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Aus der Transfusionsmedizinschen und Hämostaseologischen Abteilung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Leiter: Prof. Dr. med. Reinhold Eckstein Entwicklung einer standardisierbaren Methodik zur Dokumentation und Quantifizierung der Heterogenität und Dynamik des thrombozytären Formwandels Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg vorgelegt von Max-Joseph Kraus aus München

Entwicklung einer standardisierbaren Methodik zur ...€¦ · platelet structure during activation is generally referred as the platelet shape change (PSC) reaction. PSC is a dynamic

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  • Aus der Transfusionsmedizinschen und Hämostaseologischen Abteilung der

    Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-NürnbergLeiter: Prof. Dr. med. Reinhold Eckstein

    Entwicklung einer standardisierbaren Methodik zur Dokumentation und Quantifizierung der Heterogenität und

    Dynamik des thrombozytären Formwandels

    Inaugural-Dissertationzur Erlangung der Doktorwürde der Medizinischen Fakultät der

    Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

    vorgelegt von

    Max-Joseph Kraus

    aus München

  • Gedruckt mit Erlaubnis derMedizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität

    Erlangen-Nürnberg

    Dekan: Prof. Dr. Dr. J. SchüttlerReferent: PD Dr. E.F. Strasser Koreferent: Prof. Dr. R. Eckstein

    Tag der mündlichen Prüfung: 25.1.2012

  • Inhaltsverzeichnis

    1 Einleitung: 71.1 Thrombozyten 71.2 Formwandel 111.3 Untersuchung von Thrombozyten 151.3.1 Aggregometrie nach Born 151.3.2 Impedanzaggregometrie 161.3.3 Laser Rheoaggregometrie 161.3.4 Quasi-elastische Licht-Streuung 171.3.5 Ausmaß der Formänderung 171.3.6 Hypotone Schock Reaktion 181.3.7 Plättchenvolumen 181.3.8 Thrombelastographie 181.3.9 Durchflußzytometrie 191.3.10 Plättchenfunktionsanalysator 191.3.11 Platte-Kegel-Analysator 201.3.12 Elektronenmikroskopie 201.3.13 Lichtmikroskopie 201.3.13.1 Dunkelfeld 211.3.13.2 Phasenkontrast 231.3.13.3 Differentialinterferenzkontrast 241.3.13.4 Fluoreszenz 241.4 Primärer und sekundärer Formwandel 251.5 Quantifizierung des Formwandels 28

    2 Fragestellung 30

    3 Methode 313.1 Präanalytik 313.1.1 Blutabnahme 313.1.2 Plättchenreiches Plasma 313.1.3 Präparation 323.2 Mikroskopie 333.2.1 Dunkelfeldmikroskopie 333.2.2 Versuchsaufbau 343.2.3 Untersuchungsgang 363.3 Bilderfassung 363.3.1 Digitalkamera 363.3.2 Bildbezeichnung 373.3.3 Zeiterfassung 383.3.4 Metadaten 383.3.5 Kameraadaption 393.3.6 Aufnahmeformat 393.3.7 Bildaufnahme 393.4 Bildvermessung 403.4.1 Klassifikation 403.4.2 ImageJ-Plugin 413.4.3 Export der Messdaten 443.5 Auswertung 45

  • 3.5.1 Zielgrössen 453.5.2 Nullhypothesen 453.5.3 Testverfahren 46

    4 Ergebnisse 474.1 Formen 474.2 Zeitliche Dynamik 504.3 Statistischer Vergleich 564.4 Kinetische Darstellung 594.5 Zweiteilung 594.6 Mikropartikel 634.7 Rekonstruktion 64

    5 Diskussion 67

    6 Literaturverzeichnis 79

    7 Abbildungsverzeichnis 90

    8 Verzeichnis der Vorveröffentlichungen 93

    9 Anhang 949.1 Standardisierter Untersuchungsgang 949.2 Bildserie: Zweiteilung eines Thrombozyten 95

    10 Danksagung 103

  • 5

    Zusammenfassung

    Hintergrund und Ziele

    Thrombozyten reagieren auf eine Vielzahl von Reizen mit einer Änderung ihrer scheib

    chenförmigen Ruheform in eine Kugelform und mit der Ausbildung von Bläschen und

    Fortsätzen. Dieser thrombozytäre Formwandel (TFW) zeigt eine auffällige Heterogenität

    und eine protrahierte Dynamik, die bislang nicht quantitativ erfasst werden können. Es gibt

    Hinweise, dass der Art und dem Ausmaß des TFW eine physiologische und evtl. auch pa

    thophysiologische Bedeutung zukommen könnten.

    Methoden

    Wir stellen ein bereits in großen Teilen automatisiertes und somit standardisierbares

    Verfahren vor, dass eine exakte und nachvollziehbare Dokumentation und Quantifizierung

    von TFW-Prozesse ermöglicht. Thrombozytenreiches Plasma wird in den Strahlengang ei

    nes Dunkelfeldmikroskops eingebracht. Mittels einer an das Mikroskop adaptierten, com

    putergesteuerten Digitalkamera wird eine kontinuierliche Aufnahmeserie erfasst. Der TFW

    wird kategorisiert und mittels eines computergestützten Vermessungsalgorithmus ausge

    wertet.

    Ergebnisse und Beobachtungen

    Der TFW ist ein über viele Stunden anhaltender kontinuierlicher Prozess. Es konnte ein

    kontinuierlich anhaltender TFW über einen Beobachtungszeitraum von maximal 145

    Stunden dokumentiert werden. Hyalomerausdehnung, Pseudopodienausbildung und

    Mikropartikelbildung können kontinuierlich quantitativ erfasst, visualisiert und ausgewertet

    werden. In unterschiedlichen Proben zeigen sich signifikant unterschiedliche Ausprägungs

    muster und zum Teil gegenläufige Entwicklungen des TFW.

    Praktische Schlussfolgerungen

    Der TFW kann jetzt auf Einzelzellbasis kontinuierlich erfasst werden. Hierdurch kann

    zu einem besseren Verständnis thrombozytärer Funktionen in einer protrahierten Phase

    nach der Aktivierung beigetragen werden. Es kann untersucht werden, ob sich spezifische,

    vom umgebenden Milieu abhängige TFW-Muster zeigen. Hieraus könnten sich neue dia

    gnostische und therapeutische Ansätze für Krankheiten wie Diabetes mellitus und entzünd

    liche Systemerkrankungen, sowie für die Testung formwandelmodulierender Medikamente

    ergeben.

  • 6

    Summary

    Background and objectives

    Blood platelets respond to many stimuli by changing shape from resting, discoid forms

    into more rounded structures processing blebs and pseudopodia. Morphological change of

    platelet structure during activation is generally referred as the platelet shape change (PSC)

    reaction. PSC is a dynamic process and shows a remarkable heterogeneity. Until now the

    dynamics and the heterogeneity of PSC could not be analyzed quantitatively. There is

    evidence that the nature and extent of PSC might bear a physiological and probably also

    pathophysioloigal meaning.

    Materials and methods

    We present a largely automated and thus for standardization suitable procedure for

    accurate and traceable documentation and quantification of PSC. Platelet rich plasma from

    anticoagulated whole blood was analyzed by dark field microspcopy. A computer

    controlled digital camera was adapted to a dark field light microscope. A continiuous

    series of recordings was captured. PSC was categorized and the recordings were evaluated

    using a self-developed, computer-based algorithm for analysis of platelet shape.

    Results

    PSC continues for several hours after preparation. PSC can be monitored continuously

    on a single-cell basis. We observed and documentated a continuing PSC for a maximum

    period of 145 hours. The extension of the hyalomer, the formation of pseudopodia and

    microparticles can be quantitatively analyzed and graphically visualized. Different samples

    showed significantly different and even partly contrary expression patterns of hyalomer and

    pseudopodia formation.

    Conclusions

    It is now possible to continuously monitor PSC on a single-cell basis. This could lead to

    a better understanding of platelet function. PSC can exactly be examined after platelet

    activation during a prolonged period regarding specific pattern of PSC depending on given

    conditions. Therefore we might contribute to new diagnostic and therapeutic approaches

    for detection of platelet dysfunction in diseases such as diabetes mellitus and systemic

    inflammatory diseases. Furthermore the presented method could improve the testing of

    drugs with effect on PSC.

  • 7

    1 Einleitung:

    1.1 Thrombozyten

    Thrombozyten entstehen als 3-5 µm breite und 0,5-1 µm dicke [37], zellkernlose Ab

    schnürungen von Megakaryozyten im Knochenmark mit einem durchschnittlichen Volu

    men von 6-8 x 10-15 l [37]. Sie haben eine Lebensdauer im Blut von etwa 10 bis 12 Tagen

    [117]. Pro Mikroliter Blut zirkulieren 150.000 bis 450.000 Blutplättchen [38]. Auf Grund

    ihrer kleinen Größe, dem Fehlen eines Zellkerns und eines farblosen Zytoplasmas haben sie

    sich lange der mikroskopischen Darstellung entzogen und waren der letzte zelluläre Be

    standteil des Blutes, der entdeckt wurde [117].

    Morphologisch (siehe Abbildung 1.1) gliedert sich die thrombozytäre Struktur in drei

    Zonen: eine periphere Zone mit einer extramembranösen Glykokalix und einer darunter

    liegenden dreischichtigen Plasmamembran, eine submembranösen Sol-Gel-Zone mit ei

    ner Matrix aus submembranösen Filamenten, Mikrotubuli und Mikrofilamenten und der

    Organell-Zone, bestehend aus sekretorischen Granula wie α-Granula, δ-Granula (dense

    bodies) und Lysosomen [79].

    Lange Zeit dachten Forscher, Plättchen hätten nur eine einzige Funktion: unser Gefäß

    system abzudichten und somit vor lebensbedrohenden Blutungen zu bewahren [64]. Nach

    einer Verletzung der Gefäßwand akkumulieren Thrombozyten schnell am freigelegten Sub

    endothel, um das Gefäß abzudichten. Sie binden initial über spezifische Rezeptoren an die

    subendothelialen Matrixproteine von Willebrand-Faktor (vWF), Thrombospondin 1 (TSP-

    1) und Kollagen [56]. Durch Interaktion des Glykoproteins (GP) Ib mit dem vWF und

    dem TSP-1 werden die Thrombozyten im Blutstrom abgebremst [56] und durch weitere

    Aktivierung des GP-Ib-V-IX-Komplexes fest verankert [56].

    Durch Wechselwirkung von freigelegtem Kollagen und GP-IV wird eine aktivierende

    Signalkaskade ausgelöst, die zu einem festen Anhaften der Thrombozyten am freigelegten

    Subendothel führt [64]. Mittels Exozytose schütten Thrombozyten eine Vielzahl von Gra

    nulatinhaltsstoffen wie Adenosindiphosphat (ADP), Thromboxan A2, Serotonin, Wachs

    tumsfaktoren und Zytokinen aus, die durch Bindung an spezifische Rezeptoren entweder

    die initiale Stimulierung der Thrombozyten autokrin verstärken oder weitere Thrombozy

    ten aktivieren [56]. Aktiviertes GP-IIb-IIIa auf adhärenten Thrombozyten bindet lösliches

    Fibrinogen aus dem Blut, welches wiederum weitere Thrombozyten aus der Zirkulation

  • 8

    über GP-IIb-IIIa bindet und rekrutiert [103]. Durch die thrombinvermittelte Spaltung des

    Fibrinogens zu Fibrin wird das Thrombozytenaggregat zu einem Thrombus verfestigt

    [103] und die Gefäßwandverletzung abgedichtet.

    Blutplättchen greifen aber auch über eine Vielzahl von Mechanismen in die Entzün

    dungsreaktion ein. Die Entzündungsreaktion ist der uniforme Reaktionsmechanismus des

    Körpers auf eine Vielzahl von Reizen wie mechanische, thermische, chemische, aktinische,

    biologische belebte oder unbelebte Noxen [23]. Eine Dysregulation der Entzündungsreak

    tion ist bei der Entstehung einer Vielzahl von Krankheitszuständen beteiligt. Ein durch eine

    gesteigerte Aktivierung oder eine gesteigerte Aktivierbarkeit von Thrombozyten mit verur

    sachter pro-inflammatorischer Zustand konnte nach Gear [37] unter anderem bei akutem

    Abbildung 1.1: Schematische Darstellung der Ultrastruktur eines ruhenden Thrombo-zyten.

    Plättchen enthalten keinen Zellkern, aber eine Reihe von Organellen, Speicher-granula und Komponenten des Zytoskeletts. Modifiziert nach [44]

  • 9

    Koronarsyndrom, ischämischen cerebrovaskulären Erkrankungen, peripherer arterieller

    Verschlusskrankheit, peripheren Venenerkrankungen, Diabetes mellitus, myeloproliferati

    ven Erkrankungen, Morbus Alzheimer, Präeklampsie, Plazentainsuffizienz, nephrotischem

    Syndrom, Sichelzellkrankheit, septischem Multiorganversagen, Antiphospholipid-Syn

    drom, systemischen Lupus erythematodes, rheumatoider Arthritis, entzündlichen Darmer

    krankungen und Asthma [37], sowie cystischer Fibrose [7] und Zigarettenrauchen [46]

    nachgewiesen werden. Auch bei verschiedenen anderen Zuständen wie Depression [76],

    Hyperglykämie [108], körperlicher Anstrengung, Hyperlipoproteinämie und emotionalem

    Stress [64, 74, 77] sowie arterieller Hypertonie [37], bei denen eine Entzündungsreaktion

    pathogenetisch nicht primär evident erscheint, konnte eine gesteigerte thrombozytäre Akti

    vierung gezeigt werden.

    Thrombozyten sind eine der ersten zellulären Bestandteile, die an der Stelle einer Ge

    fäßschädigung [112], einer vaskulären Infektion oder fremden Oberflächen [124] akkumu

    lieren. Membranständige Glykoprotein-Rezeptoren der Plättchen können an diverse Ligan

    den, wie beispielsweise von aktiviertem oder verletztem Endothel exprimierten Kollagen,

    Fibronectin, von Willebrand Faktor, Laminin, Vitronection und Thrombin binden [124].

    Die Bindung von Thrombozyten, interzelluläre Aggregation, die Stimulierung durch am

    Entzündungsort freigesetztes Thrombin oder auch die Interaktion mit Leukozyten [34, 64,

    74, 102, 109, 112, 124] führt zur Aktivierung der Thrombozyten und in Abhängigkeit von

    dem umgebenden Milieu [112] zur Freisetzung eines reichhaltigen Sortiments entzün

    dungsmodulierender Substanzen [7, 34, 64, 74, 89, 102, 109, 112]. Dieses „Sekretom“

    [124] beinhaltet unter anderem Histamin, Serotonin, Thromboxan A2, Plättchen aktivie

    render Faktor (PAF), „transorming growth factor beta“ (TGF-β) und Interleukin 1 beta

    (IL1β) [34, 51, 61, 102, 109, 111, 112], Chemokine wie RANTES („regulated upon acti

    vation normal T cell expressed and secreted“), das epitheliale Neutrophilen aktivierende

    Protein-78 (ENA-78), Plättchenfaktor 4 (PF-4), proangiogenetische Proteine wie VEGF

    („vascuar endothelial growth factor“), EGF („epidermal growth factor“), IGF („insulin like

    growth factor“), PDGF („platelet-derived growth factor“) und Thymosin β4, sowie proan

    giogenetische Phospholipide wie Lysophosphatidylsäure (LPA), Phosphatidylsäure und

    Sphingosin 1-Phosphat [112].

    Thrombozyten unterstützen Wundheilung und Infektabwehr [74], sie modulieren die

    Immunreaktion [51, 64], fördern die Neubildung von Blutgefäßen [103] und spielen wohl

    auch eine wichtige Rolle bei der Metastasierung von Tumoren [10, 20, 64, 74]. Auch in

  • 10

    der Frühphase der Arteriosklerose sind Thrombozyten an dem Wachstum der arterioskle

    rotischen Läsion beteiligt [103, 117]. Die am Beginn der Atherogenese stehenden aktivier

    ten Endothelzellen präsentieren auf ihrer Oberfläche P-Selektin, das an GP-1b- und P-Se

    lektin-Glykoproteinliganden 1 auf zirkulierenden Thrombozyten bindet und diese somit

    einfängt [56]. Die Bindung an das Endothel führt zur Sekretion chemotaktisch wirkender

    Substanzen wie RANTES und PF-4, wodurch insbesondere Monozyten aus der Umge

    bung angelockt und aktiviert werden [56]. Stark aktivierte Thrombozyten schnüren zudem

    kleine zytoplasmatische Membranpartikel (sog. Mikropartikel) ab, die mit dem Endothel

    und Monozyten interagieren und deren Aktivierung verstärken [56] und somit zu einem

    weiteren Wachstum des arteriosklerotischen Plaques führen [56, 103] . Diese von aktivier

    ten Thrombozyten abgesonderten Mikropartikel scheinen auch eine Rolle bei der Entwick

    lung autoimmun bedingter entzündlicher Erkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis zu

    spielen [64].

    Thrombozyten stammen aus evolutionsbiologischer Sicht von einer zentralen Immun

    vorläuferzelle ab [103]. Über Toll-like Rezeptoren erkennen sie sich wiederholende Muster

    (beispielsweise Lipopolysaccharide) auf gramnegativen Bakterien, was zu der vermehrten

    Bildung und Sekretion des entzündungsfördernden Tumornekrosefaktor α (TNFα) führt

    [56]. Sie interagieren auch direkt über verschiedene Adhäsionsmoleküle mit Bakterien.

    Durch die von bestimmten Bakterien wie beispielsweise Pneumokokken exprimierte

    Neuraminidase verändern sich Zuckerreste auf der Oberfläche der Thrombozyten so, dass

    diese Bakterien an den Thrombozyten anhaften und so zu geschädigtem Endothel trans

    portiert werden können [56]. Dort infiltrieren und kolonisieren diese Bakterien dann das

    Gewebe [56]. Auch Karzinomzellen können, sobald sie mit dem Blutstrom in Berührung

    kommen, mit Thrombozyten und Leukozyten interagieren [56]. Es konnte gezeigt werden,

    dass Thrombozyten den Abbau von zirkulierenden Tumorzellen durch natürliche Killerzel

    len (NK-Zellen) hemmen [64]. Der genaue Mechanismus dieser Hemmung ist noch nicht

    bekannt. Thrombozyten scheinen auch eine wesentliche Rolle beim Erhalt des labilen, für

    den Tumor lebensnotwendigen Gefäßsystems des Tumors zu spielen [64]. Die Freisetzung

    proteolytischer Enzyme aus aktivierten Thrombozyten erleichtert den über Thrombozyten

    an das Endothel gebundenen Tumorzellen auch den für eine weitere Metastasierung exis

    tentiellen Schritt der Extravasation [56, 64]. Nach stattgefundener Extravasation und Infil

    tration des umgebenden Gewebes fördern Thrombozyten wiederum das Wachstum von

    Tochtergeschwülsten durch die vermehrte Freisetzung proangiogenetischer Faktoren [64].

  • 11

    1.2 Formwandel

    Thrombozyten reagieren auf eine Vielzahl von Reizen mit einer Änderung ihrer scheib

    chenförmigen Ruheform in eine Kugelform und mit der Ausbildung von Bläschen und

    Fortsätzen [37]. Diese morphologischen Veränderungen werden als der thrombozytäre

    Formwandel (englisch shape change) bezeichnet. Die heterogenen morphologischen Ver

    änderungen im Rahmen des Formwandel stellen einen hoch sensiblen Hinweis auf eine Ak

    tivierung der Blutplättchen dar [37]. Der Formwandel wird im Allgemeinen als die erste

    messbare physiologische Reaktion auf eine Aktivierung der Plättchen durch ADP oder

    Thrombin angesehen [37]. Wichtige Stimuli des Formwandel sind das nach einer Gefäß

    wandverletzung aus der subendothelialen Matrix präsentierte Kollagen und der von Wille

    brand Faktor (vWF) sowie das durch Thrombozyten auto- und parakrin sezernierte ADP,

    Abbildung 1.2: Fotomontage elektronenmikroskopischer Aufnahmen verschiedener Aktivierungsstadien von Plättchen.

    Unten links die scheibchenförmige, zirkulierende Ruheform, mittig leicht formveränderte Plättchen kurz nach Beginn des Formwandels, rechts oben Bildung eines lockeren Aggregates. Modifiziert nach [26]. Mit freundlicher Genehmigung von John W. Weisl, Ph.D, University of Pennsylvania School of Medicine.

  • 12

    Thrombin, Thromboxan A2 und Lysophosphatidsäure (LPA) [37]. Formwandel kann aber

    auch durch eine Vielzahl von Reizen wie zum Beispiel Kontakt der Partikel zu fremden

    Oberflächen [39, 115], Umgebungstemperatur [73] oder Vibration [37] ausgelöst werden.

    Wird aus antikoaguliertem Vollblut gewonnenes plättchenreiches Plasma (PRP) auf einen

    Objektträger aufgebracht, sedimentieren die Plättchen gegen den Objektträger, und der

    Formwandel wird durch den Kontakt mit der Glasoberfläche des Objektträgers ausgelöst

    [1]. Die ersten Zeichen des Formwandels gehen der tatsächlichen Aggregation der Throm

    bozyten voraus und treten tatsächlich auch ohne nachfolgende Aggregation auf [37, 72] .

    Der thrombozytäre Formwandel wird je nach verwendeter Untersuchungsmethodik un

    terschiedlich definiert [37]:

    (1) Optische Messung der Veränderung des Absorptionsvermögens einer Thrombozy

    tenlösung in der Absorptionsspektrometrie (Aggregometrie).

    (2) Veränderungen der darstellbaren Morphologie der Plättchen in der Licht- und

    Elektronenmikroskopie.

    (3) Veränderungen von Plättchengröße und -Volumen, wie sie mit Teilchenzählern

    oder Durchflußzytometern bestimmt werden können.

    (4) Veränderungen der Oberflächenexpression von Plättchenantigenen, wie sie durch

    immunologische und auch durchflusszytometrische Messungen detektiert werden

    können.

    Formwandel ist ein komplexer, auf der zytoplasmatischen Dynamik von Aktinfilamen

    ten beruhender Prozess [45]. Die Aktinpolymerisation und Neuorganisation des Zytoske

    letts läuft innerhalb weniger Sekunden nach der Aktivierung von Plättchen durch verschie

    dene Agonisten ab und dient vermutlich vornehmlich der Vergrößerung der Membranober

    fläche, der Zentralisation sekretorischer Granula und der Ausbreitung der Blutplättchen auf

    der exponierten subendothelialen Matrix [37, 45]. Formwandel wird durch zwei Hauptsi

    gnaltransduktionswege vermittelt: Calciumionen-abhängige Signaltransduktion über eine

    Gq-vermittelte Aktivierung der Myosin-Leichte-Ketten-Kinase (englisch myosin light chain

    kinase, MCLK) und Calciumionen-unabhängige Signaltransduktion über eine G12-13 vermit

    telte Aktivierung der Rho-Kinase und Inhibierung der Myosin-Phosphatase [37]. Weiterhin

    sind Mechanismen wie die Serin-und Threonin-Phoyphorylierung, die Tyrosin-Phosphory

    lierung sowie die Phosphorylierung bzw. Dephosphorylierung von Moesin, Cofilin und

    Adducin in die Vermittlung des Formwandels involviert [37].

  • 13

    Formwandel ist ein dynamischer und polymorpher Prozess. Der Formwandel kann zu

    jedem Zeitpunkt teilweise rückgängig gemacht [1, 93, 127] oder ganz gestoppt [93] wer

    den. Im Jahr 1976 zeigt Breddin die zeitabhängige Aktivierung von Plättchen anhand der

    Kalkulation des Anteils Pseudopodien tragender Plättchen [15]. In den 1980er Jahren kate

    gorisieren Rosenstein [93] und Allen [1] formgewandelte Plättchen in morphologische

    Klassen: das initiale scheibchenförmige Stadium I, ein mehr kugelförmiges Stadium II, das

    Stadium III mit der Ausbildung einiger kurzer Pseudopodien und das Stadium IV mit der

    Ausbildung mehrerer und längerer Pseudopodien, ein Stadium V mit einer Fluktuation des

    hyalinen Zytoplasmas, ein sogenanntes „Spiegelei“ (englisch fried egg)-Stadium VI mit der

    Ausbildung eines zentralen, granulierten Hügels (das Granulomer) und das als Endstadium

    bezeichnete „Pfannkuchen“ (englisch pancake)-Stadium VII. Im Jahr 2000 quantifizieren

    Cenni und Mitarbeiter [19] den Formwandel fixierter und gefärbter Plättchen mittels einer

    Analyse der Ausbreitungsfläche. Sie unterscheiden zwischen voll ausgebreiteten, runden

    und dendritischen Plättchen.

    Es sind bislang nur wenige Erkrankungen bekannt, die mit einer primär von Plättchen

    verursachten Störung des Formwandels einhergehen. Dies legt nahe, dass eine Unfähigkeit

    für einen effizienten Formwandel eine bereits intrauterin mit dem Leben unvereinbare Kon

    dition darstellt [37]. Die seltene May-Hegglin-Anomalie geht mit abgerundeten Riesen

    thrombozyten (durchschnittliches Volumen 12 x 10-15 l) einher und führt zu einer Throm

    bozytopenie sowie einer leichten Blutungsneigung. Die durch ADP oder Kollagen aktivier

    te Aggregation von Thrombozyten ist hierbei unverändert, wobei sich ein kompletter Ver

    lust des Formwandels bei allen untersuchten Probanden zeigte [37]. Auch andere mit der

    Bildung von Riesenthrombozyten einhergehenden Krankheitssituationen wie das Bernard-

    Soulier-Syndrom gehen mit einer Störung des Formwandels einher [37, 45].

    Häufiger sind sekundäre, vom umgebenden Plasma verursachte Störungen des Form

    wandels [37]. Arterieller Bluthochdruck ist mit einem aggregometrisch gemessen verstärk

    ten Formwandel assoziiert [37]. Bei der akuten oder kürzlich erfolgten cerebrovaskulären

    Ischämie findet sich durchflußzytometrisch bestimmt eine erhöhte Expression von P-Selec

    tin auf den Plättchen als Hinweis auf einen verstärkte Aktivierung von Thrombozyten [37].

    Bei instabiler Angina ist der optisch gemessene Formwandel um das drei- bis vierfache ge

    genüber einer Kontrollgruppe erhöht [37]. Formwandel kann auch durch im Plasma gelös

    te Faktoren moduliert werden. So führen sowohl thrombotisch-thrombozytopenische Pur

    pura als auch das hämolytisch-urämische Syndrom zu einer Störung des Formwandels über

  • 14

    gelöste Entzündungsfaktoren und einer Störung der Endothelfunktion [37]. Auch scheinen

    die Plättchen von Patienten mit akuter oder chronischer Herzinsuffizienz überaktiviert zu

    sein [37]. Hierfür können Faktoren wie oxidiertes LDL („low density lipoprotein“), plätt

    chenaktive Amine wie Adrenalin oder Serotonin oder auch inflammatorische Zytokine ver

    antwortlich sein [37]. Erhöhte Blutglukosespiegel führen zu einer vermehrten Aktivierung

    von Thrombozyten, die sich in einer verstärkten Expression von P-Selectin nach Stimulati

    on mit ADP und Thrombin-Rezeptor aktivierendem Peptid (TRAP) zeigt [106, 108]. Für

    Diabetes-Patienten konnte eine signifikante Veränderung des Formwandels gegenüber ge

    sunden Kontrollgruppen nachgewiesen werden. Bei Typ I Diabetikern scheint eine Überak

    tivität von Plättchen eine chronische Entzündung zu unterstützen und einer Mikroangiopa

    thie Vorschub zu leisten [125]. Bei Typ 2 Diabetikern fanden sich signifikant größere und

    zahlenmäßig verminderte [108] sowie signifikant mehr [108] aktivierte Plättchen [47,

    123]. Für Thrombozyten von Kindern mit Typ I Diabetes konnte eine gegenüber nicht

    diabetischen Kindern signifikante Steigerung des mittels Differentialinterferenzkontrast-Mi

    kroskopie gemessenen Formwandels im plättchenreichen Zitratplasma nach 15 Minuten

    gezeigt werden [81]. Bei klinisch gesunden Verwandten ersten Grades von Typ I Diabeti

    kern, bei denen durch den Nachweis von Inselzellantikörpern ein erhöhtes Diabetesrisiko

    bestätigt worden war, konnte durchflußzytometrisch durch den Nachweis einer vermehrten

    Expression von P-Selectin (CD62), Thrombospondin und lysosomalen GP53 eine signifi

    kante Steigerung aktivierter Thrombozyten gegenüber einer gesunden Kontrollgruppe ge

    zeigt werden [108]. Elektronenmikroskopische Untersuchungen zeigten eine Korrelation

    einer veränderten thrombozytären Morphologie mit der zunehmenden Ausbildung langer,

    dünner Filopodien in Abhängigkeit vom Schweregrad der Organkomplikationen von Pati

    enten mit nicht insulinabhängigem Diabetes mellitus (Typ 2) [59].

    Elektronenmikroskopische und immunhistochemische Verfahren legen nahe, dass sich

    auch bei Patienten mit Phasen einer schweren Depression eine erhöhte Plättchenaktivie

    rung und ein vermehrter Formwandel zeigen, was als Erklärung für das bei depressiven Pa

    tienten erhöhte kardiovaskuläre Risiko herangezogen wird [75]. Weltweit verbreitete Me

    dikamente mit hohem Marktanteil wie Acetylsalicylsäure und Clopidogrel [53] sowie Los

    artan und Simvastatin [80] beeinflussen die Aktivierung von Thrombozyten und den Form

    wandel. Naftidrofuryl, ein Medikament zur Behandlung arterieller Durchblutungsstörungen

    bei peripheren Gefäßerkrankungen hemmt den durch Endothelin-1 und Serotonin vermit

    telten Formwandel (gemessen als Vergrößerung des durchschnittlichen Plättchenvolumens)

  • 15

    [37]. Für die Aufbewahrung von Plättchenkonzentraten zu späteren Transfusion hat sich

    eine gute Korrelation der Plättchenüberlebenszeit mit der optischen Messung des ADP-

    vermittelten Formwandels gezeigt [37, 49], und elektronenmikroskopische Untersuchun

    gen zeigen einen verminderten Formwandel bei Probanden, die mit höheren Dosen Vitamin

    E supplementiert wurden [37].

    1.3 Untersuchung von Thrombozyten

    Seit den 1960er Jahren wurden zahlreiche Methoden zur Beurteilung der Plättchenfunk

    tion beschrieben. Nur ein Teil der Verfahren hat Eingang in die Klinik gefunden, und nur

    wenige Methoden zur Erfassung einer gesteigerten Plättchenfunktion wurden in prospekti

    ven klinischen Studien geprüft [14]. Im folgenden werden die wichtigsten Thrombozyten

    funktionstests insbesondere im Hinblick auf ihre Fähigkeit zur Erfassung des thrombozytä

    ren Formwandels kurz beschrieben.

    1.3.1 Aggregometrie nach Born

    Bereits 1962 stellte Born [11, 12] ein Verfahren vor, das auch heute noch zu den welt

    weit am weitesten verbreiteten Verfahren zur Funktionstestung von Plättchen zählt [25].

    Nach Differentialzentrifugation von antikoaguliertem Vollblut wird plättchenreiches Plas

    ma in eine lichtdurchlässige Küvette gegeben und turbidimetrisch die Änderung der Licht

    transmission über die Zeit nach Zugabe verschiedener Agonisten der Thrombozytenfunkti

    on gemessen [107]. Die Zunahme der Lichttransmission ist dabei direkt proportional zur

    Thrombozytenaggregation [107]. Nach Zugabe eines Agonisten wie Adenosindiphosphat

    (ADP) kommt es typischerweise zu einer initialen Zunahme der optischen Dichte des Prä

    parates, die dann regelhaft von einer zweigipfligen Abnahme der optischen Dichte gefolgt

    ist. Die initiale Abnahme der Transmission wurde durch die durch den Formwandel be

    dingte Zunahme der Größe der Thrombozyten erklärt [12]. Als Beweis hierfür wurden

    Thrombozyten zum Zeitpunkt der Abnahme der Transmission fixiert und licht- und elek

    tronenmikroskopisch untersucht. Da sich bei den mikroskopischen Untersuchungen ein

    eingetretener Formwandel zeigte, wurde rückgeschlossen, dass die Abnahme der Trans

    mission durch den Formwandel bedingt sei [12]. Seitdem wird die initiale Abnahme der

    Lichttransmission als Messwert für das Ausmaß der Formänderung verwendet [72]. Be

    reits 1980 wiesen Kitek und Breddin jedoch darauf hin, dass die initiale Abnahme der

    Lichttransmission auch mit vollständig formwandelgehemmten Plättchen gesehen werden

  • 16

    kann und die Abnahme der Transmission eher auf die Bildung von Mikroaggregaten zu

    rückzuführen sei [60]. Auch neuere Untersuchungen, bei denen auch bei der Aggregome

    trie von fibrinbeschichteten Latexkügelchen eine initiale Abnahme der Lichttransmission

    gezeigt werden konnte, legen nahe, dass die in der Lichttransmissionsaggregometrie zu be

    obachtende initiale Abnahme der Lichttransmission nicht dem thrombozytären Formwandel

    zugeordnet werden kann, sondern auf die Bildung reversibler Mikroaggregate zurückgeht

    [72]. Die Wertigkeit der Aggregometrie nach Born zur Beurteilung des thrombozytären

    Formwandels muss im Licht dieser Erkenntnisse in Frage gestellt werden.

    1.3.2 Impedanzaggregometrie

    Die 1980 von Cardinal und Flower beschriebene Impedanzaggregometrie [17] beruht

    auf der Messung elektrischer Widerstandsänderungen zwischen zwei Elektroden durch die

    Anlagerung von Thrombozyten [16]. Zwei Platinelektroden tauchen in eine durch einen

    Magneten gerührten Vollblutprobe ein. Im nicht aggregierten Zustand bilden sich um die

    Elektroden Plättchenmonolayer aus. Dieser Widerstand entspricht dem Ausgangszustand.

    Nach Zugabe von Agonisten wird die Aggregation ausgelöst, es bilden sich Plättchenag

    gregate an den Elektroden, die eine Widerstandsänderung bewirken. Der Wert der Wider

    standsänderung wird gemessen und gegen die Zeit aufgetragen [16].

    Eine Weiterentwicklung der Impedanzaggregometrie ist das Multiplate®-System. Multi

    plate steht hierbei für „multiple platelet function analyzer“. Durch die Anordnung von vier

    Elektroden in einer Testküvette und die gleichzeitige Messung mehrerer Testküvetten in

    einem Gerät sind interne Kontrollmessungen zur Qualitätskontrolle [110] sowie parallele

    Messungen möglich. Das Multiplate®-System hat sich auf Grund der einfachen und schnel

    len Messung aus Vollblut und der guten Standardisierbarkeit insbesondere bei der Testung

    von Plättcheninhibitoren wie Acetylsalicylsäure, Clopidogrel, Prasugrel und Glykoprotein

    IIbIIIa-Antagonsiten durchgesetzt [40].

    Mit der Impedanzaggregometrie und dem Multiplate® - System wird die Fähigkeit von

    Thrombozyten zur Aggregation erfasst, sie sind nicht auf die Erfassung des Formwandels

    ausgelegt [18].

    1.3.3 Laser Rheoaggregometrie

    Die Laser Rheoaggregometrie stellt eine auf den Formwandel fokussierte Weiterent

    wicklung der Aggregometrie nach Born dar [55]. Durch die Anordnung zusätzlicher Pho

  • 17

    tozellen und die Verwendung eines polarisierten Helium-Neon-Lasers als Lichtquelle kann

    sowohl direkt transmittierendes Licht als auch Streulicht erfasst werden [55]. Diese An

    ordnung erlaubt eine genauere Erfassung des Anteils formveränderter Thrombozyten in ei

    ner Lösung nach Zugabe verschiedener Agonisten. Es kann sowohl die Intensität des

    Formwandels als prozentualer Anteil formveränderter Thrombozyten als auch die Ge

    schwindigkeit der Bildung formveränderter Thrombozyten in Sekunden erfasst werden.

    Eine weitere Verfolgung oder Quantifizierung der Ausprägung des Formwandels ist nicht

    möglich.

    1.3.4 Quasi-elastische Licht-Streuung

    Spurey, Glatter und Pfeiler entwickeln das Verfahren des „Quasi-Elastic Light Scatte

    ring“ [101]. Es handelt sich hierbei um ein Verfahren zur Bestimmung der Verschiebung

    der Doppler-Frequenzen von durch bewegte Partikel gestreutem Licht. Durch Schwellung

    und Formation von Pseudopodien im Rahmen des Formwandels nimmt die elektrophoreti

    sche Mobilität ab. Diese Abnahme der Mobilität kann durch die Ermittlung der Dopp

    ler-Frequenz-Verschiebung erfasst werden. Laut den Autoren kann hierdurch zwischen

    verschiedenen Stadien der Bläschen und Fortsatzbildung differenziert und die Transforma

    tion der scheibchenförmigen Ruheformen zu den aktivierten kugeligen Thrombozytenfor

    men erfasst werden.

    1.3.5 Ausmaß der Formänderung

    Für den Test zur Bestimmung des Ausmaßes der thrombozytären Formveränderung

    (Extent of Shape Change, ESC) wird plättchenreiches Plasma in einer Küvette gerührt.

    Nach Zugabe von Ethylen-Diamin-Tetra-Azetat (EDTA) zur Verhinderung einer Aggrega

    tion und ADP zur Aktivierung der Plättchen wandeln sich die scheibchenförmigen ruhen

    den Plättchen zu den mehr kugelförmigen, aktivierten Plättchen [49]. Diese Transformati

    on kann photometrisch durch eine Abnahme der Lichttransmission erfasst werden [50]. Es

    wird die relative Abnahme der Lichttransmission nach Zugabe von ADP erfasst und in Pro

    zent angegeben. Der ESC-Test zeigt eine gute Korrelation zur Vitalität von Plättchen und

    wird zur Qualitätskontrolle von zur Transfusion bestimmten Thrombozytenkonzentraten

    verwendet [31, 49]. Sie unterliegt hinsichtlich der Beurteilung des Formwandels denselben

    Einschränkungen, wie sie bereits oben zur Aggregometrie genannt wurden.

  • 18

    1.3.6 Hypotone Schock Reaktion

    Die Hypotone Schock Reaktion (HSR) misst die Fähigkeit von Plättchen, ihr normales

    Volumen nach einer Exposition gegenüber einer hypotonen Umgebung wiederzuerlangen

    [49]. Plättchen werden gegenüber destilliertem Wasser exponiert, nehmen dieses auf

    Grund des osmotischen Gradienten auf und schwellen an. Die Schwellung wird mit einem

    Photometer registriert. Bei intakter Membranregulation und funktionierendem Energie

    stoffwechsel kann das eingedrungene Wasser wieder aktiv aus den Thrombozyten heraus

    transportiert werden. Die Volumenschwellung nimmt wieder ab, was wiederum in einem

    Photometer registriert werden kann [24]. Die Ergebnisse der HSR werden üblicherweise

    als der Prozentsatz der wieder vollständig regenerierten Plättchen angegeben und lassen

    einen Rückschluss auf die Vitalität der Plättchen zu [49]. Eine genauere Analyse der Art

    des Formwandels ist nicht vorgesehen.

    1.3.7 Plättchenvolumen

    Es konnte gezeigt werden, dass der Formwandel mit einer Zunahme des Plättchenvolu

    mens abgeschätzt werden kann [37, 79]. Mit hochsensitiven Teilchenzählern wird eine Zu

    nahme des Plättchenvolumens nach Aktivierung von etwa 6,0 x 10-15 l auf ca. 7,7 x

    10-15 l registriert, die mittels elektronenmikroskopischer Untersuchungen mit dem Form

    wandel assoziiert werden konnte [36, 69, 117]. Die korrekte und reproduzierbare Bestim

    mung des Plättchenvolumens ist jedoch von einer Reihe von Umgebungsfaktoren wie bei

    spielsweise Zeit der Analyse nach der Blutabnahme, verwendeter Methodik, Umgebungs-

    temperatur und dem verwendeten Antikoagulanz abhängig [52]. Auch wenn moderne La

    borautomaten häufig das durchschnittliche Plättchenvolumen automatisiert mit ausgeben,

    konnte sich die Bestimmung des mittleren Plättchenvolumens zur Einschätzung des Akti

    vierungsstatus von Plättchen kaum durchsetzen [4].

    1.3.8 Thrombelastographie

    Bei der Thrombelastographie nach Hartert bzw. dem hieraus weiter entwickelten Ver

    fahren der Rotations-Elastographie (ROTEM®) bildet sich nach Zugabe von Agonisten an

    einem in das Untersuchungsgefäß eingetauchtem bewegten Stempel ein Blutgerinnsel

    [14] . Es wird die Zeit bis zur Gerinnselbildung und die Gerinnselfestigkeit erfasst. Der

    thrombozytäre Formwandel kann mit diesem Verfahren nicht abgebildet werden. Throm

    belastographie und Rotations-Elastographie erlauben vielmehr einen ganzheitlichen Blick

  • 19

    auf das gesamte Gerinnungssystem [40]. Sie eignen sich somit insbesondere als klinische

    Tests zur Analyse der tatsächlichen Gerinnungsfähigkeit des Blutes zum Beispiel im Rah

    men chirurgischer Eingriffe [43].

    1.3.9 Durchflußzytometrie

    Die Durchflußzytometrie erlaubt die schnelle Charakterisierung einer großer Anzahl

    von Zellen [77]. Vollblut oder PRP werden mit fluoreszenzmarkierten monoklonalen Anti

    körpern gegen Thrombozytenproteine inkubiert. Im Durchflußzytometer passieren dann

    1000 bis 10000 Zellen pro Minute eine Laserlichtquelle. Die durch das Laserlicht zur Fluo

    reszenz angeregten Proteine werden detektiert [77]. Für die Beurteilung des Formwandels

    wird insbesondere der Nachweis der vermehrten Expression von P-Selectin (CD62P), dem

    53 kD Protein (CD63) [57], αIIBβ3 und anionischen Phospholipiden verwendet [117, 125].

    CD62P und CD63 sind in den Membranen von α-Granula und Lysosomen lokalisiert und

    werden in Folge der thrombozytären Aktivierung und Sekretion auf der Plättchenoberflä

    che exprimiert [94]. Der morphologische Formwandel von scheibchen- zu kugelförmigen

    Plättchen kann durchflußzytometrisch auch durch die Analyse der Vor- und Seitwärtss

    treuung von Laserlicht erfolgen [94]. Ruf und Patscheke (1995) konnten zeigen, dass der

    durchflußzytometrisch erfolgte Nachweis des mittels Lichtstreuung erfassten morphologi

    schen Formwandels um den Faktor 29 mal sensitiver eine Aktivierung durch ADP anzeigt

    als der Nachweis von P-Selektin [94]. Die Durchflußzytometrie erlaubt durch die Möglich

    keit einer Vollblutanalyse die Beurteilung des Formwandels in einer dem physiologischen

    Milieu ähnlichen Umgebung [77].

    1.3.10 Plättchenfunktionsanalysator

    Kratzer und Born haben 1985 ein Verfahren zur Simulation der primären Hämostase in

    vitro beschrieben [62], das die Grundlage für das zur Testung der Thrombozytenfunktion

    eingesetzte PFA-100®-Gerät bildet. Auf 37°C vorgewärmtes Citratblut wird mittels eines

    Vakuums durch eine Kapillare gezogen und trifft auf eine Membran mit einer fest definier

    ten Öffnungsfläche von 150 µm Durchmesser [6]. Die Membran ist mit Kollagen Typ I

    und ADP oder Epinephrin beschichtet. Die Thrombozyten haften an der Membran an und

    bilden einen Plättchenpropf. Es wird die Zeit bis zum vollständigen Verschluß der Mem

    branöffnung bestimmt und in Sekunden angegeben. Dieses Verfahren ist insbesondere zur

    Bestimmung der Thrombozytenfunktion an einer prokoagulatorischen Oberfläche geeignet

  • 20

    [6] und dient vornehmlich zur Erfassung von Thrombozytenfunktions- und Gerinnungsstö

    rungen [25]. Eine verzögerte Verschlusszeit findet sich neben tatsächlichen Thrombozy

    tenfunktionsstörungen allerdings auch bei niedrigen Thrombozytenzahlen (< 100x109/l),

    niedrigem Hämatokrit (< 30%) und bei der Anwesenheit von die Thrombozytenfunktion

    hemmenden Medikamenten [25]. Eine Beurteilung des thrombozytären Formwandels ist

    nicht möglich.

    1.3.11 Platte-Kegel-Analysator

    Von Varon und Mitarbeitern wurde ein Verfahren zur Messung der Plättchenhaftung

    unter definierten Scherbedingungen beschrieben, der sog. Impact® Cone and plate analyzer

    [95]. Es handelt sich um ein Kegel-Platten-System, in dem die Blutprobe 2 Minuten lang

    definierten Scherbedingungen ausgesetzt wird [14]. Plättchenhaftung und Aggregation an

    der Oberfläche werden von einem Bildanalysesystem registriert. Eine Erfassung des Form

    wandels ist nicht möglich.

    1.3.12 Elektronenmikroskopie

    In zahlreichen Untersuchungen wurden die verschiedenen Aktivierungsstadien von

    Thrombozyten dargestellt und mit anderen Verfahren zur Thrombozytenfunktionstestung

    verglichen [1, 29, 36, 39, 48, 54, 59, 70, 75, 97, 100, 104, 114, 118, 122]. Die Elektro

    nenmikroskopie erlaubt mit der etwa 1000fach größeren Auflösung als ein Lichtmikroskop

    und einem Auflösungsvermögen von etwa 10 nm [33] eine für die Lichtmikroskopie uner

    reichbare Darstellung von Detailstrukturen. Abbildung 1.2 zeigt eine Fotomontage elektro

    nenmikroskopischer Aufnahmen der morphologischen Veränderungen von Blutplättchen

    im Rahmen des Aktivierungsprozesses Die elektronenmikroskopische Untersuchung be

    darf aber stets einer umfangreichen Aufbereitung der Probe, die Untersuchungen an leben

    den, unfixierten Präparaten unmöglich macht.

    1.3.13 Lichtmikroskopie

    Thrombozyten sind nahezu transparent und weisen nur einen sehr geringen Eigenkon

    trast auf. Trotz großer Vergrößerung bleiben sie bei Beobachtung im Durchlichtmikroskop

    nahezu unsichtbar. Es wurden eine Vielzahl mehr oder weniger komplizierter Färbemetho

    den entwickelt, um biologische Präparate der mikroskopischen Beobachtung zugänglich zu

    machen. Die Einfärbung eines Materials zur Steigerung des Bildkontrastes setzt aber im

    mer die vorherige Fixierung des Präparates und somit Abtötung aller Lebendvorgänge vor

  • 21

    aus. Dies betrifft alle mikroskopischen Beobachtungen im Hellfeld (dem „normalen“

    Durchlichtmikroskop).

    Um Lebendvorgänge an Zellen in Echtzeit beobachten zu können, müssen rein optische

    Kontrastierungsverfahren gewählt werden, die eine Kontrastierung des Präparates ohne di

    rekte Beeinflussung des Präparates ermöglichen. Hierzu wurden bereits in der ersten Hälfte

    des 20. Jahrhunderts Verfahren entwickelt, die auch heute noch Anwendung finden.

    1.3.13.1 Dunkelfeld

    In der Dunkelfeldmikroskopie wird das Präparat mit einem hohlen Lichtkegel beleuch

    tet, dessen innerer Durchmesser größer ist, als die numerische Apertur des Objektivs. Dies

    hat zur Folge, dass bei einem leeren Präparat gar kein Licht in das Objektiv gelangt. Der

    durch das Objektiv zu beobachtende Bildhintergrund bleibt also vollständig schwarz. Wird

    nun ein Objekt in den Strahlengang eingebracht, wird insbesondere an den Kanten des Ob

    jektes das Licht in alle Richtungen gebeugt und fällt zum Teil auch in das Objektiv ein. Die

    Bildentstehung im Okular beruht also ausschließlich auf von dem Objekt gebeugtem Licht.

    Dies führt zu einem hellen Aufleuchten insbesondere der Objektkanten auf einem sonst

    völlig dunklem Hintergrund. Die Dunkelfeldmikroskopie ist nicht zur Darstellung von

    Strukturen des Zellinneren , aber gut zur Darstellung von Zelloberflächen und Zellfortsät

    zen geeignet.

    Bereits 1914 stellt Stübel seine dunkelfeldmikroskopischen Untersuchungen an Blut

    plättchen vor [105]. Er beschreibt die Beobachtung der Umwandlung der Blutplättchen

    Abbildung 1.3: Handzeichnungen der von Ferguson 1934 beobachteten unter-schiedlichen Formen von Thrombozyten im Dunkelfeld.

    Modifiziert nach [27]

  • 22

    von einer flachen Scheibchenform zu einer „Sternenform“ mit der Aussendung von feinen

    Fortsätzen verschiedener Länge und Anzahl [105]. Wie in Abbildung 1.3 dargestellt, ver

    öffentlicht Ferguson 1934 Zeichnungen seiner im Dunkelfeld gemachten Beobachtungen

    der unterschiedlichen Formen von Thrombozyten [27].

    Unter Berufung auf die von Ferguson vorgestellte Untersuchungsmethodik veröffentli

    chen Best und Cowan 1938 eine Serie von Mikrofotografien [8] der frühesten von ihnen

    im Dunkelfeld zu beobachtenden Thrombozytenformen (siehe Abbildung 1.4). Hier zeigt

    sich deutlich die Vielgestaltigkeit aktivierter Thrombozyten und das Auflösungsvermögen

    der Dunkelfeld-Mikroskopie im Hinblick auf die während des Formwandels entwickelten

    Fortsätze.

    Abbildung 1.4: Eine Serie von Mikrofotografien der frühesten von Best und Cowan 1938 im Dunkelfeldmikroskop erfassten Veränderungen von Thrombozyten.

    Modifiziert nach [8].

  • 23

    Heute wird die Dunkelfeldmikroskopie im medizinischen Umfeld vornehmlich im Be

    reich der Mikrobiologie im Rahmen der Frühdiagnostik von Treponema pallidum Infektio

    nen eingesetzt.

    1.3.13.2 Phasenkontrast

    Durch die Einbringung eines Phasenringes in den Strahlengang wird die durch das

    durchstrahlte Objekt auf Grund der unterschiedlichen optischen Dichte des Objektes er

    folgte Phasenverschiebung des Lichtes in eine Abbildung mit Amplitudenkontrast gewan

    delt. Regionen unterschiedlicher optischer Dichte werden also mit unterschiedlicher Hellig

    keit und somit einem verstärkten Kontrast dargestellt. Phasenkontrast eignet sich insbeson

    dere zur optischen Kontrastierung feiner und wenig strukturierter Phasenobjekte [67]. Bei

    größeren Phasenverschiebungen, wie sie an Zellrändern oder größeren Objektstrukturen

    wie beispielsweise dem Granulomer auftreten, kommt es zur Bildung eines hellen

    Lichtsaums, dem sog. Halo-Artefakt [66]. Die Untersuchung von Plättchen kann hierdurch

    erheblich gestört werden und zu einer Reihe von Fehlinterpretationen führen [1]. Wie in

    Abbildung 1.5 dargestellt, zeigt sich in den von Brecher und Cronkite 1950 vorgestellten

    Untersuchungen zu Plättchen im Phasenkontrast deutlich diese Artefakt-bedingte Ein

    schränkung der Beurteilbarkeit [13].

    Abbildung 1.5: Darstellung aktivierter Thrombozyten im Phasenkontrastmikroskop.

    Deutlich sichtbar ist die Halo-Artefaktbildung um das Granulomer, die die Beurteilung der Pseudopodien erheblich erschwert. Modifiziert nach [13]

  • 24

    1.3.13.3 Differentialinterferenzkontrast

    Durch die Einbringung eines doppelbrechenden Wolaston-Prismas in den Strahlengang

    werden Unterschiede der optischen Weglänge im betrachteten Objekt in Helligkeitsunter

    schiede gewandelt [120]. Es entstehen im Durchlicht plastische, reliefartige Bilder des un

    tersuchten Objektes. Die Reliefstruktur kann hier einerseits Ausdruck einer tatsächlich be

    stehenden Dickenzunahme im Präparat sein, aber auch Ausdruck einer Zunahme des Licht

    brechungsindex [68]. Aufgrund seiner hohen Auflösung und der Möglichkeit auch dickere,

    mehrschichtige Präparate zu untersuchen, gehört der Differentialinterferenzkontrast (DIC)

    heute zu den Standard-Abbildungsverfahren in der Untersuchung lebender Zellen. 1979

    veröffentlicht Allen eine grundlegende vergleichende Arbeit zu den Details des Formwan

    dels [1], in der er differentialinterferenzmikroskopische Aufnahmen elektronenmikroskopi

    schen Aufnahmen gegenüberstellt. Wie in Abbildung 1.6 dargestellt, erlaubt DIC eine gute

    Auflösung von Pseudopodien, Hyalomer und Granulomer.

    1.3.13.4 Fluoreszenz

    Bei der Fluoreszenzmikroskopie wird die Eigenschaft von Fluorochromen genutzt, die

    nach Anregung mit Licht einer Wellenlänge nach wenigen Nanosekunden Licht einer ande

    ren Wellenlänge abstrahlen. Da Thrombozyten natürlicherweise keine Fluorochrome ent

    Abbildung 1.6: Photomontage von Differential-Interferenz-Kontrast-Bildern dessel-ben Plättchens.

    0,1,2,3,4,7,8 und 13 Minuten (a-h) nach Präparation. Ps = Pseudopodien. DB = dich-tes Granulum (dense body), Cr = Krater. Modifiziert nach [1]

  • 25

    halten, müssen die Plättchen zuerst mit Fluorochromen markiert werden. Dies gelingt

    durch den Einsatz gegen spezifische Plättchenstrukturen gerichteter mit Fluorochrom be

    setzter Antikörper. Diese Immunfluoreszenzmikroskopie ist insbesondere zur Darstellung

    von Strukturen des Zytoskeletts sowie intrazellulärer Strukturen geeignet [21, 104, 116].

    Zur Markierung mit spezifischen Antikörpern ist eine Fixierung des Präparates notwendig

    [21], weshalb die Beurteilung der Dynamik des Formwandels eingeschränkt ist.

    1.4 Primärer und sekundärer Formwandel

    In der Literatur wird zwischen einem primären und einem sekundären, durch gezielte

    exogene Stimulation verursachten Formwandel von Plättchen unterschieden [3, 119]. Der

    primäre Formwandel stellt eine erste Reaktion von Plättchen auf eine Vielzahl unterschied

    licher Reize dar. Der sekundäre Formwandel wird durch die gezielte Zugabe von Throm

    bozytenagonisten wie ADP verursacht [3, 119]. Primärer und sekundärer Formwandel las

    sen sich morphologisch unterscheiden. Der primäre Formwandel stellt sich licht- und elek

    tronenmikroskopisch „feiner“ dar mit der Ausbildung von Pseudopodien, einer Zentralisie

    rung von Granula und einer Ausbreitung der Membran [3]. Der primäre Formwandel ist

    zunächst reversibel. Der sekundäre Formwandel geht mit einer schnellen und irreversiblen

    Degranulation einher, die sich morphologisch durch die Ausbildung und Abschnürung gro

    ber Bläschen aus dem Thrombozyten darstellt [15, 119]. Der sekundäre Formwandel wird

    durch alle Verfahren untersucht, die mit einer gezielten exogenen Aktivierung arbeiten.

    Hierzu gehören insbesondere die aggregometrischen Verfahren. Die Wertigkeit der dem

    Formwandel zugeordneten Kurve in der Lichttransmissionsaggregometrie ist unsicher.

    Wahrscheinlich handelt es sich hier eher um ein Phänomen der reversiblen Mikroaggregati

    on, die auch völlig unabhängig von Formwandelprozessen nachgewiesen werden kann [60,

    72]. Bei der erfolgten Assoziation von licht- und elektronenmikroskopisch nachgewiesenen

    formveränderten Thrombozyten mit der initialen Verminderung der Lichttransmission kann

    es sich einerseits um eine reine Koinzidenz des sowieso bei kleinsten Reizen auftretenden

    Formwandels mit den initialen Formation von Mikroaggregaten handeln. Zum anderen

    könnte es sich auch um eine Artefaktbildung bei der Präparation handeln. Spurej et al. wei

    sen erstmalig 1992 auf die Bedeutung eines auf 37 °C vorgewärmten Fixativs hin, weil es

    sonst bereits durch die bloße Zugabe des Fixationsmediums zur Auslösung von Formwan

    delprozessen kommen kann [101]. Die fragliche Wertigkeit der Lichttransmissionsaggre

    gometrie im Hinblick auf die Beurteilung des Formwandels ist deshalb von Bedeutung, da

  • 26

    zahlreiche Aussagen zum Formwandel und dessen Abhängigkeit von Einflussfaktoren mit

    lichttransmissionsaggregometrischen Messungen begründet werden [12, 22, 30, 35, 65, 82,

    92, 93].

    Der durchflußzytometrische Nachweis von P-Selectin und CD 63, die zur Beurteilung

    des Formwandels herangezogen werden, darf nicht als direkter Marker des Formwandels

    gesehen werden [94]. Die Expression dieser Bestandteile von α-Granula und Lysosomen

    ist Ausdruck einer bereits erfolgten vollständigen Aktivierung von Thrombozyten und de

    ren Degranulation, die auch unabhängig von Formwandelprozessen erfolgen kann [94].

    Bei differenzierteren Verfahren zum Nachweis des Formwandels wie der Laser-Rheo

    aggregometrie und der quasi-elastischen Streuung wird der sekundäre Formwandel nach

    direkter Aktivierung durch einen Agonisten durch Bestimmung des Zeitpunktes und des

    Ausmaßes der Scheibchen zu Kugel-Transformation erfasst [55, 101] . Gleiches gilt für die

    Formwandelanalyse durch den Nachweis der Lichtstreuung in der Durchflußzytometrie

    [94].

    Der primäre Formwandel geht nicht zwingend mit einer Degranulation oder einer an

    schließenden Aggregation von Thrombozyten einher [2]. Die Aggregation von Thrombo

    zyten, eine der Schlüsselfunktionen von Thrombozyten überhaupt, ist in der Tat auch völlig

    ohne vorangehenden Formwandel möglich [72]. In vivo Untersuchungen konnten zeigen,

    dass auch die Akkumulation von Thrombozyten an der Stelle einer Gefäßverletzung nicht

    zwingend einen Formwandel voraussetzt [15, 119]. Der primäre Formwandel stellt zwar

    eine erste empfindliche Reaktion von Thrombozyten dar, kann aber nicht mit deren Akti

    vierung und irreversiblen Ausschüttung des thrombozytären Sekretoms gleichgesetzt wer

    den. Primär formgewandelte Thrombozyten können sich auch wieder zu ruhenden Throm

    bozyten zurückbilden oder aber auch weiter in eine Aktivierungskaskade übergehen [1, 15,

    60, 93] .

    Der primäre Formwandel kann unseres Wissens nach zur Zeit nur mit mikroskopischen

    Verfahren erfasst werden. Elektronenmikroskopische Untersuchungen primär formgewan

    delter Thrombozyten können die Zentralisation von Granula, die Polymerisation von

    Aktinfilamenten und die Umstrukturierungen des Zytoskeletts nachweisen [1, 36, 39, 59,

    75, 100, 114, 118, 122, 127, 128], sie sind aber praktisch nicht zur Analyse dynamischer

    Vorgänge des Formwandelprozesses geeignet. Weiterhin besteht ein verbleibendes unbe

    kanntes Risiko einer artifiziellen Steigerung des Formwandels durch die notwendigen auf

    wendigen Fixierungsschritte. Phasenkontrastmikroskopische Untersuchungen können zwar

  • 27

    ausreichend genau zwischen ruhenden und formgewandelten Thrombozyten unterscheiden

    und werden nach der Literatur tatsächlich auch wiederholt zum Nachweis des Anteils

    formgewandelter Thrombozyten verwendet. Auf Grund der auch in den hierzu publizierten

    Aufnahmen [72, 73, 127] deutlich sichtbaren Halo-Artefaktbildung, die basale Ansatz

    punkte von Pseudopodien, kleinere Pseudopodien und eine beginnende Hyalomerbildung

    komplett überstrahlt, ist die Phasenkontrastmikroskopie zu einer detaillierteren Analyse des

    primären Formwandels aber nicht geeignet. Die DIC-Mikroskopie stellt in der Literatur

    eine häufig angewandte Untersuchung zur Analyse formgewandelter Thrombozyten dar.

    Tatsächlich können mittels DIC-Mikroskopie auch unfixierte Thrombozyten kontinuierlich

    beobachtet werden und Pseudopodien, Hyalomer und Granulomer unterschieden werden.

    Während die Dunkelfeldmikroskopie am Anfang der mikroskopischen Untersuchung von

    Thrombozyten ein weit verbreitetes und häufig in Publikationen zitiertes Verfahren dar

    stellt [9, 27, 28, 71, 99, 105], finden sich mit zunehmender Verbreitung der DIC-Mikro

    skopie in der Literatur praktisch keine weiteren dunkelfeldmikroskopischen Untersuchun

    gen mehr. Allen hatte 1979 der DIC-Mikroskopie eine bessere Darstellung thrombozytärer

    Strukturen gegenüber der Dunkelfeldmikroskopie attestiert [1]. Unseres Wissens nach lie

    gen aber zur Wertigkeit der Dunkelfeldmikroskopie im Vergleich zur DIC-Mikroskopie in

    der Beurteilung des thrombozytären Formwandels keine systematischen Untersuchungen

    vor. Der Vorteil der DIC-Mikroskopie stellt sich unserer Meinung nach in erster Linie

    durch eine detailliertere Darstellung intrathrombozytärer Strukturen dar. Für die Darstel

    lung von Oberflächen und insbesondere für die Darstellung von Pseudopodien und Membr

    angrenzflächen, wie sie für eine Beurteilung des Formwandels notwendig ist, erscheint die

    Dunkelfeldmikroskopie hingegen ausgesprochen gut geeignet zu sein.

  • 28

    1.5 Quantifizierung des Formwandels

    In einem Übersichtsartikel zu Untersuchung und Quantifizierung der Plättchenaktivie

    rung weisen Kamath, Blann und Lip (2001) darauf hin, dass bislang noch keine Methode

    verlässlich zwischen in vivo und in vitro Formwandel unterscheiden kann [57]. Eine erheb

    liche Einschränkung aller verfügbarer Plättchenfunktionstest ist die weitgehend ungelöste

    Standardisierung der Untersuchungsabläufe [25, 77, 78].

    Die meisten Verfahren zur Quantifizierung des Formwandels erfassen den prozentualen

    Anteil formgewandelter Thrombozyten. Es wird also untersucht, wie viele Plättchen einer

    gegebenen Untersuchungspopulation einen Formwandel zeigen. Hierbei liegt ein Fokus auf

    der Erfassung des Zeitpunktes der Umwandlung der scheibchenförmigen Ruheform in die

    aktivierte Kugelform. Eine differenziertere Analyse des thrombozytären Formwandels kann

    mit mikroskopischen Untersuchungen erfolgen. Insbesondere in den 1960er bis 1980er

    Jahren werden lichtmikroskopische [9, 19, 27, 28, 32, 41, 48, 49, 54, 58, 59, 62, 63, 69-

    72, 83, 88, 91, 99, 104, 105, 114, 118] und elektronenmikroskopische [1, 22, 100, 119,

    122, 127] Untersuchungen zum thrombozytären Formwandel vorgestellt. In zahlreichen

    zur Untersuchung des Formwandels veröffentlichten Untersuchungen wird zur Beurteilung

    von Plättchen und deren Formwandel die DIC-Mikroskopie eingesetzt [19, 48, 49, 54, 58,

    59, 62, 63, 69, 70, 72, 91, 104, 114, 118].

    Bamberg, Breddin und Kollegen zeigten 1978 mit DIC-mikroskopischen Untersuchun

    gen, dass bereits in direkt nach der Blutabnahme fixiertem Blut 21% der Thrombozyten

    formverändert sind. Sie unterscheiden bei ihren Auswertungen zwischen formveränderten

    und nicht formveränderten Thrombozyten. Wiedemann und Breddin bestimmten 1978 im

    DIC-Mikroskop den prozentualen Anteil formgewandelter Thrombozyten bei unterschied

    lichen Inkubationstemperaturen. Bei Raumtemperatur inkubierte Plättchen zeigten nach 30

    Minuten zu über 80% einen Formwandel, bei 37° Celsius inkubierte Plättchen zeigten nach

    30 Minuten nur zu etwa 35% einen Formwandel, bei 10° Celsius waren nach 30 Minuten

    bereits 100 % der Plättchen formverändert [119]. Ihnen gelang durch mit Laserstrahlen ge

    setzten Mikroverletzungen der Mesenterialgefässe der Ratte der Nachweis formveränder

    ter Thrombozyten am Ort der Mikroverletzung in vivo, die morphologisch den in vitro pri

    mär formveränderten Thrombozyten gleichen [119]. 1983 korrelierten Leven und Mitar

    beiter spektrophotometrische Messungen nach Born mit Phasenkontrast- und elektronen

    mikroskopischen Aufnahmen und bestimmen hierbei den prozentualen Anteil formgewan

  • 29

    delter Plättchen [65]. Zobel zeigte 1983 durch rein qualitative Beschreibung von mittels

    Elektronenmikroskopie und Interferenz-Reflexionsmikroskopie gewonnener Bilder einen

    steigernden Einfluss von Calcium auf die Morphologie der Ausbreitung von Thrombozyten

    auf Glas [127]. Nowak-Göttl und Kollegen bestimmten 1991 den Formwandel im plätt

    chenreichen Zitratplasma in 6%iger Glutaraldehydfixation nach 15-minütiger Inkubation im

    37° C warmen Wasserbad im DIC-Mikroskop als prozentualen Anteil formgewandelter

    Thrombozyten [81]. Zahlreiche Untersuchungen zur quantitativen Untersuchung des

    Formwandels von Thrombozyten wurden mittels der weit verbreiteten Aggregometrie

    nach Born durchgeführt ([36, 42, 65, 128] und andere). Differenziertere photospektrome

    trische Verfahren zur quantitativen Erfassung des Formwandels wie die Laser Rheoaggre

    gometrie und die quasi-elastische Licht-Streuung werden bislang vornehmlich durch die

    beschreibenden Autoren eingesetzt.

    Die Durchflusszytometrie ist ein weit verbreitetes und allgemein akzeptiertes Verfahren

    zum Nachweis der Plättchenaktivierung [35]. Der vermehrte Nachweis markierter Proteine

    konnte zum Beispiel für Glykoprotein IIb-IIIa mit einer Aktivierung durch Agonisten und

    einer Umordnung des Zytoskeletts, wie es im Rahmen des Formwandels auftritt, assoziiert

    werden [35]. Insbesondere der Nachweis von P-Selectin wird in zahlreichen Studien zur

    Bestimmung des Aktivierungsgrades von Plättchen eingesetzt [5, 74, 75, 80, 94, 108,

    125].

  • 30

    2 Fragestellung

    Der primäre Formwandel von Thrombozyten nach Aktivierung durch Glas kann mittels

    dunkelfeldmikroskopischer Untersuchung erfasst und über mehrere Stunden und Tage

    kontinuierlich beobachtet werden. Wir wollen eine standardisierbare Methodik zur Doku

    mentation und Quantifizierung des gesamten Formwandelprozesses entwickeln und haben

    uns hierzu folgende Fragen gestellt:

    1. Welche präanalytischen und analytischen Bedingungen sollten für die Darstellung

    von Thrombozyten im Dunkelfeldmikroskop erfüllt sein? Inwiefern beeinflussen

    präanalytische und analytische Rahmenbedingungen die Darstellung des Formwan

    dels und wie kann eine von äußeren Faktoren möglichst unbeeinflusste Darstellung

    des Formwandels erfolgen?

    2. Wie kann der mikroskopische Aufbau für die bestmögliche Darstellung des Form

    wandels verbessert werden? Welche Untersuchungsschritte können automatisiert

    und standardisiert werden, um eine möglichst weitreichende Unabhängigkeit vom

    Untersucher zu erlangen?

    3. Welcher Untersuchungsgang sollte eingehalten werden, um den gesamten Form

    wandelprozess möglichst vollständig zu erfassen und das Ausmaß und die Dynamik

    dieses Prozesses nachvollziehbar zu dokumentieren? Wie kann der dokumentierte

    Formwandelprozess zytometrisch erfasst und quantifiziert werden?

    4. In welcher Form kann der quantitativ erfasste Formwandelprozess ausgewertet und

    statistisch verglichen werden und wie lassen sich die gewonnen Auswertungen

    sinnvoll darstellen?

    5. Welche weiteren nicht direkt dem Formwandel zuzuordnende Phänomene können

    erfasst und dokumentiert werden? Sind mit dem gegebenen Versuchsaufbau noch

    weiterführende Untersuchungen von Thrombozyten möglich?

  • 31

    3 Methode

    3.1 Präanalytik

    3.1.1 Blutabnahme

    Um eine vorzeitige Aktivierung von Thrombozyten zu verhindern, soll die Blutabnahme

    morgens, nüchtern, aus der ungestauten Vene ohne Sog direkt in ein mit Citrat versetztes

    Blutabnahmeröhrchen erfolgen. Es wird 3,2%iges gepuffertes Natriumcitrat 0,105 mmol/l

    verwendet. Entsprechende Proben stehen in Form der für die Blutsenkung gewonnenen

    Probenröhrchen bereits in der Routinediagnostik reichlich zur Verfügung. Es wird darauf

    geachtet, dass die zu untersuchende Probe das zweite abzunehmende Röhrchen ist.

    3.1.2 Plättchenreiches Plasma

    Nach der Blutabnahme kann Blut durch einfache oder forcierte Sedimentation durch

    Zentrifugation in seine einzelnen zellulären Bestandteile aufgetrennt werden. Da die drei

    Zellgruppen des Blutes eine unterschiedliche Größe und Dichte aufweisen, senken sie sich

    mit der Schwerkraft oder der Zentrifugalkraft unterschiedlich schnell ab und bilden im Ab

    nahmeröhrchen Zellschichten. Erythrozyten senken sich am schnellsten ab und bilden eine

    Schicht am Boden des Röhrchens, direkt darüber findet sich eine dünne Schicht mit den

    weißlich schimmernden Leukozyten, darüber findet sich eine an Thrombozyten reiche Zell

    schicht, das sog. thrombozytenreiche Plasma (englisch Platelet rich plasma, PRP).

    Es wird die einfache Sedimentation ohne Zentrifugation verwendet. Für die einfache Se

    dimentation wird das Blutabnahmeröhrchen sofort nach erfolgter Blutabnahme senkrecht

    in einem Blutsenkungsständer fixiert. Die roten Blutkörperchen senken sich in 60 Minuten

    um ca. 10 mm, in 120 Minuten um ca. 20 mm ab. Direkt oberhalb der Schicht der roten

    Blutkörperchen erkennt man eine etwa 1 mm dicke weißliche Schicht der weißen Blutkör

    perchen. Direkt über dieser Schicht findet sich die Schicht des thrombozytenreichen Plas

    mas, die mit einer Nadel Größe 1 (0,90 x 40 mm, 20 G x 1 ½´´ ) abpunktiert wird. Das

    PRP wird 60 Minuten nach der Blutabnahme unter Raumtemperatur (22°C) bei Tageslicht

    gewonnen und sofort nach Gewinnung präpariert.

  • 32

    3.1.3 Präparation

    Ein Tropfen des PRP wird auf einen Objektträger aus Natron-Kalk-Glas der 3. hydroly

    tischen Klasse (Paul Marienfeld GmbH & Co KG, Lauda-Königshofen) aufgebracht. Der

    aufgebrachte Tropfen wird vorsichtig mit einem Deckglas aus reinweißem Glas der hydro

    lytischen Klasse 1 (20x24 mm, Dicke 0,13 mm; Gerhard Menzel Glasbearbeitungswerk

    GmbH & Co KG, Braunschweig) abgedeckt. Hierzu wird mit einer gewinkelten Kunst

    stoffpinzette das Deckglas gefasst und langsam auf den Objektträger abgesenkt. Das PRP

    verteilt sich mittels des Kapillareffektes unter dem Deckglas.

    Für die weiteren Untersuchungsschritte spielt die Größe des auf den Objektträger auf

    gebrachten Tropfens eine entscheidende Rolle. Ist der Tropfen zu groß, stellen sich in der

    folgenden mikroskopischen Untersuchung mehrere Ebenen von Thrombozyten übereinan

    der dar und verschlechtern die Bildqualität durch Überlagerung von Thrombozytenschich

    ten erheblich. Ist der Tropfen zu klein, werden bereits beim Aufbringen des Deckglases alle

    Thrombozyten aktiviert, und die weitere Untersuchung ist eingeschränkt. Ein ruhender

    Thrombozyt hat einen Durchmesser von etwa 2,5 µm. Bei einer Deckglasgröße von 20x24

    mm muss das Tropfenvolumen so gewählt werden, dass sich möglichst genau eine Ebene

    von Blutplättchen darstellt, die eben Objektträger und Deckglas nicht berühren. Für die ge

    gebene Grundfläche von 20x24 mm entspricht das einer Höhe des Flüssigkeitsfilmes von

    etwa 4 µm und somit einem insgesamt anzustrebenden Tropfenvolumen von 20x24x0,04

    mm³ = 19,2 mm³ entsprechend 19,2 µl. Die Tropfengröße ist abhängig von der Oberflä

    chenspannung der Flüssigkeit, dem Luftdruck und dem Tropfenradius. Mit handelsüblichen

    2, 5, oder 10 ml Spritzen wurden regelmäßig für die folgenden Untersuchungen zu große

    Tropfen produziert, mit aufgesetzten Nadeln (0,90 x 40 mm, 20 G x 1 ½ ´´) wurden wie

    derholt zu kleine Tropfen produziert. Eine für die weitere Untersuchungen gerade ausrei

    chende Tropfengröße konnte gut mit Omnifix-F 1 ml Tuberkulin-Spritzen (Fa. Braun,

    Melsungen) erreicht werden, in dem nach Verwerfen des ersten Teils die kleinste gerade

    noch sich ablösende Tropfenmenge verwendet wurde.

  • 33

    3.2 Mikroskopie

    3.2.1 Dunkelfeldmikroskopie

    Wie in Abbildung 3.1 schematisch dargestellt, wird in der Dunkelfeldmikroskopie das

    durch die Lichtaustrittsöffnung am Mikroskopfuß austretende Licht durch einen in den

    Strahlengang eingebrachten Dunkelfeldkondensor so gebrochen, dass das Licht nach

    zweimaliger Reflexion im Dunkelfeldkondensor in Form eines Hohlkegels weitergeleitet

    wird. Der Dunkelfeldkondensor und der Objekttisch müssen so justiert werden, dass die

    Spitze des Hohlkegels genau in der Präparatebene zu liegen kommt. Die Objektivlinse

    muss dann soweit geschlossen werden, dass kein Teil des direkten Mikroskopierlichtes in

    die Objektivfrontlinse aufgenommen wird. Die Strahlen des Hohlkegels laufen dann bei ei

    nem leeren Präparat alle an der Objektivfrontlinse schräg vorbei. Bei einem leeren Präparat

    Abbildung 3.1: Schematische Darstellung des Strahlengangs im Dunkelfeldmikroskop.

    Das Licht der Lichtquelle wird durch den Dunkelfeldkondensor so gebrochen, dass das Präparat in Form eines Hohlkegels beleuchtet wird. Bei richtiger Einstellung der Aperturblende am Objektiv gelangt kein direktes Lichts in das Okular. Nur durch das Präparat in der Objektträgerebene gebrochenes Licht gelangt ins Okular. Modifiziert nach [113]

  • 34

    erscheint der Bildhintergrund dann komplett schwarz, d.h. keinerlei Licht erreicht das Oku

    lar. Wird nun ein Objekt in den Strahlengang eingebracht, wird das Licht vornehmlich an

    den Kanten in alle Richtungen gebeugt. Ein Teil dieses reflektierten Lichtes gelangt in die

    Objektivebene und zeigt sich im Okular als eine hell aufleuchtende Struktur auf einem

    komplett schwarzen Hintergrund.

    3.2.2 Versuchsaufbau

    Verwendet wird ein Mikroskop der Marke Leitz Laborlux (Wild Leitz GMBH, Type

    020-505.030, 512859-105428, 110-120, 130-220, 230-240, 250V~, IC 280, 50-60 Hz,

    P max. 30W, Birne 6V 20W, Made by Leitz Portugal) mit einem umgebauten Lampenhaus

    (Leitz Wetzlar Germany, Type 307-150.001, 514 725, Birne 12V max. 100W) und einer

    eingesetzten Halogenbirne (Narva Plauen made in GDR, HLWS 5-A, 12 V, 100 W, Py 24-

    1,5, Lichtwurflampe mit Justiersockel). Als Stromquelle wird ein Trafo Marke Omag

    (Wild Heerbrugg AG und Ernst Leitz Wetzlar GmbH, Type MTR 27, 0-12V~, Total max

    100W) verwendet. Es wird ein Dunkelfeldkondensor der Firma Leitz (Leitz Wetzlar, 513,

    Abbildung 3.2: Mikroskopischer Versuchsaufbau.

    Untersuchungsmikroskop mit am Trinokulartubus montierter Kamera Leica DFC 295. Links im Bild ein über PC zu steuernder Elektromotor zur automatisierten Justierung des z-Triebes.

  • 35

    547, D 1.19-1.44 OEL S11) verwendet. Für die fotografischen Aufnahmen kommen fol

    gende Objektive zum Einsatz: Olympus Japan 100 (A 100, 1.30 oil, 160-0.17), Carl-Zeiss

    Jena 844419 (Apochromat HI 100-1,32, 160-0,17), Leitz Wetzlar Germany 519848

    (*160-0,17, PL Fluotar, 100-1,32-060 Oil). Am Trinokular ist über einen C-Mount

    (0,63X, 1/2"=11.6, 2/3"=17,5) eine Digitalkamera montiert. Die zu beobachteten Struktu

    ren liegen mit einer Breite von 0,2 µm an der Grenze der lichtmikroskopischen maximalen

    Auflösung. Eine Verstärkung der Kontrastierung ergibt sich durch die Verwendung mono

    chromatischen Lichtes und der ausschließlichen Dokumentation in Graustufen. Es wird

    hierzu ein Baader Planetarium Baader 1,25" Solar Continuum-Filter in den Strahlengang

    eingebracht, das ausschließlich für Licht der Wellenlänge 540 nm durchlässig ist und für

    eine maximale Kontrastierung im Graustufenbild optimal geeignet ist [84].

    Ein Teil der Untersuchungen wird mit einem oszillierenden Fokus durchgeführt. Hierzu

    wird an die Mikrometerschraube des z-Triebs auf der linken Seite des Mikroskops ein

    Abbildung 3.3: Schematische Darstellung der automatisierten Ansteuerung von z-Trieb und Fotoauslösung.

    Der z-Trieb wird manuell auf die Stelle des schärfsten Sehens eingestellt. Durch die sinusförmige Programmierung des Schrittmotors oszilliert der Fokus nun um die initial eingestellte Schärfe-Ebene. Durch die Synchronisation der z-Trieb-Oszillation mit der automatischen Fotoauslösung werden nach definierten Zeiträumen die selben Präparatebenen erfasst (Pfeile). Somit wird eine schichtweise Erfassung mehrerer Präparatebenen möglich.

  • 36

    Stirnzahnrad (40 Zähne) angebracht, das mit einem auf die Welle des an einem über den

    Computer zu steuernden, elektrisch betriebenen Schrittmotors (EMIS® SM 42051) ange

    brachten 12-zähnigen Stirnrad verzahnt wird (siehe Abbildung 3.2). Die Schrittfolgen des

    Schrittmotors können durch Nutzung der Steuerungssoftware (KEMO® Stepper Version

    1.0 von Nils Wedel) in einer Textdatei beliebig programmiert werden. Jeder Schritt des

    Schrittmotors entspricht bei der angewandten Übersetzung einer Änderung des z-Triebes

    um etwa 0,1 µm. Die Schrittfolgen des Schrittmotors werden mit dem angewandten Algo

    rithmus zur automatisierten Auslösung der dokumentierenden Kamera (siehe Abschnitt

    3.3.7) synchronisiert. Durch diese Anordnung wird die Erfassung mehrerer Ebenen des

    Präparats ermöglicht (siehe Abbildung 3.3).

    3.2.3 Untersuchungsgang

    Das Präparat wird mittels des x- und y- Triebes auf das Zentrum des Deckglases einge

    stellt. Es wird durch feine Bewegungen des x- und y-Triebes die erste Stelle in Zentrums

    nähe gesucht, auf der sich mindestens fünf einzeln liegende Thrombozyten darstellen las

    sen. Der Untersuchungstisch wird in dieser Position fixiert und verbleibt für den gesamten

    restlichen Untersuchungsgang bei der gefundenen x- und y-Position. Die Positionen wer

    den im Untersuchungsprotokoll vermerkt. Im weiteren Untersuchungsgang wird nur noch

    eine Modifikation des z-Triebes zur Schärfeneinstellung durchgeführt. Für einen Teil der

    durchgeführten Untersuchungen wurde ein automatisierter z-Trieb benutzt (Abbildung

    3.2 und 3.3). Das Präparat wird manuell auf die zu untersuchende Ebene scharf eingestellt.

    Dann wird der undulierende z-Trieb gestartet und nach einer definierten Anzahl von

    Schritten automatisiert eine Mikrofotografie ausgelöst. Somit werden um eine scharf fo

    kussierte Mittelpunktsebene höhere und tiefere Untersuchungsebenen dokumentiert.

    3.3 Bilderfassung

    3.3.1 Digitalkamera

    Wie in Abbildung 3.2 gezeigt, wird an den Trinokulartubus des Untersuchungsmikro

    skops über einen universellen C-Mount Adapter eine Digitalkamera adaptiert. Im Rahmen

    der durchgeführten Untersuchungen kommen als Digitalkamera eine Canon Powershot

    A95 (Anschluß an Computer über USB 2.0 und Steuerung über Software Canon Capture)

  • 37

    und eine Leica DFC 295 (Anschluß an Computer über Firewire und Steuerung über Soft

    ware Leica Application Suite) zum Einsatz.

    Die Aufnahmesteuerung erfolgt ausschließlich erschütterungsfrei durch eine software

    gestütze Auslösung über den Steuerungscomputer. Hierzu wird in der jeweilig verwende

    ten Steuerungssoftware eine Zeitraffer-Funktion implemetiert. Es erfolgt also softwarege

    steuert eine Auslösung nach einem definierten Zeitintervall über einen definierten Zeitraum.

    Im Rahmen der hier durchgeführten Untersuchungen wird mit unterschiedlichen Intervallen

    und Zeiträumen experimentiert. Das kleinstmögliche Intervall ist abhängig von der Belich

    tungszeit und der Zeit für die Übertragung der Bilddaten von der Kamera an den PC. Die

    Belichtungszeit für eine qualitativ ausreichende Aufnahme ist wiederum abhängig von der

    Beleuchtungsstärke im Mikroskop, die Datenübertragungszeit ist abhängig von der vorein

    gestellten Bildgröße und Auflösung. Das kleinste in dieser Arbeit im Rahmen der gegebe

    nen technischen Möglichkeiten realisierbare Aufnahmeintervall beträgt 18 Sekunden. Der

    Aufnahmezeitraum wird technisch ausschließlich durch die auf dem Steuercomputer vor

    handene Datenspeicherungskapazität eingeschränkt. Bei einer Bildgröße von 3072 x 2304

    Pixel, einer Farbtiefe von 8 Bits per Pixel entsprechend 253 Farben und und einer Auflö

    sung von 96x96 dot per Pixel ergibt sich ein Speicherbedarf von 13825 Kilobyte, entspre

    chend ca. 14 Megabyte (siehe auch Abschnitt 3.3.6). Für einen Dokumentationszeitraum

    von einer Stunde ergibt sich dann bei 3 Aufnahmen pro Minute ein Speicherbedarf von

    2520 Megabyte, entsprechend etwa 2,5 Gigabyte. Praktisch ist der Untersuchungszeitraum

    auch durch die Qualität des Präparates und das in vitro Überleben der untersuchten

    Thrombozyten eingeschränkt. Der längste im Rahmen der hier durchgeführten Untersu

    chungen realisierte Untersuchungszeitraum beträgt 8703 Minuten, entsprechend 6,04 Ta

    gen.

    3.3.2 Bildbezeichnung

    In Folge der durchgeführten Zeitrafferuntersuchungen fallen eine große Anzahl an Da

    teien an, die jeder Zeit wieder eindeutig dem untersuchten Präparat und dem Untersu

    chungszeitpunkt zugeordnet werden müssen. Hierfür wird folgendes Vorgehen gewählt:

    Bei der Blutabnahme wird das Blutabnahmeröhrchen mit einer vierstelligen aufsteigenden

    Probennummer gekennzeichnet. Auf dem Untersuchungsprotokoll wird diese Nummer mit

    Datum und Uhrzeit der Probenabnahme sowie Datum und Uhrzeit der Präparation des

    PRP, Raumtemperatur, Datum und Uhrzeit der Präparation des Präparates und Datum und

  • 38

    Uhrzeit des Beginns der mikroskopischen Untersuchung vermerkt. Auf dem mit der Kame

    ra verbundenen Dokumentations-PC wird ein mit der Probennummer bezeichneter Ordner

    angelegt. Alle Bilder zu der untersuchten Blutprobe werden im weiteren in diesen Ordner

    gespeichert. Die Bilddateien werden numerisch aufsteigend mit einer vierstelligen Nummer

    bezeichnet. Die Bilddatei 0000 stellt immer die Fotografie eines Maßstabes bei den aktuel

    len Mikroskopeinstellungen dar, die Bilddatei 0001 ist die erste Aufnahme des Untersu

    chungsganges. Datum und Uhrzeit der Bilderstellung werden bei Erstellung auf zweierlei

    Weise mit der Datei gespeichert. Zum einen zeigt das Betriebssystem an, zu welchem Da

    tum und zu welcher Uhrzeit eine Datei angelegt wurde. Zum anderen werden je nach Typ

    der verwendeten Kamera Datum und Uhrzeit der digitalen Fotografie in den sogenannten

    EXIF („Exchangeable Image File Format“)-Daten als Metadaten mit der Bilddatei gespei

    chert. Beide Datumsformate können ausgelesen werden und im weiteren Verlauf zur zeitli

    chen Signatur der Bilddatei verwendet werden. Weiterhin kann auch bei Erstellung der Mi

    krofotografie ein Datumsstempel in das Fotodokument eingebrannt werden, dieser Da

    tumsstempel kann allerdings später nicht automatisiert ausgelesen werden und wird hier

    nicht verwendet.

    3.3.3 Zeiterfassung

    Für die dynamische Analyse des thrombozytären Formwandels spielt die Zeiterfassung

    eine wichtige Rolle. Datum und Uhrzeit der Blutabnahme, der Gewinnung des PRPs und

    der Anfertigung des mikroskopischen Präparates werden auf dem Untersuchungsbogen er

    fasst. Die Erfassung des Untersuchungsbeginns erfolgt durch die automatische Abspeiche

    rung von Datum und Uhrzeit der ersten digitalen Fotografie. Im weiteren Verlauf werden

    über eine Zeitraffer-Funktion der Kamera bzw. der die Kamera steuernden Software in fes

    ten Abständen Verlaufsbeobachtungen digital dokumentiert. Der Zeitstempel der Dateier

    stellung und die in den EXIF-Daten hinterlegten Zeitstempel können mittels des weiter un

    ten beschriebenen ImageJ-Plugins (siehe Kapitel 3.4.2) automatisch ausgelesen und den

    Messwerten zugeordnet werden.

    3.3.4 Metadaten

    Zu jedem Bilddokument werden als Metadaten Datum und Uhrzeit der Bilderstellung,

    Maßstab, Kameratyp und Kameraeinstellungen erfasst. Der Zeitstempel der Bilderstellung

    wird wie oben beschrieben erfasst. Der Maßstab wird durch die digitale Fotografie einer

  • 39

    geeichten Mikrometerskala als Bilddatei 0000 erfasst. Kameratyp und Kameraeinstellungen

    werden automatisch durch die Kamerasoftware in den EXIF-Daten einzelbildbezogen hin

    terlegt.

    3.3.5 Kameraadaption

    Die Adaptation der Kamera an das Mikroskop erfolgt über einen universellen C-Mount-

    Adapter an den Trinokulartubus. Die verwendete Kamera Leica DFC 295 beinhaltet einen

    ½'' CCD-Chip entsprechend einer Chip-Größe von 4,8x6,4 mm und einer Chipdiagonale

    von 8 mm. Durch die Verwendung eines Video-Objektivs mit 0,63-facher Vergrößerung

    wird laut Herstellerempfehlung eine optimale Abbildung des Mikroskopbildes auf dem Ka

    merachip erreicht.

    3.3.6 Aufnahmeformat

    Die Vermessung der aufgenommenen Bilder in ImageJ benötigt eine erhebliche digitale

    Nachvergrößerung. Häufig angewendete Bildformate wie JPG, PNG oder komprimiertes

    TIFF führen zu einem Verlust an Detailgenauigkeit bei großen Vergrößerungen. Für Ver

    messung und automatisierte Auswertung wird das Bild auf Einzelpixel-Niveau bearbeitet,

    jeder Verlust an Information durch Kompression ist zu vermeiden. Zur Dokumentation

    und Vermessung der Bilder muss ein nicht komprimiertes Bildformat wie RAW oder nicht

    komprimiertes TIFF verwendet werden. Für die Bilddokumentation in dieser Arbeit wird

    das nicht komprimierte TIFF-Format verwendet.

    3.3.7 Bildaufnahme

    Die Aufnahme erfolgt PC-gesteuert aus der die Kamera steuernden Software heraus.

    Beim Auslösen darf es zu keiner Erschütterung des Mikroskopaufbaus kommen, da bereits

    feinste Erschütterungen, wie sie zum Beispiel durch das Schließen eines nicht gesteuerten

    Spiegels einer Spiegelreflexkamera entstehen, zu einer deutlich sichtbaren Bewegung der

    im Präparat beobachteten Filopodien und zu einem Verlust des Fokus führen können [86].

    Es wird immer eine Aufnahme sofort nach Einlegen des Präparates und Abschluss der

    Kameraeinstellungen gemacht (Aufnahme 0001, sog. Sofortadhärenz). Aufnahme 0001

    stellt den Untersuchungsbeginn dar. Von dieser Aufnahme ab werden über eine Zeitraffer-

    Funktion gesteuert Aufnahmen in festen Zeitabständen durchgeführt.

  • 40

    3.4 Bildvermessung

    3.4.1 Klassifikation

    Bei der Beobachtung des PRP mittels Dunkelfeld-Mikroskop zeigt sich eine verwirren

    de Vielzahl von thrombozytären Aktivierungsstadien. Im Rahmen dieser Arbeit werden be

    schreibende Grundparameter identifiziert, die in folgender morphologischen Klassifikation

    der zu beobachtenden Strukturen eingeführt werden.

    Grundsätzlich wird unterschieden zwischen Granulomer und Hyalomer. Als Hyalomer

    wird ein deutlich sichtbarer Hof um eine zentrale Verdichtung von Zellmaterial (Granulo

    mer) verstanden. Bei einem inaktivierten, ruhenden Thrombozyten existiert kein Hyalomer,

    der größte Durchmesser eines inaktivierten Thrombozyten entspricht also dem größten

    Durchmesser des Granulomers.

    Ein aktivierter Thrombozyt zeigt eines oder mehrere der folgenden Merkmale:

    A. Ausbildung eines Hofes: um eine zentrale Verdichtung von Zellmaterial (Granulo

    mer) bildet sich in deutlichem Abstand ein um den Thrombozyten komplett ge

    schlossener Hof aus (Hyalomer).

    B. Ausbildung von Pseudopodien: aus der Zellmembran stülpen sich Pseudopodien

    aus. Als Pseudopodie wird hier eine einläufige oder doppelläufige Ausstülpung der

    Zellmembran verstanden, die entweder spitzwinklig oder abgerundet endet. Ein

    einläufiger Fortsatz wird auch als Filopodie bezeichnet.

    Es werden weiterhin Korpuskel klassifiziert: rundliche Partikel, die einen deutlich gerin

    geren Durchmesser aufweisen als Thrombozyten und keinerlei Fortsätze aufweisen sowie

    auch keine Hofbildung.

    Des weiteren wird eine Kategorie „Sonstiges“ eingeführt. Hierunter fallen beispielswei

    se die vereinzelt aufzufindenden Leukozyten oder Erythrozyten oder sonstige morphologi

    sche Erscheinungen, die nicht mit den oben genannten Kategorien erfasst werden.

  • 41

    Die o.g. Klassifikation führt zu folgenden Messgrößen (siehe Abbildung 3.4 ):

    1. Größter Durchmesser des Granulomers

    2. Länge eines Fortsatzes

    3. Größter Durchmesser des Hyalomers

    4. Größter Durchmesser eines nicht aktivierten Thrombozyten (entfällt)

    5. Breite des Fortsatzes an der Basis, also am Ort der Ausstülpung aus der Zellmem

    bran.

    6. Breite des Fortsatzes an der Spitze

    7. Größter Durchmesser des Korpuskels

    8. Sonstiges

    3.4.2 ImageJ-Plugin

    Für jeden Aufnahmezeitpunkt finden sich etwa 500 Messpunkte. Es muss eine schnelle

    und praktikable Vermessungsmethode etabliert werden, die eine nachvollziehbare Doku

    Abbildung 3.4: Schematische Darstellung eines Thrombozyten im Dunkelfeld-Mikroskop.

    (1) Größter Durchmesser des Granulomers. (2) Länge eines Fortsatzes. (3) Größter Durchmesser des Hyalomers. (5) Breite des Fortsatzes an der Basis. (6) Breite des Fortsatzes an der Spitze.

  • 42

    mentation automatisiert oder teilautomatisiert gewährleisten kann. Es wird hierzu auf das

    Softwareprodukt ImageJ zurückgegriffen und eine auf die Vermessung von Thrombozyten

    im Dunkelfeld-Mikroskop spezialisierte Softwarelösung entwickelt und in Form eines

    Plugins eingebunden. ImageJ steht als Akronym für „Image Processing and Analysis in

    Java“. Es handelt sich hierbei um ein frei verfügbares („open source“) Bildbearbeitungspro

    gramm, das von Wayne Rasband, Research Services Branch, National Institute of Mental

    Health, einer Fraktion des US-amerikanischen National Insitute of Health (NIH) entwickelt

    wurde [90]. ImageJ zeichnet sich durch eine offene Architektur aus mit der Möglichkeit,

    einfach selbst entwickelte Funktionen als Plugin einzubinden. ImageJ hat insbesondere bei

    wissenschaftlichen Bildbearbeitungsprojekten eine weltweite Verbreitung gefunden.

    Für die Bearbeitung muss zuerst die zu untersuchende Bilderserie nach ImageJ impor

    tiert werden. Der Bildimport erfolgt als Bildstapel (englisch stack). Der erfasste und ein

    deutig bezeichnete Bildstapel wird über die ImageJ-Funktion „File -> Import -> Image Se

    quence“ ausgewählt. Nach dem Import der ganzen Sequenz nach ImageJ steht diese sofort

    zur Verfügung und kann durch einfaches Scrollen an dem Maus-Rad durchgemustert wer

    den.

    Direkt im Anschluss an den Import des Bilderstapels erfolgt die Skalierung der impor

    tierten Bilder (siehe Abbildung 3.6). Hierzu wird auf dem ersten Bild jedes Stapels, das

    laut Konvention eine Fotografie einer Mikrometerskala darstellt, eine bekannte Länge mit

    dem „Straight Line Selection-Tool“ markiert. Über „Analyze -> SetScale kann der Skalie

    rungsdialog aufgerufen werden. Der ausgewählten Länge in Pixel kann hier die korrekte

    Distanz in der gewünschten Einheit zugewiesen werden. Es muss die Option „global“ ge

    wählt sein, um die hier vorgenommene Skalierung auf alle Bilder des Stapels zu übertra

    gen. Über das Menü „Analyze -> Tools -> Scale Bar“ wird der Dialog zur Bearbeitung des

    Skalierungsbalkens erreicht. Es wird ein Skalierungsbalken von 5 µm Länge für alle Bilder

    in der oberen linken Ecke ausgewählt.

    Das Plugin wird als Textdatei im Ordner ImageJ\Macros\Toolsets gespeichert und über

    das Menü Plugins → Macros → Install initialisiert. Im Toolset-Bereich der ImageJ-Konso

    le findet sich dann ein Eintrag „ptx“. Das Plugin wird nach Import des Bilderstapels durch

    einmaliges Klicken auf Toolsets → ptx aktiviert.

    Mit dem Straight Line- oder dem Segmented-Line Tool wird auf dem Bild eine der

    oben klassifizierten Strukturen markiert. Die Zuweisung der Kategorie erfolgt über das

  • 43

    Nummernfeld der Tastatur bei aktiviertem Num-Lock. Die Zahlen der Nummerntastatur

    von 1-8 entsprechen den unter Kapitel 3.4.1 aufgeführten Kategorien.

    Beim Durchmustern des Bildes werden alle den klassifizierten K