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EMMAUS in der Mongolei von Mark Schibli Vom 21. Oktober - 7. November 2019 besuchte ich zum ersten Mal die Mongolei. Andreas Reh, der dieses Land schon seit zehn Jahren regelmäßig bereist, hatte mir angeboten, ihn für einmal zu vertreten, so dass er im selben Zeitraum eine Reise nach Sibirien machen konnte. Da sowohl Andreas als auch ich die Landessprache nicht beherrschen, sind wir für alle Kommunikation mit den mongolischen Geschwistern auf Dong Hwan Kim angewie- sen. Er wohnt mit seiner Frau Hanna in Attendorn (Sauer- land), hat aber fast 20 Jahre seines Lebens in Ulan Bator, der Hauptstadt der Mongolei, verbracht und spricht fließend mongolisch. Somit ist er als profunder Kenner von Land und Leuten der ideale ZAM-Gebietsleiter für die dortige Emmausarbeit. Er hatte den gesamten Aufenthalt unserer deutschen Reisegruppe bestens vorbereitet, so dass ich mich von der Ankunft bis zum Abflug um nichts zu küm- mern brauchte, außer mich in den stramm getakteten Aktionsplan einzufügen und die mir zugedachte Rolle zu übernehmen. Nur 3 Mio Einwohner aber 70 Mio Stück Vieh Was jedem Erstbesucher, der sich mit dem Auto in diesem dünn besiedelten Land bewegt, sofort auffällt, ist die end- lose, menschenleere Steppe, die von Norden nach Süden immer karger wird und schließlich in die Wüste Gobi über- geht. Obwohl man kaum Menschen sieht, ist das Land dennoch nicht unbewohnt, denn auf Schritt und Tritt be- gegnen einem überall riesige Herden von Ziegen und Schafen, Pferden, Rindern oder Kamelen. 70 Mio beträgt ihre offizielle, den Steuerbehörden von den Hirten gemel- dete Gesamtzahl. Ein Schelm, wer vermutet, dass die tatsächliche Menge wohl noch bedeutend höher liegt. Obwohl der atemberaubende Anblick der herrlichen Natur das Auge erfreut, ist für den Mann am Steuer kein ent- spanntes Fahren sondern höchste Konzentration angesagt. Jederzeit muss er damit rechnen, dass eines der besagten Tiere seine Fahrbahn kreuzt. Dabei gilt generell: Der Fah- rer ist immer schuld und muss für das überfahrene Stück Vieh bezahlen. Zahlreiche, oft tiefe Schlaglöcher in den Straßen oder der nicht selten über viele Kilometer nur aus Sand oder feinem Schotter bestehende Belag drosseln das Tempo auf eine durchschnittliche Reisegeschwindigkeit von 50 - 60 kmh. Das alles macht jede Autofahrt zu einem ech- ten Abenteuer bzw. einem ernsten Gebetsanliegen. Immer zu fünft unterwegs in Dong Hwans Toyota Landcruiser, ha- ben wir insgesamt 3000 km zurückgelegt. Mensch, Tier und Auto blieben bis zuletzt unversehrt. Danke allen Betern! Aber gemeinsam wollen wir allen Dank nach oben senden zu Dem, der die vielen Puzzlesteine, die zum Gelingen ei- ner solchen Reise notwendig sind, so wunderbar zusam- mengefügt hat. "Eine große und wirkungsvolle Tür ist uns aufgetan..." (1Kor 16,9) Als sich im Jahr 1991 die Sowjetunion auflöste, bedeutete das auch für die Mongolei als deren ehemaligen Satelliten- staat das Ende der kommunistischen Ära. Die Grenzen gingen auf, u.a. auch für christliche Missionare, die die Gunst der Stunde nutzten. Sie kamen aus Südkorea, den USA und Europa und genossen nicht nur große Freiheit für Evangelisation und Gemeindegründung sondern fanden unter der Mongolen auch reges Interesse am christlichen Mit 1,5 Mio qkm ist die Mongolei rund viermal so groß wie Deutschland, aber mit nur 3 Mio Einwohnern (2 pro qkm) so dünn besiedelt wie kein anderes Land der Welt. Allerdings: In puncto Rohstoffen gehört die Mongolei zu den zehn reichsten Ländern der Erde. Das weckt Begehrlichkeiten, vor allem bei den zwei großen Nachbarn: Dem russischen Bären im Norden und dem chinesischen Drachen im Süden.

EMMAUS in der Mongolei von Mark Schibli - ZAM zamonline.de · 2019. 11. 14. · EMMAUS in der Mongolei von Mark Schibli Vom 21. Oktober - 7. November 2019 besuchte ich zum ersten

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EMMAUS in der Mongolei von Mark Schibli

Vom 21. Oktober - 7. November 2019 besuchte ich zum ersten Mal die Mongolei. Andreas Reh, der dieses Land schon seit zehn Jahren regelmäßig bereist, hatte mir angeboten, ihn für einmal zu vertreten, so dass er im selben Zeitraum eine Reise nach Sibirien machen konnte.

Da sowohl Andreas als auch ich die Landessprache nichtbeherrschen, sind wir für alle Kommunikation mit denmongolischen Geschwistern auf Dong Hwan Kim angewie-sen. Er wohnt mit seiner Frau Hanna in Attendorn (Sauer-land), hat aber fast 20 Jahre seines Lebens in Ulan Bator,der Hauptstadt der Mongolei, verbracht und spricht fließendmongolisch. Somit ist er als profunder Kenner von Landund Leuten der ideale ZAM-Gebietsleiter für die dortigeEmmausarbeit. Er hatte den gesamten Aufenthalt unsererdeutschen Reisegruppe bestens vorbereitet, so dass ichmich von der Ankunft bis zum Abflug um nichts zu küm-mern brauchte, außer mich in den stramm getaktetenAktionsplan einzufügen und die mir zugedachte Rolle zuübernehmen.

Nur 3 Mio Einwohner aber 70 Mio Stück ViehWas jedem Erstbesucher, der sich mit dem Auto in diesemdünn besiedelten Land bewegt, sofort auffällt, ist die end-lose, menschenleere Steppe, die von Norden nach Südenimmer karger wird und schließlich in die Wüste Gobi über-geht. Obwohl man kaum Menschen sieht, ist das Landdennoch nicht unbewohnt, denn auf Schritt und Tritt be-gegnen einem überall riesige Herden von Ziegen undSchafen, Pferden, Rindern oder Kamelen. 70 Mio beträgtihre offizielle, den Steuerbehörden von den Hirten gemel-dete Gesamtzahl. Ein Schelm, wer vermutet, dass dietatsächliche Menge wohl noch bedeutend höher liegt.Obwohl der atemberaubende Anblick der herrlichen Naturdas Auge erfreut, ist für den Mann am Steuer kein ent-spanntes Fahren sondern höchste Konzentration angesagt.Jederzeit muss er damit rechnen, dass eines der besagtenTiere seine Fahrbahn kreuzt. Dabei gilt generell: Der Fah-rer ist immer schuld und muss für das überfahrene StückVieh bezahlen. Zahlreiche, oft tiefe Schlaglöcher in denStraßen oder der nicht selten über viele Kilometer nur ausSand oder feinem Schotter bestehende Belag drosseln dasTempo auf eine durchschnittliche Reisegeschwindigkeit von50 - 60 kmh. Das alles macht jede Autofahrt zu einem ech-ten Abenteuer bzw. einem ernsten Gebetsanliegen. Immerzu fünft unterwegs in Dong Hwans Toyota Landcruiser, ha-ben wir insgesamt 3000 km zurückgelegt. Mensch, Tier undAuto blieben bis zuletzt unversehrt. Danke allen Betern!Aber gemeinsam wollen wir allen Dank nach oben sendenzu Dem, der die vielen Puzzlesteine, die zum Gelingen ei-ner solchen Reise notwendig sind, so wunderbar zusam-mengefügt hat.

"Eine große und wirkungsvolle Tür ist unsaufgetan..." (1Kor 16,9)Als sich im Jahr 1991 die Sowjetunion auflöste, bedeutetedas auch für die Mongolei als deren ehemaligen Satelliten-staat das Ende der kommunistischen Ära. Die Grenzengingen auf, u.a. auch für christliche Missionare, die dieGunst der Stunde nutzten. Sie kamen aus Südkorea, denUSA und Europa und genossen nicht nur große Freiheit fürEvangelisation und Gemeindegründung sondern fandenunter der Mongolen auch reges Interesse am christlichen

Mit 1,5 Mio qkm ist die Mongolei rund viermal so groß wie Deutschland, aber mit nur 3 Mio Einwohnern (2 pro qkm) so dünn besiedelt wie kein anderes Land der Welt. Allerdings: In puncto Rohstoffen gehört die Mongolei zu den zehn reichsten Ländern der Erde. Das weckt Begehrlichkeiten, vor allem bei den zwei großen Nachbarn: Dem russischen Bären im Norden und dem chinesischen Drachen im Süden.

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Glauben. Es sollen im Laufe der Jahre in der Mon-golei bis heute um die 500 Gemeinden entstandensein. Wie viele von ihnen der Herr Jesus aner-kennt als solche, die zu seinem Namen zusam-men kommen, weiß er allein. Fakt ist, dass diesejungen Gemeinden im allgemeinen mindestensunter zwei Problemen leiden:

a) Sehr wenig Männer. Der einstige Mongolen-Führer und Weltreich-Eroberer Dschingis Khan istund bleibt bis heute - obwohl schon seit rund 800Jahren tot - für seine Nachfahren Vorbild undIdentifikationsfigur Nummer eins. Vielleicht ist dasein Grund, warum es so viel braucht, bis sich einmongolisches Männer-Knie vor dem Namen Jesu

beugt und die Zunge bekennt,dass Jesus Christus Herr ist (Phil2,10-11). Offenbar fällt dies denmongolischen Frauen sehr vielleichter, denn es ist keine Selten-heit, dass eine Gemeinde zu 90% ausSchwestern besteht. Dazu kommt,dass die wenigen anwesenden Brüderoft als schwer gezeichnete ehemaligeLangzeit-Trinker unter den Folgen desAlkohols leiden und nicht fähig sind,wirklich Verantwortung zu tragen.

b) Irrlehren und Sekten. Mit der gro-ßen Offenheit für alles Fremde undNeue nach dem Fall des eisernen Vor-hangs kamen auch viele Irrlehren undSekten ins Land. Neben Zeugen Jeho-vas und Mormonen tummelt sich auchin der evangelikalen Szene vom linken bis zumrechten Rand alles, was die moderne Christen-heit zu bieten hat. Eine Charismatikerin mitdem Anspruch göttliche Lehre direkt aus demHimmel zu empfangen, sowie Wohlstands-evangelium und Anhänger von Joyce Meyersind uns genauso begegnet wie eine Gruppe,die sich auf das Westminster Bekenntnis beruftund lehrt, dass Christen nichts anderes singendürfen als die 150 Psalmen der Bibel.

Doch diese beiden Punkte dürfen nicht darüberhinwegtäuschen, dass Gott Großes gewirkt hat.Aber sie zeigen uns, wie sehr diese jungen

Das Dschingis-Khan-Denkmal 50 km östlich von Ulan Bator (oben). Bei einem Mitarbeiter-Seminar in der Hauptstadt (unten) hörten wir bewegende Zeugnis-se. Bruder Munkhjargal (links) ist blind. Vor drei Jahren wurden ihm bei einer Schlägerei die Augen ausgestochen. Das Evangelium kannte er vorher schon,war aber nicht bereit, daran zu glauben. Erst nachdem er sein Augenlicht ver-loren hatte, beugte er seine Knie vor dem Herrn Jesus. Heute ist er sein fröh-licher Zeuge und Diener.

Oben: Seminar in Mandelgobi (300 km südlich von Ulan Bator). Wo sind die Männer? Hanna (unten) freundete sich überall schnell mit den Kindern an, sang und spielte mit ihnen. Beim Abschied flossen reich-lich Tränen.

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Gemeinden einfache, klare und aus-gewogene Lehre brauchen. Viele derGläubigen scheinen sich dessen sehrbewusst zu sein. Ich war an allen dreiSeminarorten immer wieder positivüberrascht, wie fast alle Teilnehmermit Bibel, Schreibzeug und Papier er-schienen und während der Vorträgeeifrig Notizen machten. Obwohl ich inmeinen Themen abwechslungsweisenur die einfachen Grundlagen überErrettung, Nachfolge, Gemeinde undProphetie lehrte, herrschte unter denZuhörern reges Interesse und ein ho-hes Maß an Konzentration. Ihre im-mer wieder zum Ausdruck gebrachteDankbarkeit für diese einfache geist-liche Nahrung rührte mich sehr.

Dennoch muss die Frage gestattetsein, ob sich der Aufwand einersolchen Reise wirklich lohnt. DieAntwort ist ein eindeutiges Ja, und zwar aus folgen-dem Grund: Solche Seminare bringen nicht nur ei-nen direkten Gewinn für die anwesenden Teilnehmersondern sind eine wichtige vertrauensbildende Maß-nahme für die Glaubwürdigkeit unseres Zeugnissesund der gesamten Emmausarbeit.Ohne Zweifel sind die Emmauskurse für die jungeGemeinde Jesu in der Mongolei eine große Hilfe.Aber sie fänden kaum Anklang, wenn wir nur ihrenDruck finanzierten und dann im sicheren und sau-beren Deutschland sitzen blieben. Paulus be-schränkte sich nicht nur aufs Briefeschreiben, son-dern war allezeit bestrebt, wenn irgend möglich dieGemeinden auch persönlich zu besuchen. Durchden regelmäßigen, zehn jährigen Reisedienst vonAndreas Reh und Dong Hwan sind im Laufe der Zeitmit vielen mongolischen Geschwistern herzliche Be-ziehungen gewachsen. Dieser Aspekt der gelebtenGemeinschaft ist für das solide Wachstum derEmmausarbeit unentbehrlich. Zugegeben, die beson-deren Umstände solcher Reisen erfordern eine ge-wisse Selbstverleugnung. Pferdefleisch und steinhar-ter saurer Käse, Plumsklo bei strengem Frost, schla-fen auf Isomatten im Gemeindesaal, vier Tage keineDusche und endlose gefährliche Autofahrten.... Ehr-lich gesagt, ich glaube, dass Paulus sich übersolchen Luxus riesig gefreut hätte (2Kor 11,23-27).

Oben: Zu Besuch in einer Jurte bei einer jungen sechsköpfigen Familie. Links im Bild die vier Gäste aus Deutschland: Hanna und Dong Hwan, Paul-Dietrich, Mark.Unten: Es gab ein typisch mongolisches Essen: Schaffleisch, harten Kä-se und Milchtee. Statt Maoam und Snickers bekam jedes Kind zum Nach-tisch ein Stück Käse. Er ist so hart, dass man ihn einige Zeit lang weich lutschen muss, bevor man abbeißen kann.