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Verschuldung- und Überschuldung in Baden-Württemberg im Spiegel der Statistik Expertise im Auftrag des Diakonischen Werks der evangelischen Kirche in Württemberg Dr. Dr. Gunter E. Zimmermann Büro für Sozioökonomie Forschung und Entwicklung Karlsruhe, im Mai 2010

in Baden-Württemberg im Spiegel der Statistik · SCHUFA Kredit-Kompass 2010. Empirische Indikatoren der privaten Kreditaufnahme in Deutschland, Wiesbaden 2010, S. 35. 6 Vgl. Statistisches

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Verschuldung- und Überschuldung

in Baden-Württemberg im Spiegel der Statistik

Expertise im Auftrag des Diakonischen Werks

der evangelischen Kirche in Württemberg

Dr. Dr. Gunter E. Zimmermann Büro für Sozioökonomie Forschung und Entwicklung

Karlsruhe, im Mai 2010

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Dr. Dr. Gunter E. Zimmermann Ka r l - Leopo ld - S t raße 27

76229 Kar lsruhe Tel. 0721-4539 103 Fax 0721-4539 104

[email protected]

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I N H A LT

1. Einleitung: Gesellschaftliche Rahmenbedingungen des kreditfinanzierten privaten Konsums

1

1.1 Kredite stützen den Konsum der Massen 1

1.2 Zunehmendes Konsumentenkreditvolumen und zunehmender Bedarf an Schuldnerberatung 2

Teil 1 Grundlagen und Definitionen

2. Verschuldungsformen: Schulden sind nicht gleich Schulden: 5

2.1 Bankenmäßige und nicht-bankenmäßige Schulden 5

2.2 Grundlegende Unterschiede zwischen Konsumenten- und Hypothekarkrediten 5

3. Was ist Überschuldung? 6

3.1 Die „quasi-offizielle“ Definition von Überschuldung 6

3.2 Die Stufen des Überschuldungsprozesses im Überblick 7

4. Exkurs: Warum sich die Ergebnisse von Überschuldungs- studien oft stark unterscheiden 9

III

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Teil 2 Verschuldung und Überschuldung in Baden Württemberg: Empirische Analysen

5. Datenquellen der Analyse und was zu beachten ist 13

6. Absolute Überschuldung von Privatpersonen 15

6.1 Verbraucherinsolvenzen 15

6.1.1 Die Entwicklung der Verbraucherinsolvenzen seit 1999 15

6.1.2 Insolvenzen in Baden-Württemberg 16

6.1.3 Verbraucherinsolvenzen im Ländervergleich 18

6.2 Schuldner mit „harten“ Negativmerkmalen 21

6.2.1 „Harte“ Negativmerkmale: Verbraucherinsolvenz und Eidesstattliche Versicherung 21

6.2.2 Personen mit harten Negativmerkmalen: Die bundesweite Entwicklung 22

6.2.3 Personen mit harten Negativmerkmalen in Baden-Württemberg 23

7. Privatpersonen mit Zahlungsproblemen 25

7.1 Zahlungsausfälle und andere Negativmerkmale 25

7.2 Privatpersonen mit Zahlungsausfällen: Die bundesweite Entwicklung 26

7.3 Privatpersonen mit Zahlungsausfällen in Baden-Württemberg 27

8. Resümee: Absolute Überschuldung und Zahlungsprobleme von Privatpersonen 29

9. Überschuldung von Privathaushalten 31

9.1 Gesetzliche Existenzminima 2008 31

IV

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9.2 Überschuldete Privathaushalte mit Konsumenten- und/oder Hypothekarkrediten 33

9.3 Überschuldete Privathaushalte mit Konsumentenkrediten 35

9.4 Das Überschuldungsrisiko verschuldeter Privathaushalte 37

10. Resümee: Überschuldung von Privathaushalten 39

11. Soziodemographische Merkmale von Personen in Schuldnerberatung 40

11.1 Die Überschuldungsstatistik des Statistischen Bundesamtes 40

11.2 Soziodemographische Merkmale überschuldeter Personen 41

11.3 Auslöser der Überschuldung 43

V

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Gunter E. Zimmermann Verschuldung und Überschuldung in Baden-Württemberg

Kapitel 1: Einleitung

1

1. Einleitung: Gesellschaftliche Rahmenbedingungen

des kreditfinanzierten privaten Konsums

1.1 Kredite stützen den Konsum der Massen Die heutige konsumorientierte Lebensweise, die uns so selbstverständlich ist, wurde in Deutschland entscheidend in den 50er und 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts geprägt. Der dynamische wirtschaftliche Aufschwung Deutschlands nach den Zweiten Weltkrieg sowie in der Folge der beginnende Massenkonsum als Kennzeichen einer bis dahin nicht gekannten Wohlstandsgesellschaft wurden wesentlich durch Konsumentenkredite mitgetragen. Der „Wohlstand für Alle“1, so der Titel eines 1957 von Ludwig Erhard erschienen Buches, wurde entscheidend durch Kredite ermöglicht. Konsumentenkredite stützten die großen Konsumwellen in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg: die Bekleidungs- und Einrichtungswelle, die Haushaltsgerätewellen, Funk-, Fernseh- und Unterhaltungselektronikwellen, die Motorisierungswellen usw.2 Die Konsum- und die Kreditgeschichte sind in Deutschland (und nicht nur hier) untrennbar miteinander verbunden. Die Kaufkraft der Bevölkerung bzw. der private Konsum wurden zu einem entscheidenden Wirtschaftsfaktor und sind es heute mehr denn je. So erließ die Bundesregierung als Reaktion auf die Banken- und Finanzkrise ab dem Herbst 2008 zahlreiche Maßnahmen zur Stützung und Stabilisierung des privaten Konsums wie die viel diskutierte Umweltprämie („Abwrackprämie“). In der Folge stieg 2009 die Anzahl der neu zugelassenen PKW gegenüber dem Vorjahr um 23 Prozent3, wobei etwa jede dritte Neuzulassung ganz oder teilweise kreditfinanziert ist (inkl. Leasing)4. Insgesamt stieg – stimuliert durch das erwähnte Konjunkturpaket der Bundesregierung sowie durch zahlreiche Rabatt- und Finanzierungsangebote des Handels – im Krisenjahr 2009 die Anzahl der von Banken mit Privatpersonen neu abgeschlossenen Ratenkredite im Vergleich zum Vorjahr um 10 Prozent auf 7,611 Millionen Verträge.5 Die Verbraucher verhielten sich somit antizyklisch zur Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes, das 2009 einen (historischen) Rückgang um 5 Prozent aufweist.6 Die

1 Erhard, Ludwig: Wohlstand für Alle, Düsseldorf u. Wien 1957. 2 Vgl. Andersen, Arne: Der Traum vom guten Leben, a. a .O., S. 21 ff. 3 Vgl. Kraftfahrzeugbundesamt (Hrsg.): Jahresbilanz der Neuzulassungen 2009. 4 Vgl. GfK Finanzmarktforschung (Hrsg.): Grundlagenstudie zur Konsum- und Kfz-Finanzierung

im Auftrag des Bankenfachverbandes, Oktober 2009. 5 Vgl. SCHUFA Holding AG (Hrsg.): SCHUFA Kredit-Kompass 2010. Empirische Indikatoren der

privaten Kreditaufnahme in Deutschland, Wiesbaden 2010, S. 35. 6 Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Bruttoinlandsprodukt für Deutschland 2009, Wiesbaden

2010, S. 15.

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Gunter E. Zimmermann Verschuldung und Überschuldung in Baden-Württemberg

Kapitel 1: Einleitung

2

Auswirkungen der Krisenjahre auf das Ausmaß der von Überschuldung betroffenen Privatpersonen und -haushalte werden erst langsam sichtbar.

1.2 Zunehmendes Konsumentenkreditvolumen und zunehmender Bedarf an Schuldnerberatung

War vor dem Zweiten Weltkrieg das Schuldenmachen in Deutschland noch verpönt, da es mit Armut oder unwirtschaftlicher Haushaltsführung assoziiert wurde, so änderte sich dies zunehmend ab Mitte der 1950er Jahre mit der erwähnten öffentlichen Propagierung von Kleinkrediten. Betrug das Bestandsvolumen an Konsumentenkrediten Ende der 50er Jahre noch weniger als 2 Mrd. Euro, so beschleunigte sich die Konsumentenkreditvergabe in den folgenden Jahrzehnten sprunghaft: 1978 betrug das Volumen bereits mehr als 50 Mrd. Euro, 1987 mehr als 100 Mrd. Euro, und 1997 addierte sich das Konsumentenkreditvolumen bereits auf über 200 Mrd. Euro (vgl. Abb. 1.1). Ende 2009 belief sich das Volumen für Konsumentenkredite auf 227,45 Mrd. Euro.

Abb. 1.1

Entwicklung des Konsumentenkreditvolumens in Deutschland

0

50

100

150

200

250

300

1969

1971

1973

1975

1977

1979

1981

1983

1985

1987

1989

1991

1993

1995

1997

1999

2001

2003

2005

2007

2009

Jahr

Mrd

. Eur

o

Quelle: Monatsberichte und Statistische Beihefte (Bankenstatistiken) der Deutschen Bundesbank Das Sich-Verschulden gehört heute ebenso wie das Sparen zu den „normalen“ wirtschaftlichen Vorgängen im Lebenszyklus einer Person/einer Wirtschaftsge-meinschaft. Mittlerweile werden zu den materiellen Ressourcen von Privathaus-

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Gunter E. Zimmermann Verschuldung und Überschuldung in Baden-Württemberg

Kapitel 1: Einleitung

3

halten neben dem Erwerbs- und Transfereinkommen auch Kredite bzw. die Kre-ditwürdigkeit gezählt. Die Aufnahme eines Kredites ist jedoch immer ein Vorgriff auf ein künftiges Einkommen. Erfolgte der Aufbau und die Ausweitung der Konsumentenkredit-geschäfte in den 1950er und 1960er Jahren vor dem Hintergrund von Vollbe-schäftigung und steigenden finanziellen Rücklagemöglichkeiten, so haben sich die Rahmenbedingungen seither grundlegend verändert. Konnte 1967 die erste Rezession noch durch staatliche Investitionen überbrückt werden, führte das erste Ölembargo der Erdöl fördernden Länder (OPEC) 1973 zu einer weltweiten Wirtschaftkrise, die die so genannten „goldenen Jahre“ der unmittelbaren Nach-kriegszeit endgültig beendete. Nach dem „zweiten Ölschock“ und den Wirt-schaftskrisenjahren 1981/1982 nahmen die Arbeitslosenzahlen weiter stark zu (1983 wurde die 2 Millionen Marke überschritten) und prägen seitdem auf sehr hohem Niveau unseren Alltag. Der angeführte Vorgriff auf künftige Einkommen bei einer Kreditaufnahme ist folglich mit steigenden Risiken behaftet, da die Bio-graphien nicht nur aufgrund der erwähnten Arbeitsmarktrisiken, sondern weiter-hin aufgrund familiärer Ereignisse wie Scheidung etc. zunehmend diskontinuier-lich verlaufen. Es ist kein Zufall, dass die Einrichtung der Schuldnerberatung ab Mitte der 1970er Jahre beobachtet werden kann und diese sich innerhalb weniger Jahre zu einem eigenständigen Bereich der Sozialarbeit entwickelte. Seitdem wurden auf Grund der rasch wachsen Anzahl von privaten Überschuldungsfällen zahlreiche Betreuungseinrichtungen mit Schuldnerberatungen (integrierte Beratungsstellen) ausgestattet sowie ausschließlich darauf spezialisierte Beratungsstellen gegründet. Insgesamt bestehen in Deutschland derzeit rd. 950 (nicht-kommerzielle) Beratungsstellen, darunter rd. 90 in Baden-Württemberg. Um weiterhin der wachsenden Zahl von überschuldeten Personen einen „Neustart“ zu ermöglichen, trat mit 1. Januar 1999 die neue Insolvenzordnung in Kraft, die betroffenen Personen nach Ablauf einer „Wohlverhaltensphase“ eine Restschuldbefreiung gewährt und somit eine Zukunft ohne Schulden ermöglicht. Von 1999 bis einschließlich 2009 wurden 601250 Verbraucherinsolvenzverfahren beantragt.7

7 Statistisches Bundesamt: Entwicklung der Verbraucherinsolvenzen, in: SCHUFA

HOLDING AG (Hrsg.): Kredit-Kompass 2010, Wiesbaden 2010, S. 75.

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Gunter E. Zimmermann Verschuldung und Überschuldung in Baden-Württemberg Grundlagen und Definitionen

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Teil 1: Grundlagen und Definitionen

Wie ist Überschuldung zu definieren und zu messen? Definition und Messung von Überschuldung bestimmen die Ergebnisse

Da in Deutschland eine bundesweite repräsentative Datenerhebung fehlt, die ausschließlich zur Erfassung und empirischen Analyse der privaten Ver- und Überschuldung konzipiert wurde, sind das Ausmaß sowie die charakteristischen Merkmale der von Überschuldung betroffenen Personen bzw. Haushalte keinesfalls unumstritten. Die bestehenden Erkenntnisse hierzu basieren auf einer Vielzahl an Datenquellen, Erhebungsansätzen und Überschuldungsdefinitionen, die in der Regel so unterschiedlich sind, dass die Ergebnisse weder direkt vergleichbar sind noch sich unmittelbar ergänzen. In der Folge bestehen zur An-zahl sowie zu den strukturellen Merkmalen der privaten Ver- bzw. Überschuldung zahlreiche Ergebnisse, die je nach Interessenslage herangezogen und interpre-tiert werden. Im Rahmen der öffentlichen Debatte dieser Ergebnisse bleiben je-doch Konzepte, Überschuldungsdefinitionen und Berechnungsansätze, die zu den Ergebnissen führen, völlig unbeachtet. Die Grundlegungen, Definitionen und Ansätze der Erhebungen und Analysen sind jedoch mit den Ergebnissen un-trennbar verbunden, da diese nur vor diesem Hintergrund interpretierbar sind.

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Gunter E. Zimmermann Verschuldung und Überschuldung in Baden-Württemberg Grundlagen und Definitionen

Kapitel 2: Verschuldungsformen

2. Verschuldungsformen: Schulden sind nicht gleich Schulden

2.1 Bankenmäßige und nicht-bankenmäßige Schulden Grundsätzlich ist zunächst zu unterscheiden zwischen bankenmäßigen und nicht-bankenmäßigen Verschuldungsformen:

• Zu den bankenmäßigen Verschuldungsformen zählen vor allem die Formen des Konsumentenkredits (Ratenkredite, Rahmen- oder Abrufkredite, Dispositi-onskredite, Kreditkartenkredite usw.) sowie Hypothekarkredite (Realkredite, Bauspardarlehen etc.), die nach gängiger Auffassung nicht zu den Konsumentenkrediten gerechnet werden.

• Nicht-bankenmäßige Verschuldungsformen sind Primärschulden wie Miet- und Energieschulden, Pfandleihe, Spielschulden, Unterhaltssachen, Schulden aus unerlaubter Handlung und sonstige Schulden, wozu vor allem jene bei Privatpersonen, Versicherungen, Ämtern etc. zu zählen sind.

Da die Verbraucher in Deutschland mittels Kreditkarten, Kontoüberziehung etc. über einen Kredit so spontan verfügen können wie über Bargeld, bedeutet Verschuldung tendenziell zunächst eine bankmäßige Verschuldung. Erst bei Verschuldungsproblemen und insbesondere bei Überschuldung kommen oftmals nicht-bankenmäßigen Verschuldungsformen verstärkt hinzu.

2.2 Grundlegende Unterschiede zwischen Konsumenten- und Hypothekarkrediten

Konsumenten- und Hypothekarkredite unterscheiden sich grundlegend unter anderem hinsichtlich Laufzeit, Kredithöhe, Zweck der Verschuldung und Wert-beständigkeit des finanzierten Gegenstandes. Im Gegensatz zu Konsumenten-krediten nehmen Hypothekarkredite bei der Vermögensbildung (Wohneigentum) eine zentrale Rolle ein, und folglich ist das in der Hypothekentilgung enthaltene Sparen zur Schaffung von Wohneigentum in diesem Zusammenhang hervorzu-heben. Auf Grund der genannten Unterschiede wird deutlich, dass auch bei der Analyse von Überschuldung zu differenzieren ist zwischen Haushalten mit Konsumenten-krediten einerseits und Hypothekarkrediten andererseits.

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Gunter E. Zimmermann Verschuldung und Überschuldung in Baden-Württemberg Grundlagen und Definitionen

Kapitel 3: Was ist Überschuldung?

3. Was ist Überschuldung?

3.1 Die „quasi“-offizielle Definition von Überschuldung Überschuldung ist ein Prozess, der in der öffentlichen Debatte häufig mit eides-stattlicher Versicherung (Offenbarungseid) oder Privatinsolvenz gleichgesetzt wird, wodurch der Blick verengt wird auf die Endpunkte eines mehrstufigen Überschuldungsprozesses. Diese Endpunkte (Privatinsolvenz, eidesstattliche Versicherung), wo quasi „nichts mehr geht“, werden als absolute Überschul-dung bezeichnet. Überschuldung setzt jedoch zweifellos bereits davor ein, man spricht daher in Abgrenzung zu den Endpunkten des Überschuldungsprozesses von relativer Überschuldung. Doch wo ist im Ver- bzw. Überschuldungsprozess die Grenze zu ziehen zwischen überschuldeten und nicht überschuldeten Haushalten?

Die folgende Definition basiert auf einem Vorschlag von Ulf Groth, den er vor mehr als 25 Jahren in seinen „Leitfaden für die Sozialarbeit“8 vorstellte.

Relative Überschuldung eines Haushaltes/einer Wirtschaftsgemeinschaft liegt dann vor, wenn trotz Reduzierung der Lebenshaltungskosten auf die Pfän-dungsfreigrenze (alternativ: Sozialhilfegrenze) der verbleibende Einkommens-rest nicht ausreicht, um alle Zahlungsverpflichtungen aus Schulden zu erfüllen.

Diese Definition hat allgemeine Anerkennung erfahren und gilt als „quasi“-offizielle Definition von Überschuldung. Sie ist geeignet, relative Überschuldung zu messen und deren Ausmaß zu bestimmen. Die obige Definition kann natürlich analog für die Personenebene verwendet werden (relative Überschuldung von Personen). Durch die Betrachtung von Ver- bzw. Überschuldung im Haushaltskontext wird berücksichtigt, dass Schulden nicht nur die originär für einen Kredit haftenden Personen betreffen, sondern den gesamten Haushalt. Da die Pfändungsfreigrenze seit der Neufestsetzung im Jahr 2002 wesentlich über der Sozialhilfegrenze liegt, bestehen große Unterschiede zwischen den gesetzlich zugestandenen Lebenshaltungskosten nach dem Sozialhilfegesetz und der Pfändungsordnung. In der Folge erhalten wir eine geringere Anzahl an überschuldeten Haushalten, wenn das Existenzminimum für die Lebenshaltungskosten auf den Sozialhilferichtsätzen basiert (Untergrenze relativer Überschuldung), als wenn das Existenzminimum mittels der Pfän-dungsfreigrenzen festgelegt wird (Obergrenze relativer Überschuldung).

8 Vgl. Groth, Ulf: Schuldnerberatung. Praktischer Leitfaden für die Sozialarbeit, Frankfurt a. M.

und New York 1984, S. 16.

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Gunter E. Zimmermann Verschuldung und Überschuldung in Baden-Württemberg Grundlagen und Definitionen

Kapitel 3: Was ist Überschuldung?

Die Notwendigkeit der Berechnung von relativer Überschuldung auf der Basis beider Existenzminima besteht vor allem aus zwei Gründen: (1) Personen bzw. Haushalte können im Rahmen von Verschuldung ihre Lebenshaltungskosten auch freiwillig unter das Niveau der Pfändungsfreigrenze reduzieren, um ein In-vestitionsziel tätigen zu können. (2) Das Einkommen des Haushaltes kann bereits vor der Verschuldung kleiner sein als die dem Haushalt entsprechende Pfän-dungsfreigrenze.9 Hervorzuheben ist, dass bei Personen bzw. Haushalten, auf die (1) bzw. (2) zutrifft, der Kreditdienst unter Umständen nicht (voll) pfändbar ist.

3.2 Die Stufen des Überschuldungprozesses im Überblick Abb. 3.1

Die Stufen des ÜberschuldungsprozessesDie Stufen des Überschuldungsprozesses

VerschuldungVerschuldungVerschuldung

Zahlungsrückstand/-störung(gemahnte unwidersprochene Forderung:

„weiches“ Negativmerkmal)

Zahlungsrückstand/-störung(gemahnte unwidersprochene Forderung:

„weiches“ Negativmerkmal)

Relative Überschuldung ISaldo Einnahmen-Ausgaben negativ

(Ausgaben: inkl. Kreditverpflichtungen)Lebenshaltungskosten: Pfändungsfreigrenze

Relative Überschuldung ISaldo Einnahmen-Ausgaben negativ

(Ausgaben: inkl. Kreditverpflichtungen)Lebenshaltungskosten: Pfändungsfreigrenze

Absolute Überschuldung:Privatinsolvenz,

eidesstattliche Versicherung etc.(„hartes“ Negativmerkmal)

Absolute Überschuldung:Privatinsolvenz,

eidesstattliche Versicherung etc.(„hartes“ Negativmerkmal)

Keinesfalls führt jeder Zahlungsrückstand (jede Zahlungsstörung) zur Überschuldung

Keinesfalls führt jeder Zahlungsrückstand (jede Zahlungsstörung) zur Überschuldung

Relative Überschuldung IISaldo Einnahmen-Ausgaben negativ

(Ausgaben: inkl. Kreditverpflichtungen) Lebenshaltungskosten: Sozialhilfegrenze/ALG II

Relative Überschuldung IISaldo Einnahmen-Ausgaben negativ

(Ausgaben: inkl. Kreditverpflichtungen) Lebenshaltungskosten: Sozialhilfegrenze/ALG II

Absolute Überschuldung („Nichts geht mehr“):Einkommen und Vermögen reichen nicht aus, um die Verbindlichkeiten zu decken

Absolute Überschuldung („Nichts geht mehr“):Einkommen und Vermögen reichen nicht aus, um die Verbindlichkeiten zu decken

Relative Überschuldung:Wenn trotz Reduzierung der Lebenshal-tungskosten auf die Pfändungsfreigrenze (alternativ: Sozialhilfegrenze) das ver-bleibende Haushaltsnettoeinkommen nicht ausreicht, um alle Zahlungsverpflichtungen (inkl. Kreditverpflichtungen) zu erfüllen. Kurz: Die Ausgaben sind höher als die Einnahmen

Relative Überschuldung:Wenn trotz Reduzierung der Lebenshal-tungskosten auf die Pfändungsfreigrenze (alternativ: Sozialhilfegrenze) das ver-bleibende Haushaltsnettoeinkommen nicht ausreicht, um alle Zahlungsverpflichtungen (inkl. Kreditverpflichtungen) zu erfüllen. Kurz: Die Ausgaben sind höher als die Einnahmen

Quelle: Eigene Darstellung Abbildung 3.1 gibt eine Zusammenfassung des Überschuldungsprozesses wieder (Stufen des Prozesses und deren Definition). Jede Überschuldung be- 9 Vgl. hierzu auch die empirischen Analysen von Christa Fricke, Joachim R. Frick, Gert G.

Wagner: Sparen und Verschuldung privater Haushalte, in: Statistisches Bundesamt (Hrsg.):

7

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Gunter E. Zimmermann Verschuldung und Überschuldung in Baden-Württemberg Grundlagen und Definitionen

Kapitel 3: Was ist Überschuldung?

ginnt mit einem Zahlungsrückstand, aber keinesfalls bedeutet dies, dass jeder Zahlungsrückstand mit Überschuldung endet. Der Terminus des Zahlungsrückstandes bei Zahlungsverpflichtungen wird präzisiert durch den Terminus des Zahlungsausfalls (Zahlungsstörung), der von der SCHUFA (Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung) wie folgt definiert wird: Von den Vertragspartnern der SCHUFA fallweise gemeldete offene, ausgemahnte und unbestrittene Forderung.10 Die Verbraucherinsolvenz kann am Ende eines Überschuldungsprozesses stehen, aber keinesfalls endet jeder Überschuldungs-prozess damit. Zweifellos setzt Überschuldung jedoch bereits vor der absoluten Überschuldung ein, wobei die Fälle der relativen Überschuldung natürlich jene der absoluten mit umfassen.

Datenreport 2004. Zahlen und Fakten über die Bundesrepublik Deutschland, Bonn 2004, S. 595-602.

10 Vgl. SCHUFA HOLDING AG (Hrsg.): Schuldenkompass 2003. Empirische Indikatoren der privaten Ver- und Überschuldung in Deutschland, Wiesbaden 2003, S. 95.

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Gunter E. Zimmermann Verschuldung und Überschuldung in Baden-Württemberg Grundlagen und Definitionen

Kapitel 4: Exkurs

4. Exkurs: Warum sich die Ergebnisse von

Überschuldungsstudien oft stark unterscheiden? Betrachtet man die wichtigsten empirischen Studien über Ausmaß und Struktur überschuldeter Personen bzw. Privathaushalte der letzten Jahre, so kann ein Konsens bei der Definition von privater Überschuldung dahingehend festgestellt werden, dass Überschuldung relativ im Sinne der vorhin gemachten Ausführun-gen definiert wird. Weshalb weichen dann trotzdem die Ergebnisse von Über-schuldungsstudien so stark von einander ab? Die Ursache der großen Ergeb-nisunterschiede zum Ausmaß privater Überschuldung ist darin zu sehen, dass bei vielen (auch bei den regelmäßig veröffentlichten) Untersuchungen die vorge-gebenen Definitionen von privater Überschuldung bei den empirischen Erhebun-gen (Messung bzw. Erfassung von Überschuldung) nur teilweise oder gar nicht angewandt werden. Diese Diskrepanz rührt daher, weil mit den verwendeten Datensätzen die Ansprüche der vorgegebenen Definitionen nicht oder nur teil-weise erfüllt werden können. Dessen ungeachtet werden jedoch die erzielten Ergebnisse so interpretiert, als wäre dies der Fall. Mit den verwendeten Daten-sätzen können häufig „nur“ Aussagen zu bestimmten Stufen des Überschul-dungsprozesses wie Zahlungsrückstand, eidesstattliche Versicherung etc. ge-macht werden. In diesem Zusammenhang seien exemplarisch zwei regelmäßige Veröffentli-chungen angeführt, deren empirischen Ergebnisse zur Überschuldung privater Personen bzw. Haushalte häufig zitiert werden. Im „SchuldnerAtlas Deutschland 2009“ des Verbandes der Vereine Creditre-form wird Überschuldung von Personen wie folgt definiert: „Überschuldung liegt dann vor, wenn der Schuldner die Summe seiner fälligen Zahlungsverpflichtun-gen auch in absehbarer Zeit nicht begleichen kann und ihm zur Deckung seines Lebensunterhaltes weder Vermögen noch anderweitige Kreditmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Oder kurz: Die zu leistenden monatlichen Gesamtausgaben sind höher als die Einnahmen.“11 Diese Definition wird jedoch nicht umgesetzt (operationalisiert), da dafür notwendigen Daten offensichtlich nicht zur Verfügung stehen. Unter Verwendung der vorhandenen eigenen Datenbestände wird ab-

11 Vgl. Verband der Vereine Creditreform e. V. (Hrsg.): SchuldnerAtlas Deutschland 2009, Neuss

2009, S. 1.

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Gunter E. Zimmermann Verschuldung und Überschuldung in Baden-Württemberg Grundlagen und Definitionen

Kapitel 4: Exkurs

weichend von der obigen Definition eine Person als überschuldet gezählt, wenn sie mindestens zwei Zahlungsstörungen aufweist, ein Inkassofall von Creditre-form gegenüber Privatpersonen ist oder ein so genanntes hartes Negativmerkmal aufweist (Abgabe eidesstattliche Versicherung, Haftanordnung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, Privatinsolvenz).12 Es werden also Personen ab 18 Jahre erhoben, die mindestens eines der oben genannten Negativmerkmale haben. Es sind verschuldete Personen mit zum Teil nachhaltigen Zahlungsstö-rungen. Da wie erwähnt keinesfalls jede Zahlungsstörung zur Überschuldung führt, wird die Anzahl der überschuldeten Personen überschätzt. Wesentlich größer ist der Unterschied zwischen dem Berechnungsanspruch (De-finition) und dem, was tatsächlich berechnet wird, bei den Überschuldungsanaly-sen der GP-Forschungsgruppe (Dieter Korczak). Auch bei diesen Studien wird private Überschuldung relativ definiert wie beispielsweise bei der von der For-schungsgruppe durchgeführten Analyse für den 2ten Armuts- und Reichtums-bericht der Bundesregierung: „Ein Privathaushalt ist dann überschuldet, wenn Einkommen und Vermögen über einen längeren Zeitraum trotz Reduzierung des Lebensstandards nicht ausreichen, um fällige Forderungen zu begleichen“13. Diese Definition wird jedoch in der Folge nicht angewandt (operationalisiert), sondern die Anzahl der als überschuldet bezeichneten Haushalte sowie deren charakteristischen Merkmale werden wie bei allen Überschuldungsstudien der Forschungsgruppe (Dieter Korczak) nach dem so genannten „Indikatorenmodell“ geschätzt. „Zur Ermittlung der Überschuldungssituation in Deutschland wird auf ein etabliertes Indikatorenmodell zurückgegriffen, das (a) die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen, (b) die Entwicklung der Konsumentenkredite und Kredit-kündigungen, (c) die Entwicklung der eidesstattlichen Versicherungen, (d) die Mietschulden und (e) die Klientenstatistik der Schuldnerberatungsstellen berück-sichtigt“14. Die auf diese Weise erzielten Ergebnisse sind in der Folge mit grund-legenden Repräsentativitätsproblemen behaftet. Hervorgehoben sei, dass in Folge einer Beurteilungsstudie durch das Statistische Bundesamt für den zuletzt veröffentlichten 3. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung (2008) die Anzahl der überschuldeten Haushalte nicht mehr

12 Vgl. ebd., S. 1. 13 Vgl. Bundesregierung: Lebenslagen in Deutschland. Der 2. Armuts- und Reichtumsbericht der

Bundesregierung, Berlin 2005, S. 49. 14 Vgl. ebd., S. 50.

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Gunter E. Zimmermann Verschuldung und Überschuldung in Baden-Württemberg Grundlagen und Definitionen

Kapitel 4: Exkurs

nach dem Indikatorenmodell geschätzt wurde, sondern die Berechnungen erfolgten auf der Basis des repräsentativen Datensatzes des Sozio-ökonomi-schen Panels (SOEP) unter Anwendung (Umsetzung) der angeführten Definition von privater Überschuldung.15

Vgl. dazu auch: Korczak, D.: Überschuldungssituation in Deutschland im Jahr 2002, Expertise

im Auftrag des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend, München 2004, in: BMFSFJ (Hrsg.): Materialien zur Familienpolitik, Nr. 19/2004, Berlin 2004.

15 Vgl. Zimmermann, G. E.: Ermittlung der Anzahl überschuldeter Privathaushalte in Deutschland sowie weitere Kennzahlen zum Ausmaß privater Überschuldung auf der Basis des SOEP 2006. Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jungend, Karlsruhe 2007.

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Gunter E. Zimmermann Verschuldung und Überschuldung in Baden-Württemberg Empirische Analysen

Teil 2: Empirische Analysen zur Verschuldung und Überschuldung in Baden-Württemberg

Die Anzahl an überschuldeten Personen und Haushalte gibt es nicht. Es gibt nur wohlbegründete und praxiserprobte Definitionen, korrekte Erhebungen und in der Folge interpretierbare Ergebnisse.

Alle empirischen Analysen zur Verschuldung bzw. Überschuldung sind wie er-wähnt mit dem Problem behaftet, dass in Deutschland eine offizielle bundesein-heitliche repräsentative statistische Erfassung von verschuldeten und überschul-deten Personen bzw. Privathaushalten fehlt. Es gibt daher nicht die einzige exakte Angabe, wie viele Personen bzw. Haushalte überschuldet sind. Es gibt jedoch, wie aufgezeigt, eine wohlbegründete und weitestgehend anerkannte Definition von Überschuldung und davon ausgehend eine korrekte Erhebung (Messung) von Überschuldung bzw. Erfassung von Stufen des Überschuldungsprozesses. Für die Stufen des Überschuldungsprozesses bestehen repräsentative Datensätze, die den Verschuldungs- und Überschuldungsprozesses erfassen. Das Ziel besteht also darin, mit Hilfe dieser Datensätze den aufgezeigten Überschuldungsprozess (vgl. Abb. 3.1) abzubilden, um dadurch ein Gesamtbild der Ver- bzw. Überschuldungssituation von Privatpersonen bzw. -haushalten zu erhalten.

12

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Gunter E. Zimmermann Verschuldung und Überschuldung in Baden-Württemberg Empirische Analysen

Kapitel 5: Datenquellen der Analyse

5. Datenquellen der Analyse und was zu beachten ist Darstellung des Überschuldungsprozesses durch Informationszusammenführung Die Zusammenschau von Informationen und Ergebnissen aus unterschiedlichen Datensätzen zur Darstellung des Überschuldungsprozesses kann jedoch nur gelingen, wenn die einbezogenen Datensätze grundlegende Voraussetzungen erfüllen wie Repräsentativität, kompatible Definition von Ver- bzw. Über-schuldung zum angegebenen Überschuldungsprozess, korrekte Umsetzung der Definition im Rahmen der Operationalisierung (Messung) von Überschuldung etc. damit die Ergebnisse aus den einzelnen Erhebungen einander ergänzende Informationen liefern. Die wenigen regelmäßig veröffentlichten Datensätzen und Statistiken, die die angeführten Kriterien erfüllen, sind zu differenzieren nach personen- und haushaltsbezogenen Datensätzen bzw. Statistiken.

Personenbezogene Datenbasen Die wichtigsten personenbezogenen Datenbasen sind die Erhebungen des Statistischen Bundesamtes nämlich die Insolvenzstatistik und die Überschul-dungsstatistik von betreuten Personen bei Schuldnerberatungsstellen, sowie der Datenpool der SCHUFA.

Die SCHUFA verfügt über den bundesweit größten personenbezogenen Daten-bestand zum Zahlungsverhalten von rd. 66 Millionen volljährigen (natürlichen) Personen. Die Insolvenzstatistik des Statistischen Bundesamtes ist eine Voller-hebung, und an der Überschuldungsstatistik beteiligen sich 2008 etwa ein Drittel aller (nicht kommerziellen) Beratungsstellen mit rd. 70 Tsd. Fällen (Tendenz steigend). Der personenbezogene Datenpool der SCHUFA enthält nur kreditrelevante Merkmale, das heißt mit Ausnahme von Namen, Adresse, Alter und Geschlecht werden keine personen- oder haushaltsbezogenen Merkmale erhoben. Ebenso verhält es sich auch bei der Insolvenzstatistik des Statistischen Bundesamtes. Die Überschuldungsstatistik über betreute Personen bei Schuldnerberatungs-stellen erfasst personenrelevante und ganz wenige haushaltsbezogene Merk-male.

Dadurch, dass die angeführten Datenbasen keine oder nur sehr wenige (Überschuldungsstatistik) Haushaltsinformationen erfassen, können auch keine oder nur sehr nur sehr geringe Aussagen über den Haushaltshintergrund der

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Kapitel 5: Datenquellen der Analyse

betroffenen Personen gemacht werden. Es ist also nicht möglich, den Haushalt des Schuldners als Wirtschaftsgemeinschaft zu erfassen.

Alle genannten personenbezogenen Datenbasen (Insolvenzstatistik, Überschul-dungsstatistik, SCHUFA-Datenpool) erlauben keine Aussagen über die Gesamt-zahl der überschuldeten Personen oder Haushalte. Es wird im Rahmen der empi-rischen Analysen gezeigt, dass mit Hilfe der SCHUFA-Daten Aussagen zum Ausmaß von Zahlungsproblemen (Zahlungsausfällen) bei Schuldnern (volljähri-gen natürlichen Personen) getätigt werden können. Darunter befinden sich Schuldner, die bereits in öffentlichen Schuldnerverzeichnissen erfasst sind, sei es wegen einer eingebrachten Verbraucherinsolvenz oder einer Eidesstattlichen Versicherung, und entsprechend können Aussagen über die Anzahl dieser zah-lungsunfähigen Personen, die absolut überschuldet sind, erfolgen. Der einzige repräsentative Datensatz, der Aussagen zur Gesamtzahl überschul-deter Privathaushalte erlaubt (auf der Basis der Definition von relativer Über-schuldung, die die Fälle der absoluten Überschuldung mit umfasst, vgl. Kap. 3) ist das Sozio-ökonomische Panel.

Haushaltsbezogene Datenbasen Das Sozio-ökonomische Panel (SOEP) ist die einzige Datenbasis, mit der für Deutschland jährlich repräsentativ auf der Haushaltsebene bankenmäßige Ver-schuldungsformen (Formen der Konsumenten- und Hypothekarkredite) erhoben werden. Das SOEP ist eine jährliche Wiederholungsbefragung (Längsschnitter-hebung) des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, die aktuell bei ca. 12.000 Haushalten und 23.000 Personen durchgeführt wird. Grundsätzlich ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung, dass die Merkmale der Personenebene (alle erhobenen Merkmale des Personenfragebogens) sowie jene der Haushalts-ebene (Hauhaltsfragebogen) eindeutig einander zugeordnet werden können. Im Einzelnen betrachtet werden seit 1997 jährlich auf der Haushaltsebene alle Belastungen der Wirtschaftsgemeinschaft aus Krediten, das heißt der Besitz von Hypothekar- sowie von Konsumentenkrediten, und weiterhin für beide Kreditarten die entsprechenden monatlichen Zahlungsbelastungen daraus erhoben. Das SOEP ermöglicht sowohl repräsentative Analysen im Querschnitt als auch im Längsschnitt (Analysen zum Ver- bzw. Überschuldungsverlauf von Haushalten, Untersuchungen zur Dauer von Überschuldung etc.).

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Kapitel 6: Absolute Überschuldung von Privatpersonen

6. Absolute Überschuldung von Privatpersonen Wie erwähnt können exakte Ergebnisse zu einzelnen Stufen des Überschuldungsprozesses erzielt werden. Hinsichtlich der absoluten Überschul-dung von Privatpersonen bestehen höchst verlässliche Datensätze, die genaue Aussagen ermöglichen.

6.1 Verbraucherinsolvenzen Seit der Einführung der neuen Insolvenzordnung zum 1. Januar 1999 besteht für zahlungsunfähige Privatpersonen (natürliche Personen) die Möglichkeit, ein ver-einfachtes Insolvenzverfahren zu beantragen, um nach einer so genannten Wohlverhaltensphase von mindestens 6 Jahren eine Restschuldbefreiung zu erlangen. Seitdem haben bis einschließlich 2009 bundesweit 601250 Verbrau-cher einen Insolvenzantrag gestellt. 6.1.1 Die Entwicklung der Verbraucherinsolvenzen seit 1999 Abb. 6.1

Anzahl beantragter Verbraucherinsolvenzen (ohne ehemals Selbständige) Deutschland (1999 - 2009)

335710497

21441

33609

49123

68898

96586

10523898140

101102

13277

1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009

Jahr

Quelle: Datenbasis: Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Fachserie 2, Reihe 4.1; eigene Darstellung.

15

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Kapitel 6: Absolute Überschuldung von Privatpersonen

Mehr als 600 Tsd. Verbraucherinsolvenzen

bundesweit seit 1999

Abb. 6.1 zeigt die sehr rasche Zunahme der jährlich beantragten Verbraucher-insolvenzverfahren (Anzahl der Verfahren insgesamt: eröffnete und mangels Masse abgewiesene Verfahren sowie Verfahren mit angenommenem Schulden-bereinigungsplan) bis zum bisherigen Maximum im Jahr 2007 sowie dem an-schließenden leichten Rückgang. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob sich die jährliche Gesamtzahl der Verbraucherinsolvenzen auf einem Niveau von rd. 100 Tsd. Verfahren einpendeln wird.

Derzeit bundesweit rd. 100 Tsd. Verbraucherinsolvenzen jährlich

Angemerkt sei, dass auch andere natürliche Personen, deren Zahlungsunfähig-keit vor allem auf das Scheitern ihrer wirtschaftlichen Selbständigkeit zurück-zuführen ist, bei Gericht einen Antrag auf Restschuldbefreiung nach dem ver-einfachten Insolvenzverfahren stellen können. Die folgenden Ausführungen zu Verbraucherinsolvenzen betreffen nur natürliche Personen im engeren Sinne (ohne ehemals Selbständige etc.). 6.1.2 Insolvenzen in Baden-Württemberg

2009 neuer Höchstwert: rd. 10.000

Verbraucherinsolvenzen

Von den 101102 bundesweit eingebrachten Verbraucherinsolvenzen des Jahres 2009 (ohne ehemals Selbständige) entfielen auf Baden-Württemberg 9979 Verfahren. Gegenüber dem Jahr 2008 war dies eine Zunahme um 3,9 Prozent, und gleichzeitig wurde ein neuer Höchstwert erreicht (vgl. Abb. 6.2).

60 Prozent aller Insolvenzen sind Verbraucherinsolvenzen

2009 waren etwa 60 Prozent aller eingebrachten Insolvenzen in Baden-Württemberg Verbraucherinsolvenzen (ohne ehemals Selbständige). Der Anteil der Unternehmensinsolvenzen betrug im selben Jahr hingegen „nur“ 17 Prozent an allen Insolvenzen. Im Krisenjahr 2009 haben die Verbraucherinsolvenzen in Baden-Württemberg im Vergleich zum Vorjahr um 3,9 Prozent zugenommen (Durchschnitt Deutschland: 3,0 Prozent), die Unternehmensinsolvenzen stiegen jedoch um 29,4 Prozent (Durchschnitt Deutschland: 11,6 Prozent).16 Das Wirtschaftskrisenjahr 2009, das in Deutschland einen historischen Rückgang des

16 Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Fachserie 2, Reihe 4.1, Unternehmen und Arbeitsstätten:

Insolvenzverfahren, Monatsheft Dezember und Jahr 2009, Wiesbaden 2010, S. 17.

16

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Kapitel 6: Absolute Überschuldung von Privatpersonen

Bruttoinlandprodukts (BIP) um 5 Prozent aufwies17, traf des Land Baden-Württemberg hinsichtlich der Anzahl neuer Insolvenzfälle überdurchschnittlich, wobei die Unternehmensinsolvenzen wie aufgezeigt wesentlich stärker über dem Bundesdurchschnitt lagen als die Verbraucherinsolvenzen. Abb. 6.2

Baden-Württemberg: Insolvenzen 2007 - 2009

15620 15432

9696 9600 9979

2137 2202 2850

16746

0

5000

10000

15000

20000

25000

2007 2008 2009

Jahr

Insolvenzen insgesamtVerbraucherinsolvenzen ohne ehemals SelbständigeUnternehmensinsolvenzen

Quelle: Datenbasis: Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Fachserie 2, Reihe 4.1; eigene Darstellung.

Summe der Forderungen aus Verbraucherinsolvenzen 2009

rd. 690 Millionen Euro

Die Gesamtforderungen der Gläubiger aus den Verbraucherinsolvenzen 2009 (ohne ehemals Selbständige) in Baden-Württemberg betrugen 691,4 Millionen Euro. Das ergibt je Fall eine durchschnittliche Forderungshöhe von rd. 69 Tsd. Euro. Bundesweit belaufen sich die Forderungen aus Verbraucherinsolvenzen des Jahres 2009 auf insgesamt 5,8 Mrd. Euro (durchschnittliche Forderungshöhe je Fall: rd. 57 Tsd. Euro).18 In welcher Höhe die Schuldner in der Lage sind, Rückzahlungen an ihre Gläubiger zu leisten, kann erst zu einem späteren

17 Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Bruttoinlandsprodukt für Deutschland 2009, Wiesbaden

2010, S. 15. 18 Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Fachserie 2, Reihe 4.1, Unternehmen und Arbeitsstätten:

Insolvenzverfahren, Monatsheft Dezember und Jahr 2009, Wiesbaden 2010, S. 17.

17

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Kapitel 6: Absolute Überschuldung von Privatpersonen

ermittelt werden. Frühere Auswertungen legen jedoch nahe, dass die Quote unter 10 Prozent betragen wird.19

6.1.3 Verbraucherinsolvenzen im Ländervergleich Betrachtet man die Anzahl der Verbraucherinsolvenzen der Bundesländer im Jahr 2009, so zeigt sich, dass bei fast allen Ländern ausgenommen Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt die Verbraucherinsolvenzen im Vergleich zum Vorjahr zugenommen haben (vgl. Abb. 6.3).

Abb. 6.3

Verbraucherinsolvenzen 2008 und 2009 nach Bundesländern(ohne ehemals Selbständige)

9600 10

624

1321

6733

1903

1329

9

2300

4

4258

1600

4552

3597 4223

2434

9979

1039

2

4327

1487 26

77

6803

1982

1339

0

4482

1693

4487

3464 43

49

272240

87

4389

2516

2439

7

4471

0

5000

10000

15000

20000

25000

30000

Bad

en-W

ürtte

mbe

rg

Bay

ern

Ber

lin

Bra

nden

burg

Bre

men

Ham

burg

Hes

sen

Mec

klen

burg

-Vor

pom

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n

Nie

ders

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en

Nor

drhe

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len

Rhe

inla

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falz

Saa

rland

Sac

sen

Sac

hsen

-Anh

alt

Sch

lesw

ig-H

olst

ein

Thür

inge

n

Anz

ahl V

erbr

auch

erin

solv

enze

n Jahr 2008

Jahr 2009

Quelle: Datenbasis: Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Fachserie 2, Reihe 4.1; eigene Darstellung. Absolut betrachtet weist für das Jahr 2009 Nordrhein-Westfalen (24397) mit Abstand die höchste Anzahl an Verbraucherinsolvenzen (ohne ehemals Selbständige) aus, gefolgt von Niedersachsen (13390), Bayern (10392) und Baden-Württemberg (9979). Wie können diese Werte eingeordnet werden? Sind

19 Vgl. Statistisches Bundesamt: Auswertung Schuldnerberaterdaten, in: SCHUFA HOLDING AG

(Hrsg.): Schuldenkompass 2008. Empirische Indikatoren der privaten Ver- und Überschuldung in Deutschland, Wiesbaden 2008, S. 107.

18

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Kapitel 6: Absolute Überschuldung von Privatpersonen

rd. 10 Tsd. Verbraucherinsolvenzen pro Jahr für Baden-Württemberg eine hohe Zahl? Müssen die Schuldner in Baden-Württemberg im Vergleich mit anderen Ländern den Weg zum Insolvenzgericht häufiger antreten? Die absoluten Insolvenzzahlen können dazu keine Informationen bieten. Es ist daher sinnvoll, die Absolutzahlen in Beziehung zu den Einwohnerzahlen der Länder zu setzen.

Regional höchst unterschiedliche Verteilung

der Verbraucherinsolvenzen Abb. 6.4

Verbraucherinsolvenzen 2008 nach Bundesländern Insolvenzen je 100.000 Einwohner *

103 109128 134

149 156168 172 181 184 187

204

236

131123 124

0

100

200

300

Bayern

Baden-W

ürttemberg

Thüringen

Sachsen

Rheinland-P

falz

Mecklenburg-Vorpom

mern

Hessen

Berlin

Nordrhein-W

estfalen

Ham

burg

Sachsen-Anhalt

Schlesw

ig-Holstein

Saarland

Brandenburg

Niedersachsen

Brem

en

Wert für Deutschland: 144

Inso

lven

zen

je 1

00.0

00 E

inw

ohne

r

Quelle: Datenbasis: Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Fachserie 2, Reihe 4.1; Eigene Berechnungen und eigene Darstellung. *) Gesamtbevölkerung über 18 Jahren (18 Jahre und älter); Stand: 31. Dezember 2008.

Bayern und Baden-Württemberg haben die wenigsten Verbraucherinsolvenzen

je 100.000 Einwohner

Gemessen an der Bevölkerung ab 18 Jahren verteilt sich die Anzahl der Verbraucherinsolvenzen regional höchst unterschiedlich. Im Jahr 2008 (dazu liegen die Bevölkerungsfortschreibungen auf Länderebene vor) kamen bundes-weit auf 100.000 Erwachsene (Personen ab 18 Jahren) 144 Verbraucher-

19

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Kapitel 6: Absolute Überschuldung von Privatpersonen

insolvenzen (Verfahren insgesamt ohne ehemals Selbständige). In Bayern (103) und Baden-Württemberg (109) müssen die wenigsten Schuldner je 100.000 Er-wachsene den Weg zum Insolvenzgericht antreten. Am häufigsten mit 236 Per-sonen je 100.000 Erwachsene nahmen die Schuldner in Bremen die Insolvenz-gerichte in Anspruch (vgl. Abb. 6.4). Diese Verteilung der Verbraucherinsolvenzfälle der Länder je 100.000 Personen ab 18 Jahren des Jahres 2008 ist nicht zufällig, sondern sie bestätigt sich unter Einbeziehung aller Verbraucherinsolvenzen der Länder seit 1999.20

Abb. 6.5

Verbraucherinsolvenzen 1999 bis 2007 nach Bundesländern Insolvenzen je 100.000 Einwohner *

414 434517

643 648 661 670 671 704

816 828

981

1192

481480556

0

200

400

600

800

1000

1200

1400

Bayern

Baden-W

ürttemberg

Hessen

Sachsen

Thüringen

Rheinland-Pfalz

Mecklenburg-V

orpomm

ern

Nordrhein-W

estfalen

Sachsen-A

nhalt

Berlin

Brandenburg

Schlesw

ig-Holstein

Ham

burg

Niedersachsen

Saarland

Brem

en

Wert für Deutschland: 589

Inso

lven

zen

je 1

00.0

00 E

inw

ohne

r

Quelle: Datenbasis: Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Fachserie 2, Reihe 4.1; eigene Darstellung. *) Gesamtbevölkerung über 18 Jahren (18 Jahre und älter); Stand: 31. Dezember 2007. Im langjährigen Vergleich, wodurch jährliche Schwankungen egalisiert werden, zeigt sich (vgl. Abb. 6.5), dass Bayern und Baden-Württemberg die geringste Anzahl an Verbraucherinsolvenzen je 100.000 Einwohner (Personen ab 18 Jah-

20 Vgl. auch Statistisches Bundesamt: Auswertung Schuldnerberaterdaten, in: SCHUFA HOLDING

AG (Hrsg.): Schuldenkompass 2008. Empirische Indikatoren der privaten Ver- und Überschuldung in Deutschland, Wiesbaden 2008, S. 108.

20

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Kapitel 6: Absolute Überschuldung von Privatpersonen

ren) aufweist und die meisten Verbraucherinsolvenzen mit großem Abstand auf Bremen entfallen. Insgesamt ist ein deutliches Nord-Süd-Gefälle erkennbar, in dem sich auch die länderspezifischen Arbeitsmarktprobleme (Arbeitslosenquo-ten) widerspiegeln. Die Analysen von Verbraucherinsolvenzfällen bestätigen, dass Arbeitslosigkeit die Hauptursache für Überschuldung und Verbraucherinsol-venz darstellt. 21

Neben der Verbraucherinsolvenz ist die Abgabe einer Eidesstattlichen Versicherung Ausdruck von Zahlungsunfähigkeit bzw. absoluter Überschuldung. Zu beiden Merkmalen bestehen Auswertungen der SCHUFA, die die obigen Ausführungen ergänzen.

6.2 Schuldner mit „harten“ Negativmerkmalen 6.2.1 „Harte“ Negativmerkmale: Verbraucherinsolvenz und

Eidesstattliche Versicherung Es wurde bereits diskutiert, dass private Überschuldung allein auf Basis der Verbraucherinsolvenzfälle zu beurteilen, zu kurz greift, da diesem Endpunkt des Überschuldungsprozesses ein Verlauf kritischer finanzieller Situationen voraus-geht. Die Insolvenzordnung kennt für natürliche Personen den Begriff der Über-schuldung nicht, sondern der Gesetzgeber spricht von Zahlungsunfähigkeit (§17 Abs. 1 InsO) bzw. von drohender Zahlungsunfähigkeit (§18 Abs. 1 InsO), die laut Insolvenzordnung die Voraussetzung für die Eröffnung eines Verbraucherinsol-venzverfahren darstellen. Die Abgabe einer Eidesstattlichen Versicherung steht in engem Zusammenhang mit Zahlungsunfähigkeit bzw. dem Nachweis von Zahlungsunfähigkeit. Eidesstattliche Versicherung und Privatinsolvenz (Verbrau-cherinsolvenz) sind „Endpunkte“ eines Überschuldungsprozesses, die juristisch die Zahlungsunfähigkeit bedeuten bzw. absolute Überschuldung in der Termino-logie des dargestellten Überschuldungsprozesses (vgl. Kap. 3.2). Die von der SCHUFA zu einer volljährigen Person gespeicherten Informationen werden unterschieden nach positiven und negativen Merkmalen. Darunter bilden Verbraucherinsolvenz, Eidesstattliche Versicherung (EV) und Haftbefehl zur Ab-gabe einer EV die so genannten „harten“ Negativmerkmale. Die Daten zu diesen „harten“ Negativmerkmalen entstammen öffentlichen Schuldnerverzeichnissen. Auswertungen und Analysen hierzu werden in den jährlichen Veröffentlichungen

21 Vgl. Lechner, Götz und Wolfram Backert: Leben im roten Bereich – Daten zum Leben in der Verbraucherinsolvenz, in: SCHUFA HOLDING AG (Hrsg.): Schulden-Kompass 2007. Empirische Indikatoren der privaten Ver- und Überschuldung in Deutschland, Wiesbaden 2007, S. 124.

21

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Gunter E. Zimmermann Verschuldung und Überschuldung in Baden-Württemberg Empirische Analysen

Kapitel 6: Absolute Überschuldung von Privatpersonen

der SCHUFA angeboten, wodurch die Erkenntnisse aus der Insolvenzstatistik des Statischen Bundesamtes erweitert und ergänzt werden können. 6.2.2 Personen mit harten Negativmerkmalen:

Die bundesweite Entwicklung 2009: Rd. 3 Millionen Personen

ab 18 Jahren absolut überschuldet

Im Jahr 2009 wiesen 4,4 Prozent aller Personen ab 18 Jahren (18 Jahre und älter) in Deutschland ein hartes Negativmerkmal auf. Das heißt, dass bei rd. 3 Mio. Schuldnern eine (aktuelle) Eidesstattliche Versicherung und/oder ein laufendes Verbraucherinsolvenzverfahren bestehen.

Abb. 6.6

Anteil der Personen mit mind. einem harten Negativmerkmal an allen Personen ab 18 Jahren

Deutschland (2003 - 2009)

3,84,2 4,2 4,2 4,4

3,54,0

0,0

1,0

2,0

3,0

4,0

5,0

6,0

2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009

Prozent

Quelle: Datenbasis: SCHUFA Holding AG (Hrsg.): Schulden-Kompass lfd. Jahrgänge und Kredit-

Kompass 2010; eigene Darstellung. Abb. 6.6 zeigt die bundesweite Entwicklung der letzten sechs Jahre des Anteils volljähriger natürlicher Personen mit mindestens einem harten Negativmerkmal. Von 2003 bis 2009 hat sich dieser Anteil um ein Vierteln erhöht, wobei der Anteil in den Jahren 2006 bis einschließlich 2008 gleich bleibend bei 4,2, Prozent lag.

22

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Kapitel 6: Absolute Überschuldung von Privatpersonen

6.2.3 Personen mit harten Negativmerkmalen in Baden-Württemberg Betrachtet man die Anteile der Personen mit mindestens einem harten Negativ-merkmal an allen Personen (18 Jahren und älter) auf Länderebene, so unterscheiden sich diese Anteile zum Teil erheblich. Abb. 6.7 zeigt die Verteilung der Anteile für das Jahr 2007 (jüngere Ergebnisse aus dem SCHUFA-Datenbestand auf Länderebene wurden nicht veröffentlicht), die durch ein deutliches Nord-Süd-Gefälle geprägt ist, worin sich vor allem die länderspezifischen Arbeitsmarktstrukturen und -probleme widerspiegeln.

Bayern und Baden-Württemberg haben die niedrigsten Anteile

absolut überschuldeter Personen Abb. 6.7

Anteil der Personen mit mind. einem harten Negativmerkmal an allen Personen ab 18 Jahre im jeweiligen Bundesland 2007

3,1 3,3

4,14,5 4,5 4,7 4,7 4,7 4,8 4,9 5,0

5,8 6,0

4,33,9 3,9

0

1

2

3

4

5

6

7

8

Bayern

Baden-W

ürttemberg

Sachsen

Hessen

Thüringen

Rheinland-P

falz

Niedersachsen

Brandenburg

Mecklenburg-V

orpomm

ern

Schlesw

ig-Holstein

Ham

burg

Saarland

Nordrhein-W

estfalen

Sachsen-A

nhalt

Brem

en

Berlin

Wert für Deutschland: 4,15

Pro

zent

Quelle: Datenbasis: SCHUFA Holding AG (Hrsg.): Schulden-Kompass 2008; eigene Darstellung.

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Kapitel 6: Absolute Überschuldung von Privatpersonen

Bayern und Baden-Württemberg weisen mit 3,1 Prozent bzw. 3,3 Prozent die mit Abstand niedrigsten und Berlin (6,0) sowie Bremen (5,8) die höchsten Anteils-werte aus. Bundesweit lag 2007 der Anteilswert bei 4,15 Prozent, das heißt, dass bei rd. 2,83 Millionen Schuldnern eine Eidesstattliche Versicherung (aktuell) be-stand und/oder sie sich in einem laufenden Verbraucherinsolvenzverfahren be-fanden (vgl. Abb. 6.7).

2009: Rd. 300 Tsd. absolut überschuldete natürliche

Personen in Baden-Württemberg

Demnach waren in Baden-Württemberg im Jahr 2007 rd. 290 Tsd. natürliche Personen (18 Jahre und älter) durch harte Negativmerkmale (Eidesstattliche Versicherung und/oder Verbraucherinsolvenz) belastet. Diese natürlichen Personen gelten als absolut überschuldet. Da derzeit in Baden-Württemberg jährlich etwa 10 Tsd. Verbraucherinsolvenzen bei den Gerichten neu eingebracht werden (vgl. Kap. 6.1.3, Abb. 6.3) und gleichzeitig jedoch auch ältere Verfahren mit einer Restschuldbefreiung abgeschlossen werden, kann aktuell für das Jahr 2009 von rd. 300 Tsd. absolut überschuldeten natürlichen Personen in Baden-Württemberg ausgegangen werden.

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Kapitel 7: Privatpersonen mit Zahlungsproblemen

7. Privatpersonen mit Zahlungsproblemen Im vorangegangenen Kapitel wurde das Ausmaß der absoluten Überschuldung diskutiert. Absolute Überschuldung stellt wie erwähnt den Endpunkt eines Über-schuldungsprozesses dar, der lange davor begonnen hat. Nun soll der Blick erweitert werden auf alle natürlichen Personen (18 Jahre und älter) mit Zahlungsproblemen. Der bundesweit größten Datenbestand hierzu (Informationen zu rd. 66 Millionen volljährigen Personen) besteht bei der SCHUFA. Vorab muss der Begriff Zahlungsproblem jedoch noch präzisiert werden.

7.1 Zahlungsausfälle und andere Negativmerkmale Die SCHUFA bezeichnet die nicht vertragsgemäße Erfüllung einer Zahlung als Negativmerkmal und unterscheidet „weiche“ und „harte“ Negativmerkmale. Wie erwähnt wird das Bestehen einer Verbraucherinsolvenz, einer Eidesstattlichen Versicherung (EV) oder eines Haftbefehls zur Abgabe einer EV als „hartes“ Ne-gativmerkmal definiert. Als „weiches“ Negativmerkmal wird ein Zahlungsausfall bezeichnet, das heißt eine offene, ausreichend gemahnte und unbestrittene For-derung. 22

Am Anfang jeder eingetretenen Überschuldung steht ein Zahlungsausfall, aber keinesfalls muss jeder Zahlungsausfall zur Überschuldung führen. Personen mit nur „weichen“ Negativmerkmalen dürfen also nicht mit überschuldeten Personen gleichgesetzt werden. Personen mit Zahlungsproblemen sind Schuldner mit mindestens einem Nega-tivmerkmal. Das heißt, sie haben mindestens ein weiches und/oder mindestens ein hartes Negativmerkmal. Hervorgehoben sei nochmals, dass keinesfalls alle Personen mit Zahlungsproblemen überschuldet sind. Die überschuldeten Personen bilden nur eine Teilmenge davon.

22 Vgl. SCHUFA HOLDING AG (Hrsg.): Schuldenkompass 2003. Empirische Indikatoren der

privaten Ver- und Überschuldung in Deutschland, Wiesbaden 2003, S. 95.

25

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Kapitel 7: Privatpersonen mit Zahlungsproblemen

7.2 Privatpersonen mit Zahlungsproblemen: Die bundesweite Entwicklung

2009: Rd. 5,8 Millionen Personen ab 18 Jahren

mit Zahlungsproblemen

Im Jahr 2009 hatten 8,5 Prozent aller volljährigen Personen (Personen ab 18 Jahren und älter) Zahlungsprobleme, das heißt, dass mindestens ein Negativmerkmal bei ihnen vorliegt. Entsprechend waren 2009 in Deutschland rd. 5,8 Millionen volljährige (natürliche) Personen davon betroffen.

Abb. 7.1

Anteil der Personen mit Zahlungsproblemen (mind. ein Negativmerkmal) an allen Personen ab 18 Jahren

Deutschland (2003 - 2009)

7,37,8 8,1 8,3 8,5

6,6

7,5

0,0

2,0

4,0

6,0

8,0

10,0

2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009

Prozent

Quelle: Datenbasis: SCHUFA Holding AG (Hrsg.): Schulden-Kompass lfd. Jahrgänge und Kredit-

Kompass 2010; eigene Darstellung. Abb. 7.1 zeigt, dass der Anteil der volljährigen (natürlichen) Personen, die von Zahlungsproblemen betroffen sind, kontinuierlich zugenommen hat. Ihr Anteil wuchs von 6,6 Prozent im Jahr 2003 auf 8,5 Prozent im Jahr 2009, wobei sich der Zuwachs seit 2007 etwas abschwächte. Im Jahr 2007 hatten 5,46 Millionen volljährige Schuldner mindestens ein Negativmerkmal und 2008 hatten 5,67 Millionen volljährige Personen Zahlungsprobleme.

26

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Kapitel 7: Privatpersonen mit Zahlungsproblemen

7.3 Privatpersonen mit Zahlungsproblemen in Baden-Württemberg:

Bayern und Baden-Württemberg haben die niedrigsten Anteile an natürlichen

Personen mit Zahlungsproblemen Abb. 7.2

Anteil der Personen mit Zahlungsproblemen (mind. ein Negativmerkmal) an allen Personen ab 18 Jahre im

jeweiligen Bundesland 2009

6,4 6,7

8,38,7 8,8 9,0

9,4 9,3 9,5 9,8 9,8

11,612,1

8,5

7,47,9

0,0

2,0

4,0

6,0

8,0

10,0

12,0

14,0

Bayern

Baden-W

ürttemberg

Sachsen

Thüringen

Hessen

Rheinland-P

falz

Niedersachsen

Brandenburg

Schlesw

ig-Holstein

Ham

burg

Saarland

Mecklenburg-V

orpomm

ern

Nordrhein-W

estfalen

Sachsen-A

nhalt

Brem

en

Berlin

Wert für Deutschland: 8,5

Pro

zent

Quelle: Datenbasis: SCHUFA Holding AG (Hrsg.): Kredit-Kompass 2010; eigene Darstellung. Der Anteil der volljährigen Personen mit Zahlungsproblemen ist unter den Bundesländern zum Teil sehr unterschiedlich. Während Bayern und Baden-Württemberg mit 6,4 Prozent bzw. 6,7 Prozent die niedrigsten Anteile an volljährigen Schuldnern mit Zahlungsproblemen (mindestens ein Negativmerkmal) aufweisen, liegen die Anteile in Bremen (11,6 Prozent) und Berlin (12,1 Prozent) wesentlich höher.

27

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Kapitel 7: Privatpersonen mit Zahlungsproblemen

2009: Rd. 590 Tsd. natürliche Personen mit Zahlungsproblemen

in Baden-Württemberg

In Absolutzahlen ausgedrückt bedeutet dies, dass im Jahr 2009 in Baden-Württemberg rd. 590 Tsd. volljährige (natürliche) Personen Zahlungsprobleme aufwiesen, wobei diese Zahlungsprobleme sehr unterschiedlich sind.

Von den 590 Tsd. Personen mit Zahlungsproblemen sind

rd. 300 Tsd. absolut überschuldet

Unter den genannten 590 Tsd. Personen befinden sich rd. 300 Tsd. absolut überschuldete (zahlungsunfähige) Personen, die eine Eidesstattliche Versiche-rung abgegeben haben und/oder in Privatinsolvenz (Verbraucherinsolvenz) sind. Die restlichen 290 Tsd. Personen haben bei der SCHUFA nur mindestens ein „weiches“ Negativmerkmal eingetragen, das heißt, dass der SCHUFA mindes-tens ein Zahlungsausfall (offene, gemahnte und unbestrittene Forderung) von einem Vertragspartner (Banken, Sparkassen, Versicherungen, Telekommuni-kationsunternehmen, Versandhandel etc.) gemeldet wurde. Diese 290 Tsd. Personen sind keinesfalls alle als überschuldet zu bezeichnen, in dem Sinne, dass sie (dauerhaft) zahlungsunfähig sind. Wie hoch der Anteil der überschul-deten Personen darunter ist, kann nicht ausgesagt werden.

Abschließend sei angemerkt, dass von der SCHUFA die überwiegende Mehrheit, aber nicht alle der möglichen Zahlungsausfälle von volljährigen Personen erfasst werden. Bei den von der SCHUFA erfassten Zahlungsausfällen handelt es sich vor allem um jene aus bankenmäßigen Verschuldungsformen, wobei jedoch auch zentrale Zahlungsausfälle von nicht-bankenmäßigen Verschuldungsformen wie jenen bei Versicherungen, Telekommunikationsunternehmen (Handy-verträge) etc. werden erhoben.

28

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Kapitel 8: Resümee: Überschuldung von Privatpersonen

8. Resümee: Absolute Überschuldung und Zahlungsprobleme von Privatpersonen

In den Kapiteln 6 und 7 wurden Zahlungsprobleme und darunter speziell absolute Überschuldung von Privatpersonen diskutiert. Das heißt, es wurden die Zahlungsprobleme von volljährigen natürlichen Personen analysiert.

Als personenbezogene Datenbasen dienten die Insolvenzstatistik des Statistischen Bundesamtes sowie der SCHUFA-Datenpool. Beide Datenbasen sind Vollerhebungen (der SCHUFA-Datenpool ist mit 66 Millionen Personendatensätzen als solcher zu werten) und garantieren dadurch höchst zuverlässige Ergebnisse.

Absolute Überschuldung von Privatpersonen Absolute Überschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit wird durch die Merkmale Privatinsolvenz (Verbraucherinsolvenz) bzw. Eidesstattliche Versicherung definiert. Derzeit sind bundesweit jährlich rd. 100 Tsd. neue Verbraucherinsolvenzen zu verzeichnen, darunter rd. 10 Tsd. aus Baden-Württemberg. Die durchschnittliche Forderungshöhe der Gläubiger je Verbraucherinsolvenz in Baden-Württemberg betrug 69 Tsd. Euro (bundesweiter Durchschnitt je Fall rd. 57 Tsd. Euro). Etwa 60 Prozent aller neuen Insolvenzen des Jahres 2009 waren in Baden-Württemberg Verbraucherinsolvenzen. Die Anzahl der zahlungsunfähigen (absolut überschuldeten) Personen vergrößert sich mehrfach, wenn auch das Merkmal Eidesstattliche Versicherung mit einbezogen wird. Im Jahr 2009 waren bundesweit rd. 3 Mio. volljährige Personen absolut überschuldet, weil sie eine Eidesstattlichen Versicherung abgegeben und/oder eine Verbraucherinsolvenz beantragt hatten, darunter waren rd. 300 Tsd. Schuldner (volljährige natürliche Personen) aus Baden-Württemberg.

Wie viele volljährige Personen darüber hinaus (absolut) überschuldet sind, kann nicht genau bestimmt werden. Wir wissen allerdings ziemlich genau, wie viele natürliche Personen grundsätzlich Probleme haben, ihre vertraglichen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen.

29

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Gunter E. Zimmermann Verschuldung und Überschuldung in Baden-Württemberg Empirische Analysen

Kapitel 8: Resümee: Überschuldung von Privatpersonen Privatpersonen mit Zahlungsproblemen Rechnet man zu den absolut überschuldeten Personen noch jene hinzu, die min-destens einen Zahlungsausfall (offene, ausreichend gemahnte und unbestrittene Forderung) aufweisen, so hatten bundesweit im Jahr 2009 rd. 5,8 Mio. Personen Zahlungsprobleme (darunter 590 Tsd. Personen aus Baden-Württemberg). Be-zogen auf alle volljährigen Personen betrug der Anteil der Personen mit Zah-lungsproblemen bundesweit 8,5 Prozent und bezogen auf Baden-Württemberg 6,7 Prozent. Bei den personenbezogenen Zahlungsproblemen werden durch die SCHUFA vor allem jene aus bankenmäßigen Verschuldungsformen erfasst, aber ebenso werden auch Zahlungsausfälle von wichtigen nicht-bankenmäßigen Verschuldungsformen (Versicherungen, Handyverträge etc.) erhoben. Von der Anzahl überschuldeter Privatpersonen kann nicht die Anzahl überschuldeter Privathaushalte abgeleitet werden Die den Analysen zu Grunde liegenden personenbezogenen Datenbasen erlauben keine Aussagen zur Anzahl überschuldeter Privathaushalte. Dies liegt daran, dassl die Personendatensätze keinerlei Informationen über den Haushaltshintergrund enthalten. Die häufig zu beobachtende Vorgehensweise, die Anzahl der überschuldeten volljährigen Personen einfach durch die durchschnittliche Haushaltsgröße zu teilen, führt zu falschen Ergebnissen, weil Haushalte zum Beispiel keinesfalls nur aus volljährigen überschuldeten Personen bestehen. Die Anzahl der von Überschuldung betroffenen Haushalte kann nur mittels Datenbasen berechnet werden, die den Haushalt als Wirtschaftsgemeinschaft erfassen und gleichzeitig kreditrelevante Daten des Haushalts erheben.

30

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Kapitel 9: Überschuldete Privathaushalte

9. Überschuldung von Privathaushalten Obwohl für Kredite bzw. andere Verschuldungsformen originär Personen haften, gilt die Aufmerksamkeit insbesondere auch der Überschuldung von Privathaus-halten. Durch die Betrachtung von Überschuldung im Haushaltskontext wird be-rücksichtigt, dass Schulden nicht nur einzelne Personen betreffen, sondern den gesamten Haushalt. Unterstellt wird in diesem Zusammenhang, dass der Haus-halt eine Wirtschaftsgemeinschaft mit finanziellem Austausch darstellt.

Methode der Berechnung überschuldeter Haushalte Um zu berechnen, ob ein verschuldeter Haushalt (Wirtschaftsgemeinschaft mit finanziellem Austausch) überschuldet ist, werden von allen Einnahmen des Haushaltes die Ausgaben (inkl. der Zahlungsverpflichtungen aus Krediten etc.) abgezogen und geprüft, ob mit dem verbleibenden Einkommensrest die Lebenshaltungskosten des Haushaltes gedeckt werden können. Basis dieser Vorgehensweise ist die Definition der so genannte relativen Überschuldung (vgl. dazu die ausführliche Darstellung in Kap. 3). Ein Haushalt ist also dann (relativ) überschuldet, wenn trotz Reduzierung der Le-benshaltungskosten auf das gesetzliche Existenzminimum der Pfändungsfrei-grenze (alternativ Sozialhilfegrenze) die Ausgaben (inkl. Kreditverpflichtungen) höher sind als die Einnahmen.

Überschuldungsgefährdete Haushalte Die vorgestellte Konzeption zur Messung (Berechnung) von Überschuldung ermöglicht auch die Erfassung von Haushalten, die sich an der Grenze zur Überschuldung befinden. Als überschuldungsgefährdet gelten jene Privathaus-halte, die nach Reduzierung ihrer Lebenshaltungskosten ihre Zahlungsverpflich-tungen aus Krediten zwar noch leisten können, sich jedoch in an der Schwelle zur Überschuldung befinden, da sie eine sehr geringe positive Einnahmen-Aus-gaben-Bilanz vorweisen. Haushalte, deren Bilanz der Einnahmen-Ausgaben (inkl. Kreditbelastungen) positiv und kleiner als 50 Euro ist, werden als stark überschuldungsgefährdet angesehen.

9.1 Gesetzliche Existenzminima 2008 Da die folgenden Analysen zur Überschuldung von Privathaushalten das Jahr 2008 betreffen, seien die 2008 gültigen Sozialhilfeleistungen und Pfändungsfrei-grenzen, die in die Berechnungen eingingen, kurz angegeben.

31

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Kapitel 9: Überschuldete Privathaushalte

Kernelement für die Bemessung der Sozialhilfe wie auch der Grundsicherung für Arbeitsuchende (ALG II / Sozialgeld) ist die so genannte Regelsatzverord-nung (RSV) nach §28 SGB XII. Der Regelsatz für die Hilfe zum Lebensunterhalt einer allein stehenden Person bzw. des Haushaltsvorstandes (Eckregelsatz) wurde entsprechend der Rentenanpassung fortgeschrieben und mit 1. Juli 2008 auf 351 Euro festgelegt (Eckregelsatz).23 Aus dem Eckregelsatz werden in der Folge nach den 2008 gültigen Bedarfsgewichten24 die Regelleistungen für Haushaltsangehörige abgeleitet: Haushaltsvorstand / Alleinstehender (Eckregelsatz) 351 Euro Haushaltsangehörige unter 14 Jahre 208 Euro Haushaltsangehörige ab 14 Jahre 278 Euro

Zusätzlich werden unter bestimmten Voraussetzungen Mehrbedarfe für Ältere, Schwangere und Alleinerziehende gezahlt. Darüber hinaus werden die angemessenen Kosten der Unterkunft (Kaltmiete ohne Strom) sowie die Heizkosten (abzüglich der Kosten für die Warmwasserbereitung) gewährt. Die Bemessung der Pfändungsfreigrenzen im Jahr 2008 erfolgt nach der Pfändungstabelle vom 1. Juli 2005. Diese hat Gültigkeit, da mit 1. Juli 2007 keine Anhebung der Freigrenzen erfolgte und eine Überprüfung alle zwei Jahre erfolgt.25

Die Pfändungsfreigrenze beträgt entsprechend der genannten gültigen Pfändungstabelle (gem. §850 ZPO) für eine allein stehende Person 989,99 Euro pro Monat. Sie erhöht sich mit der Anzahl der gesetzlich zu unterhaltenden Personen: 1359,99 Euro bei 1 zu unterhaltenden Person 1569,99 Euro bei 2 zu unterhaltenden Personen 1769,99 Euro bei 3 zu unterhaltenden Personen 1979,99 Euro bei 4 zu unterhaltenden Personen usw.

Weiterhin sind zweckgebundene Sozialleistungen (Erziehungsgeld, Kindergeld, Pflegegeld, Leistungen der Sozialhilfe, Wohngeld etc.) unpfändbar.

23 Bekanntmachung vom 26. Juni 2008, BGBl I S. 1102. 24 Ab 1. Juli 2009 wurde eine zusätzliche Altersstufe für Kinder von 6 bis unter 14 Jahren

eingeführt (Bedarfsgewicht: 70 Prozent des Eckregelsatzes). 25 Nach 850c Abs. 2a ZPO ändern sich die Beträge für die Berechnung der Pfändungs-

freigrenzen alle zwei Jahre entsprechend der Entwicklung des steuerlichen Grundfrei-betrages. Da der Grundfreibetrag in §32a Abs. 1 Nr.1 des Einkommenssteuergeset-zes (EStG) zum Stichtag 1. Januar 2007 identisch ist mit dem Freibetrag zum Stichtag 1. Januar 2005, blieben auch die Pfändungsfreigrenzen unverändert.

32

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Gunter E. Zimmermann Verschuldung und Überschuldung in Baden-Württemberg Empirische Analysen

Kapitel 9: Überschuldete Privathaushalte

9.2. Überschuldete Privathaushalte mit Konsumenten- und/oder Hypothekarkrediten

Abb. 9.1 Baden-Württemberg: Anzahl überschuldeter Privathaushalte 2008 Haushalte mit Konsumenten- und/oder Hypothekarkrediten Untergrenze der Überschuldung: Lebensunterhalt nach Sozialhilfe / ALG II

27702265

325

210

180

25

0

500

1000

1500

2000

2500

3000

3500

Deutschland Alte Bundesländer Baden-Württemberg

Anz

ahl i

n Ts

d. (H

aush

alte

)

Anzahl überschuldungsgefährdeter Privathaushalte

Anzahl überschuldeter Privathaushalte

Quelle: Datenbasis: SOEP 2008, eigene Berechnungen und Darstellung. Anmerkung: Überschuldungsgefährdung: Die Differenz von Nettoeinnahmen und Ausgaben (inkl.

Verpflichtungen aus Krediten) des Haushalts ist positiv und kleiner 50 Euro.

Deutschland 2008: 2,8 Mio. Haushalte mit

Konsumenten- und/oder Hypothekarkrediten überschuldet

Im Jahr 2008 waren in Deutschland 2,77 Millionen Privathaushalte mit banken-mäßigen Krediten überschuldet (vgl. Abb. 9.1). Unter Berücksichtigung der über-schuldungsgefährdeten Haushalte erhöht sich die Anzahl auf rd. 3 Millionen (50 Euro Gefährdetenschwelle).

33

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Kapitel 9: Überschuldete Privathaushalte

Baden-Württemberg 2008: 325 Tsd. Haushalte mit Konsumenten- und/oder

Hypothekarkrediten überschuldet Auf Baden-Württemberg entfielen im Jahr 2008 rd. 325 Tsd. überschuldete Privathaushalte mit Konsumenten- und/oder Hypothekarkrediten. Die Anzahl der überschuldungsgefährdeten Privathaushalte in Baden-Württemberg betrug rd. 25 Tsd.

Baden-Württemberg 2008: Anteil der überschuldeten Haushalte ist

unterdurchschnittlich

Werden die überschuldeten Haushalte in Beziehung gesetzt zu allen Haushalten, so erhalten wir die entsprechenden prozentualen Anteile überschuldeter Haushalte (vgl. Abb. 9.2). Abb. 9.2 Baden-Württemberg: Anteil überschuldeter Privathaushalte 2008 mit Konsumenten- und/oder Hypothekarkrediten an allen Haushalten Untergrenze der Überschuldung: Lebensunterhalt nach Sozialhilfe / ALG II

6,9 6,9 6,5

0,60,5 0,5

0,0

2,0

4,0

6,0

8,0

10,0

12,0

Deutschland Alte Bundesländer Baden-Württemberg

Ant

eil (

Pro

zent

)

Anteil überschuldungsgefährdeter Privathaushalte

Anteil überschuldeter Privathaushalte

Quelle: Datenbasis: SOEP 2008, eigene Berechnungen und Darstellung. Anmerkung: Überschuldungsgefährdung: Die Differenz von Nettoeinnahmen und Ausgaben (inkl.

Verpflichtungen aus Krediten) des Haushalts ist positiv und kleiner 50 Euro.

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Kapitel 9: Überschuldete Privathaushalte

Der Anteil der überschuldeten Haushalte an allen Haushalten in Baden-Württemberg (6,5 Prozent) ist unterdurchschnittlich im Vergleich mit dem Anteil der überschuldeten Privathaushalte in den alten Bundesländern (6,9 Prozent) der gleich hoch ist wie bundesweite Anteil überschuldeter Haushalte an allen Haushalten (6,9 Prozent).

Leider können keine Aussagen darüber gemacht werden, wie viele der überschuldeten Haushalte absolut überschuldet sind, weil bei ihnen eine EV oder Verbraucherinsolvenz besteht (diese Merkmale stehen im Sozioökonomischen Panel nicht zur Verfügung).

9.3. Überschuldete Privathaushalte mit Konsumentenkrediten

Der Datensatz des Sozioökonomischen Panels bietet die Möglichkeit, die Haus-halte getrennt nach ihrer bankenmäßigen Verschuldungsform zu untersuchen. Dies ist wesentlich, da sich Konsumentenkredite grundlegend von Hypothekar-krediten hinsichtlich Laufzeit, Kredithöhe und Wertbeständigkeit des finanzierten Gegenstandes unterscheiden. Insofern haben Verschuldungen mit Konsumen-ten- bzw. Hypothekarkrediten höchst unterschiedliche Ausgangsbedingungen und Zielsetzungen. Während Hypothekarkredite bei der Vermögensbildung (Wohneigentum) eine zentrale Rolle einnehmen, dienen Konsumentenkredite der Anschaffung von Gütern zur Haushaltsausstattung, dem Autokauf etc. Bei Kon-sumentenkrediten handelt es sich um kurz- bzw. mittelfristige Kredite, und die Wertbeständigkeit der finanzierten Gegenstände ist entsprechend begrenzt.

Deutschland 2008: 1,74 Mio. Haushalte mit Konsumentenkrediten überschuldet

Abb. 9.3 zeigt vergleichend die Anzahl der überschuldeten Privathaushalte mit Konsumentenkrediten für Deutschland, die alten Bundesländer sowie das Land Baden-Württemberg. 2008 waren in Deutschland 1,74 Mio. Privathaushalte mit Konsumentenkrediten überschuldet, das heißt, dass nach Abzug der im Haushalt bestehenden Zah-lungsverpflichtungen aus Krediten, der verbleibende Einkommensrest geringer war als die entsprechende Pfändungsfreigrenze für die Lebenshaltungskosten des Haushaltes. Weitere 200 Tsd. Haushalte waren 2008 in Deutschland stark überschuldungsgefährdet (vgl. Abb. 9.3).

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Kapitel 9: Überschuldete Privathaushalte

Baden-Württemberg 2008: 180 Tsd. Haushalte mit Konsumentenkrediten überschuldet

Im Land Baden-Württemberg war 2008 180 Tsd. Privathaushalte mit Konsu-mentenkrediten von Überschuldung betroffen und zusätzliche 20 Tsd. Haushalte waren stark überschuldungsgefährdet (vgl. Abb. 9.3). Abb. 9.3 Baden-Württemberg: Anzahl überschuldeter Privathaushalte 2008 Haushalte mit Konsumentenkrediten Obergrenze der Überschuldung: Lebensunterhalt nach Pfändungsfreigrenze

1740

1310

200

18020

150

0

500

1000

1500

2000

2500

Deutschland Alte Bundesländer Baden-Württemberg

Anz

ahl in

Tsd

. (H

aush

alte

)

Anzahl überschuldungsgefährdeter Privathaushalte

Anzahl überschuldeter Privathaushalte

Quelle: Datenbasis: SOEP 2008, eigene Berechnungen und Darstellung. Anmerkung: Überschuldungsgefährdung: Die Differenz von Nettoeinnahmen und Ausgaben (inkl.

Verpflichtungen aus Krediten) des Haushalts ist positiv und kleiner 50 Euro.

Der Anteil der überschuldeten Privathaushalte mit Konsumentenkrediten an allen Privathaushalten ist mit 3,7 Prozent im Land Baden-Württemberg (vgl. Abb. 9.4) wieder deutlich niedriger im Vergleich mit des bundesweiten Durchschnitt (4,3 Prozent) und ebenso im Vergleich mit dem Durchschnitt der alten Bundesländer (4,0 Prozent).

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Kapitel 9: Überschuldete Privathaushalte

rivathaushalte 2008 Abb. 9.4 Baden-Württemberg: Anteil überschuldeter P mit Konsumentenkrediten an allen Haushalten Obergrenze Überschuldung: Lebensunterhalt nach Pfändungsfreigrenze

4,3 4,0 3,7

0,50,50,4

0,0

2,0

4,0

6,0

8,0

10,0

12,0

Deutschland Alte Bundesländer Baden-Würtemberg

Ant

eil (

Pro

zent

)

Anteil überschuldungsgefährdeter Privathaushalte

Anteil überschuldeter Privathaushalte

Quelle: Datenbasis: SOEP 2008, eigene Berechnungen und Darstellung. Anmerkung:

Die Differenz von Nettoeinnahmen und Ausgaben (inkl. Verpflic

Überschuldungsgefährdung: htungen aus Krediten) des Haushalts ist positiv und kleiner 50

Euro.

.4. Das Überschuldungsrisiko verschuldeter Privathaushalte

es Sozioökonomischen Panels durch folgende drei Werte charakterisiert werden:

3. Anteil der überschuldeten Haushalte an

9 Das Ausmaß der Überschuldung von Privathaushalten kann mit Hilfe d

1. Anzahl überschuldeter Haushalte, 2. Anteil überschuldeter Haushalte an allen Haushalten,

Quote überschuldeter Haushalte (allen verschuldeten Haushalten).

Die 3te Kennzahl, die Quote, ist dabei von besonderer Bedeutung, weil sie die Anzahl der überschuldeten Haushalte in Beziehung setzt zur Anzahl der

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Kapitel 9: Überschuldete Privathaushalte

erschuldeten Haushalte. Dadurch wird das durchschnittliche Risiko

Abb. 9.5 Quote überschuldeter Privathaushalte mit Konsumentenkrediten 2008

vausgedrückt, dass ein verschuldeter Haushalt in Überschuldung gerät.

25,6

14,7

20,7

9,8

0,0

10,0

20,0

30,0

40,0

50,0

Quo

te (P

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Deutschland Baden-Württemberg

Quote überschuldeter Haushalte: Obergrenze

Quote überschuldeter Haushalte: Untergrenze

er Sozialhilfe) und die Quote von 25,6

, dass im Jahr 2008 in Baden-ürttemberg mindestens

Quelle: Datenbasis: SOEP 2008, eigene Berechnungen und Darstellung. Die Quote, das heißt der Anteil der überschuldeten Haushalte an allen verschuldeten Haushalten, lag 2008 bundesweit betrachtet für Haushalte mit Konsumentenkrediten zwischen 14,7 und 25,6 Prozent. Die Quote von 14,7 Prozent gilt für die überschuldeten Haushalten an der Untergrenze (Lebenshaltungskosten bemessen nach dProzent gilt für die Haushalte an der Obergrenze (Lebenshaltungskosten bemessen an der Pfändungsfreigrenze). Wesentlich geringer sind die Überschuldungsquoten von Privathaushalten in Baden-Württemberg. Sie lagen 2008 für Haushalte mit Konsumentenkrediten zwischen 9,8 und 20,7 Prozent. Das heißtW jeder 10te Privathaushalt mit Konsumentenkrediten mit

berschuldungsproblemen zu kämpfen hatte.

Ü

38

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Kapitel 10: Resümee: Überschuldung von Privathaushalten

10. Resümee: Überschuldung von Privathaushalten

Verschuldung und Überschuldung betreffen nicht nur die Person, die für einen Kredit oder eine andere Verschuldungsform haftet, sondern den ganzen Haushalt als Wirtschaftsgemeinschaft. Zur Feststellung, ob ein Haushalt bzw. eine Wirtschaftsgemeinschaft überschul-det ist, werden von den Gesamteinnahmen des Haushalts alle Zahlungsver-pflichtungen aus Verschuldungsformen abgezogen und geprüft, ob der verblei-bende Einkommensrest ausreicht, die Lebenshaltungskosten nach den gesetzli-chen Existenzminima (Pfändungsfreigrenze bzw. Sozialhilfe / ALG II) zu ge-währleisten. Deckt der Einkommensrest die Lebenshaltungskosten des Haus-haltes nach den gesetzlichen Existenzminima nicht, gilt der Haushalt als über-schuldet. Als überschuldungsgefährdet werden jene Haushalte angesehen, die sehr gering positiv bilanzieren (Saldo kleiner 50 Euro).

Nach Berechnungen auf der Basis des Sozioökonomischen Panels waren 2008 in Deutschland 2,8 Millionen Privathaushalte, die sich mit Konsumenten- und/oder Hypothekarkrediten verschuldet hatten, überschuldet. In Baden-Würt-temberg waren 2008 325 Tsd. Privathaushalte betroffen, und unter Einbeziehung der überschuldungsgefährdeten Haushalte waren 350 Tsd. Haushalte über-schuldet bzw. überschuldungsgefährdet. Der Anteil der überschuldeten Haus-halte an allen Haushalten betrug für Deutschland 6,9 Prozent, und für Baden-Württemberg lag der Anteil etwas niedriger bei 6,5 Prozent.

Lässt man die Hypothekarkredite außen vor und betrachtet nur die Haushalte mit Konsumentenkrediten, so waren in Deutschland (2008) 1,74 Mio. Haushalte mit Konsumentenkrediten von Überschuldung betroffen und in Baden-Württemberg 180 Tsd. Haushalte.

Interessant ist die Quote der überschuldeten Haushalte, das heißt der Anteil der überschuldeten Haushalte an allen verschuldeten Haushalten. Dadurch wird das durchschnittliche Risiko ausgedrückt, dass ein verschuldeter Haushalt in Über-schuldung gerät. In Baden-Württemberg lag im Jahr 2008 die Überschuldungsquote für Privat-haushalte bei mindestens 10 Prozent.

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Kapitel 11: Soziodemographische Merkmale von Personen in Schuldnerberatung

11. Soziodemographische Merkmale von Personen

in Schuldnerberatung

11.1 Die Überschuldungsstatistik des Statistischen Bundesamtes

Die Überschuldungsstatistik des Statistischen Bundesamtes ist die mit Abstand umfangreichste Datensammlung über Personen in finanziellen Schwierigkeiten, die bei Schuldnerberatungsstellen betreut werden.

Die Überschuldungsstatistik verbessert die Datenlage zu überschuldeten

Personen wesentlich

Die Auswertungen der bisherigen Erhebungen für Gesamtdeutschland haben gezeigt, dass erstmals signifikante Aussagen über die soziodemographischen Merkmale der Schuldner, die Gläubigerstrukturen, die Auslöser der Überschuldung usw. möglich sind.

Datenbasis: Beratungsfälle bei Schuldnerberatungsstellen

Die Datenbasis der Überschuldungsstatistik sind Beratungsfälle bei Schuldner-beratungsstellen. In Deutschland gibt es etwa 950 nicht kommerzielle Schuld-nerberatungsstellen, wovon sich derzeit rd. ein Drittel mit etwa 70 Tsd. Bera-tungsfällen freiwillig an der Erhebung beteiligt. Betrachtet man die Beteiligung der Beratungsstellen nach Bundesländern, so wird jedoch deutlich, dass sich die Beratungsstellen einiger Bundesländer nur in einem sehr geringen Ausmaß beteiligen.

Baden-Württemberg: Beteiligung an der Überschuldungsstatistik (noch) gering

Dies trifft auch auf die Schuldnerberatungsstellen in Baden-Württemberg zu. An der Erhebung 2008 haben nur 14 der 89 Schuldnerberatungsstellen mitgewirkt. Dies bedeutet, dass von den insgesamt 66466 Beratungsfällen der Erhebung 2008 nur 1609 Beratungsfälle aus Baden-Württemberg stammen.

Baden-Württemberg: Auswertung der Überschuldungsstatistik nur sehr

eingeschränkt möglich Daraus folgt, dass eine Auswertung der Daten für das Land Baden-Württemberg nur sehr eingeschränkt möglich ist. Hinzu kommen weitere Gründe, die im Folgenden aufgezeigt werden, die die Repräsentativität der Stichprobe aus Baden-Württemberg in Frage stellen.

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Kapitel 11: Soziodemographische Merkmale von Personen in Schuldnerberatung

11.2 Soziodemographische Merkmale

überschuldeter Personen Die folgenden Ausführungen zu den soziodemographischen Merkmalen beratener Personen bei Schuldnerberatungsstellen werden sowohl für die Teilstichprobe der Beratungsfälle des Landes Baden-Württemberg wie auch für die Gesamtstichprobe dargelegt. Unterschiedliche Auszählungsergebnisse zwischen Baden-Württemberg und Gesamtdeutschland können aus den erwähnten Gründen nur mit der gebotenen Vorsicht interpretiert werden. Geschlecht: Männer und Frauen sind als Klienten bei Schuldnerberatungsstellen in fast gleicher Anzahl anzutreffen. Haushaltstyp: Alleinlebende und Haushalte mit Kindern am häufigsten

überschuldet Tab. 11.1

Haushaltstyp Baden-Württemberg Deutschland

Alleinlebende Frau 14,1 17,0

Alleinlebender Mann 21,6 27,0

Alleinerziehende Frau 13,7 14,1

Alleinerziehender Mann 1,0 1,6

Paar ohne Kind 15,2 16,0

Paar mit Kind(ern) 29,4 21,2

Sonstige Lebensform 5,0 3,1

Beratene Personen 2008 nach Haushaltstyp (Anteile in Prozent)

Quelle: Statistisches Bundesamt: Überschuldungsstatistik, Erhebung 2008; eigene Darstellung. Bundesweit suchen Alleinlebende am häufigsten Schuldnerberatungsstellen auf (44 Prozent der beratenen Personen) und liegen mit ihrem Anteil noch vor den Haushalten mit Kindern (36,9 Prozent). In Baden-Württemberg verteilen sich die Anteile dieser Haushaltsformen genau umgekehrt: Alleinlebende 35,7 Prozent, Haushalte mit Kindern 44,1 Prozent. In beiden Stichproben sind alleinlebende

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Männer und alleinerziehende Frauen überproportional häufig überschuldet, wenn man die Anteile unter den beratenen Personen mit den Anteilen in der jeweiligen Grundpopulation vergleicht (beispielsweise ist der Anteil alleinlebender Männer an allen Haushalten in Deutschland 17 Prozent). Alter: Personen zwischen 35 und 45 Jahren suchen am häufigsten Rat

Tab. 11.2

Alter von … bis unter … Jahre Baden-Württemberg Deutschland

unter 25 5,0 8,9

25 - 35 25,4 24,5

35 - 45 31,6 28,6

45 - 55 23,3 23,5

55 - 65 10,7 10,3

65 und mehr 4,0 4,1

Beratene Personen 2008 nach dem Alter (Anteile in Prozent)

Quelle: Statistisches Bundesamt: Überschuldungsstatistik, Erhebung 2008; eigene Darstellung. Die Altersverteilung der Rat suchenden Personen in Baden-Württemberg und jene von Gesamtdeutschland sind sehr ähnlich. Bei beiden Stichproben ist der Anteil der 35 bis unter 45jährigen am häufigsten vertreten. Diese Anteile sind stark überproportional im Vergleich mit den Altersverteilungen der Gesamtbevölkerungen (Anteil an der volljährigen Gesamtbevölkerung von Deutschland: 19 Prozent). Unterproportional sind in beiden Stichproben hingegen die Altersgruppen „unter 25“ sowie „65 und mehr“ überschuldet. Staatsangehörigkeit: Sehr hoher Anteil ausländischer Mitbürger bei der

Stichprobe aus Baden-Württemberg

Der Anteil der beratenen Personen, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, war 2008 bezogen auf die Gesamtstichprobe 8,3 Prozent. Dieser Anteil hat sich gegenüber dem Erhebungsjahr 2007 (7,8 Prozent) nur sehr gering verändert. Bei der Teilstichprobe aus Baden-Württemberg liegt der Anteil der beratenen Personen mit einer nicht deutschen Staatsangehörigkeit hingegen bei 31,4 Prozent (also fast viermal so hoch!). Das heißt, dass die Stichprobe aus

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Kapitel 11: Soziodemographische Merkmale von Personen in Schuldnerberatung

Baden-Württemberg und alle Auswertungsergebnisse, die daraus erzielt werden, durch diesen hohen Anteil wesentlich bestimmt (verzerrt?) werden. Liegen die wenigen Beratungsstellen, die aus Baden-Württemberg an der Erhebung teilgenommen haben in Wohngebieten mit einem sehr hohen Ausländeranteil? Vor weiteren Analysen und Interpretationen müssen die Fragen zur Repräsentativität der Stichprobe aus Baden-Württemberg geklärt werden.

11.3 Auslöser der Überschuldung Abschließend seien die Hauptauslöser der Überschuldung für Deutschland im Erhebungsjahr 2008 aufgezeigt (Tab. 10.3).

Tab. 11.3

Hauptauslöser der Überschuldung 2008 Deutschland

Arbeitslosigkeit 28,2

Trennung, Scheidung, Tod des Partners 13,8

Erkrankung, Sucht, Unfall 10,4

Gescheiterte Selbständigkeit 9,3

Unwirtschaftliche Haushaltsführung 9,4

Gescheiterte Immobilienfinanzierung 4,1

Quelle: Statistisches Bundesamt: Überschuldungsstatistik, Erhebung 2008; eigene Darstellung. Arbeitslosigkeit wurde an häufigsten als Hauptauslöser für die Überschuldung der beratenen Personen genannt (28,2 Prozent). Dieser Hauptauslöser wird in der Häufigkeit gefolgt von „Trennung, Scheidung, …“ sowie „Erkrankung, Sucht, Unfall“. Die anderen Hauptauslöser haben bereits einen Anteil der geringer als 10 Prozent ist. Angeführt sei, dass die Ergebnisse von Baden-Württemberg zu den Hauptauslösern der Überschuldung aus den oben dargelegten Gründen nicht aufgezeigt wurden (die Ergebnisse insbesondere auch hierzu können nicht zuverlässig interpretiert werden). Die Stichprobe aus Baden-Württemberg muss dringend wesentlich vergrößert werden, um die aufgezeigten Verzerrungen zu vermeiden und die Repräsentativität der Stichprobe aus Baden-Württemberg zu

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gewährleisten. Erst ab diesem Zeitpunkt wird eine landesspezifische Auswertung und Analyse für Baden-Württemberg möglich sein.

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