36
Special | 19. März 2015 Marketing Transformation Euro-Mindestkurs Gespräch mit Ulrich H. Moser, Präsident der Gesellschaft für Marketing (GfM). Seite 4 Zehn neue Trends Leitartikel von Marian Salzman, Trendspotterin und Vorsitzende von Havas PR Global. Seite 8 Digitalorientierte Unternehmensführung Seite 7

HZ Special «Marketing»

Embed Size (px)

DESCRIPTION

 

Citation preview

Page 1: HZ Special «Marketing»

Special| 19. März 2015

Marketing

TransformationEuro-MindestkursGesprächmitUlrichH.Moser,Präsident derGesellschaft fürMarketing (GfM). Seite 4

Zehn neue TrendsLeitartikel vonMarian Salzman,Trendspotterin undVorsitzendevonHavas PRGlobal. Seite 8

Digitalorientierte UnternehmensführungSeite 7

Page 2: HZ Special «Marketing»
Page 3: HZ Special «Marketing»

3handelszeitung | Nr. 12 | 2015

Special MaRKeTiNG

InhaltUlrich h. Moser Der GfM-präsident sagt, weshalbSchweizer Firmen geradejetzt werben müssen. 4lead-listen-Engage Derneue gemeinsame ansatzder Universität St.Gallenmit Google Schweiz. 7Der Übertrend Die US-Trendspotterin MarianSalzman erklärt «selbst-»zumWort des Jahres. 8Erich Joachimsthaler Derchef von Vivaldi partnerserklärt digitale Werbungzum Nebenschauplatz. 10

holger Rust Der professorfür Wirtschaftssoziologiezeigt, wie man den Homoalgorithmicus decodiert. 13Price Excellence patrickpfäffli und John-OliverBreckoff sagen in ihremneuen Buch, wies geht. 16Markenbotschafter SindTestimonials «state of theart»? «Und wie», heisst esetwa bei TBWa Zürich. 19Content Marketing lautJung von Matt/limmatsteckt die Schweiz nochin den Kinderschuhen. 22

Foto-PoRtFolIo

Die Bilder zeigen dasPlakat des Jahres (Cover)und alle 18 Gewinner inden sechs Kategorien desSwiss Poster Award 2014,der am 12. März 2015 vonAPG in Gold, Silber undBronze verliehen wurde.

Fotos: ZVG

IMPREssUMDer Special «Marketing»im Magazin-Format isteine redaktionelle Beilageder «Handelszeitung».

GesamtverantwortungNorman c. Bandi

Redaktionelle MitarbeitMarc Blume, John-Oliver Breckoff,Sandro Graf, cyrill Hauser, MélanieKnüsel-Rietmann, Gérard Moinat,Kirsten Mrkwicka, Sibylle Müller,patrick pfäffli, Simon Rehsche,Holger Rust, Marian Salzman,Marcus Schögel, isabel Steinhoff,patrickWarnking

Chefredaktor Stefan Barmettlerstv.Chefredaktor pascal ihleRessortleitungMarkus Köchlistv.RessortleitungNorman c.Bandilayout Roger cavallititelbild ZVGKorrektorat Urs Bochsler, RenateBrunner, Beat Koch, Florian Vogleradresse Redaktion«Handelszeitung»Förrlibuckstrasse 708021 ZürichTelefon: 043 444 59 00Fax: 043 444 59 30Mail: [email protected]: www.handelszeitung.ch

Verlag Thomas Garms (leitung),Maike Juchler (Stv. leitung),Musti asaf (Sales Director)anzeigenverkauf Renato Oliva(leitung), adi Frei, VerenaTschopp, Karin Urech, evelineFenner (Kunst), Servais Y.F.Micolot (Westschweiz), Brigittelopez-y-Martin (Westschweiz)Marketing patrizia Serra (leitung),Nicola eberhard (productManager), Sabine carrieuadresse Verlag/Verkauf«Handelszeitung»Förrlibuckstrasse 708021 ZürichTelefon: 043 444 59 00Fax: 043 444 59 32Mail: [email protected]: [email protected]

DruckRingier print adligenswil aG

herausgeberinaxel Springer Schweiz aG

Bekanntgabe von namhaftenBeteiligungen im Sinne vonart. 322 StGB: amiado Group aG

TiTelbild:Sw

iSSPo

STer

AwAr

d2014–KATego

rie«PoSTerof

TheYeAr

»(PlAKATSujeT:«ToTAlwASch

miTTel»,AufTrAg

geber:migro

S-geno

SSenSchA

fTS-bu

nd,Zür

ich,werbeAg

enTur:Y&rgr

ouP,Zürich

)

Migros: Poster of the Year 2014.

Imagewerbung istkeinMussmehr

Was wären die rund 55 000Plakatwände von APGund Clear Channel hier­zulande ohne Auto­hersteller, bundesnahe

Betriebe, Detailhändler, Telekomdienst­leister? Halb leer – subjektiv beobachtet. Dieandere Hälfte scheinen derzeit Zürcher undLuzerner Kantonsratswahlen sowie eidge­nössische Parlamentswahlen zu füllen. Aberin der Woche vom 9. bis 15. März 2015 gabes in den Grossstädten einen anderen Do­minator. Gefühlt jede vierte bis dritte Affichezierte eine Kampagne mit einem geschwun­genen M darauf. Mal gelb auf grünem Hin­tergrund für Deluxe­Burger. Mal weiss aufrotem Hintergrund für Signature­Burger.Mal schwarz auf gelbem Hintergrund für dieRonald­McDonald’s­Kinderstiftung. An derFörrlibuckstrasse 10 bis 70 zwischen BaslerVersicherung und Axel Springer Schweiz inZürich­West waren diese drei Sujets aufknapp 200 Metern zu entdecken.

Doch warum ist nationale Imagewerbungfür die Imbisskette noch ein Muss? Eigent­lich sollte man das nicht nötig haben, indessei es nützlich, so Marketingleiter ThomasTruttmann. «Ich glaube erst an Reklame,seit ich für McDonald’s arbeite.» Alle sechsbis acht Wochen lanciere man eine Kam­pagne und danach steige der Absatz jeweilsnachweislich. Erstaunlich daran ist, dass derBig Mac nach wie vor das am meisten ver­

kaufte Produkt ist, obwohl es dafür in denvergangenen zehn Jahren bloss zwei Promo­tionen gab. Laut Truttmann ist es schwer, ei­nen Selbstläufer zu bewerben, der dermas­sen bekannt ist. Wohl ein Grund, weshalbMcDonald’s die Plakatsujets immer wiedermal mit einem Augenzwinkern versieht.2014 war es die ursprünglich französischeIcon­Kampagne, für die sechs unverkenn­bare Fast­Food­Ikonen ausgehängt wurden– als Grafik, ohne Text. Nur der letzte Mutfehlte: Das Logo wurde nicht weggelassen,sondern reduziert trotzdem dazugestellt.

(vor einem McDonald’s-Plakat in Zürich-West)Stv. Ressortleiter «Handelszeitung»

Norman C. Bandi(vor einem McDonald’s-Plakat in Zürich-West)

Page 4: HZ Special «Marketing»

4 handelszeitung | Nr. 12 | 2015

Special MaRKeTiNG

IntervIew: norman C. BandI

Die Nachricht schlug in der SchweizerWirtschaft ein wie eine Bombe: UnsereNationalbank hebt den Mindestkursdes Frankens zum Euro auf. Wie schwarzwar der 15. Januar 2015 für Marketeers?Ulrich H. Moser: Zuerst kam die grosse Hek-tik wie nach jedem einschneidenden undüberraschenden Ereignis. Der Preis ist daszentral diskutierte Thema. Die Marketing-verantwortlichen in der Schweiz sind nunsicher noch mehr gefordert. Kosten senken,Werbeetats verteidigen. Langfristig wird dasThema der «Marketing-driven Innovation»wichtig.

Welche Unternehmensarten respektiveWirtschaftszweige sind von der Franken-stärke am meisten betroffen?Je höher der Exportanteil ist und je höherdie Wertschöpfung in der Schweiz, destogrösser ist die Herausforderung. HöherePreise können nur durch stetige Innovationund hohe Qualität gerechtfertigt werden.Durchschnittliche Qualität und Waren mitdem Absender Schweiz haben es schwer aufdem globalen Markt.

Und welche Unternehmensarten respektiveWirtschaftszweige lässt die Sache praktischkalt?Alle Wirtschaftszweige sind betroffen. Dergrösste Profiteur ist wohl der Konsument.Aber dies nur kurzfristig – sollte es nicht

gelingen, das Schiff Schweizer Wirtschaftauf Kurs zu halten. Indirekt sind auch reinauf den Schweizer Markt ausgerichtete Fir-men in den Sog geraten.

Was passiert, wenn es politisch undwirtschaftlich motiviert einen neuenEuro-Mindestkurs gibt – ist dann subitowieder alles Friede, Freude, Eierkuchen?Dieses Szenario halte ich für sehr unwahr-scheinlich. Wir müssen uns langfristig vonstabilen Kursen verabschieden, mit Volatili-täten rechnen und immer zwei «What if»-Pläne zur Hand haben.

Die GfM steht hierzulande als Synonym fürdie marktorientierte Unternehmensführung.Trotzdem schreien alle exportabhängigenFirmen nach einer Euro-Untergrenze, alsoPlanwirtschaft. Ist das nicht grotesk?Die Euro-Untergrenze hatte zum Zeitpunktder Einführung ihre Ziele erreicht. VieleFirmen sind nun vom Entscheid der SNBüberrascht worden. Mich beunruhigt dasnicht so, weil ich um die Flexibilität und dieInnovationskraft der Schweizer KMU weiss.Wir haben hierzulande in der Vergangen-heit die schnelle Anpassung an neue Reali-täten x-fach bewiesen und werden dies auchin diesem Fall tun. Anpassung heisst aberauch Veränderung.

Einige Betriebe oder Branchen habenbereits reagiert und beim Personal und/oderbei der Produktion die Kostenbremsegezogen. Befürchten Sie, dass jetzt ebenfallsdie Werbebudgets unter Druck kommen?Kurzfristig werden alle Bereiche auf ihreKosten, deren Effizienz und Einsparmög-lichkeit geprüft. Davon sind auch die Werbe-etats betroffen. Wer aber zu den langfristi-gen Gewinnern zählen möchte, wird geradein dieser schwierigen Zeit mutig auftretenund die Werbung nicht zurückfahren.

Weshalb ist es gerade jetzt falsch, beimMarketing Abstriche zu machen?Gutes Marketing ist vor allem in schwierigenZeiten ein wesentlicher Treiber des lang-fristigen Unternehmenserfolgs. Wer jetzt dierichtigen Botschaften sendet, wird zu denGewinnern gehören.

«IchwünschemirmehrLeadership»Ulrich H. Moser der Präsident der Gesellschaftfür marketing (Gfm) über den Frankenschock,die Heilmittel und den neuen trend Simplicity.

«Die Währungsthematik ist nurein Faktor der Transformation.Zentral für die Unternehmen istindes der Technologiesprung.»

DeR MaRKToRieNTieRTe

Name: Ulrich H. moserFunktion: Präsident derGfm (seit 2007); diverseverwaltungsratsmandate,unter anderem alfredmüller aG, Biomed aG,Hug aG und rivella aGAlter: 59Wohnort: ZugAusbildung: Ökonom Hwv (FH),amP Harvard Business School

Der Verband die 1941 gegründeteGesellschaft für marketing (Gfm) istdie Plattform für marktorientierteUnternehmensführung. Sie hatnach eigenen angaben in denvergangenen 74 Jahren derenentwicklung hierzulande massgeb-lich beeinflusst. der Gfm gehörengegenwärtig über 700 Firmen allerBranchen sowie öffentlich-recht-liche, marktwirtschaftlich ausge-richtete Institutionen als mitgliederan. der nationale verband unter-stützt mit seinen vier tätigkeitsfel-dern Forschung, aus- und weiter-bildung, veranstaltungen sowiePublikationen das marketing nach-haltig. die mission lautet: «die Gfmfördert marketing als denkhaltungder marktorientierten Unterneh-mensführung. als vision will mandafür die referenz im Land sein.

Page 5: HZ Special «Marketing»

Special MaRKeTiNG

«Marketing-Transformation» – das Jahres-motto der GfM könnte aktueller nicht sein?Richtig. Die Währungsthematik ist aber nurein Faktor der Transformation. Ganz zentralfür die Unternehmen sind indes der Tech-nologiesprung, sprich die Digitalisierung,und die damit verbundenen langfristigenChancen und Risiken.

Worauf muss der Fokus der Marketing-aktivitäten aller Firmen in der Schweizim Jahr 2015 liegen?Die Nähe zum – individualisierten – Kundenverbunden mit hoher Emotionalität bleibtdie erste Priorität.

Welche neuen Themen und Trends ortenSie, die auch hierzulande wegweisendsein werden?Simplicity ist ein gutes Stichwort. Das neusteBuch von Benedikt Weibel ist diesem Trendgewidmet, und das Swiss Economic Forum

Anfang Juni in Interlaken hat ebenfalls Sim-plicity als Thema gewählt.

Big Data revolutioniert das Marketing. Dasbehaupten zumindest Zukunftsforscher undTrendscouts. Wird das Thema überschätzt?Big Data ist ein wichtiges Thema im Marke-ting, aber ganz sicher nicht das einzige.

Welche Trends bestimmen die Marketing-agenda 2015 denn sonst noch?Das Zusammenspiel zwischen Innovationund Technik ist aus Sicht der GfM dabei

ganz zentral. Bei der Vermarktung unsererInnovationen sind wir noch stark verbesse-rungsfähig.

Welche Chancen gilt es dabei zu nutzen?Wir sind weltweit ganz vorne bei den techni-schen Innovationen. Bezüglich Patentensind wir die Nummer eins. Der Erfolg imMarkt tritt aber erst dann ein, wenn die Kun-den die neuen Produkte und Dienstleistun-gen auch wirklich kaufen möchten. DasMarketing muss in diesem Prozess einenoch viel wichtigere Führungsrolle über-nehmen. Ich wünsche mir da mehr Leader-ship der Marketeers.

Wo lauern die Gefahren?Man kann nicht immer auf Nummer sichergehen. Flops gehören zum Geschäft. DieUnternehmen sind aufgefordert, mehr Mutzu zeigen und sich auch auf ihre Intuitionzu verlassen.

«Bei der Vermarktungunserer innovationensind wir noch stark

verbesserungsfähig.»

aNzeiGe

Page 6: HZ Special «Marketing»

Swiss Poster Award 2014 Kategorie «Commercial National»

Unsere Firmaverdient Millionenin den Sand gesetzt.Das Leben ist voller Wendungen.Unsere Vorsorge passt sich an.

GoldPlakatsujet:«Royal’s»

Auftraggeber:McDonald’s, Crissier

Werbeagentur:TBWA, Zürich

SilberPlakatsujet:

«You are what you wear»Auftraggeber: Karl Vögelefür Max Shoes, UznachWerbeagentur: Jung vonMatt/Limmat, Zürich

BronzePlakatsujet:

«Wendesätze»Auftraggeber:

Swiss Life, ZürichWerbeagentur:

Leo Burnett, Zürich

6 handelszeitung | Nr. 12 | 2015

Special MaRKeTiNG

Page 7: HZ Special «Marketing»

7handelszeitung | Nr. 12 | 2015

Special MaRKeTiNG

Kirsten MrKwicKa, Marcus schögelund PatricK warnKing

Exponentielle Trends in Techno­logie und Konsumentenverhal­ten sind für viele Unternehmensowohl Chance als auch He­rausforderung. Gerade in der

Schweiz boomt die Nutzung mobiler End­geräte und digitaler Plattformen, sodass derHandlungsbedarf im Marketing gross ist.

Die hohe Dynamik und Komplexität beiThemen wie Search, Social, Mobile, Video,Analytics und Programmatic erfordernnicht nur neue Tools und Know­how. Fir­men müssen in eine neue Lern­ und Inno­vationskultur investieren, was oft Anpas­sungen beim Geschäftsmodell und in derOrganisation voraussetzt. Als Orientierungs­hilfe für das Marketing haben das Institut fürMarketing der Universität St. Gallen (IfM­HSG) und Google Schweiz gemeinsam den«Lead­Listen­Engage»­Ansatz entwickelt.

Die grundlegenden Auswirkungen derdigitalen Transformation auf das Marketingsind offensichtlich: Digitale Medien bieteneine Vielzahl neuer Zugänge zum Kunden,erleichtern umgekehrt aber auch Kundendie Teilnahme am öffentlichen Dialog. Mitden neuen Interaktionsmöglichkeiten ha­ben sich die Rollen von Unternehmen undvon Konsumenten nachhaltig verändert.Über digitale Medien können Firmen ihreaktuellen und potenziellen Kunden im Prin­zip jederzeit und überall in Echtzeit errei­chen. Für ihre Aufmerksamkeit erwartendiese allerdings einen klaren Mehrwert.

} Lead: Mit der neuen Rollenverteilung indigitalen Medien muss der Kundennutzenin den Mittelpunkt rücken, und zwar in allenUnternehmensaktivitäten. Ausgangspunktsollten immer Customer Insights sein. ZumBeispiel orientiert sich BMW mit dem Slo­gan «Freude am Fahren» klar am Bedürfnisnach individueller Mobilität.

Diese kundenzentrierte Positionierungbietet auch unternehmensintern Orientie­rung und schafft als strategische Leitlinie(«Lead») Raum für Flexibilität. Gerade die

erhöhte Entwicklungsgeschwindigkeit in di­gitalen Medien erfordert kürzere Planungs­zyklen und Mut zum Voranschreiten. Erstwenn es gelingt, Inhalte und Initiativen imNetz aktiv zu gestalten, dann ist eine aktivePositionierung möglich. Sie wirkt darüberhinaus im Netz als Orientierungspunkt fürKonsumenten und Konkurrenten.

} Listen: Als Grundlage für die schnellerenstrategischen Entscheidungen eignen sichdie leicht zugänglichen Echtzeit­Infor­mationen in digitalen Medien. Kommentarein Online Communities oderReviews auf Bewertungs­portalen enthalten reichhalti­ges Wissen, das Forschungund Entwicklung vorantrei­ben kann. Häufig finden sichTrends und Kritik hier sogarzuerst, sodass die meistenFirmen mittlerweile stan­dardmässig Monitoring­Toolsals Frühwarnsysteme einsetzen. Neben demdirekten Feedback sagt aber genauso dasOnline­Nutzungsverhalten in Form vonKlick­Streams auf den eigenen Websitesschon viel über die Reaktion von Konsu­menten aus.

Mit dem Feedback lässt sich das Marke­ting für Kunden relevanter und für Unter­nehmen effizienter gestalten. Allerdingsschöpfen nur wenige Firmen das digitaleWissenspotenzial voll aus. Relevante Infor­mationen bleiben entweder unentdecktoder versickern später. Hauptbarriere istvielfach Silodenken. Für erfolgreiches «Lis­tening» brauchen Unternehmen nicht nurdie richtigen Analyse­Tools, sondern auchdas richtige Know­how sowie schnellere,übergreifende Informations­ und Aus­tauschprozesse. So hat Nestlé ein DigitalAcceleration Team aufgebaut, das interneBeratung und Trainings anbietet sowie dieInformationsflüsse koordiniert.

}Engage: Im Kundenkontakt zeichnen sichdigitale Medien vor allem durch die vielfäl­tigen Interaktionsmöglichkeiten aus. Miteiner Nutzen­basierten Content­Strategie

für Social, Mobile und Video sowie Commu­nity Management auf Augenhöhe könnenFirmen an den einzelnen Kontaktpunkteneinmalige Kundenerlebnisse schaffen («En­gage»), die sich auch nachhaltig auf denUnternehmenserfolg auswirken und imIdealfall sogar virale Effekte auslösen.

Einheitliche Kundenerlebnisse lassensich angesichts der zunehmenden Kanal­vielfalt allerdings nur durch integriertesDenken und vernetzte Strukturen realisie­ren. Insbesondere Marketing, Sales und ITmüssen heutzutage aus einer Hand kom­

men. Für diese Schnittstel­lenaufgabe müssen in derRegel neue Funktionen ge­schaffen werden. Neben ei­nigen anderen Firmen hatStarbucks sogar einen ChiefDigital Officer ernannt, derdie Atmosphäre des «ThirdPlace» systematisch in SocialMedia und Mobile Media

umsetzt. Bereits seit 2008 können Kundenunter mystarbucksidea.com das eigene Er­lebnis aktiv mitgestalten.

Die drei Ebenen stehen jeweils in einemengen Zusammenhang. So sollte die strate­gische Leitlinie («Lead») natürlich den Fo­kus aller «Listen»­ und «Engage»­Aktivitä­ten definieren. Das generierte Kundenfeed­back («Listen») wiederum muss die strategi­sche Positionierung und Ausgestaltung dervielfältigen Kundenkontakte beeinflussen.Und das eigentliche Kundenerlebnis («En­gage») ist im Idealfall zugleich Ausgangs­punkt für weitere Optimierungen.

Damit zeigt der «Lead­Listen­Engage»­Ansatz nicht nur die Eckpunkte, sondernauch die notwendigen Verknüpfungen fürzeitgemässes Marketing. Die Dynamik undFlexibilität im Unternehmen schafft nureine Marketingtransformation, die weitüber die eigentlichen Abteilungsgrenzendes Marketings hinaus reicht.

Kirsten Mrkwicka, doktorandin, sowie Marcus schögel,direktor und titularprofessor, institut für Marketingder universität st.gallen (ifM-hsg), st.gallen; Patrickwarnking, country director, google schweiz, Zürich.

Leiten, zuhörenund engagierenTransformation Mit ihrem ansatz plädieren die universität st.gallenund google schweiz für eine digitalere ausrichtung des Marketings.

Die Transformationmuss weit über dieabteilungsgrenzendes Marketingshinausreichen.

Page 8: HZ Special «Marketing»

8 handelszeitung | Nr. 12 | 2015

Special MaRKeTiNG

KoMMeNTaR

DerÜbertrend

Pünktlich zum Jahresanfang legenTrendspotter wie ich den Schnell-gang ein. Wir halten unsere Ohrenan den Boden, um zu hören, was esNeues gibt und was als Nächstes dran

ist. Um die kulturellen Vibrationen wahrzuneh-men, die sich rund um die Erde bewegen. Ichnenne sie gerne «Zukunftsschlagzeilen», wäh-rend Marketing-Guru Seth Godin von «Ideen-viren» spricht. Tatsächlich erinnern sie ein wenigan Epidemien. Sie manifestieren sich nur, wenneine Vielzahl von Menschen miteinander in Kon-takt stehen und sich die Dinge rasch verändern.

In anderen Worten: Heute, das ist jeden Tag.Marketeers und Kommunikatoren müssenmehr denn je «up to date» sein. Raten Sie mal?In ihrem Geschäft ist das keine einfache Aufgabe.Es gibt so viel aufzunehmen und zu verdauen,und unsere digital erweiterten, Twitter-gefütter-ten Gewohnheiten lernen uns, inBruchstücken zu denken. Deshalbdestilliert meine Agentur Havasalles, was an nahen und fernenHorizonten sichtbar wird, in ihremjährlichen «Trends Report». Nach-stehend eines der zehn Highlightsunserer globalen Prognose fürdieses Jahr (siehe nächste Seite),nämlich der Übertrend.

2014 erklärte Oxford Dictionaries den AusdruckSelfie zum internationalen Wort des Jahres. Wiewär es also mit «selbst-» als Wort der Epoche?Nicht «selbst» alleinstehend, sondern «selbst-»,also als Präfix. Wie in Selbst-porträt, Selbst-paro-die, selbst-referenziell und vielleicht ein wenigselbst-obsessiv. Es widerspiegelt den Zeitgeist. Esführt wie ein roter Faden durch Worte, die über-all geschrieben, gesprochen und gelesen werden.Von selbst-inszenierten Ikonen der Popkulturüber selbst-ernannte Blogger bis hin zu selbst-gerechten Wächtern der Hochkultur.

Das Phänomen ist nicht neu, doch das Vehikel,das den Selbst-Fokus des 20. Jahrhunderts in dieSelbst-Obsession des 21. Jahrhunderts beförderthat, ist die «personal technology». Diese katapul-tiert jeden und jede ins Zentrum seines oderihres eigenen globalen Kommunikations- undPublikationsnetzwerks. Gleichzeitig bietet siewachsende Möglichkeiten zur Selbst-Überwa-chung und zum Sammeln persönlicher Daten,sprich der Selbst-Verfolgung. Die Ausbreitungund Verankerung dieses Self-Tracking ist einemeiner stärksten Trendvoraussagen für 2015.

Was kommt als Nächstes? «Selbst-» und seineÄquivalente in anderen Sprachen werden zurfundamentalen Wortidee in jedem Lebens-

bereich: Gesundheit, Beziehungen, Technologie,Haushaltprodukte, Gebrauchswaren, Medienund der Rest. In einer immer unsicher werden-den Welt signalisiert «selbst-» die eine Person,auf die wir uns verlassen können und die sichmehr als jede andere um uns kümmert. FürMarketeers und Kommunikatoren heisst diesteigende Bedeutung von «selbst-», dass dieMenschen selbst-zentrierter werden – und nichtzwingend selbst-süchtiger.

Wenn wir uns der chinesischenSymbolik bedienen, besteht dasYing aus dem «selbst-» als fixemReferenzpunkt im Leben und alsZiel für das Marketing («Dubist es dir wert» oder «Mach esauf deine Art») sowie aus derTechnologie. Das Yang ist dasBedürfnis der Menschen, mit-einander in Kontakt zu treten und

anderen etwas zu bedeuten. Marken haben indiesem Kontext die Aufgabe, den Konsumentenmit diesem Yang zu helfen und sie darin zuunterstützen, die Entwicklung ihres Selbst ineiner digitalen Welt zu verstehen.

Um es zusammenzufassen: Während unser«Trends Report» vor zwei Jahren auf das Auf-kommen von «Co»-Wörtern hinwies (Co-Kreator,Co-Unternehmer, Co-Erzieher), stellt Havas für2015 die Bedeutung von «selbst-» als übergeord-nete Idee fest. Wir ertragen nicht noch mehr Tur-bulenzen, weshalb wir wahrscheinlich alle unserindividuelles Selbst retten möchten, obschon wiruns nach dem «Co» sehnen. In einer Welt, in dersich alles mit Warp-Geschwindigkeit bewegt, inder Individuen sich schnell einmal überfordertund verloren fühlen können, ist das Fokussierenauf das Kleine und Lokale eine tolle Strategie, umdas eigene Selbst-verständnis zu finden.

Bezüglich dessen, was als Nächstes kommenwird – abgesehen vom Tod und von den Steuern –,gibt es kaum Zweifel. Uns stehen noch nie dagewesene Veränderungen bevor. Diejenigen, diemit ihnen gehen, auf ihnen surfen und sie einergrossen Gruppe kommunizieren können, werdendie Gewinner sein – sowohl auf die eigene Indus-trie als auch auf die gesamte Wirtschaft bezogen.

Marian SalzmanVorsitzende, HavasPR Global Collective,Havas Worldwide,New York

HavaSWoRldWide

316 Agenturenin 75 LändernGlobalMit 316 Agenturen in75 Ländern und über 10000Angestellten gehört HavasWorldwide mit Hauptsitz imfranzösischen Suresnes zuden Top-Five-Netzwerkender Welt. Mit Vincent Bolloréhat man einen Grossaktionär,der die Geschicke des inha-bergeführten Unternehmenspersönlich und langfristigleitet. Die an der Pariser Börsekotierte Havas Holding be-steht aus Havas Worldwide,Havas Media sowie Havas PRund ist Teil der Bolloré Groupund wird auch dort bilanziert.

National Im März 2012 wur-den die Schweizer Niederlas-sungen der WerbeagenturEuro RSCG in Havas World-wide Zürich beziehungsweiseHavas Worldwide Genèveumbenannt. Sie stehen unterder Leitung von Frank Bodin,«Werber des Jahres 2009».

«Uns stehennoch nie

da geweseneveränderungen

bevor.»

Page 9: HZ Special «Marketing»

9handelszeitung | Nr. 12 | 2015

Special MaRKeTiNG

} Die 10 MaRKeTiNG-TReNDS füR 2015 voN MaRiaN SalzMaN

1. Selbst-Alles: Der Übertrend. Das Präfix«selbst-» drückt den Zeitgeist aus. Nichtzuletzt, weil die Kreation eines positivenSelbstbilds als essenziell für jedermanngilt. Eingebettet in diesen Trend sind dasSelf-Tracking unserer Gesundheit, dieSelbst-Verbesserung durch Nonstop-Bildung und das (digitale) Überwachendes Fehlverhaltens anderer. Schliesslichkönnen wir uns nicht darauf verlassen, dassdies jemand anders für uns übernimmt.

2. Die neu definierte Mittelklasse. In ent-wickelten Nationen verschwindet sie zu-sehends, während sie überall sonst auf derWelt zu einem ernst zu nehmenden Käufer-segment wird und das Denken der Marke-teers und Kommunikatoren herausfordert.

3. Internet erhöht Schau-mich-an-Einsatz.Menschen, die ein Bedürfnis haben, onlinewahrgenommen und erkannt zu werden,werden versucht sein, zu immer weiteren(und grafischeren) Extremen zu gehen.

4. Nicht immun gegen Viren. BiologischeViren sind eine Bedrohung in den auf-kommenden Ländern – während Cyber-Attacken mit absichtlich kreierten, digi-talen Viren die entwickelten Staatenbeunruhigen werden.

5. Sicheres Essen: Gibt es das noch?Zucker, Sojabohnen, Gluten, Salz ... VieleNahrungsmittel werden ihren sogenanntenTabakmoment erleben, mit stärkerenRegulierungen und höheren Steuern aufungesunde Nahrungsmittel und Getränke.

6. Freund-Feind-Verwirrung.Wer sindIhre Freunde, Feinde und/oder «Freinde»?Antworten in Politik, Technologie undanderen Bereichen werden komplizierter.

7. Frauen setzen sich durch. Die Gleich-berechtigung der Geschlechter ist globalim Vormarsch. Zudem wird unser Sensorfür Sexismus grösser, denn die in den So-zialen Medien erzählten Geschichten von

Geschlechtsrelevanz haben eine universelleGültigkeit und werden so überall lokal.

8. Der Ruf der Wildnis. Die steigende Ur-banisation hat unseren Durst nach allemWilden geweckt – von Buchthemen überFerien in unberührten Gegenden bis hinzur Wiederansiedlung von Raubtieren inihrem natürlichen Lebensraum. Schulden-belastete Millennials können solche Impul-se aber auch mit «mobile devices» (undder Protestbewegung Occupy?) ausleben.

9. Kleine sind die neuen Grossen. Techno-logie, Kultur und eine neue Einstellung –plus die Sicherheit, sein eigener Chef zusein –machen kleine Firmen zu einemglobalen Trend. Sprich: «Small (business)is the new big».

10. Zu Hause ist, wo alles ist. Die essen-ziellen Dinge des Lebens werden immertragbarer, weshalb «lokal» überall, irgend-wo und nirgendwo gleichzeitig bedeutet.

aNzeiGe

Page 10: HZ Special «Marketing»

10 handelszeitung | Nr. 12 | 2015

Special MaRKeTiNG

Sibylle Müller

Die digitale Transformation hatdas Zeitalter des Konsumen­ten eingeläutet. Im Internetbestimmen Nutzer, welcheProdukte Unternehmen ent­

wickeln. Je näher an den Bedürfnissen derKunden, desto besser. «Imagewerbung isttotal überholt», erklärt Erich Joachims­thaler. Er ist Gründer und Chef von VivaldiPartners Group, einem der weltweit führen­den Dienstleister in der Strategie­ undMarketingberatung mit Sitz in New York.

Am diesjährigen Worldwebforum in Zü­rich referierte er kürzlich zum Thema digita­ler Darwinismus. Dieser umfasst die These,dass nur jene Unternehmen den digitalenWandel überleben, die sich schnell genuganpassen. Die Zukunft sieht Joachimsthalerin der Sensorik. «Weg von den Bildschir­men, hin zu den Sensoren», lautet sein Cre­do. Die neue Apple Watch lasse grüssen.

Was das alles für die Firmen und ihreChief Marketing Officers (CMO) bedeutet,hält die Vivaldi Partners Group in einer ak­tuellen Studie zur neuen Rolle des CMO fest.Es braucht einen Alleskönner. Analytischsattelfest, datenversiert, allzeit flexibel undnicht zuletzt fähig, ein multidisziplinäresTeam zu führen. Wo solche Personen zu fin­

den sind, lassen die Autoren offen. Ohnehinklingt alles einfach. «Es gilt eine alte Weis­heit: Man muss den Kunden besser verste­hen und seine Bedürfnisse kennen, bevor ersie selbst kennt», sagt Joachimsthaler.

Begeistert erwähnt er als Beispiele BMWund Burberry, denen es gelungen ist, sichauf innovative Weise mit ihren Kunden zuvernetzen. Der Autohersteller BMW gehtweit über sein eigentliches Produkt hinaus,indem er das Fahrzeug mit einer Reihe an­derer Dienstleistungen verknüpft. Mit denvon BMW initiierten Angeboten DriveNowund JustPark lässt sich jederzeit und überallein Auto mieten oder parken. Der Kleider­hersteller Burberry veröffentlicht Videos derProben seiner Modeschauen bereits eineStunde vor der offiziellen Veranstaltung on­line. Die Kunden können die gewünschtenProdukte direkt kaufen. Keine Lagerkosten,kein Planungsaufwand. Produziert wird,was bestellt und bezahlt wurde.

Joachimsthaler lächelt Bedenken wegDoch nicht jeder vermarktet Luxuspro­

dukte. Joachimsthaler sieht darin kein Prob­lem. Ihm sei noch nie ein Unternehmenuntergekommen, bei dem keine Möglich­keiten zur Nutzung neuer Technologienbestünden. Selbst Zahnpasta kann seinerMeinung nach damit attraktiv vermarktet

werden. Colgate ist sein Kunde. Was andereszu behaupten, wäre geschäftsschädigend.

Von den Gefahren und Risiken der digi­talen Welt spricht er nicht. Sie sind trotzdemreal. Nicht umsonst wittern Versichererneue Geschäftsmodelle in der Absicherungvon Firmen gegen Entrüstungsstürme in so­zialen Medien (Shitstorm) und deren Folgenfür die Reputation. Joachimsthaler lächeltsolche Bedenken weg. Er ist schon lange imMarketing, das merkt man. In Fehlern siehter eine Chance. Diese verhindern zu wollen,ist für ihn Negativdenken. «Wir müssen Feh­ler machen. Das Tolle an dieser neuen Weltist, dass man sehr viel mehr experimentierenkann als früher», ergänzt er.

Experimente sind potenziell teuer. DieRessourcen für solches Marketing sind aberinsbesondere bei kleineren und mittlerenUnternehmen (KMU) beschränkt. Daraufangesprochen hat Joachimsthaler einmalmehr eine passende Antwort parat. «Vieledieser neuen Technologien sind zutiefstdemokratisierend.» Damit eröffneten sichgerade für Mittelständler Wachstumschan­cen. Als Beispiel nennt er Netflix. Die Firmaist zwischenzeitlich im Streaming von Vi­deos zu einer namhaften Grösse herange­wachsen. Mit sehr wenig Geld und beschei­dener Technologie habe es Netflix geschafft,Konkurrent Blockbuster in den Ruin zu trei­ben. Blockbuster war die ehemals grössteVideothekenkette der USA und musste imJahr 2010 Insolvenz anmelden.

Genau das bringt den digitalen Darwi­nismus gemäss Joachimsthaler auf denPunkt. Er birgt das Potenzial für neue, inno­vative Unternehmen, sich zu etablieren.Gleichzeitig sind konventionelle Markengefährdet, in der Versenkung zu verschwin­den, weil sie sich angesichts des Wandels

Es ist höchsteZeit für FehlerDigitaler Darwinismus Traditionelles Marketing hatausgedient. Der Konsument will nicht nur reagieren.er will teilhaben und mitmischen. Das fordert Firmen.

ViValdi paRTNeRS

Von American Express über Rivella bis UBSGlobal in einer zunehmend vernetztenWelt entwickelt die Vivaldi PartnersGroup starke Marken, entfacht innova­tionen und transformiert Geschäfts­modelle. Gegründet wurde das globalführende Unternehmen in der Strategie­und Marketingberatung mit Sitz in Newyork im Jahre 1999 vom Deutschenerich Joachimsthaler, renommierterMarketingexperte und Vordenker. DieSchwerpunkte im leistungsangebotliegen bei Customer insights, Marketing,brandstrategie im digitalen Kontextund Strategieimplementierung, stetsmit einem Fokus auf greifbare resultate.

National Die Schweizer Niederlassung inZürich wird von roland bernhard gelei­tet, der als Senior Partner auch im welt­weiten Führungsteam ist. er hat Dutzendevon Projekten in unterschiedlichstenbranchen im in­ und Ausland geleitet.Vor seiner beraterkarriere war er unteranderem globaler CMO von red bull.

Kunden Zu den Kunden des Dienstleis­ters Vivaldi Partners zählen namhafteund zukunftsgerichtete Unternehmenwie American express, bMW, Colgate,lego, lonza, Migros, rivella, SAP, Smallluxury Hotels of the World oder UbS.

«das Tolle an der neuenWelt ist, dass man mehrexperimentieren kann.»

Erich JoachimsthalerChef, Vivaldi Partners, New york

Page 11: HZ Special «Marketing»

Special MaRKeTiNG

nicht behaupten können. Dienstleister wiedie Vivaldi Partners Group braucht es lautderen Vordenker, weil sich deren Kundenin einem Chaos von neuen Technologienzurechtfinden müssen. Oft würden dieseTechnologien jedoch gar nicht zusammen-passen. «Somit braucht es jemanden, derdie Spreu vom Weizen trennt und hilft, diegröbsten Fehler zu vermeiden.»

Hierzulande VerbesserungspotenzialAuch in der Schweiz ist die Thematik der

digitalen Transformation angekommen, wieeine 2014 veröffentlichte Studie des Wirt-schaftsprüfungs- und Beratungsunterneh-men KPMG zeigt. Umso überraschender istjedoch, dass die 30 anlässlich der Erhebungbefragten Firmen aus verschiedenen Bran-chen weder eine einheitliche Digitalstrate-gie haben noch künftig planen, eine solche

zu implementieren. Vielmehr werden digi-tale Initiativen in bestehende Geschäfts-,Informatik- und Marketingstrategien inte-griert. Über 50 Prozent der Befragten gebenzudem an, eine grosse Herausforderung imdigitalen Kulturwandel sei ein fehlendes an-gemessenes Budget. Dazu ins Bild passt dieTendenz in der Schweiz, auf die Schaffungder Position eines Chief Data Officer (CDO)zu verzichten. Stattdessen soll es eine ver-stärkte Kooperation von Informatik- undMarketingabteilung richten.

Gekonnt in den Dialog mit ihren Kundengetreten ist die Migros – auch Joachimstha-lers Kunde – mit ihrer Online-Konsumen-ten-Plattform Migipedia. Darauf könnenKunden Meinungen austauschen und sichaktiv in die Produktinnovation einbringen.Bisher scheint die landesweit einzigartigePlattform ein voller Erfolg zu sein. Bereits

mehr als 50 Produkte sind über die Migi-pedia-Community entwickelt worden.

Joachimsthaler hält drei Faktoren fürentscheidend, um sich gekonnt an die digi-tale Transformation anzupassen: Daten,Technologien und Analysen. Unternehmenmüssen Daten sammeln, analysieren undzum eigenen Vorteil nutzen. Das Marketingder Zukunft stellt den Menschen in denFokus. Denn letztlich sind es Menschen, dieMärkte schaffen. Ihren Puls zu fühlen, istalso zentral. Das Ende der traditionellenWerbung ist eingeleitet. Oder wie es Joa-chimsthaler formuliert: «Werbung ist heut-zutage ein Nebenschauplatz.»

Sibylle Müller absolviert während des LehrprogrammsWirtschaftsjournalismus am Institut für Medien- undKommunikationsmanagement der Universität St.Gallenein Praktikum auf der Redaktion der «Handelszeitung».

aNzeiGe

Page 12: HZ Special «Marketing»

Swiss Poster Award 2014 Kategorie «Commercial Local and Regional»

GoldPlakatsujet:

«Otrivin-Blumen»Auftraggeber:

Novartis, RotkreuzWerbeagentur:

Y&R Group, Zürich

SilberPlakatsujet:

«Badi-Lancierung»Auftraggeber:

Haus Hiltl, ZürichWerbeagentur:Ruf Lanz, Zürich

BronzePlakatsujet:

«Maximal reduziert»Auftraggeber:

OBI, SchaffhausenWerbeagentur: Jung vonMatt/Limmat, Zürich

12 handelszeitung | Nr. 12 | 2015

Special MaRKeTiNG

Page 13: HZ Special «Marketing»

Special MaRKeTiNG

Holger rust

Nach anderthalb JahrzehntenManagementforschung, Be-ratung und publizistischerRecherche, nach Hundertenvon Gesprächen mit Füh-

rungspersönlichkeiten, Nachwuchskräftenund Ehemaligen gab es eine relativ einfacheAntwort auf die Frage nach den Urgründendes Erfolgs. Erfolgreich sind in der Regel die,die zwei auf den ersten Blick widerstreiten-de Aufgaben zu verknüpfen wissen.

Erstens: Die Sicherung von Routine undPlanbarkeit im Unternehmen und dieEntwicklung angemessener Kennzahlen fürdie Beziehungen zu Wettbewerbern undKunden mithilfe von kreativ angewendetenModellen, Performance-Measurement-Sys-temen, Programmen und aktuellen Kombi-nationen von Hardware und Software.

Zweitens: Die Förderung ungezügelterFlexibilität für die Fälle, in denen alle Sicher-heiten und Planungen obsolet werden,um schnell mit der gesamten intellektuellenPotenz des Unternehmens auf unerwarteteHerausforderungen reagieren und exklusiveChancen erkennen zu können.

Die herrschende Tendenz im Manage-ment ist aber nun, die zweite Aufgabe mitden formalen Ideen der ersten Aufgabe an-zugehen. Dies umso mehr, als gegenwärtig

(wieder einmal) ein einschlägiges Heilsver-sprechen kursiert, das mit einer ultimativenKombination aus Hardware und Softwareeinen geradezu mystischen Automatismusbeim Blick in die Zukunft ermöglichen soll –Big Data und die Decodierung des Homoalgorithmicus. Das Problem ist nur, dass

trotz der ebenso aufgeregten wie anregen-den Diskussion nicht einmal klar ist, womitman es da zu tun hat, auch und vor allemnicht nach Durchsicht von Hunderten aktu-eller Stellungnahmen, Analysen, Angebote,Kritiken und Projekte zum Thema. Was alsocharakterisiert Big Data?

Da ist noch viel Raum für WeiteresSchon bevor die Diskussion irgendwie

virulent wurde, beschäftigten sich vieleUnternehmensberatungen mit Data Miningals Rückgrat der Business Intelligence. Beidieser Suche stösst man auf einen Ansatz,der durch drei Worte charakterisiert war, diealle mit V beginnen. Sie stammen aus einerStudie der Meta Group und lauten: Volume,Velocity und Variety. Solche Wortfolgen, diealle mit derselben Initiale beginnen, sind inder Management-Ratgeberliteratur beliebt.Deshalb folgten geradezu zwanghaft in dennächsten anderthalb Jahrzehnten in unsys-tematischer Reihenfolge Veracity, Viability,Value, Visibility, Visualization, Volatility undein reanimierter Begriff aus der klassischenSozial- und Marktforschung namens Validi-ty, sprich der Nachweis, dass das, was manzu messen vorgibt, auch gemessen wird.

Nun ist das Problem aber, dass sich diesedefinitorischen Fingerübungen nicht mitdem Prinzip selber auseinandersetzten,sondern nur eine Beschreibung liefer-

«Je ne cherchepas, je trouve»Big Data Noch geht es um die Decodierung desHomo algorithmicus. Doch ohne neue Impulsedroht der Wirtschaft die spirale des stillstands.

}

Das problem ist nur, dass trotzder ebenso aufgeregten wieanregenden Diskussion nochnicht klar ist, was Big Data ist.

fotolia

aNzeiGe

Page 14: HZ Special «Marketing»

14 handelszeitung | Nr. 12 | 2015

Special MaRKeTiNG

ten. Dabei geriet aus dem Blickfeld, dassdie Dinge des Lebens ebenfalls in zweiGruppen eingeordnet werden müssen: Indie, die berechenbar sind (sich also in Datenoffenbaren), und in die, die es nicht sind.

Das Muster wiederholt sich. Mittlerweileist wohl klar, dass Big Data ein geniales undtiefschürfendes Konzept für die Decodie­rung verborgener Routinen ist, die sich inunstrukturierten Daten äussern und aufderart charakterisierten Gebieten zu un­glaublichen Erkenntnissen führen können –in der Geophysik, den Life Sciences, derMeteorologie, den Earth Data, bei derVorhersage von Epidemien und Naturkata­strophen, ja auch sogar in den Handlungs­

feldern, in denen Menschen Routinenfolgen wie etwa in der Mobilität oder beiökologischen Verhaltensweisen.

Kritisch wird es nun aber bei den vola­tilen Ausdrucksaktivitäten in Mode, Stil,Ästhetik, Essen oder Interieurs und der un­aufhörlichen Kommunikation über all das.Wenn man schon von Big Data spricht – hierfindet man ein Beispiel: Hunderte MillionenBlogs mit Postings und Repostings, Modifi­kationen und Transformationen, auf denensich Abermillionen Individuen austauschen,meist mit Bildern und Filmen, stets in Bewe­gung, jedem Algorithmus vorauseilend.YouTube, Twitter, Tumblr, Pinterest, Insta­gram, Google+, Flickr und ungezählteandere Blogs und Plattformen. In jeder Se­kunde kann irgendjemand eine Kaskade mitglobalen Auswirkungen lostreten. Ob es sichnun um den amüsanten Unsinn der Modehandelt, sich mit Pulverfarben zu bewerfen,oder ein Musikstück, das völlig unerwartetzum Millionenseller avanciert.

Immer ein Echo der analogenWeltDoch die Versuchung ist gross, auch das

alles ins masslose IT­System einzufüttern:Die Bilder und Filme und Facebook­Ein­träge, die Dates in Freundes­Netzwerken, zuverknüpfen mit RFID, Meldungen der Sen­sortechnik aus dem Internet der Dinge, umes dann mit Hadoop und HDFS und Map­Reduce und anderen Zauberwerken in denDatenfarmen durchzukämmen, um unge­ahnte Korrelationen zu entdecken, schliess­lich auf dieser Grundlage Produkte undDienstleistungen vor allem im Hinblick aufeine Funktion zu entwickeln: Daten zugenerieren, mit deren Hilfe die Produkteund Dienstleistungen noch geschmeidigerauf die durch diese Daten identifiziertenBedürfnisse zugeschnitten werden können.Und immer so weiter. Datafication.

HolGeR RuST

Ein Kritiker derTrendforschungPerson Der Deutsche Holger Rust(68) ist Professor für Wirtschafts-soziologie. Er war und ist anverschiedenen Universitäten desIn- und Auslandes tätig, bekleideteeine Reihe von verantwortlichenPositionen in Unternehmen, istWissenschaftlicher Berater vonmittelständischen Unternehmenund Grosskonzernen. Rust gilt alsKritiker der Trendforschung und derManagementforscher. Einer breitenÖffentlichkeit ist er als Autor fürrenommierte Tageszeitungen undMagazine bekannt, darunter dasdeutsche «Manager Magazin»,wo Rust mehrere Jahre exklusiv alsPublizist tätig war, und der«Harvard Business Manager», indem seit 2008 seine monatlicheWirtschaftskolumne erscheint.

Inhalt Die diesem Beitrag zugrundeliegende Forschung untersuchtedie Dynamik der Entwicklung vonGeschmackskulturen im Internet.In fünf Research Units aus jungenNachwuchssoziologen (DigitalNatives) wurden die Welt der Blogsund die Methoden ihrer Analysedurchforstet. Die Daten, Gespräche,Bildsequenzen und Iterationen vonMotiven befinden sich gegenwärtigim Prozess der Auswertung.

} Und dann? Dann könnte ein kleines Pro­blem entstehen. Die Wirtschaft geriete ineine Spirale des rasenden Stillstands, weilsie keine unerwarteten Impulse mehr zuverarbeiten hätte. Man vernachlässigt jenezweite Aufgabe – den produktiven Zweifeldaran, ob (Validity!) die digitalisierten Datenals Indikatoren für Handlungsoptionen inder analogen Welt taugen. Man erläge derVerführung, jeder algorithmisch plausiblenKonstellation zu folgen, statt etwas zu fin­den, das man gar nicht gesucht hat. So, wiees Picasso auf eine Frage nach den Ursprün­gen seiner Ideen einmal formulierte: «Je necherche pas, je trouve.» Man kann nun nichtgerade sagen, dass sein Geschäftsmodellwenig Erfolg hatte. Früher nannte man dieEinfälle, die sich so ergaben, Serendipität.Geboren aus Berechnung und Phantasie.Von Menschen mit Begabung für beides.

Plötzlich finden wir wieder den Verweisauf eine Qualifikationskultur, die nur nochan wenigen Bildungsstätten gepflegt wird,vom Physiker und Romancier Charles PercySnow im Mai 1959 in einer hellsichtigenRede an der University of Cambridge «ThirdCulture» genannt. Er beklagte damals diewechselseitige Arroganz der Natur­ undGeisteswissenschafter, die aus fachegoisti­schen Gründen die grossen Möglichkeiten

gemeinsamer Problemlösungen torpedier­ten. Dass der Hinweis auf diese alte Redekeineswegs nur ein zufälliges, opportunesFundstück darstellt, belegt ein Beitrag der«Financial Times» im Mai 2009 zum 50. Jah­restag von Snows Vortrag. Der zähle zu denwichtigsten des 20. Jahrhunderts.

Dennoch liegt in diesem intellektuellenKonzept ein Impuls – für den Moment näm­lich, in dem die wolkigen Daten nun irgend­wie systematisiert auf dem Bildschirm er­scheinen und sich die Frage aufdrängt, wassie bedeuten. Dann wird schnell klar, dassdie Mathematik ihre wahre Eleganz erst ent­faltet, wenn ihre Potenziale für die erste Auf­gabe im Unternehmen ausgeschöpft sind:Die Grenzen der Berechenbarkeit zu offen­baren, den Punkt sichtbar zu machen, andem die zweite Aufgabe beginnt.

Dem Management erwächst an dieserStelle eine personalpolitische Herausforde­rung. Drauf zu achten, dass die dringendgesuchten MINT­Absolventen kultursozio­logisch geerdet sind und begreifen, dass allesDigitale immer nur ein Echo der analogenWelt darstellt. Ihr verborgenes kulturellesBetriebssystem zu verstehen, ist die Voraus­setzung dafür, Daten – wie «big» sie auch im­mer sein mögen – richtig zu interpretieren.

Früher nannte man einfälle,die sich zufällig ergaben,Serendipität. Geboren ausBerechnung und phantasie.

in jeder Sekunde kannirgendjemand online

eine Kaskade mit globalenauswirkungen lostreten.

Page 15: HZ Special «Marketing»

Special MaRKeTiNG

HWZ.Exzellente Weiterbildung.

Marketing:n Executive MBA – Marketingn CAS Brand Leadershipn CAS Customer Intelligencen CAS Luxury Management

Kommunikation:n MAS/DAS Business Communicationsn CAS Corporate Communicationsn CAS Marketing Communications

Karrierebegleitend weiterbilden. Direkt beim HB Zürich.Bis zu 100 % Arbeitstätigkeit möglich.

fh-hwz.ch

NewS} GfM BRuSh up

«Hot Mobile Marketing» mit Raj Venkatesan

}MaRKeTiNGpReiS

Firmen nominieren, Benedikt Weibel hören

} havaS BRaNd pRedicToR

Diesen Marken gehört inder Schweiz die Zukunft

Ranking Die Top-Marke der Schweiz indiesem Jahr ist Migros vor M-Budget undNespresso. 2014 lautete das RankingM-Budget vor Migros und Google. Die Top-Marke der Schweiz in zwei Jahren wirdMigros vor Ikea und Google sein. 2014 warNespresso vor Google und iPad positio-niert. Zu diesem Schluss kommt die vierteBrand-Predictor-Studie der WerbeagenturHavas Worldwide Switzerland, deren Re-sultate der «Handelszeitung» exklusivvorliegen. Unterschieden wird nach denKriterien Vertrauen und Dynamik – inKombination beider Kategorien ergebensich die Top-Marken. Eine Besonderheitdes Rankings ist, dass Trendsetter als soge-nannte Brand Predictors die Top-Markenvon morgen schon heute eruieren. Laut ih-rer Wertung ist 2017 Migros die vertrauens-würdigste Marke vor Toblerone und Cho-colat Frey. Die dynamischste ist Ikea, vorMigros und WhatsApp. Was die Gegenwartbetrifft, ist Migros die vertrauenswürdigsteMarke, gefolgt von Toblerone und ChocolatFrey. Punkto Dynamik schwingt dieses JahrM-Budget obenaus, gefolgt von YouTubeund Zalando. Für die aktuelle Ausgabe derBrand-Predictor-Studie wurden im Auftragvon Havas in der Schweiz 4145 Personen zu560 in- und ausländischen Marken befragt.

www.brandpredictor.ch

Vorlesung Am Freitag, 5. Juni 2015,präsentiert die Gesellschaft fürMarketing (GfM) Raj Venkatesan,Marketingprofessor und Inhaberdes Lehrstuhls als Bank of AmericaResearch Professor of Business Ad-ministration der Darden School ofBusiness an der University of Virgi-nia in Charlottesville (USA). AmGfM Brush Up von 8 bis 9 Uhr imAuditorium der Hochschule fürWirtschaft Zürich (HWZ) referierter auf Englisch zum Thema «HotTopics in Mobile Marketing». Die

Teilnahme für GfM-Mitglieder istkostenlos, Nichtmitglieder bezahlen100 Franken. Anmelden kann mansich online via Website der GfM.

Verleihung Seit 1984 würdigt dieGesellschaft für Marketing (GfM) mitihrem «Jahrespreis der Stiftung fürMarketing in der Unternehmens-führung» jeweils ein schweizerischesUnternehmen, das sich fortwährenddurch herausragendes Wirken ausge-zeichnet hat. Ab sofort können biszu drei Firmen als Kandidaten vor-geschlagen werden. Das Formularfindet sich online unter der Landing-pagemarketingpreis.ch/nominie-

rung. Danach kürt eine Fachjury un-ter Leitung von IMD-Professor StefanMichel den Gewinner – vergangenesJahr war es Swisscom. Der Marke-tingpreis wird zum 31. Mal am Diens-tag, 27. Oktober 2015, im LuxushotelThe Dolder Grand in Zürich verlie-hen. Vor der Gala findet die 74. Gene-ralversammlung der GfM statt, an derder ehemalige SBB-KonzernchefBenedikt Weibel das Gastreferat hal-ten wird. Teilnahme auf Einladung.

aNzeiGe

Page 16: HZ Special «Marketing»

16 handelszeitung | Nr. 12 | 2015

Special MaRKeTiNG

John-oliver Breckoff undPatrick Pfäffli

Der seit der Aufhebung derEuro-Bindung noch stärkeraufgewertete Franken undseine Auswirkungen auf dieExporte von Schweizer Unter-

nehmen in das Euro-Gebiet ist zurzeit in allerMunde. Doch auch Anbieter von aus demEuro-Gebiet in die Schweiz importiertenProdukten sind hiervon betroffen. Was füreinen Einfluss hat die Frankenstärke zumBeispiel auf das Pricing (Preisgestaltung)?

Hierzu die damals aktuelle Kommunika-tion einer sehr hochpreisigen Boutique ausZürich für Mode von internationalen Top-Designern: «Aufgrund des starken Frankens

und des damit verbilligten Einkaufs werdenwir unsere Preise entsprechend reduzieren.Da wir bereits im vergangenen Dezemberunsere georderte Ware mit einem prozen-tualen Anteil angezahlt haben, können wirleider nicht über die gesamten Kosten vondem neuen Wechselkurs profitieren, denverbleibenden Anteil geben wir jedoch zu100 Prozent an unsere Kunden weiter.»

Das Unternehmen, das starken Wert aufKundenorientierung und Kundenbindunglegt, verfolgt offensichtlich den Grundsatzder Preisfairness und Preistransparenz.Eine sinnvolle und mit der Kunden-orientierung konsistente Win-Win-Strate-gie, die ohnehin schon hohen Margen nichtnoch weiter auszureizen, sondern unter-stützt durch eine vorbildliche Preiskommu-nikation lieber in eine vertiefte Kundenbin-dung zu investieren, um das hohe Preispre-mium ebenfalls in Zukunft abzuschöpfen.

Übergreifendes FrameworkDoch es sind nicht einzelne gute Ideen,

wie hier im Bereich der Preisfestlegung oderPreiskommunikation, die ein Unternehmenzur Price Excellence führen. Es sind die rich-tigen Entscheidungen in allen preisrelevan-ten Themen wie Preisstrategien, -modellenund -management. Sie – das liegt auf derHand – können nicht isoliert voneinanderbetrachtet werden, sondern sie bedingen

sich vielmehr gegenseitig. Dementspre-chend ist es hilfreich, wenn den für Preisent-scheidungen verantwortlichen Managernein übergreifendes Framework zur Verfü-gung steht, also ein Gesamtsystem, das dieWirkungszusammenhänge der miteinanderverzahnten Preisthemen berücksichtigt unddem Management somit einen roten Fadenbietet für die erforderlichen Analysen, Kon-zeptionen und darauf beruhenden strategi-schen und operativen Preisentscheidungen(siehe QR-Code 1 auf Seite 17).

Preispsychologie in der PraxisEin Experiment an einem Theater zeigte,

dass die No-Show-Rate bei einer Aufführungbei Kreditkartenzahlungen zehnmal höherist als bei Cash-Zahlungen. Dieses Ergebnisist sowohl grundsätzlich als auch vom Aus-mass her überraschend. Der Mensch – unddas zeigt eine Vielzahl weiterer Erfahrungenund empirischer Erkenntnisse – entscheidetsich, so erscheint es auf den ersten Blick,oftmals sehr unlogisch. Zumindest ist seinVerhalten sicherlich nicht alleine aufgrundeiner Angebots-und-Nachfrage-Analyseund der gängigen mikroökonomischenTheorien erklärbar; vielmehr müssen psy-chologische Aspekte beigezogen werden,um scheinbar irrationale Verhaltensweisenvon Menschen zu erklären. EntsprechendePreisexperimente, die im Rahmen des soge-nannten Behavioral Pricing (Preispsycholo-gie), ein relativ junges und hoch-interessantes Forschungsgebiet, durch-

geführt werden, sind nicht nur für Wissen-schafter, sondern auch für Manager von ho-her Relevanz, da daraus direkt Preisstrategi-en abgleitet werden können.

Hierzu ein reales Praxisbeispiel: DieEinführung einer dritten, deutlich teurerenPreislage des Menüsortiments eines Schwei-zer Systemgastronomie-Anbieters erhöhteden Absatz der bestehenden zweiten Preisla-ge um 30 Prozent. Die dritte Preislage fun-gierte hier als sogenannter Anker, der diesubjektive Preiswahrnehmung des Kundenfür die zweite Preislage in Richtung «günstig»verschoben hat. Hier liegt es auf der Hand,diesen Effekt für eine Framing-Strategie aus-zunutzen, indem man Leistungsangeboteohne eigentliche Verkaufsabsicht anbietet,sondern bewusst lediglich als Frame (Anker)einsetzt, um dann den Absatz für ein ganzanderes Leistungsangebot, nämlich dasjeni-ge mit der besten Marge, zu steigern.

Klare PreispositionierungEine weitere grundlegende strategische

EntscheidungistdiederPreispositionierung.Interessant, aber auch anspruchsvoll ist dieTiefpreispositionierung. Diese ist jedochnicht mit schlichten Preissenkungen zu ver-wechseln, wobei ein Unternehmen, bei demdie Voraussetzungen für eine durchhaltbareTiefpreisstrategie gar nicht vorliegen, ineinem Markt mit einem seit langem etab-lierten Preisgefüge plötzlich die Preisesenkt, was häufig zu abwärtsdrehendenPreisspiralen und letztlich zu gefürchteten

Innovative PreismodellePrice Excellence Strategien zur Steigerung der Profitabilität – trotz frankenstärke.

Nicht einzelne gute ideen führenzur price excellence, sondern

die richtigen entscheidungen inallen preisrelevanten Themen.

BuchTipp

Praxistauglich für operatives TagesgeschäftKommentar «Mit dem Buch‹Price excellence› ist es Pfäffli,Breckoff und Michel gelungen,ein extrem praxistauglichesframework zu schaffen, dasnicht nur als Basis für strate-gisch-konzeptionelle diskussio-nen über die Preisgestaltungeingesetzt werden kann, son-dern von grossem nutzen imoperativen tagesgeschäft ist», sagt Jean-Marc Grand, Geschäftsführer der GfM.

Patrick Pfäffli Partner, verwaltungsratund Miteigentümer, input consulting aG.referent für Price excellence. Seit 20Jahren Beratung von Schweizer unter-nehmen im Bereich Strategie, Marktorien-tierung, Pricing und Servicemanagement.

John-Oliver Breckoff Selbst-ständiger unternehmensberaterin den Bereichen Strategie,reorganisation/changemanage-ment und strategisches Marke-ting, vorher GeschäftsleitenderPartner, input consulting aG.verwaltungsrat, Spain activeaG. dozententätigkeit an derhochschule luzern (hSlu) für

Sales and distribution Management.

Stefan Michel Professor für Marketingund Service Management am iMd inlausanne. Präsident des Stiftungsratesder Gesellschaft für Marketing (GfM).

«Price excellence» von Pfäffli, Breckoff und Michel,368 Seiten, versus verlag Zürich, 69 franken.

John-Oliver Breckoffständiger unternehmensberaterin den Bereichen Strategie,reorganisation/changemanage-ment und strategisches Marke-ting, vorher GeschäftsleitenderPartner, input consulting aG.verwaltungsrat, Spain activeaG. dozententätigkeit an derhochschule luzern (hSlu) für

9

9

2

12

170

110

45

38

90

12

12

12

12

9

69

Patrick Pfäffli · John-Oliver Breckoff · Stefan Michel

Price ExcellenceStrategien zur Steigerung

der Profitabilität

VER

SU

S

Page 17: HZ Special «Marketing»

17handelszeitung | Nr. 12 | 2015

Special MaRKeTiNGSpecial MaRKeTiNG

Preiskriegen führt, weil Konkurrenten sichgezwungen sehen, nachzuziehen, um ihrenMarktanteil zu verteidigen. Eine Tiefpreiss-trategie zeichnet sich hingegen durch einhierauf abgestimmtes Geschaftsmodell aus(QR-Code 2 auf Seite 17).

Ryanairs RentabilitätRyanair ist ein gutes Beispiel für eine er-

folgreiche Tiefpreisstrategie. Der Preis fürdas reine Flugticket – ohne Flughafengebüh-ren, Kerosinzuschlag und Servicepauschale– kann bei Ryanair bis auf null runtergehen.Die hierfür erforderlichen extrem niedrigenKosten erzielt Ryanair durch Anflüge vongünstigen Flughäfen ausserhalb der grossenStädte, Beschränkung auf einen Flugzeug-typ und damit Rabatte bei der Beschaffungund Einsparungen in der Wartung, höhereKapazitäten durch zusätzliche Sitzreihenund dadurch höhere Kosteneffizienz proFlug, Reduktion des Service und damit Ein-sparungen beim begleitenden Flugpersonal.

Allerdings ist Ryanair in letzter Zeitwegen ihres zum Teil rüden Umgangs mitKunden und mehrerer Vorfälle in Bezug aufdie Flugsicherheit verstärkt in die Negativ-schlagzeilen geraten. Auf Facebook existie-ren gegenwärtig sieben Ryanair Hate Pagesmit Tausenden von Likes. Ryanair-Pilotenmussten wiederholt bei den Fluglotsen umeine Änderung der Anflugsequenz ersu-chen, weil das Kerosin knapp wurde. Ryan-air betankt ihre Flugzeuge mit möglichstwenig Kerosin, um somit Gewicht und da-mit Treibstoff zu sparen. Ebenso öffentlichdiskutiert wurden 2010 die Ideen von Ryan-air-Konzernchef Michael O’Leary, Steh-plätze anzubieten, die Toiletten von drei aufeine zu reduzieren sowie WC-Türen einzu-

bauen, bei denen die Fluggäste 1 Pfund ein-werfen müssen, um das Klo zu benutzen.

Dennoch hat Ryanair mit dieser Strategie2013 einen Umsatz von rund 4,9 MilliardenEuro bei einem Ebit von 718 Millionen aus-gewiesen, das entspricht einer Umsatzren-dite vor Steuern von 14,7 Prozent. Zum Ver-gleich: Die Lufthansa-Tochter Swiss erzielte2013 mit einem etwas grösseren Umsatz von

5,2 Milliarden Franken einen weniger alshalb so grossen Ebit von 264 Millionen.Das entspricht einer Umsatzrentabilitätvor Steuern von 5,1 Prozent, also lediglicheinem Drittel des Wertes von Ryanair.

Learnings für PreisprofisZahlreiche Unternehmen haben mittler-

weile das grosse Potenzial gut gemanagterPreise erkannt. Doch wie gelangt man zurPrice Excellence? Dorthin führt ein konti-nuierlicher Prozess der ständigen Verbesse-rung aller im Framework dargestellten The-men. Preisprofis haben dies verinnerlichtund weisen drei herausstechende Merkmaleauf, die sie in der Praxis erfolgreich machen:

1. Preisprofis geben Preisentscheidungeneine überaus hohe Management Atten-

tion. Sehr oft sind sie bei Preisprofis vomChef initiiert oder unterstützt. So meinteGeberit-Konzernchef Albert Baehny einst:

«Wer Pricing delegiert, es im schlimmstenFall dem Markt überlässt, wird über dasMittelmass nicht hinauskommen.»

2. Das zweite Kennzeichen von Preispro-fis ist deren Fähigkeit, nicht nur bes-

sere Preise festzulegen, sondern diese durchentsprechende Verhandlungstaktiken und-techniken und eine abgestimmte Preis-kommunikation im Markt auch durchzuset-zen. Investmentlegende Warren Buffett sagtdazu: «Wer die Preise erhöhen kann, ohneAufträge zu verlieren, hat ein sehr gutesUnternehmen. Und wer vor einer zehnpro-zentigen Preiserhöhung Stossgebete zumHimmel schicken muss, der hat ein misera-bles Unternehmen.»

3. Als drittes Element haben Preisprofisein ausgebautes System etabliert, wie

sie das nach aussen gerichtete Pricing inklu-sive der Preisdurchsetzung nach innen ver-ankert haben. So fördern ihre Anreizsystemedie Preisdurchsetzung, die Mitarbeiterverfügen über ein grosses Price-Know-how,Preisinformations- und -controllingsystemesorgen für die erforderliche Transparenz,die Preisverantwortungen sind klar geregelt.

Fazit: Das Management hat die Aufgabe,den Unternehmenswert nachhaltig zu stei-gern. Die Erreichung von Price Excellenceist dabei eine nicht einfache, aber effektiveStrategie zur Steigerung der Profitabilität.

QR-Code 1 QR-Code 2

Michael O’Leary: Der exzentrische Ryanair-Konzernchef liefert ein gutes Beispiel für eine erfolgreiche Tiefpreisstrategie, die auch rentabel ist.

Wer laut Warren Buffet vor einerpreiserhöhung Stossgebete zumHimmel schicken muss, der hatein miserables Unternehmen.

zvg

Page 18: HZ Special «Marketing»

Swiss Poster Award 2014 Kategorie «Public Service»

GoldPlakatsujet:

«Schneekristall»Auftraggeber:Suva, LuzernWerbeagentur:Ruf Lanz, Zürich

SilberPlakatsujet:

«Zündholz-Hand»Auftraggeber:Suva, LuzernWerbeagentur:Ruf Lanz, Zürich

BronzePlakatsujet:

«Hilfe schenken»Auftraggeber:HEKS, ZürichWerbeagentur:

Y&R Group, Zürich

18 handelszeitung | Nr. 12 | 2015

Special MaRKeTiNG

Page 19: HZ Special «Marketing»

19handelszeitung | Nr. 12 | 2015

Special MaRKeTiNG

Simon RehSche

Prominente in der Werbung sindein Evergreen. Ihr Potenzial fürdie Markenführung ist offen-sichtlich und verführerisch. Mitdem wachsenden Anspruch von

Konsumenten an Werbung ist die reine Plat-zierung von berühmten Gesichtern nebenLogos aber längst nicht mehr zielführend.Der wirkungsvolle Einsatz von Prominentenwird zum Prüfstein für Relevanz, Schärfeund Konsequenz einer Idee. Der vermeint-lich simple und in Fachkreisen zuweilenbelächelte Selbstläufer mit garantiertemErfolg wird zur grossen Herausforderung fürdie zeitgemässe Markenführung. Dies bietetauch vielseitige Potenziale, die nur selten inihrer ganzen Kraft realisiert werden.

Seit es Werbung gibt, gibt es Markenbot-schafter, sogenannte Testimonials. Gemässwissenschaftlichen Analysen setzen 20 bis25 Prozent aller Kampagnen auf prominenteProtagonisten. Vom Alt-Skirennfahrer, dereiner Automarke Authentizität verleiht undfür die Verlässlichkeit von Leistungsverspre-

chen bürgt, über Ex-Missen, die alles Mög-liche mit einem Hauch Begehrlichkeit an-reichern, zum Schauspieler, der Kaffee zumSymbol alltagskompatibler Luxusmomentemacht. Markenverantwortliche suchen Ver-trauenswürdigkeit, Erfolg und Attraktivitätpopulärer Bekanntheiten als positive Trei-ber für das Brandimage. Dies verstärkt denfunktionalen Nutzen beworbener Produkteemotional mit Glaubwürdigkeit oder lädtihn mit zusätzlicher Begehrlichkeit auf.

Wir alle brauchen TestimonialsMenschen sind von der Komplexität

unserer Welt überfordert. Heute mehr dennje. Und das gilt nicht nur für Kaufentscheide.Rollenmodelle und Vorbilder waren undsind für das menschliche Hirn effizienteStrategien, um Komplexität zu bewältigen.Testimonials spielen deshalb nicht nur inder Werbung eine wichtige Rolle, sondern inunserem gesamten Alltag. Schon bei derImitation von Handlungen im Sandkasten,später beim Prüfen der Referenzen von Stel-lenbewerbern oder der Beobachtung vonKonsumentscheiden unseres Umfelds ler-

nen wir, dass Nachahmung und Orientie-rung an Vorbildern unser Leben verein-facht. Die Psychologie erklärt dies mit sozia-len Lerntheorien oder kognitiven Strategienzur Entscheidungsfindung bei Unsicherheit.

Mit den erwähnten Theorien können wirauch verstehen, wie Testimonialwerbungfunktioniert – und warum sich die oft will-kürlich wirkenden Summen für das Engage-ment Prominenter eben doch lohnen kön-nen. In Bezug auf die Potenziale lassen sichpraktisch alle Modelle zwei Clustern zuord-nen: Entweder wird das Ziel als die Ergän-zung von Attributen, bei denen der BrandDefizite aufweist, oder in der Vertiefung undFestigung bestehender Attribute betrachtet.Was für die Beurteilung der Eignung einesMarkenbotschafters der Bezugsrahmen ist,entscheidet allein die gegenwärtige Situa-tion, in der sich der Brand befindet.

Neben der Wahl von passenden Persön-lichkeiten verdient ein anderer Faktor abermehr Beachtung. Marken machen heuteden emotionalen Unterschied bei den meis-ten Konsumentscheiden. Ihre Kraft schwin-det jedoch, wenn Testimonials – die sich

Der epischstealler SpagateMarkenbotschafter immer mehr Unternehmen lassenberühmte oder weniger berühmte Testimonials für ihreBrands sprechen. ist das noch zeitgemäss?

Jean-claude van Damme: Das YouTube-Video «The most epic of Splits» von Volvo Trucks wurde 78 millionen mal angeschaut.

zvg

}

Page 20: HZ Special «Marketing»

GfM MarketingpreisNominieren Sie Ihre Favoriten fürden 31. GfM Marketingpreis bis zum30. April 2015

www.marketingpreis.ch

Swisscom – Marketingpreisträger 2014

Mobility – Marketingpreisträger 2013

FREITAG lab ag – Marketingpreisträger 2012

Page 21: HZ Special «Marketing»

21handelszeitung | Nr. 12 | 2015

Special MaRKeTiNG

schon lange selbst als Brand entdeckthaben und diesen konsequent pflegen – miteiner Markenbotschaft in Konkurrenz tre-ten. Häufig stehen Brands denn auch nichtwirklich im Zentrum, sondern werden vonTestimonials regelrecht kannibalisiert. Inder Literatur finden sich dazu Studien unterdem Stichwort «Vampire Effect». Diejenigen,die die Werbung finanzieren, laufen dannGefahr, zu reinen Sponsoren für deren Auf-tritt zu werden. Die Folge ist ein hoher Wertfür den Werbe-Recall für das Testimonial,der ohne Markenzuordnung aber fehl-investiertes Geld bedeutet.

Darum ist es heute (auch) für die Wer-bung mit Testimonials essenziell, dassMarken eine eigene und klare Idee zurBotschaft machen. Testimonials dürfennicht als eine einfache Alternative zur Ideebetrachtet werden, sondern sind vielmehreine grosse Chance für ihre Aktivierung.Wer Prominente nicht nur zur Dekorationgekaufter Werbeflächen und als ohnehinmeist unglaubwürdige Referenz nutzt, ge-winnt. Wer aufmerksamkeitsstarke Prota-gonisten mit der eigenen Story interagierenlässt, verleiht dem Markenversprechen mehrKraft. Testimonials sollten ein Markenver-sprechen in einer überraschenden Art undWeise erleben. Dies muss in der werblichenDramatisierung keineswegs immer rea-listisch, aber in der Story klar und damitnachvollziehbar sein.

Die vier ErfolgsfaktorenDie Werbung mit Testimonials unterliegt

einem spezifischen Wandel, den folgendeinteressante Aspekte veranschaulichen:

1. Prominente sind auch online berühmt.Sie erzielen über ihre Fans, Likes und

Followers in sozialen Netzwerken Reich-weiten, die sie als zielgruppenspezifischesMedium wertvoll machen. Wie man dies alsMarke nutzt, ist nicht nur eine vertraglicheFrage. Marken, die ihren Testimonials mitattraktiven Kampagneninhalten dabei hel-fen, ihre Anhänger zu unterhalten, lieferndankbaren Content.

2. Neue Formen von fortlaufendemCampaigning über das gesamte Jahr

hinweg ermöglichen es, Testimonials nichtnur punktuell zu inszenieren,sondern ihre Rolle mit einerStory zu entwickeln. Dadurchkann Vertrauen und Akzep-tanz für die Zusammenarbeitgeschaffen werden.

3. Steigende Ressourcen fürnicht direkt produkt-

gekoppelte Markenführungermöglichen es, dass sich Tes-timonials mit Markenwertenund Markenpersönlichkieten auseinander-setzen. Daraus entstehen kommunikativeAngebote, die nicht nur Produktvorzügezelebrieren und so mehr Potenzial haben, insich selbst für Zielgruppen attraktiv zu sein.Entertainment-Angebote vermögen Kon-sumenten über die vermehrt kurzlebigenProduktlebenszyklen hinaus langfristig anMarken zu binden, was direkt verkaufsorien-tierter Werbung schwerer fällt.

4. Prominenz wird zunehmend ein frag-mentiertes Konzept. Über soziale

Medien wie YouTube erlangen Persönlich-keiten innerhalb von Szenen und kulturellenStrömungen eine Popularität, die massen-medial ohne Beachtung bleibt. Commu-nities fühlen sich durch den Einsatz ent-sprechender Testimonials verstanden undattestieren Marken Wertekongruenz undideologische Verankerung. Dies schafftneue Möglichkeiten für das Erschliessenvon über die Massenansprache schwer er-reichbaren spezifischen Zielgruppen.

Nicht nur Marken wachsenTestimonials sind weiterhin mehr oder

weniger sichere Garanten für Aufmerksam-keit und Sympathie. Die Austauschbarkeitsowohl von Produkten als auch von Marken-botschaftern erschwert aber den nachhaltig

erfolgreichen Umgang mit Letzteren. Werindes eine kommunikative Markenvisionfindet, die authentisch, relevant und diffe-

renzierend ist, und den Ein-satz von Testimonials an die-ser orientiert, wird dem Brandauch in Zukunft einen Gefal-len tun. Dies garantiert zudem,dass Marken die Hauptrollebehalten, was gleichzeitig fürTestimonials spannender istals reine Präsenz. So könnensie ihr Image mit Facettenerweitern, die ihnen in ihrer

standesgemässen Domäne so nur schwerzugänglich sind.

Eindrücklich wurde dies vor eineinhalbJahren bewiesen, als die Konsumenten ihreLiebe zum als Schauspieler nicht mehr ganzso gefragten Jean-Claude van Damme alsMarkenbotschafter für schwedische Last-wagen neu entdecken konnten (siehe Bildauf Seite 19). Beispiele für solche Testimo-nialstrategien gibt es auch in der Schweiz. Solernen hiesige Konsumenten den bestenSchweizer Tennisspieler aller Zeiten zurzeitüber die Kommunikation eines Telekom-munikationsanbieters in einem Kontext ken-nen, der sonst nicht mit ihm assoziiert wird.

Wenn dieser Kontext nicht einfach nurlustig ist, sondern durch ein in Erinnerungbleibendes Markenversprechen entsteht,begünstigt das Einzigartigkeit und nachhal-tige Differenzierung. Und wenn die so ge-schaffenen Assoziationen auf Imageebeneauch noch auf Produktebene relevant sind,so sind alle Kriterien für gute Testimonial-werbung erfüllt. Mit anderen Worten: Sielohnt sich. Für die Stärkung der Marke, denVerkauf – und für das Testimonial.

Simon Rehsche, Strategy Director, TBWA, Zürich. DieWerbeagentur verantwortet etwa die Kampagnen vonSunrise mit ihrem Markenbotschafter Roger Federer.

George Clooney: Der Weltstar unter den Markenbotschaftern wirbt für Schweizer Nespresso.

zvg

Wer prominentenicht nur zur

Dekoration vonWerbeflächen

benutzt, gewinnt.

}

TeSTiMoNialS

Bis eine halbeMillion im JahrKostenWas sich Unternehmen ihreMarkenbotschafter kosten lassen,lässt sich nicht generell beziffern.Die bestimmenden Faktoren dafürsind der Marktwert, die Einbindungund die Dankbarkeit. In der aktuel-len Studie von Advant Planning zurWirksamkeit von Sporttestimonialswird spekuliert, dass mehr als11 Prozent der Deals in Österreich,der Schweiz und Deutschland über500000 Euro kosten – und dasallein an jährlichen Aufwendungen.

Page 22: HZ Special «Marketing»

Special MaRKeTiNG

Cyrill Hauser

Die Digitalisierung der Gesell-schaft hat das Informations-verhalten und damit die An-forderungen an das Marketingnachhaltig verändert. Bei eta-

blierten Push-Massnahmen wird es immerteurer, die gleiche Anzahl Personen zu errei-chen. Zudem verliert Paid Media durch dieungebremste Fragmentierung der analogenund digitalen Medien weiter an Relevanz.Der Konsument von heute bewegt sich aktivin einer vernetzten Welt und sucht primärnach Inhalten, die sein Bedürfnis nachInformation oder Unterhaltung decken.Was heisst das für die Marketing- und Kom-munikationsverantwortlichen? Unterneh-men und Marken, die im digitalen Raumnicht zu relevanten Themen auffindbarsind, werden für die Nutzer zunehmendunsichtbar.

Dies haben viele Firmen erkannt. AusMarken werden immer öfters Medien: Stattin Werbezeiten zu investieren, bauen Unter-nehmen eigene Informations- und Unter-

haltungsangebote auf. Bekanntestes Bei-spiel ist die Marke Red Bull, die konsequentdie Sparte Extremsportarten besetzt. Aberauch der Haarkosmetikhersteller Schwarz-kopf hat mit seiner kompromisslosen Aus-richtung der Webplattform auf das ThemaHairstyling beachtliche Erfolge erzielt.

Obschon der Begriff Content Marketingerst nach der Jahrtausendwende erstmals inder Fachliteratur auftaucht, ist das Konzept

bereits über 120 Jahre alt. Denn schon1891, als Dr. Oetker auf der Rückseite seinesBackpulvers Rezeptvorschläge druckte, ginges bereits um die Vermarktung von Inhalten.Im Jahr 1900 druckten die Gebrüder Miche-lin, die Hersteller von Autoreifen, ein Buch,

das ihre Kunden zum Autofahren anregensollte. Der «Guide Michelin» war geboren.

Das sind die Schweizer PioniereAuch hierzulande gibt es Firmen, die

Content Marketing erfolgreich eingesetzthaben: Etwa die Warenhauskette Globus,die in den 1940er-Jahren zum 25. Jubiläummit der Figur Globi neu die Familien anspre-chen wollte. Oder Betty Bossi, ursprünglichkreiert, um das Speisefett von Astra ver-mehrt in die Schweizer Küchen zu bringen.Ein drittes Beispiel ist Maggi. Unter demTitel «Erprobte Rezepte» publizierte man1930 ein Kochbuch und sicherte sich soeinen festen Markenplatz im deutsch-sprachigen Raum. Dabei wurden nicht dieProdukte beworben, sondern die Rezepte.

Ein aktuelleres Beispiel ist Mammut. DerSchweizer Sportartikelhersteller produziertregelmässig emotionale und für seine Ziel-gruppe relevante Inhalte – jüngst mit dem«#Project360», das die Besteigung des Mat-terhorns für den Konsumenten interaktiverlebbar macht. Aber auch die Migros hat inihrer Marketingkommunikation den Mehr-

Markenwerdenheute zuMedienContent MarketingWie schweizer unternehmen Werbeinhalte erfolgreichimplementieren und weshalb sie dafür ihre Organisation umstellen müssen.

Der Konsument bewegt sichaktiv in einer vernetzten Welt

und sucht nach inhalten,die sein Bedürfnis decken.

aNzeiGe

Page 23: HZ Special «Marketing»

23handelszeitung | Nr. 12 | 2015

Special MaRKeTiNG

wert von Inhalten erkannt. In einer letzt­jährigen Kampagne konnten Herr und FrauSchweizer in einem 143­seitigen Büchleinlesen, welche «100 Dinge» sie diesen Som­mer unbedingt gemacht haben sollten.

Fakt ist aber: Es gibt in der Schweiz bisheute keinen einheimischen ConsumerBrand von nationaler Bedeutung, der seineGesamtkommunikation so konsequent aufInhalte ausgerichtet hat wie Red Bull oderSchwarzkopf. Glaubt man den Aussagen derwenigen hiesigen Studien zum Thema, sohaben vier von fünf Marketing­ und Kom­munikationsentscheidern das Potenzial vonContent Marketing erkannt und geben auchan, bereits heute darin zu investieren. Wiesogibt es also nicht mehr gute Beispiele?

Ein Geheimrezept gibt es nichtWie schaffe ich es als Firma, einen inte­

grierten Marketing­ und Kommunikations­zyklus zu etablieren, der die Kundenbedürf­nisse und nicht das Unternehmen ins Zen­trum stellt? Nebst begrenzten Ressourcenund fehlendem Know­how in der Produk­tion von Inhalten ist die erfolgreiche Imple­mentierung von Content Marketing äusserstkomplex. Ein universales Geheimrezept gibtes nicht – da sind sich die Experten einig.

Es gibt aber ein paar Faktoren, die manunabhängig von Firma und Markt beachtensollte. Content Marketing muss zwingendals abteilungsübergreifende Funktion undDisziplin innerhalb des Marketingmix an­gesehen werden, die im Rahmen einesChange­Management­Prozesses implemen­tiert wird. Die gewachsenen Silos der einzel­nen Unternehmensbereiche müssen ab­gebaut und eine netzwerkartige Themen­Governance etabliert werden. Es brauchtdas Bekenntnis der Geschäftsleitung ebensowie eine klare Content­Marketing­Strategieund ein internes Stakeholder­Management.Zudem müssen das nötige Know­how auf­gebaut, die Verantwortlichkeiten definiertund neue Prozessabläufe verankert werden.

Wie ein Blick auf die Geschichte vonContent Marketing zeigt, ist die Vermarktungvon Inhalten kein eigentlich neues Konzept.Firmen treffen heute aber stark veränderteRahmenbedingungen an. Das Medien­nutzungs­ und Kaufverhalten der Kundenhat sich mit der Digitalisierung und der Eta­blierung von Suchmaschinen stark gewan­delt, die Differenzierung über Produkte istschwieriger geworden, die Akzeptanz unddamit die Effizienz von Push­Massnahmennimmt ab. Ignorieren die Unternehmendiese veränderten Rahmenbedingungen,werden sie Marktanteile verlieren.

Es ist wichtig, dass Firmen im deutsch­sprachigen Raum eine eigene Content­Marketing­Strategie entwickeln, die überalle Medien in Owned, Paid und Earnedfunktioniert. Besser heute als morgen.

Cyrill Hauser, Geschäftsführer, Jung von Matt/LimmatPublic Relations (PR), Jung von Matt/Limmat, Zürich.

} 10 TippS füR die eRfolGReiche iMpleMeNTieRuNG

Die folgende Checkliste basiert auf denErgebnissen von Expertenbefragungenim Rahmen der Master-Arbeit «Hand-lungsempfehlungen für eine erfolgreicheImplementierung von Content Marketingin Unternehmen» von Cyrill Hauser undBirger Armstrong. Eingereicht im Studien-gang Executive MBA Marketing an derHochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ).

1. Einstellung: Sich bewusst sein, dasserfolgreiches Content Marketing ein kom-plexer Change-Management-Prozess ist.

2. Unterstützung: Die Unterstützung derinternen Stakeholder ist entscheidend fürden Erfolg.

3. Schritt für Schritt: Eine schrittweiseImplementierung führt zu schnellerenErgebnissen.

4. Strategie: Es braucht eine Strategie,um folgende Frage beantworten zukönnen: Welche Kunden möchte ichmit welchen Zielen in welchen Kanälenmit was für Inhalten angehen?

5. Keine Silos: Die klare Trennung vonAufgaben und Verantwortlichkeiten dereinzelnen Abteilungen innerhalb derOrganisation muss aufgehoben werden.Silos verhindern eine optimale Nutzungder Synergien.

6. Verantwortung: Es ist unabdingbar,dass jemand auf C-Level (CEO, COO,CMO etc.) die Verantwortung für alleAktivitäten übernimmt und steuert.

7. Wissensaufbau: Eine Investition in zu-sätzliches internes sowie externes Know-how begünstigt die schnelle Entwicklung.

8. Mannschaft: Ein schlagkräftiges Teamaus Spezialisten begünstigt die Erfolgs-chancen.

9. Synergien: Content Marketing mussals Teil im gesamten Marketingmix be-trachtet werden.

10. Definitionen: Es braucht klare Prozes-se und neue Tools für die Produktion vonInhalten.

Mammut: Das «#Project360» macht die Besteigung des Matterhorns interaktiv erlebbar.

zvg

Page 24: HZ Special «Marketing»

Swiss Poster Award 2014 Kategorie «Culture»

GoldPlakatsujet:

«Weingart Typografie»Auftraggeber: Museumfür Gestaltung, ZürichWerbeagentur: RalphSchraivogel, Zürich

SilberPlakatsujet:

«Hans Richter»Auftraggeber:

Museo d’Arte, LuganoWerbeagentur:CCRZ, Balerna

BronzePlakatsujet:

«Sommernachtstraum»Auftraggeber: Junges

Theater Sempach, SempachWerbeagentur: ErichBrechbühl, Luzern

24 handelszeitung | Nr. 12 | 2015

Special MaRKeTiNG

Page 25: HZ Special «Marketing»

Special MaRKeTiNG

NormaN C. BaNdi

V om 24. bis 29. Januar 2015folgten 20 Vertreter aus derhiesigen Wirtschaft und Wis­senschaft dem Ruf der Uni­versität St. Gallen (HSG), von

Google Schweiz sowie der Gesellschaft fürMarketing (GfM) und packten ihre Koffer füreine Studienreise nach Singapur. Die Mis­sion war klar: In kürzester Zeit möglichstviel über den Stadtstaat in Südostasien, sei­ne Konzerne und Startups sowie die digitaleTransformation zu lernen. Die wichtigsten«lessons learned» der Teilnehmer ...

Robin Barraclough, CMO von Emmi, Lu­zern: «Singapur ist nicht nur als Staat undhochentwickelter Markt eindrücklich, son­dern hat uns hinsichtlich grundlegenderKonsumentenorientierung und mobilerdigitaler Kommunikation einen kleinenEinblick in die Zukunft gewährt.»

Bruno Chiomento, Country Managing Part­ner von EY Schweiz, Zürich: «Singapur isteine Erfolgsstory – in vielem vergleichbarmit der Schweiz. Doch stellen sich im glo­balen Wettbewerb für beide als Länder ohneRohstoffe analoge Fragen: Wie sollen der er­worbene Wohlstand und die Wettbewerbs­fähigkeit gesichert und immer aufs Neuekreiert werden, ohne den gesellschaftlichenZusammenhalt dabei zu gefährden?»

Jean-MarcGrand,Geschäftsführer der GfM,Zürich: «Singapore Sling – Singapore Girl –Singapore Flyer. Obwohl Singapur diesesJahr erst 50 Jahre jung wird, gibt es bereitsMarkenikonen, die weltberühmt sind: Der

1936 vom Bartender im Hotel Raffles kreierteSingapore Sling Cocktail. Seit 1972 steht dasSingapore Girl im Kebaya Sarong gehülltfür die hohe Servicequalität der SingaporeAirlines. Das seit 2008 grösste Riesenrad derWelt, der Singapore Flyer, reiht sich nahtlosin die Liste dieser starken Brands ein.»

Chris Hanan, Partner von Webrepublic,Zürich: «Hier bestimmt die Frage ‹Warumnicht?› das Denken und Handeln. Es ist die­se positive und auch risikofreudige Grund­einstellung, die im Verbund mit klarer staat­licher Innovationsförderung und einemfreundlichen Geschäftsklima eine starkePlattform für Wachstum schafft.»

Hans-Peter Rohner, Verwaltungsrat derPubligroupe, Lausanne: «Zwei Dinge habenmich nebst vielem anderem besonders be­eindruckt. Eine Geschäftsgründung dauertdank standardisierten Prozessen drei Ar­beitstage mit allem Drum und Dran. Eintraditionelles Bankhaus, das sich neu auchals ‹bank for below 30’s› konzipiert – dies in

einer Konsequenz, wie ich es in Europa beiweitem noch nirgends gesehen habe.»

Manfred Strobl, CEO von Mediaschneider,Zürich: «Ein Stadtstaat, der wie ein grossesUnternehmen funktioniert, vielleicht sogarbesser ... Singapur hat über Jahrzehntebewiesen, dass staatliche Investitions­ undOptimierungsstrategien keine wirtschaft­liche Sackgasse sein müssen, sondern alsLangfristpolitik mit gesellschaftlicher Inte­gration äusserst erfolgreich sein können.»

Martin Sturzenegger, Direktor von ZürichTourismus, Zürich: «Wir haben selbstbe­wusste, innovative und kundenorientierteFirmen angetroffen. Wenn wir in Europa andieser Dynamik partizipieren möchten,brauchen wir einen gewaltigen Ruck.»

Gaudenz Thoma,Direktor von GraubündenFerien, Chur: «Mich beeindruckt, mit welchklarem Fokus an der Customer Experiencegearbeitet wird und dies nicht nur ein Lippen­bekenntnis ist, sondern echt gelebt wird.»

Einblick in dieZukunftSingapur der starke Fokus auf die Kundenerfahrung über sämtlicheKanäle ist ein neuer zentraler Erfolgsfaktor des boomenden Staates.

die Studienreise-Gruppewährend ihrer Stippvisitebei Singapore airlines.zv

g

aNzeiGe

Page 26: HZ Special «Marketing»

26 handelszeitung | Nr. 12 | 2015

Special MaRKeTiNG

IntervIew: Isabel steInhoff

Welche Rolle spielt Design Thinking imInnovationsprozess?Keywan Nadjmabadi: Design Thinkingsucht nutzerzentrierte, ganzheitliche Lö-sungen mithilfe kollaborativer Kreativität.Früher stoppte Konsens Innovation häufig,weshalb diese Methode bewusst unkonven-tionelle Ansätze fördert und fordert. Dasbewusste Ausklammern von vorgefasstenMeinungen und Annahmen erlaubt optima-le Lösungen. Design Thinking ist so versatil,dass es die Entwicklung eines neuen Pro-dukts, einer Dienstleistung, eines neuenProzesses, einer neuen Software oder einesganz neuen Geschäftsmodelles zum Zielhaben kann. Geschäftsmodelle sind näm-lich wesentlich schwerer kopierbar als neueProdukte oder Dienstleistungen.

Erläutern Sie den Design-Thinking-Prozessanhand eines Beispiels.Peter Mittemeyer: Illustrativ ist die Koope-ration Connected Car zwischen SAP, Shellund Volkswagen. Die Challenge lautete:Kreiere ein angenehmes Fahrerlebnis fürden Fahrer, das gleichzeitig für Erstaus-rüster und Dienstleister rund um eine Auto-fahrt eine Umsatzgenerierung bedeutet unddurch das das digitale Automobil ermög-licht wird. Nach einer initialen 360-Grad-Analyse wurden Autofahrer betreffend ihrerWünsche, Bedürfnisse und Gewohnheitenbefragt. Daraus wurde der Kundenbedarfdefiniert und die initial definierte DesignChallenge angepasst. Mit typischen Design-Thinking-Methoden wie Low-Fi-Proto-typing und durch kontinuierliches Anpas-sen wurden die besten Ideen ausgewähltund verfeinert. Im Ergebnis wurden zahl-reiche Szenarien für das Fahrerlebnis derZukunft erarbeitet. Das Zusammenbringender Services für das Finden und mobile Be-zahlen eines Parkplatzes sowie das Identifi-zieren der nächsten Tankstelle, das Tankendurch einen Servicemitarbeiter und das di-rekte Bezahlen über das integrierte mobileDevice im Auto oder über ein portables De-vice zum Beispiel waren die Ergebnisse ei-nes zweitägigen Workshops, der von einemHackathon ergänzt wurde, in dem innertdrei Wochen ein erster Software-Prototyp

entstand. Ende letzten Jahres ging derPrototyp des Connected Car übrigens inDeutschland bereits in die Testphase.

Wie identifiziert man die beste Lösung ausder Menge an Ideen?Mittemeyer: Die Lösungen müssen in derSchnittmenge der drei Dimensionen Attrak-tivität, Machbarkeit und Wirtschaftlichkeitliegen. Dies bezeichnen wir als den «sweetspot» der Innovation. Die Auswahl der bes-ten Ansätze im Problem- oder Lösungsraumkann durch Bewertung und wiederholteIterationen erfolgen. Sollte ein Ansatz sichals nicht machbar erweisen, kann jederzeiteine Alternative gewählt und weiterverfolgtwerden. Hier gilt: Keine Angst vor Misser-folg. «Fail early, fail cheaply, fail often!»

Worin liegen die Stärken der Methode?Nadjmabadi: Oberste Priorität hat die Cus-tomer Centricity. Durch das intensive, kon-tinuierliche Hinterfragen von Bedarf undNutzen wird ein optimales Ergebnis für denEndkunden kreiert. Für das Unternehmenselbst wird das Innovationsrisiko gesenktund die «time to value» beschleunigt.Generell stellen wir höhere Mitarbeiter-motivation und Kundenzufriedenheit fest.

Welche Risiken stehen dem gegenüber?Nadjmabadi: Einerseits herrscht oft ein fal-sches Verständnis von Design Thinking vor.Es handelt sich dabei nicht nur um einenblossen Prozess, sondern viel mehr auch umeine Geisteshaltung. Es geht um die Empa-thie für den Kunden, um das Verständnisdes «job to be done» oder des wirklichenKundenbedarfs sowie die Aktivierung allerkreativen Potenziale der Mitarbeiter. Ander-seits gibt es auch seitens der Kunden zuhohe Erwartungen, denn Design Thinkingist nicht die Lösung zu jedem Problem.

In welchem Umfeld funktioniert dieMethode denn am besten?Nadjmabadi: Heterogene Teams aus mehre-ren Managementebenen und Fachexperti-sen liefern die besten Ergebnisse, da vieleAspekte des Problems und viele Denkwei-sen in die kreative Lösungsfindung einflies-sen. Das Unternehmen muss bereit sein,nach Ideen und Ansätzen ausserhalb des

«KeineAngstvorMisserfolg»Keywan Nadjmabadi und Peter Mittemeyer Die saP-Manager über die Innovationsmethode Design thinking.

Page 27: HZ Special «Marketing»

27handelszeitung | Nr. 12 | 2015

Special MaRKeTiNG

üblichen Lösungsraums zu suchen, seinePerspektive auf den Endkunden hin zu ver­ändern und das Bedürfnis zu hinterfragensowie gegebenenfalls umzuformulieren.

In welchem Verhältnis steht der SAP-Konzern zu Design Thinking?Mittemeyer: 2004 wurde Hasso Plattner,einer der Gründer von SAP, in Stanford aufDesign Thinking aufmerksam. So wurde erzum Mitgründer des Institute of Design –d.school – der Universität Stanford und hatebenfalls eine d.school am Hasso PlattnerInstitut der Universität Potsdam gestiftet.SAP kooperiert mit beiden Instituten inten­siv, um die Methode stetig weiterzuent­wickeln. Ausserdem arbeiten wir auch mitanderen Bildungsinstitutionen wie der Uni­

versität St. Gallen im Bereich Geschäfts­modellinnovationen zusammen, in dem wirDesign Thinking massiv einsetzen. Wir bie­ten Design Thinking nämlich nicht nur un­seren Kunden an, sondern wenden es auchunternehmensintern an.

Und wie sieht Ihre persönliche Erfahrungmit Design Thinking aus?Nadjmabadi: Während meiner Tätigkeit imBereich Value Management wurde DesignThinking als ein wesentliches Instrumenteingeführt, um gemeinsam mit Kundennicht allein bestehende Prozesse zu opti­mieren, sondern auch um über neue, inno­vative Geschäftsmodelle nachzudenken.Die Zusammenarbeit mit interdisziplinärenTeams, die Begeisterung der Teilnehmer, die

Möglichkeit, kreativ zu sein und schliesslichdie positiven Projektergebnisse sind fürmich persönlich die Treiber, warum ich alsDesign Thinking Coach tätig bin. In meinerFreizeit bin ich im Rahmen des CSR­Pro­gramms von SAP als Tutor und Mentor fürStartups tätig, wo ebenfalls Design Thinkingund Business­Model­Innovation­Elementezum Einsatz kommen.

Mittemeyer: Nach meinem initialen fünf­tägigen Design Thinking Bootcamp war mirnoch nicht klar, wo der Mehrwert oder auchder Neuwert dieser Methode liegen sollte.Erst nachdem ich Design Thinking mehr­fach angewendet hatte, wurde mir bewusst,welche kreative Kraft teilnehmende Teamsan dieser Methode entwickeln können. EinDesign­Thinking­Projekt mit einem Kundenin Tokio war dann der entscheidende Aha­Moment. In nur zwei Tagen wurde die Visi­on des Unternehmens für das Jahr 2020 er­arbeitet – sie nannten es «The Social Enter­prise». Die Begeisterung der Mitarbeiter desKunden für den Prozess war fast körperlichspürbar. Seither konnte ich Design­Thin­king­Projekte in China, Europa und Nord­amerika leiten, überall waren die Prinzipiendieser Arbeitsweise erfolgreich. Mir wurdeklar, dass in allen Menschen ein erstaunli­ches Mass an Kreativität steckt, das man ak­tivieren kann.

DeSiGN ThiNKiNG

Eine erste Idee kann jederzeit durch eine neue Idee ersetzt werdenVorurteil Clayton Christensen, Professor ander Harvard Business School, behauptet inseinem Buch «The Innovator’s Dilemma»,dass grosse Unternehmen nicht zu disrup­tiven Innovationen fähig sind. Das heisst,zu Innovationen, die Wachstum generierenund nicht nur die augenblickliche Markt­position sichern. Inkrementelle Verbesse­rungen und die Expansion in zusätzlicheMärkte schliessen das Wachstumsloch nurkurzfristig. Hier kommt die Innovations­methode Design Thinking ins Spiel, dieursprünglich aus dem Bereich Produkt­design stammt, aber immer mehr begeis­tere Anhänger in der Wirtschaft findet.

Methode Design Thinking kombiniert krea­tive und analytische Verfahren. Der iterati­ve Prozess ist in zwei grundsätzliche Pha­sen eingeteilt: Problem­ und Lösungspha­se. Zunächst entwickelt das Team ein tiefesVerständnis der Situation des Kunden undseiner Bedürfnisse. Es wird auch recher­chiert, welche Gründe zum Bedarf führen.Das Team formuliert dann die sogenannteDesign Challenge, sprich das zu lösendeProblem, wobei das eigentliche Problemoder der eigentliche Kundenwunsch hin­terfragt und bei Bedarf umformuliert wird.Danach beginnt der eigentliche Lösungs­findungsprozess. Er umfasst die Weiterent­

wicklung des Problemverständnisses, dieIdeenfindung sowie die Entwicklung unddas Testen von Low­Fi­Prototypen, dieauch physisch mit Schere und Papier de­signt werden können. Durch stetigen Ab­gleich mit dem Kunden und kontinuier­licher Optimierung soll die bestmöglicheDeckung der Problemlösung mit dem Kun­denbedarf gesichert werden. Der letzteSchritt ist die Umsetzung. Wesentlich ander Methode sind mögliche Iterationen zujedem Zeitpunkt. Das bedeutet dass eineIdee jederzeit verworfen und durch eineneue ersetzt werden kann, die anschlies­send weiterentwickelt und verfolgt wird.

KeywaN NaDjMabaDi

Funktion: Managing Principal, SAPBusiness Transformation ServicesAlter: 45Wohnort: ZürichAusbildung: Studium derBetriebswirtschaftslehreund Wirtschaftsinformatik

peTeR MiTTeMeyeR

Funktion: Head of Businesslnnovation & TransformationEMEA, SAP BusinessTransformation ServicesAlter: 49Wohnort: ZürichAusbildung: Dipl.­Betriebswirt

Page 28: HZ Special «Marketing»

Swiss Poster Award 2014 Kategorie «Poster Innovations»

28 handelszeitung | Nr. 12 | 2015

Special MaRKeTiNG

GoldPlakatsujet:

«Transparenz»Auftraggeber:

Bank Coop, BaselWerbeagentur:Ruf Lanz, Zürich

BronzePlakatsujet:

«Wahn oder Wirklichkeit?»Auftraggeber: DepartementGesundheit Kanton BS, Basel

Werbeagentur:CR, Basel

SilberPlakatsujet:

«Potatoe Slicer»Auftraggeber:

McDonald’s, CrissierWerbeagentur:TBWA, Zürich

Page 29: HZ Special «Marketing»

29handelszeitung | Nr. 12 | 2015

Special MaRKeTiNG

Sandro Graf Und Marc BlUMe

Markteinführungen sindteuer und mit Unsicher­heiten behaftet. Gemässeiner Studie des Markt­forschungsunternehmens

Nielsen scheitern drei Viertel aller Lancie­rungen in der Konsumgüterindustrie. Einesvon zahlreichen Beispielen aus der Schweizist der Milchserum­Drink «Lacto Tab» vonEmmi, der 2006 lanciert wurde. Trotz Werbe­träger Roger Federer war dem innovativenProdukt kein Erfolg vergönnt. 2007 ver­schwand es wieder aus den Regalen. WieEmmi zugeben musste, hatte man dieBekanntheit und Akzeptanz des darin ent­haltenen und prominent beworbenen Co­enzyms Q10, einer vitaminähnlichen Nah­rungsergänzung, falsch eingeschätzt. Auchfür das neuartige Verpackungsdesign lies­sen sich die Konsumenten nicht begeistern.

Flops gibt es aber nicht nur bei Konsum­gütern: So scheiterte VW beim Versuch, mitdem Phaeton in den Premiummarkt vorzu­stossen. Die Zulassungen blieben deutlichunter den Erwartungen, in den USA wurdeder Verkauf gar eingestellt. Wie es scheint,haben die Kunden nicht auf eine Luxus­limousine aus dem Hause Volkswagen ge­wartet und kaufen lieber Modelle prestige­trächtigerer Marken wie Audi, BMW oderMercedes. Kleiner Trost: Zumindest im Fallvon Audi bleibt das Geld im VW­Konzern.

Konsumenten zu wenig im FokusDiese Beispiele unterstreichen: Wer Vor­

hersagbarkeit liebt, verzweifelt bisweilen anden Verhaltensweisen von Kunden, die sichtrotz aufwendigen Tests nur schwer voraus­sagen lassen. Selbst bei Produkten undDienstleistungen, bei denen die Vorteileobjektiv betrachtet auf der Hand liegen, be­stehen bisweilen Hindernisse in den Köpfender Nutzer. Ein entscheidender Erfolgsfaktorneuer Technologien liegt somit stets darin,Bedürfnisse, Gewohnheiten und Befürch­tungen der Anwender genau zu verstehen.

Bei der Gestaltung des Zusammenspielsvon Mensch und Technik sollte systema­tisches Service­Design eine tragende Rollespielen. Es stellt die Anwender bei der Ent­wicklung von Produkten und Dienstleistung

konsequent in den Fokus. Dabei wird da­nach gestrebt, Technologien und Personen(­Gruppen) so zu verknüpfen, dass ein at­traktives Angebot entsteht, das Kunden alsnützlich und bedienerfreundlich erleben.

Diesem Ansatz hat sich das Service Labdes Instituts für Marketing Management ander ZHAW School of Management and Lawverschrieben. Mit entsprechender Kom­petenz und speziellen Einrichtungen zurNutzerforschung geht man dem Kundener­lebnis auf den Grund. Die Vorgehensweiseorientiert sich an einem Mix qualitativer(verständnisorientierter) und quantitativer(statistikorientierter) Verfahren, die sich ge­genseitig stützen. So wird sichergestellt,dass sich zwei Perspektiven ergänzen: Zum

einen, wie Anwender Angebote subjektivwahrnehmen und bewerten. Zum anderen,wie sie sich objektiv messbar in verschiede­nen Situationen entscheiden und verhalten.Diese Gesamtsicht hilft das Zusammenspielvon Einstellung und Verhalten aufzudeckenund zu erklären, einschliesslich der Gründefür inkonsequente Verhaltensweisen.

Auch neue Bezahlsysteme stossen bis­weilen auf wenig Akzeptanz. So wurde dasProjekt Cash nach Jahren mit mässigemErfolg 2013 endgültig eingestellt. Das be­quemere kontaktlose Bezahlen, das sichmittlerweile positiv entwickelt, hatte eben­falls Startschwierigkeiten. Ein möglicherGrund für die Zurückhaltung: Der Entscheidfür die Nutzung eines Zahlungsmittels isteine fest verankerte Gewohnheit, die kaumje bewusst hinterfragt wird. Wir neigendazu, je nach Betrag und Einkaufsort einbestimmtes Zahlungsmittel einzusetzen.Für Anbieter kontaktloser Bezahlsysteme istes eine grosse Herausforderung, solcheVerhaltensmuster zu durchbrechen. Umsonötiger und ergiebiger ist der beschriebeneService­Design­Ansatz. Es gilt, konsequent

den Blickwinkel der Konsumenten ein­zunehmen, um zu verstehen, wie sie Ent­scheidungen treffen. So lassen sich Ansatz­punkte identifizieren, die beeinflusst werdenkönnen.

Empirisch erhärtete ErkenntnisseDas Service Lab hat jüngst das Bezahl­

verhalten mithilfe eines Feldexperimentspraktisch untersucht. Schauplatz waren dieCafeterien und Kantinen des Campus derZHAW in Winterthur. Die zentrale Fragewar, wie wirksam verschiedene Anreize zurNutzung des kontaktlosen Bezahlens sind.

Zu Beginn wurde anhand von Fachlitera­tur sowie Einzel­ und Gruppeninterviewsein provisorisches Erklärungsmodell erar­beitet. Dieses umfasste die fundierte Analy­se der «Payment Decision Journey», also derGedankengänge und Entscheidungspfadebeim Bezahlvorgang. Das Erklärungsmodelldiente zur Ausarbeitung der Anreize. Ein alsGewohnheit verankertes Bezahlverhaltenlässt sich auf zwei Arten beeinflussen:Indem man in der Bezahlsituation dieverschiedenen Möglichkeiten bewusstmacht oder indem die Nutzung einesZahlungsmittels durch bestimmte Vorteile(etwa Rabatte) besonders attraktiv gemachtwird.

Entsprechende Anreize wurden ausge­arbeitet und getestet. Es hat sich gezeigt,dass Konsumenten vor allem durch Infor­mationsbroschüren, Rabatte und Loyalitäts­programme zum erstmaligen Gebrauch derKreditkarte für das kontaktlose Bezahlenbewogen wurden. Promotionsanlässe undHinweisaufkleber auf der Ware hatten so­wohl Einfluss auf den Erstgebrauch als auchauf die Loyalität zur kontaktlosen Bezahlung.

Das Service Lab verwendet die Erkennt­nisse solcher Experimente für die Gestal­tung und Markteinführung von Produktenund Dienstleistungen. Dabei wird ebenfallsder Erfahrungsschatz der Sozialwissen­schaften und der Verhaltensökonomie ge­nutzt. Schon oft hat sich gezeigt: Wer mitKunden statt nur für Kunden neue Angeboteentwickelt, hat mehr Erfolg.

Sandro Graf, leiter des Service lab, und Marc Blume,dozent für customer experience Management,ZHaW School of Management and law, Winterthur.

Hindernisse in denKöpfen derNutzerService-Design Jedem Unternehmen sollte daran gelegen sein, seineZielgruppen möglichst gut zu verstehen. leider ist das oft schwierig.

Unternehmen, die mit Kundenstatt nur für Kunden neue

angebote entwickeln, habenin der Regel mehr erfolg.

Page 30: HZ Special «Marketing»

30 handelszeitung | Nr. 12 | 2015

Special MaRKeTiNG

Gérard Moinat

Die Geschichte der MobilityMap begann vor 50 Jahren.Damals wurden erste einfacheVerkehrsmodelle erstellt. Beider ETH Zürich gingen schon

bald Anfragen des Bundes ein, ob diese dasVerkehrsverhalten der Schweizer modellie-ren und vorhersagen könnten. Einfachecomputergestützte Modelle gibt es seit den1980er-Jahren. Sie sollen etwa Aussagen da-rüber treffen, was mit dem Verkehrsflussgeschieht, wenn Umfahrungen gebaut oderTunnels geschlossen werden. Mit dem 21.Jahrhundert entwickelte sich die ETH zueinem Know-how-Zentrum in diesem Be-reich. Am Institut für Verkehrsplanung undTransportsysteme wurde ein iterativesModell entwickelt, eine Art künstliche Intel-ligenz, die dazulernt und das reale Ver-kehrsaufkommen simuliert. Es war die Ge-burtsstunde eines agentenbasierten Mo-dells der Verkehrsnachfrage in der Schweiz.

Im Rahmen eines KTI-Projekts wurdenachgewiesen, dass derartige Modelle be-ziehungsweise das Wissen um Verkehr undMobilität über die Verkehrsplanung hinausauch einen kommerziellen Nutzen stiftenkönnen. «In der Zusammenarbeit mit ClearChannel wurde anschliessend konkret ge-

zeigt, auf welche Weise die Modelle fürwerbetechnische, also privatwirtschaftlicheZwecke nutzbar gemacht werden können»,sagt Oliver Schönfeld, Marketing Directordes Schweizer Aussenwerbespezialisten.

Doch warum erfolgte die Zusammenar-beit ausgerechnet mit Clear Channel undnicht mit der viel grösseren APG? «UnserGeschäftsmodell basiert auf Einzelstellen»,erklärt Schönfeld, «wir stellen unsere Pla-katstandorte für jede Kampagne Stelle fürStelle einzeln zusammen, picken also fürjeden Kunden individuell die Rosinen ausunserem Inventar.» Durch die Kooperationmit dem Lieferanten für Geomarketing-Konzepte, der damaligen Firma Endoxon(heute Axon Active), ergab sich letztlich dieZusammenarbeit mit der ETH Zürich.

Herausforderung MultisourcingAber damit man überhaupt Rosinen pi-

cken konnte, mussten die ETH-Daten zuerstaufbereitet und mit Personen- und Firmen-daten ergänzt werden. Sie genügten zwarden Zwecken der Verkehrsplanung, nichtaber den Anforderungen eines Werbeunter-nehmens. Also musste eine Drittfirma – dieerwähnte Axon Active in Luzern, ein führen-der Anbieter im Bereich Big Data – hinzuge-zogen werden, um Daten aus unterschied-lichsten Quellen in einem Tool zu fusionie-

ren oder zu «multisourcen», wie man dasnennt. Dies umfasste das Beisteuern vonPersonen-, Arbeitsstätten- und Firmendatensowie Daten über zahllose Points of Interestvon Seiten Axon Active. Zudem musste eineFront-End-Software entwickelt werden, diedie vorhandenen Daten plan- und nutzbarmachte. «Möglich gemacht wurde dies erstdurch den übergeordneten forscherischenAnsatz des ETH-Projekts», sagt Schönfeld.

Alleine hätte Clear Channel solch ein Toolweder inhaltlich noch finanziell stemmenkönnen. Es brauchte eine lange Entwick-lungszeit, diverse Datenquellen und auch dieFähigkeit, mit riesigen Datenmengen umge-hen zu können. Eine der grössten wissen-schaftlichen Herausforderungen war es, diegigantischen Datenmengen in sinnvoller Zeitverrechenbar zu machen. Die Analyseläufedauerten erst Tage, später Stunden. Durcheine neue Datenstruktur können heute kom-plexe Berechnungen in weniger als zweiMinuten abgeschlossen werden.

Im Spätherbst 2014 war es dann endlichso weit: Clear Channel lancierte die MobilityMap. «Für uns ist das Tool eine extreme Be-reicherung», schwärmt Schönfeld. Es sei zueinem unerlässlichen Planungs- und Opti-mierungshilfsmittel geworden, weil es dieAbsicht der Passanten mit einberechne undStreuverluste minimiere. So kann in einerPlanung differenziert werden, ob die Ziel-gruppen auf dem Weg zur Arbeit, zumEinkaufen, zu Ausbildungszwecken oder zueiner Freizeitbeschäftigung unterwegs sind.Eine Plakatstelle könne sich zwar im Umfeldvon McDonald’s befinden. «Wenn die Leuteaber nur zum Arbeiten vorbeigehen, passtsie trotzdem nicht auf die Zielgruppe», sagtSchönfeld. Jede Plakatstelle sei also indivi-duell. Dem könne nun mit dem Mobilitäts-verhalten Rechnung getragen werden.

Traditionell wird Plakatwerbung in zweiSchritten geplant. Erstens: Wie viele Perso-nen kann man mit einer Plakatstelle errei-chen. Zweitens: Passt das Umfeld? Nunkommt neu die Mobilität als dritte Dimensi-on hinzu (siehe Box): Sie erlaubt es, Plakat-kampagnen nicht nur darauf auszurichten,wie viele Personen an einer Plakatwand vor-beigehen, sondern auch darauf, woher siekommen, wohin sie gehen und mit welcherAbsicht sie unterwegs sind. «Damit könnenwir die Zielgruppen in der richtigen Stim-mung ansprechen», ergänzt Schönfeld.

Seit drei Monaten ist Clear Channel miteiner Roadshow unterwegs, um das Tool be-kannt zu machen und es zu optimieren. DieFrage nach der durch die Mobility Map ge-steigerten Wirksamkeit einer Kampagnekonnte der Aussenwerbespezialist aller-dings noch nicht wissenschaftlich bewei-sen. Er befindet sich derzeit auf der Suche

Plakatstellenmit BigDataClear Channel die vergangenes Jahr lancierte MobilityMap soll den hiesigen aussenwerbemarkt aufmischen.

Zentrum regensdorf ZH:digitale Werbeflächen ineinem Shoppingcenter.

zvg

Page 31: HZ Special «Marketing»

Special MaRKeTiNG

MobiliTy Map

So funktioniert die Plakatplanung 2.0Ausgangslage Als Erstes wird definiert,wie viel Geld für eine Kampagne zur Ver-fügung steht, welches Gebiet abgedecktwerden soll, welche Zielgruppe erreichtund welche Filialen einbezogen werdensollen. Und dann tauchen aufgrund dieserAngaben erste Händlerkoordinaten auf.Diese stammen aus GPS-Daten, in denen1,7 Millionen Gebäude gespeichert sind.

Umkreissuche Dann geht es als Zweitesan die Grobplanung mit dem Anfangs-schritt der Umkreissuche: Wie viele Pla-katstellen befinden und qualifizieren sichim Umfeld des gewünschten Standorts?

Zielgruppen Anschliessend kommendie vier folgenden Punkte der sogenann-ten Zielgruppenmobilität zum Tragen:•Frequenz: Wie viele Prozent der Ziel-gruppe auf der Mobility Map biegenauch wirklich richtig ab oder fahrennur an einer Zufahrtsstrasse vorbei?•Sichtbarkeit: Ist die Plakatwand nur aufder Rückseite oder aus einem komischen

Winkel zu sehen? Dieser Punkt ist lautOliver Schönfeld eine grosse Herausfor-derung. «Wir führen jeweils eine Sicht-barkeitsbereinigung durch. Das heisst,wir müssen dem Tool sagen, wie derPassant die Plakatstelle sieht.»•Soziodemografie: Fakten wie Alter, Ge-schlecht, Einkommen oder Bildung.•Motivation: Zu guter Letzt kommt dieZielgruppencharakteristik Motivationhinzu, also warum die Leute unterwegssind. Dazu gehören zum Beispiel Arbeit,Shopping, Ausbildung und Freizeit.

Feintuning Das Tool führt eine Rangie-rung aufgrund dieser Kriterien durch.An welcher Plakatstelle kommt die Ziel-gruppe mit hoher Frequenz vorbei undtaucht sie auch im Radius des Händlersauf? Das Feintuning geschieht dann amSchluss per Hand: Ein Planer von ClearChannel kann sich inhouse jede einzelnePlakatstelle per Mouseover mit Fotos an-schauen, manuell optimieren und danacheinzelne Stellen (de)selektieren.nach einem Kunden, der seine Abverkäufe

und Frequenzen über das Tool mit einer ge­meinsamen Fallstudie ausweist.

Internationalisierung schwierigDie für die Planung mit der Mobility Map

relevanten Werbekunden des Dienstleiterssind hauptsächlich in den Sektoren Auto­mobil, Telekom, Detailhandel, Sportge­schäfte, Apotheken und Baumarkt zu Hause– also alles Firmen mit Filialgeschäften. Fürsie sei die Dienstleistung ohne Aufpreis, soSchönfeld. Denn das Tool sei vielmehr einAlleinstellungsmerkmal von Clear Channel:Es verbessere die Qualität von Aushängen –nicht nur bezüglich der Kostenberechnungpro Stelle, sondern indem es der Plakatpla­nung die Dimension Zielgruppe hinzufüge.«Kein Kunde, der ein Filialgeschäft betreibt,kommt am Tool vorbei», ist er überzeugt.Das bedinge allerdings eine andere Art derKonversation mit der Agentur. Es gehe nichtmehr nur um eine bestimmte Anzahl Plaka­te zu einem Preis X, sondern auch der Ziel­gruppe und den Filialeinzugsgebieten kom­me eine hohe Bedeutung zu.

Die Anwendung auch im Ausland wärewünschenswert; viele Ländereinheiten hät­ten bei Clear Channel Schweiz bereits Inte­resse bekundet. Sie waren begeistert, muss­ten aber gleichzeitig feststellen, dass diebenötigten Datenquellen in ihren Ländernoft nicht in genügender Menge und Qualitätvorhanden sind. «Es gibt zwar im AuslandVerkehrsplanungsmodelle, aber der Mix mitPersonen­ und Firmendaten ist meistensnicht vollzogen», sagt Schönfeld. Somit seidie Umsetzung in den meisten anderenLändern vorerst noch zu teuer. Die Lösungkönnte ihm zufolge darin bestehen, interna­tionalisierte Standarddaten einzusetzen.

«Kein Kunde, der einFilialgeschäft betreibt,kommt am Tool vorbei.»

Oliver SchönfeldMarketing Director,

Clear Channel, Hünenberg ZG

aNzeiGe

Page 32: HZ Special «Marketing»

32 handelszeitung | Nr. 12 | 2015

Special MaRKeTiNG

Mélanie Knüsel-RietMann

W er mit Christoph Bürge,dem neuen Chef derjungen WerbeagenturMetzger Rottmann Bür­ge Partner (früher Metz­

gerlehner) spricht, wird sofort von der Lei­denschaft angesteckt, die er und seine dreiPartner in diesem Unternehmen verbreiten.Es sind nicht allein die klingenden Namenauf der Referenzenliste, die beeindrucken.

«Ich bin ein potenzieller Kunde. Wiewürden Sie mich von Ihrer Philosophieüberzeugen?» Bereits seine Antwort auf dieerste Frage verblüfft. Bürge konnte sich aufdieses Gespräch nicht vorbereiten, weil wirstereotype Antworten verabscheuen. Er pa­riert wie erhofft unkonventionell. «Nehmenwir ein Lagerfeuer. Jeder, der diese Atmo­sphäre erlebt hat, liebt sie und will sie wiedereinmal geniessen. Gute Kommunikation istseit dem Lagerfeuer unverändert. Wenn dieGeschichte eingängig ist, wird sie gerne ge­

hört. Immer wieder.» Bürge spricht damitan, was heute unter «Love Brands» verstan­den wird. «Wir möchten bei den KundenBegeisterung für Produkte und Dienst­leistungen unserer Auftraggeber wecken.Das bedeutet, dass sie selbst die grösstenErwartungen der Kunden übertreffen undnicht nur in ihren Köpfen, sondern auch inihren Herzen einen festen Platz erobern.»

In den Kunden hineinhörenDann stellt Bürge eine Frage, was auch

unüblich ist: «Wissen Sie, warum wir amMorgen gerne aufstehen?» Und beantwortetsie gleich selber: «Wir wollen die Schweizmit unseren Ideen begeistern und unserenKunden und ihren Marken zu Mehrwertverhelfen. Wer Begeisterung auslöst, demwird im Gegenzug Engagement und In­volvement geschenkt.» Womit wir wiederbeim Lagerfeuer wären, das alle Beteiligtenwärmt und anfacht.

Nehmen wir ein konkretes Beispiel:Metzger Rottmann Bürge Partner (MRBP)

bekommt den Auftrag, um für ein bekanntesWarenhaus im Vorfeld von Weihnachten dieTemperatur bei den Kunden zu erfühlen.Anstatt sich einfach ausschliesslich auf aus­geklügelte Studien und sophistizierte Kom­munikationskonzepte zu verlassen, wird –beispielsweise – auch eine Art Anti­Mystery­Shopping betrieben. Kunden werden direktbefragt, wieso sie just diesen Gegenstandkaufen, was ihnen am vorweihnachtlichenTreiben gefällt und was sie nervt. Das ver­strömt Empathie, vor allem, wenn die Be­fragten ihrem Ärger über Preiskämpfe ineiner an sich mit emotionalen Inhaltenbesetzten Jahreszeit Luft machen können.

Diese Szenerie lässt sich problemlos aufOstern übertragen. Was für Werbeprofisdabei herausschaut? Eine ganze MengeInformationen, die dann in das Gesamt­projekt einfliessen. Jedenfalls kommt dabeimehr heraus als bei lästigen Telefonum­fragen, gestellten Interviews oder unglaub­würdigen Testimonials, bei denen von vor­neherein feststeht, dass sowieso jene

Das kreativeChamäleonChristoph Bürge Der Chef der jungen agentur Metzger RottmannBürge Partner über die ausrichtung auf die digitale transformation.

}

Christoph Bürge:«Wir wollen dieschweiz mit unserenideen begeistern.»zv

g

Page 33: HZ Special «Marketing»

Swiss Poster Award 2014 Kategorie «Digital Out of Home»

GoldPlakatsujet:

«Überwachungskameras»Auftraggeber: WOZ DieWochenzeitung, Zürich

Werbeagentur:Leo Burnett, Zürich

SilberPlakatsujet:

«Gründer-Garagen»Auftraggeber:VBZ, Zürich

Werbeagentur:Ruf Lanz, Zürich

BronzePlakatsujet:

«Chancengleichheit»Auftraggeber:HEKS, ZürichWerbeagentur:

Y&R Group, Zürich

33handelszeitung | Nr. 12 | 2015

Special MaRKeTiNG

Page 34: HZ Special «Marketing»

34 handelszeitung | Nr. 12 | 2015

Special MaRKeTiNG

zum Zug kommen, die nur das sagen,was mit dem Auftraggeber abgesprochenwurde und ihm genehm ist.

«Wir wollen in die Kunden unserer Auf-traggeber hineinhören und nicht das kol-portieren, was sie möglicherweise denkenoder sagen könnten», liesse sich eines derGeschäftsgeheimnisse von MRBP preisge-ben. «Wir gehen mit offenem Visier auf dieMenschen zu, die wir für unsere Ideen undInspirationen begeistern wollen», sagt Bür-ge. Das Resultat seien ehrliche Antworten.Darauf basieren auch Kampagnen, die nichtnur im Kopf ankommen, sondern auch dasBauchgefühl stimulieren. Letztlich bautman auch bei MRBP auf einen zwar abge-droschenen, aber halt immer noch gültigenWerbeslogan, nämlich den von der Mund-zu-Ohr-Propaganda – allerdings verbirgtsich dahinter viel Überzeugungsarbeit.

Vom ROI zum ROEWas uns zum nächsten Erfolgsrezept der

Agentur führt: Der Begriff Return on Invest-ment (ROI) ist nicht erklärungsbedürftig.Aber was Return on Excitement (ROE) be-deutet, schon eher. Darunter verstehen dieeingefleischten Partner alles, was wie einEcho zurückkommt, wenn sie ihre Auftrag-geber und ihre anvisierten Kunden mit ihrerBegeisterung angesteckt ha-ben. Bürge spricht immer wie-der von einem Enthusiasmus,der nicht nur das Heute, son-dern auch das Morgen über-lebt. Für ihn ist dieser einSchmieröl der Wirtschaft. Er-lahmt er, verlangsamt sichauch deren Motor. Eine Philo-sophie, die sich in 33 Jahrenbewährt hat: Metzgerlehner istzu einer soliden Grösse in der schweizeri-schen Agenturlandschaft geworden und fir-miert heute als Metzger Rottmann BürgePartner mit neuen, kreativen Köpfen, um inder digitalen Transformation zu bestehen.

Wie würde Bürge die idealen Kundencharakterisieren? «All jene, welche keinAgentursystem, sondern ein kooperativesMiteinander mit viel gesundem Menschen-verstand und Partner mit hochgekrempel-ten Ärmeln suchen, sind bei inhabergeführ-

ten Agenturen an der richtigen Adresse.Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sienicht nur innovative Ideengeber sind, son-dern auch Wertschöpfungspartner – eineArt kreative Unternehmensberater.»

Davon, dass das keine hohlen Phrasensind, zeugt ein Projekt, das derzeit noch in

der Pipeline, aber bereits weitausgereift ist. Es dürfte zu ei-nem Quantensprung in derQualität der angebotenenDienstleistung von MRBPführen. Erstaunlich daran istnur, dass Bürge freimütig da-rüber berichtet. Hat er keineBefürchtungen, dass dies beider Konkurrenz auf allzufruchtbaren Boden fallen

könnte? Immerhin ist er in einer Branchetätig, in der man nicht nur das Werbegraswachsen hören muss, sondern auch er-spriessliche Anregungen, die nicht auf demeigenen Mist gewachsen sind, so schnell wiemöglich internalisieren sollte. Bürge hatdiesbezüglich keine Bedenken und erinnertan die bekanntesten Exponenten der St. Gal-ler Stickerei-Industrie.

Ja, richtig gehört. Wenn es Branchenver-treter gibt, die vor Kopisten auf der Hut sein

müssen, sind es die kreativen Kräfte in die-sen Gefilden, wo entschieden wird, wasmorgen auf dem Catwalk Furore macht.«Einfach so schnell neue Ideen entwickeln,dass die Konkurrenz eine Nasenlänge hin-terherhinkt», sagen die Stardesigner vonForster Rohner, Hans Schreiber oder von Ja-kob Schlaepfer, Martin Leuthold unisono.Ohne ihren Einfallsreichtum sind grosseModeschauen und atemberaubend schöneFrauen in raffinierten Roben gar nicht denk-bar. Bürge gefällt dieser Vergleich. «Es gehtim Grunde genommen doch wirklich umdiese berühmte Nasenlänge», bestätigt erund hebt den Vorhang für den nächstenCoup der Agentur ein bisschen in die Höhe.

Lösungen à la carteGerade weil Lösungen, die MRBP erar-

beitet, immer à la carte sind und einen ganzeigenen Stempel tragen, gibt es in diesemHaus keine festgefügten Hierarchien oderStallordnungen. Je nach Bedarf werdenLeute ihres Spezialfachs hinzugezogen, diesich dann zusammenraufen. «Das könnenFachleute für Social Media sein, Gestaltervon Websites, Eventprofis, PR-Spezialistenoder sogar branchenfremde Exponenten,die zu unüblichen Ideen inspirieren.»

Es gibt in der Werbewelt bestimmt 100verschiedene Untergruppen – egal ob ana-log oder digital –, die zum Gelingen einerKampagne beitragen. Sie lassen sich finden,aber der Mix muss stimmen. Und genaudarum geht es Bürge mit seiner Zukunfts-vision. Ihm schwebt ein Labor vor, in demalle Involvierten ihr Spezialwissen zu einemGanzen zusammenfügen, wobei jeder vonjedem profitieren kann. «Und das ist ganzwichtig: Der Output dieses fruchtbaren Pro-zesses ist dem jeweiligen Auftrag angepasstund verändert sich immer wieder neu.»Man könnte sich das wie ein Chamäleonvorstellen, das die Farben seiner Umgebungannimmt, die sich aus den Facetten derjeweiligen Aufträge zusammensetzt.

}

Bürge schwebtein labor vor,

in dem aus allemSpezialwissenein Ganzes wird.

Die vier Partner: Silvan Metzger, Andreas Meier, Christoph Bürge, Michael Rottmann (v.l.).

zvg

MeTzGeR RoTTMaNN BüRGe paRTNeR

Von Biotta über Suisse Garantie bis VilligerGestern Die inhabergeführte Kreativ­agentur wurde 1982 von Ted Metzgergegründet und firmierte 33 Jahre unterdem Namen Metzgerlehner WorldwidePartners mit Sitz in Erlenbach ZH. Siegehört seither zu einer soliden Grössein der nationalen Werbelandschaft, zu­letzt mit einem Jahresumsatz von rund4 Millionen Franken. Silvan Metzger trat2005 in die Fussstapfen seines Vaters.

Heute Seit diesem Februar heisst dasUnternehmen neu Metzger RottmannBürge Partner (MRBP). Es rangiert nachwie vor unter den Top Twenty des Ran­kings des BSW, des Branchenverbands

der führenden Werbe­, Media­ und Kom­munikationsagenturen in der Schweiz.

TeamMRBP beschäftigt gegenwärtig 20Mitarbeitende. Ihre führenden Angestell­ten sind die vier Partner Christoph Bürge(CEO), Silvan Metzger (Client Service Di­rector), Michael Rottmann (Creative Di­rector) und Andreas Meier (Key AccountDirector). Sie engagieren sich aktiv in al­len tonangebenden Branchenverbänden.

Kunden Im Palmares der Auftraggeberfindet man so bekannte Namen wieBiotta, Manor, Migros Klubschule,Suisse Garantie, Suzuki sowie Villiger.

Page 35: HZ Special «Marketing»
Page 36: HZ Special «Marketing»