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340 A. Mailer und K. Mlllier, Entgegnung auf: Eine Entgegnung auf die Sehrift: ,,Der Vogel und sein Leben." Von OberfSrster Adolf Miiller und Pfavrer Karl Miiller. (Schluss; s. Juli-Heft 1868, S. 265 u. ft.) Schliesslieh drangt es uns unwillkfirlich zu sagen, dass Herr A. Rich gerade in den Capiteln fiber ,,Gesang" und ,,Kampf der M~tnnchen" als einen Materialisten enthfillt hat. Ist ein Vergleich wie folgender, nicht durch und durch materialistisch: ,,hnmer ist, wenn wir genau beobachten, dieser Herbstgesang mit dem Anfange (!) des Fortpflanzungsgeseh/fftes verbunden. So wie im Spiitherbst nochmals bltihende B/~ume Frfichte hervorbringen wfirden, wenn nicht die folgende herbe Temperatur die Winterruhe gebSte, so wfirden auch diese VSgel, die Winterruhe, den neutralen Winter- zustand fiberschlagend, sofort wieder zur Fortpfianzuagsf/~higkeit gesteioert werden, wenn warmes Sommerwetter mit der entsprechen- den bTahrung ihren Organismus dauernd und hinreichend empor- heben kSnnte."- l~un, warum singen und begatten Rich nicht die Paare unter der sfidliehen Sonne und bei dem Ueberfiuss der Nahrung in ihrer Winterherberge? Aber der Verfasser, der die Regungen der Pubert/it so derb materialistisch als alleinige Ur- saehe alles dessea ansieht, was einen ftihlenden Menschen so hoch entziiekt bei dem hen'lichen Vogelgesang, vermeidet auch wohl- weislich auf das Aengstlichste jede Berfihrung in Vergleichen mit dem Mensehen. Ganz natth-lich! Der Herr Verfasse5 ein Geist- licher, k/~lae bei solcher Behandtuag seines vorliegenden Themas in so bunte und runde Beziehungen hinein, die um alles unberfihrt bleiben mtissen. Wir h/itten bei Vergleichen naeh diesel' Seite bin dana mit leichter Mahe den Beweis., wie das hervorgehobene Agens die ,,Ebenbitder Gottes" so oft unvergleichlich viel niedriger, h/isslieher und ausschweifender dr/ing% treibt trod jagt, als den ge- waltsam ~ la Altmn niedergetretenen Vogel. Darf es uns Wunder nehmen, wenn ein hIann mit solch grob materiaiistischer hnschauung fiber das schSnste Werk yon A. B r e h m herf/~llt und in eitler Verblendung w/that, aus seiner Rumpelkammer yon theologischen und teleolo~schen Hebeln und Schrauben ,,tiefere Naturgrfinde" beigebracht zu haben, neben welchen unter andern neueren Werken ,,das Leben der VSgel" sich ,,kindlich" mit ,,/iusserst wohlfeiten Floskeln unserer sentimentalen

Eine Entgegnung auf die Schrift: „Der Vogel und sein Leben.”

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340 A. M a i l e r und K. Mll l ier , Entgegnung auf:

E i n e E n t g e g n u n g a u f d i e S e h r i f t :

,,Der Vogel und sein Leben." Von

OberfSrster Adolf Miiller und Pfavrer Karl Miiller. (Schluss; s. Juli-Heft 1868, S. 265 u. ft.)

Schliesslieh drangt es uns unwillkfirlich zu sagen, dass Herr A. Rich gerade in den Capiteln fiber ,,Gesang" und ,,Kampf der M~tnnchen" als einen Materialisten enthfillt hat. Ist ein Vergleich wie folgender, nicht durch und durch materialistisch: ,,hnmer ist, wenn wir genau beobachten, dieser Herbstgesang mit dem Anfange (!) des Fortpflanzungsgeseh/fftes verbunden. So wie im Spiitherbst nochmals bltihende B/~ume Frfichte hervorbringen wfirden, wenn nicht die folgende herbe Temperatur die Winterruhe gebSte, so wfirden auch diese VSgel, die Winterruhe, den neutralen Winter- zustand fiberschlagend, sofort wieder zur Fortpfianzuagsf/~higkeit gesteioert werden, wenn warmes Sommerwetter mit der entsprechen- den bTahrung ihren Organismus dauernd und hinreichend empor- heben k S n n t e . " - l~un, warum singen und begatten Rich nicht die Paare unter der sfidliehen Sonne und bei dem Ueberfiuss der Nahrung in ihrer Winterherberge? Aber der Verfasser, der die Regungen der Pubert/it so derb materialistisch als alleinige Ur- saehe alles dessea ansieht, was einen ftihlenden Menschen so hoch entziiekt bei dem hen'lichen Vogelgesang, vermeidet auch wohl- weislich auf das Aengstlichste jede Berfihrung in Vergleichen mit dem Mensehen. Ganz natth-lich! Der Herr Verfasse5 ein Geist- licher, k/~lae bei solcher Behandtuag seines vorliegenden Themas in so bunte und runde Beziehungen hinein, die um alles unberfihrt bleiben mtissen. Wir h/itten bei Vergleichen naeh diesel' Seite bin dana mit leichter Mahe den Beweis., wie das hervorgehobene Agens die ,,Ebenbitder Gottes" so oft unvergleichlich viel niedriger, h/isslieher und ausschweifender dr/ing% treibt trod jagt, als den ge- waltsam ~ la Altmn niedergetretenen Vogel.

Darf es uns Wunder nehmen, wenn ein hIann mit solch grob materiaiistischer hnschauung fiber das schSnste Werk yon A. B r e h m herf/~llt und in eitler Verblendung w/that, aus seiner Rumpelkammer yon theologischen und teleolo~schen Hebeln und Schrauben ,,tiefere Naturgrfinde" beigebracht zu haben, neben welchen unter andern neueren Werken ,,das Leben der VSgel" sich ,,kindlich" mit ,,/iusserst wohlfeiten Floskeln unserer sentimentalen

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Thierpsychologen" ausn~ihme, welche,,Eifersucht, Nebenbuhlerschaft, Liebe" als die eigentliehen Triebfedern der Vogelk~mpfe unter- stellen ? *)

,,Die P a a r e . "

In diesem Absehnitte begegnen wir fast iiberall den verkehr- testen Auffassungen, gesttttzt auf mangelhaffe oder falscbe Beobach- tungen des Vogellebens. Der Verfasser wiederholt auch l~tngst Bekanntes. Wit erim~ern nur an B r e h m, Vater, und dessen Ausspruch ~iber die berrsehende Venus vulgb'aga unter den S~tuge- tbieren. Ueber das geleugnete Eheleben der Viigel mag sich Herr A. aus Brehm's ,,Leben der VSgel", zweite Auflage, belehren lassen. ,,Ich selbst"-- sagt A. B r e h m daselbst-- , ,bin in Aflika 5fters VSgelpaaren begegnet, die entschieden auf der Reise waren und dennoch in jener unzertrennlichen Gemeinschaft verblieben welche dieVogelehe so vortheilhaft vor mancher andern auszeichnet" u. s. w. u. s. w.

Und wenn sich Herr A. so hOchlich stSsst an den Ausspruch desselben A. B r e h m, dass, natiirlich im grossen Ganzen genom- men, ,,die Ehe der Viigel eine gl~ickliche, untadelhafte, fiir die Menschen nachahmungswerthe" sei: so muss uns das wieder nicht befremden, well hierdurch eingegriffen wird in das Gebiet der Sacra- mente. - -

Frtiher entwickelten Ansichten des Hrn. Verfassers gemRss, lesen wir auch in diesem Absehnitte: ,,Die beiden Thiere~ welche ein Paar bilden, lieben sieh nieht als Individuen (!), sind nicht als Individuen erkoren (l), sondern gehi~ren nur als versehiedene Ge- schlechtswesen derselben Art fiir die Zeit und zum Zweck tier Fortpflanzung zusammcn, nur als solche erkennen sie sich gegen- seitig als ihre Lebenserg~inzung, nur als solche Lebensergiinzung gehtiren sie zusammen." -- Warum nun, Herr A., trauert die Turteltaube noch mehrere Tage und fliegt immer wieder dem Platze zu, we sie ihr Weibehen verlor? Sie hat Erinnerungsver- miigen, welches wenigstens aaf einige Tage zurtickreicht. Warum sehreien, flattel~n und suehen noch lange nachher die Eltem nach

*) Herr A. begeht an A. B r e h m eine weitere Ungerechtigkeit dadurch, class er nur Stellen aus der e r s t e n At~sgabe veto ,,Leben der V~gel" an- fiihrt, Stellen, welche der rastlose Forschergeist, die rege Strenge gegen sich selb~t und das m~chtige Streben nach Wahrheit in der zweiten Auflage gemildert, ge~indert, ja entfernt hat. Das auffallende lgnorir~n der zwei- ten Auflage des Brehm'schcn Werkcs bei Herrn A. hat tieferen Grund.

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den weggenommenen Jungen? Wenn keine Seelenth~itigkeit (wie sollen wires anders nennen als Liebe) da w~tre, reg'te sieh denn nur beim Anbliek der Jangen der Pflegetrieb ? - -

Dem Jagen der Paare wird ebenfalls eine teleologische Ge- walt angethan: Alles gesehieht maschinenmiissig, um einem hiihe- ren Befehl zu geniigen. Ein Tropfen teleologisehes Oel wird dem R~iderwerk, beiden Gesehlechtern n~imlieh, eingegossen durch den Geschleehtstrieb, and fort geht der ganze Mechanismns des Fami- lienlebens seinen Gang. Von dem Grand weiss man nichts, dass das Weibehen sieh in vielen F~illen yore M~tnnchen jagen li~sst, weil es yon dem Bautrieb noeh beherrseht wird; man weiss aueh nieht, dass es - - wie angleich mehr bei den Menschen --interes- sante Ausnahmen giebt, z. B. bei den Ringeltauben, welehe vor Anfertigung des Nestes die Weibehen - - wie dort gegen die kirehliehen Gebote, so hier wider die Regeln der ~atur - - ge- brauehen, befl'uchten. FUr das ansti~ssige and vielleicht aaeh zu weit vermenschliehte ,,Spriidethun" setzt nan die teleologisehe Weisheit die Sehraabe der Erkl~trung an, dass das Sichjagen- lassen den ,bezweekten Erfolg", n~imlich ,,die gespannteste Dispo- sition" hervorbringe, immer auf hiihere Verfiigung, bei Leibe nieht aus freiem, individuellen Antrieb and ~Teigung. Recht so, nur so welter and wit haben anf diesem Wege des Herrn :4 1 t u m am Ende ein interessantes Seitensttick einer unbeflecktea EmpF~i.ngniss in der Vogelwelt.

Herr A. verlangt nichts als reine Facta, naekte Thatsachen fiir selbststandiges Handeln bei den VSgeln, eben ihre Seelen- th~itigkeit. Er soll sic haben, mag er ihnen nun seine teleologischen Weisheits-Schnitzeln und Etiquetten-Zettelchen hinten oder vorn anheften. Also: ein Hahn vertheidigte seine Hennen gegen den Hand im Hofe, sobald dieser das ihm vorgestellte Fressen anging und die Hiihner absehlug. Er flog ihm in's Gesieht, so dass der Hand wich. Eines Tages ist ein Hahn allein im Hole und wird yon dem Hund yore Fresstrog abgewiesen. Eilig l~iuft es um die Hauseeke auf die Strasse, raft den Hahn herbei, der in hitzigem Lauf mit der ganzen Hiihnerschaar ankommt and sogleich dem Hund za Leibe rliekt. (K. hi.) - - bloch dieses Frfihjahr beobaeh- teten wir, wie ein Htihnerhabicht auf ein Hahn stiess. Der her- beieilende Hahn springt mit wahrer Todesverachtung dem R~tuber~ mit N~igeln und FlUgeln kr~tftig sehlagend, entgegen and verjagt so endlieh den mehrmals auf das Huhn Stossenden. (A. M.)

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Wir verweisen ausserdem auf so vieles yon guten Beobaehtern Angefiihrte, das die Anh~nglichkeit und den lebendig-wesenhaften Verkehr zwischen den VSgelpaaren spreehend bekundet und das Herr A. mit einigem guten Wilten sich - - selbst suchen kann. Ad voeem Auerhahn (S. :103 u. :104). ,,Schon die eine Thatsaehe, dass es manche V~gelarten gibt, deren Individuen versehiedenen Geschlechts durch kein anderes Band als den momentanen Akt der Zeugung vereint" sind, muss uns stutzig machen." Da kSnnte den Herrn A. doeh noeh ganz anders die liebe hohe Menschheit stutzig machen, welche diese lose Vereinigung fast zur Regel stempelt. Bektimmert sieh der Sultan um seine hundert Kinder, der Wtlstling der Civilisation, die Wilden um ihre Nachkommen- schaft? Nun halte man vorurtheflslos das Betragen vieler VSgel w~hrend der Brut und Jungenerziehung, sowie ihr Zusammenhal- ten auf dem Zuge zusammen, und man wird dem Ausspruche B r eh m' s und Anderer tiber ein mustergtilfiges Eheleben kein Anathema wie Herr A. entgegensehleudem. Wenn er tibrigens bier nicht beseh~mt dasteht, so mSge er es bei unserer sp~teren Widerlegung seiner hoehmtithigen Phrasen auf Seite :106 und 107. Hochmut hkommt vor'm Fall. Wit werden sehen, welehe Be- wandniss es hat mit seinem ,,sch~rferen Studium" als dasjenige

�9 n , ~ , der , ,Melste , welche in neuerer Zeit tiber Thierseele und Thier- psyehoIogie sehrieben."

Durch Erw~hnung der l~ngst bekannten Thatsaehe, das~ nach Verlust des M~nnehens das Weibchen sofort ein anderes oder mehrere andere M~nuchen annimmt, beweist Verfasser nichts anderes, als dass das Ged~ehtniss der vsgel besehr~nkt ist, wie das dem Augenbliek sich hingebende kindliehe Gemiith ja aueh alsbald Trost und Ersatz in der Stiefmutter findet. Dass wir niehts erfahren yon thats~chlicher Trauer der Ubrig gebliebenen M~nnehen beim Tod der Weibchen, l~isst sich nach der Ansicht in den Worten erwarten: ,,Von Gattenliebe ist bei den V~geln durch- aus nichts zu finden." -- Nattirlich, flir denjenigen niehts zu fin- den, welehem die Liebe des Apostels Paulus mangelt. Er ist ein tSnendes Erz oder eine klingende Sehelle. Und weil ibm der mitfiihlende Zug, die alhmfassende Liebe im Herzen fehlt, durum ist ihm die gauze Vogelwelt nur eine stumpfe Ylaschine, ein todter Meehauismus, und der herrliche Vogelgesang nut ein TSnen und Klingen, mag er es aueh versuchen, hier und da hin- ter einer Staffage yon Scheinpoesie fiber die Harmonie der Natur

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und des Vogelgesanges seine Verarmung oder gar VerSdung (wer sieht in das Menschenherz !) zu verdecken.

~N e s t. ~c Hier endlich kommen wir an eine Erscheinung in der l~atur,

bei deren Erkl~irung wir der Ansieht des Herrn Verfassers bei- pflichten. Aber so sehr wir aueh nach unseren Beobachtungen yon dem Irrthum derBehauptung tiberzeugt sind, die VSgel lernten das Bauen, so entschieden mUssen wir der Al tum ' scben grassen Auffassung entgegentreten, ,,dass der l~estbau ein Theil des gan- zen einheitlichen Fortpflanzungsgesch~fts ist." Der Kunsttlieb in der Tbierwelt ist unstreitig eine dem Einzelwesen sehon bei der Gebm~ innewohnende ,,G a b e d e r Iq a t u r " wie wit sie bei dem Menschen, namentlieh dem civilisirten, nicht gewahren. Wir haben diese Ansiehten bereits im VIII. Jahrgang des Zoologischen Gar- tens yon 1867 unter der Aufschrift: ,,Das l~isten der V~gel" nie- dergelegt, auch dieselben in unseren ,,Thierwohnungen" aufge- nommen, enthalten uns deshalb hier einer naheren AusFtihrung. l~-ur mag bier auf die Thatsache hingewiesen werden, dass die Hlitten und Wohnstatten wilder VSlkerst~mme, so lange diese im Urzustand leben und mit der Civilisation nicht in Ber~ihrung kom- men, gewisse eigenthtimliehe Formen beibehalten und d i e Kunst- fertigkeit ihrer Erbauer eine bestimmte Grenze nicht Ubersteigt. Der Eskimo baut seine Sehneehtitte noch heute wie zu den Zeiten, als die ersten Seefahrer dessen Heimath fanden; die indianischen Wigwams erscheinen seit der Entdeckung Amerikas bis auf heute in denselben Formen und aus denselben Stoffen. Will Herr A. diesen ,,1~aturwesen" ebcnfalls G e i s t - Seele absprechen? Aber auch angenommen, das Vogelnest sei Iediglich ein Product des Fortpflanzungstriebes, was in aller Welt w~ire denn dieser Antrieb anders, als ein Vergleichbares mit jedem andern Beweggrund, jeder andem Anregung zu einer Beth~tigung oder einer I-tandlung ? Was w~ren so viele menschliche Bestrebungen, Arbeiten, Thaten, ohne die Triebfedern wie Hass und Licbe, Laster und Tugend

wie Belohnungen und Strafen? Die Kirche mit ihren Verheis- sungen weiss das sehr gut, und Hen" A. kennt das auch. Warum schweigt er dartlber? - -

,,Die E ie r . " Auch bier geben wir Herrn A. recht, wenn er Ausdrticke

tadelt~ welche ftlr Erscheinungen im Vogelleben in'thiimlich oder iibertrieben gebraucht worden sin& Es fallt aber keinem streb-

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samen Forscher auf der gegnerischen Seite ein, diese Irrthiimer, einmal als solche erkannt, festzuhalten. Im Gegentheil wird z. B. B r e h m , seiner ganzen Strebsamkeit und Wahrheitsliebe nach, iiberall da dem Herrn A. dankend GehSr schenken, wo er ihm thats~tchlich Wahres sagt.

Ob der junge, zum ersten Mal brtitende Vogel nicht ein dunk- les Geftihl yon dem Vovhandensein des schlummernden Lebens in seinem Ei hat? - - Wir wollen diese Frage dahingestellt sein lassen. Dass aber ~ltere Brutviigel davon gar niehts wissen sollen, ist eine eben so libertriebene BehaupLung, a]s die, dass der Vogel wie eine Brutmaschine tiber den ,,Mineralschalen" bis zum Auskriechen der Jungen hockte. Der Vogel ist hier entsehie- den etwas anderes, als auf hiiheren Befehl handelndes Brntwerk- zeug; das haben uns gerade in den letzten Jahren vielfaltige Forsehnngen bei den Nestern deutlich gezeigt. Der Muttervogel weiss sogleieh, ob Eier seines Geleges verschoben~ mit anderen vertanseht oder verletzt worden: denn er ordnet sofort das Ver- sehoben% er giebt dnreh Geberden und Laute kund, dass er das Fremde wohl erkannt, er ruft den Gef'~hrten herbei und, was das Beherzigenswertheste, er schafft verletzte Eier meist sogleich aus dem Neste, and sei diese Verletzung anch nur ein feiner Nadelstieh dureh die Sehale. Diese Handlungen sind sprechende Beweise ftir eine Seelenthiitigkeit im Vogel, die wir nnbedingt ebensowohl mit Anh~ingliehkeit zu Eiern und Nest, als mit Ueber- legung oder UnterscheidungsvermSgen bezeiehnen m~issen. Ob- gleicb nun der Vogel anch fremde Gegenstande, wie unterge- schobene Steine~ annimmt und anf diesen wie anf dem Gelege weiter- briitet, so beweist dies blos grossen Drang des Brutvogels zu seinem Gesehiift. Es ist ibm ein Bedtirfniss, die Bruthitze tiber- zuleiten auf sein Gelege. aueh dann noch, wenn man dies t h e i l - w e i s e ihm nimmt und daftir etwa einen Stein untersehiebt. Aber niema]s oder nur hSchst selten wird er naeh Entfm-nung seines ganzen Geleges aaf Fremdem brtiten. Er verl~isst in der Regel dann das Nest, je nach Individualiti~t und Artj nicht selten sogar schon bei geringerer StSrung. Er wirft aber oft genug das AufgenSthigte aus seinem Heiligthum heraus. --

Ueber die Farbe der Eier bringt Herr A. - - soweit sie ihrer Umgebang mebr oder weniger ~ thne ln - l~ingst Bekanntes und Ausgesprochenes, im Ganzen anch nicht Bestrittenes vor; die Er- kliirungen abel', wozu ihn wieder seine Zweekm~tssigkeitsweisheit

346 A. Mt i l l e r und K. Mti l ler , Entgegnung auf:

ftihrt, sind belustigend. ,,Dieselbe Art, dieselben Individuen" (nun sind's auf einmal Einzelwesen !) sollen ,,je nach der verschie- denen Farbe des Bodens, worauf sie brtiten , verschieden ntiancirt gefitrbte Eier" legen. Es wird eine ,,Provenienz(!) der Zwerg- trappeneier" zu Tag bef6rdert, welche ,,aus ihrem Farbton zn bestimmen" sei; mehrmals auf Sandboden ihrer Eier beraabte Seeschwalben ,,brtlteten endlich auf dem inueren GrUnland. Wareu ihre Eier erst sandgelb grundirt und mit braunen Flecken besetzt, so zeigten sie sich sp~iter entschieden grtinlich" etc. Nun sollte man denken, der Verfasser halte diese Abanderungen ftir dasselbe, wie die verntint~igen Vogelkundigen, als eine den meisten Eiern tier VSgel mehr oder weniger zukominende Veri~nderlich- keit in Grundton and Zeichnung, hervorgerufen durch individuelle Verfassung und verschiedene Nahrung der Mutterv(igel. hber das ware zu einfach nattirlich. Hier muss wieder die Taschenspiele- re i der hi~heren Teleologie herbei. Und wie flott nimmt diese Urgrossmutter der Weisheit selbst die gef~thrlichen Ausnahmen der unartigen VSgel, welche nieht nach der Scbablone geF~rbte Eier legen wollen, in ihren vertuschenden Schooss! Da sind die hellen, verr~ttherischen Eier der blachtschwalben. - - Diese be- decken die Brutv(igel mit ihrem waldbodenfarbenen Kleide Tags tiber vor gef~thrlichen Blicken (andere Brutvi~gel sitzen aber eben- falls bei Tag tiber ihren Eiern!). Hier liegen die Eier der Haubentaucher - - aber die liisst die Vorsehung beim Verlassen des ~Nestes yon den Bltern hUbsch zudecken. Dort wieder leuch- ten die Gelege der Sumpfohreule, der Steppen-, Wiesen-, Kom- und Rohrweihen - - aber die ,,sind geschtitzt durch die geftirchte- ten Waffen der VSgel." - - Aber die blendenden Eier der HShlen- brtiter? - - o hier wird Versteckchens gespielt: die liegen in den dunklen HShleu verborgen. Und die weissen der Wildtauben, die des Pirol und so vieler Anderen? - - sind mir nichts dir nichts im dichten Laubdach verdeckt. ,,In Beziehung auf den Neststand" - - so werden wir getri~stet - - ,,hat also die Farbe der Eier eine sehr tiefe Bedeutung, es liegt in der Anordnung unverkennbar eine Absichtlichkeit, ein beabsichtigtcr Zweck, welchen zu leug- hen einem denkenden Menschen wohl schwerlich im Ernste in den Sinn kommen kann." Soweit w~tren ,,die Rollen ausgetheilt und Alles wohl bestellt." Aber der Meusch, d. h. Herr A., denkt's nnd - - Fuchs, Wiesel, Marder~ Iltis, Eichh(irnchen, Dachs, Igel, Ratte und Maus l e n k e n ' s zum Argen: - - die gauze Sippschaft

,,Der Vogel und sein Leben." 347

yon R~iubem kommt heran, diese Sehleicher alle mit den feinen N a s e n, diese verwegenen Burschen mit dem regen, frisehen R~tubersinn, diese Herren roll lebendigem ,,Kraft und Stoff" fallen tiber den bedeekten und unbedeekten, weissen ~md bunten Sehatz he 5 und ehe sich's Herr A. versieht, ist das g'anze Mark im Schoosse seiner teleologischen Grossmntter ausgesoffen. Die gottlosen, seelenbegabten R~iuber haben alle Vogeleier mit den ,,tiefen Ge- danken" in den ,,Schn~)rkeln" auf dem stumpfen Eude, die Sch~ttze mit den,geistreich beschriebenen Seiten in dem gedankenschweren Buche der Natur" - - deren Bedeutung Herr A. so ,,glticklich" war, zum erstenmale der Welt zu offenbaren - - alle sind sie geraubt, hohl und leer wie der grossmtitterliehe Sack des Herrn A.

, ,Das B r u t g e s e h K f t . " Hier wlederholt Herr A. -- wahrscheinlich in alter Gewohn-

heit yon den Seminar-Repetitionen her - - seine teleologische Weisheit wie ein Schulknabe sein Pensum. Wir mtissten ein Bueh sehreiben, wollten wir alle Grillen widerlegen. Start der abgedrosehenen Litanei fiber das Brtiten ,,auf hSheren Befehl," das Briiten-,,Miissen" trod das ,,AufhSren des Befehls" h~itte der Verfasser viel besser einen Begriff yon dem Wesen des Bfiitens geben kiSnnen. Den sieht aber eine Altum-sehwarze Brille nicht.

Wir wollen eine natUrliehere, knrze Erkliirung des BrUtens zu geben versuehen. Es ist eine mehr oder weniger fieberhafte Erscheinung im Organismus des Vogels, hervorgerufen durch die Entwickelung der Eier. In Folge der Hitze fiihlt der Vogel den Trieb, jene tiberzuleiten auf andere Gegenst~inde, eben seine Eier. Auf diesen sitzt er -- wie Herr Altum ganz richtig und gu~ be- obachtet bat - - mit geltlfteten, zur Seite geschlagenen Federn so lange, bis seine Brutwiirme aufh~irt. Diese Zeitdauer ist aller- dings verschieden, sie besehr~tnkt sich abet bei den meisten Vii- geln auf 14--76 Tage. Die aufgefiihrten gemeinen Haustauben brtiteten auf den Krontaubeneiern so lange, bis ihre Bruthitze auf- h(irte; die Summe ihrer Bruthitze war aber nicht hinreichend fur die Zeitigung der Krontaubeneier, tblglieh konnten diese yon den gemeinen Tauben nieht zur Reife gebracht werden. Was h~itte ihnen aries Denken bier geholfen ? - - die Brntw:<ilIne war fort. Ueberdenke Herr A. einmal diese Naturwahrheit, statt dass er sich wie ,,des Fiirbers Gaul nur im Ring berumdreht" in dem Bemiihen, die Seelenthittigkeit des Vogels zu berufen, w o e s gar nieht niithig ist.

348 A. Mt i l l e r and K. 3Itil ler, Entgegnung auf:

Nun setzt Herr A. auch einen seiner Haupthebel in Bewe- gung, ni~mlich seine neue Entdeckung tiber den Zweck, warum der Kukuk nicht brUtet, einem geehrten Publikum anzuzeigen. Diese maehte schon die grosse Parade im Maiheft yon Cab an i s' ,,Journal flir O~mithologie" yon ~866 unter dem Titel: ,,Warum brtitet der Kaknk nicht selbst ?" Der Kukuk tritt bei dieser Ent- deckung als Heiland Uberall in Schaaren auf, wo W~ilder vom Raupenfi'asse befallen sind. Um ftir diese ,,hiihere" Aufgabe stets znr Hand sein zu kSnnen, gab ihm der Gott des Herrn A: einen Freibrief zum ~ichtbrtiten und ein Lehen auf fremde Vogelnester zum Unterschieben seiner Frucht mit der Oegenleistnng, als Vasall auf den Wink des Lehensherrn mit hellem Hauf zur Raupenfehde in die W~tlder zu ziehen. Die bSsen Zungen der Herren yon ,,Kraft und Stoff" geben diese Oeschichte als eine mtissige teleo- logische Ertlndung aus and stiitzen sich auf die gottlosen Unter- suchungen des Sehwarzktinsflel~ Dr. 0 p el in Leipzig, der dem Kukuk riieksichtslos dan Bauch aufsehnitt and darin zwei grosse AufsehlUsse iiber das iNicht-Brtlten-Ki~nnen des sehr irdischen Vogels vorfand. Diese heissen:

1) ,Bei dem grossen Umfange and der eigenthiimlichen Lage des Magens wird withrend anhaltenden, durch Brtitung hervorg'e- brachten Druckes auf den Eierstoek ein Gegendruek ausgetibt, tier Krankheit dieses Organs zur Folge hat. 2) Mass bei zu ge- ringer Ausscheidung des Eiweisses im Eileiter das Ei eine so lange Zeit zu seiner vollstiindigen Umhtillung in Anspruch nehmen, dass eine Brtitung durehaus unm~glich ist, indem die kurze Zeit, die der Kukuk in unseren Gegenden verbleibt, nur fur die Le- gung, nicht aber ftir die Briltung hinreicht."

Die oben erw~thnten bi~sen Zungen kiinnten aber zu der ange- gebenen teleologisehen Erfindung aach noeh eine teleologische Gegenerfindung stellen: nach einem hSheren Rathschluss sind die haarigen Raupen nur wegen des Kukuks da, damit dieser seine h(ihere Aufgabe zur Bekehrnng der Ungl~tubigen verrichten kann. Das w~tre die Kehrseite der A ltum'sehen Eriindang.

,,Jungenliebe." Wir k~nnen bier sogleieh wieder den anvermeidlichen Kukuk

aufnehmen~ da gerade ihm in diesem Abschnitte die Hanptrolle zuf~llt, der Ratter des teleologischen Princips zu werden. Die Elternliebe der VSgel ist nattirlich nach dem bekannten Weltplane des Herrn A. nut eine in den KSpfen der Anthropomorphisten

,,Der Vogel und sein Leben." 349

spuckende, nieht aber in den kleinen Vogelhel~zen wohnende. Der Vogel ftlttert nach h~herem Befehl seine Jungen, bis sie allein fressen kSrmen und damit hi~rt die ZusammengehSrigkeit auf. Sp~tere Unterweisung, wie sie bei so vielen VSgeln vorkommt, wie Staaren, Meisen, Finken, H~tnflingen, Kreuzsehniibeln, EisvSgeln, StiJrehen, Kranichen, Dohlen, Raben, RaubvSgeln, Htihnern u. s. w., werden ausser Betracht gelassen. Es bleibt ausser Betracht die so naheliegende Thatsache des kurzen Lebeuskreises der meisten VSgel im Vergleieh zur Dauer ihrer Ausbildung unter der Ftihrung der Alten. Wie lange wlihrt die Kindheit des Vogels gegentiber der des Menschen, gegentiber so vieler liingerIebenden Saugethiere ? - - an diese Frage ist Herr A. noch gar niebt herangetreten. Er mag sie tiberdenken und damn beantworten, dass die Erziehung und Unterweisung so vieler VSgel eine verhiiltnissmiissig lange ist. -- Nun prasentirt sieh uns der Kukuk. Da bekommt der Leser denn yon vornherein eine der vielen Ungehenerlichkeiten in der Lebensgesehichte dieses allbekannten Unbekannten aufgetischt. Herr A. sollte bei solchen Mittheilungen, die er als Hauptbeweis- grtinde fur seine ktinstlichen Theorien benutzt, doch wenigstens vorsiehtiger sein und uns mit seinen gepriesenen ,schiirferen Stu- dien'; start mit vielleieht aufgebundenen Uebertreibungen beehren. Wenn Herr A. dem Giirtner glauben will, dass die alten Bach- stelzen wirklieh zu Gunsten des Pfleglings Kukuk ihre 1 e b e n d e n Jungen aus dem bTeste g e r i s s e n - ram, dana sind das seine nai'ven Sachem Aber wir beweisen ihm allen mi~nnlichen Ernstes, class wir krai% unserer vieli~,iltigen Erfahrungen und Vemuehe ge- rade in diesem Punkte ganz andere Ztige yon Elternpflege und Liebe bei den V~igeln gegen die eigenen Jungen aufzeichnen k~nnen. Doch wit wollen unserem Gegner, der den Seharfblick, das thiefische Leben nieht naeh dem Schein, sondern nach seiner innersten Bedeutung auffassen zu k~nnen, aUein zu besitzen glaubt, sagen, was Thatsaehliches an seiner mitgetheilten Bach- stelzengesehiehte sein k a n n. Die herausgeworfenen jungen Bach- stelzen waren todt, und Leichname schaffen die Brutvtigel aus ihrem ~est. l ~ i e m a l s ,,opfern" die Alten ,,ihre Brut, um den Weehselbalg gross zu ziehen." Das lasse sieh Herr A. gesagt sein. Das Sehieksal des jungen Kukuks ist ausserdem noeh viel- f'aeb dem individuellen Charakter der Pflegeeltern preisgegeben. Die erwahnte, s. Z. yon L e n z gegebene "lhatsaehe, dass eine Baehstelze noeh im Sp'~therbstjahre einen in eine BaumhSble ein-

350 A. M ti 1 i e r und K. M ti 1 i e 5 Entgegnung auf:

geklemmten Kukuk pflegte, beweist ebensowohl die Wahrheit unserer obigen Behauptung yon der Elternpflege, als ein freies, den Umst~inden angepasstes Handeln. Hier flitterte die Bach- stelze ,,weit tiber die Bedtirfnisszeit hinaus," bewies also ausser- gewCihnliehe Anhiinglichkeit selbst fiir ein Stiefkind. Wenn hin- gegen V(igel -- wovon wir zwei F~ille selbst erlebten - - den~ jungen Kukuk vor seiner Selbstiindigkeit t iber t ier S o r g e um d i e e i g e n e n J u n g e n v e r h u n g e r n l a s s e n , dann be- kundet dies ebensowohl eine entschieden ausgepriigte Eltemliebe, ein sprechendes Unterscheidungsverm(igen. - - Doeh was soll man sagen za l:,tngstvergriffenen, ja ia Miskredit gekommenen Mit- theilungen, wie die s. Z. yon dem alten B e e h s t e i n verbreitete, dass ein beliebig ausgesetzter Kukuk yon Bachstelzen und Brau- nellen, diesen StindenbScken der Kukukserziehung, in einem un- widerstehlichen Hang sogleieh gefUttert wttrde? Der gewisseu- hafte, griindliche Vater B r e h m hat diese Bechstein'sche Aus- sage in seinen ,,Beitragen" die Musterung passiren lassen und sie mindestens als Uebertreibung, wenn nicht als Fabel be- funden. Die Al t u m'sche - - wie sollen wir sagen -- Verken- nung oder Verdrehtmg alles Thatsiiehlichen gipfelt sich aber in dem Ausspruehe, dass die alten VSgel grSssere Liebe zu ihren Eiern als zu ihren Jungen hiitten. Diese fiir den teleologisehen Zweck eingestandenermassen ,,h(iehst wichtige Thatsachc" stossen wir aber yon ihren hohen Stelzen allen Rechtes mit der einfachen Wahrnehmung herab, dass das Jammergeschrei der Eltern um die bedrohten Jungen ein unvergleichlieh stiirkeres, bei vielen Arten herzzen'eissendes ist, sis das beim Raub der Eier. Wir sind uns aus unseren Knabenjahren noeh zu gut des tiefen, unverl•seh- lichen Eindruckes bewusst, den sehreiende Edelfinken auf unser Gewissen austibten, als wir ihnen die Jungen nahmen. Die Ein- drtlcke des Kindes sind rein, und ihre unvertlilschten ZUge der Wahrheit raubt uns keine ausgeklUgelte Zweckm~tssigkeitslehre.

Bei der Behauptung, die Jungenliebe der Alten nlihme bei jeder sp~iLeren Brut ab, mussten wir unwillktirlich an uns Familienv~,tter selbst denken. Die Hand auf dem Herzen, ki~nnen wir auf die Gefahr hin, aueh Ftir Seelen- und Lieblose zu gelten, nur best~itigen, dass das n~ichtliehe Wiegen der Jangsten nieht mehr mit dem Eifer und der Sorgfalt gelingen will, als beim Erstgeborenen.

,,Der ~togel und sein Leben." 35i

Das Capitel, ,,Nahrung" tibersehrieben, tlbergehen wir als zu unbedeutend ftlr jede Widerlegung.

,,Die V o g e l f a m i l i e . "

Gar schwaehe, wunde Seiten zeigt der Verfasser, die eben- sowohl seine oberfl~ichliehe Kenntniss der besprochenen VSgel, als die Seiehtheit seiner Zweeklehre bekunden. Es wird yon keinem erfahrenen J~iger ,,angezweifelt," dass ein ffefltigeltes Rebhuhn die ganze Kette lange an eine Flur oder Gewann bannt, ein Urn- stand, den beim Aufsuehen des Volks die Jagderfahrung wohl zu benutzen weiss. Es ist ferner ebenso aus~emaehte Thatsaehe in der J~igerpraxis, dass, wenn man den alten Hahn oder das alte Huhn beim Aufstehen der Kette heruntersehiesst, man mit der Er- beutung des jungen Volkes leiehte Mtihe hat. lqattirlich, weil dann die erfahrenen W~iehter die Familie nieht mehr leiten, wie sonst hier der Hahn, der die Kette schon tiber Schussweite grSssere Streeken weg tiber Gebtisch oder Waldungen an heim- liehe Pl~itze ftihrt, oder dort das Huhn, das die zerstreuten und so besser ,,haltenden" jungen Htihner wieder zusammenruft, um dann naeh seinem Beispiel sie zur reehten Zeit zu entftihren. Be- lustiffend ftir den Kenner der jagdbaren Thiere sind Auslassungen wie die, dass bei vereinzeltem Leben der Feldhtihner ,,das Raub- zeug in aller Stille und Bequemliehkeit eines nach dem andern ergreifen and abwtirgen" k~nnte. , 0 Weisheit, du redest wie"

ein A1 t u m ! Jedem Fuchse, Wiesel und Marder, sowie unse- rein trefflichen Htihnerhunde wird es viel leichter, auf das Ge- lliufe yon einer ganzen Kette zu kommen, als ein einzelnes Huhn ,,auszumachen" (zu wittern). Ebenso naiv und laienhaft ist die Meinung des Herrn A., in der Gefangenschaft aufgeftittel~e Htihner betrtigen sich bei ihrem Aussetzen in die freie h'atur gerade so wie wilde. Der Fuchs, der sie ohne Mtihe holt, weiss das viel besser, als Herr A. Aueh die Enten und anderen Wasserv~gel k~nnen ihm sagen, warum sie den Flussadler nieht scheuen, wohl aber den Wanderfalken und Habicht; sie kSnnen ihm sagen, dass sie diese R~.iuber yon einander zu u n t e r s e h e i d e n verstehen, weil sie ein C~ehirn besitzen, das sie zu dieser Unterscheidung" be- fithigt. - -

Den Abschaitt tiber den , ,Zug d e r Vi~gel" tiberlassen wir f31glich unserem Freunde B r e h m zur Widerlegnmg, da dieser g'e- rade diese wichtige Erscheinung in der Vogelwelt aus dem

3.55 A. M tt 1 i e r und K. M ti i i e r, Entgegnung.

reichen Schatze seiner Erfahl~ngen in der Fremde auf das GrUnd- liehste behandeln kann. - -

Ueberschlagen wir als zu unbedeutend und ziemlich gleieh- gUltig die iibrigen Abschnitte: das darin Enthaltene wird yon anderen Fragen meist gedeekt, und erledigt sich durch frfihere Widerlegung.

Fassen wir schliesslich zusammen und sagen Angesiehts der vorliegenden Sehrift: Sie ist durch und durch tendenzi~is und geht, am mittelbar die Verherrliehung des Mensehen zu erzielen, ver- deckt dutch absichtliches Herabch'tleken des Thiergeistes zu blossem mechanischen Sinnenleben auf einem andern Wege, als die zelotisehen Gegner V o g t ' s , auf die Darwin ' s ehe , aller- dings hin und wieder tibertrieben ausgebeutete Lehre los. Aus so vielen falschen, oberillichlichen Beobachtungen sieht doch tier Vogelkenner nur zu deutlich hervor, dessert Kenntnisse wahrlich besse 5 reiner und wahrer verwerthet warden, wenn sie nieht in RUcksicht auf den Zweck verschoben, verandert und vielleicht die b e s t e n - vergraben oder verschwiegen wUrden. So kann attch hier und da das feindliche Lager yon Herrn A l t u m Manches lernen, und wird er namentlieh Miissigung auf zu stark Uberspru- delnder, St~rkung und St~hlung auf maneher schwaehen Seite hel~orrufen.

Im Ganzen aber ist die A I t u m'sehe Schrift nicht dazu angethan, die gesunde Hauptrichtung der bTaturbetraehtung un- serer Tage irgendwie reformatol~sch zu bertthren. Und wie man den Vogel an seinen Federn erkennt, so erkennt man Her ru A. an seinen Weisheitslehren. Die eiue Seite der Alternative fiber Herrn A. f~llt demnaeh zusammen: Entweder er ist ein Prophet neuer Naturansehauung oder - - er ist keiner, welches letztere zu beweisen war.

Aquila imperial is in Pommern .

Im April vorigen Jahres sah ich in dem Ktiniglichen Forst Jiigerhof bei Greifswald ein Piirehen yon Aquila ~'mperialls, wovon sieh der eine in meiner N~the auf einer Wiese uiederliess, so dass ich ihn deutlich erkennen konnte. Ich war verwundert, diesen Adler zur Brutzeit in Pommern zu finden, hatte aber nieht Zeit, sofort nach dem Horst zu suchen. - - Am ~5. April dieses Jahres kam ich bei Gelegenheit einer Excursion durch obenbeuannten