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AUS DER ABTEILUNG FÜR INFEKTIONS- UND TROPENMEDIZIN
KLINIKUM DER LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN
DIREKTOR: PROF. DR. MED. MICHAEL HÖLSCHER
Epidemiologie, Diagnostik und Prävention in der
Reise- und Migrationsmedizin
Kumulative Habilitationsschrift
zum Erlangen der Venia Legendi für das Fach Reise- und Migrationsmedizin
vorgelegt
von
Dr. Martin Anton Alberer
2019
Fachmentorat: Herr Prof. Dr. med. Thomas Löscher
Herr Prof. Dr. med. Lutz Weber
Herr Prof. Dr. med. Jörg Schelling
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung 1
1.1. Spektrum und Risikoprofil von Erkrankungen bei Reisenden und Migranten 2
1.2. Spektrum und Risikoprofil von Erkrankungen bei Flüchtlingen und Asylbewerbern 3
1.3. Diagnostik von Erkrankungen nach Fernreisen 5
1.4. Prävention von Infektionserkrankungen während Fernreisen 7
1.5. Entwicklung neuer Impfstoffe 10
1.6. Ziele der Arbeiten 12
2. Ergebnisse eigener wissenschaftlicher Arbeiten 13
2.1. Untersuchungen zum Spektrum der Erkrankungen bei Reisenden und Migranten 13
2.1.1. Spektrum importierter Infektionserkrankungen bei Kindern und Adoleszenten 14
nach Rückkehr von Reisen in die Tropen und Subtropen
2.1.2. Spektrum importierter Infektionserkrankungen: eine vergleichende Studie 15
der Prävalenz bei 16817 deutschen Reisenden und 977 Immigranten aus den
Tropen und Subtropen
2.2. Untersuchungen zum Spektrum der Erkrankungen bei Flüchtlingen und Asylbewerbern 16
2.2.1. Übersicht über das Erkrankungsspektrum bei Flüchtlingen und Asylbewerbern 17
im Raum München - Daten aus drei Einrichtungen der Patientenversorgung
2.2.2. Übersicht bezüglich meldepflichtiger und sonstiger Infektionserkrankungen, 19
die im Rahmen der Unterbringung von FAs in einer Gemeinschaftsunterkunft
relevant sind
2.3. Diagnostik von Erkrankungen nach Fernreisen 21
2.3.1. Detektion gastrointestinaler Pathogene durch Multiplex-PCR aus Stuhlproben, 22
die mittels Haemoccult-Karten gewonnen wurden
2.4. Prävention von Infektionserkrankungen während Fernreisen 23
2.4.1. Koadministration eines Meningokokken-Konjugatimpfstoffes mit weiteren 24
reisemedizinisch relevanten Impfungen: eine randomisierte, unverblindete
Multicenterstudie
2.4.2. Sicherheit und Immunogenität von Impfstoffen gegen Typhus und 26
Gelbfieber bei gemeinsamer Administration mit einem quadrivalenten
Meningokokken-ACWY-Glykokonjugatimpfstoff bei gesunden Erwachsenen
2.4.3. Immunogenität und Sicherheitsprofil bei simultaner Gabe eines kombinierten 28
Hepatitis A/B-Impfstoffes und eines quadrivalenten Meningokokken-
Konjugatimpfstoffes bei gesunden Erwachsenen
2.5. Entwicklung neuer Impfstoffe 30
2.5.1. Sicherheit und Immunogenität eines mRNA Tollwut-Impfstoffes bei gesunden 31
Erwachsenen: eine unverblindete, prospektive, Phase 1 Erstanwendungsstudie
bei Menschen
3. Schlussbetrachtung und Ausblick 33
4. Literatur 36
5. Verzeichnis der wissenschaftlichen Veröffentlichungen 39
5.1. Originalarbeiten als Erst- oder Letztautor 39
5.2. Originalarbeiten als Koautor 40
5.3. Kasuistiken/Case Reports 41
5.4. Übersichtsartikel/Reviews 42
5.5. Buchkapitel/Book Chapters 43
5.6. Sonstige Veröffentlichungen 43
6. Journal Impact-Faktoren 44
7. Vorträge 45
8. Lebenslauf 50
9. Verzeichnis der Lehrveranstaltungen im Rahmen von MeCuM 52
10. Danksagung 57
11. Ausgewählte Arbeiten zur schriftlichen Habilitationsleistung 58
Habilitation Dr. Martin Anton Alberer 1
1. Einleitung
Internationale Reisetätigkeit und Migration haben in den letzten Jahrzehnten erheblich zugenommen,
und es ist mit einem weiteren Anstieg zu rechnen. Die Zahl weltweiter internationaler Ankünfte hat
sich seit dem Jahr 2000 verdoppelt. Sie überschritt 2012 zum ersten Mal den Wert von einer Milliarde
[11] und erreichte 2017 die Zahl von 1,326 Milliarden (Zuwachs gegenüber 2016 um 7%). Die Gründe
für Reisen und Migration sind vielfältig. Neben einer Zunahme touristischer Reisen ausgehend vor
allem von Ländern mit hohem bzw. steigendem sozioökonomischen Standard haben beruflich
bedingte Reisetätigkeit und Arbeitsmigration erheblich zugenommen. In Zeiten fortschreitender
Globalisierung wird von vielen Arbeitgebern eine zunehmende Mobilität der Arbeitnehmer erwartet.
So ist für viele Mitarbeiter von internationalen Konzernen ein Auslandsaufenthalt ein wichtiger
Karriereschritt und zudem oft mit finanziellen Vorteilen verbunden. Andererseits führen
sozioökonomische und politische Unsicherheiten zu einer vorübergehenden oder dauerhaften
Migration aus armen Ländern in die Industrie- und Schwellenländer.
An dieser internationalen Reisetätigkeit und Migration nehmen auch Kinder und Jugendliche in
wesentlichem Umfang teil. So werden diese zunehmend auf touristische Fernreisen zu exotischen
Zielen mitgenommen. Beispielsweise nutzen Familien in Deutschland die Möglichkeit der Elternzeit,
um mit ihren teilweise noch sehr jungen Kindern im Alter von unter einem Jahr internationale Reisen
zu unternehmen und mehrmonatige Aufenthalte auch in tropische und subtropische Reiseregionen zu
planen. Auch längerfristige berufliche Auslandsaufenthalte finden meist in Begleitung der Familie und
der Kinder statt. Bei der Zuwanderung von Arbeitskräften nach Deutschland werden ebenfalls sehr
häufig Familie und Kinder mitgebracht oder diese ziehen bei längerfristigen Aufenthalten oder
dauerhafter Immigration im Rahmen der Familienzusammenführung nach. Schließlich stammt ein in
den letzten Jahren angestiegener Anteil der in Deutschland lebenden Mitbürger mit Migrations-
hintergrund aus tropischen und subtropischen Ländern, die oft regelmäßig mit der Familie
einschließlich der Kinder besucht werden (engl.: VFR, Visiting Friends or Relatives).
Insgesamt betrifft die internationale Reisetätigkeit und Migration zunehmend auch Reisen,
Aufenthalte und Migration in bzw. aus Entwicklungsländern und tropischen Regionen, in denen das
Risiko für Gesundheitsprobleme meist deutlich höher ist als in Deutschland und Europa und
Erkrankungen auftreten bzw. erworben werden können, die in Deutschland nicht oder nur noch sehr
selten auftreten und mit denen die Ärzte hier nicht vertraut sind. Dies kann zu erheblichen Problemen
bei der Diagnostik führen und einen verzögerten Therapiebeginn nach sich ziehen. Im Falle einer
Erkrankung wie der Malaria tropica kann eine solche Verzögerung zum Tod des Patienten führen.
Daher ist es für den Arzt, der erkrankte Reisende behandelt oder diese auf einen Auslandsaufenthalt
vorbereitet von wesentlicher Bedeutung, hinreichend und aktuell über die Epidemiologie von
tropenspezifischen und tropentypischen Erkrankungen informiert zu sein und ausreichende Daten zur
Verfügung zu haben, da dies für Reisende und Migranten von besonderer Bedeutung ist.
Habilitation Dr. Martin Anton Alberer 2
1.1. Spektrum und Risikoprofil von Erkrankungen bei Reisenden und Migranten
Die weltweite Vernetzung infektiologischer, reise- und tropenmedizinischer Einrichtungen in
verschiedenen Ländern ermöglicht es heute, Risiken für das Auftreten von reise- und
migrationsmedizinisch wichtigen Erkrankungen nach Reiseziel, Reiseart und Altersgruppe der
Reisenden besser zu erfassen und zu beurteilen.
Das GeoSentinel-Netzwerk ist die größte Sammlung und Auswertung von Daten zu Erkrankungen bei
Reisenden weltweit. Es wurde 1995 von mehreren Einrichtungen (darunter die Abteilung für
Infektions- und Tropenmedizin des Klinikums der Universität München) in Zusammenarbeit mit der
International Society of Travel Medicine (ISTM) und den Centers of Disease Control & Prevention
(CDC) der USA gegründet und umfasst aktuell 69 teilnehmende Institutionen, die verteilt auf allen
Kontinenten Reisende und Migranten behandeln. Hierdurch konnten in einer internationalen
Datenbank umfangreiche Informationen zu Erkrankungen gesammelt werden, die bei der
internationalen Reisetätigkeit und Migration auftreten. Diese Daten ermöglichen es einerseits, durch
eine genauere Kenntnis der Epidemiologie im Erkrankungsfall schneller die Diagnose stellen zu
können sowie andererseits, Reisende besser vorzubereiten und reise-assoziierte Gesundheitsrisiken zu
vermeiden. Publikationen zu den genannten Fragestellungen geben Antworten, gestützt auf eine breite
und fundierte Datenbasis. In einer Untersuchung an 17.000 erkrankten Reiserückkehrern konnten
Freedman et al. die aufgetretenen Erkrankungen in Erkrankungsgruppen zusammenfassen. Dabei
fanden sich als wesentliche Erkrankungsgruppen, die bei Reisen erworben wurden, systemische
fieberhafte Erkrankungen, akute bzw. chronische Durchfallerkrankungen und Hauterkrankungen,
wobei die Art der Erkrankungen und die Inzidenz nach Reiseregion und Reiseart variierten [17]. Diese
Erkrankungsgruppen waren auch in einer Studie an 42.173 erkrankten Reisenden die am häufigsten
vorkommenden, wobei insbesondere bei den systemischen fieberhaften Erkrankungen auch potentiell
lebensbedrohliche Erkrankungen wie eine Malaria tropica oder auch Fälle von Schlafkrankheit
beobachtet wurden [27]. Auch bei reisenden Kindern und Jugendlichen zeigte sich ein ähnliches
Erkrankungsspektrum. In einer GeoSentinel-Auswertung der Reise- und Erkrankungsdaten von 1.591
Kindern und Jugendlichen ergaben sich als wesentliche Erkrankungsgruppen Durchfallerkrankungen
(28%), Hauterkrankungen (25%), fieberhafte Systemerkrankungen (23%) und Erkrankungen der
Atemwege (11%) [19]. Dabei erkranken je nach Reiseziel, -art und -dauer sowie des Vorhandenseins
einer vorhergegangen Reiseberatung nach einer neueren Übersichtsarbeit 43-79% der Reisenden in
Entwicklungsländer während der Reise. Dies zeigt nochmals die Relevanz einer fundierten
Reisevorbereitung und -beratung und die Notwendigkeit, diese auf aktuelle Daten zu stützen [10].
Habilitation Dr. Martin Anton Alberer 3
1.2. Spektrum und Risikoprofil von Erkrankungen bei Flüchtlingen und Asylbewerbern
Seit 2014 ist die Zahl der Flüchtlinge und Asylsuchenden (FAs) in Deutschland stark angestiegen.
Dies hat auch das Medizinsystem in Deutschland vor eine besondere Herausforderung gestellt. Vor
allem zu Beginn des verstärkten Zustroms bestanden bei den behandelnden Kolleginnen und Kollegen
Unsicherheiten bezüglich des zu erwartenden Spektrums an Erkrankungen. In Studien zu
Erkrankungen bei Flüchtlingen und Asylbewerbern zeigte sich jedoch, dass bei dieser besonderen
Patientengruppe im Rahmen der üblichen medizinischen Basisversorgung v.a. Erkrankungen
auftraten, die dem üblichen allgemeinmedizinischen Spektrum entsprachen. Dabei wurden gehäuft
Infektionen der Atemwege, gastrointestinale Infektionen und Hauterkrankungen diagnostiziert
[32,33,38]. Des Weiteren traten Erkrankungen auf, die v.a. den Verhältnissen der Flucht geschuldet
waren. Dazu zählten v.a. auch Erkrankungen an Skabies oder Pedikulose. Von relevanter Bedeutung
sind auch psychiatrische Erkrankungen wie z.B. posttraumatische Belastungsstörungen hervorgerufen
durch die Erlebnisse im Herkunftsland oder während der Flucht. Auch bei jungen Flüchtlingen und
Asylbewerbern ist in einem Anteil von bis zu 40% mit einer relevanten psychiatrischen Erkrankung zu
rechnen [16]. Im Rahmen der Erstuntersuchung zur Aufnahme in Gemeinschaftsunterkünften können
diese psychiatrischen Erkrankungen meist nicht ausreichend abgeklärt und diagnostiziert werden.
Zudem besteht oft nicht die Möglichkeit einer suffizienten Therapie für die neu angekommenen
Flüchtlinge. Von infektiologischer Seite sind v.a. Erkrankungen wie Tuberkulose, HIV sowie
Hepatitis B und C von Bedeutung [33]. Diese Erkrankungen wurden in Deutschland im Rahmen der
verpflichtenden Erstuntersuchung vor Aufnahme in eine Gemeinschaftsunterkunft, je nach
Bundesland unterschiedlich, erfasst [1]. In den Daten, die in Bayern vom Landesamt für Gesundheit
und Lebensmittelsicherheit im Rahmen dieser Erstuntersuchung erhoben wurden, zeigten sich niedrige
Prävalenzen für HIV (0,3%) und Hepatitis B (3,3%) in dieser Population. Die Detektionsrate
bezüglich einer aktiven Tuberkulose lag zwischen 0,22% bis 0,38%. Dabei entsprachen die
Prävalenzen für HIV und Hepatitis B im Wesentlichen den zu erwartenden Werten der jeweiligen
Heimatländer. Von besonderem Interesse ist die steigende Anzahl von Tuberkulosefällen bei FAs.
Insgesamt ist Deutschland zwar ein Niedrigprävalenzland für Tuberkulose, durch die zunehmende
Anzahl von FAs kam es aber seit 2013 zu einem Anstieg der Inzidenz auf maximal 7,2/100.000
(5,2/100.000 in 2012). Für das Jahr 2017 zeigt sich erneut ein abfallender Trend auf eine Inzidenz von
6,7/100.000. Wie auch in anderen europäischen Ländern hat ein wesentlicher Anteil der
Tuberkuloseerkrankten in Deutschland einen Migrationshintergrund. Im Jahr 2017 betrug dieser
Anteil 72,6% [36]. In dieser Bevölkerungsgruppe bedarf es also einer besonderen Aufmerksamkeit
bezüglich des Auftretens von Tuberkulose, um so eine frühzeitige Detektion und Behandlung der
Erkrankten zu ermöglichen und eine weitere Ausbreitung zu verhindern. Bislang gibt es allerdings
keine Hinweise darauf, dass die steigende Zahl von Tuberkulosefällen bei FAs zu einer Zunahme der
Tuberkulosefälle in den aufnehmenden Bevölkerungen führt [14]. Eine wichtige tropenspezifische
Habilitation Dr. Martin Anton Alberer 4
Erkrankung, die durch den vermehrten Zustrom von FAs in den Jahren 2014 bis 2016 steigende
Fallzahlen in Deutschland aufwies, ist die Malaria. Hierbei kam es in den Jahren 2014 bis 2016 zu
einem Anstieg auf bis zu 1.061 Fälle pro Jahr [37]. Relevant für diesen Anstieg waren in den Jahren
2014 und 2015 vermehrte Fälle von Malaria tertiana v.a. bei FAs aus Eritrea und anderen Gebieten
vom Horn von Afrika [46]. Eine in Deutschland seltene, aber lebensbedrohliche Erkrankung, die im
Rahmen des vermehrten Zustroms von FAs in den Jahren 2015 und 2016 in Deutschland auftrat, ist
zudem das Läuserückfallfieber. Insgesamt wurden 50 Fälle bei FAs in Deutschland berichtet [37].
Dabei stammte der Großteil der Erkrankten aus Somalia, die Patienten hatten sich aller
Wahrscheinlichkeit nach aber während der Flucht in Massenlagern in Libyen infiziert.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass bei FAs neben üblichen, allgemeinmedizinisch relevanten
Erkrankungen und klassischen tropentypischen und tropenspezifischen Infektionserkrankungen auch
in Deutschland seltene Infektionserkrankungen auftreten können, die bei fehlender oder verzögerter
Diagnosestellung zu lebensbedrohlichen Verläufen führen können.
Habilitation Dr. Martin Anton Alberer 5
1.3. Diagnostik von Erkrankungen nach Fernreisen
Da als Ziele von Fernreisen häufig auch tropische und subtropische Regionen gewählt werden, ist es
für den reisemedizinisch/tropenmedizinisch tätigen Arzt wichtig, eine umfassende Laborkapazität zur
Verfügung zu haben, um nicht nur tropentypische (vermehrtes Vorkommen in den Tropen, z.B. HIV),
sondern auch tropenspezifische Erkrankungen (ausschließliches Vorkommen in den Tropen, z.B.
Malaria oder Schistosomiasis) abklären zu können. Daher sollte z.B. die Möglichkeit eines raschen
Malaria-Ausschlusses mit Ausstrich und „Dickem Tropfen“ ggf. mit Malaria-Schnelltest gegeben sein.
Ein häufiges Problem sind Durchfallerkrankungen während und nach Fernreise (traveler’s diarrhea,
TD), die auch teilweise über mehrere Wochen persistieren können. Dabei erkranken je nach
Destination 20-60% aller Reisenden, die aus Industrienationen stammen und in Länder mit
schlechteren hygienischen Standards reisen. Obwohl Episoden von TD meistens innerhalb von 3-5
Tagen sistieren, kann das Auftreten von TD eine Änderung der Reisepläne oder eine frühzeitige
Beendigung der Reise notwendig machen. Falls Geschäftsreisen abgesagt oder unterbrochen werden
müssen, können dabei auch ökonomische Schäden entstehen [41,42]. Wenn es zu einem ausgeprägten
Flüssigkeits- und Elektrolytverlust kommt oder die Erkrankung durch enteroinvasive Erreger
hervorgerufen wird, kann ein schwerer und teilweise lebensbedrohlicher Verlauf resultieren,
insbesondere bei Risikogruppen wie kleinen Kindern, alten oder immunsupprimierten Reisenden. Im
Anschluss an eine Episode von TD können als Folgeerkrankungen ein Reizdarmsyndrom oder
autoinflammatorische Erkrankungen wie das Reiter-Syndrom oder das Guillain-Barré-Syndrom
auftreten [31,43]. Eine Vielzahl von Pathogenen ist an der Entstehung von TD beteiligt, einschließlich
Bakterien, Viren, aber auch Einzeller. Obwohl sich die Ergebnisse der unterschiedlichen Studien zur
Ätiologie von TD je nach Reiseland, Reiseart, untersuchter Population und angewandter
Untersuchungsmethodik unterscheiden, gibt es eine Reihe von Pathogenen, die eine besondere Rolle
in der Genese von TD spielen. Zu diesen Erregern zählen z.B. enterotoxische Escherichia coli (ETEC,
produzieren hitzelabiles (LT) und hitzestabiles (ST) Enterotoxin), enteroaggregative Escherichia coli
(EAEC) oder Campylobacter spp.. In einigen Studien zeigte sich auch eine besondere Bedeutung von
Noroviren bei der Entstehung von TD [23]. Die Problematik bei Studien zur Ätiologie der TD und zur
Wirksamkeit präventiver Maßnahmen liegt in der Schwierigkeit, frische Stuhlproben während der
akuten Phase möglichst schnell in ein adäquat ausgestattetes mikrobiologisches Labor zu bringen.
Daher stammen die meisten Daten nur aus bestimmten Regionen der Welt oder nur von Proben nach
Reiserückkehr. Für viele Reisende sind die herkömmlichen Stuhlbehälter zur Probenentnahme in der
Handhabung unpraktisch, was zu einer unzureichenden Compliance bei Studien oder zu einer
inadäquaten Lagerung der Proben führen kann. Zudem entstehen im Rahmen von Studien zur
Erforschung der Ätiologie von TD hohe Kosten für den zügigen Transport der Proben, für die
Gewährleistung einer adäquaten Lagerung oder für die Verarbeitung im Labor am Reiseort. Die
Arbeitsgruppe von Grimes et al. evaluierte eine neuartige Methode der Gewinnung von Stuhlproben
Habilitation Dr. Martin Anton Alberer 6
während einer akuten TD-Episode, indem konventionelle Testkarten für okkultes Blut zur
Probengewinnung verwendet wurden [18]. Dabei wurde DNA aus Stuhlproben von Haemoccult-
Karten, aus gefrorenen Stuhlproben und aus Stuhlkulturen extrahiert. Anschließend wurden die Proben
mit einer Polymerase-Kettenreaktion (PCR) auf ETEC LT/ST (heat-labile toxin Gen, elt; heat-stable
toxin Gen, est) und EAEC (aatA und aggR Gene) getestet. Die Stuhlkarten-PCR war den anderen
beiden Methoden bezüglich der Detektion von ETEC und EAEC überlegen. Zudem war die DNA auf
den Haemoccult-Karten über einen Zeitraum von bis zu 14 Monaten bei Raumtemperatur stabil. Daher
sind Haemoccult-Karten eine praktische und einfach durchzuführende Methode zur Gewinnung von
Stuhlproben während einer akuten TD-Phase. Der Reisende kann eine Probe auf die Haemoccult-
Karte auftragen und diese ohne größeren Aufwand in ein Labor im Heimatland bringen. Dort kann
eine umfangreiche Testung mittels PCR durchgeführt werden.
Kommerziell erhältliche Multiplex-PCRs, wie z.B. das Gastrointestinal Pathogen Panel® (GPP) der
Firma Luminex®, erlauben die gleichzeitige Detektion von bis zu 15 verschiedenen Stuhlpathogenen,
die eine Rolle in der Genese von TD spielen. Die Kombination einer einfachen Stuhlprobengewinnung
mittels Haemoccult-Karten während der Reise mit anschließender Durchführung einer Multiplex-PCR
kann wesentliche Aufschlüsse über die Genese von TD liefern. Zudem könnte diese Methode ein
wichtiges Tool in der Evaluation von Impfungen oder antibiotischer Prophylaxe von TD darstellen.
Eine Erhöhung der Leberwerte ist in der Behandlung von erkrankten Reiserückkehrern immer wieder
eine besondere differentialdiagnostische Herausforderung. Neben einer großen Anzahl an meist
unproblematisch verlaufenden Erkrankungen, die z.B. im Rahmen einer Begleithepatitis zu einer
solchen Leberwerterhöhung führen können, möglichen Medikamentennebenwirkungen, aber auch
anderen toxischen Einwirkungen, können schwerwiegende Infektionserkrankungen zu einer
Leberwerterhöhung führen. Dabei sind neben den klassischen Hepatitiden auch andere
möglicherweise schwer verlaufende Erkrankungen wie z.B. die Leptospirose oder virale
hämorrhagische Fieber zu nennen. Daher ist es für den Arzt, der erkrankte Reisende betreut, von
besonderer Wichtigkeit, gute Kenntnisse bzgl. der Differentialdiagnose solcher Erkrankungen zu
besitzen. Bislang gibt es allerdings keine umfassenden Studien, die die Relevanz der Bestimmung der
Transaminasen bezüglich der Differentialdiagnose bei erkrankten Reisenden systematisch untersucht
haben.
Habilitation Dr. Martin Anton Alberer 7
1.4. Prävention von Infektionserkrankungen während Fernreisen
Impfungen sind ein wesentliches Mittel zu Prävention von Infektionserkrankungen bei Fernreisen.
Aufbauend auf den Standardimpfungen, die von der Ständigen Impfkommission (STIKO) auch für
Deutschland empfohlen werden, gibt es eine Reihe von Impfungen, die speziell für Fernreisen, je nach
Reiseregion und ggf. Reiseart, von Interesse sind.
Eine zwar sehr seltene, aber schwerwiegende und lebensbedrohliche Erkrankung stellen invasive
Infektionen durch Meningokokken dar. Dabei wird die Erkrankung durch Tröpfcheninfektion v.a. bei
engem Menschenkontakt übertragen. Nach Besiedelung der Schleimhäute im Nasen-Rachenraum kann
es zu invasiven Infektionen wie der Meningokokkenmeningitis oder Meningokokkensepsis kommen,
die v.a. im Kindes- und Jugendalter als rasch lebensbedrohliche Infektionen verlaufen können. Die
Zulassung von tetravalenten Konjugatimpfstoffen gegen Meningokokken war ein wichtiger Schritt,
Reisende in die Regionen des subsaharischen „Meningitisgürtels“ und in andere hyperendemische
oder Ausbruchs-Regionen sicher und effektiv vor schwerwiegenden Meningokokken-Infektionen zu
schützen. Die modernen Meningokokken-Konjugatimpfstoffe ermöglichen dabei nicht nur eine
effektive Prävention solcher Erkrankungen bei den Geimpften, vielmehr können diese durch
Verhinderung der Besiedelung auch eine Herdenimmunität aufbauen. Insbesondere bei zu
erwartendem engen Menschenkontakt in den Risikoregionen (Meningitisgürtel) oder bei sozialen oder
medizinischen Projekten ist diese Impfung für den Reisenden von Bedeutung. Die Impfung gewährt
dabei einen zuverlässigen Schutz von mindestens drei bis fünf Jahren [6].
Impfungen gegen Hepatitis A und B gehören zu den "Klassikern" der Reisemedizin. Insbesondere die
Hepatitis A-Erkrankung spielt in der Reisemedizin eine wichtige Rolle, da diese bei nicht-immunen
Reisenden im schwerwiegendsten Fall zu einem akuten Leberversagen führen kann. Die Übertragung
erfolgt v.a. durch kontaminierte Speisen und Getränke. Fälle von Hepatitis A werden dabei immer
wieder bei Reiserückkehrern diagnostiziert. Zu den Risikofaktoren für eine Übertragung von Hepatitis
B zählen Blut- und Sexualkontakt sowie die Übertragung von Blutprodukten. Reisende sind dabei
insbesondere bei ungeschütztem Sexualverkehr oder durch Kontakt mit dem Medizinsystem im
Reiseland gefährdet, wenn dort keine ausreichenden hygienischen Standards bestehen. Da die
Infektion chronisch verlaufen und zu gravierenden Spätfolgen wie Leberzirrhose und auch zum
hepatozellulären Karzinom führen kann, sollten insbesondere junge Reisende oder Reisende unter
einfachen Bedingungen gut geschützt sein.
Die Gelbfiebererkrankung ist eine Virusinfektion, die v.a. durch Aedes-Mücken in Teilen
Südamerikas und v.a. im subsaharischen Afrika übertragen wird. Bei manifest erkrankten Personen
zeigt die Infektion eine hohe Letalität von bis zu 20 - 50%. Eine kausale Therapie steht nicht zur
Verfügung. Reisende in Risikogebiete sollten daher bei fehlenden Kontraindikationen durch eine
einmalige Impfung mit einer attenuierten Lebendvakzine geschützt werden. In vielen Risikoländern
wird zudem bei Einreise ein gültiges Gelbfieberimpfzertifikat gefordert [13].
Habilitation Dr. Martin Anton Alberer 8
Bei der Typhus-Erkrankung handelt es sich um eine Infektion mit Salmonellen der Gattung
Salmonella enterica Serovar Typhi. Diese Infektion kann zu einer schweren Systeminfektion mit
ausgeprägter Darmentzündung führen. Die Erkrankung wird v.a. durch kontaminierte Speisen und
Getränke übertragen und spielt v.a. bei Reisen unter schlechten hygienischen Bedingungen eine Rolle.
Risikogebiete sind dabei v.a. Länder in Süd- bzw. Südostasien, insbesondere Indien und Pakistan, aber
auch Mexiko [37]. Die Impfung schützt dabei nur unzuverlässig mit einer Schutzrate von ca. 60-70%
bei Reisenden.
Für Südostasienreisende stellt die Japanische Enzephalitis ein zwar seltenes, aber ggf.
lebensbedrohliches Risiko dar. Diese Virusinfektion wird durch Mücken v.a. der Gattung Culex
tritaeniorhynchus übertragen und führt zumeist zu einer grippeartigen Erkrankung. In seltenen Fällen
kann es aber auch bei Reisenden zum Auftreten schwerer neurologischer Ausfallserscheinungen oder
zu einer Enzephalitis mit Todesfolge kommen. Insbesondere Langzeitreisende oder Reisende in
ländliche Regionen sind vermehrt gefährdet. Weitere Risikofaktoren für eine schwere Erkrankung sind
u.a. ein Alter > 50 Jahre oder < 10 Jahre, das Bestehen von Grunderkrankungen wie chronische
Nierenerkrankungen oder Diabetes mellitus, eine Immunsuppression oder das Vorhandensein von
Cochlea-Implantaten oder ventrikuloperitonealen Shunts [15]. Ein Totimpfstoff aus Viren, die auf
Basis von Mäusegehirnen angezüchtet wurden, stand viele Jahre zur Verfügung. Allerdings bestand
bei diesem Impfstoff das Risiko von teilweise schwerwiegenden Nebenwirkungen. Seit 2009 ist ein
Totimpfstoff auf Zellkulturbasis in Deutschland zugelassen, der ein deutlich günstigeres
Nebenwirkungsprofil bei vergleichbarer Immunogenität zeigt.
Tollwuterkrankungen sind in der Reisemedizin zwar erfreulicherweise eine absolute Seltenheit,
Risikoexpositionen nach Tierkontakt gehören allerdings zu den immer wiederkehrenden
Vorstellungsgründen in der Behandlung von Reiserückkehrern. Dabei besteht vor Reiseantritt die
Möglichkeit, den Reisenden durch eine präexpositionelle Impfung vor dem Risiko dieser zumeist
tödlich verlaufenden Erkrankung zu schützen. Im Falle einer möglichen Exposition müssen dann nur
noch eine ausreichende Wundversorgung und zwei postexpositionelle Impfungen durchgeführt
werden. Neben dem Vorteil eines zumeist guten Vorschutzes bei Geimpften, ist diese aktive
postexpositionelle Impfung häufig auch im Reiseland möglich. Die Notwendigkeit einer
Tollwutimmunglobulin-Gabe bei hochgradiger Exposition und fehlender Vorimpfung führt im
Risikofall häufig zu vor Ort unlösbaren logistischen Problemen und kann eine rasche Rückreise
notwendig machen.
Mit Ausnahme von Gelbfieber handelt es sich bei den oben genannten Reiseimpfungen um
Totimpfstoffe. Von diesen Impfungen wird angenommen, dass sie auch an einem Tag kombiniert
geimpft werden können, ohne die Immunogenität oder das Sicherheitsprofil zu verschlechtern.
Kontrollierte Studien zu diesen kombinierten Impfungen liegen aber meist nicht vor. In der Praxis ist
es allerdings oft unumgänglich, mehrere Impfungen an einem Tag zu verabreichen, da der Impfplan
Habilitation Dr. Martin Anton Alberer 9
für den Reisenden sonst zu aufwändig wird. Zudem werden Reisen oft kurzfristig gebucht oder die
Reisenden stellen sich mit kurzer Vorlaufzeit zum Reiseantritt in der reisemedizinischen Beratung vor.
Aufgrund der Schwere aber auch der Relevanz der aufgeführten Erkrankungen ist es daher sowohl für
den Reisenden als auch für den behandelnden Arzt von besonderer Bedeutung, dass diese wichtigen
Impfungen sicher und effektiv auch in Kombination untereinander oder mit anderen Impfungen
angewendet werden können.
Habilitation Dr. Martin Anton Alberer 10
1.5. Entwicklung neuer Impfstoffe
Leider stehen für eine Vielzahl von reiserelevanten Erkrankungen bislang keine Impfstoffe zur
Verfügung. Neu auftretende (emerging) oder wieder bzw. erneut vermehrt auftretende (re-emerging)
Infektionserkrankungen spielen eine wichtige Rolle, wenn es um die Vermeidung einer weltweiten
Ausbreitung von Infektionserkrankungen geht. Dengue-Fieber, Chikungunya-Fieber, schweres Akutes
Respiratorisches Syndrom (SARS), Middle East Respiratory Syndrome (MERS-CoV) und nicht
zuletzt Infektionen durch das Zika-Virus sind gute Beispiele dafür, dass sich Erreger in der heutigen,
globalisierten Welt innerhalb kürzester Zeit in viele Bereiche der Welt ausbreiten und zu Ausbrüchen
führen können. Ein klassisches Beispiel ist die saisonale Influenza, die durch wesentliche
Veränderung der Antigenstruktur jederzeit wieder das Potential zur pandemischen Ausbreitung hat.
Daher ist es von besonderer Wichtigkeit, Verfahren der Impfstoffherstellung zur Verfügung zu haben,
die rasch und flexibel solche neuen oder neu auftretenden Bedrohungen durch einen wirksamen
Impfstoff verhindern können. Dies ist mit den bislang verwendeten Methoden der Impfstoffherstellung
ein noch unzureichend gelöstes Problem. Zudem kommt es auch bei schon lange auf dem Markt
befindlichen Impfstoffen aufgrund von aufwändigen Produktionsprozessen immer wieder zu Ausfällen
von Impfstoffchargen. Dies kann auch in Deutschland zu Impfstoffknappheit (z.B. bei Tollwut oder
bei Influenza) führen. Daher sind moderne und innovative Verfahren zur Impfstoffherstellung
notwendig. Die Möglichkeit, mittels speziell stabilisierter mRNA zu impfen, ist ein neues und
innovatives Verfahren, das die Herstellung eines neuen Impfstoffes auf mRNA-Basis auch innerhalb
kurzer Zeit ermöglicht. Dabei können mRNA-Moleküle als prophylaktischer Impfstoff verwendet
werden, die z.B. für virale oder bakterielle Antigene kodieren. Zudem wäre auch eine Anwendung als
therapeutischer Impfstoff bei Krebserkrankungen möglich, wenn die mRNA für Tumorantigene
kodiert. Impfungen auf der Basis von mRNA galten lange Zeit als nicht effektiv durchführbar, da
mRNA im Körper rasch abgebaut wird und sich somit keine ausreichende Immunantwort ausbilden
kann [28]. Durch verschiedene Modifikationen der mRNA kann allerdings die Stabilität und auch die
Verwendbarkeit als Impfstoff oder Therapeutikum durch Optimierung der Translation verbessert
werden. Maßnahmen zur Verbesserung der Stabilität und Translation umfassen dabei u.a.
Veränderungen und Optimierungen der mRNA-Sequenz [25], Veränderungen der Cap-Struktur [47],
Optimierung der Polyadenylierung [29] und Einfügen von bestimmten untranslatierten Bereichen
[12,30]. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die effektive Einbringung der mRNA in die Zellen.
Verschiedene Verfahren wurden dazu entwickelt und erprobt, einschließlich optimierter
Injektionsstrategien, Gabe mittels Gene Gun, Kondensation an Protamin, RNA-Adjuvantierung und
Einschluss der RNA in Nanopartikel bestehend aus Polymeren oder Liposomen [29]. Von der Firma
CureVac wurde ein spezielles Verfahren entwickelt, dass durch Kombination von Modifizierung der
mRNA-Sequenz und Komplexierung mit Protamin zu einer deutlich verbesserten Translation führt
(RNActive®) [24]. Therapeutische Impfstoffe auf dieser Basis konnten bereits sicher und auch
Habilitation Dr. Martin Anton Alberer 11
teilweise erfolgreich bei Patienten mit Nierenzellkarzinom, Prostatakarzinom und nicht-kleinzelligem
Lungenkarzinom angewendet werden [26,35,40]. Aufgrund der Flexibilität dieser Impfstoffplattform
bietet sich hierbei auch eine Anwendung für prophylaktische Impfungen an [34]. Im Tiermodell
konnte ein auf RNActive® basierender Impfstoff erfolgreich gegen letale Tollwut-Expositionen
schützen und war auch unter Temperaturbedingungen von -80°C bis 70°C über Monate stabil [39,44].
Ein solcher Impfstoff wäre somit zur prophylaktischen Impfung auch ohne Einhaltung der Kühlkette
unter tropischen Bedingungen z.B. bei Einsatz in Entwicklungsländern geeignet.
Habilitation Dr. Martin Anton Alberer 12
1.6. Ziele der Arbeiten
Aufgrund der zunehmenden Reisetätigkeit und der gestiegenen Migration nach Deutschland ist es
wichtig, einerseits die Reisenden effektiv vor Erkrankungen während der Reise zu schützen und
andererseits bei erkrankten Reisenden oder Migranten eine frühzeitige und exakte Diagnosestellung zu
ermöglichen, um schwerwiegende Verläufe von importierten Erkrankungen, aber auch die
Einschleppung und Ausbreitung von Infektionserkrankungen zu verhindern.
Ein Ziel der Arbeit war es, das Spektrum von Erkrankungen bei Reisenden, Migranten und
Flüchtlingen besser zu charakterisieren. Zudem sollten neue Verfahren zur Untersuchung der
Ätiologie von häufigen, bei Reisen erworbenen Erkrankungen wie z.B. TD erprobt werden sowie
neue Möglichkeiten zur Prävention von Infektionserkrankungen durch Impfungen (neue
Impfkonzepte, Überprüfung der Möglichkeit einer gleichzeitigen Anwendung von Impfstoffen in der
Reisemedizin) untersucht werden. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sollen zu einer
Verbesserung des Wissenstandes zur Epidemiologie, Diagnostik und Therapie in der Reise- und
Migrationsmedizin beitragen.
Habilitation Dr. Martin Anton Alberer 13
2. Ergebnisse eigener wissenschaftlicher Arbeiten
2.1. Untersuchungen zum Spektrum der Erkrankungen bei Reisenden und Migranten
Eine Analyse unserer Arbeitsgruppe ergab bei 774 Kindern und Jugendlichen, die sich im
Tropeninstitut München zur Behandlung nach Reise vorstellten, ein Erkrankungsmuster, das mit den
bisher publizierten Daten zu dieser Altersgruppe vereinbar war [19]. Auch hier waren vor allem
Durchfallerkrankungen, Hauterkrankungen, fieberhafte Systemerkrankungen und Erkrankungen der
Atemwege die wesentlichen Erkrankungsgruppen. Eine genauere Auswertung zeigte, dass die
Erkrankungsarten sowie deren Häufigkeiten sich abhängig vom Alter und der Reiseregion erheblich
unterschieden [21].
In einer weiteren Untersuchung analysierten wir die Erkrankungen von 16.817 Reisenden mit und
ohne Migrationshintergrund, die sich von 1999 bis 2014 in der Abteilung für Infektions- und
Tropenmedizin in München zur Behandlung vorgestellt hatten. Dabei zeigte sich eine Abhängigkeit
des Spektrums der importierten Erkrankungen vom Reiseziel, der Art der Reise, aber auch davon, ob
es sich beim Reisenden um einen Migranten handelte. Bei vor allem ursprünglich aus Afrika
stammenden Migranten fanden sich im Vergleich zu den übrigen Reisenden vermehrt bestimmte
Infektionserkrankungen wie z.B. Malaria, Tuberkulose, chronische Hepatitis B und C, HIV-Infektion,
Syphilis und andere sexuell übertragbare Erkrankungen, Infektionen mit Entamoeba histolytica sowie
Wurmerkrankungen [20].
Habilitation Dr. Martin Anton Alberer 14
2.1.1. Spektrum importierter Infektionserkrankungen bei Kindern und Adoleszenten nach
Rückkehr von Reisen in die Tropen und Subtropen
Herbinger KH, Drerup L, Alberer M, Nothdurft HD, von Sonnenburg F, Löscher T. Spectrum of
imported infectious diseases among children and adolescents returning from the tropics and
subtropics. J Travel Med, 19:150-7, 2012
Hintergrund:
Jedes Jahr reisen ungefähr 50 Millionen Menschen aus industrialisierten Ländern in die Tropen und
Subtropen. Darunter befinden sich mehr als 2 Millionen Minderjährige. Obwohl die Anzahl der
Reisenden, die zu dieser Gruppe zugehörig ist, weiter steigt, gibt es nur begrenzte Daten bezüglich der
Gesundheitsrisiken.
Methode:
In dieser Studie wurden die demographischen Daten, die Reisedaten und die klinischen Informationen
von 890 Reisenden im Alter von < 20 Jahre ausgewertet, die sich in der reisemedizinischen Ambulanz
der Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin des Klinikums der Universität München in den
Jahren von 1999 bis 2009 als Patienten nach einer Reise in die Tropen und Subtropen vorgestellt
hatten.
Ergebnisse:
Die meisten (87%) der jungen Reisenden waren in Deutschland geboren. Die Hauptreiseziele waren
Afrika (46%), gefolgt von Asien (35%) und Lateinamerika (19%). Die häufigsten
Erkrankungsgruppen waren akute Diarrhö (25%, v.a. in der Altersgruppe bis 4 Jahre),
Hauterkrankungen (21%, v.a. in der Altersgruppe bis 9 Jahre), fieberhafte/systemische Erkrankungen
(20%), Atemwegserkrankungen (8%), chronische Diarrhö (5%) und Erkrankungen des
Urogenitalsystems (3%). Die zehn am häufigsten diagnostizierten Infektionserkrankungen waren
Giardiasis (8%), Schistosomiasis (4%), superinfizierte Insektenstiche (4%), Campylobacter-Enteritis
(4%), Salmonellenentritis (4%), kutane Larva migrans (3%), Amöbiasis (3%), Dengue Fieber (2%),
infektiöse Mononukleose (2%) und Malaria (2%). Das relative Risiko (RR), eine
Infektionserkrankungen während der Reise zu erwerben, war am höchsten für Zentral-, West- und
Ostafrika gefolgt von Südamerika, Südasien und Südostasien.
Schlussfolgerung:
Das Alter und das Reiseziel waren die wichtigsten Risikofaktoren für das Auftreten von
Infektionserkrankungen bei Reisen in die Tropen und Subtropen. Das höchste Risiko hatten sehr junge
Reisende und solche mit Reiseziel subsaharisches Afrika (mit Ausnahme von Südafrika).
Habilitation Dr. Martin Anton Alberer 15
2.1.2. Spektrum importierter Infektionserkrankungen: eine vergleichende Studie der
Prävalenzen bei 16817 deutschen Reisenden und 977 Immigranten aus den Tropen und
Subtropen
Herbinger KH, Alberer M, Berens-Riha N, Schunk M, Bretzel G, von Sonnenburg F, Nothdurft HD,
Löscher T, Beissner M. Spectrum of Imported Infectious Diseases: A Comparative Prevalence Study
of 16,817 German Travelers and 977 Immigrants from the Tropics and Subtropics. Am J Trop Med
Hyg, 94:757-66, 2016
Hintergrund:
Neben der Anzahl der international Reisenden nimmt auch die Anzahl der Migranten weltweit zu.
Diese Entwicklung stellt auch eine besondere Herausforderung für den medizinischen Bereich dar, vor
allem im Bereich der Infektionserkrankungen. Dabei kann sich das Spektrum der
Infektionserkrankungen für Reisende und Migranten teilweise deutlich unterscheiden.
Methode:
Im Rahmen der Studie wurde der komplette Datensatz von 16.817 erkrankten deutschen Reisenden
(2.318 Geschäftsreisende, 4.029 all-inclusive Reisende und 10.470 Backpacker) ausgewertet, die sich
nach einer Reise nach Lateinamerika (3.225), Afrika (4.865) und Asien (8.727) in der Abteilung für
Infektions- und Tropenmedizin des Klinikums der Universität München vorgestellt hatten. Diese
Daten wurden mit denen von 977 erkrankten Immigranten verglichen (Ursprungsregionen:
Lateinamerika 112, Afrika 654 und Asien 211).
Ergebnisse:
Die am häufigsten auftretenden Beschwerden waren Durchfall (38%), Fieber (29%) und
Hauterkrankungen (22%). Die am häufigsten diagnostizierten Infektionserkrankungen waren
intestinale Infektionen mit Blastozysten (900 Fälle), Giardia lamblia (730), Campylobacter spp. (556),
Shigella spp. (209) und Salmonella spp. (183). Zudem traten häufig Fälle von kutaner Larva migrans
(379), Dengue-Fieber (257) und Malaria (160) auf. Reisende mit einer größeren Anzahl an
Infektionserkrankungen waren dabei mit signifikant höherem Anteil Backpacker (18) und
Immigranten (17), vor allem solche mit Reiseregionen Afrika (18) und Asien (17). Diese Anzahl war
für Geschäftsreisende (5), all-inclusive Reisende (1) und Reisende aus Lateinamerika (5) niedriger.
Schlussfolgerung:
Diese Studie gibt eine Übersicht über das breite Spektrum von importierten Infektionserkrankungen
bei deutschen Reisenden und bei Immigranten, welches sich nicht nur bezüglich des Reiseziels und
des Ursprungslandes der Immigranten, sondern auch bezüglich der Reiseart unterscheidet.
Habilitation Dr. Martin Anton Alberer 16
2.2. Untersuchungen zum Spektrum der Erkrankungen bei Flüchtlingen und Asylbewerbern
Im Rahmen einer Querschnittsstudie an erkrankten FAs, die an drei unterschiedlichen Institutionen in
München (Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin, AITM; allgemeinärztliche Praxis
REFUDOCs; infektiologische Station Klinikum Schwabing, KMS) 2014 und 2015 behandelt wurden,
war es möglich, einen ersten Überblick über das Erkrankungsspektrum bei Flüchtlingen und
Asylbewerbern im Raum München zu gewinnen [9]. Dabei zeigten sich in der
allgemeinmedizinischen Ambulanz von REFUDOCs, einem Verein zur medizinischen Versorgung
von FAs und deren Familien, welche sich in der Bayernkaserne - der größten Erstaufnahmeeinrichtung
in München - befand, vor allem ubiquitäre allgemeinmedizinische und pädiatrische Erkrankungen. In
den spezialisierten Zentren fanden sich entsprechend dem Spektrum der Zentren vermehrt
infektiologische Erkrankungen, vor allem Erkrankungen an pulmonaler und extrapulmonaler
Tuberkulose, aber auch tropenspezifische Erkrankungen wie Malaria, Schistosomiasis und andere
Parasitosen. Neben einem Großteil von Fällen aus dem üblichen allgemeinmedizinischen und
pädiatrischen Spektrum, die den niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen gut vertraut sind, müssen
also auch spezifische infektiologisch und tropenmedizinisch relevante Erkrankungen bei der
Behandlung von FAs bedacht werden, um schwerwiegende Verläufe, wie z.B. bei einer Malaria, oder
eine Ausbreitung in der Bevölkerung, wie z.B. bei Tuberkulosefällen, zu verhindern. Einzelfälle von
besonders schwerwiegenden fieberhaften Erkrankungen wie Läuserückfallfieber durch Borrellia
recurrentis bei FAs bedürfen zudem besonderer Aufmerksamkeit [45].
In einer weiteren Arbeit zum Spektrum von Erkrankungen von FAs wurden meldepflichtige und
sonstige relevante Infektionserkrankungen bei 15.137 FAs aus der Bayernkaserne in München
retrospektiv erfasst und ausgewertet. Dabei fand sich vor allem eine hohe Anzahl an
Tuberkulosefällen. Zudem wurden vermehrt Infektionen durch Hepatitis B, impfpräventable
Erkrankungen und Parasitosen bei FAs gefunden. Alter, Geschlecht und Nationalität konnten in einer
multivariaten Regressionsanalyse als Risikofaktoren für diese Erkrankungen ausgemacht werden. Von
besonderem Interesse ist, dass die kalkulierte Inzidenz für Tuberkulose in dieser Population von FAs
deutlich höher als die Inzidenz in den jeweiligen Herkunftsländern war. Die schlechten Bedingungen
während der Flucht scheinen hierbei ein wichtiger Risikofaktor für eine Reaktivierung einer
Tuberkulose zu sein. Frühzeitige Detektion und Therapie von Tuberkulosefällen sind daher in dieser
Patientenpopulation von besonderer Relevanz [7].
Habilitation Dr. Martin Anton Alberer 17
2.2.1. Übersicht über das Erkrankungsspektrum bei Flüchtlingen und Asylbewerbern im Raum
München - Daten aus drei Einrichtungen der Patientenversorgung
Alberer M, Wendeborn M, Löscher T, Seilmaier M. Spectrum of diseases occurring in refugees and
asylum seekers: data from three different medical institutions in the Munich area from 2014 and 2015.
Dtsch Med Wochenschr, 141:8-15, 2016
Hintergrund:
Die Anzahl der Flüchtlinge und Asylbewerber, die in Deutschland eintreffen, ist seit 2014 stark
angestiegen. Daher ist auch die adäquate medizinische Versorgung dieser Personengruppe zu einem
wichtigen Thema geworden. Daten zum Erkrankungsspektrum bei Flüchtlingen und Asylbewerbern
stehen allerdings für Deutschland bislang kaum zur Verfügung.
Methode:
Retrospektiv wurden anonymisierte Daten von insgesamt 548 erkrankten Flüchtlingen und
Asylbewerbern ausgewertet. Dabei wurden die Patientenfälle aus drei unterschiedlichen Einrichtungen
und Erhebungszeiträumen zusammengefasst:
– 329 Patienten aus der allgemeinmedizinischen Ambulanz von REFUDOCS (RD, Januar bis
März 2015)
– 175 stationäre Patienten der 1. Medizinischen Klinik des Städtischen Klinikums Schwabing
(KS, Juni 2014 bis Februar 2015)
– 44 ambulante Patienten der Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin des Klinikums der
Universität München (AITM, 2014)
Ergebnisse:
Die in der allgemeinmedizinischen Ambulanz von RD behandelten Gesundheitsprobleme entsprachen
ganz überwiegend dem ubiquitären allgemeinmedizinischen Erkrankungsspektrum. Im Vordergrund
standen Atemwegsinfektionen meist aufgrund unspezifischer viraler Infektionen (152 Vorstellungen),
gefolgt von neuropsychiatrischen (68) und gastrointestinalen Krankheitsbildern (56) sowie von
Erkrankungen des Bewegungsapparates (52) und Hauterkrankungen (45). Infektions- und
Tropenkrankheiten fanden sich entsprechend der jeweiligen Ausrichtung vor allem in den
spezialisierten Zentren (KS, AITM). Bei den Diagnosen standen vor allem pulmonale und
extrapulmonale Tuberkulose (53 Fälle) sowie Malaria (53), Skabies, Pneumonien und Schistosomiasis
im Vordergrund.
Habilitation Dr. Martin Anton Alberer 18
Schlussfolgerung:
Die meisten Erkrankungen, die in dieser exemplarischen Untersuchung bei Flüchtlingen und
Asylbewerbern auftraten, sind den behandelnden Allgemeinärzten, Internisten und Pädiatern gut
vertraut. Je nach Herkunftsland sind allerdings infektiologisch und tropenmedizinisch relevante
Erkrankungen wie Tuberkulose, Malaria oder auch Läuserückfallfieber zu bedenken. In solchen Fällen
ist eine rasche Abklärung und Behandlung besonders bedeutsam, um schwere Verläufe zu vermeiden
sowie ggf. eine weitere Verbreitung zu unterbinden.
Habilitation Dr. Martin Anton Alberer 19
2.2.2. Übersicht bezüglich meldepflichtiger und sonstiger Infektionserkrankungen, die im
Rahmen der Unterbringung von FAs in einer Gemeinschaftsunterkunft relevant sind
Alberer M, Malinowski S, Sanftenberg L, Schelling J. Notifiable infectious diseases in refugees and
asylum seekers: experience from a major reception center in Munich, Germany. Infection, 46:375-83,
2018
Hintergrund:
Im Jahr 2016 waren weltweit 65,6 Millionen Menschen auf der Flucht. Bezüglich des
Gesundheitszustandes von FAs gibt es bislang nur unzureichende Informationen. Meldepflichtige
Infektionserkrankungen sind unter Umständen mit einem Risiko für Ausbrüche in
Gemeinschaftseinrichtungen für FAs assoziiert.
Methodik:
Im Rahmen einer retrospektiven Querschnittsstudie wurden die anonymisierten Gesundheitsdaten von
15.137 RAs ausgewertet, die von November 2014 bis Oktober 2016 in einer großen
Erstaufnahmeeinrichtung in München in einer speziellen Ambulanz für FAs behandelt wurden.
Insgesamt wurden in diesem Zeitraum bei 811 FAs eine nach §6 oder §7 des Infektionsschutzgesetzes
meldepflichtige (NIDs) oder eine sonstige Infektionserkrankung diagnostiziert, die im Rahmen der
Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft relevant sein könnten (RIDs, z.B. Skabies,
Pedikulose).
Ergebnisse:
Die Alters- und Geschlechtsverteilung der Patienten entsprach im Wesentlichen den bekannten Daten
für FAs in Deutschland. Patienten, die aus Ostafrika oder Nigeria stammten, waren allerdings
überrepräsentiert. Bei der Auswertung waren insbesondere Fälle von Tuberkulose, Hepatitis B sowie
impfpräventable und parasitäre Erkrankungen von Bedeutung. Signifikante Risikofaktoren für das
Auftreten von Infektionserkrankungen waren das Ursprungsland und das Alter für Hepatitis B, Alter
für Hepatitis C, Geschlecht und Alter für HIV sowie Ursprungsland, Geschlecht und Alter für
Tuberkulose und Ektoparasitosen. Für Hepatitis B, C und HIV waren die errechneten Prävalenzen für
diese Patientengruppe unter den Werten der Ursprungsländer. Die errechnete Inzidenz für Tuberkulose
war allerdings zumeist stark erhöht.
Schlussfolgerung:
Das Ursprungsland, das Geschlecht und das Alter haben einen relevanten Einfluss bezüglich des
Auftretens von NIDs/RIDs. Eine frühzeitige Impfung und verbesserte Hygienemaßnahmen könnten
effektiv das Auftreten von NIDs/RIDs in Gemeinschaftseinrichtungen verhindern. Ein effektives
Habilitation Dr. Martin Anton Alberer 20
Screening, rasche Therapie und weitere Infektionsschutzmaßnahmen sind wichtig, um die
Übertragung von solchen Erkrankungen zu vermeiden.
Habilitation Dr. Martin Anton Alberer 21
2.3. Diagnostik von Erkrankungen nach Fernreisen
Im Rahmen einer von mir betreuten Dissertation wurde die Überprüfung von konventionellen
Haemocult-Karten als Medium zur Stuhlprobengewinnung in Kombination mit einer kommerziell
erhältlichen Multiplex-PCR durchgeführt. Dabei konnten Stuhlproben positiv für Noroviren,
Campylobacter sp. und Entamoeba histolytica als Modell-Pathogene auf den Haemoccult-Karten bis
zu einem Zeitraum von 6 Wochen gelagert und die Pathogene über diesen Zeitraum erfolgreich
nachgewiesen werden [8]. Während oder auch nach der Reise können so von den Reisenden
unproblematisch Stuhlproben gewonnen und asserviert werden und auch noch nach mehreren Wochen
Lagerung die jeweiligen Pathogene detektiert werden. Diese Methode kann zukünftig ein wichtiges
Instrument zur Erforschung der Ätiologie von TD oder zur Evaluation von Impfstudien bezüglich
Erreger von TD darstellen.
In einer Studie zur Erhöhung von Transaminasen bei 14.559 erkrankten Reiserückkehrern im
Vergleich zu 1.536 gesunden Kontrollpersonen konnten wir virale, bakterielle und durch Einzeller
verursachte Infektionserkrankungen identifizieren, die vermehrt mit Leberwerterhöhungen
einhergingen. Im besonderen Maße zeigten sich solche Erhöhungen bei Patienten mit Hepatitis A,
CMV-Infektion, chronischer Hepatitis C, EBV-Infektion, Typhus, Cyclosporiasis, Dengue-Fieber,
Malaria und Rickettsiosen [22].
Habilitation Dr. Martin Anton Alberer 22
2.3.1. Detektion gastrointestinaler Pathogene durch Multiplex-PCR aus Stuhlproben, die mittels
Haemoccult-Karten gewonnen wurden
Alberer M, Schlenker N, Bauer M, Helfrich K, Mengele C, Löscher T, Nothdurft HD, Bretzel G,
Beissner M. Detection of Gastrointestinal Pathogens from Stool Samples on Hemoccult Cards by
Multiplex PCR. Can J Infect Dis Med Microbiol, 3472537, 2017
Hintergrund:
Bis zu 30% aller international Reisenden erkranken an Reisediarrhö (TD). Bislang fehlen zuverlässige
Daten bezüglich der Ätiologie von TD. Am Reiseziel fehlt es häufig an ausreichenden
Laborkapazitäten. Zudem ist der Transport von herkömmlichen Stuhlproben für den Reisenden oft
unangenehm. In dieser Studie soll die Kombination einer Stuhlprobengewinnung mittels Haemoccult-
Karten in Kombination mit der Detektion gastrointestinaler Pathogene durch Multiplex-PCR evaluiert
werden. Zu diesem Zweck wurden Campylobacter sp., Entamoeba histolytica und Norovirus GI und
GII als Beispielorganismen für bakterielle, parasitäre und virale Ursachen von TD verwendet.
Methodik:
Nach Erstellung von Verdünnungsreihen für jeden dieser Organismen wurden die letzten
Verdünnungsstufen (LPDs), bei denen das Pathogen noch nachweisbar war, zwischen den
herkömmlichen Stuhlproben und den Proben auf den Haemoccult-Karten verglichen. Aus den LPDs
wurde dann die letzte Konzentration der Pathogene berechnet, die noch zu einem positiven Ergebnis
geführt hat (LPCs). Zudem wurden Proben auf Haemoccult-Karten über einen Zeitraum von bis zu
sechs Wochen gelagert, wobei eine Testung jeweils im Wochenabstand erfolgte. Dies sollte die
Lagerung bei einer üblichen Reise simulieren.
Ergebnisse:
Die LPDs/LPCs, die bei den Proben auf Haemoccult-Karten bestimmt wurden, waren vergleichbar mit
den jeweiligen LPDs/LPCs bei den konventionellen Stuhlproben. Bei Lagerung auf den Haemoccult-
Karten zeigten sich Wiederfindungsraten von 97,6% für Campylobacter sp., 100% für E. histolytica,
97,6% für Norovirus G I und 100% für Norovirus G II. Die Detektion der jeweiligen Pathogene war in
wöchentlichen Abständen bis zu Tag 42 möglich.
Schlussfolgerung:
Stuhlproben auf Haemoccult-Karten können in Kombination mit einer Multiplex-PCR als zuverlässige
Möglichkeit zur Detektion von Pathogenen bei TD verwendet werden.
Habilitation Dr. Martin Anton Alberer 23
2.4. Prävention von Infektionserkrankungen während Fernreisen
In Rahmen verschiedener von mir am Münchner Studienzentrum als Co-Investigator geleiteten
Multicenter-Studien wurde die Verträglichkeit und Immunogenität der ACWY-Meningokokken-
Konjugatimpfung bei gleichzeitiger oder getrennter Gabe mit anderen Reiseimpfungen
(Gelbfieberimpfung und Impfungen gegen Typhus, Japanische Enzephalitis und Tollwut sowie
Hepatitis A/B) systematisch überprüft und nachgewiesen, dass eine kombinierte Impfung zu keinen
schlechteren Ergebnissen im Vergleich zu den Einzelimpfungen führt [2-4]. Somit können auf der
Basis einer gesicherten Datenlage diese Reiseimpfungen zusammen mit der Meningokokken-
Konjugatimpfung an einem Impftermin kombiniert werden, was die Akzeptanz dieser Reiseimpfungen
deutlich erhöhen wird.
Habilitation Dr. Martin Anton Alberer 24
2.4.1. Koadministration eines Meningokokken-Konjugatimpfstoffes mit weiteren
reisemedizinisch relevanten Impfungen: eine randomisierte, unverblindete Multicenterstudie
Alberer M, Burchard G, Jelinek T, Reisinger E, Beran J, Meyer S, Forleo-Neto E, Gniel D, Dagnew
AF, Kumar Arora A. Co-administration of a meningococcal glycoconjugate ACWY vaccine with
travel vaccines: A randomized, open-label, multi-center study. Travel Med Infect Dis, 12:485-93, 2014
Hintergrund:
Mögliche Wechselwirkungen zwischen Impfstoffen könnten die Immunogenität und/oder das
Sicherheitsprofil der einzelnen Impfstoffe beeinflussen. Die kombinierte Verabreichung sollte daher
überprüft werden, bevor eine solche Koadministration empfohlen werden kann. In dieser Studie
wurden die Immunogenität und das Sicherheitsprofil der reisemedizinisch relevanten Impfungen
gegen Japanische Enzephalitis (JEV) und Tollwut (PCECV) bei kombinierter oder getrennter
Verabreichung mit einem quadrivalenten Meningokokken-Konjugatimpfstoff (MenACWY-CRM)
überprüft.
Methode:
Gesunde Erwachsene im Alter von 18 bis 60 Jahren wurden mittels Randomisierung einem von vier
Impfschemata zugeordnet: JEV + PCECV + MenACWY-CRM, JEV + PCECV, PCECV oder
MenACWY-CRM. Als Ausgangswert vor Gabe der Impfstoffe und 28 Tage nach Beendigung der
Impfserie erfolgte die Bestimmung der Immunogenität durch Messung der bakteriziden Aktivität im
Serum unter Verwendung von humanem Komplement oder durch Neutralisationstests. Unerwünschte
Ereignisse (AEs) wurden während der Studiendauer gesammelt.
Ergebnisse:
JEV + PCECV + MenACWY-CRM war dem Schema JEV + PCECV nicht unterlegen. Nach Impfung
konnten bei 98-99% (JE) und 100% (Tollwut) der Probanden in allen Studiengruppen seroprotektive
neutralisierende Titer oder Konzentrationen erreicht werden. Für die Impfschemata MenACWY-CRM
und JEV + PCECV + MenACWY-CRM zeigten sich im Vergleich der Antikörperantworten bezüglich
der Meningokokken-Serogruppen Werte in vergleichbarer Höhe. Die Rate an berichteten AEs waren
für JEV + PCECV und JEV + PCECV + MenACWY-CRM ähnlich.
Schlussfolgerung:
MenACWY-CRM konnte mit einem inaktivierten adjuvantierten Impfstoff gegen Japanische
Enzephalitis und mit einem aufgereinigten Tollwutimpfstoff auf Basis von Hühnerembryonen-
Zellkulturen verabreicht werden, ohne die Immunogenität oder das Sicherheitsprofil der einzelnen
Habilitation Dr. Martin Anton Alberer 25
Impfstoffe zu beeinflussen. Diese Ergebnisse zeigen, dass MenACWY-CRM effektiv in
reisemedizinische Impfschemata eingebunden werden kann.
Habilitation Dr. Martin Anton Alberer 26
2.4.2. Sicherheit und Immunogenität von Impfstoffen gegen Typhus und Gelbfieber bei
gemeinsamer Administration mit einem quadrivalenten Meningokokken-ACWY-
Glykokonjugatimpfstoff bei gesunden Erwachsenen
Alberer M, Burchard G, Jelinek T, Reisinger E, Beran J, Hlavata LC, Forleo-Neto E, Dagnew AF,
Kumar Arora A. Safety and immunogenicity of typhoid fever and yellow fever vaccines when
administered concomitantly with quadrivalent meningococcal ACWY glycoconjugate vaccine in
healthy adults. J Travel Med, 22:48-56, 2015
Hintergrund:
Kompakte und kurze Impfschemata vor Reisebeginn, die mehrere Impfungen in einer einzigen Sitzung
beinhalten, sind für die Reisenden erstrebenswert. Die gemeinsame Verabreichung von Impfstoffen
könnte jedoch möglicherweise die Immunogenität und/oder das Sicherheitsprofil der einzelnen
Impfstoffe beeinträchtigen. Daher sollten mögliche Interferenzen sorgfältig geprüft werden. Diese
Studie untersucht die Immunogenität und das Sicherheitsprofil der Reiseimpfungen gegen Typhus
(TF) und Gelbfieber (YF), wenn diese mit oder ohne einem quadrivalenten Meningokokken-
Glykokonjugat ACWY-CRM Impfstoff (MenACWY-CRM) geimpft werden.
Methode:
Gesunde Erwachsene (18 - ≤ 60 Jahre) wurden mittels Randomisierung einem von drei Impfschemata
zugeteilt: TF + YF + MenACWY-CRM (Gruppe I; n=100), TF + YF (Gruppe II; n=101) oder
MenACWY-CRM (Gruppe III; n=100). Die Immunogenität wurde als Basiswert vor der Impfung und
vier Wochen nach Komplettierung des Impfschemas (Tag 29) bestimmt. Dazu wurde die bakterizide
Aktivität im Serum unter Verwendung von humanem Komplement (hSBA) mittels eines
enzymgekoppelten Immunoadsorbtionstests (ELISA) gemessen oder ein Neutralisationstest
durchgeführt. Unerwünschte Ereignisse (AEs) und schwerwiegende unerwünschte Ereignisse (SAEs)
wurden während der Studiendauer gesammelt.
Ergebnisse:
Für die TF- und YF-Impfstoffe konnte nach Impfung keine Unterlegenheit bezogen auf den
geometrischen Mittelwert der Konzentrationen (GMCs) und den geometrischen Mittelwert der Titer
(GMTs) nachgewiesen werden, wenn diese Impfstoffe zusammen mit MenACWY-CRM oder einzeln
geimpft wurden. Der Anteil der Probanden mit seroprotektiven Titern im Neutralisationstest gegen YF
am Tag 29 war in den Gruppen I und II vergleichbar. Bei den Serogruppen A, C, W-135 und Y konnte
eine vergleichbare Antikörperantwort festgestellt werden, unabhängig davon, ob MenACWY-CRM
allein oder in Kombination mit TF- und YF-Impfstoffen gegeben wurde. Der Anteil der Probanden,
die über AEs berichteten, war für die Gruppen, bei denen TF- oder YF-Impfstoffe allein oder in
Habilitation Dr. Martin Anton Alberer 27
Kombination mit MenACWY-CRM gegeben wurde, gleich. Es wurden keine SAEs oder AEs
beobachtet, die zu einem Ausscheiden aus der Studie geführt hatten.
Schlussfolgerung:
Aufgrund dieser Daten kann MenACWY-CRM zusammen mit einem Typhus-Polysacharidimpfstoff
und einem attenuierten Gelbfieber-Lebendimpfstoff verabreicht werden, ohne die Antikörperantwort
der einzelnen Impfstoffe zu beeinträchtigen. MenACWY-CRM kann daher in reisemedizinische
Impfschemata eingebunden werden, ohne dass diese Impfung an einem separaten Vorstellungstermin
geimpft werden muss.
Habilitation Dr. Martin Anton Alberer 28
2.4.3. Immunogenität und Sicherheitsprofil bei simultaner Gabe eines kombinierten Hepatitis
A/B-Impfstoffes und eines quadrivalenten Meningokokken-Konjugatimpfstoffes bei gesunden
Erwachsenen
Alberer M, Burchard G, Jelinek T, Reisinger EC, Meyer S, Forleo-Neto E, Dagnew AF, Kumar Arora
A. Immunogenicity and safety of concomitant administration of a combined hepatitis A/B vaccine and
a quadrivalent meningococcal conjugate vaccine in healthy adults. J Travel Med, 22:105-14, 2015
Hintergrund:
Diese randomisierte, unverblindete Phase 3b Studie untersuchte die Immunogenität und das
Sicherheitsprofil der Koadministration eines Hepatitis A- und/oder B-Impfstoffes mit einem
quadrivalenten, CRM197-konjugierten Oligosaccharid-Meningokokkenimpfstoff (MenACWY-CRM)
im Zusammenhang mit einem akzelerierten Hepatitis A und/oder B-Impfschema.
Methode:
Insgesamt wurden 252 gesunde erwachsene Probanden mittels Randomisierung auf drei Gruppen
aufgeteilt und erhielten entweder Impfungen gegen Hepatitis A/B allein (HepA/B), Hepatitis A/B in
Kombination mit MenACWY-CRM (HepA/B + MenACWY-CRM) oder MenACWY-CRM allein
(MenACWY-CRM). Die Impfung gegen Hepatitis A und/oder B wurde entweder in Form einer
einzelnen Booster-Impfung oder als Grundimmunisierung mit drei Dosen gegeben. Dies war abhängig
von den Hepatitis A/B-Impfungen, die die Probanden bisher erhalten hatten. Die Antikörperantwort
bezüglich der Hepatitis A/B-Impfung wurde einen Monat nach der letzten Hepatitis A- und/oder B-
Impfung überprüft. Die bakterizide Aktivität im Serum unter Verwendung von humanem Komplement
wurde bezüglich der Meningokokken-Serogruppen A, C, W-135 und Y einen Monat nach der
MenACWY-CRM-Impfung bestimmt. Das Sicherheitsprofil wurde während der ganzen Studiendauer
überprüft.
Ergebnis:
Einen Monat nach der letzten Hepatitis A- und/oder B-Impfung zeigten sich keine Unterschiede bei
der gemeinsamen Impfung gegen Hepatitis A/B und MenACWY-CRM verglichen mit der alleinigen
Impfung gegen Hepatitis A/B bezogen auf den geometrischen Mittelwert der
Antikörperkonzentrationen für Hepatitis A- und B-Antigene. Einen Monat nach MenACWY-CRM-
Impfung war der prozentuale Anteil der Probanden, die hSBA Titer ≥ 8 für die Serogruppen A, C, W-
135 und Y zeigten, in der HepA/B + MenACWY-CRM Gruppe (76, 87, 99 und 94%) vergleichbar mit
den Werten in der MenACWY-CRM Gruppe (67, 82, 96 und 88%). Der prozentuale Anteil von
Probanden, die über unerwünschte Ereignisse berichteten (AEs), war in allen Studiengruppen ähnlich
Habilitation Dr. Martin Anton Alberer 29
und ein Großteil der berichteten AEs waren mild oder moderat. Es traten keine schwerwiegende AEs
auf, die auf die Impfstoffe zurückgeführt werden konnten.
Schlussfolgerung:
MenACWY-CRM kann zusammen mit einem Impfstoff gegen Hepatitis A und/oder B im
Zusammenhang mit einem akzelerierten Hepatitis A- und/oder B-Impfschema gegeben werden, ohne
dass vermehrte Sicherheitsprobleme auftreten oder die Immunantwort bezüglich der Impfstoffe
beeinträchtigt wird.
Habilitation Dr. Martin Anton Alberer 30
2.5. Entwicklung neuer Impfstoffe
Im Rahmen einer Erstanwendungsstudie am Menschen konnten von meiner Arbeitsgruppe
Verträglichkeit und Immunogenität eines neuartigen mRNA-Tollwut-Impfstoffes untersucht werden.
Dieser Impfstoff wurde intradermal und intramuskulär mittels Nadelinjektion oder mittels
unterschiedlicher, nadelfreier Injektionssysteme verabreicht. Dabei zeigte sich eine gute
Verträglichkeit, und es gelang der Nachweis, dass eine prophylaktische Impfung mittels mRNA zur
Bildung von nachweisbaren Antikörpern in relevanter Höhe (≥ 0,5 IU/ml) führen kann. Insgesamt
wurden sukzessive 101 Studienteilnehmer mit unterschiedlichen Dosen (80-640 µg),
Applikationsverfahren und Impfschemata geimpft. In der Gruppe der Probanden, die mit nadelfreien
Injektionssystemen intradermal oder intramuskulär geimpft wurden, fanden sich bei 32 (71%) der 45
intradermal geimpften Probanden Virus-neutralisierende Antikörper mit einem Titer von mindestens
0,5 IU/ml. Dies war auch bei 6 (46%) von 13 Probanden, die nadelfrei intramuskulär geimpft wurden,
der Fall. Die Injektion mittels Nadel erwies sich als ineffektiv und führte nur bei einem Probanden zu
einer nachweisbaren Immunantwort. Ein Jahr nach der ersten Impfserie konnte mittels
Auffrischungsimpfung in der Gruppe, die mit 80 µg nadelfrei intradermal injiziert worden war, bei 8
(57%) von 14 Probanden erneut ein Antikörperwert von 0,5 IU/ml oder höher erzielt werden [5].
Habilitation Dr. Martin Anton Alberer 31
2.5.1. Sicherheit und Immunogenität eines mRNA-Tollwut-Impfstoffes bei gesunden
Erwachsenen: eine unverblindete, prospektive Phase 1-Erstanwendungsstudie bei Menschen
Alberer M, Gnad-Vogt U, Hong HS, Mehr KT, Backert L, Finak G, Gottardo R, Bica MA, Garofano
A, Koch SD, Fotin-Mleczek M, Hoerr I, Clemens R, von Sonnenburg F. Safety and immunogenicity
of a mRNA rabies vaccine in healthy adults: an open-label, non-randomised, prospective, first-in-
human phase 1 clinical trial. Lancet, 390:511-20, 2017
Hintergrund:
Impfstoffe auf Basis von mRNA-Sequenzen, welche für Antigene kodieren, haben sich in
präklinischen Modellen als sicher und immunogen herausgestellt. Im Rahmen dieser Arbeit sollen die
Ergebnisse einer Erstanwendungsstudie bei gesunden Erwachsenen bezüglich eines prophylaktischen,
mRNA-basierten Impfstoffes (CV7201), welcher für das Tollwut Glykoprotein kodiert, als Nachweis
der Machbarkeit präsentiert werden.
Methode:
Wir führten eine unverblindete, nicht-kontrollierte, prospektive klinische Phase 1-Studie an einem
Zentrum in München durch. Gesunde männliche und weibliche Freiwillige (Alter 18-40 Jahre) ohne
vorhergegangene Tollwut-Impfung wurden sequentiell in die Studie eingeschlossen. Sie erhielten drei
Dosen von CV7201 intradermal oder intramuskulär mittels Nadel oder eines von drei nadelfreien
Injektionsgeräten. Subsequenten Kohorten wurden aufsteigende Dosen des Impfstoffes gegeben. Eine
Kohorte erhielt eine Booster-Dosis nach einem Jahr. Die primären Endpunkte waren Sicherheit und
Verträglichkeit. Der sekundäre Endpunkt war die Ermittlung der geringst möglichen Dosis von
CV7201, bei der noch Tollwut-neutralisierende Titer gleich oder größer als 0,5 IU/ml erreicht werden
konnten, welche von der WHO als protektiv angesehen werden. Die Studie wird bezüglich der
Langzeit-Sicherheit und Immunogenität fortgesetzt.
Ergebnis:
Zwischen dem Oktober 2013 und Januar 2016 wurden 101 Probanden in die Studie aufgenommen und
mit 306 Dosen von mRNA (80-640 µg) mittels Nadel (18 Probanden intradermal und 24
intramuskulär) oder nadelfreien Injektionsgeräten (46 Probanden intradermal und 13 intramuskulär)
geimpft. Sieben Tage nach der Impfung berichteten 60 (94%) der intradermal geimpften Probanden
und 36 (97%) der 37 intramuskulär geimpften Probanden über Reaktionen an der Impfstelle, die
speziell abgefragt wurden. 50 (78%) der 64 intradermal geimpften Probanden und 29 (78%) der 37
intramuskulär geimpften Probanden berichteten über systemische unerwünschte Wirkungen, die
speziell abgefragt wurden, einschließlich zehn Ereignisse des Schweregrades 3. Eine unerwartete,
möglicherweise mit der Impfung in Zusammenhang stehende, schwerwiegende Nebenwirkung im
Habilitation Dr. Martin Anton Alberer 32
Sinne einer peripheren, einseitigen Fazialisparese trat sieben Tage nach einer intramuskulären Gabe
von 640 µg auf, verschwand aber wieder ohne Folgeerscheinungen. Nach nadelfreier, intradermaler
oder intramuskulärer mRNA-Impfung konnten Virus-neutralisierende Antikörpertiter von > 0,5 IU/ml
bei 32 (71%) von 45 Probanden, die 80 µg oder 160 µg CV7201 intradermal erhalten, und bei sechs
(46%) von 13 Probanden, die 200 µg oder 400 µg intramuskulär erhalten hatten, festgestellt werden.
Ein Jahr später erreichten acht (57%) von 14 Probanden, die nadelfrei eine intradermale Booster-Dosis
von 80 µg erhalten hatten, einen Titer von 0,5 IU/ml oder mehr. Auf der anderen Seite zeigte sich die
intradermale oder intramuskuläre Impfung mittels Nadel und Spritze als ineffektiv. Nur ein Proband
(Impfung mit 320 µg intradermal) wies eine detektierbare Immunantwort auf.
Schlussfolgerung:
Im Rahmen dieser Erstanwendungsstudie am Menschen konnte gezeigt werden, dass ein mRNA-
Kandidatenimpfstoff boosterfähige, funktionale Antikörper gegen ein virales Antigen induzieren kann.
Dies war bei nadelfreier Injektion möglich, jedoch nicht bei Injektion mit Spritze und Nadel. Der
Impfstoff war im Wesentlichen sicher und zeigte eine adäquate Verträglichkeit.
Habilitation Dr. Martin Anton Alberer 33
3. Schlussbetrachtung und Ausblick
Im Rahmen der hier vorgelegten kumulativen Habilitationsschrift wurde das breit gefächerte Thema
der Reise- und Migrationsmedizin in unterschiedlichen Aspekten behandelt und das vorhandene
Wissen erweitert. Bezüglich des Erkrankungsspektrums bei Kindern und Jugendlichen nach
Reiserückkehr konnte gezeigt werden, dass auch in unserem Kollektiv die Erkrankungsgruppen
Durchfallerkrankungen, Hauterkrankungen, fieberhafte Systemerkrankungen und Erkrankungen der
Atemwege einen wesentlichen Anteil der Fälle ausmachten. Dabei ist immer zu bedenken, dass es sich
insbesondere bei den fieberhaften Systemerkrankungen - neben z.B. zumeist harmlosen
Virusinfektionen - immer auch um lebensbedrohliche Infektionserkrankungen wie eine Malaria tropica
oder eine Typhuserkrankung handeln kann. Diese Erkrankungen können vor allem im Kindesalter
häufiger schwerwiegend verlaufen und bedürfen einer raschen Diagnosestellung.
Im Vergleich des Erkrankungsspektrums aus Deutschland stammender Reisenden mit dem von
Migranten zeigte sich ein unterschiedliches Spektrum insbesondere bezogen auf parasitäre
Infektionen, aber auch auf weitere relevante Infektionserkrankungen wie Tuberkulose, HIV oder
Hepatitis-Infektionen. Die Kenntnis dieser Unterschiede ist wichtig, um eine gezielte Diagnostik zu
ermöglichen, die sich sowohl am Reise- bzw. Herkunftsland, aber auch an der Reiseart orientiert.
Zudem sind Informationen über das unterschiedliche Erkrankungsspektrum nötig, um in der
Reiseberatung individuelle Risiken besser abschätzen und beraten zu können.
Aufgrund des vermehrten Zustroms von Flüchtlingen und Asylbewerbern wurde in den letzten Jahren
die medizinische Versorgung dieser Patientengruppe ein wichtiges Thema. Im Rahmen der in dieser
Habilitation vorgestellten Arbeiten zum Spektrum der Erkrankungen bei FAs konnte gezeigt werden,
dass auch in dieser Patientengruppe vor allem allgemeinmedizinisch oder pädiatrisch relevante
Erkrankungen auftreten. Zudem sind tropentypische und tropenspezifische Erkrankungen von
Bedeutung. Daher ist das Wissen bezüglich der Diagnostik und Therapie z.B. der Malaria relevant, um
einen rasch lebensbedrohlichen Erkrankungsverlauf verhindern zu können. Die Möglichkeit der
Reaktivierung einer latenten Tuberkulose bei FAs ist ebenso ein wichtiges Thema für die
behandelnden Allgemeinmediziner oder Pädiater. Auch in den kommenden Jahren ist in diesem
Patientenkollektiv aufgrund der epidemiologischen Situation in den Herkunftsländern und den
Belastungen durch die Flucht damit zu rechnen. Eine rasche Diagnosestellung und Therapie sind
wichtig, um eine weitere Ausbreitung auch in der Bevölkerung des aufnehmenden Landes verhindern
zu können. Eine frühzeitige und umfassende Untersuchung der FAs ist sinnvoll, um
Infektionserkrankungen, die im Rahmen der Unterbringung in einer Gemeinschaftseinrichtung
relevant sind, erkennen zu können. Bei der Auswahl der Diagnostik bezüglich solcher Erkrankungen
ist eine Stratifizierung nach Herkunftsland und Risikoregion sinnvoll. Impfungen, als wichtiges Mittel
Habilitation Dr. Martin Anton Alberer 34
der Infektionsprävention, sollten den FAs rasch und umfassend angeboten werden, um Ausbrüche in
den Gemeinschaftseinrichtungen z.B. durch Masern- oder Windpockenerkrankungen verhindern zu
können. Oft besteht aufgrund einer unzureichenden oder durch Krisensituationen oder Kriege
zusammengebrochenen Medizinstruktur in den Herkunftsländern kein ausreichender Impfschutz,
insbesondere bei minderjährigen FAs.
Da sich Pathogene in der heutigen, globalisierten Welt schnell ausbreiten können, ist in der Reise- und
Migrationsmedizin die rasche und umfassende Diagnostik bei importierten Erkrankungen sinnvoll und
wichtig. Auch vermeintlich harmlose Erkrankungen wie der Reisedurchfall können bei Einschleppung
von hochinfektiösen Erregern wie z.B. Noroviren auch zu Ausbrüchen in den Heimatländern führen.
Da der Reisedurchfall oft nach kurzer Zeit von selbst sistiert, werden Daten zu den relevanten
Infektionserregern zumeist nur bei bereits zurückgekehrten und noch weiter erkrankten Reisenden
erhoben. Viele Episoden von TD während der Reise können somit in die Auswertung nicht
einbezogen werden, und das Bild der Ätiologie ist somit zwangsweise verzerrt. Die Gewinnung und
Lagerung von Stuhlproben auf Haemoccult-Karten ermöglicht es, Proben in der akuten Phase von TD
während der Reise zu gewinnen. Eine umfassende Diagnostik mittels Multiplex-PCR kann dann im
Heimatland erfolgen. Die hier vorgestellte Arbeit konnte zeigen, dass eine solche Art der
Probengewinnung auch noch nach längerer Zeit der Lagerung zuverlässig eine Detektion der
Pathogene erlaubt. Weiter Studien müssen nun zeigen, dass die Gewinnung von Stuhlproben mittels
Haemoccult-Karten auch in der Reisesituation möglich und gut machbar ist. Dies könnte zu einem
wesentlichen Informationsgewinn bezüglich der Ätiologie von TD führen.
Bei der Prävention reisemedizinisch relevanter Infektionserkrankung spielen Reiseimpfungen eine
wichtige Rolle. Dabei werden nicht nur epidemiologisch weit verbreitete Infektionserkrankungen mit
hoher Relevanz in der Reisemedizin wie z.B. die Hepatitis A berücksichtigt, sondern auch seltenere
Erkrankungen wie invasive Meningokokken-Erkrankungen oder Erkrankungen an Japanischer
Enzephalitis, die rasch einen sehr schweren Verlauf mit Todesfällen oder Folgeschäden nehmen
können oder nicht kausal behandelt werden können. Um einen umfassenden Schutz auch bei kurzem
Abstand zur geplanten Reise zu ermöglichen, müssen Impfstoffe oft am selben Tag gemeinsam
gegeben werden. Die hier vorgestellten Arbeiten konnten zeigen, dass auch bei einem modernen
Meningokokken-Konjugatimpfstoff die gemeinsame Applikation mit anderen reisemedizinisch
relevanten Impfungen effektiv und sicher ist. Weitere solcher Studien sind notwendig, um für den
behandelnden Arzt aber auch für den Reisenden eine möglichst sichere Datenbasis bezüglich solcher
Koadministrationen von Impfungen zu schaffen.
Ein wichtiger Bereich in der Reise- und Migrationsmedizin ist die Erforschung neuer Impfstoffe und
Impfkonzepte, um rasch auf neu auftretende oder erneut vermehrt auftretende Infektionserkrankungen
Habilitation Dr. Martin Anton Alberer 35
reagieren zu können, ohne dass es dabei zu weltweiten Ausbrüchen wie z.B. beim Zika-Virus mit
schwerwiegenden Folgen für die betroffenen Länder kommt. Die Impfung mittels mRNA ist hierbei
eine neue und zukunftsweisende Möglichkeit, rasch auf das Auftreten solcher Erkrankungen reagieren
zu können. Im Rahmen dieser Arbeit konnte gezeigt werden, dass eine solche mRNA-Impfung das
Potential hat, einen neuen Weg bezüglich der Prävention von Infektionserkrankungen durch
Impfungen aufzuzeigen. Weitere Studien sind allerdings nötig, um die Serienreife eines solchen
Impfstoffes möglich zu machen.
Habilitation Dr. Martin Anton Alberer 36
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refugees and asylum seekers: experience from a major reception center in Munich, Germany.
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2.