicke in die weite Welt des Unternehmertums liefert ab sofort Martin Benik. Der

Fotograf befindet sich gerade auf Weltreise und wird uns in jeder Ausgabe mit einer Bildge-

schichte versorgen. Gestartet hat er in Thailand: Seite 33.

Dass es schöne Menschen im Berufsleben weiter bringen, belegt die Soziologin und Buch-

autorin Catherine Hakim mit empirischen Befunden. Wir haben die Tipps parat, damit Per-

sonaler nicht auf die erotische Fassade hineinfallen: Seite 34.

Unbeeindruckt von Trends und Moden halten manche Unternehmer an Geschäftsfeldern

fest, die auf den ersten Blick von gestern scheinen. Wir heben solche Unternehmergeschich-

ten aus der Nische, beginnend mit einem Tierpräparator aus der Bundeshauptstadt: Seite 42.

Unbeirrt an seinem Weg festgehalten hat auch Sir Terry Leahy. Der ehemalige CEO des Han-

delsriesen Tesco revolutionierte die Spielregeln der Branche mit seiner „Clubcard“. Wir

haben den Visionär zum Interview getroffen: Seite 40.

Das Cover:

Die Hände artig gefaltet, den verklärten Blick in Richtung Himmel

gewandt. Woran sie wohl glaubt? Wir wissen es nicht. Warum der

Glaube für die Wirtschaft so wichtig ist, erklärt dafür unsere Coverstory.

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die wirtschaft Nr. 1-2 Jänner /Februar12 3

IMPressUMMedieninhaber, Herausgeber und verleger: Österreichischer Wirtschaftsverlag GmbH, Wiedner Hauptstraße 120-124, 1051 Wien, T (+43 1) 546 64-0, F (+43 1) 546 64-528, Geschäftsführer: Thomas Zembacher, DVR-NR.: 0368491, Chefredaktion Österreichischer Wirtschaftsverlag Gesamtleitung: Stefan Böck, (sb), T (01) 546 64 – 380 e [email protected], Chefredakteur: Stephan Strzyzowski, (str), T (01) 546 64-381 e [email protected], Chef vom Dienst: Daniel Nutz, (dn), T (01) 546 64-388 e [email protected], Hannes Offenbacher, Harald Koisser, Peter Martens, Christoph Zotter, Fotos: Richard Tanzer, Martin Benik anzeigenleitung: Alfred Vrej Minassian, T (01) 546 64 – 280 E [email protected], anzeigenverkauf: Erhard Witty, T (01) 546 64 – 283 E [email protected], Grafik Design: Antonia Stanek, Illustration: Barbara Rettensteiner, Amelie Loy, Hersteller: Berger Ferdinand und Söhne GesmbH, 3580 Horn, www.berger.at, aboservice: Aboservice Österr. Wirtschaftsverlag, T +43/1/740 40-7812, F +43/1/740 40-7813, e [email protected] • www.die-wirtschaft.at http://www.facebook.com/diewirtschaft • aus Gründen der Textökonomie verzichten wir auf geschlechtsspezifische Formulierungen.

oFFenleGUnG naCH § 25 MeDIenGeseTz:Österreichischer Wirtschaftsverlag GmbH, Wiedner Hauptstraße 120–124, 1050 Wien. Geschäftsführer: Thomas ZembacherUnternehmensgegenstand der Österreichischer Wirtschaftsverlag GmbH: die Herausgabe, der Verlag, der Druck und Verschleiß von Zeitungen und Zeitschriften sowie sonstiger periodischer Druckschriften sowie die Verlagstätigkeit überhaupt und der Betrieb von Verlagsgeschäften aller Art, der Buch-, Kunst- und Musikalienhandel und alle in das Verlagsfach fallenden einschlägigen Geschäfte, insbesondere die Lohnproduktion für fremde Rechnung. Die Durchführung von Werbungen aller Art, insbeson-dere Inseratenwerbung (Anzeigenannahme), Plakatwerbung, Ton- und Bildwerbung, Reportagen, Ausarbeitung von Werbeplänen und alle sonstigen zur Förderung der Kundenwerbung dienenden Leistungen.Gesellschafter der Österreichischer Wirtschaftsverlag GmbH: Süddeutscher Verlag Hüthig Fachinformationen GmbH, München (100%). Gesellschafter der süddeutscher verlag Hüthig Fachinformationen GmbH: Süddeutscher Verlag GmbH, München (91,98%). Wesentliche Beteiligungen der süddeutscher verlag Hüthig Fachinformationen GmbH an Medienunternehmen (alles Fachverlage): verlag moderne industrie GmbH, Landsberg (100%); Hüthig GmbH, Heidelberg (100%); Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Heidelberg (100%); Verlag Werben & Verkaufen GmbH, München (100%); Medical Tribune Verlagsgesellschaft mbH, Wiesbaden (100%); Medizin Medien Austria GmbH, Wien (100%); Swiss Professional Media AG, Basel (100%).Grundlegende publizistische richtung: Unabhängiges Wirtschaftsmagazin mit serviceorientierter Berichterstattung, speziell für die mittelständische österreichische Wirtschaft

Inhalt

Glaube / 4 Unternehmer legen Zeugnis ab ......................................................................................................................................... 6 Profitable Religion / Warum die Konfession die Wirtschaft beeinflusst ................................................................................... 10 Wirtschaften unter dem Kruzifix / Wie die Kirche ihre Geschäfte macht ....................................................................... 12 Es kann nur eine geben / Marken und ihre Jünger .............................................................................................................. 16 Der Glaube stirbt zuletzt / Wenn die Börsen auf Talfahrt gehen .......................................................................................... 19

Harald Koisser macht Mut / Warum Unternehmer an ihre Ideen glauben müssen ........................................................... 20 Wo 2012 der Bär steppt / Welche Märkte jetzt erfolgversprechend sind ............................................................................... 22 Finanzierung auf Umwegen / Wie Unternehmer Kohle aufstellen können ....................................................................... 24 Große Wirkung, kleiner Preis / Wer wirklich von Mikrokrediten profitiert ....................................................................... 26 Sechs mobile Trends / Worauf sich Unternehmer einstellen sollten ....................................................................................... 28

Offenbachers Spielzeugkisten / Der Jaguar XF im Test ................................................................................................... 30 Die perfekte Flotte / Wie Unternehmer ihren Fuhrpark organisieren ....................................................................................... 31 Elektroautos und Rennboliden / Die Highlights der Vienna Autoshow ........................................................................... 32 Beniks Bilderbuch / Eine Unternehmerporträt aus Thailand ................................................................................................... 33

Erfolgsfaktor Schönheit / Warum attraktive Menschen mehr Erfolg haben ......................................................................... 34 Nur ein Nein vom Ja entfernt / Warum man sich für Absagen bedanken sollte ............................................................... 38 Finde die Wahrheit / Wie Sir Terry Leahy die Handelswelt revolutioniert hat .......................................................................... 40 Der Ausstopfer / Ein Präparator aus Leidenschaft ..................................................................................................................... 42

Was mich ausmacht? / Das Bilderrätsel des Monats ............................................................................................................. 45 Ein paar klare Worte, bitte! / Warum Hans-Dietrich Genscher noch an Europa glaubt ...................................................... 48 Places to be / Welche Events man im Februar nicht verpassen sollte ........................................................................................... 49 Director’s Cut / Woran die Redaktion glaubt .............................................................................................................................. 50

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vor denen Europa steht, sind enorm. Ob und wie sie gemeistert wer-

den, ist von großer Bedeutung für unseren Wohlstand, für die Unter-

nehmen, ihre Mitarbeiter und deren Familien. Scheitern ist keine

Option, weder für den Euro, noch für die EU. Die Bewältigung der

Herausforderungen, oder besser, das Ergreifen der Chancen, benötigt

folgende Zutaten: Wahrhaftigkeit, Leadership, Schöpfungskraft. Wahr-

haftigkeit, weil wir die Dinge so betrachten müssen, wie sie wirklich

sind. Nur wenn wir den Problemen direkt ins Auge sehen, können

wir die richtigen Schlüsse ziehen. Leadership, weil es auf jeder politi-

schen und unternehmerischen Ebene Menschen gibt, die bereit sind,

Verantwortung zu übernehmen und Entscheidungen zu treffen, auch

dann, wenn sie mit Risiken verbunden sind. Schöpfungskraft, weil der

Wunsch, neues zu Schaffen, der eigentliche Antrieb von Wirtschaft

und Gesellschaft ist. Wenn das System schöpferische Energie unter-

drückt, wird sie sich gegen das System selbst richten. Das führt dann

zu einem Kolbenverreiber, auch Revolution genannt. Doch auch davor

sollten wir uns nicht fürchten. Hätte vor 25 Jahren jemand das Europa

des Jahres 2012 beschrieben, er wäre als Utopist, ja als Spinner abgetan

worden. Für die Zukunft heißt das: Nichts ist unmöglich. Wir können

alles schaffen.

Dies gilt natürlich auch für unsere eigene Zukunft und so darf ich

Ihnen, werte Leserinnen und Leser, heute noch gute Neuigkeiten in eige-

ner Sache mitteilen. Ich hab bereits im Juli vergangenen Jahres die redak-

tionelle Gesamtleitung des Österreichischen Wirtschaftsverlages über-

nommen. Da mich diese Tätigkeit seither sehr stark in Anspruch nimmt,

wurde es höchste Zeit, dass mein Team bei „Die Wirtschaft“ entspre-

chend nachrückt. Mein bisheriger Stellvertreter Stephan Strzyzowski

übernimmt daher ab sofort als Chefredakteur von „Die Wirtschaft“ die

Verantwortung für dieses Medium, das mir in den vergangenen vier

Jahren sehr ans Herz gewachsen ist und dem ich daher auch in meiner

neuen Funktion, wenn auch weniger intensiv als bisher, eng verbun-

den bleiben werde. Daniel Nutz rückt in die Funktion des Chef vom

Dienst nach. Diese Position ist für die operativen und organisatori-

schen Abläufe sehr wichtig und bei Daniel in besten Händen. Zusätz-

lich werden wir unser Team verstärken, doch dazu später mehr. Ich bin

sicher, dass damit eine nachhaltig positive Weichenstellung für „Die

Wirtschaft“ getätigt wurde, und wünsche meinen Kollegen viel Erfolg!

Ihr

Stefan Böck

„Failure is not an option“Gene Kranz (zugeschrieben),

NASA Flugdirektor, Mission Control, Apollo 13

Die Herausforderungen,

Stephan Strzyzowski, Stefan Böck, Daniel Nutz

die wirtschaft Nr. 1-2 Jänner /Februar12 5

Wer den Stephansdom im Unter-nehmenslogo führt, darf wohl auf

himmlischen Beistand hoffen. Bei der Firma Manner jedenfalls hat es geklappt. Wie sich das Unternehmen dafür revan-

chiert und woran er persönlich glaubt, hat uns Carl Manner verraten.

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Für Baumax-Gründer und Kunst- sammler Karlheinz essl sind religiöse Verantwortung und Unternehmertum kein Widerspruch, sondern Grundlage

des wirtschaftlichen Erfolgs.

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6 die wirtschaft Nr. 1-2 Jänner/Februar 12

Auf die Rolle des Glaubens im Unternehmertum angesprochen, stellt es Martin Engelmann zunächst sprichwörtlich die Haare auf. Eine zu enge Verwendung der Begrifflichkeit liegt dem Mann mit dem kurzgeschorenen Haupt, der seit drei Jahren die Drogeriekette DM Österreich leitet, nicht. Glaube klinge zu sehr nach Hoffnung, sagt er. Und hoffen ist keine Kategorie im harten Geschäftsleben – zumindest nicht, wenn man eine selbstbewusste Firmenphiloso-phie vertritt. Woran Engelmann aber glaubt, sind die Fähigkeiten der Menschen in seinem Umfeld und an die Selbstverantwortung des Einzelnen.

MENSCH iM FOKUS „Zutrauen veredelt den Menschen, ewige Bevormundung hemmt sein Reifen“, lautet der anthroposophi-

Die Firmengeschichte des Süßwarenurgesteins Manner ist von den ersten Gründungstagen bis heute untrennbar mit der Kirche – genau genommen mit dem Stephansdom – verbunden. Nur einen Steinwurf von ihm entfernt eröffnete Josef Manner 1890 ein klei-nes Geschäft, in dem er zunächst vor allem Tafelschokoladen und Feigenkaffee verkaufte. Doch dem gelernten Kaufmann stand der Sinn nach Größerem. „Chocolade für alle“ lautete von Anfang an seine Devise. Unter der „Schutzmarke Stephansdom“, die seit diesen Tagen beibehalten wurde, konnte der Gründer seine Visi-on tatsächlich verwirklichen. Seine Verbundenheit zur Kirche ist über die Generationen genauso erhalten geblieben wie auch die Rezeptur der erfolgreichen Schnitten.

Josef Taus kann nach 62 Jahren im Berufsleben auf eine durchaus abwechslungsreiche Karriere zurückblicken. Als Banker, Industri-eller, Manager und ehemaliger Spitzenpolitiker hat der studier-te Jurist diverse Erfolge gefeiert. Er musste aber auch die eine oder andere Niederlage einstecken. Eine Konstante auf seinem Weg war neben seinem bescheidenen Lebenswandel auch sein Glaube.

„Ich komme aus dem christlichen, wenn Sie so wollen, aus dem katholischen Bereich“, beschreibt Taus die Wur-zeln seiner religiösen Überzeugung, der er stets treu geblie-ben ist. Dass er ein durchaus kritischer Gläubiger ist, will er nicht unerwähnt lassen. Doch insgesamt sei das Christentum,

Es gibt vermutlich nicht viele Dinge, die den 72-jährigen Baumax-Gründer und Kunstsammler Karlheinz Essl heute noch in Rage bringen. Angesprochen auf Renditeerwartungen und Shareholder-Value bedachte Praxen des Wirtschaftens, platzt ihm dennoch ein wenig der Kragen. „Diese Menschen sind doch nur von Egoismus und Raffgier getrieben. Ethische Verantwortung ist denen doch ein Fremdwort. Diese Zockerei ist sicher nicht im Sinne Gottes“, hat Essl für das Spiel von Finanzakrobaten und Spekulanten nur Verachtung über.

Man könnte Karlheinz Essl als christlich geprägten Wutbür-ger bezeichnen. Denn die Form des Wirtschaftens, mit der er in den 1970er-Jahren sein Baumarkt-Imperium aufbaute, steht im

DM-Geschäftsführer Martin engelmann glaubt an die individuellen Fähigkeiten des Menschen – egal ob Mitarbeiter, Kunde oder Lieferant. Und daran, dass sich diese soziale Unternehmens-philosophie in die Welt exportieren lässt.

Verbindliche moralische Über -zeugungen, vorgelebte Werte und eine breitere Streuung des Eigentums: Woran Josef Taus glaubt, und warum wir nichts Perfektes machen können.

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sche Leitsatz des Freiherrn von Stein, den DM seit 35 Jahren durch die Geschäftswelt trägt. Durchaus erfolgreich, wie die aktuellen Geschäftszahlen zeigen, wonach DM Österreich inklusive seiner Töchter in Südosteuropa 1,7 Milliarden Euro umsetzte. Doch was bedeutet der unternehmensphilosophische Grundsatz konkret? „Es ist eigentlich ganz banal“, meint Engelmann und beginnt aus dem Alltag zu plaudern, wobei er vier Punkte findet, die diesen Grundsatz manifestieren.

1. WiRTSCHAFTSGEMEiNSCHAFT Der Leitsatz „Wer zahlt, schafft an“ führt bei Engelmann zu Stirnrunzeln. Schon auf Füh-rungsebene wird das Konzept der „Dialogischen Führung“ gelebt. Sprich, es gibt hierarchisch kaum Anweisungen, sondern statt-dessen Empfehlungen und gemeinschaftlich erarbeitete Vereinba-rungen. Dasselbe gilt für den offenen Umgang mit Lieferanten, die

„Die Religiosität liegt bei uns in der Familie“, erklärt Carl Manner, der mehr als ein halbes Jahrhundert lang die Geschicke der Süßwa-rendynastie gelenkt hat. „Mein Großvater konnte von seiner Arbeit aus immer den Stephansdom sehen, und für ihn war es, als würde der Dom seine schützende Hand über ihn und das Geschäft halten. Daher ist der Stephansdom seit 1890 Schutzmarke von Manner, und bis heute sind wir mit dem Dom und der Kirche verbunden.“ Für die schützende Hand revanchiert sich das Unternehmen seit mehr als 30 Jahren dadurch, dass es einen eigenen Steinmetz stiftet, der sich um die nie enden wollenden Restaurierungsarbeiten kümmert.

ein wesentlicher Bestandteil unserer Kultur. „Letztlich sind ja alle Atheisten, Agnostiker und so weiter mehr oder weniger christlich sozialisiert“, meint Taus.

Den gesellschaftlichen und moralischen Grundregeln, die in den Zehn Geboten festgelegt wurden, kann er zum Beispiel eini-ges abgewinnen. So war dem 79-Jährigen auch immer ein anstän-diger Umgang mit seinen Mitarbeitern besonders wichtig. Um hohle Phrasen zu vermeiden, müsse man aber stets selbst mit gutem Beispiel vorangehen, weiß Taus. Konkret denkt er dabei an eine breitere Streuung des Eigentums. Sei doch die breite Betei-ligung an Produktionsmitteleigentum insgesamt ganz wesentlich für die stabile Existenz eines Markwirtschaftsystems. Grundsätz-liche Überlegungen dazu hat er in der katholischen Soziallehre

diametralen Gegensatz zum Tagesgeschäft von vielen aktionärs-abhängigen Unternehmen: „Die Shareholder wollen Cash, Cash und Cash. Passt mal ein Quartalsbericht nicht, dann fallen die wie die Hyänen über einen her.“ Bei diesem Spiel wollte er selbst nicht mitmachen. Das mittlerweile von seinem Sohn geführte Unternehmen wurde deshalb nach einem Ausflug an die Börse zurückgekauft und ist heute wieder zu hundert Prozent in Famili-enbesitz. Weil man als Familienunternehmen den Vorteil genießt, nach ethischen und nachhaltigen Kriterien wirtschaften zu kön-nen, wie Essl erklärt. Konkret heißt das etwa, dass jeder der 153 Baumärkte die Patenschaft für ein Behindertenheim übernimmt

laut Firmenphilosophie berechtigte Interessen besitzen mitzube-stimmen, wie das Unternehmen handeln soll.

2. KONSUMENTENBEDüRFNiSSE In dieser Tradition steht auch der Umgang mit den Kunden. Der totale Verzicht von Lockangeboten ist dabei gelebte Praxis. „Anstatt etwas verkaufen zu wollen, was der Kunde eigentlich gar nicht braucht, wollen wir vor- und mitdenken und dadurch Bedürfnisse bewusst machen“, beschreibt Engelmann die Strategie, die sich etwa in der gezielten Forcierung von Bio- und Naturprodukten oder in der Zusammen-arbeit mit Verbraucherinteressengruppen bei der Produkteinfüh-rung widerspiegelt.

3. ENTWiCKlUNGSMöGliCHKEiTEN „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“, lautet ein Grundsatz von Personalern, die der Denke des vergangenen Jahrhunderts verhaftet sind, den

Der bis heute auf jeder Schnittenpackung abgebildete Stephansdom soll schließlich auch kommende Generationen begleiten.

Genauso wie im Erscheinungsbild der Marke war der reli-giöse Glaube auch eine wesentliche Konstante für die Art, wie Carl Manner das Unternehmen im Inneren geführt hat. So war er aufgrund seiner Wertvorstellungen schon immer ein Gegner des „Brutalkapitalismus“, wie der rüstige Unternehmer betont. Und auf diese Weise habe er auch die Firma geführt. Einen tieferen Sinn konnte er stets auch darin erkennen, Menschen eine Arbeit zu geben. „Den Menschen ernst zu nehmen ist ein zentrales Credo

gefunden. Die These: Die Bedeutung des Eigentums liegt in der Verantwortung, die es mit sich bringt. Die logische Konsequenz: Man muss möglichst breit streuen. „Nicht so, wie sich das jetzt entwickelt! Möglichst viele Menschen müssen Eigentum erwer-ben können“, ist Taus, der selbst auch aus einfachen Verhältnissen stammt, von der Notwendigkeit einer Systemverbesserung über-zeugt.

TROST FüR UNKRiTiSCHEN GlAUBEN Davon, dass sich im Christentum nicht nur sinnvolle gesellschaftliche Regeln, son-dern auch lehrreiche Ansätze für den einzelnen Menschen finden lassen, ist der Unternehmer überzeugt. Konnte er doch auch selbst in manchen kritischen Phasen Kraft aus seinem Glauben schöp-fen. „Ich habe immer wieder einmal nachgelesen, was da gesagt

oder Geld für die Stiftung des „Essl Social Prize“ lockergemacht wird.

PROTESTANTiSCHE ETHiK Man braucht keine zehn Minuten mit Karlheinz Essl über Wirtschaft zu sprechen, um die Grundla-ge seiner Wirtschaftsmoral kennenzulernen. Der 72-Jährige geht durchaus als Idealbild einer protestantischen Ethik durch. „Gottes Auftrag kann nicht nur im Egoismus bestehen, alles zu erreichen. Der Zweck heiligt sicher nicht alle Mittel“, meint der bekennende Protestant Essl und fügt hinzu: „Mein gottgesteuertes Wissen wird mich ermahnen, gewisse Dinge nicht zu tun.“ Aus Karlheinz Essls Worten hört man, dass er den Glauben als eine Art Stopptafel im

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Engelmann für sein Unternehmen mühelos in „Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser“ umdrehen kann. Lehrlinge bekommen etwa schon kurz nach Lehrabschluss die Möglichkeit, sich als Filial-leiter zu beweisen. Prämiensysteme sieht er als Misstrauensbeweis gegenüber den Mitarbeitern und werden daher vermieden. Außer-dem können die Mitarbeiter eine Vielzahl von Weiterbildungsange-boten wahrnehmen, die auch gern mal über das rein Berufliche hin-ausgehen. So schenkte man vergangenes Jahr der 5.600 Mitarbeiter starken Belegschaft einen freien Tag, der für soziale Freiwilligenar-beit verwendet werden konnte. Mehr als 1.000 nutzten dieses Ange-bot und vertraten ihr Unternehmen so auch vorbildlich nach außen.

4. VORBilD FüR DAS UMFElD Hunderte Seiten starke CSR-Kataloge sucht man in der Zentrale von DM Österreich in Salzburg vergebens. „Nur wer seine Wertehaltung nach innen lebt, kann

wurde. Man findet dann mitunter kluge Ansätze, an denen man sich orientieren kann“, meint Taus. Allerdings nicht immer. Und übertreiben dürfe man es auch nicht.

In schwierigen Phasen könne die Religion aber durchaus hel-fen, mit der Lebensangst umzugehen. „Vor allem denjenigen, die wirklich die Kraft haben, fest zu glauben – ohne viel Kritik. Das schaffen aber nur wenige Menschen. Ich schaff’s nicht“, gibt Josef Taus zu.

FORTSCHRiTT MiT MORAl „Doch das Christliche hat einen spannenden Satz, der gerade von manchen angezweifelt wird: ‚Macht euch die Erde untertan.‘ Das ist eine Aufforderung, da gibt’s was zu tun“, meint der Unternehmer. „Wir können nur über-leben, wenn es permanent einen technisch-naturwissenschaftli-

Wirtschaftsleben sieht. Eine Stopptafel, die die ganze Gesellschaft vor dem Abgrund bewahren könne. Doch was macht diese prote-stantische Ethik genau aus? Man könnte es als einen göttlichen Auftrag an den Einzelnen verstehen, über die eigenen Bedürfnisse hinauszudenken und Gutes zu tun. Sprich, ein Unternehmer, der satte Gewinne macht, tut dies zu Recht, soll aber einen Teil davon für die Allgemeinheit stiften. Neben dem sozialen Engagement von Baumax erfüllt Essl diesen Auftrag gemeinsam mit seiner Frau Agnes durch seine Sammlung moderner und zeitgenössi-scher Kunst, die das Sammlerehepaar aktiv an die Bevölkerung trägt. Dafür leistet man sich in Klosterneuburg sogar ein eigenes

auch nach außen wirksam sein – da kann man noch so schöne Kampagnen und Broschüren gestalten“, meint Engelmann. Das war auch die Strategie bei der erfolgreichen Expansion nach Süd-osteuropa, wo DM Österreich mittlerweile in neun Ländern 910 Filialen führt. Seiner sozialen-anthroposophischen Unterneh-mensphilosophie ist Engelmann mit DM also auch in der Expan-sion treu geblieben.

Doch worin liegt eigentlich die persönliche Wirtschaftsethik des 50-jährigen DM-Chefs? „Aus der im Römischen Recht festgelegten Sorgfalt des Kaufmanns, der in der griechischen Antike stammen-den Fähigkeit zur Selbstreflexion sowie aus den Zehn Geboten des Christentums“, fasst Engelmann die Wurzeln seiner abendländi-sche Wirtschaftsethik zusammen und liefert also doch noch einen Verweis auf den eingangs abgelehnten Glaubensbegriff.

er die Agenden des Finanz-und Personalvorstands übertragen hat, den Richtigen gefunden hat, mit der Zeit Gewissheit.

Dass seine Werte und Überzeugung auch in Zukunft wesent-lich für das Unternehmen sein werden, ist eine weitere Hoffnung von Carl Manner. „Soziale Überlegungen und nachhaltiges Wirt-schaften stand und steht bei Manner im Vordergrund. Diesen Wert konnten bereits mein Großvater und mein Vater einpflanzen, und ich konnte diese Vorstellungen weiterpflegen und ausbauen“, meint Manner. Und mit ein wenig Beistand von oben wird das wohl auch in Zukunft so bleiben.

chen Fortschritt gibt. Und wenn es ihn gibt, braucht man auch eine Moral, um ihn human funktionsfähig zu halten. Nicht etwas, das der Gesetzgeber vorgibt, sondern etwas, wovon die Leute überzeugt sind.“

Dass diese Moral in der Finanz- und Wirtschaftswelt erst in den vergangenen Jahren an Stellenwert verloren hat, glaubt er übrigens nicht. Vielmehr sei sie nie besonders hoch gewesen. Denn all die Vorschriften einzuhalten sei schwer, und die Versuchung, sie zu verletzten, groß. „Wir sind ja keine vollkommenen Wesen“, resü-miert Taus. „Wir werden es auch nie sein. Alles, was wir machen, ist fehlerhaft. Da wir nach ein paar Jahrzehnten sterben müssen, können wir nichts Perfektes machen“, meint Taus. Versuchen will er es aber trotzdem.

Museum. Eigentlich betrat der Sammler Essl damit einen Aufga-benbereich, der zumindest hierzulande klassisch in die Sphäre des Staates fällt. Angesichts sinkender Kulturbudgets sieht der Kunstsammler nämlich längst private Verantwortung für ange-bracht. Denn er glaubt fest daran, dass sich eine kultur- und kunst-affine Gesellschaft in eine bessere Richtung entwickeln würde: „Für mich sind zwei Sachen wichtig. Der Glaube und die Ausrich-tung danach. Das andere ist die Kunst, darauf kann man ein Leben aufbauen. Unsere Gesellschaft sollte viel stärker in diesen beiden Bereichen verankert sein.“ Dann müsste sich Karlheinz Essl auch nicht mehr so oft in Rage reden.

meiner Arbeit, und das hat sicherlich mit meinem religiösen Glau-ben zu tun“, erklärt Carl Manner.

Von wesentlichen Misserfolgen ist das Unternehmen unter seiner Leitung verschont geblieben. „Gott sei Dank“, wie er betont. Vielleicht wollte er das operative Geschäft auch deshalb erst mit 79 Jahren abge-geben. Doch auch damit hat er sich nicht komplett in den Ruhestand zurückgezogen. Als Aufsichtsratsvorsitzender ist er nach wie vor im Unternehmen tätig. An die Fähigkeiten seines Nachfolgers hat er nicht nur von Anfang an geglaubt, er hat sich auch sehr gründlich von ihnen überzeugt. So wurde aus der Hoffnung, dass er mit Albin Hahn, dem

die wirtschaft Nr. 1-2 Jänner /Februar12 9

Wirtschaftstheorie: Geschäfts-

tüchtige Protestanten, träge

Katholiken und erfolglose

Muslime? Rückschlüsse von der

Religion auf den wirtschaftlichen

Erfolg sind von jeher populär –

aber nur teilweise zutreffend.

Text: Daniel Nutz

Protestanten sind die besseren Unternehmer! Klar, denn wäh-rend sich Katholiken, Muslime oder Konfuzianer einem göttli-chen Plan unterordnen, nehmen die Evangelischen ihr Schick-sal selbst in die Hand. Demnach hat die industrielle Revolution auch nicht zufällig gerade im vormals rückständigen Europa ihren Anfang genommen und den wirtschaftlich lange tonangebenden Orient endgültig ins Hintertreffen geführt. Der Grund: die prote-stantische Arbeitsmoral, die auf die fortlaufende Schaffung von Kapital abzielt und aufgrund der Spar- und Investitionsbildung zu größerem Wohlstand führt.

Mit in etwa diesen Argumenten wurde der Soziologe Max Weber vor mehr als 100 Jahren zu einem Klassiker, an dem selbst heute noch kaum ein Wirtschaftsstudent vorbeikommt. Der Zusammen-hang zwischen religiöser Prägung und wirtschaftlichem Erfolg ist seither ein besonders reizvolles sowie umstrittenes Thema. Weber erkannte die protestantische Ethik als Triebfeder des modernen Kapitalismus. Viele Wirtschaftswissenschaftler befan-

den Webers Thesen allerdings auch als vereinfachten Humbug. Was bleibt rund 90 Jahre nach seinem

Tod?

Bildung wichtiger als religion„Es gibt nachweislich einen empirischen

Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und Religion. Das zeigen uns Methastudien zum langfristi-gen Wirtschaftswachstum“, erklärt Bernd Brandl, Vorstand des Instituts für Wirtschaftssoziologie der Uni Wien. So bele-gen etwa Studien der Ökonomen Xavier Sala-i-Martin und Robert J. Barro, dass sich seit dem Zweiten Weltkrieg die prote-stantischen Länder verhältnismäßig besser entwickelten als die katholischen.

Sollten andersgläubige Unternehmer also sofort konvertieren? So einfach ist die Sache freilich nicht. „Die Religion ist de facto einer von mehreren Indikatoren, die wirtschaftlichen Erfolg aus-machen“, relativiert Brandl. Zu einer in diesem Zusammenhang

interessanten Erkenntnis kamen die deutschen Ökonomen Sascha Becker und Ludger Wößmann. Bei ihrer Analyse historischer Daten katholisch und protestantisch geprägter preußischer Landestei-le bestätigte sich zunächst Webers Rückschluss: Die Protestan-ten waren tatsächlich wirtschaftlich erfolgreicher gewesen. Als Erklärung führen die beiden aber weniger die Arbeitsethik als vielmehr den höheren Bildungsstand an. Der wirtschaftliche Erfolg lag demnach eben am Humankapital. Dass in Preußen die Protestanten durchschnittlich höhergebildet waren, lag aber doch wieder an der Religion. Denn mit der Übersetzung der Bibel ins Deutsche förderte Luther auch die Lesegewohnheiten seiner Anhänger.

Wirtschaftsfeindlicher Islam oder Demokratiemangel?Unrecht hatte Weber übrigens auch bei seiner Einschät-

zung des konfuzianischen Glaubens als wenig wirtschaftsför-dernd. „Japan und Südkorea sind gesellschaftlich durchaus religiös geprägt und wurden, wie allgemein bekannt, zu Wirt-schaftswunderstaaten“, meint dazu der Wirtschaftssoziologe Brandl.

Besondere Brisanz liegt derzeit freilich im Thema islamische Wirtschaft. Die Tatsache, dass rund 20 Prozent der Weltbevölkerung islamischen Glaubens sind, dabei aber nur rund acht Prozent des weltweiten Bruttosozialprodukt erwirtschaften, befeuert immer wieder Polemiker, die auf die Wirtschaftsfeindlichkeit muslimisch geprägter Länder hinweisen. Tatsächlich glaubte auch Max Weber

Profitable Religion

10 die wirtschaft Nr. 1-2 Jänner/Februar 12

an eine fehlende Entwicklungsfähigkeit der islamischen Gesell-schaften. Weber definiert dabei den stark fokussierten Glauben an das jenseitige Schicksal und fehlende Leistungs orientierung als Hemmnisse für eine marktwirtschaftliche Entwicklung. Gern wird auch auf das prinzipiell in den meisten Religionen vorhandene, im Islam aber am tiefsten verwurzelte Zinsverbot als besonderes Manko einer Volkswirtschaft hinge wiesen. Studien zeigen jedoch klar, dass das im Koran und im Hadith verankerte Zinsverbot aber in der Praxis durchwegs umgangen wird.

Auch für den Wirtschaftswissenschaftler Brandl gibt es keinen signifikanten Zusammenhang zwischen Islam und Wirtschafts-

wachstum. „Die islamischen Länder entwickeln sich weder signi-fikant gut noch signifikant schlecht.“ Eine valide Erklärung für die schlechte wirtschaftliche Performance mancher muslimisch gepräg-ter Länder mag im Zusammenhang mit dem jeweiligen politischen Regime liegen. Dass freie Gesellschaften für eine positive Ent-wicklung der Wirtschaft förderlich sind, wissen wir seit den Anfängen der Nationalökonomie und der Moralphilosophie eines Adam Smith.

Ob fehlende Bildungschancen oder mangelnde demokratische Partizipation: Manchmal verdeckt eben ein starrer Blick auf die Religion die Sicht auf die wahren Gründe.

Nur

noch bis

26. Februar

in Wien

„Unseren Wirtschaftsbetrieb gibt es seit 900 Jahren, unsere Aufgabe und

Verantwortung ist es, dafür zu sorgen, dass er noch weitere 900 Jahre besteht.“

Andreas Gahleitner

Gutsleiter Wolfgang Hamm und Wirtschaftsdirektor Andreas Gahleitner führen das älteste Weingut des Landes im Sinne katholischer Wirtschaftsethik.

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Wirtschaften unterm KruzifixIst die katholische Kirche eine Unternehmerin wie jede andere?

Nicht ganz. Zwei Beispiele zeigen, dass wirtschaftliches Handeln

nach den Normen des Glaubens dennoch erfolgreich sein kann. Interview: Daniel Nutz

Foto: Richard Tanzer

In 900 Jahren Firmenhistorie werden mannigfach Legenden gewoben. „Maximilian I. soll die Kurfürsten des römisch-deut-schen Reichstages mit Klosterneuburger Stiftswein betrunken gemacht haben, damit sie seinen Sohn zum König wählen“, erzählt Gutsleiter Wolfgang Hamm beim Gang durch die verwin-kelten dunklen Kellergänge, die gut 30 Meter unter dem Stift die gewaltigen Ausmaße des anhängigen Weinguts erahnen las-sen. Mehr als 100 Hektar Weingärten stehen derzeit im Ertrag. Die Geschäfte laufen gut, denn dank einer aufwändigen Moder-nisierung – die durch den Einsatz vieler elektronisch gesteuerter Maschinen augenscheinlich wird – hat man seine Stellung als einer der größten Weinproduzenten des Landes bewahrt. Denn das 1114 gegründete Weingut, das so alt wie das Stift Kloster-neuburg selbst ist, ist für die Erfüllung der religiösen, sozialen und kulturellen Aufgaben des Augustinerordens notwendig. Der Profit ist also nötig, um das Tagesgeschäft des Stifts zu finan- zieren.

Christliches Gewinnstreben.„Wir sind ein Wirtschaftsbetrieb wie jeder andere. Ein Betrieb,

der Gewinn machen muss“, meint auch der zuständige Wirt-schaftsdirektor der Stiftsbetriebe, Andreas Gahleitner, fast ein wenig desillusionierend. Immerhin gilt es, das Stift zu erhalten, insgesamt 25 dazugehörende Pfarren zu finanzieren sowie den vielfältigen sozialen Aufgaben nachzukommen, die man sich auf-erlegt hat. Neben dem Weingut betreibt man deshalb noch einen Land- und Forstbetrieb, eine Immobilienverwaltung, die touristi-sche Nutzung des Stifts sowie einen Kleinverlag, die zusammen einen jährlichen Umsatz von rund 25 Millionen Euro erwirtschaf-ten. Bitter benötigtes Geld, verschlingt doch allein schon die lau-fende Restaurierung des Klosters mehr als eine Million pro Jahr. Um den Ansprüchen auf wirtschaftlichen Erfolg gerecht zu wer-den, hat das Stift die Glaubensarbeit strikt von dem von Laien geführten Wirtschaftsbereich getrennt. Unter den 200 Mitarbei-tern befinden sich auch Muslime oder Protestanten. „Sie kommen, um zu arbeiten, das Beten übernehmen wir“, soll der Kämmerer als oberster geistlicher Vertreter gern bei Vorstellungsgesprächen erklären.

Dass katholisches Wirtschaften aber doch unter besonderen Regeln erfolgt, zeigt ein Blick ins Detail. Einzigartig in der Branche sind etwa die Sozialklauseln der Immobilienverwaltung, welche den Verträgen zu Miete und Pacht der rund 700 Wohnungen und 4.000 Liegenschaften zugrunde liegen und eine Mietreduktion in

die wirtschaft Nr. 1-2 Jänner /Februar12 13

sozialen Notphasen vorsehen. Ein weiterer Fokus liegt auf dem schonenden Umgang mit Wäldern und Ackerflächen. So folgt man beim Forstbetrieb im Ernstfall lieber ökologischen anstatt ökono-mischen Bedürfnissen. Auch das Weingut steht auf ökologisch nachhaltigen Beinen und wird dank einer eigenen Biomassean-lege als Erstes seiner Art komplett CO2-neutral betrieben. „Unse-ren Wirtschaftsbetrieb gibt es seit 900 Jahren, unsere Aufgabe und Verantwortung ist es, dafür zu sorgen, dass er noch weitere 900 Jahre besteht“, meint Gahleitner auf die langfristigen Geschäftsgebarungen der ihm unter-stellten Wirtschaftsbetriebe angesprochen. Quar-talszahlen und Ähnliches spielen im Geschäftsle-ben der Stiftsbetriebe, solange der Ausblick passt, nämlich keine Rolle. Es geht um langfristige Erfolge. Wie auch im folgenden Beispiel.

Bankhaus GottesIn einem mit dunklem Holzmobiliar bestückten

Büro unweit des Wiener Stephansdoms arbeitet Günter Bergauer, Vorstandsdirektor der katholi-schen Privatbank Schellhammer & Schatterer. Der Mann im Dreiteiler, mit Krawatte, Stecktuch und Schnauzbart erzählt vom magischen Dreieck der Finanzwelt „Ertrag, Risiko und Verfügbarkeit“, das in seiner Bank mit dem Punkt Ethik und Nachhaltigkeit zu einem Quadrat geworden ist. „Ich halte es auch in der Wirtschaft für zeitgemäß, sich Fragen der Bibel zu stellen. Wir fühlen uns dem System der katholischen Soziallehre verbunden. Das ist die Grundlage unserer Unterneh-mensführung.“ Für das Tagesgeschäft heißt das, dass etwa die Wertpapierveranlagung zu hundert Prozent in nach ethischen Kri-terien zertifizierten Fonds erfolgt. Diese definieren sich klassisch für solche Anlageformen über sogenannte Ausschlusskriterien für menschenrechtsverletzende, unökologische und in katholischem Sinne sündige Investitionen.

verantwortungsvolle Geschäfte Verantwortung lautet das Schlagwort, das Bergauer gern ver-

wendet. Damit meint er ein gerechteres Wirtschaften, als dies in den vergangenen Jahrzehnten Mainstream war: „Schauen Sie in unsere Bilanzen. Wir sehen unsere Steuerpflicht als unter-nehmerische Verantwortung“, setzt Bergauer einen Seitenhieb auf manche steuerschonende Konstrukte bei Konkurrenzun-

ternehmen. Verantwortung heißt aber auch, Ein-fluss zu nehmen. Dabei versucht Schellhammer & Schatterer über die Veranlagung der Eigenmittel direkten Einfluss auf die Wirtschaft zu nehmen. Über ethisch orientierte Anlegervereinigungen versucht man auf Hauptversammlungen Druck zu machen, um gewisse Themenbereiche voranzubrin-gen.

Natürlich steht man auch in einer Verantwor-tung den eigenen Aktionären gegenüber. Neben 15 Prozent Streubesitz hält die katholische Kirche 85 Prozent der Aktien. Klarerweise wird auch Rendite gefordert. „Es geht um den Kirchenerhalt und die

Bestanderhaltung oder die Finanzierung der Sozial-systeme im Ordensbereich“, sagt Bergauer. Verant-

wortung heißt daher, durch eine solide Geschäftstätigkeit diesen Beitrag regelmäßig zu leisten.

Der Weg dorthin ist bei Schellhammer & Schatterer auch im finanztechnischen Sinne konservativ gewesen. „Wir sind immer beim Kerngeschäft geblieben und haben nie auf sinnlose Finanz-produkte gesetzt“, meint Bergauer. Während der fetten Börsen-jahre ist man damit der risikoreicheren Konkurrenz hinsicht-lich des Ertrags hinterhergelaufen. In den Krisenjahren hat sich aber wieder einiges zurechtgerückt. Die via Basel III festgelegten Eigenkapitalquoten, die manchem heimischen Institut zu schaffen machen, kosten Bergauer jedenfalls nur ein Lächeln: „Wir sind schon jetzt fit für Basel VIII!“

Günter Bergauer, Vorstandsdirektor der katholischen Privatbank Schellhammer & Schatterer

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Die Energie AG übernimmt seit 120 Jahren Verantwortung für die Zukunft. Ein wichtiger Teil dieser Verantwortung ist der Ausbau umweltfreundlicher Energien, zum Beispiel die Förderung der Solarenergie. Bereits 2010 hat die Energie AG in Eberstalzell das größte Solarkraftwerk Österreichs errichtet. Das 120-Jahr-Jubiläum verstehen wir als Auftrag, die Lebensqualität der Oberösterreicher nachhaltig zu sichern und zukünftigen Generationen eine saubere Umwelt zu erhalten. Mehr darüber erfahren Sie auf energieag.at

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Es kann nur eine gebenEs gibt Marken, die sind Kult, und manchen Fans sind sie geradezu heilig. Wie

ihre Jünger ticken und was sie zum Fetischobjekt macht, zeigt unser Überblick.Text: Daniel Nutz, Stephan Strzyzowski, Illustrationen: Amelie Loy

VW vs. Opel Wenn das Auto zum Projekt wird, scheiden sich rasch die Geister. Macht es doch für den passionierten Hobbyzangler einen ge-waltigen Unterschied, ob der fahrbare Untersatz aus Rüsselsheim oder Wolfsburg kommt. Selbst, wenn die völlig unschuldigen Wagen dann doch innerhalb kürzester Zeit bis zur Unkenntlichkeit aufgemotzt wer-den. Das Gesetz der Tankstelle fordert eine klare Entscheidung, welcher Konfession man angehört. Österreichische Tuning-Fans sind natürlich bei VW besonders gut aufgehoben. Ruft doch alle Jahre wieder der See zu Burnout und Imponiergehabe. Und mit einem Opel braucht man sich dort gar nicht erst blicken lassen – ganz egal wie tief er liegt.

Microsoft vs. Apple Ob den Schreibtisch ein PC oder ein Mac ziert, kann bei waschechten Nerds rasch für hitzige Kontroversen sor-gen. Auch wenn sich Apple mit seinen hochpreisigen Geräten bei erst-klassiger Grafik, intuitivem Handling, Innovation und einem gewissen Lifestyle einen Namen gemacht hat, hat es der Monopolist Microsoft mit seinen Betriebssystemen geschafft, sich die eindeutige Marktführer-schaft zu erkämpfen. Dass sich die Produkte in Wahrheit nicht sinnvoll direkt vergleichen lassen und es letztendlich immer auf die Bedürfnisse der User ankommt, ändert aber rein gar nichts daran, dass die Wahl des Computers für viele eine echte Überzeugungsfrage bleibt. Amen!

The Rolling Stones vs. The Beatles Schön, dass Musik keine Mathematik ist, sondern eine höchst subjektive Angelegenheit. Die Frage Stones oder Beatles ist wohl so alt wie die Rockmusik selbst und lässt keinerlei Kompromisse zu. Wer dem blümchenhaft-melodischen Song-writing von Lennon, McCartney und Harrison verfallen ist, hat freilich nur Spot für den vulgär-obszönen Rocksound von Richards und Jagger über. Schade eigentlich, denn für den unvoreingenommenen Musiklieb-haber sollten beide Gruppen zu den besten Bands des abgelaufenen Jahr-hunderts zählen. Aber das sollte man gegenüber keinem eingefleischten Fan behaupten.

Rapid vs. Austria Wer sagt, Fußball sei nur ein Spiel, hat keine Ahnung. Die Zugehörigkeit zu Rapid oder Austria wird nicht nur in der Hauptstadt über Generationen hinweg tradiert. Da der nicht ganz so er-folgreiche und weniger populäre Bürgerverein Austria, dort der Arbei-terverein und Rekordmeister Rapid. Favoriten oder Hütteldorf, Violett oder Grün, Prohaska oder Krankl. Ein Konfessionswechsel führt zur Ächtung. Da spielt es auch keine Rolle, dass im modernen Fußball die Traditionen weitestgehend verwaschen sind. Olé!

Coca-Cola vs. Pepsi Eigentlich hatte Pepsi alles, um Coca-Cola vom Thron des Marktführers zu stürzen. Nicht nur, dass gutbezahlte Testimonials wie Michael Jackson, Madonna, Mike Tyson oder David Beckham für die Nummer zwei die Werbetrommel rührten. Eine breit angelegte Konsumentenstudie kam sogar zum Schluss, dass Pepsi bes-ser schmecke. Wieso hat Coca-Cola im sogenannten Cola-Krieg dennoch die Oberhand behalten? Vielleicht, weil unter Softdrinkfreunden man-cherorts noch die unbestätigte Meinung vorherrscht, Coca-Cola habe den Weihnachtsmann erfunden. Dagegen verblassen selbst Madonna und Co.

16 die wirtschaft Nr. 1-2 Jänner/Februar 12

Viel Bewegung im Angebot von GW: Die neue Produktlinie GW pro.line steht für tägliche Abfahrten, definierte Laufzeiten, fixe Qualitätsstandards und ex-klusive Premiumservices. Auf diese Weise bewegen wir Ihre Sendungen von Norwegen bis Griechenland, von Russland bis Portugal. In 47 Ländern Euro-pas. Auf 10,5 Millionen Quadratkilometern. Erleben Sie selbst wie GW bewegt.

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Glauben Sie noch an unser Wirtschaftssystem?ja ............................................................................................................................................62 %nein ........................................................................................................................................22 %

Spielt Ihr Glaubensbekenntnis für Sie als Unternehmer eine Rolle?ja ............................................................................................................................................33 %

nein ........................................................................................................................................63 %

Fühlen Sie sich aufgrund Ihres Glaubens als Unternehmer auch sozialen Zielen verpflichtet?ja ............................................................................................................................................61 %nein ........................................................................................................................................34 %

Haben Sie schon einmal komplett den Glauben an Ihr Unternehmen verloren?ja ............................................................................................................................................14 %nein ........................................................................................................................................82 %

Fällt es Ihnen heute schwerer als vor zehn Jahren, Geschäftspartnern Glauben zu schenken?ja ............................................................................................................................................55 %nein ........................................................................................................................................38 %

GfK Austria hat online 227 Leser von die WIRTSCHAFT befragt. Die prozentuelle Angabe der „Weiß nicht“-Antworten haben wir gegebenenfalls weggelassen.

5 Glaubensfragen an Österreichs KMU

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Glauben Sie denen kein Wort!

Auf mindestens sieben Milliarden Euro wird der jährlich

durch Wirtschaftskriminalität verursachte Schaden

geschätzt. Ein beachtlicher Teil des Kuchens wird durch

Geldveranlagungs- und Finanzierungsbetrug ergaunert.

Hier einige Tricks der Abzocker.

„Ware für Messen“ Manche nigerianische, aber auch osteuropäische Firmen bestellen bei österreichischen Firmen kurzfristig vor diver-

sen internationalen Messen Ware, die sie dort präsentieren wollen. Ein Scheck zur Bezahlung der Ware liegt bei. Der Scheck platzt, die

Ware ist in den meisten Fällen schon in irgendein Lager unterwegs. Die Firmenanschrift ist freilich getüncht.

„Kreditvermittlungsbetrug für Anfänger“ Man stellt einen sehr billigen, langfristigen Kredit in Aussicht und verlangt eine Selbstaus-

kunft sowie Spesenersatz für die Einholung von Auskünften in der Höhe von einigen tausend Euro. Einige Zeit später teilt man dem

Kreditwerber mit, dass die Kreditvergabe leider abgelehnt wurde, da er eine falsche Selbstauskunft gemacht und auch eine mangelnde

Bonität habe. Die Spesen sind verloren, weil ja auch schon ausgegeben.

„International Leasing“ Eine österreichische Firma wollte einem polnischen Unternehmen eine Maschine auf Leasingbasis zur Verfü-

gung stellen, fand jedoch anfänglich keine Leasingfirma, die dieses Geschäft abwickeln wollte. Letztlich fand sich ein Institut in Frank-

furt. Als Sicherstellung verlangte man die erste Leasingrate im Voraus vom Hersteller der Maschine, die weiteren waren aus Polen zu

begleichen. Nach Bezahlung der ersten Rate war das Institut aber plötzlich verschwunden.

„Blocked Funds“ Bei Bau- und Industrieanlageprojekten gibt es das Finanzierungsmodell durch „Blocked Funds“. Der Baufirma wird

ein Bauauftrag zugesichert. Voraussetzung ist die Mithilfe bei der Finanzierung. Die Baufirma braucht eine Bestätigung ihrer Hausbank,

dass eine größere Geldsumme für die Dauer der Finanzierungsverhandlungen „blockiert“ sei. Die Betrüger versuchen dann, mit diesem

„Blocked Funds Letter“ in einem Drittland einen Kredit zur „Projektfinanzierung“ aufzunehmen. Mit diesem Geld verschwinden sie

dann. Die geschädigte Bank versucht freilich, sich bei der Baufirma zu regressieren.

„Finanzspritze“ Manche Firmen bieten durchaus interessante Exportware an. Kurz vor dem Verschiffungstermin kommt ein Fax von

der Exportfirma, in dem um einen kleinen Überbrückungskredit gebeten wird, da man kein Geld mehr habe, um die Ware die letzten

Kilometer in den Hafen liefern zu lassen. Nach der Zahlung hört man nie wieder etwas von dieser Firma.

Quelle: ICC Austria – Internationale Handelskammer

18 die wirtschaft Nr. 1-2 Jänner/Februar 12

Der Glaube stirbt zuletztWenn die Börsen auf Talfahrt gehen, sollen wir den Glauben dennoch

nicht verlieren. Warum, das hat uns der Investmentbanker, bekennende

Punk und Nonkonformist Gerald Hörhan im Interview verraten. Interview: Daniel Nutz

Gerald Hörhan studierte in Har-vard angewandte Mathematik und Betriebswirtschaft, arbeitete für McKinsey und sammelte bei JP Mor-gan Wallstreet-Erfahrung. Heute ist er Eigentümer und Vorstand eines international tätigen Corporate-Finance-Unternehmens. in seinen Büchern „investmentpunk“ und dem unlängst erschienenen „Gegen-gift“ setzt er sich kritisch mit den Sollbruchstellen des heutigen Wirt-schaftssystems auseinander.

Sind Sie als investmentbanker Berufsoptimist, oder haben Sie den Glauben an eine baldige Erholung der Märkte aufgegeben?Ich bin kein Optimist, sondern Rea-list. Realistisch betrachtet, werden wir auf eine Phase der Inflation zusteuern. Über das Anwerfen der Notenpresse haben sich bekannt-lich schon in der Vergangenheit vie-le Staaten entschuldet. In diesem Zusammenhang glaube ich als Investor an harte Vermögenswerte wie Immobilien oder Aktien von dividendenstarken Unterneh-men.

An Aktien glaubt derzeit nur eine Minderheit. Sind die massiven Kursverluste demnach eher Ausdruck des Herdentriebs als wirt-schaftlicher Daten? Kurzfristig sind die Märkte natürlich rein psychologisch und vom Glauben getrieben. Aber langfristig spiegeln sie die ökonomischen Realitäten wider. Daraus ergeben sich Anomalien, die man erken-nen muss.

Zum Beispiel?Nach dem Platzen der New-Economy-Blase gab es Unternehmen, deren Börsenkapitalisierung geringer war als ihr Bestand an Cash abzüglich der Schulden und die profitabel waren. Vor ein paar Jah-ren waren griechische Staatsanleihen in etwa ebenso gut verzinst wie deutsche. Es ist eine Besonderheit der Finanzmärkte, dass in

Boomzeiten Risiken unterbewertet und in Krisenzeiten überbewertet werden.

Das heißt, Sie investieren gerade jetzt in der Krise?Wenn der Markt zusammenbricht, kostet es uns zwar immer etwas psy-chologische Überwindung. Aber wir kaufen dann etwa das Zwei- bis Drei-fache an Aktien im Vergleich zu nor-malen Umständen.

Sie sind einer der wenigen invest-mentbanker, die sagen, dass die Finanzmärkte den interessen einer Minderheit dienen und die Mehrheit darunter leidet.Ich sage, dass die Schuldenpolitik der amerikanischen Mittelschicht die Finanzkrise verursacht hat. Die Banken machten das zu einem Geschäft und haben es in die ganze Welt verkauft. Dazu kam das Pro-blem mit dem Handel von Derivaten

in den Schattenbanken. Viele Banken haben diese komischen Wertpapiere (Credit Default Swaps, Anm.) nicht selbst gekauft, sondern eine Tochtergesellschaft gegründet und damit auf Wert-papiere spekuliert, die sie nicht verstanden haben. Würden Kom-merzbanken und Investmentbanken ihrem Geschäft nachgehen, würde es kaum derartige Probleme geben.

Nun ist der Schaden aber da. Vor allem junge Menschen haben den Glauben an das System verloren. Klar! Wenn ich bei meinen Vorträgen frage, wer noch an das Pensi-onssystem glaubt, zeigen von hundert Leuten vielleicht zwei auf. Die junge Generation wird für das, was jetzt passiert, brutal zahlen müssen. Sie werden nicht nur durch Inflation enteignet. Sie wer-den auch für die überbordenden Sozialsysteme im eigenen Land zahlen müssen. Für Bundesländer, Verwaltung und alles. Auch für den Blödsinn in Griechenland, Spanien und Portugal und so weiter. Aber leider sind wir Jungen zu träge. Es gibt keine koordi-nierte Protestbewegung. Das ganze interview finden Sie unter www.facebook.com/diewirtschaft

www.lukasbeck.com

die wirtschaft Nr. 1-2 Jänner /Februar12 19

Marktforschung ist eine wunderbare Sache. Aber wenn es dar-um geht, etwas Neues in die Welt zu bringen, ist sie absolut ver-fehlt. Man kann den Markt nicht zu etwas befragen, was er nicht kennt. Oder was denken Sie, was herausgekommen wäre, hätte man in den 1980er-Jahren wintersportaffine Menschen gefragt, ob sie gern mit beiden Beinen fest angeschnallt auf einem Bügelbrett quer zur Fahrtrichtung verschneite Pisten hinuntergleiten möch-ten? Jake Burton hat zum Glück nicht gefragt, und so konnte das Snowboard das Licht der Welt erblicken. Er hatte einfach eine Vision. Und er hat daran geglaubt.

So wie der Salzburger Erwin Thoma. Seine Kinder hatten aller-gische Reaktionen von all den Chemikalien, die im neuen Eigen-heim ausdünsteten. Er stellte einfache Fragen: Müssen wir so wohnen? Bietet die Natur nicht andere und einfachere Möglich-keiten? Thoma entwickelte ein Bausystem, das er Holz100 nennt. Nur Holz, keine Chemikalien, kein Leim, kein Metall. Einfach so, wie es die Natur vormacht. Als er vor mehr als zehn Jahren mit einer Vollholzplatte zur Brandschutzprüfung kam, wurde er ausgelacht. Aber nur so lange, bis die Beton-Stahl-Armierung im Nebenraum längst geplatzt war, während sein Vollholz gerade ein-

mal angesengt war. Heute baut er seine fantastischen Biohäuser auf der ganzen Welt.

Ernst Gugler investierte stets alles, was er hatte, in Nachhaltig-keit. Sein Unternehmen, die Druckerei Cross Media in Melk, wird bald im ersten Cradle-to-cradle-Bürohaus Österreichs sitzen. Er ent-wickelt gerade voll kompostierbare Druckfarben. Er wird auf dem Betriebsgelände einen Acker anlegen, um seine Mitarbeiter mit vollbiologischem Gemüse zu verköstigen. Er kann nicht anders. Er glaubt. An sich und daran, dass es richtig ist, was er tut.

Zotter war einmal als Konditor in Graz pleite und hat sich als Schokoladier neu erfunden. Johannes Gutmann stand einige Male kurz vor dem Aus und führt heute mit Sonnentor eine anerkannte Firma für Tee und andere Bioprodukte. Ach ja, und Karlheinz Essl glaubt an Gott.

Ohne den Glauben an sie bleibt jedenfalls jede unternehmeri-sche Idee schal und bloß eine Zahl rechts unten auf einer Mach-barkeitstudie. Wir haben genug von Machern, wir wollen Men-schen, die an sich glauben.

Der Autor: Harald Koisser schreibt philosophische Bücher und ist Herausgeber des Mutmacher-Magazins „wirks“. www.wirks.at, www.koisser.at Herzlichen Dank an Ira Mollay. www.mutmacherei.net

Folge 7: Glauben sie! an sich selbst!

Wirtschaftlichkeitsrechnung, Marktforschung und Machbarkeitsstudien

sind eine feine Sache. Aber wenn aus der Geschäftsidee etwas

werden soll, dann empfiehlt sich der Glaube. An sich selbst!

Harald Koisser macht Mut

Illustration: Barbara Rettensteiner

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Wo 2012 der Bär stepptImport/export: Länder, Chancen und Prognosen

USADie US-Volkswirtschaft wuchs im ersten Halbjahr 2011 langsamer als erwartet. Hohe Benzinpreise, Schlechtwetter und die Auswirkungen des japanischen Reaktorunfalls im Tandem mit dem „Ausglühen“ der konjunkturellen Anschub-pakete der Vorjahre dämpften die Dynamik. Für 2012 rechnet man mit einem BIP-Plus von 1,3 %. Österreichische Firmen sind im Qualitäts- und Technologiesegment gut positioniert und profitieren von einer Flurbereinigung und als Zulieferer der US-Großindustrie. Chancen bestehen am Kfz-Sektor, bei Energieeffizienz und nachhaltigen Baulösungen, im Eisen-bahnsektor bei der Sicherheitstechnik, Medizintechnik.

ItalienDie OECD prognostiziert Itali-en eine leichte Rezession von –0,5 % für 2012. Der angespann-te Staatshaushalt in Kombinati-on mit einer Verlangsamung der weltweiten Nachfrage und der schwachen Wettbewerbsfähig-keit des Landes laste kurzfristig auf Italiens Wirtschaftswachs-tum, das sich allerdings 2013 wieder positiv entwickeln soll. 2013 soll zudem ein ausgegli-chener Haushalt vor Abzug der Zinszahlungen erreicht werden. Italien ist unser zweitwichtigster Handelspartner. Chancen beste-hen etwa im Bereich erneuerba-re Energien, im Maschinen- und Anlagenbau oder im infrastruk-tursektor.

FrankreichDie österreichischen Exporte sind heuer bisher mit 12,6 % gut gewachsen. Positiv ist, dass wir seit Jahren einen zunehmend verstärkten Handelsbilanzüberschuss mit Frankreich erzielen. Neben den traditionellen Bereichen wie Maschinen- und Anla-genbau bieten sich Chancen in den Bereichen Design, Hochtechnologien, ökobau und Energieeffizienz.

SchweizDer wirtschaftliche Erfolg der Schweiz ist beeindruckend: Der Staatshaushalt ist im Plus, sogar im Krisenjahr 2009 wurde positiv bilanziert, Schulden wurden abgebaut. Nach der sehr erfreu-lichen fast 20-prozentigen Exportstei-gerung 2010 setzte sich der Trend 2011 fort. Österreich errang neue Marktantei-le und stieg zum viertgrößten Lieferan-ten auf. Gute Chancen eröffnet die so-lide Schweizer Binnenwirtschaft, v. a. der Bausektor und der Privatkonsum. Toptechnologien und Qualität werden bei Business- und Privatkunden nach-gefragt, und das hochwertige heimische Angebot liegt hoch im Kurs.

Quelle: Außenwirtschaft Österreich

BrasilienDas Brasiliengeschäft läuft weiterhin toll. Für 2012 wird ein Wirtschaftswachstum von über drei Prozent prognostiziert. In den ersten zehn Monaten hat Brasilien österreichische Waren um 1,24 Mrd. US-Dollar importiert, das sind zum aktuellen Kurs schon 916 Mio. Euro, wir werden heuer also die Milliardengrenze locker schaffen.

22 die wirtschaft Nr. 1-2 Jänner/Februar 12

PolenBIP-Wachstum 2011 +3,8 %, 2012 zwischen zwei und drei Prozent. Österreichische Lieferungen I-VIII/2011 +34,8 %; damit weist Polen unter den Top-10-Destinationen den stärksten prozentuel-len Zuwachs auf. Gesamtjahr 2011: Lieferungen 3,3 Mrd. Euro (+20 %) und damit Rekord (2008 3,25 Mrd. Euro). Chancen: Umwelttechnologie, erneuerbare Energien, Bau und infrastruktur, Zulieferungen zur industrie, Konsumgüter.

DeutschlandDie deutsche Wirtschaft ist glücklicher-weise nach wie vor in guter Verfassung. Ist doch Deutschland unser wichtigster Außenhandelspartner. Im Gesamtjahr 2011 haben die Außenhandelszahlen mit Deutschland mit etwa 38 Mrd. Euro beim österr. Export und nahezu 50 Mrd. Euro beim Import neue Rekordwerte erreicht. 2012 wird sich unser Export vermutlich schlechter als 2011 entwickeln. Potenziale bestehen aber nach wie vor in Zukunfts-branchen, z. B. Umwelt- und Energietech-nik, information und Telekommunika-tion, Gesundheit und Medizintechnik, Nanotechnologie, Verkehr und Mobilität, aber auch Bau- bzw. Baunebengewerbe.

RusslandFür 2012 werden 3,7 % Wirt-schaftswachstum prognos-tiziert. Russland war 2010 der viertwichtigste Markt für österreichische Unternehmen außerhalb der EU. Der erwartete WTO-Beitritt Russlands wird den Wirtschaftsbeziehungen sicherlich einen „Boost“ geben. Chancen liegen im Bereich Lie-ferung von Know-how (Maschi-nen, Anlagen, Technik), infra-struktur-Modernisierungen, Zulieferungen bei der geplanten Olympiade in Sotschi sowie alle Arten von Dienstleistungen.

TschechienIm Frühjahr war die tschechische Wirtschaft auf Wachs-tumskurs. Durch die Schuldenkrise in der Eurozone und die Verlangsamung der Konjunktur in wichtigen Exportabnahmeländern ist es zu einer Abkühlung der Dynamik gekommen. Der tschechisch-österreichische Außenhandel erlebt seit 2010 ein Comeback und boomt weiter. Sollte diese Dynamik anhalten, wird es heuer ein neues Rekordjahr geben. Marktpotenziale liegen in den Bereichen Kfz-Zulieferindustrie, energieeffizientes Bauen, Umwelttechnologien, Gesundheitssektor, iKT-Technologien, F&E, Konsumgütern, Dienstleistungen.

UngarnUngarns Wirtschaft befindet sich definitiv in einer schwierigen Lage, sodass die Regierung nun doch den IWF um Hilfe bitten muss. Die extreme Verschuldung des Staates und der privaten Haushalte, die unsichere globale Entwicklung und der damit einhergehende erwartete Einbruch in der ungarischen Export-industrie sowie mangelndes Vertrau-en der internationalen Finanzmärkte lassen keinen Spielraum für Wachs-tumsimpulse. Konjunkturaussichten für 2012: Nullwachstum bzw. Rück-gang um 0,5 %. Österreichs Expor-te nach Ungarn entwickeln sich dennoch wieder positiv. Chancen: Automotiv-Sektor, lebensmittel, infrastrukturprojekte.

ChinaDas chinesische BIP wuchs in den ersten drei Quartalen 2011 um 9,4 %. Die schwache Weltwirt-schaft wird sich zusammen mit der straffen Kre-ditpolitik Chinas in den nächsten Jahren dämp-fend auf die chinesische Konjunktur auswirken. Experten rechnen mit einem Wachstum zwischen acht und neun Prozent in den nächsten fünf Jah-ren. Die österreichischen Exporte entwickeln sich positiv, obwohl das Wachstum im Vergleich zum Rekordvorjahr an Fahrt verlor (+2,9 %). Analog zum neuesten Fünfjahresprogramm der chinesi-schen Regierung bestehen weiterhin Chancen in den Bereichen Hochtechnologien, infrastruktur, Energie- und Umwelttechnik, Konsumgüter und Dienstleistungen.

IndienIndiens Wirtschaft hat die Finanzkrise gut überstan-den: Im Wirtschaftsjahr 2010/11 gab es ein BIP-Plus von 8,5 %, für das WJ 2011/12 werden acht Prozent prognostiziert. 2010 stiegen unsere Exporte um 16,9 % auf 654,9 Mio. Euro. I-VIII/2011 stiegen die Exporte um 37,1 %. Mit der kaufkräftigen Mittelschicht von 300 Mio. Menschen, dem Bedarf an Konsumgütern und der großen Nachfrage an Maschinen, Technologien und Know-how bestehen Chancen in den Bereichen Auto-motive, Maschinen, Anlagenbau, infrastruktur sowie Elektrotechnik/Elektronik und Konsumgüter.

SüdafrikaNach einem kraftvollen Start im 1. Quartal war zuletzt ein Abschwächen der südafrikanischen Konjunktur zu beobachten. Doch die österreichischen Exporte haben sich positiv entwickelt: I-VIII/2011 wurden Waren im Wert von 340 Mio. Euro exportiert (+16,2 %). Besondere Chancen bestehen im Bereich der Infra-struktur, bei Ausrüstungen für Bergbaubetriebe sowie Gewerbe- und industriebetriebe, im Energie- und Umweltsektor und bei Anlagen zur Wasser- und Abwasseraufbereitung.

die wirtschaft Nr. 1-2 Jänner /Februar12 23

Wenn Johannes Gutmann über Kredite redet, dann redet er gern lange und viel. Er spricht von Banken, die nur Geld herborgen, wenn man sich für dreimal so viel verbürgen kann. Dass man für eine gute Idee kaum etwas bekommt. Im Kleinen anfangen muss, die Dinge anders machen, neue Wege beschreiten. So wie er mit seinem Betrieb Sonnentor. Da handelt er mit Kräutertee, Gewürzmischun-gen, Zucker aus Blüten und Kaffee. Alles bio, alles von Bauern aus dem Waldviertel. Und das mit so wenig geborgtem Geld wie möglich.

alternativen zum Bankkredit Sich einen Kredit von der Bank zu holen ist vor allem für KMU

nicht immer einfach. Die Geldinstitute verlangen oft, dass 100 Prozent der Kreditsumme über Häuser, Grundstücke oder Freun-

de verbürgt werden. Wer eine Firmenhalle ausbaut, neue Maschi-nen braucht oder ein anderes neues Projekt plant, muss aber nicht gleich zur Bank gehen.

Denn wenn Johannes Gutmann fremdes Geld braucht, geht er gern eigensinnige Wege. Seine jüngste Idee: eine Solaranlage, die er sich von seinen Kunden finanzieren lässt. 110 Quadratmeter Fläche, das kostet rund 180.000 Euro. Der Strom fließt in das Bürohaus im kleinen Dorf Sprögnitz, das nur ein paar Kilometer südlich des niederösterreichischen Zwettl liegt. Nebenbei betrei-ben die Sonnenkollektoren zwei Tankstellen für elektrische Autos und Fahrräder. „Das soll ein Beispiel für die ganze Region sein“, sagt Gutmann, dessen Betrieb zu einem der größten Arbeitgeber in Zwettl avanciert ist.

Finanzierung auf UmwegenEin niederösterreichischer Unternehmer errichtet eine Solaranlage. Ein Kärnt-

ner Musiker baut neue Effektgeräte für elektrische Gitarren. Geld von der Bank

brauchen sie dafür nicht. Denn es lassen sich auch abseits ausgetrampelter

Pfade Investoren finden.

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Text: Christoph Zotter

Johannes Gutmann: Finanziert eine Solaranlage mit der Hilfe seiner Kunden.

24 die wirtschaft Nr. 1-2 Jänner/Februar 12

Gutscheine statt Kreditraten Ein Beispiel, in das man sich einkaufen kann. Denn Gutmann

lässt sich die Solaranlage über Anteilsscheine finanzieren. Einer kostet 300 Euro, 400 Stück hat er ausgelegt. Macht insgesamt zwei Drittel der Summe, die die Anlage gekostet hat. Wer da zuschlägt, bekommt über die nächsten vier Jahre Gutscheine für Produkte von Sonnentor, insgesamt 400 Euro. „Das ist im Vergleich eine großartige Verzinsung, wir haben uns das genau ausgerechnet“, sagt der Mittvierziger, der nebenbei mit dieser Methode auch noch Kunden an sich und seine Produkte bindet. „Noch dazu ist die Solaranlage klimaschonend, und man kann sich sein Investment jederzeit bei uns ansehen. Das würde ich mir auch bei vielen Ban-ken wünschen.“ Seit vergangenem September stehen die Sonnen-kollektoren und produzieren insgesamt rund 30 Kilowattstunden Strom. Nur einen Haken hat die alternative Geldquelle: Gutmann musste die Summe für den Bau zuallererst selbst aufbringen.

Er finanziert ihn aus dem Cashflow, der bei überdurchschnitt-lichen zehn Prozent im Jahr liegt. Als die Anlage schon stand, verkaufte er dann die Anteilsscheine. „Das kommt auf die Vor-laufszeit an und darauf, wie man es bewirbt“, sagt der Waldviert-ler. „Wir haben kaum Werbung gemacht, die Leute haben von Erzählungen davon gehört und sind dann auf uns zugekommen.“

Gutmann glaubt, dass diese Finanzierungsmethode Zukunft hat. Auch wenn er ihr noch keine wirklich großen Projekte zutrauen würde. „Da geht es in erster Linie um die Idee“, sagt er. „Wenn es wirklich zu einem Rechtsstreit kommen würde, bin ich mir nicht ganz sicher, ob das rechtlich halten würde.“ Schließlich ist jeder

Investor auch Besitzer von einer halben Fotovoltaikplatte seiner Anlage. So steht es in einer eigenen Urkunde. „Wir hatten auch schon Anfragen, ob man bei uns einmal mehr investieren kann, da ging es um Beträge bis zu 250.000 Euro“, sagt Gutmann. „Da bin ich aber noch vorsichtig. Da kann es dann schnell zu einem Streit kommen.“

Friends, Fools and angelsVorsichtig war auch Michael Sternad. Lieber einmal einen Inve-

stor ablehnen, auf den richtigen warten. Vor drei Jahren hat der Kärntner sein Unternehmen M*AD-Technics gegründet. Damals war er gerade einmal 18 Jahre alt. „Ich bin ein richtig junger Jung-unternehmer“, sagt er.

Sternad baut Equipment für Musiker und Studios, seine neueste Erfindung ist ein Gerät, mit dem analoge Effektgeräte und Verstär-ker durch ein automatisiertes System gesteuert und kontrolliert werden. Etwas, das es so noch nicht gab. „Ich habe mich überall umgehört, das Internet durchsucht, aber nichts gefunden“, sagt der Kärntner, der selbst Gitarre spielt. „Also hab ich mir gedacht, ich baue das selbst.“ Dafür musste er ein Patent anmelden, Mitar-beiter anwerben, sich die Produktionslinie durchdenken. Alles in allem braucht er einen sechsstelligen Eurobetrag, wie viel genau will er nicht sagen. Er beantragte Förderungen in langwierigen Prozessen und bekam sie auch. Jetzt musste er nur noch die Rest-summe auftreiben. Der Haken: Die Banken wollten von ihm genau so viel an Sicherheiten, wie er an Kredit haben wollte. „Wenn ich als Teenager ein paar Häuser besitzen würde, dann müsste ich das Unternehmen auch nicht über Kredite finanzieren“, sagt Sternad.

Also ging er einen anderen Weg. Er suchte sich einen Investor. Und fand gleich mehrere. Zwei von ihnen über die „i2-Börse für Business Angels“ der aws, wo Geschäftsleute mit Geld in Beteili-gungsgesellschaften und Stiftungen an Firmen mit Ideen vermit-telt werden. Sternad schickte ihnen seine Unterlagen, wartete, schickte noch mehr und bekam schließlich einen Termin. Einen Engel lehnte er ab, mit zwei anderen wurde er sich einig. Doch das versprochene Geld reichte immer noch nicht ganz. Also klap-perte er seine Musikernetzwerke in Kärnten ab. Stellte die Idee seinen Freunden vor, versuchte so vielen wie möglich zu erzäh-len, was er da macht und wie sie dabei sein können. Friends, Fools und Family, die drei F. So heißt das Konzept im Englischen. „Der Nachteil ist, dass man sich bei so vielen Investoren bei Ent-scheidungen mit vielen Leuten absprechen muss“, sagt Sternad. Es ist ein mühseliger Weg: persönliche Termine, ein guter Busi-nessplan, das angemeldete Patent vorzeigen. Der junge Kärnt-ner hat von Leuten gehört, die so etwas auch über das Internet organisieren. Crowdfunding heißt der Fachbegriff. „Ich bin mir aber nicht sicher, für wie seriös man gehalten wird, wenn man mal größere Summen braucht“, sagt er. Noch dazu unterstützen Crowdfunding-Seiten wie www.respekt.net nur Projekte, die sich zivilgesellschaftlich engagieren.

Michael Sternad hat es auch so geschafft – seine Idee ist heute fast ausfinanziert. „Eine Summe in der Höhe eines Autos fehlt mir noch“, sagt der 21-Jährige. „Wenn jemand Interesse hat, kann er sich gern bei mir melden.“

Michael Sternad setzt auf Friends, Fools und Family.

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Große Wirkung, kleiner Preis

Ohne das nötige Kapital ist leider auch die beste Idee nicht besonders viel wert. Um in diesen Fällen die Verwirklichung zu ermöglichen, wurden Mikrokredite erfunden. Ein Instrument aus der sogenannten Dritten Welt, das mittlerweile auch in Industrie-staaten Anwendung findet. In ihrem Kern unterscheiden sich Mikrokredite in Afrika und Indien nicht von jenen in Europa oder den USA: Es geht erstens immer um einen relativ überschaubaren Betrag, das können 200 Dollar sein oder 20.000 Euro. Zweitens richten sich Mikrokredite meist an Menschen, die bei klassischen Banken nicht kreditwürdig sind. Drittens, und an diesem Punkt trennt sich bei den Anbietern die Spreu vom Weizen, verfolgen echte Mikrokredite in erster Linie nicht das Ziel, möglichst hohe Gewinne für den Geldgeber abzuwerfen, sondern dem Kreditneh-mer auf die Beine zu helfen.

Aus diesem Grund ist dieses Werkzeug für die Näherin oder den Obstverkäufer an der Elfenbeinküste ebenso interessant wie für die Friseurin in St. Pölten oder die IT-Schmiede in Innsbruck. Schließlich können auch heimische Anleger ihr Geld zu beschei-denen Zinsen, aber sehr sicher anlegen und dabei einmal nicht die unbedingt höchste Rendite, dafür aber eine ganz reale, positive

Veränderung im Leben anderer Menschen bewirken.

Dellen im ImageEs überrascht daher nicht, dass Mikrokredite viele Jahre als Wunderwaffe gegen die welt-

weite Armut gefeiert wurden, vor rund zwei Jahren bekam ihr Ruf allerdings

einige entscheidende Kratzer. Wie aber steht es um das Thema heute? Und abgesehen davon: Auf welche Ange-bote können österreichische Anleger und Antragsteller zurückgreifen?

Hier einige Hintergrundinfos und Anregungen. Die Grundidee stammt von Muhammad Yunus aus Bangla-

desch. Nach dem Wirtschaftsstudium in den USA wurde der heute 71-Jährige

in seiner Heimat Professor und „lehrte elegante Wirtschaftstheorien, während

auf der Straße Menschen verhungerten“, wie er sich heute erinnert. 1976 begann er

damit, kleine Beträge an mittellose Frauen zu verleihen – ohne Sicherheiten und zu deutlich

niedrigeren Zinsen als die Wucherer, auf die sie sonst

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Text: Peter Martens

angewiesen waren. Lange wurde Yunus dafür ausgelacht. Doch 1983 gründete er die Grameen Bank, zu deutsch „Dorf-Bank“, und machte weiter. Heute zählt die Bank acht Millionen Kreditneh-mer, die meisten von ihnen Frauen. 2006 bekam Yunus für sein Lebensprojekt den Friedensnobelpreis.

Kredite für die MassenInzwischen wurde das Modell tausendfach rund um den Glo-

bus kopiert. Millionen Menschen konnten damit Werkzeuge, ein Fahrrad, eine Nähmaschine oder ein paar Hühner kaufen, einen Marktstand bauen und so dem Dreieck aus Hunger, Kredithaien und Wucherzinsen entkommen und die Darlehen zurückzahlen. Das wiederum lockt bis heute Finanzfirmen an, die mit überhöh-ten Zinsen unter dem Deckmantel echter Mikrokredite nur echte Rendite erwirtschaften wollen und von Wien bis Neu-Delhi um Investoren werben. Eines davon ist SKS Microfinance aus Indien, das mit dem Versprechen auf hohe Erträge 2010 sogar an die Bör-se ging. Wenige Monate darauf häuften sich im indischen Staat Andra Pradesh, wo SKS besonders aktiv war, die Selbstmorde unter säumigen Schuldnerinnen. Plötzlich kippte weltweit die Stimmung. Nun standen Mikrokredite insgesamt und mit ihnen auch ihr Erfinder Yunus international am Pranger. „Wer sich dar-an bereichert, dass er armen Menschen Geld leiht, ist ein Aus-beuter“, wiederholt der Nobelpreisträger seither immer wieder zu seiner Verteidigung, zuletzt vergangenen November in Wien. Zahlreiche Anbieter würden die Bezeichnung „Mikrokredit“ nur missbrauchen. Auch seien Mikrokredite keine Lösung für struktu-relle Probleme oder Ersatz für sinnvolle Politik.

Geld mit Know-how verbunden„Mikrokredite sind kein Allheilmittel, sondern nur ein Baustein

für Menschen vor Ort, die wirklich etwas unternehmen wollen“, sagt auch Günter Lehnhart, der ehrenamtlich für die österreichi-sche Niederlassung von Oikocredit arbeitet. 1975 vom ökumeni-schen Weltkirchenrat gegründet, ist die Mikrokredit-Organisation heute ein etablierter und verlässlicher Partner für private Geld-geber. 30 Millionen Menschen in 70 Ländern zählt Oikocredit zu ihren Kunden. Über lokale Partner bekommen sie Kredite bis etwa 500 Euro in Landeswährung, bäuerliche Genossenschaften ent-sprechend mehr. Die Rückzahlung erfolgt in der Regel innerhalb eines Jahres, und das trotz Zinsen zwischen neun und elf Prozent. Der eigentliche Mehrwert liegt in der umfassenden Schulung und Betreuung der Kreditnehmer während der unternehmerischen Tätigkeit.

soziale anlage ohne schwankungenAnleger werden ab einem Betrag von 200 Euro Mitglied dieser

Genossenschaft. Oikocredit garantiert eine jährliche Dividende von zwei Prozent und bei Austritt die Rückzahlung der vollen Anlagesumme. „Bei uns gibt es keine Kursschwankungen, kei-ne Depotgebühren und keine zwischengeschalteten Fonds“, so Lehnhart. Die Differenz zwischen Zinsen und Dividende fließt vor allem in die Betreuung vor Ort, dient aber auch als Ausgleich bei Währungsschwankungen. Anders als die meisten kommerziellen Mikrokreditanbieter konzentriert sich die Organisation mit christ-lichen Wurzeln nicht nur auf „bessere“ Gegenden in Asien und Südamerika, sondern verleiht knapp die Hälfte der Gelder in Afri-ka südlich der Sahelzone. Dort ist, wie überall auf der Welt, längst nicht jeder mittellose Mensch gleich ein begabter Unternehmer. Trotzdem geben die Zahlen Oikocredit recht: Die Ausfallquote liegt seit Jahrzehnten bei unter einem Prozent. Haben die anderen 99 Prozent ihren Kredit abbezahlt, darf man davon ausgehen, dass sie mehr haben als ihre leeren Hände – im Idealfall einen funktio-nierenden Kleinbetrieb.

Mikrokredite in ÖsterreichAuch das österreichische Sozialministerium hat ein Mikro-kreditprogramm gestartet. Die Abwicklung übernimmt die Förderbank Austria Wirtschaftsservice aws. Das Angebot richtet sich an Arbeitslose sowie an Firmen ohne Startka-pital, die sonst keine Chance haben, an Geld zu kommen. Nach eingehender Prüfung der Geschäftsidee erhalten Personen bis zu 12.500 Euro und Personengesellschaften bis zu 25.000 Euro plus umfassende Beratung.

Geht es gut, zahlen die Kreditnehmer den Euribor-Zinssatz plus drei Prozent, also derzeit etwa 4,5 Prozent Jahreszins. Das ist kein großes Geschäft für die Finanzierer. Zumal der Mikrokredit weg ist, falls es nicht klappt. Doch es lohnt sich trotzdem: Nach Studien des Instituts für Bildungsforschung der Wirtschaft schafft jede Gründung aus der Arbeitslosigkeit nach fünf Jahren 1,3 zusätzliche Arbeitsplätze. Bisher wur-den 105 Mikrokredite vergeben, 4.000 Anträge liegen derzeit vor. Der Fördertopf umfasst vier Millionen Euro, etwa 2,8 Millionen sind derzeit drin. Sobald ein Kredit zurückgezahlt wird, wird er wieder verliehen. Die Perspektive für Gründer ist gut: Schafft ein Betrieb die ersten Schritte, stehen ihm weitere Förderungsmöglichkeiten offen. Zum Beispiel kann das aws die Haftung für 80 Prozent eines klassischen Bank-darlehens übernehmen. Oder die Gründer beantragen über das aws einen ERP-Kredit aus Mitteln des Marshall-Plans der USA. Eines jedenfalls hat das österreichische Mikrokredit-Programm mit Oikocredit gemeinsam: Auch hierzulande liegt die Ausfallquote bisher bei unter einem Prozent.

Mikrokredite sind zwar kein Wundermittel gegen Hunger und Armut –

aber ein effektives Werkzeug, um Menschen dabei zu helfen, ihre

Geschäftsideen umzusetzen. In Österreich genauso wie in Indien.

die wirtschaft Nr. 1-2 Jänner /Februar12 27

Weil mobile Kommunikation zunimmt, erlaubt inzwischen jede zweite Fir-ma auch mobilen Fernzugriff auf ihre Netzwerke, so Studien des Anbieters für Sicherheitsprogramme, AVG. Des-wegen liegen heutzutage auf so man-chem Smartphone und Tablet-PC hoch-vertrauliche Geschäftsunterlagen und E-Mails. Der gezielte Diebstahl und das unbemerkte „Scannen“ der Endgeräte gehört deshalb leider längst zum All-tag der industriespionage.

Aber auch in der gewöhnlichen Kom-munikation nimmt die Gefahr von Hackerangriffen und Internet-Schad-programmen zu. So gab es bei Angrif-fen auf mobile Endgeräte allein im ersten Halbjahr 2011 einen Anstieg um 273 Prozent. Dabei sei sich nur jedes vierte KMU dieser Gefahr bewusst, so AVG.

Die Devise für Firmen lautet also: Mobile Verbindungen schützen. Aber mit Augenmaß – denn die lautesten Warnungen kommen erfahrungsgemäß immer von jenen, die selbst Schutzpro-gramme verkaufen.

Der Hype um das Cloud-Computing, also das Auslagern von Diensten an externe Rechner mit permanentem mobilem Zugriff, hält seit Jahren an. Ernüchterung ist eingekehrt, da 2011 weder Google Mail, Amazon noch Microsoft oder Paypal vor dramati-schen Ausfällen gefeit waren. Trotz-dem: Cloud-Computing wird weiter-wachsen, denn auch die Vorteile sind evident, allen voran Mobilität und Ent-lastung der eigenen Infrastruktur.

Der stärkste Trend ist jedoch die Zunahme von „Private Cloud“, also die Nutzung durch Privatanwender, die sich bisher vor allem auf Web-Mailer und Streaming-Angebote beschränkten. 2012 werden auch cloud-basierte Storage-Angebote den Endkundenmarkt erreichen. Hier buh-len zahlreiche Anbieter wie Amazon, Google oder Apple mit unterschied-lichen Geschäftsmodellen und in der Regel kostenfreien Basisangeboten um Kunden. In Verbindung mit mobi-len Endgeräten und einfachen, App-basierten Zugangsmöglichkeiten ist zu erwarten, dass die Akzeptanz dieser Dienste steigt.

Das Smartphone wird zunehmend zur Fernbedienung für das gesamte Leben und gewinnt damit auch in der Arbeitswelt enorm an Raum. Immer online, mit externem Gedächtnis und Cloud-Zugriff sind die Taschencom-puter das Verbindungsstück zwischen Firmennetzwerk, physikalischer und sozialer Welt. Inzwischen kommuni-ziert rund ein Drittel der 2,2 Millionen heimischen Handynutzer über Smart-phones. Es bleibt also nach jüngsten

Zuwächsen noch genug luft nach oben.

Dasselbe gilt für Tablet-PCs wie das iPad von Apple oder das Nexus von Samsung. Sie mausern sich gerade vom Gadget zum seriösen Arbeitsmittel. Das verändert nicht nur Arbeitsabläufe und die Kommunikation der Arbeits-welt – es steigert auch die Bedeutung des „Mobile Enterprise Computing“ und der mobilen Applikationen als verlängerter Arm von Unternehmens-anwendungen.

Für Unternehmer bedeutet das unter anderem: Beim Auftritt in der digitalen Welt sollte immer mitgedacht werden, ob er auch auf mobilen Geräten voll zur Geltung kommt.

Die Arbeitswelt wird noch mobiler

Firmennetzwerke werden angreifbarer

Cloud-Dienste wachsen weiter – trotz allem

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6 mobile Trends

28 die wirtschaft Nr. 1-2 Jänner/Februar 12

Tag für Tag wächst das Angebot mobiler Anwendungen, die unser Leben ein-

facher machen sollen. Doch welche sind auch aus Unternehmersicht relevant?

Die WIRTSCHAFT lässt einiges vom aktuellen Hype links liegen und fasst die

wichtigsten aktuellen Trends zusammen.

Der Anteil der Beschäftigten in Euro-pa, die am Arbeitsplatz private mobile Endgeräte nutzten, stieg 2011 von 30 auf 40 Prozent, so Studien der US-Gesellschaft International Data Corp. (IDC). Auch seitens der Firmen ver-stärkt sich dieser Trend. Das Motto dazu: „Bring Your Own Device“. Der Grund: Laut Umfragen von IDC nimmt die Zufriedenheit von Mitarbeitern zu, wenn sie Geld vom Chef für ein eigenes Arbeitsgerät bekommen, das

sie frei auswählen und privat nutzen, aber auch im Job verwenden.

Der „Geräte-Zoo“, von dem viele heu-te umgeben sind, schrumpft so auf verbleibende zwei Werkzeuge: intel-ligentes Handy plus mobiler Rechner, der alle notwendigen Anwendungen an Bord hat. Damit geht ein weiterer Trend einher: Via Cloud-Computing verbreiten sich sogenannte virtuelle Desktops, also externe Abbildungen ganzer Rechner.

Gut für die Firma und für die Mitar-beiter: Mit den virtuellen Desktops wird es möglich, Geschäftliches und Privates strikt zu trennen. Und das auf demselben Endgerät.

Das Internet wird immer wichtiger bei der Kaufentscheidung. So das zentrale Ergebnis einer aktuellen Stu-die von Sensemetric. 93 Prozent der Teilnehmer holen sich information zu Produkten aus dem Netz. Und: Mobile Geräte spielen dabei eine immer wichtigere Rolle. Rund 60 Pro-zent der Befragten nutzen das Handy sogar direkt im Geschäft als Hilfe bei der Kaufentscheidung. Das größte Vertrauen bekommen dabei persönli-

che Erfahrungsberichte im Internet. Ratings wie bei Amazon und eBay wer-den so zum Zünglein an der Waage. Foren, Postings, Facebook und Goog-le+ liegen knapp dahinter. Bewertun-gen werden auch als am stärksten mei-nungsbildend angesehen. Beinahe die Hälfte der Befragten gab an, ihre Erfah-rungen mit Produkten online mitzutei-len, wenn diese besonders positiv oder negativ waren. Zu wissen, was über Produkte und Unternehmen im Web geschrieben wird, ist für Unternehmen und ihre Produkte also zunehmend erfolgsentscheidend.

Ein weiterer Trend, der dieses Jahr an Fahrt gewinnen sollte, lautet Augmen-ted Reality. Darunter versteht man die computergestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung. Doch was bedeutet das konkret? Zum Beispiel, dass sich Monteure mittels mobilen Geräten den nächsten Arbeitsschritt direkt in ihr Sichtfeld einblenden lassen könnten; Katastrophenhelfer könnten sich Ziele und Gefahrenzo-nen im Gelände anzeigen lassen, und

Designer könnten mit tatsächlich und mit virtuell anwesenden Kollegen am selben dreidimensionalen Modell arbeiten.

Tatsächlich schon für iPhone und Co verfügbar sind beispielsweise Anwendungen, die einen durch den Großstadtdschungel leiten und einem informationen zu Geschäften, Firmen und Lokalen liefern. Alles, was man dafür tun muss, ist die Handykamera auf die Umgebung zu richten. Auf dem Display erscheint dann zusätzlich zum Echtzeitbild die Information.

Was jetzt noch ein mehr oder weniger entbehrliches Gadget ist, könnte schon bald in unzähligen Bereichen des All-tags zum Einsatz kommen.

Aus Firmengeräten werden private Geräte

Die Realität erweitern

Konsumenten informie-ren sich per Handy

Text: Peter Martens

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die wirtschaft Nr. 1-2 Jänner /Februar12 29

Es ist eine Marke, deren Glanz unvergänglich scheint. Jaguar zählt zu den exklusiven und herausstechenden Marken im silber-grauen Sumpf der globalen Mehr-von-demselben-Autoindustrie. Kein Wunder, dass ich mit dem Jaguar so viele männliche „Kopf-Nachdreher“ einsackte, wie mit keinem anderen Testfahrzeug – bis jetzt. Jaguar zählt nicht zu den Fuhrparkweltmeistern, und somit trifft man unterwegs selten eine Katze der gleichen Gattung. Auf meinen 1.500 Kilometern durch Österreich: keine einzige. Was für ein exklusives Gefühl sorgt, etwas Besonderes zu bewegen.

Wem jetzt der „Das kann sich keiner leisten“-Reflex auskommt, sei gesagt, dass der Jaguar XF in der überarbeitenten Version als 2,2-Liter-Diesel ab 44.900 Euro zu haben ist. Damit ist er doch für viele erreichbar. Und auch für diesen Einstiegspreis bekommt man britisches Understatement. Der Innenraum ist edel, der Fahrgast-raum herrlich ruhig, das Fahrwerk ein Genuss. Verbesserungswür-dig: Die Achtgangautomatik übertreibt ab und an die Sparsamkeit und fährt in extrem niedrigen Drehzahlbereichen. So tief, dass man die Katze manchmal mittels Schaltwippen am Lenkrad von ihren Qualen erlösen muss. Dennoch: Der Verbrauch gibt dem System recht. Trotz sportlicher Fahrweise erreichte ich mit dem 190 PS und 1,8 Tonnen schweren Model einen Verbrauch von 7,4 Liter. Sechs Liter sollten bei moderater Fahrweise locker drinnen sein.

Ich gestehe: So sinnvoll diese sparsamste Variante eine Jaguars auch ist, hätte ich mich natürlich über einen fauchenden V6 oder brüllenden V8 mehr gefreut. Jaguar ist eine Sportwagenmarke. Dennoch fühlt sich die Revierausdehnung auf Oberklassenlimou-

sinen mit sparsamem Verbrauch richtig an. Einzig die Marken des europäischen Festlandes wird das wahrlich nicht freuen.

Ein Jaguar. Wie das schon herrlich klingt. Der XF ist dabei nicht nur einfach schön, er strahlt auch sportliche Erhabenheit aus. Mit neidvollen Blicken muss man umgehen lernen, denn das Luxusimage der Marke ist stark. Der XF ist also vor allem für jene geeignet, die sich nach Exklusivität sehnen, die nicht mit dem Strom schwimmen wollen. Für Individualisten, vielleicht auch für Unternehmer. Denn ich bezweifle, dass der Fuhrparkmanager den Wunsch nach einem Jaguar verstehen wird.

Ich habe Lust auf mehr von der britischen Katze. Und erwarten kann man sich einiges. Jaguar ist heute im Besitz des indischen Milliarden-Familienunternehmen Tata Motors, dem der qualitäts-mindernde Druck von Quartalsergebnissen nicht bekannt ist. Im Gegenteil: Die Kasse für Forschung und Entwicklung ist prall gefüllt. Aber Achtung: Es besteht die ernsthafte Gefahr, dass eine Fahrt mit einem Jaguar Sie auf ewig für die großen Marken verdirbt. Die Katze ist einfach gut im Fahrer-Fangen.

Technische Daten2,2 Liter Diesel | 190 PS | 450 Nm | 0–100 in 8,5 sec 8-Gang-Automatik Heckantrieb 6,6/4,8/5,4 l (innerorts/außerorts/gesamt auf 100 km) CO2: 149 g/kmPreis: Ab ca. 44.900 Euro

Im Test: Jaguar XF 2.2 Allein sein kann so schön sein

Offenbachers Spielzeugkisten

Hannes Offenbacher ist Unternehmer und Neudenker. Er bloggt auf www.bessergehtsimmer.at

Fotos: © Tony Gigov, www.tonygigov.com

30 die wirtschaft Nr. 1-2 Jänner/Februar 12

Die perfekte FlotteIm Idealfall ist er kosteneffizient, umweltfreundlich und optimal auf die

Bedürfnisse des Unternehmens abgestimmt. Wie sie ihren Fuhrpark managen,

haben wir bei zwei unterschiedlichen Unternehmen nachgefragt.

30 PKW, 1 Sattel-LKW, 1 Motorwagen

Marken aus dem VW-Konzern, LKW von Mercedes

Nein, aber im PKW-Bereich wird Blue-Motion-

Technologie mit geringem Dieselverbrauch eingesetzt

Porsche-Leasing, LKW

keine Angabe

Nur Branding im LKW-Bereich, PKW neutral

Fuhrparkmanager in der Ottakringer Getränke AG

Mittels Servicevertrag

Transporte auf der Schiene im Frachtbereich – aktuell 28 % der

Transportkilometer auf der Schiene, Spritspartraining wird im

Konzern angeboten. Unsere Ziele bis 2015: 10 Prozent weniger CO2-

Ausstoß pro Liter Getränk, Transport: 30 Prozent Schienenanteil

Routex

Vöslauer beschäftigt 170 Mitarbeiter und ist mit einem Markt-anteil von aktuell 42,7 % bei Mineralwasser Marktführer. Insge-samt beträgt der Umsatz der Vöslauer

Mineralwasser AG 88,75 Millionen Euro (2010). Zusätzlich zu Vöslauer Na-

türliches Mineralwasser vertreibt das Unternehmen auch noch die Produkte

Vöslauer Balance sowie die Vöslauer Biolimo. www.voeslauer.com

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Renault / Kangoo, Trafic, Master, Volkswagen / Polos,

Caddys, T5, Crafter, Audi / A3, A4, A5, Q5

Nein

Mehr als 90 % geleast bei Porsche Bank, Porsche Wien Hiet-

zing, Rest im Eigentum

Kosten inkl. Wartung ungefähr € 204.300,00 im Jahr

Ja

Ein eigener Fuhrparkmanager im Betreib

Gleichbleibende Monatspauschale, risikolose Budgetierbarkeit

und exakte Kalkulationsbasis, minimaler Belegfluss. Mehr-,

Minderkilometerabrechnung zu Vertragsende. Vorfinanzierung

der Wartungs- und Reparaturarbeiten

Spritsparende Modelle ergeben sich von selbst durch die neu-

en Motoren von VW und Audi

Routex

Die Wiener Firma Korkisch ist mit knapp 90 Mitar-beitern auf Haustechnik in allen Disziplinen spezi-alisiert – von Solar- über Elektro- bis zur Wellness-technik. Besonderen Wert legt das Unternehmen auf professionelle Durchführung der Aufgaben, ob Neuinstallation, Sanierung und Renovierung, Wartung und Service oder Störungsdienst. www.korkisch.at

vöslauer: Korkisch Haustechnik: WIE VIELE FAHRZEUGE UMFASST DER FUHRPARK?

WELCHE MARKEN, MODELLE?

SIND HYBRID, ELEKTRO- ODER ERDGASFAHRZEUGE DARUNTER?

GELEAST ODER GEKAUFT? WO?

WIE HOCH SIND DIE KOSTEN PRO JAHR FÜR DEN FUHRPARK INKL. WARTUNG?

SIND DIE FAHRZEUGE GEBRANDET?

WER KÜMMERT SICH UM DEN FUHRPARK?

WIE FUNKTIONIERT DIE WARTUNG?

SETZEN SIE MASSNAHMEN ZUR CO2-, SPRIT UND KOSTENREDUKTION?

WIE FUNKTIONIERT DIE TANKABRECHNUNG?

Text: Stephan Strzyzowski

die wirtschaft Nr. 1-2 Jänner /Februar12 31

Elektroautos und RennbolidenGrün oder glühen? Wohin sich die Mobilität in Zukunft entwickeln soll,

zeigten die führenden Automobilhersteller auf der Vienna Autoshow.

Wir waren vor Ort und haben folgende Highlights ausgemacht.

Mit dem SLS AMG V8 (Bild) machte Mercedes deutlich, wie die High-End-Luxuslösungen der traditionsreiche Autoschmiede in Zu-kunft aussehen werden: schnittig, sportlich, nobel – aber hoffentlich nicht immer nur in Rot. Irdischere Gefährten hievten die Stutt-garter mit der dritten Generation der M-Klasse und der aktuellen B-Klasse auf die Bühne. Für Aufsehen sorgte aber vor allem der Vorge-schmack auf das Design von morgen in Form des feschen A-Concept. Bleibt nur zu hoffen, dass möglichst viel davon in Serie geht.

In Form des schnittigen Konzept-Cars D10 e-tron entdeckt nun auch Audi sein grünes Gewissen. Soll doch der umweltfreund-liche Flitzer neue Maßstäbe in puncto Leistungsfähigkeit von Elektromotoren setzen. Zwei E-Motoren leisten satte 204 PS bei einer Beschleunigung von 0 auf 100 binnen 5,9 Sekunden. Scha-de nur, dass das gute Stück nicht in den Handel kommen wird. Mit einer Reichweite von 250 Kilometern wäre er eine beinahe vollwertige Alternative – und vor allem eine formschöne. Citroën präsentierte gleich zweifach

Nachwuchs. Einerseits durfte ein ers-ter Blick auf den DS5 (Bild) geworfen werden, der ab März noch mehr fran-kophilen Luxus auf den österreichi-

schen Markt bringen wird. Andererseits wurde der DS3 Ultra Prestige als kleiner Sprössling der DS-Familie vorgestellt. Urbane Styler werden sich über den Zuwachs im Segment bestimmt sehr freuen.

Einen seltenen Blick auf den elektrobetriebenen C30 konnte man am Stand von Volvo erhaschen. Das Vehikel ohne CO2-Emission wird nämlich nur in einer Miniauflage von 250 Stück produziert und nur ausgewählten Firmen für ihre Wagenflotte angeboten. Die Welt werden die Schweden wohl mit dieser Anzahl nicht retten, doch das Signal ist klar und macht eindeutig Lust auf mehr.

Eine Europapremiere lieferte Porsche mit seinem 911er Carrera Cabrio. Neu ist dabei vor allem die Alu-Stahl-Karosserie. Unver-ändert klassisch ist dagegen das Design. Zum Glück. Klares Ziel der Übung: weniger Gewicht, mehr Sport! Am bewährten Setup ändert sich also wenig.

Feinstaub ade! Auf dem Null-Emission-Trip befindet sich Renault und zeigt, wie die Zei-chen der Zeit schon jetzt zur fahrbaren Rea-lität werden können. Die Franzosen präsen-tierten erstmals in Wien die Businesslimo Fluence und den Stadtflitzer Twizy, durch die Lärm und Gestank Vergangenheit sein sollen.

Ein wahres Monster konnte mit dem Bugatti Veyron be-staunt werden. Mehr als 1.000 PS, Geschwindigkeiten über 400 km/h und ein Preis, für den man sich gut und gern eine ausgesprochen schöne Villa leisten könnte. Samt Personal. Die Devise lautete: Berühren verbo-ten! War er doch bereits verkauft.

32 die wirtschaft Nr. 1-2 Jänner/Februar 12

Beniks Bilderbuch

Martin Benik hat es gut. Der Fotograf aus Wien macht gerade eine Weltreise. Für die WIRTSCHAFT sucht er in der Ferne nach typischen Unternehmern. Das ist einer von ihnen:

Mr. Santi: Das Leben der Thais findet definitiv nicht in ihren

Wohnungen statt. Vielmehr wird auf der Straße gekocht, gegessen,

gewaschen, und genau dort – und nur dort – macht der kleine

Mann auch sein Business. Daher ist es auch kein Wunder, dass

an jeder Ecke Schiebewagen stehen, auf denen gekocht wird, mit

denen man Waren von A nach B karrt. Hergestellt werden diese

Wägen von zahllosen Anbietern, doch wenn es um individuelle

Anfertigung geht, gibt es nur einen: Herrn Santi. In einem Hin-

terhof im Westen von Bangkok sitzt Santi und spannt die Spei-

chen eines Rades, während sein Angestellter ein paar Stangen

zuschneidet. Im Hintergrund flackern die Kerzen am Schrein,

während sich seine Gattin im kleinen Büro um die Buchhaltung

kümmert.

Fast täglich rollt ein neuer Schiebewagen mit der klassischen blau-

en Farbe aus seiner Werkstatt. Wie viele es in seinem Leben waren,

kann man wohl nur an den Farbklecksen an der Wand abschätzen.

die wirtschaft Nr. 1-2 Jänner /Februar12 33

34 die wirtschaft Nr. 1-2 Jänner/Februar 12

Erfolgsfaktor SchönheitEs gibt Menschen, die wesentlich erfolgreicher, beliebter und charismatischer

sind als andere. Woran es liegt, dass sie so viel besser ankommen?

An ihrem erotischen Kapital, meint die Soziologin Catherine Hakim,

und bricht für den gezielten Einsatz der Schönheit eine Lanze.

Die zentralen Ergebnisse ihrer Analyse im Überblick.

Text: Stephan Strzyzowski

Dank schönheit nach obenIntelligenz, Bildung, Fachwissen, Disziplin, soziale Vernetzung

– das sind allgemein bekannte gesellschaftliche Erfolgsfaktoren, mit denen man es weit bringen kann. Es gibt aber noch ein wei-teres persönliches Attribut mit immensem Erfolgspotenzial, das vielfach verkannt und unterschätzt wird: das erotische Kapital. Seine Bedeutung ist laut Hakim, die an der renommierten London School of Economics forscht, enorm gewachsen und mittlerwei-le genauso wichtig wie ökonomisches, kulturelles und soziales Vermögen.

Woraus erotisches Kapital bestehtDoch was kann man sich darunter vorstellen? Erotisches Kapital

ist eine Kombination aus Schönheit, Sex-Appeal, Temperament, Charme und der Begabung, sich geschmackvoll zu kleiden, gar-niert mit sozialer Kompetenz. Es ist ein Zusammenspiel aus kör-perlicher und sozialer Attraktivität. Ob und wie attraktiv jemand wahrgenommen wird, hängt also von mehreren Faktoren als nur einem hübschen Gesicht ab. Ohne soziale Kompetenz, Manieren, einer positiven Selbstdarstellung, dem passenden Outfit, Humor sowie körperlicher Fitness ist die hübsche Physis nur die halbe Miete. Soll das erotische Kapital voll ausgereizt werden, müssen alle Faktoren gepusht werden. Doch dann wirken sie gewaltig.

Wie sich erotisches Kapital entwickeltDer Aufbau des erotischen Kapitals beginnt schon in der frühe-

sten Kindheit, erklärt Hakim. Hübsche Kinder wachsen in einer wohlwollenden Umgebung auf, die ganze Welt lächelt ihnen zu, und sie lernen zurückzulächeln, um Gefallen zu bitten und zu verhandel, wenn sie etwas wollen. Dieser Kreislauf schenkt ein Leben voller kleiner Vorteile. So entwickeln sie früher und rascher Kompetenzen, weil ihnen das Erreichen von Bildungszielen leich-ter fällt und sich das erlernte gesteigerte Selbstbewusstsein durch-wegs positiv äußert.

Wie sehr sich erotisches Kapital auszahltAttraktive Menschen stechen hervor. Andere Menschen bemer-

ken Sie, fühlen sich von ihnen angezogen, begegnen ihnen freund-lich und zugewandt. Übrigens in allen Kulturräumen. Und das schafft soziale und finanzielle Vorteile. Der Grund dafür: Wer attraktiv, charmant und beliebt ist, hat mehr Einfluss auf andere Menschen und folglich auch mehr Erfolg in Beruf und Privatleben. Auch wenn Schönheit und Attraktivität kulturell unterschiedlich definiert werden, ihre sozialen Auswirkungen sind überall mess-bar. So verdienen attraktive Männer und Frauen im Schnitt zehn bis zu 20 Prozent mehr als ihre weniger attrak-tiven Kollegen und Kolleginnen – bei sonst gleichen Voraussetzungen und Qualifikatio-nen. Bei Männern fällt der Schönheitsbonus übrigens noch höher aus als bei Frauen. Der Grund: Offenbar herrschen gewisse Vorbehalte und eine diskriminierende Haltung gegenüber schönen und charismatischen Frauen.

Weniger Geld für MauerblümchenAuch wenn der Gerechtigkeitssinn dagegen rebelliert: Studi-

en aus Nordamerika haben eindeutig gezeigt, dass unscheinbare Menschen weniger verdienen als durchschnittlich aussehende, und die wiederum weniger verdienen als gutaussehende Männer und Frauen. In den USA verdienen attraktive Männer zwischen 14 und 27 Prozent mehr als unattraktive. Besonders stark aus-geprägt ist das Phänomen übrigens bei den jüngeren Altersgrup-pen bis 30 Jahre. Übergewicht hat keinen Einfluss auf die Chan-cen, einen Job zu bekommen, verringert allerdings ebenfalls den Ver dienst.

Wie sich gutes aussehen im Management auswirktStudien haben gezeigt, dass hochattraktive qualifizierte Bewer-

berinnen als weniger qualifiziert angesehen werden als attrakti-

die wirtschaft Nr. 1-2 Jänner /Februar12 35

ve qualifizierte männliche Bewerber. Das Vorurteil, das dahinter steckt: Attraktive Frauen könnten sich leichter durch Heirat mit einem erfolgreichen Mann vom Kurs abbringen lassen. Für Frauen wird Attraktivität auf den oberen Stufen der Karriereleiter also gelegentlich zum Stolperstein. Tatsache ist aber auch, dass attrak-tive Frauen und Männer grundsätzlich mit höheren Einstiegsge-hältern, aber auch mit rascheren Gehaltssteigerungen rechnen dürfen. Der Grund dafür: Physische Attraktivität wird häufig mit gesteigerter Produktivität gleichgesetzt, was laut Catherine Hakim darauf zurückzuführen ist, dass es sich mit attraktiven Menschen besser arbeiten lässt, weil diese ihr Umfeld leichter überzeugen können. Soziale Kompetenz als Element von erotischem Kapital wird hier zum Schlüsselfaktor, gepaart mit der Fertigkeit, sich selbst zu präsentieren.

Tall is beautiful Attraktivität bringt finanziellen Lohn, Größe aber auch. Mitun-

ter sogar noch mehr als die soziale und physische Anziehungs-kraft. Besonders Männern hilft es, groß zu sein. Größere Menschen werden leichter bemerkt und von Kindesbeinen an häufig wie Anführer behandel, sodass sie selbst in diese Rolle schlüpfen. Sie werden in Organisationen leichter Geschäftsführer und Topmana-ger als ihre kleineren Kollegen.

schönheit vs. IntelligenzDie Befunde sind eindeutig: Attraktivere Menschen verfügen

über höhere Einkommen, haben mehr Selbstvertrauen und besse-re berufliche Qualifikationen. Intelligenz aber ist ein noch macht-volleres Gut zur Hebung von Selbstvertrauen, Bildung und Ein-kommen. Doch selbst wenn man die Intelligenz berücksichtigt, trägt gutes Aussehen immer noch zur Erhöhung des Einkommens bei, zum Teil, weil es das Erreichen von Bildungszielen erleich-tert und weil es das Selbstvertrauen stärkt. Der Gesamteinfluss der Attraktivität auf das Einkommen ist in etwa gleich dem von Bildung oder Selbstvertrauen, aber weit geringer als der von Intelligenz allein. Attraktive Menschen sind lockerer im sozialen Umgang mit anderen, wirken überzeugender und sind dadurch im Privatleben ebenso wie in der Öffentlichkeit erfolgreicher. Ein hohes erotisches Kapital hat zudem maßgeblichen Einfluss auf die Einstellung und Beförderungsquote. Daran zu arbeiten zahlt sich also aus.

Erotisches KapitalDas Geheimnis erfolgreicher Menschen

Campus Verlag

ISBN-10 3593394685

Zu schön, um wahr zu seinEin paar Tipps, um sich nicht blenden zu lassen. Von Gerhard Habitzl, Geschäftsführer von Per-sonal-Basis Management:

Wann man achtsam sein muss:In der professionellen Personalarbeit spielt das „erotische Kapital“ eines Menschen vor allem immer dann eine Rolle, wenn Menschen beur-teilt werden. Das passiert zum Beispiel häufig

• imAuswahlprozessimZugederPersonal- aufnahme,

• imAuswahlprozessfürBeförderungenoder für die Aufnahme in spezielle Entwicklungs- programme.

Professionell zu beurteilen heißt:Sich bewusst zu sein, dass die Attraktivität und sexuelle Ausstrahlung eines Menschen die per-sönliche Beurteilung im Allgemeinen stark po-sitiv beeinflussen. Die entsprechenden Fehler-Effekte heißen:

• PrimacyEffekt:DerersteEindruckzählt.

• HaloEffekt–Einextrempositiveroder negativer Eindruck überstrahlt die anderen.

• Sympathie/Antipathie-Effekt–DieBeur- teilung wird durch die vorherschende Gefühls reaktion vereinheitlicht.

Den Bauch beiseite lassen:Auch wenn viele Menschen, auch Topmanager, immer wieder behaupten, sich bei der Beurtei-lung anderer Personen 100-prozentig auf ihr Bauchgefühl verlassen zu können, beweisen seriöse Forschungen seit Jahrzehnten, dass rei-ne Bauchentscheidungen schlechte Ergebnisse liefern. In der professionellen Personalarbeit haben reine Bauchentscheidungen daher nichts verloren.

Um Beurteilungsfehler zu reduzieren, empfiehlt sich:• dieKompetenzdesBeurteilenszuerlernen.

• sichderbesonderenWirkunganderer Menschen auf die eigene Person bewusst zu sein, d. h. sich selbst zu kennen!

• bewussteBeurteilungvon„ersterEindruck“, „attraktives Erscheinungsbild“, „Ausstrahlung“.

• Vier-Augen-PrinzipinderBeurteilung, idealerweise Mann und Frau.

• dieFehleranfälligkeitdes„Interviews“als Methode zu kennen und daher objektivere Auswahlmethoden wie z. B. Tests, Assess- ment-Centers ergänzend einsetzen.

• einklaresAnforderungsprofilzuhabenund jede Anforderung getrennt zu bewerten.

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Profi s erkenntman an der …

Eine Initiative der gewerblichen Immobilienwirtschaft

Für viele Verkäufer gilt: Wenn die Abschlussphase in Verkaufs-gesprächen naht, verändert sich schlagartig ihr Verhalten. Plötz-lich, fast wie auf Knopfdruck, wird ihr Verhalten unverbindlich. Ein Konjunktiv jagt den anderen, ihre Aussagen und Fragen wer-den schwammig. Und der Blickkontakt und ihre Körpersprache? Auch sie werden ausweichend.

Doch warum tun sich so viele Verkäufer mit der Abschluss-phase schwer? Woran liegt es, dass sie so ungern auf den Punkt kommen, obwohl gerade nun Klarheit und Verbindlichkeit nötig wären? Ganz einfach: Sie befürchten, dass der Kunde vielleicht Nein sagt – und dann war all die Mühe vergebens.

ein nein als normal akzeptierenSelbstverständlich erhält niemand gern einen Korb. Für unser

Selbstwertgefühl ist es jedoch wichtig, dass wir ein Nein als möglich erachten und zulassen – beruflich und privat. Denn es gehört zum Leben. Also trifft es jeden einmal. Spitzenverkäufer wissen das. In ihren Verkaufsgesprächen versuchen sie ab einem bestimmten Zeitpunkt den Abschluss aktiv herbeizuführen. Denn ihnen ist klar: Wenn ich selbst unentschlossen bin, kann ich auch von meinem Gegenüber keine Entschlossenheit erwarten.

Tatsache ist, dass die meisten Kunden geführt werden wollen. Sie erwarten dies geradezu. Sie benötigen einen kleinen Anstoß von außen, um endgültig Ja zu sagen. Deshalb werden sie durch mangelnde Verbindlichkeit und Entschlossenheit des Verkäufers verunsichert, und zuweilen veranlasst sie ein solches Verkäufer-verhalten sogar dazu, eine bereits getroffene Kaufentscheidung zu überdenken.

sich für das nein bedankenViele Verkäufer werden rat- und mutlos, wenn sie ein Nein

hören – vor allem, weil sie das Nein meist als endgültig und unabänderlich bewerten. Dies geschieht allerdings eher selten! Meist bedeutet ein Nein des Kunden etwas anderes. Es kann zum Beispiel bedeuten „so nicht“ oder „jetzt nicht“. Was tun Spitzenverkäufer, wenn ein Kunde zu ihnen Nein sagt? Sie bedanken sich hierfür bei ihm. Zum Beispiel, indem sie sagen: „Herr Mayer“ oder „Frau Müller, herzlichen Dank für Ihr offenes Wort.“

Ja, Sie haben richtig gelesen: Der aufmerksamkeitssteigerndste und zugleich die Situation entspannendste Weg, auf ein Nein zu reagieren, ist, sich hierfür zu bedanken: in aller Form. Denn Kun-den rechnen damit nicht. Sie erwarten eher, dass sie sich für ihr Nein rechtfertigen müssen und der Verkäufer gekränkt ist. Doch, dass er sich bedankt? Das erwarten sie nicht. Das fällt auf und hebt den Verkäufer sofort positiv von den meisten seiner Berufs-kollegen ab.

Doch nicht nur das! Hierdurch wird auch das gestärkt, was gerade in der Abschlussphase wichtig ist: das Vertrauen. Denn das Reagieren des Verkäufers auf ihr Nein empfinden die Kunden als angenehm und sympathisch. Also sammelt der Verkäufer in ihren Augen Pluspunkte.

Die Hintergründe des neins erkundenDas bewirkt bei Kunden oft ein spontanes, wohlwollendes

Überprüfen des eigenen Neins. Denn wer sagt zu einem sympa-thischen Gegenüber schon gern Nein? Das ist die ideale Basis, um

Aus Angst vor einem Nein reden viele Verkäufer endlos um den heißen

Brei herum, anstatt zu einem Abschluss zu kommen. Doch es geht auch

anders. Warum man sich auch für eine Absage artig bedanken sollte, und

wie man den Sack zumacht.

Nur ein vom entfernt

NeinJa

Text: Ingo Vogel

38 die wirtschaft Nr. 1-2 Jänner/Februar 12

zum Kunden beispielsweise zu sagen: „Ich verstehe Sie natürlich, Sie haben für Ihr ‚Nein‘ sicher gute Gründe. Eine Bitte: Sagen Sie mir, welche dies sind?“

Wenn Sie so vorgehen, werden Sie merken: Aufgrund der mit Ihrem Danke für das Nein geleisteten Vertrauensarbeit beantwor-ten Ihnen die meisten Kunden diese Frage gern. Sie nennen Ihnen also die wahren Gründe ihres Neins.

Manchmal wiederholen Kunden natürlich auch ihr klares Nein. Akzeptieren Sie dieses dann bitte, und lassen Sie es gut sein.

einen zweiten versuch wagenHandelt es sich allerdings um eine der wahrscheinlicheren

„So nicht“- oder „Jetzt nicht“-Situationen, dann sollten Sie die Antwort hinterfragen – zum Beispiel mit den Worten: „Wie mei-nen Sie das?“, „Was müsste passieren, damit es doch geht?“ oder „Wann wird sich das wohl ändern?“. Spätestens nun nennt Ihnen der Kunde die Hintergründe für seine Ablehnung. Hören Sie also genau zu. Denn hiermit gibt er Ihnen sozusagen eine zweite Chan-

ce, doch noch einen Abschluss zu erzielen – durch ein Verändern Ihre Argumentation oder durch ein Modifizieren Ihres Angebots.

Ist das Nein ein tatsächliches Nein, dann ist dies zu akzep-tieren – vorläufig. Dann gilt es, das Gespräch auf eine angeneh-me Art zu beenden und keine Zeit mehr zu investieren. Doch schenken Sie dem Kunden zum Abschied bitte noch ein richtig gutes Gefühl – zum Beispiel, indem Sie ihn loben oder die Bedeu-tung seines Unternehmens hervorheben. Dann steht Ihnen auch beim nächsten Mal seine Tür offen, und Sie haben erneut eine Chance.

Der Autor:Ingo Vogel ist Rhetorik- und Verkaufstrainer. Er gilt als Experte für emotionales Verkaufen und emotionale Kom-munikation. Der ehemalige Vertriebsingenieur ist unter anderem Autor des Bestsellers „Top Emotional Selling – Die 7 Geheimnisse der Spitzenverkäufer“.

www.ingovogel.de

die wirtschaft Nr. 1-2 Jänner /Februar12 39

Finde die Wahrheit!Er gilt in England als einer der erfolgreichsten Manager aller Zeiten, weil er

aus einem maroden Saftladen eine der weltweit führenden Handelsketten

geschmiedet hat. Und wie er es tat! Zuhören, Vertrauen, Respekt gegenüber

Kunden und Mitarbeitern. That’s it.

Text: Stefan Böck, Fotos: Comsult / Andrew Rinkhy

Die Rede ist von Sir Terry leahy, bis 2011 langzeit-CEO beim dritt-größten Retail-Konzern der Welt, Tesco. Der bescheidene Sir gilt als Erfinder vieler Dinge, die aus dem Handel heute nicht mehr wegzu-denken sind. Er war der Erste, der Klubkarten einführte, CO2-Werte auszeichnete und konsequent auf Nachhaltigkeit setzte. Wir trafen den Manager am Wiener Kongress Comsult zum Gespräch, das Sie hier in Auszügen nachlesen können. Die ungekürzte Fassung finden Sie auf www.die-wirtschaft.at und auf unserer Facebook-Seite.

Können Sie kurz zusammenfassen, was Sie mit Tesco angestellt haben?Tesco hatte nach einer erfolgreichen Gründerzeit viele Jahre Schwierigkeiten. Diese Schwierigkeiten gipfelten darin, dass ein-mal sogar ein Tabakkonzern die Firma übernehmen wollte, dann aber davon absah, weil man zu der Überzeugung gekommen war, Tesco zu übernehmen sei schlecht für das Image. Das muss man sich einmal vorstellen! Marks & Spencer war damals fünfmal so groß wie Tesco. Heute ist Tesco sechsmal so groß wie Marks. Das war der außergewöhnlichste Turnaround in der jüngeren Wirt-

schaftsgeschichte, und wir haben das nicht durch Übernahmen und Zukäufe gemacht.

Was war der Schlüssel zu diesem Erfolg?Wir haben die Sichtweise auf unsere Kunden und Märkte total verändert. Wir haben dadurch plötzlich Chancen und Möglich-keiten erkannt, die wir und auch unsere Mitbewerber bisher über-haupt nicht gesehen haben.

Was waren die Meilensteine beim Tesco-Turna-round?Der Wandel startete mitten in einer Krise. Alle Wirtschaftsdaten zeigten nach unten. Tesco war wirklich bedroht. Es gelang nicht, die Marken-artikler herauszufordern. Gleichzeitig drängten Discounter auf den britischen Markt wie Lidl und Aldi aus Deutschland, denen man damals einen Marktanteil von bis zu 25 Prozent zutrau-te, was aber nichts anderes bedeuten konnte, als dass einer der anderen Marktteilnehmer über kurz oder lang verschwinden würde. Damals glaubten alle, das könne dann wohl nur Tesco sein.

Was haben Sie dann gemacht?Ich habe versucht die Wahrheit herauszufinden. Obwohl Unternehmen heute viel Geld in For-schung stecken, gelangen sie zu keinem wahren Selbstbild, weil sie es verwässern, schönreden. Sie blicken nicht aufrichtig in den Spiegel und unterlassen, was dringend unternommen wer-

den müsste. Manager und auch externe Berater sind oft nicht ehrlich genug. Die Wahrheit über Tesco habe ich von einfachen Leuten, von Kunden erfahren. Sie haben mir gesagt, was schief-läuft. Sie haben mich aber auch auf Stärken hingewiesen, die man im Management schon vergessen hatte. Sie erzählten mir über ihr Leben, mit all dem Druck, den Stress, den Hoffnungen und Ängsten. Und sie haben mir gesagt, was Tesco helfen könnte. Zuhören, das ist alles. Ich habe von einfachen, kleinen Kunden die Turnaround-Strategie für Tesco bekommen. Das klingt simpel, aber so war es.

Stefan Böck im Dialog mit Sir Terry Leahy am Comsult 2012. Leahy kam 1979 als Marketing Director zu Tesco und war von 1992 bis 2011 CEO.

40 die wirtschaft Nr. 1-2 Jänner/Februar 12

Worin genau bestand die Strategie?Die meisten Unternehmen starten mit ihren Produkten und enden beim Kunden. Das haben wir umgedreht. Wir richteten unser Geschäft an den Bedürfnissen der Kunden aus. Wir haben neue Produkte kreiert, neue Services eingeführt, neue Shops gebaut, alles so, wie der Kunde es wollte. Das war ein totaler Paradigmen-wechsel, der sich als erfolgreich herausgestellt hat.

Drohte dieser Prozess jemals zu scheitern?Es gab große Risiken. Eines der Serviceprodukte war die „Club-card“, die damals völlig neu war. Sie war nur möglich, weil die IT-Infrastruktur günstiger wurde und es plötzlich möglich war, große Datenmengen von Kunden zu verwalten. Um an diese Daten zu gelangen, war es aber notwendig, den Kunden Karten auszuhän-digen. Als Gegenleistung muss man den Kunden aber etwas anbie-ten. Der absolute Profit pro Pfund, das ein Kunde bei uns ausgab, lag damals bei vier Cent. Wir dachten, einen oder zwei Cent als Incentive zurückzugeben war wohl das Mindeste. Wir spielten also mit 25 bis 50 Prozent des gesamten Unternehmensprofits. Die allgemeine Meinung damals war, dass das im allerbesten Fall zu einem sehr aufwändigen Nullsummenspiel werden würde.

Warum haben Sie es trotzdem gemacht?Wenn wir das auf dieser Basis im Vorstand diskutiert hätten, gäbe es bis heute keine Clubkarte. Aber ich habe insgeheim in einigen Läden mit wenigen Kunden einen Test gemacht und die haben die Clubkarte vom Fleck weg heiß geliebt. Sie mochten es, erstmals wie-der als Person im Laden bekannt zu sein. In einem Laden, in dem sie möglicherweise vier-, fünftausend Euro pro Jahr ausgeben, ohne dass irgendjemand weiß, wer sie überhaupt sind, und Danke sagt. An dem Tag, an dem mir das klar wurde, wusste ich, es würde ein Erfolg werden. Wir brachten die Clubkarte trotz des hohen Risikos raus.

Was hat Sie so sicher gemacht?Vertrauen. Wir vertrauten unseren Kunden. Wir vertrauten darauf, was sie uns über uns sagten. Nur deshalb haben wir das auf uns Risi-ko genommen. Die Clubkarte hat alles verändert. Wir wurden zum Highperformer und überholten nach kurzer Zeit Saintsbury und Marks & Spencer. Wir wurden Nummer eins und blieben es bis heute.

Welche Management-lektionen haben Sie bei Tesco gelernt?Erstens: Egal in welchem Unternehmen und in welcher Position du bist, finde die Wahrheit heraus. Du kannst dich nicht selbst belügen. Je mehr Daten, Untersuchungen und Studien du anferti-gen lässt, desto höher ist die Chance, dich selbst zu belügen. Du musst ehrlich auf die Situation schauen. Viele Probleme werden nicht gelöst, weil man der Wahrheit nicht ins Auge blicken will. Das gilt auch für die aktuellen Probleme in Europa.

Zweitens: Sei klar in dem, was du tust. Hat man die Wahrheit erst einmal herausgefunden, muss man eine klare Vision davon haben, was jetzt notwendig ist, und alle davon überzeugen. Die Leute werden dich unterstützen, wenn der Plan klar ist. Man muss

ihn dann allerdings auch umsetzen. Das klingt simpel: wissen, wo man steht, wissen, wohin man will, rausgehen und machen.

Warum scheitern trotzdem so viele Manager an diesen vermeint-lich einfachen Dingen?Sie fürchten sich. Unternehmen bauen oft ihre eigene Welt, ihre eigene Wahrheit und beschäftigen sich mit sich selbst, mit Admi-nistration und Bürokratie. Dabei verlieren sie den Blick auf die Welt. Sie betrachten ihren Boss und die Ziele, die er vorgibt, schauen aber nicht auf das ganze Bild, auf die Wahrheit. Das ist ein universelles Problem. Es gibt aber einen kritischen Punkt für jedes Unternehmen, da man zusammenkommen muss, um der Wahrheit ungetrübt ins Auge zu blicken. Jede Organisation muss sich die Kraft bewahren, dies von Zeit zu Zeit zu tun.

Wie sind Sie aufgewachsen, was hat Sie geprägt?Ich bin in Liverpool aufgewachsen. Meine Eltern kamen aus Irland. Wir waren arm. Ich hatte aber das Glück einer guten, kostenlosen, weil katholischen Schulbildung, die mich schließlich an die Uni-versität gebracht hat. Ich habe nie vergessen, welch faire Chance ich bekommen habe, und möchte das auch zurückgeben. Die Her-ausforderung heute ist es zu verhindern, dass ärmere Schichten abgekoppelt werden von der Gesellschaft. Mich hat diese Erziehung geprägt, und der Respekt, den ich trotz meiner Herkunft bekommen habe, hat auch beeinflusst, wie ich später bei Tesco Respekt für die Meinungen und Wünsche von Kunden und Mitarbeitern eingefor-dert habe. Wir behandeln Mitarbeiter respektvoll, egal woher sie kommen, egal welchen Background sie haben. Bei uns arbeiten eine halbe Million Menschen. Sie glauben an ihre Firma, an die Werte, an das Geschäft, weil sie alle gleich willkommen sind. Der Erfolg von Tesco beruht weit mehr auf den Werten als auf Clubkarten. Ein klares Wertefundament, das für eine halbe Million Mitarbeiter glaubwürdig und nachvollziehbar ist, hat den Erfolg erst möglich gemacht. Sie kommen täglich zur Arbeit und geben ihr Bestes.

Wie transportiert man diese Werte in ein Unternehmen, das welt-weit operiert?Wir haben kleinere Arbeitsgruppen gebildet und die Leute gefragt: Wofür glaubst du, steht Tesco? Als Antwort kam: Wir strengen uns für Kunden mehr an als andere. Daraus ist unser erster Wert gewor-den: Service am Kunden. Die zweite Frage war: Wofür möchtest du, dass Tesco in Zukunft steht? Die meisten sagten: Tesco soll ein Ort sein, an dem Leute einander so behandeln, wie sie auch selbst gern behandelt werden möchten. Diese goldene Regel des Respekts wurde unser zweiter Unternehmenswert, und daran versuchen wir uns zu halten. Service und Respekt sind universelle Werte, sie funk-tionieren, egal in welches Land, in welche Kultur wir gehen.

Lesen Sie, was Leahy über Europa, die Krise der EU, die Expan-sion nach Osteuropa, Trends im Handel und über seinen Fußballclub Everton FC sagt: www.die-wirtschaft.at und www.facebook.com/die-wirtschaft

die wirtschaft Nr. 1-2 Jänner /Februar12 41

Porträt. Als Präparator haucht Michael Flasch toten Tieren

eine Brise Leben ein. Dass man seine Geschäftsidee selbst

einst als eine zum Sterben verurteilte betrachtete, war ihm

völlig egal. Und er sollte damit recht behalten.

Text: Daniel Nutz

Ein einladendes Geschäft sieht anders aus. Tritt man in Michael Flaschs Laden, findet man sich in einem skurrilen Sammelsurium lebloser Tiere wieder, die den Verkaufsraum zu einer morbiden Menagerie machen. Das Licht ist gedämpft, denn die Schaufen-sterläden sind heruntergeklappt. Präventiv, da ihm Tierschützer in der Vergangenheit öfter mal die Fenster mit unliebsamen Paro-len beschmiert haben.

Dabei behauptet Michael Flasch selbst, ein Tierfreund zu sein. Sogar Zoologie wollte er früher einmal studieren. Weil ihn das Antlitz unterschiedlicher Tiere von jeher faszinierte. Doch die Profession des Zoologen sei ein Hungerleiderjob, erklärt Flasch, wieso er letztlich doch einen etwas anderen beruflichen Weg ein-geschlagen hat.

Der enthusiastHeute will der 42-Jährige Erinnerungen stiften. Er sieht sich

als eine Art Bildhauer, der für seine Kunden die letzten Lebens-sequenzen der von ihm verarbeiteten Tiere einzufrieren vermag. Flasch ist einer von drei Tierpräparatoren, die sich heute in den Wiener Gelben Seiten finden lassen. In 20 Jahren Selbstständig-keit sind dabei von Löwen, Elefanten über Wild und Vögel bis hin

zu diversen Haustieren die unterschiedlichsten gehäuteten Tiere über seinen Werkstatttisch gewandert. Auf Partys und in Gesell-schaft stieße man mit so einem Beruf schon einmal auf distanzierte Ablehnung, erzählt Flasch, während er durch die engen Räume seiner Firma führt. Das macht dem 42-Jährigen, der eigentlich um einige Lenze jünger aussieht, aber längst nichts mehr aus. Wenn er von seiner Arbeit spricht, hört man Enthusiasmus in seiner Stimme. „Diese Tätigkeit ist immer abwechslungsreich. Nie setze ich die Raspel gleich an. Jede Haut ist anders, hat einen anderen Zug. Das ist das Spannende daran.“ Flasch ist einer, der von seiner Profession überzeugt ist. Das war er schon immer, speziell in der Anfangszeit, in der niemand seiner Idee, sich nach erfolgreicher Lehre und Meisterprüfung als Präparator selbstständig zu machen, recht viel abgewinnen konnte.

ein lebloses Gewerbe?Dass die Familie für seinen Plan der Geschäftsgründung wenig

Gegenliebe aufbringen konnte, erwartete er noch. Doch auch der Berater vom Jungunternehmerservice machte dem angehenden Unternehmer nicht gerade Mut: Das Geschäft gehe binnen eines Jahres den Bach runter, erklärte man ihm. Nachdem alle von der

Der Ausstopfer

42 die wirtschaft Nr. 1-2 Jänner/Februar 12

Selbstständigkeit als Präparator strikt abgeraten hatten, stand Flasch vor 20 Jahren vor der Frage, ob er sich denn wirklich in ein unsicheres Unterfangen stürzen wolle, für das niemand eine geschäftliche Zukunft gesehen hat. Er blieb stur, glaubte an sei-ne Idee und gründete. Die ersten Jahre waren hart, meint Flasch. Schließlich wechsle die einschlägige Kundschaft, die in erster Linie aus Jägern besteht, ihren Präparator ähnlich selten wie ande-re den Hausarzt oder Frisör. Für Quereinsteiger ist da normaler-weise kein Platz – außer man ist so zäh, wie es Michael Flasch war. Wie er das schaffte? Sein Geschäftskonzept liegt in der größt-möglichen Flexibilität gegenüber dem Kunden. Er berät vor der Jagd, macht dabei für die gestandene Jagdkundschaft schon ein-mal den Innenausstatter. Bei anderen Kundenwünschen arbeitet er mit Tischlern oder Schlossern zusammen oder lässt Gemälde und Schilder anfertigen. Oft keine leichte Aufgabe, denn die klas-sischen Handwerker, die ihre Arbeit nach Flaschs Anforderungen erfüllen, werden allmählich rar. „Mir geht es immer darum, dass die Kunden selbst ihre Ideen mit einbringen, um dann gemeinsam eine Umsetzung zu finden. Beratung ist der Schlüssel zum Erfolg“, erklärt Flasch. Mittlerweile ist sein Geschäft eine rentable Sache. Über persönliche Empfehlungen treten immer mehr Kunden via

Internet an ihn heran, sodass er sich mit seinen beiden Mitarbei-tern auch aussuchen kann, welche Aufträge angenommen werden.

Wo Körper entstehenWenn man Flasch bei seiner Arbeit über die Schulter sieht,

erkennt man den Facettenreichtum seiner Tätigkeit. Denn die Zei-ten, in denen die Tiere noch klassisch mit Holzwolle ausgestopft wurden, sind vorbei – weshalb die Bezeichnung „Ausstopfen“ genau genommen längst überholt ist. In der Werkstatt werden exakte Duplikate des Tieres konstruiert. Über feine Drahtkonstruk-tionen lässt sich dabei die Mimik anpassen. Bei größeren Tieren kommt auch schon mal eine vorgefertigte Körper- und Kopfform aus PU-Schaum zum Einsatz, worauf Fell, Federn und Augen in Feinarbeit aufgesetzt werden. „Es ist schön, einen Körper entstehen

Wir machen’s trotzdem Die WIRTSCHAFT stellt in einer Serie Betriebe vor, deren Ge-schäftsidee als überholt, gestrig oder nicht zukunftsfähig gel-ten, die aber dennoch ein Beispiel unternehmerischen Erfolges darstellen. Haben Sie Anregungen? Schicken Sie eine E-Mail an [email protected].

die wirtschaft Nr. 1-2 Jänner /Februar12 43

zu lassen. Wenn es perfekt gemacht ist, kann man nicht erkennen, ob das Tier lebt oder tot ist“, sagt Flasch. Mit seinen Händen hat er bereits die unterschiedlichsten Tiere zum Leben erweckt. Einer der spektakulärsten Aufträge war zweifellos ein indischer Elefant aus einem Zirkus, der mehr als 80-jährig an Altersschwäche gestor-ben war. Andere Kundenwünsche sind weniger prestigeträchtig. Gerade wenn es um Haustiere geht, hat Flasch oftmals ein ungutes Gefühl. Das mag daran liegen, dass einmal ein potenzieller Kun-de mit Hundewelpen vorbeikam und offensichtlich nicht darauf warten wollte, bis die Tiere eines natürlichen Todes dahinscheiden – um sie als Präparat im Wohnzimmer stehen zu haben. Flasch hat den Kunden aus seinem Laden komplimentiert.

Im Clinch mit anrainernVielleicht sind es aber genau Tierquälergeschichten wie diese,

die seine Profession in Verruf gebracht haben, vermutet Flasch.

Im Umgang mit der Bevölkerung aus der Umgebung und mit den Behörden tut sich Flasch nämlich schwer. Seit Jahren versucht er etwa erfolglos, ein neues, größeres und einladendes Geschäftslo-kal zu bekommen. Immobilien hatte er schon zuhauf gefunden. Aufgrund von Anrainereinwänden gab es vom Magistrat bisher aber nie eine Bewilligung.

„Ich habe den Eindruck, dass die Behörden meine Branche aus der Stadt weghaben will“, meint er. Doch daraus dürfte nichts werden. Denn Flasch hat noch immer die gleiche unternehme-rische Sturheit wie zu Gründerzeiten. Dass man sein Gewerbe nicht brauche, habe man ihm schon vor 20 Jahren gesagt. Sein Geschäftserfolg habe mittlerweile das Gegenteil bewiesen. Und überhaupt: Der Mensch übe die Tätigkeit des Präparators seit der Steinzeit aus. So gesehen glaubt Flasch nicht, dass er einer nicht zukunfts- und wandelfähigen unternehmerischen Spezies ange-hört.

„Ich habe den Eindruck, dass die Behörden meine Branche aus der Stadt weghaben will.“

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Bildrätsel. Das Gesicht auf der nächsten Seite kennen Sie vermutlich aus der Buchhandlung oder aus dem Fernsehen. Diesmal geht es um eine Frau, die in mehrfacher Hinsicht Würze ins Business bringt.

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Was mich ausmacht?

1 Mein Geburtsort: Busan, Südkorea 2 Darin war ich in der Schule gut: Überall, ob Koreanisch, Mathematik oder im 100-Meter-Lauf. Ich war eine richtige Streberin. 3 Das konnte mir die Schule nicht beibringen: Gutes Englisch 4 Das wollte ich als Kind später einmal werden: Modedesignerin 5 Damit habe ich mein erstes Geld verdient: Mit selbstgeschneiderter Mode 6 Das ist das Schöne an meinem Beruf: Gäste, die zufrieden nach Hause gehen 7 Diese Person ist/war für mich ein Vorbild: Meine Mutter 8 Dieses historische Ereignis hat mich sehr beeindruckt: Der Fall der Berliner Mauer 9 ich liebe diese Musik: Früher hauptsächlich Jazz, heute vermehrt auch Klassik. 10 Davor habe ich Angst: Ich bin ziemlich furchtlos. Angst verbanne ich aus meinen Gedanken, das klappt irgendwie auch 11 Mein liebstes Reiseziel: Dort, wo es warm ist und wo es ein Meer gibt 12 Das esse ich am liebsten: Reis 13 Dabei kann ich mich gut entspannen: An der linken Schulter meines Mannes 14 Das hasse ich wirklich: Wenn ich belogen werde. Irgendwann fliegen die Lügen auch immer auf 15 Das ist für meinen Job unentbehrlich: Chili und kleine, scharfe Messer 16 Davon möchte ich mehr haben: Liebenswürdige Menschen, die mir echte Freunde sind.

die wirtschaft Nr. 1-2 Jänner /Februar12 45

nicht gegeben. Ich wollte etwas Neues machen, eine neue Heraus-

forderung. Da kam wieder meine Mutter ins Spiel, die sagte: „Wenn

du ein Restaurant aufmachst, bist du nie hungrig.“ Sie musste es

wissen, schließlich führte sie in Korea selbst ein Gourmet-Restau-

rant. Besonders wichtig ist mir mein „Kim kocht Shop & Studio am

Naschmarkt“, mit dessen Erlös ich das Projekt „Neuer Wind“ finan-

ziell unterstütze. Diese Initiative soll engagierten Jugendlichen mit

Migrationshintergrund durch die Förderung ihrer Weiterbildung

den Einstieg ins Berufsleben erleichtern und ihnen neue Perspek-

tiven aufzeigen. Was kann man sich als Unternehmerin Schöneres

wünschen? Eigentlich nichts, ich möchte jedenfalls meinen Weg

weitergehen und noch viel Neues ausprobieren.

Sohyi Kim, Hauben-Gastronomin, Buch-autorin, Fernsehköchin aus Wien: Ich war 19,

als ich von Südkorea nach Österreich gekommen bin. Warum?

Weil ich eine neue Welt kennenlernen wollte. Ich habe von Prin-

zen und von opulenten Ballsälen geträumt und von einer Welt, in

der Frauen alle Freiheiten haben. Freiheit hab ich mir dann auch

selbst genommen und Mode studiert. Nach dem Studium wurde

dann mein eigenes Label mit eigenen Designs gegründet. Dazu

ermutigt hat mich meine Mama, die bis zu ihrem Tod meine wich-

tigste Beraterin und Freundin war. Von ihr stammt der Rat: „Mach

dich selbstständig, sobald du drei Knöpfe hast.“ Fünf Jahre habe ich

letztlich in der Modewelt zugebracht. Die Erfüllung hat es mir aber

Was mich ausmacht!

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46 die wirtschaft Nr. 1-2 Jänner/Februar 12

Der Regenwald brennt

Unterstützen Sie den WWF und sichern Sie ein Jahr lang 500.000m2 Regenwald. Nur mit Ihrer Hilfe überlebt auch der Jaguar.

www.wwf.at ZVNr.: 751753867 Foto: istockphoto.com Kreation: www.gaijeger.at

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5,– Euro löschen das Feuer.

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„Ich bin von der Natur her Optimist. Wenn Europa die Probleme 1945 lösen konnte, dann kann es das auch heute! Wie aus allen Krisen wird Europa auch aus dieser Krise gestärkt und europäischer hervorgehen. Natürlich werden wir auch in zehn Jahren noch mit dem Euro bezahlen.“

Europäische Leadership: „Deutschland bemüht sich darum, Europa wieder auf einen Stabilitätskurs zu führen, der notwendig ist, um das Vertrauen in die Zukunft der europäischen Märkte und der Währung zu stärken. Der Pluspunkt ist, dass Deutschland und Frankreich momentan zusammenarbeiten. Das war immer gut für Europa. Es wäre zweifelsfrei vernünftig, wenn diese Zusammenar-beit auf Polen erweitert würde. Polen ist das Land mit der größten Wachstumsrate, sozusagen der Wirtschaftsmotor der Union, und es repräsentiert die Länder aus dem vormaligen Machtbereich der Sowjetunion. Deshalb bin ich der Meinung, dass dieses Dreieck eine Antriebsgruppe sein könnte, um den Prozess der europäischen Integration voranzutreiben. Wobei klar sein muss, sie sollen antrei-ben und nicht anderen deren Meinung aufzwingen.“

Ratingagenturen: „Europa muss sich Gedanken darüber machen, ob man die Beurteilung der ökonomischen Situation allein ameri-kanischen Ratingagenturen anvertrauen will. Es kann nicht richtig

sein, dass alle tonangebenden Agenturen alle in derselben Stadt ansässig sind und aus dem Blickwinkel eines anderen Währungsge-bietes zu ihren Ergebnissen kommen. Ich glaube, dass solche Agen-turen kein Meinungsmonopol haben. Deshalb möchte ich nicht eine, sondern mehrere europäische Ratingagenturen sehen.“

Wirtschaftspolitik: Wir brauchen eine europäische Wirtschafts-politik. Das war schon klar, als wir mit der Währungsunion begon-nen haben. Leider ist auch Deutschland damals nicht mit dem Gewicht, wie es gekonnt hätte, für eine wirtschaftliche Koordinie-rung eingetreten. Heute wissen wir noch mehr, wie nötig eine stär-kere Abstimmung der Politik ist, was nicht bedeutet, dass wir die Eigenheiten der einzelnen Volkswirtschaften aufheben sollen. Ich mahne ein, dass wir aber noch viel weiter gehen müssen. Das ist absolut notwendig.

Erweiterung: Bereits in den 1960er-Jahren hat man der Türkei einen Beitritt in Aussicht gestellt. Rückblickend war das natürlich verfrüht. Aber die Türkei von damals ist nicht mehr die Türkei von heute. Versprechen müssen eingehalten werden. Wenn man wie jetzt Verhandlungen führt, muss, bei einem erfolgreichen Abschluss dieser, ein Beitritt die Konsequenz sein. Was die anderen Staaten in Europa angeht, muss das von Fall zu Fall entschieden werden.

Diesmal zum Thema: Ist europa noch zu retten?

Downgrading, Schulden- und Vertrauenskrise. Liegt das Jahrhundertprojekt

Europäische Union in den letzten Zügen? Keineswegs, befindet der ehemalige

deutsche Außenminister, Vizekanzler und Mitarchitekt des Euro

Hans-Dietrich Genscher. Am Rande des Wiener Kongresses Comsult

erklärte er uns, wieso Europa gestärkt aus der Krise gehen wird.

Hans-Dietrich Genscher... ...sieht in der Krise ......eine Chance für Europa

Ein paar klare Worte, bitte!

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48 die wirtschaft Nr. 1-2 Jänner/Februar 12

DER SPASS:Eines vorweg: Wen Richard Lugner dieses Jahr beim Opernball anschleppt, ist uns wie Ihnen vermutlich völlig egal. Doch der Event selbst wird es auch dieses Jahr wieder in sich haben. Am 16. 2. werden all jene, die es geschafft haben, Karten zu ergattern, ausreichend Gelegen-heit haben, mit Reich, Schön und Wichtig zu networken und – so sie ein freies Plätzchen finden – auch zu tanzen. Heuer erstmals unter der Leitung des Tanzschulinhabers Ismet Özdek.

Das Tanzbein kann übrigens auch am Tag darauf beim Hofburg Ball der Wiener Wirtschaft geschwungen werden. Dort treffen die Wiener Unternehmerinnen und Unternehmer zusammen, um zu feiern. Und ein wenig darf wohl auch über das Geschäft geredet werden.

Wem dann noch immer nicht die Puste ausgeht, kann beim Juristenball in der gleichen Location am nächsten Tag noch einmal einen drauf machen und den Frust über etwaige Rechtsstreitigkeiten für einen Abend beiseiteschieben.

DAS BUSiNESS: Am 15. 2. können sich Unternehmer von 8 bis 10 Uhr in der Operngasse 17–21, 1040 Wien, darüber informieren, wie sie mit gezieltem Empfehlungsmanagement zu Neukunden gelangen.

Das AußenwirtschaftsCenter Barcelona organisiert vom 27. bis 29. 2. eine Marktsondierungsreise zum Mobile World Congress 2012 in Barcelona. Die WKÖ unterstützt die Teilnahme, indem bis zu 50 Prozent der Eintrittskosten übernommen werden.

Von 9. bis 12. 2. geht im Messezentrum Salzburg die Bauen+Wohnen Salzburg 2012 über die Bühne. Die Stichworte: rund 500 Aussteller, alle wichtigen Marktführer der Branche, weltweite Topmarken und Innovationen.

Auch wenn böse Zungen anderes behaupten – beim Wiener Opernball

geht es in Wahrheit gar nicht ums Networking, ums Sehen und Gesehen-

werden. Schon gar nicht um gesell-schaftlichen Status und erst recht nicht

um mediale Aufmerksamkeit. Alles Quatsch! In Wahrheit stehen

doch die schönen Künste im Mittel-punkt des Geschehens. Ein besonderes

Highlight ist zum Beispiel der traditionelle Ausdruckstanz in Strumpfhose, wie hier im Bild

zu sehen.

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Director’s Cut

Bei der Konzeption einer Ausgabe müssen immer diverse Fragen beantwortet werden. Wir diskutie-

ren über aktuelle Themen und Entwicklungen, sichten Pressematerial und versuchen eine optimale

Zusammenstellung zu finden, um für ein abwechslungsreiches Lesevergnügen zu sorgen. Viele die-

ser Punkte lassen sich rasch und vor allem pragmatisch abhandeln.

Doch wenn es um die Auswahl großer Themen, zum Beispiel für die Coverstrecke, geht, spielt der

Glaube plötzlich eine wesentliche Rolle. Und zwar der, den es braucht, um die Überzeugung zu

schaffen, dass man das Richtige tut. Warum eigentlich? Vermutlich, weil es vorab keine Garantie

dafür gibt, dass man wirklich den Nagel auf den Kopf trifft, und die Gefahr danebenzuliegen durch-

aus groß ist. Was übrigens auch für Coverentwürfe gilt, wie auf dieser Seite zu sehen ist.

Glaubst du wirklich, dass dieses Thema irgendjemanden interessiert, dass man dazu Material findet,

dass es am Cover überhaupt etwas verloren hat?, fragt man und diskutiert, bis endlich alle daran

glauben. Bei dieser Ausgabe ist es sehr rasch gegangen. Vielleicht weil die Krise, die wir gerade in

so vielen Bereichen erleben, auch eine Krise des Glaubens ist.

Das Thema brennt. Was auch unsere Umfrage (Seite 18) gezeigt hat: Nur mehr 62 Prozent der KMU

glauben an unser Wirtschaftssystem. Was jetzt also bitter nötig wäre, sind Signale, die beweisen, dass

man noch oder zumindest wieder an die Tragfähigkeit und die Zukunft unserer Systeme glauben kann.

Wie solche Signale aussehen könnten, wurde auch auf dem Wiener Kongress Comsult ausgiebig disku-

tiert, wo Gesamtchefredakteur Stefan Böck, nach einem Interview mit Ex-Tesco-Boss Sir Terry leahy,

die Chance auf ein Shakehand-Foto mit lech Walesa witterte. Es gab dafür nur eine Gelegenheit: der

Moment, in dem Walesa den Raum verlassen würde. Der anwesende Fotograf wurde informiert, und

man nahm in einer Gasse aus Stühlen Aufstellung, durch die Walesa kommen sollte. Als er dies

tatsächlich tat, riss Böck all seinen Mut zusammen, streckte ihm die Hand entgegen und sagte:

„Mister Walesa, what a great honour to meet you here today.“ Walesa, voll Profi und an solche

Überfälle wohl gewöhnt, lächelte mit ihm gemeinsam in die Kamera, drückte seine Hand, und weg

war er. Jene Generation, die den Umbruch im Osten miterlebt hat, wird verstehen, welche Bedeu-

tung eine noch so kurze Begegnung mit einem der größten Helden der 1989er-Revolution hat,

und ihm die kleine Nötigung nachsehen. Ob die Politiker von heute solche Helden von morgen

werden? Auch wenn jetzt noch keiner daran glaubt: Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt! (str)

Glaube, Helden, Hoffnung

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