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Die Zeitung für Medizinstudenten und junge Ärzte ZEITUNG Digitaler Nachschlag der Ausgabe 05/07 ∙November/Dezember 2007 ∙ In Kooperation mit dem Georg Thieme Verlag ∙ www.medi-learn.de Dem Zelltod auf der Spur Die EU-Kommission fördert ein neues Marie-Curie-For- schungsnetzwerk zur Ausbildung von Nachwuchswissen- schaftlern an der Universität Ulm. Mehr über das Projekt „Death Train“ auf Seite 07. Digitaler Nachschlag Die persönliche Entscheidung zählt Organspende schenkt Leben - darüber sind sich die Menschen einig. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) entwickelt eine neue Unterrichtseinheit zum Thema Organspende. 10 Ein ewiger Kreislauf David Simons hat einen Aufsatz aus Sicht eines kleinen Jungen verfasst, dessen Thema „Tod und Sterben“gerade auch Mediziner interes- sieren dürfte. 07 09 Realität statt Famulatur 4 Wochen im Emergency-Camp Sewa Ashram, Delhi – Klinik und Auffanglager für die Unberührbaren Indiens von Martin Wendland N amaste rief mir der Junge freundlich zu. Er hatte eine Krücke unter dem rechten Arm, und sein Bein war in einer Schie- ne eingegipst. Fröhlich humpelte er auf mich zu, um anschließend seine Hände senkrecht auf Nasen- höhe zu halten. Namaste – Will- kommen auf Hindi. Ich war endlich angekommen in „Sewa Ashram“, einem Camp, das sich als Stätte der Zuneigung und Genesung für die Ärmsten versteht. Die ganze Nacht über war ich mit dem Zug von Mumbai nach Del- hi gefahren, anschließend mit ei- ner Auto-Rikschah fast 2 Stunden durch die Stadt in einen der vielen Vororte gefahren - 2 Stunden durch Lärm, Dreck, Um- weltverschmutzung und Menschen. Menschen über Menschen. Delhi war noch chaotischer als Mumbai. Meine Lungen schmerzten, und am ganzen Körper zitterte ich. Jetzt stand ich in einem kleinen Pa- radies: Eine kleine Klinik, ein paar Hütten, und eine kreisrunde über- dachte Fläche (dem „Circle“), un- ter der ein paar Betten angeordnet waren, ein Feld und eine park- oder gartenähnliche Bepflanzung. Hinten am anderen Ende ein schilf- gedecktes Gebäude, in dem sich ein kleiner Altar und ein paar hinduis- tische Gottheiten befanden. In eine der Hütten bekam ich ein Zimmer, in dem man fast schon das Gefühl eines Indiana Jones bekommen konnte. Vor der Tür Bananenbäume und ein alter Holz- tisch. Wenn ich mich dem „Circle“ näherte, so verließ mich aller- dings der paradiesische Vergleich: Viele Menschen, die meisten von schweren Erkrankungen gezeich- net, viele mit amputierten Beinen, die in ihren Betten lagen, oder an Spinnrädern als Beschäftigungsthe- rapie saßen. In der kleinen Klinik sah es nicht viel besser aus. In alten ausrangier- ten Krankenhausbetten lagen unter unzähligen Ventilatoren schwerst- kranke Patienten. Im Behandlungs- raum eine Liege, Schränke und al- lerlei Geräte – gesponsort aus aller Herren Ländern. Als ich eine Schublade auszog, entdeckte ich das Chaos pur: alle Ampullen lagen bunt durcheinan- der, man konnte überhaupt nichts finden. Der Staub sammelte sich in den Ecken, und die Geckos hu- schten nur so umher. Dennoch: Mit der Ausstattung und den Möglich- keiten die hier vorhanden waren, war es hier ausgesprochen reinlich – im Indischen Vergleich natürlich. Es gab nur eine Handvoll Mitarbei- ter. Zwei indische Krankenschwe- stern, deren Arbeitsmoral manch- mal etwas darniederlag, ansonsten westliche Laien -mit Erfahrung- und vor allem ehemalige Patienten. Aufgrund dieser Zusammensetzung war das soziale Gefüge eine hoch angespannte Mischung. Einen Arzt gab es nicht, nur alle 3-4 Tage kam mal ein freiwilliger Doc vorbei, der sich die Krankenakten und ein paar Patienten anschaute. Trotzdem ein Paradies für die Schwächsten der Gesellschaft! „Please come doctor!“ Als ich ankam blieb mir nicht viel Zeit zur Eingewöhnung. Trotz al- ler Beschwichtigungen, dass ich nur ein Student sei, wurde ich voll eingebunden. Ich musste Entschei- dungen treffen, für die ich gefühls- mäßig noch nicht so weit war, und Sachen machen, die ich wahrschein- lich nie wieder machen werde. Allerdings blieb keine andere Wahl. Die Menschen starben so oder so, oder regenerierten sich, da hat- te mein dazutun wenig Auswir- kungen. „Noch vor einigen Monaten sah es hier noch viel schlimmer aus, wir wussten gar nicht was wir zuerst machen sollten“ sagte ein Schweit- zer, der hier hängengeblieben war. Auch jetzt war es knallhart: wer die Medikamente auch wirklich einnahm und vertrug, der überlebte, wer nicht, der blieb auf der Strecke. Und das auch ziemlich schnell. weiter auf Seite 2 New Delhi landscape

Digitaler Nachschlag 05/2007

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Zusätzlich zur eigentlichen Zeitung bieten wir euch zudem seit der Ausgabe 04/2005 den sogenannten Digitalen Nachschlag: nicht alle Artikel konnten immer komplett und in voller Länge in die Zeitung aufgenommen werden und finden ihren Platz in einem ergänzenden PDF, das ihr nachfolgend ebenfalls downloaden könnt.

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Die Zeitung für Medizinstudenten

und junge Ärzte ZEITUNGDigitaler Nachschlag der Ausgabe 05/07 ∙November/Dezember 2007 ∙ In Kooperation mit dem Georg Thieme Verlag ∙ www.medi-learn.de

Dem Zelltod auf der SpurDie EU-Kommission fördert ein neues Marie-Curie-For-schungsnetzwerk zur Ausbildung von Nachwuchswissen- schaftlern an der Universität Ulm. Mehr über das Projekt „Death Train“ auf Seite 07.

DigitalerNachschlag

Die persönliche Entscheidung zähltOrganspende schenkt Leben - darüber sind sich die Menschen einig. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) entwickelt eine neue Unterrichtseinheit zum Thema Organspende. 10

Ein ewiger KreislaufDavid Simons hat einen Aufsatz aus Sicht eines kleinen Jungen verfasst, dessen Thema „Tod und Sterben“gerade auch Mediziner interes- sieren dürfte.07 09

Realität statt Famulatur 4 Wochen im Emergency-Camp Sewa Ashram, Delhi – Klinik und Auffanglager für die Unberührbaren Indiensvon Martin Wendland

Namaste rief mir der Junge freundlich zu. Er hatte eine

Krücke unter dem rechten Arm, und sein Bein war in einer Schie-ne eingegipst. Fröhlich humpelte er auf mich zu, um anschließend seine Hände senkrecht auf Nasen-höhe zu halten. Namaste – Will-kommen auf Hindi. Ich war endlich angekommen in „Sewa Ashram“, einem Camp, das sich als Stätte der Zuneigung und Genesung für die Ärmsten versteht. Die ganze Nacht über war ich mit dem Zug von Mumbai nach Del-hi gefahren, anschließend mit ei-ner Auto-Rikschah fast 2 Stunden durch die Stadt in einen der vielen Vororte gefahren -

2 Stunden durch Lärm, Dreck, Um-weltverschmutzung und Menschen. Menschen über Menschen. Delhi war noch chaotischer als Mumbai. Meine Lungen schmerzten, und am ganzen Körper zitterte ich.Jetzt stand ich in einem kleinen Pa-radies: Eine kleine Klinik, ein paar Hütten, und eine kreisrunde über-dachte Fläche (dem „Circle“), un-ter der ein paar Betten angeordnet waren, ein Feld und eine park- oder gartenähnliche Bepflanzung.Hinten am anderen Ende ein schilf-gedecktes Gebäude, in dem sich ein kleiner Altar und ein paar hinduis-tische Gottheiten befanden.In eine der Hütten bekam ich ein Zimmer, in dem man fast schon das Gefühl eines Indiana Jones bekommen konnte. Vor der Tür Bananenbäume und ein alter Holz-tisch. Wenn ich mich dem „Circle“ näherte, so verließ mich aller-dings der paradiesische Vergleich: Viele Menschen, die meisten von

schweren Erkrankungen gezeich-net, viele mit amputierten Beinen, die in ihren Betten lagen, oder an Spinnrädern als Beschäftigungsthe-rapie saßen.In der kleinen Klinik sah es nicht viel besser aus. In alten ausrangier-ten Krankenhausbetten lagen unter unzähligen Ventilatoren schwerst-kranke Patienten. Im Behandlungs-raum eine Liege, Schränke und al-lerlei Geräte – gesponsort aus aller Herren Ländern.

Als ich eine Schublade auszog, entdeckte ich das Chaos pur: alle Ampullen lagen bunt durcheinan-der, man konnte überhaupt nichts finden. Der Staub sammelte sich in den Ecken, und die Geckos hu-schten nur so umher. Dennoch: Mit der Ausstattung und den Möglich-keiten die hier vorhanden waren,

war es hier ausgesprochen reinlich – im Indischen Vergleich natürlich. Es gab nur eine Handvoll Mitarbei-ter. Zwei indische Krankenschwe-stern, deren Arbeitsmoral manch-mal etwas darniederlag, ansonsten westliche Laien -mit Erfahrung- und vor allem ehemalige Patienten. Aufgrund dieser Zusammensetzung war das soziale Gefüge eine hoch angespannte Mischung.

Einen Arzt gab es nicht, nur alle 3-4 Tage kam mal ein freiwilliger Doc vorbei, der sich die Krankenakten und ein paar Patienten anschaute.Trotzdem ein Paradies für die Schwächsten der Gesellschaft!„Please come doctor!“ Als ich ankam blieb mir nicht viel Zeit zur Eingewöhnung. Trotz al-ler Beschwichtigungen, dass ich

nur ein Student sei, wurde ich voll eingebunden. Ich musste Entschei-dungen treffen, für die ich gefühls-mäßig noch nicht so weit war, und Sachen machen, die ich wahrschein-lich nie wieder machen werde.

Allerdings blieb keine andere Wahl. Die Menschen starben so oder so, oder regenerierten sich, da hat-te mein dazutun wenig Auswir-kungen.„Noch vor einigen Monaten sah es hier noch viel schlimmer aus, wir wussten gar nicht was wir zuerst machen sollten“ sagte ein Schweit-zer, der hier hängengeblieben war. Auch jetzt war es knallhart: wer die Medikamente auch wirklich einnahm und vertrug, der überlebte, wer nicht, der blieb auf der Strecke. Und das auch ziemlich schnell.weiter auf Seite 2

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Neben den Tuberkulosekranken und HIV-Patienten gab es sehr viele orthopädische Patienten. „Zustand nach Amputation“ hätte man in un-zählige Akten schreiben können. Ich habe noch nie so viele verstüm-melte Gliedmaßen gesehen, am-putierte Menschen, die mit etwas Glück ein paar Krücken besassen oder gar einen Rollstuhl. Wer Pech hatte, kroch auf dem Boden herum. Hier im Camp musste das niemand, aber draußen…Meistens verletzen sich die Men-schen bei der Arbeit, im Straßenver-kehr oder bei ganz banalen Unfäl-len. Aus den verdreckten, schlecht heilenden Wunden der schlecht er-nährten Menschen entwickeln sich dann meisten unkontrollierbare eitrige Geschwüre. Ganze Fleisch-teile, Hautfetzen werden nekrotisch und lösen sich. Anschließend set-zen sich Maden in das nekrotische Gewebe und fressen es bis auf den Knochen runter. Wenn diese Patienten überhaupt eine Behandlung erfahren, dann nur eine stümperhafte, die ihnen oft noch mehr Probleme bereitet als sie so schon haben.Ist ein Bein gebrochen, dann wird einfach ein Gips drumgeknallt. Egal, ob die Knochen vielleicht völlig verschoben sind, egal ob es ein offener Bruch ist, egal dass die Haut unter dem Gips infiziert und verletzt ist.„Helicopter“ ist so ein Beispiel. Aufgrund einer Verletzung am Knie wurde sein Bein einfach durch ei-nen Gips gepackt. Da er sich durch die ungünstige Konstruktion nur mit kreisenden Arm- und Beinbe-wegungen fortbewegen kann, be-kam er so seinen Spitznamen.Nach mehreren Monaten im Gips (ohne Wechsel zwischendurch) ist sein Kniegelenk jetzt nicht mehr beweglich. Was so etwas aber in einem Land wie Indien bedeutet, kann man sich als westlicher Wohl-standsmensch kaum ausdenken.Wer in Indien einen Fuß, ein Bein, oder Arm verletzt, der ist ganz schnell zur bittersten Armut und zum Tode verurteilt – auch wenn die Wunden abheilen.

Wer nicht laufen kann, kann auch nicht arbeiten. Somit verliert er die wenigen Rupies als Einnahmequel-le – der Teufelskreis nimmt seinen Lauf. „Fast tot? Kommen Sie doch morgen wieder!“Ich begleitete oft Patienten in die Krankenhäuser. Jedes Mal bedeute-te es für alle Beteiligten einen Kraft- und Balanceakt.Mit einem Ambulanzwagen fuhren wir die 30km bis nach Delhi rein in 1, manchmal auch 2 Stunden. Mit-ten durch den dicken Verkehr.Auch bei Notfallpatienten machte niemand dem Krankenwagen mit „Tatütata“ platz – Blaulicht, Am-peln…. Is´ doch nur zur Dekoration, oder? Und wen stört es schon, wenn ein armer Mensch in einem Kran-kenwagen stirbt… - SO kam es mir oft vor, sogar im Krankenhaus. Die Ärzte –chronisch überlastet- meistens genervt, die Kranken-häuser dreckig und in den Betten manchmal 2-3 Patienten.Das war der zweite Kulturschock, den ich erlebte. Krankenhäuser – Orte an denen Menschen genesen sollen, in denen Menschen gerettet werden. So dachte ich eigentlich im-mer. Nicht aber in Indien.Hier wird das Leiden gegen Geld mehr oder weniger verwaltet und hin- und hergeschoben.Bis ein Patient endlich stationär aufgenommen wird, kann er schon mehrfach gestorben sein. Die Kran-

kenhäuser sind überfüllt, und wie der Straßenverkehr ständig in der Gefahrenzone eines Kollapses. Ein Gang zum Krankenhaus gestal-tet sich in den meisten Fällen zu einem Hürdenlauf. Zuerst muss der Patient zur OPD (out-patiens-de-partment), wofür er sich in minde-stens 2 Schlangen anstellen muss, um wieder von Tür zu Tür gescho-ben zu werden.Die wartenden Menschen sind ge-reizt, zuweilen aggressiv und ein schwacher kranker Mensch hat in der Regel schlechte Karten alleine den Kampf aufzunehmen. Wer in einen Behandlungsraum möchte muss sich mit aller Kraft durch eine Menschenmenge durchdrängeln, ansonsten kann es sein, dass er trotz Registrierung einfach nicht mehr drankommt. Die Luft ist schlecht, es ist heiss und nur ein paar Ventila-toren sorgen für etwas Linderung.Oft fällt in Delhi der Strom aus, auch in den Krankenhäusern Dann stehen die Menschenmassen im Dunkeln in diesen manchmal ver-liesähnlichen Bunkern, die sich Krankenhäuser schimpfen. Ist man endlich mal im Doctor’s room heißt es wieder warten. Meist sitzen mehrere Docs um einen großen Tisch herum und behandeln gleichzeitig mehere Patienten – Da-tenschutz, Schweigepflicht, Privat-sphäre….was ist das?

Dann ist man endlich dran, und wenn man Glück hat wird man nicht wieder nach Hause ge-schickt. Glück? Meistens erklären die indischen Ärzte den Patienten NICHTS! Die einfachen Bürger haben meist überhaupt gar kein Wissen über Gesundheit und Medi-zin. Keine Werbung, keine Gesund-heitsmagazine, nichts – zumindest für die Ärmeren nicht.Wenn man dann „Glück“ hat auf-genommen zu werden, dann geht der Marathon weiter zur entspre-chenden Fachabteilung. Und wenn die dann noch Kapazitäten und Lust haben, dann ist der Patient vielleicht stationär aufgenommen. Glück für den, der sein nicht beson-ders sauberes Bett nicht auch noch teilen muss… Auch wenn man die Patienten nur begleitet, so beschleicht einen ein bedrückendes Gefühl von Leiden, Tod, Dreck und Willkür. Diese Häuser sind so grausig, sodass wir sie einfach in „Auschwitz“ umben-annten. Das klingt moralisch ko-misch, man kann aber nicht mehr anders, wenn man die Menschen dort so leiden sieht.An einem Nachmittag brachte der Krankenwagen einen sterbenden Mann. Wie immer nichts als Kno-chen und Haut. Er war unter einer Brücke gefunden worden, in einem sehr schlechten Zustand. Als er in einem Rollstuhl in die Klinik ge-schoben wurde war er bereits im Begriff zu sterben. Mit Mühe und Not gelang es uns Zugänge zu le-gen, Sauerstoff usw. So konnten wir ihn tatsächlich stabilisieren. Um sein rechtes Bein war eine Pla-stikplane gewickelt. Nachdem er stabil war, entfernten wir die Plane, und ein gewaltiger Gestank kam uns entgegen.Das gesamte Bein war vom Fuß-knöchel bis über das Knie wegge-fault! Man konnte die Tibia erken-nen, und sogar die Menisci!In dem restlichen herumhängenden Fleisch tummelten sich die Maden, sodass dies eher eine sich bewe-gende Masse war. Es war ein grausamer Anblick. Wie

4 Wochen im Emergency-Camp Sewa Ashram, Delhi, Teil 2Fortsetzung von Seite 1

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konnte dieser Mensch bis dahin überleben?Am Abend brachte ich den Mann mit einem anderen Patienten ins Krankenhaus. Die anderen wetteten mit mir, dass ich es nicht schaffen würde, dass dieser und ein ande-rer Patient mit (wahrscheinlich) akutem Blinddarm, aufgenommen würden.Ich war froh, dass er die Fahrt nach Delhi überlebte. Als wir in der Not-aufnahme ankamen, und ich die Situation geschildert hatte, sagte der Dienst habende Notarzt zu mir „Come tomorrow!“ !!!!Es war unfassbar! Nach einigem diskutieren gelang es mir aber ihn zu überzeugen, beide Patienten auf-zunehmen.Die Laborergebnisse bestätigten die drastische Situation: septischer Schock.Die drei jungen Chirurgen, die sich den Patienten betrachteten, sahen allerdings keinen dringenden Hand-lungsbedarf. Sie standen da, und spielten scheinbar mit den Maden.„We can keep him for one week, he will get antibiotics and then we will see“ sagten sie lächelnd. Unvorstellbar! Im Endeffekt speku-lierten sie auf die Einnahmen, die ein einwöchiger Aufenthalt bringen würde. Wahrscheinlich würde der Patient sowieso sterben, aber so würde man wenigstens noch etwas Geld rausholen können. So jeden-falls erklärten es mir die anderen Mitarbeiter, die schon jahrelange Erfahrung haben…Die Notwendigkeit diesen sep-tischen Herd zu entfernen sahen die drei nicht. Stattdessen versuchten sie mir medizinischen Unsinn zu erzählen, den jedes 3-jährige Kind in Deutschland durchblicken kann „He is fine“. Ich ließ es mir nicht nehmen, mit den drei Docs ein Wortgefecht zu führen – hier ging es nicht um meinen Stolz, sondern um das Leid des Patienten. An-scheinend völlig unbekannt.Müde aber happy fuhren wir nach Hause. Ich hatte nichts weltbewe-gendes geleistet, keine Menschen spektakulär und fachmännisch ge-rettet, keine Heldentat vollbracht…. Aber meine Wette gewonnen!

Mit Terpentin auf MadenjagdMein Alltag wurde geprägt vom morgendlichen Verbandswechsel. Jeden Morgen mussten über 20 Pa-tienten versorgt werden, einige hat-ten mehr als 1 oder 2 Wunden.Einen Großteil nahmen die Bein-amputierten ein, deren Beinstümp-fe sich entzündet hatten. Geradezu angenehm, wenn es mal kein stinkendes Gangrän war. Dann saß ich vor einem doppelt beinamputierten Mann, und ver-suchte mit Kraft den Eiter aus sei-nen Abszessen zu drücken. „Beeindruckend“ waren auch die noch nicht amputierten Beine: Mit dem Verband löste sich dann meist schon eine dicke Eiterschicht und ließ blutige, bis auf die Fascie frei-gelegte Füße erkennen. Wahnsinn! Zum einen der Gestank, zum ande-ren dieser Anblick. Das letzte Mal hatte ich so etwas im Präp-Kurs gesehen, aber wie diese Menschen solch höllische Schmerzen ertru-gen, ohne Selbstmord zu begehen …. Einfach unfassbar! Woher diese Menschen den Mut nahmen jeden Tag von neuem zu beginnen,… „Schaut doch gut aus“ meinte mein Schweitzer Kollege, und meinte da-mit die rosig, etwas blutige Wunde am Fuß. Tatsächlich war kein Eiter mehr zu sehen, das Gewebe vital. Naja, begeistern konnte ich mich nicht wirklich, zumal die Wunde eine riesige Fläche von den Zehen bis zum Sprunggelenk umfasste!

Naja, vielleicht hatte er von einem Schweizer Fondue geträumt…Im Gegensatz dazu hatte der näch-ste Patient noch einiges vor sich. Wegen einer Kopfverletzung und dem Leben auf der Straße, hat-te er eine massive Infektion der Kopfhaut bekommen. Nach dem Haareschneiden konnte man das Ausmaß erkennen: die gesamte Kopfhaut war geschwollen, und an der linken Seite ein großes Loch.Unter der Oberfläche musste sich eine massive Entzündung abspie-len, es schimmerte Gelb durch die Haut. Ich wusste gar nicht wo ich anfangen sollte. Aus dem großen Loch fischte ich Eiter und Ma-den, wobei der Patient furchtbare Schmerzen hatte.Wir machten einen Terpentin-Verband, und nach wenigen Tagen konnten die toten Maden aufge-sammelt werden und die Entzün-dung war fast verschwunden!Unfassbar! Terpentin! Da er aber schon einen Tremor hatte (Kopfwa-

ckeln usw.), wollte ich ihm gerne Antibiotika geben, die auch ins Ge-hirn gelangen… Pharma? Wie war das noch mal? Von AIDS, Vergewal-tigungen, Religion - SchicksaleViele Patienten waren HIV und TB-krank. Die meisten lebten auf der Straße und waren nicht mehr in der Lage, sich selbst zu helfen. Normalerweise ein sicheres Todes-urteil in Indien. Ich hatte diesen Ort gewählt, um nicht nur etwas über Medizin zu lernen. Ich wollte wis-sen, wie diese Menschen leben, was sie bewegt. In der Uni hat mich Sozialmedizin und Prävention mehr als gestört. Es waren narkotisierende, ja schon hyperästhesierende und psychisch traumatisierende Fächer. Doch in Ländern wie Indien lernt man die Bedeutung kennen.Die Verknüpfung zwischen Medizin und sozialer Struktur wird einem tagtäglich mitunter auf brutalste Art und Weise nahegebracht. Hier in Indien lernte ich mit jedem Patienten auch ein Schicksal ken-nen. Mehr als die dramatischen Verstümmelungen und Wunden haben mich die persönlichen Lei-densgeschichten der Menschen geschockt und betroffen gemacht. Diese Brutalität die es in dieser Ge-sellschaft gibt ist meiner Meinung nach beispiellos.Eine amerikanische Mitarbeiterin, die bereits in den Slums von Nai-robi und Uganda gearbeitet hatte, sagte mir „Dort sind die Menschen auch arm, es gibt auch Leid, Bruta-

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lität, aber nicht so schlimm wie in Indien In diesen Ländern gibt es ein soziales Restgefüge, das in Indien anscheinend vielerorts verrottet ist.Zu viele Menschen lassen den Wert eines einzelnen (zumal armen) sin-ken. 200 Millionen Inder führen ein sehr gutes Leben oder eines wie die meisten Menschen in Europa.800 Millionen Menschen gehören der Unterschicht an. Nicht alle le-ben in Slums, aber eine kastenbe-dingte Wertigkeit und Rangfolge gibt es auch hier.Zwischen der oberen und der un-teren Grenze der Unterschicht gibt es eine Vielzahl von Zwischen-schichten, an unterster Stelle stehen dann die „Unberührbaren“.Deren Leben hat de facto gar keinen Wert, und niemanden stört es wenn ein Mensch verreckt, haben doch auch die anderen Gruppen dieser Schicht nur geringe Chancen.

Während hierzulande auf der Stra-ße lebende Menschen eine deutliche –wenn auch nicht zu vernachlässi-gende- Minderheit darstellen, so ist es in Indien ein Massenphänomen. Man fährt mit dem Taxi kilometer-weit an Plastikplanen vorbei, unter denen ganze Familien leben. Die Kinder spielen auf der Straße im Dreck, „duschen“, kochen mit dre-ckigem Wasser, schlafen dort – bei 30°C wie im massiven Monsun-regen, der die Fäkalien die Straße entlangspült. Allgegenwärtig ist die Präsenz von harten, i.v. gespritzte Drogen. Neben dem ungeschützten Ge-schlechtsverkehr ein extrem wich-tiger Faktor für die rasche Ausbrei-tung von HIV.Mehr als 5 Millionen infizierte Menschen gibt es in Indien! Beson-ders in den östlichen Landesteilen sind Drogen der Hauptgrund, sind doch die Drogenanbaugebiete Bur-mas und Thailands nicht weit weg.In unserem kleinen Weg gab es zwei Hindu-Tempel und einen Sikh-Tempel. Wenn man genau hinhörte, so konnte man auch hin und wieder den Muezzin einer Moschee hören.Den ganzen Tag lang rief ein Spre-cher vom Sikh-Tempel Rezitati-

onen durch einen Lautsprecher – während vor der eigenen Tür ein Junkie seinen Schuss „genoss“.Die Bedeutung der Religion wurde mir hier nicht deutlich. Wo setzt sie an, erreicht sie die Menschen, was machen die religiösen Menschen für ihre Mitmenschen? In solchen Momenten verkommen für mich die Rezitationen gleich welcher hei-ligen Texte oder Religion zu einem sinnlosen Geplärre, und ich merkte in dem Moment die Wut in mir. Niemand hat verdient so zu leben Während ich anfangs unser kleines

Dorf um das Camp herum als eine harmonische Umgebung angesehen hatte, merkte ich mehr und mehr, dass auch diese Siedlung durch und durch von Armut und sozialer Bru-talität durchsetzt war.„HIV, Prostitution, Gewalt, Verge-waltigung kannst Du hier an jeder Ecke bekommen“ versicherte man mir. Wenn ich die kleinen Kinder dabei ansah, so wurde mir ganz furchtbar zumute. „Wo wachsen diese kleinen un-schuldigen Kinder auf? Was für eine Zukunft haben sie? Werden sie jemals die Chance haben ein bes-seres Leben zu führen?“ Das sind die Fragen, die einem dann durch den Kopf gehen. Und mit einer Ge-wissheit kann man sie beantworten:

Sie werden nie aus diesem Sumpf herauskommen, es sind verlorene Seelen, hineingeboren in eine un-menschliche Umgebung. Viellicht wird das kleine süße Mädchen das sich jetzt noch hinter ihrer Puppe versteckt schon bald von einem die-ser verkommenen Typen vergewal-tigt, der kleine Junge vielleicht von den eigenen Eltern verkauft? Viel-leicht sterben sie auch schon bald im Drogenrausch oder an AIDS.Oder sie sterben an Infektionen, an Tetanus, Tollwut, oder bei einem der vielen Verkehrsunfälle. Dann möchte man ihnen lieber den schnellen Tod wünschen, als un-

sagbare Qualen mit verstümmelten und nie heilenden Gliedmaßen…Das ist alles nicht übertrieben, sondern ist alltägliche Realität in Indien! In Indien passiert es auch immer wieder, dass Menschen als Ersatzteillager benutzt werden: so-gar in den Krankenhäusern kommt es vor, dass nach einer Blinddarm-OP plötzlich eine Niere fehlt – Zu-satzeinkommmen für den Doc…„Den müssen wir jetzt sterben las-sen. Wir können nicht jeden retten“ Am schwierigsten und kaum zu be-greifen waren für mich Momente, in denen Menschen aufgrund von Ba-nalitäten starben, in denen man bei uns noch sehr viel hätte tun können, und der Mensch sogar sehr einfach

wieder gesund geworden wäre!Doch da wurde mir meist nur ein Blick zugeworfen, der mich wissen ließ, dass es kein Spaß war.„Warum sollen wir den Patienten ins Krankenhaus bringen, nach ‚Ausschwitz’? Dort wird er doch nur gequält! Wir sind hier in Indien, wir können nicht mehr machen! Wir lassen ihn jetzt sterben, in Frie-den…mit einem Rest an Würde…“ Worte, die aus dem Munde „Ton-babas“ kamen, zwar harten Inhalt hatten, aber doch von so viel Erfah-rung geprägt waren. Seit 10 Jahren war er in Indien, hatte dieses Camp mit der kleinen Klinik aufgebaut, und hatte viele Menschen sterben sehen. Er hatte die Erfahrung, und nachdem ich in den Krankenhäusern gewesen war, konnte ich ihm nicht mehr wider-sprechen…„Wir können ihm jetzt nur Liebe und Wärme geben und ihn beglei-ten“ sagte er, und drückte den Ster-benden an sich.Die umgangssprachliche Rede-wendung „der Tod auf Latschen“ bekommt hier eine ganz und gar unwitzige, reale Natur Besonders bei jungen Menschen ist es wirklich nicht einfach. Kurz vor meiner Abreise bekamen wir eine junge Frau herein. Sie kam aus Delhi mit einer Autorikscha und war vollkommen entkräftet. Schon vom Anblick konnte man sehen, dass sie eine TB im fortge-schrittenen Stadium hatte. Sie klag-te über Schmerzen und Atemnot.Die Anamnese verursachte bei mir wieder ein Gefühl des hilflosen Zornes: Ihr Mann hatte sie verlas-sen, da ihm die TB-Therapie zu teu-er geworden war. Da sie sich nicht mehr um ihr ebenfalls TB-krankes 10 Monate altes Kind kümmern konnte, gab sie es zu Nachbarn und suchte Zuflucht bei ihrem Vater.Dieser setzte sie aber nach kurzer Zeit in ein Taxi und warf sie an ir-gendeiner anderen Ecke der 15 Mil-lionenmetropole Delhi hinaus. Was passiert war bevor sie zu uns kam, wissen wir nicht, was mit dem

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zu Haryana. Die nächste Provinz-stadt Narela liegt wenige Kilometer entfernt. Delhi ist etwa 30km oder je nach Tageszeit 1-2 Autostunden entfernt. Die Klinik ist das Herz des Camps. Zu Spitzenzeiten stehen wenigen Mitarbeitern bis über 200 Patienten gegenüber. Schwerpunkt sind zwar HIV und TB, aber Schwerkranke arme Menschen werden nicht abge-wiesen. Dazu zählen auch schwan-gere schutzlose Frauen, elternlose Kinder, die von der Straße einge-sammelt werden und demente alte Menschen. Allen gemeinsam ist jedoch die existenzielle fundamen-tale lebensbedrohende Not. Momentan hat die Klinik 3 Kran-kenschwestern, eine davon eine jahrelang erfahrende in Sachen Krankenhausmanagement und Ausbildung von Krankenschwe-stern. Mit ihr und den Langzeit-Volontären/Mitarbeitern wird versucht die Klinik zu einer profes-sionellen Institution umzugestalten. Phasenweise wird die Klinik von Schwerstkranken und Sterbenden regelrecht überschwemmt, sodass ein Arbeiten wie in Europa kaum möglich ist.Regelmäßig fahren die Mitarbei-ter mit den beiden Krankenwagen nach Delhi, um Menschen von der Straße regelrecht aufzusammeln. Neben dem ausgebildeten Personal gibt es vor allem angelernte ehe-malige Patienten, die ihre Arbeit (Pflege von Schwerstkranken) z.T. ausgezeichnet machen.Da die diagnostischen und thera-peutischen Möglichkeiten sehr be-grenzt sind, werden die Patienten zum Labor nach Narela oder in die Krankenhäuser nach Delhi ge-fahren. Dort brauchen sie immer einen „Attendant“, da Pflege usw. in Indien anscheinend nicht in den Aufgabenbereich der Kranken-schwestern fällt. Nach dem Krankenhausaufenthalt (die Organisation zahlt dafür) kom-men die Patienten wieder zurück – oder werden direkt ins Kremato-rium weitergefahren.Neben dem eigentlichen Camp gibt es direkt anschließend ein paar Ge-

Kind war genauso wenig. War es noch am Leben? War es schon Op-fer von Misshandlungen geworden? Hatte man vielleicht Organe ent-nommen? Ich frage Tonbaba wie es wäre, das Kind zu finden, zu seiner Mutter zu bringen, und zu therapie-ren. Er schaute mich nur traurig an, und mein Schweizer Kollege sagte: „Können wir nicht, wir haben nicht das Geld. Wir können nicht jeden retten.“ Malaria und Montezumas RacheDann irgendwann erwischte es mich: Fieber 39.5°C. Ich war voll-kommen daneben im Kopf, konnte nicht mehr geradeaus laufen. Sofort ließ ich im nahegelegenen Labor einen Test auf Malaria machen. Das private Labor machte nicht nur einen „dicken Tropfen“, sondern auch einen ELISA-Test. Am näch-sten Morgen erhielt ich die Ergeb-nisse: negativ!Diese Region um Delhi ist beson-ders (wie in allen tropischen Län-dern) besonders zur Monsunzeit „Kampfgebiet“ der Anophelesmü-cke. Zum Glück gibt es hier aber hauptsächlich P.ovale.Südlich von Mumbai jedoch ist Indien Hochrisikogebiet, und viele Traveller kamen in den letzten Mo-naten mit Malaria tropica aus Goa zurück.Ich hatte als stand-by für Delhi „Malarone“ gekauft, und war nun froh, diese nicht schlucken zu müssen. Ich stopfte ein paar Ibuprofen in mich hinein, und in den nächsten-Tagen ging es etwas besser.Das Fieber verschwand, aber statt-dessen kam ein Durchfall vom Feinsten. Ich begann eifrig Kohle-tabletten zu mir zu nehmen, die ja die Toxine usw. absorbieren sollen. Gleichzeitig besserte sich auch mei-ne Stuhlfrequenz, sodass ich nicht besonders eingeschränkt war.Dennoch schwächte mich dieser Durchfall, sodass ich keine groß-en Reisen mehr in den letzten Ta-gen unternehmen konnte. Bis zu meinem Abflug blieb die Toilette mein bester Freund.

Infos zur Klinik, zum Land, zur Anreise & Co.Die Klinik liegt im Norden des Bundesstaates Delhi an der Grenze

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bäude: Das sogenannte „Old Men’s House“ für überwiegend alte Men-schen, und das „Kid’s House“. Mögliche Aufgaben und Ansprüche für und an MedizinstudentenFreiwillige jeder Art, egal ob stu-diert oder ungelernt, sind willkom-men. Medizinstudenten treffen natürlich auf besonders großes Ent-gegenkommen.Die Tätigkeiten sind natürlich völ-lig anders als bei uns. Es kann sein, dass man verantwortungsvolle Ent-scheidungen alleine treffen muss, oder auch nur Kleinigkeiten macht. Man sollte jedoch nicht erwarten, dass man einen Sonderstatus hat,und alle Mitarbeiter nach Anweisungen lechzen. Insgesamt ist man nur ein Teil im großen Ganzen, aber wenn man sich persönlich einbringt, kann man sehr viel machen. Das betrifft medizinische Dinge wie auch nicht-medizinische Themen.Besonders im medizinischen Be-

reich muss man äußerst sensibel sein. Man muss die europäischen Standards bzgl. Der Hygiene und der diagnostisch-therapeutischen Möglichkeiten z.T. drastisch nach unten schrauben.

Viele Dinge sind in einem Entwick-lungsland wie Indien nicht möglich, und so sollte man lieber schauen, wie die erfahrene Krankenschwe-ster z. B. eine Wunde vollkommen eigenartig versorgt anstatt auf Lehr-buchwissen zu beharren. Nicht entmutigen lassen sollte man sich, wenn ein Ex-Patient i.v.-Zugänge wie im Schlaf perfekt le-gen kann, während man das ja auch nicht zum ersten Mal macht, aber trotzdem nur große Hämatome pro-duziert. Man sollte sich auch immer vor Augen halten, dass man nichts verändern kann durch seine kurze Aufenthaltsdauer!Man wird auch keine spektakulären Operationen unternehmen können, keine Menschen toll retten können!

Vergessen sollte man auch die deut-sche Hierarchie zwischen Kranken-schwestern, Ärzten, Ungelernten. Wer am längsten da ist und die mei-ste Erfahrung hat, dessen Wort hat mehr Gewicht.Man wird aber immer wieder nach der eigenen Meinung gefragt, ob man es anders machen könnte, was der Student vielleicht weiß! Allzuleicht kam ich immer wie-der in die Denkweise, was man in Deutschland alles machen könnte und würde. Es ist eine wahre He-rausforderung, herauszufinden, was man mit den in Indien vorhandenen Möglichkeiten machen kann. Das ist auch irgendwie eine der schwie-rigsten und spannendsten Sachen in Indien! Wenn man sich so einfügt, und be-stimmte Sachen einfach als gegeben hinnimmt, so kann man unheimlich viel lernen.Natürlich sollte man sein Wissen

auch einbringen, und Ideen entwi-ckeln. So kann man ein fester Be-standteil der Crew werden, und der Aufenthalt wird zu einem wunder-baren Erlebnis! Ich kann jedem nur ein Erlebnis in so einer Einrichtung empfehlen! Mit etwas Abenteurer-Geist und Neugierde für Neues, Unbekanntes und dem Herzen am richtigen Fleck ist man genau richtig bei Sewa Ash-ram! Anmerkung: Der hier widergegebene Bericht spiegelt meine eigenen Erlebnisse und Meinung wider. Natürlich wäre es vermessen zu behaupten, ein Slum stände repräsentativ für ganz Indien. Jedoch wird dem mit offenen Augen Reisenden die ex-tremen Gegensätze auffallen. Trotzdem sei jeder dazu eingeladen dieses Land unvoreingenommen mit offenen Augen zu entdecken!

4 Wochen im Emergency-Camp Sewa Ashram, Delhi, Teil 5Fortsetzung von Seite 4

Pleine lune à LyonVor dem PJ nach Frankreichvon Beata HajdukErgänzung zum Artikel aus der MEDI-LEARN Zeitung

Beata Hajduk hat zusammen-getragen, wie ihr vor Ort in

Lyon zurechtkommt und was ihr benötigt.

Büro für Internationale AngelegenheitenEure erste Anlaufstelle an der Fakul-tät Granche Blanche. Die Adresse: Relations Internationales Secteur SantéUniversité Lyon I8, avenue Rockefeller 69373 Lyon Cedex 08Téléphone 04 78 77 75 07Fax 04 78 77 72 52

Einschreibung Dazu benötigt ihr folgende Unter-lagen:Studienbescheinigung StudentenausweisImpfbuch

Bescheinigung der FeuersozietätPersonalausweis, PassFotos

(Haftpflicht-) Versicherung Dazu braucht ihr euren Perso und die Studienbescheinigung.Die billigste Haftpflichtversiche-rung gibt es bei der SMERRA.Eine weitere Möglichkeit ist, ein Studenten-Paket bei der Bank ab-zuschließen. Wenn ihr sowieso ein Konto eröffnen wollt, gibt es für Studenten spezielle Angebote, mit denen ihr bei der Eröffnung eines Kontos ein Rundum-Versiche-rungspaket bekommt. Ich würde euch die Credit Lyonais empfehlen. Diese Bank hat bereits viel Erfahrung mit ausländischen Studenten und ist bei Kündigungen sehr kulant.

KontoUm ein Konto zu eröffnen, benötigt ihr folgende Unterlagen:PersonalausweisCarte de RésidenceStudienbescheinigung der franzö-sischen Uni

Wohngeld (CAF)Um das Wohngeld (CAF) zu erhal-ten, benötigt ihr einen Mietvertrag oder die Bescheinigung des Stu-dentenwohnheims. Der Antrag den ihr braucht, ist auf der Internetseite www.caf.fr zu finden. Wenn ihr die Möglichkeit habt die Unterlagen auszudrucken, dann klickt euch durch, druckt sie aus und gebt die Papiere bei der CAF ab. Damit erspart ihr euch lange Warte-zeiten, da das Büro am Anfang des Semesters sehr überlaufen ist!

Ihr benötigt folgende Unterlagen für das CAF:Kopie des PersonalausweisesAusgedruckten Antrag auf Wohn-geldMietvertrag bzw. Wohnheimsbe-scheinigungKontonachweis

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November / Dezember 2007 7SeiteMLZDigitaler Nachschlag

Die EU-Kommission fördert ein neues Marie-Curie-For-

schungsnetzwerk zur Ausbildung von Nachwuchswissenschaftlern an der Universität Ulm. Die Wissen-schaftler erforschen dabei Grund-lagen, die zur Entwicklung neuer Krebsmedikamente dienen können.Das Projekt „DeathTrain“ konnte sich in einem zweistufigen Bewer-bungsverfahren erfolgreich gegen

900 weitere Projektvorschläge be-haupten und ist eines von rund 70 neuen Marie-Curie-Netzwerken, die derzeit ihre Arbeit aufnehmen. Das Vorhaben wird von Frau Pro-fessor Simone Fulda von der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der Universität Ulm (Ärztlicher Direk-tor: Professor Klaus-Michael De-batin) koordiniert und umfasst ins-gesamt 15 renommierte Partner aus 9 europäischen Ländern, darunter ein Team um Dr. Henning Walczak vom Deutschen Krebsforschungs-zentrum in Heidelberg, die Bayer Schering Pharma AG in Berlin so-wie die Arbeitsgruppe von Profes-sorin Fulda und Professor Debatin. Die Förderung aus dem sechsten Forschungsrahmenprogramm der EU erstreckt sich auf vier Jahre.Die Forscher werden an einem gemeinsamen Projekt zum Thema Apoptose arbeiten. Apoptose ist ein genetisches Programm, das jeder Zelle innewohnt und dazu dient,

entartete, schlecht funktionieren-de oder überalterte Zellen gezielt zu entfernen. Dieser Prozess spielt bereits in der Embryonalentwick-lung eine bedeutende Rolle und dient im erwachsenen Organismus dazu, das zelluläre Gleichgewicht in Organen und Geweben aufrecht zu erhalten. „Besonders interessant für uns ist, dass Fehler in der Zell-todkontrolle zur Entstehung von Tumoren beitragen können“, erläu-tert Professorin Fulda. „Wir versu-chen, die molekularen Grundlagen dieser Prozesse zu verstehen, und hoffen, dass diese Erkenntnisse zur Entwicklung von neuen Krebsme-dikamenten herangezogen werden können.“

Die Ulmer Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin hat sich auf dem Gebiet der Apopto-se-Forschung bereits große Aner-kennung erworben: Ihr Ärztlicher Direktor, Professor Klaus-Michael

Debatin, erhielt kürzlich den re-nommierten Descartes-Preis, Pro-fessorin Fulda den Merckle-For-schungspreis, und die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert in Ulm eine von Debatin und Fulda geleitete Klinische Forschergruppe zum Thema Apoptose. Der Name „DeathTrain“ setzt sich aus dem englischen Wort für Zelltod (Cell Death) und dem Begriff Training zusammen. Die internationalen Nachwuchswissenschaftler werden sich bei Netzwerktreffen und Sum-mer Schools fortbilden und über ihre Forschungen austauschen. Die Europäische Union will mit Hilfe der Marie-Curie-Netzwerke den Kontakt zwischen multidiszipli-när arbeitenden Forschergruppen in Europa vertiefen, die Mobilität junger Forscher fördern und das Forschungsniveau in Europa weiter anheben. Das Bewerbungsverfah-ren für die insgesamt 20 Doktoran-den- und Postdoktorandenstellen läuft zurzeit. Interessierte erhalten Informationen auf der Internetsei-te des Projektes unter www.death-train.eu.

Dem Zelltod auf der Spur 4 Millionen Euro Fördergeld für europäisches Netzwerk in der Apoptose-Forschungvon Petra Schultze

Wenn das Gehirn aus allen Neuronen feuertWissenschaftler forschen weltweit zur Anfallsvorhersage bei Epilepsiepatientenvon Rudolf-Werner Dreier

Mehr als 600.000 Patienten in Deutschland leiden an Epi-

lepsie. Bei etwa einem Drittel die-ser Patienten kann die Erkrankung mit Medikamenten bislang nicht kontrolliert werden. Zum Wesen der Epilepsien gehört das spontane Auftreten epileptischer Anfälle, die sich in kognitiven Defiziten, motorischen Störungen, bis hin zu Verkrampfungen der Extremitäten oder in Automatismen äußern. Die Epilepsie ist unberechenbar, ohne Vorankündigung überraschen die epileptischen Attacken die Betrof-fenen in jeder Lebenssituation, ob beim Fahrradfahren, im Supermarkt oder zu Hause.Die Anfälle nehmen nicht viel Zeit ein, in den meisten Fällen weit we-niger als ein Prozent der Lebenszeit. Dennoch gelten die Betroffenen als chronisch krank und sind aufgrund der Unvorhersehbarkeit des näch-sten Anfalls stark beeinträchtigt. Die permanente Angst vor Anfällen

führt zum sozialen Rückzug, viele berufliche Tätigkeiten bleiben den Patienten verschlossen, das Führen eines Kraftfahrzeugs ist verboten, die Gefahr auch lebensgefährlicher Verletzungen stets präsent. Darüber hinaus bedeutet das unvorhergese-hene Auftreten epileptischer Anfäl-le, dass nicht gezielt, zeitlich be-grenzt behandelt werden kann. Die Patienten müssen über viele Jahre hinweg dauerhaft prophylaktisch Medikamente einnehmen. Epileptische Attacken werden durch eine Fehlfunktion der Nervenzellen im Gehirn ausgelöst. Beim epilep-tischen Anfall feuert das Gehirn in ganzen Bereichen gleichzeitig aus allen Neuronen. Weltweit arbeiten Forscher daran, ein zuverlässiges Frühwarnsystem zu etablieren, das den Übergang in einen Anfall früh-zeitig erkennt. Seit rund zehn Jah-ren konzentrieren sich diese Bemü-hungen verstärkt darauf, das Nahen eines Anfalls aus kontinuierlichen

EEG-Registrierungen (Elektroen-cephalogramm) vorherzusagen. Mittels verschiedener mathema-tischer Verfahren der Zeitreihen-analyse können heute aus dem EEG Informationen herausgelesen werden, die eine signifikant er-höhte Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Anfällen aufweisen. Wesentliche Impulse kamen dafür aus den kooperierenden Gruppen des Freiburger Zentrums für Da-tenanalyse und Modellbildung, un-ter der Leitung von Prof. Dr. Jens Timmer und des von Prof. Dr. An-dreas Schulze-Bonhage geleiteten Epilepsiezentrums am Universi-tätsklinikum Freiburg. Erste US-Firmen beginnen derzeit mit der Entwicklung von Verfah-ren, die Patienten vor einem An-fall warnen können. Dies würde die dauerhafte Überschattung der gesunden Phasen durch die ver-gleichsweise kurzen Anfallsepiso-den mindern. Der zweite Schritt

sind Verfahren, die zu einer zeitlich gezielten Therapie und Anfallskon-trolle führen.Die Forschungen mit dem Ziel, epileptische Anfälle bei Patienten vorhersagen zu können, sind mul-tidisziplinär. Bei der „Internationa-len Tagung zur Anfallsvorhersage bei Epilepsiepatienten“, die vom 29. September bis zum 2. Okto-ber in Freiburg stattfindet, stellen Grundlagenwissenschaftler sowie experimentell arbeitende Epilep-sieforscher, klinisch tätige Epilep-tologen und anwendungsorientierte Forscher aus der Industrie gemein-sam aktuelle Ansätze zur Anfalls-vorhersage vor und diskutieren neue therapeutische Verfahren, wie die Tiefenhirnstimulation. Die Erforschung der Anfallvorhersage wird intensiv von Organisationen wie der Deutschen Forschungsge-meinschaft, dem BMBF, der Euro-päischen Union und des National Institute of Health gefördert.

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November / Dezember 2007 8Seite MLZDigitaler Nachschlag

E-Learning – Ausbildung der Zukunft?Online-Lernangebote für die Medizinvon Reinhilde Ziegler

GMS Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie: E-Learning in der Medizinw w w. e g m s . d e / d e / j o u r n a l s /mibe/2006-2/mibe000048.shtml

Ärztekammer Berlin, E-Learning in der Ärztlichen Fortbildungw w w. a e k b . d e / 1 0 _ A k t u e l l e s /bae/18_BERLINER_AERZTE/Berliner_Aerzte_bis_2005/BAE-themen/ThemaArtikel2005_12/FbWandel/E_Learning.html

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Unter E-Learning (auch eLear-ning, englisch electronic lear-

ning – elektronisch unterstütztes Lernen), auch E-Lernen genannt, werden nach einer Definition des Pädagogik-Professoren und E-Lear-ning-Vordenkers Michael Kerres alle Formen von Lernen verstan-den, bei denen digitale Medien für die Präsentation und Distribution von Lernmaterialien und/oder zur Unterstützung zwischenmensch-licher Kommunikation zum Einsatz kommen. Auch im Medizinstudi-um hält das E-Learning verstärkt Einzug. Reinhilde Ziegler stellte in der MEDI-LEARN Zeitung 5/2007 in ihrem Artikel „E-Learning – Ausbildung der Zukunft? Online-Lernangebote für die Medizin“ die Frage, ob aus Sicht der Studieren-den zusätzlich zum Basisunterricht angebotene elektronische Lernmo-delle sinnvoll sind. „Ergänzend, nicht ersetzend“, so das Resultat der Erhebung. Im Folgenden eine Lite-raturliste zum E-Learning, zusam-mengestellt von Reinhilde Ziegler und der MEDI-LEARN Redaktion.

Boeker M, Klar R: E-Learning in der ärztlichen Aus- und Weiterbil-dung. Methoden, Ergebnisse, Eva-luation. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung, Gesund-heitsschutz, 2006, 49:405-411

Citak M, Haasper C, Behrends M, Kupka T, Kendorf D, Hüfner T, Matthies HK, Krettek C: Web-basiertes E-Learning-Tool in der unfallchirurgischen Lehre. Erste Erfahrungen und Evaluationsergeb-nisse. Unfallchirurg, 2007, online publiziert 13.02.2007-04-06

Gulich, M:E-Learning im Praktischen Jahr. GMS Z Med. Ausbild, (2005) 22 (3). S. 52.

Ruiz JG, Mintzer MJ, Leipzig RM: The impact of E-Learning in medi-cal education. Acad Med, 2006, 81:207-212

Sönnichsen AC, Waldmann UM, Vollmar HC, Gensichen J (2005): E-Learning: Aktueller Stand und Chancen in der Allgemeinme-dizin. GMS Z Med Ausbild. 22 (3):Doc61

Wutoh R, Boren SA, Balas EA: eLearning: A review of Internet-ba-sed continuing medical education. J Contin Educ Health Prof, 2004, 24:20-3

Ziegler R, Knopp W, Hohenberg G, Wendorf A, Redies M, Pohle-mann T: MECO – Medical educa-tion online. Ein unfallchirurgisches E-Learning Konzept in der studen-tischen Ausbildung im Rahmen der neuen Approbationsordnung für Ärzte, in: G Kundt, J Bernauer, M Fischer, M Haag, R Klar, J Leven, H Matthies & F Puppe, E-Learning in der Medizin und Zahnmedizin. Proceedings zum 11. Workshop der GMDS AG “Computergestützte Lehr- und Lernsysteme in der Medi-zin“ der deutschen Gesellschaft für medizinische Informatik, Biome-trie und Epidemiologie (GMDS), Universität Rostock, 17.-18. Mai 2007:129-142 ( Shaker Verlag, 52018 Aachen).Natürlich gibt es auch online Infor-mationsmaterial zum E-Learning. Hier einige Surftipps:

Kommentierte E-Learning Daten-bank Medizin www.ma.uni-heidelberg.de/apps/bibl/KELDAmed/

E-Learning-Module der Universität Bern, z.T. öffentlich:www.e-learning.studmed.unibe.ch/

LRSMed: Learning Resource Ser-ver Medizinwww.lrsmed.de/Learning Resource Server Medizinwww.mmedia.medizin.uni-essen.de/portal/

E-Learning an der Charitéwww.charite.de/elearning/elehre/index.htm

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November / Dezember 2007 9SeiteMLZDigitaler Nachschlag

IMPRESSUMHerausgeber: MEDI-LEARN Bahnhofstraße 26b 35037 Marburg/LahnTel: 04 31/780 25-0Fax: 04 31/780 25-29E-Mail: [email protected] Internet: www.medi-learn.de

ISSN: 1860-8590Redaktion: Jens Plasger (Redaktionsleitung), Christian Weier (V.i.S.d.P.), Trojan Urban, Marlies Lehmkuhl, Lilian Goharian, Angelika Lehle, Dr. med. Dipl.-Psych. Bringfried Müller, Thomas Brockfeld

Lektorat: Jan-Peter Wulf

Layout & Graphik: Angelika Lehle

Berichte: Martin Wendland, Beata Hajduk, Petra Schultze, Rudolf-Werner Dreier, Reinhilde Ziegler, Marita Voelker Albert, David Simons

Anzeigenbetreuung: Christian Weier Olbrichtweg 11 24145 KielTel: 04 31/780 25-0Fax: 04 31/780 25-29E-Mail: [email protected] – Es gilt die Anzeigenpreisliste 02/2005.

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Dein Artikel bei MEDI-LEARN? Wir freuen uns über die Zusendung von Erfahrungs berichten und anderen Artikeln und belohnen die Autoren mit Fachbüchern. Alle weiteren Infos findest du unter www.medi-learn.de/artikel

de zeigen jedoch sehr deutlich, wie wichtig es ist, dass sich die Men-schen frühzeitig mit dem Thema Organspende beschäftigen. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) empfiehlt in allen ihren Medien und Informa-tionen, dass die Bürgerinnen und Bürger noch zu Lebzeiten eine ei-gene Entscheidung finden und die-se ihrer Familie und engen Freun-den mitteilen.„Im Wesentlichen geht es in der aktuellen Diskussion um die Aner-kennung des Selbstbestimmungs-rechts eines jeden Menschen“, betont Prof. Dr. Elisabeth Pott,

Organspende schenkt Leben - darüber sind sich die Men-

schen einig. Die kontroversen Dis-kussionen der vergangenen Wochen über den Vorschlag des Nationalen Ethikrates zum Thema Organspen-

Organspende - die persönliche Entscheidung zähltBZgA entwickelt neue Unterrichtseinheit zum Thema Organspendevon Marita Voelker Albert (BZgA)

Direktorin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. „Eine tragfähige Entscheidung zur Organ-spende kann allerdings nur derjeni-ge treffen, der sich mit dem Thema beschäftigt und verbliebene Fragen geklärt hat.“Wie eine Repräsentativerhebung der Bundeszentrale für gesundheit-liche Aufklärung zeigt, stehen Ju-gendliche dem Thema Organspen-de offen gegenüber und wünschen sich in erster Linie, hierüber in der Schule informiert zu werden. Des-halb hat die BZgA die Unterrichts-einheit „Thema Organspende im Unterricht“ für Schülerinnen und

Schüler ab der 9. Klasse entwickelt, die Lehrerinnen und Lehrern die Erarbeitung und Vermittlung des Themas erleichtert. Neben einem 20-minütigen Film im Interviewstil mit authentischen Personen enthält die Unterrichtseinheit ausführliches Hintergrund- und Arbeitsmaterial für Lehrkräfte.Die Allgemeinbevölkerung infor-miert die Bundeszentrale für ge-sundheitliche Aufklärung mit un-terschiedlichen Angeboten über das Thema Organspende. Das Interne-tangebot www.organspende-info.de der BZgA bietet eine Fülle an praktischen Informationen.

Bisher habe ich nur positive Resonanz erhalten Interview zum Thema Akupunkturvon MEDI-LEARN

1. Wie sind Sie zur Akupunktur gekommen? Was interessiert Sie besonders an diesem Bereich der Medizin?Ich bin Chinesin und bin mit der traditionellen chinesischen Medizin groß geworden. Meine Facharbeit auf dem Gymnasium habe ich da-raufhin der Akupunktur gewidmet. Ebenso mein Thema bei Jugend forscht. Später habe ich an der Uni Bonn im Akupunkturkurs die Tu-tor-Rolle übernommen und gleich-zeitig mein TCM-Zertifikat an der Uni Witten-Herdecke absolviert. Auch habe ich in der TCM-Klinik in Kötzting hospitiert, die ich dafür jedem interessierten nur wärmstens empfehlen kann, der nicht so wie ich öfters mal nach Hong Kong oder Festland China fliegen kann, um so Erfahrungen zu sammeln.

2. Welche Möglichkeiten birgt die Akupunktur, wo sind ihre Grenzen?Akupunktur ist kein Allheilmittel. Wo Strukturen zerstört sind, kann man auch mit Akupunktur nichts mehr retten. „Akupunktur kann nur Qi bewegen, aber nicht aufbauen“.

Aber für Schmerzlinderungen, gy-näkologische Fragestellungen, Pro-bleme mit der Homöostase, etc. ist Akupunktur sehr gut geeignet.

3. Bei welchen Beschwerden hilft Akupunktur? Gibt es Gegenanzei-gen und Nebenwirkungen?Wie gesagt zur Schmerzlinderung, gynäkologischen Fragestellungen, Störungen der Homöostase, aber auch andere internistische Pro-bleme, bei Hauterkrankungen und allgemein bei Allergien, und auch zur Unterstützung bei Suchtpro-blematiken wie Essstörungen oder Rauchen. Normalerweise gibt es bei der richtigen Anwendung keine Nebenwirkungen. Bei unrichtiger schon, von Hämatomen angefangen bis hin zu Verschlimmerungen der Symptomatik.

4. In welchen Fällen übernimmt die Krankenkasse die Akupunktur Be-handlung?Bei Schmerzbehandlungen

5. Wie viele Sitzungen sind bei einer Behandlung notwendig?Das darf man pauschal nicht sagen, da jeder Patient anders ist. Außer-dem kommt es sehr auf die Frage-stellung an. Bei Schmerzen können es zwischen 3-20 sein, je nach Pa-

tient. Bei gynäkologischen oder internistischen Fragestellungen manchmal auch mehr. Aber da darf man sich nicht von vornherein fest-legen, ohne den Patienten gesehen zu haben.6. Wie lange dauert eine Sitzung?Die erste Sitzung dauert etwa eine Stunde, wegen der ausführlichen Anamnese. Die folgenden etwa eine halbe Stunde, wobei die Nadeln je-weils nur etwa 20 min. liegen.

7. Wie sehen Sie die Zukunft der Akupunktur in der westlichen Me-dizin?Sie wird sich immer mehr und immer besser etablieren, voraus-gesetzt, alle erhalten eine richtige Ausbildung und die Patienten wer-den nicht von den „Scharlatanen“ unter den Kollegen abgeschreckt, die nur „Kochrezeptnadeln“ be-herrschen.Vielen Dank für das Interview!

Das SEIRIN®-Akupunktur-SpecialDieser Artikel ist Teil des Themen-specials rund um den Bereich Akupunktur, den wir euch in Koope-ration mit 3B Scientific und SEIRIN in den kommenden Ausgaben der MLZ ausführlich vorstellen. Weitere Infos auch online unter:www.medi-learn.de/akupunktur

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November / Dezember 2007 10Seite MLZDigitaler Nachschlag

Es war 22.19. Jan schaute auf die Uhr und weinte leise. Er

hatte Angst. Während des Ein-schlafens hatte er noch einmal an den Tag zuvor gedacht, der Tag an dem seine Großmutter, seine über alles geliebte „Omi“ beerdigt wur-de. Ausgerechnet jetzt, wo er ein-schlafen wollte, quälten ihn diese Gedanken. Er wurde nervös. Mor-gen stand eine Mathearbeit an, eine Arbeit im eh schon ungeliebten Fach, so dachte er. Da wollte, nein da musste er doch ausgeschlafen sein. Er drehte sich mehrmals um und versuchte, sich zum Einschla-fen zu zwingen, seine Gedanken auszuschalten. Aber je mehr er ver-suchte, nicht mehr daran zu denken, je mehr dachte er daran. Es schien diesen Abend unmöglich, in Ruhe einzuschlafen. Er wunderte sich jetzt, dass ihn diese Gedanken nicht schon gestern während der Beer-digung geplagt hatten. Nun, mit einem Schlag, und ohne jeglichen erkennbaren Grund aber waren sie allgegenwärtig und erfüllten ihn mit großer Angst. Er fing an, lauter zu schluchzen. Plötzlich ging die Türe seines Zim-mers auf und jemand schaltete das Licht an. Sein Vater betrat das Zim-mer und näherte sich seinem Bett. Er setzte sich zu ihm, streichelte ihm über die Stirn und fragt leise: „Was ist los mit dir, Jan? Geht es dir nicht gut?“ „Doch, doch, Papa“ antwortete er, immer noch schluch-zend. „Warum weinst du dann? Ist es wegen der Schule morgen, we-gen der Mathearbeit?“ „Nein, nein, damit hat es nichts zu tun. Es ist wegen Omi. Jetzt, wo Omi tot ist, fällt mir auf einmal ein, dass auch ich irgendwann mal sterben muss. Ich will aber nicht sterben, ich will nicht beerdigt werden! Ich will

nicht allein in einem großen Sarg in der Erde liegen! Ich will das nicht!“ Sein Vater, den Tod seiner Mutter selber noch nicht so rich-tig verarbeitet, musste schlucken. Damit hätte er nun wirklich nicht gerechnet. Was sollte er seinem Sohn denn jetzt sagen? Er selber war durch und durch Naturwissen-schaftler, ein rationaler und arbeits-besessener Physiker. Nie hatte er an ein Leben nach dem Tod geglaubt. Doch einem achtjährigen so etwas erzählen? Er wünschte sich in die-sem Moment, seine Frau und nicht er hätte das Kinderzimmer betreten. Auf so etwas war er nicht vorbe-reitet, ja, hatte sich nie Gedanken gemacht, dass sein kleiner Sohn ihn mal mit so etwas konfrontie-ren würde. Die sexuelle Aufklä-rung seines Sohnes, da wusste er, dass er dies irgendwann vielleicht einmal zu leisten hatte, wenn das nicht auch seine Frau für ihn in die Hand nehmen würde. Aber eine Aufklärung über Tod und Sterben? Ein Schweigen erfüllte das Kinder-zimmer. Bevor der Vater etwas zu antworten vermochte, durchbrach Jan das Schweigen. „Ist Omi jetzt in Nangijala?“ „In Nangijala? Was ist Nangijala?“„Omi hat mir einmal die Brüder Löwenherz von der Astrid Lindgren vorgelesen. Dort stirbt ein kleiner Junge und auch sein großer Bruder. Und beide treffen sich in Nangijala wieder und erleben dort ganz viele Abenteuer zusammen!“„Ja...“, gerade wollte er sagen, die Oma ist in Nangijala, besann sich aber und dachte daran, ob sein Sohn ihn dann vielleicht fragen würde, ob viele kleine Kinder nach Nan-gijala kämen. Er versuchte, Zeit zu gewinnen, seine Gedanken selbst einmal zu ordnen und antwortete schließlich „Ja, das ist folgender-maßen: es könnte sein, dass die Omi jetzt in Nangijala ist. Sie war ja immer sehr abenteuerlustig. Aber ich glaube, dass sie sich das mit ih-ren alten Knochen nicht mehr antun wollte. Weißt du, ich glaube die Omi, wo immer sie auch ist, sehnt sich einfach nur nach Ruhe.“ „Die Omi hat auch immer gesagt, das Nangijala für jeden anders ist. Das,

was man immer wollte, bekommt man in Nangijala“, stürmte es aus Jan heraus.„Wenn ich ganz ehrlich sein soll, und ich finde, du bist alt genug, dass ich ehrlich zu dir bin, weiß ich nicht, was mit der Omi jetzt passiert ist. Aber du musst wissen, dass sie, so sehr ich es mir auch wünsche, nie mehr zu uns zurückkommen wird. Das ist sehr traurig, aber es ist normal so. Niemand weiß, was mit der Omi jetzt genau wird, aber die Omi war immer eine liebe Frau und deshalb passiert ihr auch nichts Böses.“„Ich habe aber Angst“, schluchzte Jan, „das mir das jetzt vielleicht auch passiert. Warum ist das so, warum müssen wir sterben?“„Du bist doch noch viel zu jung, um dir darüber Gedanken zu machen. Du brauchst auch wirklich keine Angst davor zu haben. Schau mal: Leben und Tod ist ein Kreislauf. Das eine geht nicht ohne das ande-re. Du musst dir das so vorstellen: ein Kreis hat keinen Anfang und kein Ende.“„Aber dann habe ich doch nie wirk-lich gelebt, oder?“ Es ist doch im-mer wieder erstaunlich, auf welche Schlussfolgerungen kleine Kinder so manchmal kommen, dachte er sich. Intuitiv stellte er sich jetzt auf ein längeres Gespräch ein. „Weißt du“, probierte er es jetzt auf eine andere Weise, „unsere Welt ist doch so schön und geheimnisvoll! Du bist doch sehr gerne hier“. „Natür-lich bin ich gerne hier, vor allem bei Mama und bei dir!“„Siehst du, und diese Chance sol-len nach dir doch noch ganz viele andere Menschen haben. Jeder soll sehen, wie schön unsere Welt ist und was man hier alles entdecken kann. Und wie du sicher weißt, ist unsere Erde nicht unendlich groß. Also haben nicht unendlich viele Menschen auf ihr Platz. Und viele Menschen möchten gerne die Schönheit dieser Welt erleben und sich in ihr wohl fühlen. Stimmst du mir zu, wenn ich dir sage, dass es ungerecht wäre, dass nur wir und ein paar andere das dürfen?“„Ja, aber warum hat man sich da nichts anderes überlegt? Man könnte doch auch auf dem Mond leben. Die Leute, die die schöne Erde eine Zeit gesehen haben, ge-

Ohne Ballast zum Physikum

Perfekt vorbereitet für die Prüfung:

▪ kurze, prägnante Darstellung des Stoffes

▪ Merksätze und Tipps zum Lernen

▪ „Das bringt Punkte“ fürs Schriftliche

▪ „Facts fürs Mündliche“

Effektiver Lernen

▪ lernpsychologische Aufteilung der Inhalte

▪ 30 handliche Lernhefte

▪ mit Tipps für Pausen

Online-Service:

▪ über 300 medizinische Abbildungen in hoher Auflösung zum kostenlosen Download als PDF im Internet

▪ Volltextsuche im Internet über den gesamten Inhalt aller bislang erschienenen Skripte

Die MEDI-LEARN Skriptenreihe

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Ein ewiger KreislaufTod und Sterbenvon David Simons

weiter auf Seite 11

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November / Dezember 2007 11SeiteMLZDigitaler Nachschlag

hen dann auf den Mond.“ Der Vater musste lachen und sagte nur „denk einfach daran, dass alles ein Kreis-lauf ist. Zum Leben gehört auch das Sterben. Aber wie gesagt, mach dich nicht selber traurig mit solchen Gedanken, du hast noch viel, viel Zeit.“„Aber es gibt doch auch Kinder, die sterben. Warum sterben kleine Kin-der? Warum werden Kinder krank, wenn du sagst, das ich noch viel Zeit habe?“„Ja, Jan, kleine Kinder sterben manchmal. Das ist das Traurigste überhaupt. Aber genau darin liegt das Geheimnisvolle, von dem ich gesprochen habe. Keiner weiß, wa-rum das so eingerichtet ist.“Nun war die Zwickmühle perfekt. Wie sollte er als überzeugter Na-turwissenschaftler jetzt reagieren? Er hatte versucht, so etwas wie ein ‚allgemeines Mysterium’ zu schaf-fen, ohne dabei zu sehr ins Spiri-tuelle abzudriften. Ja, sein kleiner Jan hatte ihn jetzt ganz schön un-ter Druck gesetzt. Der Junge ist gewitzt, sagte er sich, dem kannst du etwas mehr zumuten. Zwar hatte er keine Ahnung davon, wie viel ein Achtjähriger vom Verstand her greifen konnte, aber er dachte an sich und seine Jugend und das er stets alles hinterfragt hatte und genau wissen wollte. Sollte sein Sohn so geraten sein, wie er selbst, als er ungefähr in seinem Alter war, sollte man offen und ehrlich sein. Irgendwann muss er ja einmal da-mit konfrontiert werden, was wür-de es da bringen, zu lügen. Gerade jetzt wurde ihm schmerzlich be-wusst, dass er seinen Sohn über-haupt nicht einschätzen konnte. Abermals unterbrach Jan die Stille „Woran denkst du, Papa? Habe ich dich auch unsicher gemacht? Bitte, bitte, lass mich dich nicht unsicher gemacht haben, ich brauche deine Antwort doch so sehr!“„Sagen wir mal, ich hätte mit so etwas nicht gerechnet, aber Jan, du bist doch mittlerweile alt genug...“ „Alt genug, wofür?“ „Alt genug, dass man sich vernünf-tig mit dir unterhalten kann.“„Omi hat immer gesagt, dass die Menschen früher nicht so alt ge-

worden sind wie heute. Warum ist das so? Ist das der Fortschritt, wie Omi gesagt hat?“„Ja, das ist der Fortschritt“, antwor-tete der Vater, dankbar, dass Jan ihm die Gelegenheit gegeben hatte, die Sache noch einmal anders zu Ende zu bringen. „Die Menschen konnten leider damals unter nicht so guten Umständen leben wie wir heute. Sie konnten sich das Geheim-nisvolle und Schöne nicht so lange angucken, wie wir heutzutage. Aber das war überhaupt nicht schlimm. Denn sie wussten es. Sie wussten, dass sie eine begrenzte Zeit haben, sich all die schönen Dinge auf der Welt anzugucken und sie haben es getan.“„Omi hat aber auch immer erzählt, dass es ihr früher nicht so gut ging!“„Ja, Omi hat zwei sehr große und sehr schlimme Kriege miterlebt. Aber hast du Omi je traurig er-lebt? Omi wusste, dass manche Menschen das Geheimnisvolle und Schöne dieser Welt nicht achten und gar nicht wahrnehmen, dass es überhaupt da ist. Omi wusste aber, dass diese schönen und geheimnis-vollen Dinge existieren, auch wenn Menschen sich in einem Krieg ge-genseitig bekämpfen und schlimme Dinge tun. Und weil sie es wusste, war sie glücklich und hatte keine Angst zu sterben.“„Meinst du wirklich?“„Ich meine das nicht nur, ich weiß es, Jan! Du hast noch viel zu entde-cken. Vieles in deinem Leben wird schön, einiges vielleicht traurig sein. Aber solange du das Schö-ne als wichtiger ansiehst, wirst du wissen, dass du keine Angst haben musst.Weißt du, von den Leuten, die frü-her gelebt haben und nicht so alt geworden sind, können wir einiges lernen.“„Was denn?“, fragte Jan, der sich mittlerweile neben seinen Vater gesetzt hatte und nun gespannt lauschte. Im Moment war er so ab-gelenkt, dass zumindest die Angst erst einmal erloschen war, an die morgige Mathearbeit dachte er schon erst recht nicht mehr.„Nun, die Leute früher wussten,

dass ihr Leben vielleicht nur ganz kurz ist. Sie haben danach gelebt. Sie haben den Tod nicht verdrängt, sie haben sich mit ihm auseinan-dergesetzt. Ich möchte das nicht Schönreden, Jan, die Leute damals waren sehr arm und hatten die Din-ge, die du heute in deinem Zimmer ganz selbstverständlich stehen hast, nicht. Es waren raue und teilweise sehr brutale Zeiten. Aber diese Leu-te haben den Tod weniger verdrängt als wir. Ich glaube, sie konnten sich damit einverstanden erklären. Sie wussten, mehr als wir heute, dass er kommt. Sicher, sie hatten Angst, wie du, aber sie haben es nicht ver-gessen.“„Muss ich jetzt immer an den Tod denken, mein Leben lang, Papa? Ich möchte so jemanden nicht als Begleiter! Das macht mir Angst!“„Nein, Jan, du musst dein Leben nicht immer daran denken. Es muss für dich nur selbstverständlich wer-den, dass es dazu gehört, dass wir irgendwann einmal nicht mehr da sind. Doch bis dahin ist noch viel Zeit, viel Zeit, ganz viele schöne Dinge zu machen.“Der Vater merkte, dass er die ganze Zeit die Tendenz hatte, alles schön und mystisch zu reden. So kannte er sich gar nicht. Ausgerechnet sein kleiner Sohn offenbarte, ohne es zu wissen, seinem Innern jetzt, dass er das, was er ihm unentwegt riet, sel-ber gar nicht befolgte. Auch er ge-hörte bisher zu denjenigen, die den Tod völlig aus dem Leben verdrängt hatten. Wie konnte er jetzt ehrlich sein, gleichzeitig aber seinen Sohn beruhigen? Er wollte ihn nicht belü-gen, aber er wollte ihm auch keine Angst einjagen. Innerlich hoffte er, dass er acht Jahre Erziehung, die, so musste er sich leider gestehen, größtenteils auf das Konto seiner Frau gingen, jetzt nicht völlig über den Haufen werfe, aber trotz allem, eine innere Stimme sagte ihm, dass es richtig sei, was er seinem Sohn gerade erzählt hatte.„Weißt du, es gab da eine Zeit in unserer Welt, die sich Zeit der Ro-mantik nannte. In dieser Zeit gab es ganz viele Dichter, die das Leben als vergänglich bezeichneten, also sagten, dass alles irgendwann ein-mal zu Ende geht. Deshalb soll man in seinem Leben möglichst viele Dinge tun, die einem Spaß machen, möglichst viel mitnehmen, vor

allem von der Natur. Zum Teil hat-ten sie Recht. Sie hätten aber noch sagen sollen, dass auch alles wieder einen neuen Anfang nimmt. Denk immer an den Kreislauf, Jan. Alles ist in stetigem Wandel und Fluss.“„Zeit der Romantik? Omi hat im-mer gesagt, früher, das war die Zeit der Abenteurer!“„Omi hatte wie immer recht“, schmunzelte der Vater. „Aber wer sagt denn, das die Zeit der Aben-teurer vorbei ist? Aber wenn du schon von diesem Thema anfängst: auch die Abenteurer hatten immer ein großes Ziel. Dieses Ziel war nicht das Abenteuer. Das Abenteuer war nur der Weg zu dem Ziel. Und weil sie bereit waren, für ihr großes Ziel ein großes Abenteuer auf sich zu nehmen, das oft auch gefähr-lich war, machte es das Ganze so interessant. In diesem Moment nahmen sie oft das Risiko auf sich, das Abenteuer nicht zu überleben. Aber, wenn sie es nicht überlebten, war es nicht schlimm. Sie waren sich sicher, das Richtige zu tun. Sie wussten, dass der Tod eventuell dazu gehört.“„Aber wenn sie es nicht überlebten, haben sie ihr schönes Ziel doch gar nicht genießen können!“„Doch, sie genossen es, genau zu wissen, was sie wollten. Sie lebten für diese Idee. Sie haben natürlich nicht daran gedacht, dabei zu ster-ben. Aber sie wussten, dass es et-was gibt, wonach es sich lohnt, zu streben. Man kann sagen, sie hatten ihrem Leben als Teil des großen Kreislaufs einen Sinn gegeben.„Das verstehe ich trotzdem nicht!“„Ich möchte damit sagen: freue dich, dass du auf dieser Welt sein darfst. Freue dich, dass du daran teilnehmen darfst. Du bist Teil dieses großen Geheimnisses. Mach etwas draus. Denke nicht, dass es etwas Schlimmes ist, irgendwann nicht mehr da zu sein.Es gab einmal einen Mann, der für seine Zeit sehr radikal war, aber der meiner Meinung nach eines erkannt hatte.“ „Wer war dieser Mann?“„Dieser Mann hieß Friedrich Nietz-sche und war ein Mann, der über vieles nachdachte, auch darüber, warum wir auf dieser Welt sind. Viele Menschen haben sich die glei-chen Fragen gestellt, wie du heute Abend. Eigentlich stellt sie sich je-

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Hunger und Durst. Auf einmal aber sagte der Bürgermeister, dass er das Gespräch jetzt abbrechen müsse, da in seinem Dorf ein Mitbewohner beerdigt wird. Ich habe von ihm er-fahren, dass, wenn in seinem Dorf jemand stirbt, alle Bewohner dieses Dorfes zu der Beerdigung gehen. Sie tragen dann aber keine dunkle Kleidung, sondern das, was sie im-mer anhaben. Sie begleiten den To-ten und singen sogar dabei!“„Warum singen sie dabei?“ „Eben, weil sie wissen, dass der Tod dazu gehört. Sie glauben fest daran, dass den Toten auch jetzt noch etwas Gutes und Schönes erwartet. Wäh-rend der Beerdigungszug an uns vorbeizog, mussten wir aus dem Auto steigen und unsere Sonnen-hüte abnehmen, um dem Toten die letzte Ehre zu erweisen.“„Glaubst du, dass danach etwas Schönes auf uns zukommt, Papa?“ Es war klar, dass die Frage heute Abend einmal kommen würde, er wusste, dass seine Mutter, die sehr aktiv in der Frauengemeinde ihrer Kirche war, Jan immer damit getrö-stet hatte, wenn sie einmal tot sein würde. Er selbst konnte sich diesem Glauben nicht anschließen. Erneut brannte ein innerer Konflikt auf. Was ist das Beste für Jan? In An-betracht des bisher gesagten, kam er schnell zu der Meinung, dass er das ganze Gespräch über ehrlich war und wollte es auch jetzt dabei belassen.„Ich war oft anderer Meinung als Omi. Aber Omi hat diese Auffas-sung geholfen, sich mit ihrem eige-

der Mensch. Ich finde, er hatte eine Antwort, die ich dir weitergeben möchte. Er sagte, wir sollen unser Leben nicht daran verschwenden, zu denken, was nach diesem Leben passieren könnte. Dies weiß eh nie-mand. Lieber soll man sein jetziges Leben so gut genießen, wie es nur möglich erscheint. Also seinem Le-ben einen Sinn geben, wie es auch die Abenteurer gemacht haben.“„Und was ist dein Sinn des Lebens, Papa?“„Du stellst Fragen! Mit dir und Mama glücklich zu werden!“„Omi hat immer gesagt, dass du als Kind immer nur gefragt hast!“„Natürlich, das sollte man auch.“„Dann macht es ja nichts aus, wenn ich dir jetzt noch eine Frage stel-le, oder?“, lächelte Jan. Mit einem Blick auf die Uhr, dachte der Vater, dass es an und für sich schon sehr spät sei, er aber so selten Gelegen-heit hatte, mit Jan zu sprechen. Ein wenig machte es ihn traurig, dass seine wichtige Arbeit ihm so we-nig Zeit für seine Familie ließ, aber gleichermaßen dachte er, seinem Sohn bisher etwas Gutes mitgege-ben zu haben und antwortete „Na-türlich nicht!“„Warum weinen Menschen dann, wenn sie auf eine Beerdigung ge-hen? Warum macht es mich dann so traurig, dass Omi nicht mehr da ist?“„Es ist ganz normal, dass dich das traurig macht, Jan. Du darfst deine Trauer auch nicht unterdrücken, musst dir aber immer wieder klar machen, dass du immer noch Teil des Kreislaufs bist und dein Leben noch zu leben hast.“Auf einmal erinnerte er sich an ein Erlebnis aus seiner Kindheit„Ich habe dir ja schon einmal er-zählt, dass ich als Student mal in Afrika war, oder? Während meines Aufenthalts in Eritrea habe ich eine ganz andere Beerdigung erlebt. Ich war in einem kleinen Dorf, in der Nähe der Hauptstadt Asmara. Dort hat uns der Bürgermeister gezeigt, was er gegen die Dürre und Hitze in seinem Dorf alles unternimmt. Wie du vielleicht weißt Jan, geht es den Menschen in Afrika nicht so gut wie uns und viele leiden

nen Tod auseinanderzusetzen. Sie hat fest daran geglaubt und das war gut so. Ich habe dir doch erzählt, dass man sich damit auseinander-setzen sollte. Und da keiner weiß, was genau nach dem Tod passiert, hat auch jeder das Recht darauf, dies so zu gestalten, wie er möch-te.“„Also glaubst du nicht daran?“„Ich glaube, so wie Omi, dass alles ein großer Kreislauf ist. Du muss im Laufe deines Lebens entschei-den, was du glaubst. Da kann ich dir ausnahmsweise nicht helfen. Ich kann dir nur den Tipp geben, immer einzubeziehen, dass sich manche Dinge nicht ändern lassen.“„Aber, was glaubst du?“

„Ich glaube, dass jeder ein Leben hat, ein Leben in dem großen Kreis-lauf. Lass mich dir noch eine Sache erzählen. Ich habe vor längerer Zeit ein Buch gelesen, mit dem Titel „Das Orangenmädchen“. Es han-delte von einem Jungen, ungefähr in deinem Alter, der einen langen Brief seines toten Vaters las. Die-sen Brief hatte der Vater vor seinem Tod geschrieben. Eine Passage hie-rin hat mich sehr bewegt und mir sehr geholfen, mich in dieser Welt zurechtzufinden: der Vater war sehr traurig, dass er das Aufwach-sen seines Sohnes aufgrund seiner schweren Erkrankung nicht mehr miterleben würde. Er fragte sich, ob sich sein Leben überhaupt gelohnt hätte! Zum Schluss des Briefes stellte er seinem Sohn eine Frage. Er fragte ihn, ob er dieses Leben

genießen würde. Denn, wenn er es täte, so hätte sein Leben einen Sinn gehabt, nämlich ihm das Leben zu schenken.“„Der Junge genoss das Leben, oder?“„Ja er tat es. Siehst du Jan, das fasst alles, was ich dir erzählt habe, doch gut zusammen. Wir sind ein Teil des großen Kreislaufs. Mach aus deinem Leben etwas Schönes. Nutze die Zeit und freue dich, dass du sie erleben darfst. Lebe und gebe deinem Leben einen Sinn. Egal, wann es dann zu Ende sein wird, du kannst dir sagen. Es war toll, ich bin froh, dass ich zu den Glücklichen gehörte, die es erleben durften. Mache es so und du wirst begreifen, warum es nicht unend-lich sein kann.“Der Vater merkte, dass sein Sohn nun müde zu sein schien. Er fragte ihn: „Und, was glaubst du, Jan?“„Ich glaube“, gähnte Jan, „dass ich ziemlich müde bin“ und schlief ein. Der Vater deckte ihn zu, löschte das Licht und verließ das Zimmer. Es war mittlerweile nach 23Uhr. Er wunderte sich, dass seine Frau ihn nicht vermisste.Er musste noch an das Gespräch denken. Er fragte sich, wer hat jetzt eigentlich wem etwas beigebracht hatte? Er merkte, dass alles, was er Jan geraten hatte, ihm erst jetzt mit allen Konsequenzen ins Bewusst-sein gekommen war. Auch er hatte den Tod verdrängt, sagte er sich schon zum zweiten Mal an diesem Abend, hatte unaufhaltsam gewei-nt, als die Mutter beerdigt wurde. Nun war er sehr zufrieden mit sich, er war nicht nur sich selbst, sondern auch seinem Sohn etwas näher ge-kommen.Zufrieden ging er in das Schlaf-zimmer, wo er seine Frau bereits vermutete, zog sich die Kleider aus und legt sich zu ihr. Sie war noch wach und fragte. „Na, Liebling, ich habe Licht in Jans Zimmer gesehen. Was war los? Eigentlich wollte ich ja nach euch schauen, da Jan mor-gen die Mathearbeit schreibt. Dann dachte ich mir, die beiden sehen sich so selten. Lass sie mal. Was habt ihr besprochen?“„Ich glaube, wir haben uns gegen-seitig etwas beigebracht“, murmel-te er noch, löschte das Licht, gab ihr einen Kuss und schlief zufrie-den ein.

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