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29 Makroskopische Maxwellgleichungen Eine räumliche Mittelung führt von den mikroskopischen zu den makroskopischen Maxwellgleichungen. Für die dabei auf tretenden Größen geben wir einfache Nä- herungen an: Die induzierte Ladungsverteilung wird durch die Dipolmomente der einzelnen Atome (Moleküle, Elementarzellen) dargestellt. Die dielektrische Funk- tion ε = 1 + 4π n 0 α e wird durch die Dichte n 0 und die elektrische Polarisierbarkeit α e der Atome ausgedrückt. Abschließend wird die Energiebilanz eines Systems aus elektromagnetischen Feldern und geladenen Teilchen behandelt. Die räumliche Mittelung (27.9) vertauscht mit partiellen Ableitungen: A ∂x = d 3 r A(r ,t) ∂f (r r ) ∂x =− d 3 r A(r ,t) ∂f (r r ) ∂x p.I. = d 3 r ∂A(r ,t) ∂x f(r r ) = ∂A ∂x (29.1) Damit gilt div A= div A und rot A= rot A. Natürlich vertauscht die räum- liche Mittelung auch mit einer Zeitableitung. Eine räumliche Mittelung über die Maxwellgleichungen (27.5) oder (27.6, 27.7) ergibt damit sofort Maxwellgleichun- gen derselben Form für die makroskopischen Größen. Wir mitteln räumlich über die Maxwellgleichungen (27.5). Zugleich setzen wir die Aufteilungen = ext + ind und j = j ext + j ind ein: div E= 4π ( ext + ind ) , rot E+ 1 c B ∂t = 0 div B= 0 , rot B1 c E ∂t = 4π c ( j ext +j ind ) (29.2) Polarisation Wir leiten einen Näherungsausdruck für die gemittelte Ladungsdichte ind ab. Da- zu denken wir uns die Materie in mikroskopische Einheiten aufgeteilt. In einem Gas oder einer Flüssigkeit wählen wir als Einheiten die einzelnen Atome oder Moleküle, in einem Festkörper eine Elementarzelle. Die Einheiten sollen neutral sein, das heißt ihre Gesamtladung soll verschwinden. Die Änderung der Ladungsverteilung in der ν -ten Einheit (aufgrund der zusätzlichen Felder) bezeichnen wir mit Δ ν (r r ν ,t). Dabei ist r ν der Vektor zum Zentrum der ν -ten Einheit (etwa der Schwerpunkt des Atoms); dieser Vektor könnte auch zeitabhängig sein, r ν = r ν (t). 269 T. Fließbach, Elektrodynamik, DOI 10.1007/978-3-8274-3036-6_30 © Springer-Verlag Berlin Heidelbcrg 2012

Elektrodynamik || Makroskopische Maxwellgleichungen

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Page 1: Elektrodynamik || Makroskopische Maxwellgleichungen

29 Makroskopische Maxwellgleichungen

Eine räumliche Mittelung führt von den mikroskopischen zu den makroskopischen

Maxwellgleichungen. Für die dabei auf tretenden Größen geben wir einfache Nä-

herungen an: Die induzierte Ladungsverteilung wird durch die Dipolmomente der

einzelnen Atome (Moleküle, Elementarzellen) dargestellt. Die dielektrische Funk-

tion ε = 1+ 4πn0αe wird durch die Dichte n0 und die elektrische Polarisierbarkeitαe der Atome ausgedrückt. Abschließend wird die Energiebilanz eines Systems aus

elektromagnetischen Feldern und geladenen Teilchen behandelt.

Die räumliche Mittelung (27.9) vertauscht mit partiellen Ableitungen:

∂ 〈A〉∂x

=∫d3r ′ A(r ′, t)

∂f (r − r ′)∂x

= −∫d3r ′ A(r ′, t)

∂f (r − r ′)∂x ′

p.I.=∫d3r ′

∂A(r ′, t)∂x ′

f (r − r ′) =⟨∂A

∂x

⟩(29.1)

Damit gilt 〈divA〉 = div 〈A〉 und 〈rotA〉 = rot 〈A〉. Natürlich vertauscht die räum-liche Mittelung auch mit einer Zeitableitung. Eine räumliche Mittelung über die

Maxwellgleichungen (27.5) oder (27.6, 27.7) ergibt damit sofort Maxwellgleichun-

gen derselben Form für die makroskopischen Größen.

Wir mitteln räumlich über die Maxwellgleichungen (27.5). Zugleich setzen wir

die Aufteilungen � = �ext + �ind und j = j ext + j ind ein:

div 〈E〉 = 4π(〈�ext〉 + 〈�ind〉) , rot 〈E〉 + 1

c

∂ 〈B〉∂ t

= 0

div 〈B〉 = 0 , rot 〈B〉 − 1

c

∂ 〈E〉∂ t

= 4π

c

(〈j ext〉 + 〈j ind〉)(29.2)

Polarisation

Wir leiten einen Näherungsausdruck für die gemittelte Ladungsdichte 〈�ind〉 ab. Da-zu denken wir uns die Materie in mikroskopische Einheiten aufgeteilt. In einem Gas

oder einer Flüssigkeit wählen wir als Einheiten die einzelnen Atome oder Moleküle,

in einem Festkörper eine Elementarzelle. Die Einheiten sollen neutral sein, das heißt

ihre Gesamtladung soll verschwinden. Die Änderung der Ladungsverteilung in der

ν-ten Einheit (aufgrund der zusätzlichen Felder) bezeichnen wir mitΔ�ν(r−rν, t).

Dabei ist rν der Vektor zum Zentrum der ν-ten Einheit (etwa der Schwerpunkt des

Atoms); dieser Vektor könnte auch zeitabhängig sein, rν = rν(t).

269

T. Fließbach, Elektrodynamik, DOI 10.1007/978-3-8274-3036-6_30© Springer-Verlag Berlin Heidelbcrg 2012

Page 2: Elektrodynamik || Makroskopische Maxwellgleichungen

270 Teil VI Elektrodynamik in Materie

Die induzierte Ladung ergibt sich als Summe über alle Einheiten:

�ind(r, t) =∑ν

Δ�ν(r − rν, t) (29.3)

Der Index ν von Δ�ν lässt zu, dass es verschiedene Einheiten (Atome) gibt. Wenn

alle Einheiten identisch sind, dann entfällt dieser Index.

Der Vektor r ′ = r − rν im Argument von �(r′, t) zeigt vom Zentrum der Ein-

heit zu der betrachteten Stelle. Wegen der endlichen Größe der mikroskopischen

Einheiten gilt:

Δ�ν(r′, t) =

{0 |r ′| � a

beliebig |r ′| <∼ a(29.4)

Dabei bezeichnet a die Längenausdehnung der mikroskopischen Einheiten (Atom,

Elementarzelle).

Ein zusätzliches Feld kann die Form der Ladungsverteilung, aber nicht die Ge-

samtladung einer mikroskopischen Einheit ändern. Daher gilt∫d3r Δ�ν(r, t) = 0 (29.5)

Unter Berücksichtigung der Eigenschaften (29.4) und (29.5) führen wir nun die

räumliche Mittelung über die induzierte Ladungsverteilung (29.3) durch:

〈�ind〉(r, t) =⟨∑

ν

Δ�ν

⟩=∑ν

∫d3r Δ�ν(r − rν, t) f (r − r)

=∑ν

∫d3r ′ Δ�ν(r ′, t) f (r − rν − r ′) (29.6)

=∑ν

f (r − rν)

∫d3r ′ Δ�ν(r ′, t)︸ ︷︷ ︸

= 0

−∑ν

∇f (r − rν) ·∫d3r ′ r ′ Δ�ν(r ′, t)︸ ︷︷ ︸

= pν(t)

+ . . .

Die Funktion f (r − rν − r ′) wurde nach Potenzen von r ′ entwickelt. Wegen∂nf/∂xn ∼ f/bn und r ′ <∼ a ist dies eine Entwicklung nach Potenzen von a/b � 1;

dabei ist b die Reichweite der Mittelungsfunktion.

Der erste nichtverschwindende Beitrag der Entwicklung (29.6) kann durch die

Dipolmomente pν(t) der mikroskopischen Einheiten (Atome, Elementarzellen)

ausgedrückt werden. Unter Vernachlässigung der nächsten Terme (höhere Multi-

polmomente) erhalten wir

〈�ind〉(r, t) = −∑ν

pν(t) ·∇f (r − rν) = −∇ ·(∑

ν

pν(t) f (r − rν))=(29.7)

−∇ ·∫d3r ′

∑ν

pν δ(r′ − rν) f (r − r ′) = −∇ ·

⟨∑ν

pν δ(r ′ − rν

)⟩(r, t )

Page 3: Elektrodynamik || Makroskopische Maxwellgleichungen

Kapitel 29 Makroskopische Maxwellgleichungen 271

Die zu mittelnde Größe hängt von r ′ ab, die gemittelte Größe (das Ergebnis derMittelung) hängt von r ab. Das Ergebnis kann außerdem von der Zeit abhängen,

und zwar über pν = pν(t) und über rν = rν(t). Durch

P (r, t) =⟨∑

ν

pν δ(r ′ − rν

)⟩(r, t ) = elektrisches Dipolmoment

Volumen(29.8)

führen wir die Polarisation P ein. Unter Umständen muss man die Entwicklung

(29.6) zu höheren Multipolmomenten fortsetzen. So verschwindet zum Beispiel das

Dipolfeld der Elementarzelle eines Siliziumkristalls aus Symmetriegründen.

Aus (29.7) und (29.8) folgt

divP = −〈�ind〉 (29.9)

Magnetisierung

Die analoge Behandlung von 〈j ind〉 = 〈∑

jν 〉 führt zu

rotM = 1

c〈j ind〉 −

1

c

∂P

∂ t(29.10)

mit der Magnetisierung

M(r, t) =⟨∑

ν

μν δ(r′ − rν)

⟩(r, t ) = magnetisches Dipolmoment

Volumen(29.11)

Der führende Beitrag zu 〈j ind〉 kommt also von den magnetischen Momenten μν =∫d3r r × jν/2c der mikroskopischen Einheiten.

Maxwellgleichungen mit den Feldern D und H

In (29.2) lassen wir jetzt die Mittelungsklammern bei den Feldern weg, also

〈E〉 → E , 〈B〉 → B (vereinfachte Notation!) (29.12)

Die zusätzlichen Quellen sind von vornherein makroskopisch, also 〈�ext〉 = �extund 〈j ext〉 = j ext. Durch

E = D − 4πP , B = H + 4πM (29.13)

definieren wir die dielektrische Verschiebung D und die magnetische FeldstärkeH . Die Bezeichnungen sind historisch bedingt und teilweise irreführend. Daher sei

noch einmal betont, dass E und B die grundlegenden Felder sind (wegen 27.4).

Wir setzen nun 〈�ind〉 = −divP und 〈j ind〉 = c rotM + P in (29.2) ein. Mit

der Notation (29.12) und den Bezeichnungen (29.13) erhalten wir daraus diemakro-skopischen Maxwellgleichungen

divD = 4π�ext , rotE + 1

c

∂B

∂ t= 0

divB = 0 , rotH − 1

c

∂D

∂ t= 4π

cj ext

(29.14)

Page 4: Elektrodynamik || Makroskopische Maxwellgleichungen

272 Teil VI Elektrodynamik in Materie

Suszeptibilität

In Kapitel 25 hatten wir ein Oszillatormodell für die Polarisation eines Atoms ein-

geführt. Dies führte zum induzierten Dipolmoment p(t) = αe(ω)E(t) mit der Po-

larisierbarkeit αe(ω), (25.12). Wir nehmen an, dass ein solcher Zusammenhang für

die Dipolmomente in (29.8) gilt:

P (r, t) = αe(ω)E(r, t)⟨∑

ν

δ(r ′ − rν)⟩(r) = n0(r) αe(ω)E(r, t) (29.15)

Die Dichte n0(r) der Atome sei zeitunabhängig (die eventuellen Zeitabhängig-

keiten der rν(t) können durch die Mittelung verschwinden). Die Zeitabhängig-

keit in p(t) = αe(ω)E(t), (25.11), besteht in dem Faktor exp(− iωt). Daher giltE(r, t) = E(r, ω) exp(− iωt) und P (r, t) = P (r, ω) exp(− iωt). Ohne den Fak-tor exp(− iωt) wird (29.15) zu

P (r, ω) = χe(r, ω)E(r, ω) (29.16)

mit der elektrischen Suszeptibilität

χe(r, ω) = n0(r) αe(ω) (29.17)

Dieser Zusammenhang zwischen der atomaren Polarisierbarkeit αe und der Suszep-

tibilität χe ist eine Näherung. Einige der dazu nötigen Annahmen wurden bereits in

Kapitel 28 diskutiert: Gültigkeit des linearen Response, makroskopische Näherung

und Isotropie (P ‖ E). Homogenität wurde für (29.17) aber nicht vorausgesetzt.

Bei der jetzigen Ableitung kamen folgende Annahmen hinzu:

(i) Die induzierte Ladungsverteilung kann durch die induzierten Dipole der ein-

zelnen Einheiten (Elementarzelle, Atom) angenähert werden.

(ii) Die Dipole der einzelnen Einheiten stellen sich unabhängig voneinander ein.

Alle Einheiten sind von derselben Art.

(iii) Die gemittelte Dichte n0(r) der Atome ist zeitunabhängig.

(iii) In pν = αeE kann das mittlere wirksame Feld E verwendet werden.1

Diese zusätzlichen Voraussetzungen sind im Allgemeinen für ein verdünntes Gas

erfüllt; im Festkörper sind sie dagegen mehr oder weniger stark verletzt.

1An sich wäre das am Ort des Atoms wirksame, lokale Feld Elok = Eext + Eind zu nehmen,

also pν = αeElok. Das Feld Elok variiert im Bereich einer Gitterzelle (im Gegensatz zum räumlich

gemittelten Feld E = Eext + 〈Eind〉).

Page 5: Elektrodynamik || Makroskopische Maxwellgleichungen

Kapitel 29 Makroskopische Maxwellgleichungen 273

Homogener, isotroper Fall

Wir stellen einen Zusammenhang zwischen den Feldern Eext, Eind, Bext, B ind und

D, P , H , M her. Dazu vergleichen wir (29.9, 29.10) und die inhomogenen Glei-

chungen in (29.14) mit den inhomogenen, räumlich gemittelten Gleichungen in

(27.6) und (27.7); die Mittelungsklammern lassen wir weg. Dieser Vergleich ergibt

divD = divEext , rotH − D/c = rotBext − Eext/c

−4π divP = divEind , 4π rotM + 4πP /c = rotB ind − Eind/c

(29.18)

Im isotropen und homogenen Fall gilt (29.16) mit χ = χ(ω), also

P (r, ω) = χe(ω)E(r, ω) (29.19)

Damit haben P und E dieselbe Ortsabhängigkeit und Richtung. Dann können sich

D = E + 4πP und Eext = ε(ω)E nur um einen skalaren, ortsunabhängigen

Faktor unterscheiden. Aus divD = divEext folgt dann, dass dieser Faktor gleich 1

ist (vorausgesetzt die Divergenz verschwindet nicht). Diese Diskussion gilt analog

für die anderen Felder. Damit erhalten wir

D = Eext , H = Bext

−4πP = Eind , 4πM = B ind

(homogener, isotroper Fall)

(29.20)

Diese Beziehungen gelten nicht für ein begrenztes Materiestück, denn Begrenzun-

gen verletzen die Homogenität und im Allgemeinen auch die Isotropie. Beispiele

hierfür sind das Feld Eind einer homogen polarisierten Kugel (Aufgabe 30.3) oder

das in Abbildung 30.3 dargestellte Problem.

Wir vergleichen noch die Aufteilungen (27.3) und (29.13) der Felder E und B

miteinander:

E = Eext +Eind = D − 4πP

B = Bext + B ind = H + 4πM(29.21)

Für den homogenen, isotropen Fall sind diese Aufteilungen jeweils gleich.

Mit D = Eext und H = Bext erhalten die Responsebeziehungen (28.14) und

(28.16) die Form

D(r, ω) = ε(ω) E(r, ω) (29.22)

B(r, ω) = μ(ω) H (r, ω) (29.23)

Wie bereits diskutiert, passt die Stellung der Felder in diesen beiden Beziehungen

nicht zusammen. Vielmehr entsprechen sich die grundlegenden Felder E und B,

und die Felder D = Eext undH = Bext.

Page 6: Elektrodynamik || Makroskopische Maxwellgleichungen

274 Teil VI Elektrodynamik in Materie

Makroskopische Maxwellgleichungen mit ε und μ

Im Folgenden verwenden wir die Bezeichnung ε und μ wie in (29.22, 29.23), auch

wenn der homogene, isotrope Fall nicht vorliegt. Diese Verwendung deckt sich mit

der in Lehrbüchern üblichen Behandlung der makroskopischen Elektrodynamik.

Im homogenen, isotropen Fall (29.20) fällt dies mit dem Gebrauch in Kapitel 28

zusammen.

AusD = εE,D = E + 4πP , und P = χeE folgt

ε = 1+ 4πχe (29.24)

Speziell mit der Suszeptibilität (29.17) erhalten wir

ε(r, ω) = 1+ 4πn0(r) αe(ω) (29.25)

Die Ortsabhängigkeit von n0(r) berücksichtigt Inhomogenitäten oder räumliche

Begrenzungen der Materie. Wir können auch eine Ortsabhängigkeit von αe(r, ω)

zulassen, um unterschiedliche Polarisierbarkeiten verschiedener Materialien zu be-

schreiben. Im Folgenden werden wir die Form

D(r, ω) = ε(r, ω) E(r, ω) (29.26)

B(r, ω) = μ(r, ω) H (r, ω) (29.27)

der Responsebeziehungen voraussetzen. Die zeitabhängigen Felder ergeben sich

dann aus

D(r, t) = 1

∫ ∞

0

dω ε(r, ω)E(r, ω) exp(− iωt) (29.28)

und E(r, t) = ∫∞0dω E(r, ω) exp(− iωt)/2π.

Für (29.28) schreiben wir kurz D = εE. Damit und mit H = B/μ wird

(29.14) zu

div (εE) = 4π�ext , rotE + 1

c

∂B

∂ t= 0

divB = 0 , rotB

μ− 1

c

∂(εE)

∂ t= 4π

cj ext

(29.29)

Für gegebene Quellen �ext, j ext und Materialgrößen ε, μ ist dies ein geschlossenes

System von Gleichungen für die Felder E und B. In allen konkreten Anwendungen

werden wir die Maxwellgleichungen in dieser Form verwenden.

Für die makroskopischen Maxwellgleichungen haben wir nunmehr zwei For-

men angegeben, (29.14) und (29.29). Dabei sind wir von den makroskopischen,

aber noch exakten Gleichungen (29.2) ausgegangen. Für den Schritt zu (29.14)

wurden lediglich (29.9) und (29.10) benötigt. Dies ist keine starke Einschränkung;

insbesondere schließen (29.9) und (29.10) die Berücksichtigung höherer Multipole

nicht aus. Dagegen verwenden wir in (29.29) die Responsebeziehungen (29.26) und

(29.27), in deren Ableitung eine Reihe von Annahmen einging.

Page 7: Elektrodynamik || Makroskopische Maxwellgleichungen

Kapitel 29 Makroskopische Maxwellgleichungen 275

Energiebilanz

Wir gehen von der Lorentzkraft auf ein zusätzliches Teilchen mit der Ladung

q aus; diese Ladung ist als Bestandteil der Ladungsdichte �ext anzusehen. Ei-

ne räumliche Mittelung über die in Materie effektiv wirksame Kraft (27.4) ergibt

〈F 〉 = q (〈E〉 + v × 〈B〉/c). Wie in den makroskopischen Maxwellgleichungenlassen wir die Mittelungsklammern weg:

F = q(E(r, t)+ v

c× B(r, t)

)(29.30)

Da die Lorentzkraft die übliche Form hat, können die Überlegungen des Abschnitts

„Energiebilanz“ aus Kapitel 16 leicht übertragen werden. Analog zu (16.18) wird

j ext ·E mit Hilfe der Maxwellgleichungen (29.14) durch die Felder ausgedrückt:

j ext ·E = c

4πE · rotH − 1

4πE · ∂D

∂ t

= − c

4πdiv (E ×H )+ c

4πH · rotE − 1

4πE · ∂D

∂ t

= − divS − ∂wem

∂ t(29.31)

Im letzten Schritt haben wir den Poyntingvektor

S(r, t) = c

4πE ×H (Energiestromdichte) (29.32)

und ∂wem/∂ t = (E · D +H · B)/4π eingeführt. FürD = εE undH = B/μ mit

zeitunabhängigen Größen ε und μ erhalten wir

wem =1

(E ·D +H · B) (Energiedichte) (29.33)

Das Ergebnis von (29.31)

∂wem

∂t+ divS = − j ext ·E (Poynting-Theorem) (29.34)

ist das Poynting-Theorem in Materie.

Analog zur (16.16) und (16.17) erhalten wir dEmat/dt =∫d3r j ext · E für die

Änderung der kinetischen Energie der materiellen Ladungsträger. Wir integrieren

dies über ein zusammenhängendes Volumen V mit der Oberfläche a(V ):

dEem

dt+ dEmat

dt= −

∮a(V )

da · S(r, t) (29.35)

Voraussetzung hierfür ist (wie in Kapitel 16 diskutiert), dass nur ein elektromagne-

tischer (und keine materieller) Energiestrom durch die Oberfläche a(V ) geht.

Page 8: Elektrodynamik || Makroskopische Maxwellgleichungen

276 Teil VI Elektrodynamik in Materie

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.........................................................

...............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

��

I

H

EAbbildung 29.1 Ein Draht wird homogen von einem

konstanten Strom I durchflossen. An der Oberfläche

des Drahtes ist die Energiestromdichte S = cE ×H/4π überall nach innen gerichtet. Die einströmende

Feldenergie wird als kinetische Energie auf die beweg-

ten Ladungen übertragen. Die Ladungen geben diese

Energie durch Stöße an das Metall ab.

Wir betrachten nun ein abgeschlossenes Systems und wählen das Volumen V

so, dass das System innerhalb von V liegt. Dann verschwindet das Integral über die

Oberfläche a(V ) des Volumens, und (29.35) wird zu

E = Emat + Eem = const. (abgeschlossenes System) (29.36)

Als Volumen V kommt insbesondere auch der gesamte Raum in Frage. Für das

Verschwinden des Oberflächenintegrals genügt es dann, dass die Felder im Unend-

lichen mindestens wie 1/r2 abfallen.

Die Größe (29.36) hat die Dimension einer Energie. Die Energiegröße, die für

ein abgeschlossenes System konstant ist, ist die Gesamtenergie des Systems. Das

System besteht aus Feldern und Teilchen; ferner ist bekannt, dass Emat die Energie

der Teilchen ist. Hieraus folgt, dass Eem die Energie und wem die Energiedichte deselektromagnetischen Felds ist. Die zugehörige Energiestromdichte ist dann S.

Als Anwendung von (29.35) betrachten wir in Abbildung 29.1 einen Draht, der

von der konstanten Stromdichte jext durchflossen wird. In diesem Fall zeigt S über-

all an der Oberfläche des Drahtes nach innen; es strömt also Feldenergie in den

Draht hinein. Da die Felder konstant sind, gilt ∂wem/∂ t = 0. Nach (29.35) erhöht

die in den Draht strömende Feldenergie die Energie Emat der Elektronen, die den

Strom tragen. Die Elektronen selbst geben die Energie durch Stöße an das Gitter

(oder an Phononen) weiter; dieser zweite Schritt ist in der Bilanzgleichung (29.35)

nicht berücksichtigt. Die in den Draht strömende Energie wird so schließlich in

Wärme umgewandelt.

Im stationären Fall muss die in den Draht hineinfließende Feldenergie in glei-

chem Umfang an anderer Stelle dem Feld zugeführt werden. Dies geschieht an den

Stellen des Generators oder der Batterie.