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© M.studio - Fotolia.com inform physioaustria inform exklusiv Nur in der Ausgabe für Mitglieder von Physio Austria enthalten: 16 Seiten Berufspolitik, Tipps und Services für PhysiotherapeutInnen P.b.b. Verlagspostamt 8000 Graz 02Z031875 M 7,50 EUR Zeitschrift von Physio Austria, dem Bundesverband der PhysiotherapeutInnen Österreichs Nr. 1 Februar 2017 Physiotherapie und Menschen mit Behinderung Herausforderungen, Visionen und Einblicke.

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inform exklusivNur in der Ausgabe für Mitglieder von Physio Austria enthalten: 16 Seiten Berufspolitik, Tipps und Services für PhysiotherapeutInnen

P.b.b. Verlagspostamt 8000 Graz 02Z031875 M 7,50 EUR

Zeitschrift von Physio Austria, dem Bundesverband der PhysiotherapeutInnen Österreichs

Nr.1 Februar 2017

Physiotherapie und Menschen mit BehinderungHerausforderungen, Visionen und Einblicke.

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ich freue mich sehr, Ihnen ein besonderes Inform präsentie-ren zu dürfen; ein Inform, das einen Vorgeschmack auf dieBandbreite der im Jahr 2017 von Physio Austria behandeltenThemen gibt. In Händen halten Sie eine Ausgabe, die Menschen mit Behinderung, ihre Bedürfnisse und die Arbeitvon PhysiotherapeutInnen mit Betroffenen ins Zentrumrückt.

Den Leitartikel stellt Eringard Kaufmann, Generalsekretärinder ÖAR, der Dachorganisation der BehindertenverbändeÖsterreichs. Sie regt an, wie die Anforderungen der Be-hindertenrechtskonvention in der physiotherapeutischenPraxis umgesetzt werden können. Im Frühjahr 2017 findendie Special Olympics in der Steiermark statt. Lesen Sie hier, welchen wertvollen Beitrag PhysiotherapeutInnen zu diesem Großereignis leisten.

Physiotherapeutische Arbeit hat zum Ziel, die körperlicheBewegungsfähigkeit von PatientInnen bestmöglich zu verbessern, wiederherzustellen oder zu erhalten. Da dieseArbeit insbesondere für Menschen mit Behinderung wesentlichen Einfluss auf die Lebensqualität hat, finden Sie im Heft interessante Fachartikel zu den Themen motorisches Lernen, Amputation, Krafttraining bei Zere-bralperese sowie spannende Erfahrungsberichte. Von ihrenErfahrungen mit und Erwartungen an Physiotherapie erzähltdie seit einem Unfall querschnittsgelähmte Leistungs-sportlerin Kira Grünberg in einem Interview.

Räumen Sie mit uns gemeinsam Steine aus dem Weg,denen Menschen mit Behinderung im alltäglichen Lebenhäufig begegnen!

Wir freuen uns über Ihre Anregungen und Rückmeldungenan [email protected]

Silvia Mériaux-Kratochvila, MEdPRÄSIDENTIN PHYSIO AUSTRIA

Liebe LeserInnen,

EDITORIAL Silvia Mériaux-Kratochvila, MEd

ImpressumMEDIENINHABER, HERAUSGEBER

UND REDAKTION

physioaustriaBundesverband derPhysiotherapeutInnen ÖsterreichsLinke Wienzeile 8/28, 1060 WienTel. (01) 587 99 51-0, Fax DW-30www.physioaustria.atZVR 511125857

GESCHÄFTSFÜHRUNGMag. Stefan Moritz, [email protected]

REDAKTIONSSCHLUSSBeiträge, Inserate und bezahlte Anzeigen für das mit Monatsbeginn erscheinende inform müssen bis spätestens 5. des Vormonats im Verbandsbüro eingelangt sein. Ist dieser Tag ein Samstag, Sonn- oder Feiertag, so gilt der nächste darauf folgende Werktag.

CHEFREDAKTIONJulia Stering, BA BA [email protected]

GESTALTUNGDechant Grafische ArbeitenFOTOS Helmut Wallner/© Physio Austria, ausgenommen:wo gesondert angegebenFARBKORREKTUR UND RETUSCHEHelmut WallnerDRUCK Steiermärkische Landesdruckerei, Graz

BEZUGSPREISE Einzelheft: 7,50 Euro;Abo (5 Ausgaben/Jahr): 31 Euro(Inland), 53 Euro (Ausland).STORNO schriftlich 2 Monate vor Ablauf des Abos.

OFFENLEGUNG GEMÄSS MEDIENGESETZeinzusehen unterwww.physioaustria.at/impressum

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Themenschwerpunkt Physiotherapie und Menschen mit Behinderung

06Barrierefreiheit und Empowerment Das menschenrechtliche Verständnis der UN-Behindertenrechtskonvention von Menschen mit BehinderungenMag. Eringard Kaufmann, MSc

12Special Olympics – Austria 2017Ein Großereignis in der SteiermarkBrigitte Swonar, MPH

15Studierende für gesunde AthletInnenEin Volunteer-Projekt zieht weite KreiseHans-Peter Hagmüller, MSPhTMaria Kormann, MSPhTAnita Kiselka, MSc

16Motorisches Lernen bei psychomotorischer Behinderung Physiotherapie in untrennbarem Kontext von Kognition, Emotion und sozialer InteraktionAnita Kiselka, MSc

18Mit und für Menschen mit BehinderungEntwicklung eines Barriere-Informationssystems (BIS) in WienGudrun Diermayr, MA PhD, Maria Essmeister

21 SERIE GESUNDHEITSPOLITIKPrimärversorgung(Knack- und) Eckpunkt der GesundheitsreformMag. Nicole Muzar

Anita Kiselka, MSc Physiotherapeutin im MS-Tageszentrum und FH-Dozentinim Studiengang Physiotherapieder FH St. Pölten, Funktionärinbei Physio Austria

Hans-Peter Hagmüller, MSPhTFreiberuflicher Physiotherapeutmit Schwerpunkt Trauma-Ortho-Sport und Ganganalyse,Lehrender an der FH Gesund-heitsberufe OÖ

15

Maria Kormann, MSPhT freiberufliche Physiothera-peutin, Lehrende an der FHJoanneum, Betreuerin desösterreichischen National-teams im Orientierungslauf

1515, 16

Julia Stering, BA BA MA Ressort Öffentlichkeits-arbeit Physio Austria, Chefredaktion inform

32

Mag. Nicole MuzarRessort Berufspolitik Physio Austria

21

Thesy Feichtinger-Zrost, MScLeitende PhysiotherapeutinAmbulatorium für Entwick-lungsdiagnostik und Therapie der Lebenshilfe Salzburg, Leiterin fachlichesNetzwerk Hippotherapie

26

Gudrun Diermayr, MA PhDPhysiotherapeutin, PhD Motorische Kontrolle und Motorisches Lernen ColumbiaUniversity; Professorin für Physiotherapie SRH Heidelberg,Universitätsassistentin MedUni Wien 2011–2014

18

Maria Essmeisterleitende Physiotherapeutin Universitätsklinik für Neurologie(neurologische Neurorehabilita-tion), jahrzehntelange Erfahrungin der Behandlung mobilitäts-eingeschränkter Menschen

18

Mag. Eringard Kaufmann, MScGeneralsekretärin ÖAR-Dachorganisation der Behindertenverbände Österreichs

06

Andreas Mühlbacher, MScTherapieleitung Reha ZentrumMünster/Tirol, LehrbeauftragterFH-Salzburg, freiberuflicher Physiotherapeut, Mitglied fachli-ches Netzwerk Innere Medizin

38

inform 2017THEMEN DER INFORM-AUSGABEN IN DIESEM JAHR

FebruarPhysiotherapieund Menschen mit Behinderung

AprilMultikulturalität in der Physio-therapie

JuniGendermedizin in der Physio-therapie

SeptemberMental Healthund Physio-therapie

DezemberKinder und Physiotherapie

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Themenschwerpunkt Physiotherapie und Menschen mit Behinderung

inform Inhalt Feb 2017Inhalt 01/2017

22 Physio Research Award 2016Die prämierten MasterarbeitenAgnes Sturma, BSc MScElisabeth Scholz, M.Sc.Brigitte Wolf, MSc

24Armprothetik Gegenwart und Zukunft von Versorgungen nach Verlust der oberen ExtremitätAgnes Sturma, BSc MSc

26Mit vereinten KräftenMultiprofessionelle Zusammenarbeit in der Arbeit mit Menschen mit BehinderungThesy Feichtinger-Zrost, MSc

28Starke Kinder mit ZerebralpareseKrafttraining bei zerebraler Bewegungsstörung – ein ParadigmenwechselDr.phil. Heidi Samonig, MSc

30JulianMein Patient mit Hemiparese linksAndrea Sturm, MAS

32Was Leben verändertKira Grünberg im InterviewJulia Stering, BA BA MA

36 PHYSIO STUDIEN Studiert und kommentiert Is There a Relationship Between Lumbar Proprioception and Low Back Pain? A Systematic Review With Meta-AnalysisMag. Christoph Thalhamer, BSc

38 ASSESSMENTSAssessments in der Kardiologie Bestimmung der Belastbarkeit –Grundlage für die Trainingsintensität –Förderung der AdhärenzAndreas Mühlbacher, MSc

INFORM EXKLUSIV

Zuständigkeiten und AnsprücheVerwaltung barrierefrei bewältigen.

e2 Gleiches Recht auf Leistung bei gleicher Chance auf Krankheit?Mag. Agnes Görnye5 PHYSIOFACESe6 100 Jahre PhysiotherapieOberösterreich feierteIngrid Großbötzle7 PHYSIOWORLDe8 Neue Wege in der multi-professionellen ZusammenarbeitAlexander Baillou, Barbara Wondrasch, PhD MSce10 INTERVIEW Neu im Präsidium: Constance Schlegle11 Preis und Wertigkeit – Informationen zur HonorargestaltungMag. Agnes Görnye14 SERIE ARBEITSRECHT Fragen rund um den KollektivvertragValid Hanunae15 SERIE STEUERTIPPSBefreit oder nicht befreit?Physiotherapeutische Leistungen und UmsatzsteuerMag. Agnes Görny

Andrea Sturm, MASPhysiotherapeutin, Autorin, freiberuf-lich mit Schwerpunkt Pädiatrie/Neu-rologie, Sprecherin EACD EuropeanAcademy of Childhood Disabilities2014, Studium Child Development

Dr.phil. Heidi Samonig, MScPhysiotherapeutin, SchwerpunktKinderphysiotherapie, Lehrbeauf-tragte und Referentin, Tätigkeitin Kindergärten im Rahmen derintegrativen Zusatzbetreuung

Mag. Christoph Thalhamer, BScPhysiotherapeut Orthopädischen Spital Speising, freiberuflich tätig; wissen-schaftliche Tätigkeit klinische Diagnostik, Rehabilitation und Theorie der manuellen Medizin; externer Lektor FH Burgenland

36

Brigitte Swonar, MPHLehrende am Institut Physio-therapie der FH Joanneum Graz, Clinical Director Healthy Athletes »Health Promotion«

1230

Agnes Sturma, BSc MScForscherin und Doktorandin Medizinsche Universität Wien,Lehrende FH Campus Wien;Schwerpunkt Prothetik, periphere Nervenverletzungen

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Themenschwerpunkt Physiotherapie und Menschen mit Behinderung

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WIR WERDEN BEHINDER

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Barrierefreiheit und Empowerment Das menschenrechtliche Verständnis der UN-Behindertenrechtskonvention von Menschen mit Behinderungen

VERSTÄNDNISFRAGE Mag. Eringard Kaufmann, MSc

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8 physioaustria inform Februar 2017

Menschen mit dauerhaften oder vorübergehenden Beeinträchtigungen nehmen Physiotherapie in Anspruch.Ein Teil davon gehört der Personengruppe der Menschenmit Behinderungen im Sinne der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen an. DieseKonvention wurde von Österreich unterzeichnet und istseit dem 26. Oktober 2008 in Kraft. Sie wird im Folgen-den kurz als Behindertenrechtskonvention bezeichnet. Diese Menschenrechtskonvention konkretisiert, wieMenschenrechte für Menschen mit Behinderungen um-zusetzen sind. Eine besondere Bedeutung kommt einembarrierefreien Gesundheitswesen zu, wodurch sich dieBedeutung der Konvention für die physiotherapeutischePraxis ergibt. Ziel der Behindertenrechtskonvention istes, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten der Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu ge-währleisten und die Achtung der ihnen innewohnendenWürde zu fördern.

In diesem Beitrag wird auf Aspekte dieser Konventioneingegangen, welche für die physiotherapeutische Praxis von besonderer Bedeutung sind. Einleitend wirddas soziale Modell der Behinderung vorgestellt, welches das so genannte medizinische Modell der Behinderungablöst. Anschließend wird kurz auf die Bedeutung um-fassender Barrierefreiheit eingegangen und erläutert,welche Formulierungen nicht mehr zeitgemäß sind.

Zur Anregung einer fachlichen Diskussion, wie die Anforderungen der Behindertenrechtskonvention in der physiotherapeutischen Praxis umzusetzen sind,werden hier wesentliche Aspekte aus der Sicht der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderungendargestellt.

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Themenschwerpunkt Physiotherapie und Menschen mit Behinderung

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Unter dem menschenrechtlichen Aspekt kommt derWürde der Menschen mit Behinderungen, deren Selbst-bestimmung und dem Empowerment eine zentrale Rolle zu, was auch in der physiotherapeutischen Praxiszu berücksichtigen ist. Abschließend wird auf den in der Behindertenrechtskonvention zentralen Begriff der Inklusion und die Bedeutung der Partizipation vonMenschen mit Behinderungen zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention eingegangen.

Das soziale Modell der Behinderung Das traditionelle Verständnis von Behinderung gingdavon aus, dass eine Person mit einer Beeinträchtigungbehindert und damit defizitär sei. Dies wird als das medizinische Modell der Behinderung bezeichnet. Getragen durch die Behindertenbewegung ist ein neues,selbstbewusstes und menschenrechtliches Verständnisvon Behinderung entstanden. Die Behindertenrechts-konvention versteht unter Menschen mit BehinderungenPersonen, welche eine langfristige körperliche, seelische,intellektuelle oder Sinnesbeeinträchtigung haben. Erst in der Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren inihrem Umfeld werden diese Menschen an der vollen,wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft gehindert. Daraus folgt der menschenrecht-liche Anspruch an die Gesellschaft, jene Barrieren zu beseitigen, welche die Teilhabe verhindern.

»NICHTS

ÜBER UNS

OHNE UNS.«

ÖARDie Österreichische Arbeitsgemeinschaft für Rehabilita-tion ÖAR ist die Dachorganisation der Behinderten-verbände mit derzeit 76 Mitgliedsvereinen, welche mehrals 400.000 behinderte Menschen repräsentieren. Eringard Kaufmann war zuletzt Generalsekretärin derÖAR und arbeitet seit Jahrzehnten mit Menschen mit Behinderungen: als Sozialarbeiterin, Geschäftsführerinund Fachbereichsleiterin in den Bereichen Interessen-vertretung, Lobbying, Empowerment und Mitbestim-mung in Wien, Salzburg und Niederösterreich.

KONTAKT

[email protected]

VERSTÄNDNISFRAGE Mag. Eringard Kaufmann, MSc

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PARADIGMENWECHSEL

Quelle: Autorin

Umfassende BarrierefreiheitDamit Menschen mit Behinderungen ungehindert undgleichberechtigt an der Gesellschaft teilhaben können,ist umfassende Barrierefreiheit erforderlich. Damit kannsichergestellt werden, dass Menschen mit Behinderun-gen etwas ohne fremde Hilfe nutzen können und eineneigenständigen und selbstbestimmten Zugang – insbe-sondere zu Räumen und Dienstleistungen – haben. Dabei geht es also nicht nur um bauliche Barrierefreiheitfür Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigungen, sondernauch um kommunikative Barrierefreiheit. Hier ist an Menschen mit Sinnesbeeinträchtigungen zu denken und darauf zu achten, dass Informationen nicht nur übereinen Sinn erfassbar zur Verfügung gestellt werden(Zwei-Sinne-Prinzip). Wichtig sind barrierefreie Web-seiten und Informationen in leichter Sprache für Men-schen mit Lernschwierigkeiten. Neben den kommunika-tiven Anforderungen an Barrierefreiheit, die auch in derPhysiotherapie selbst zu beachten sind, kommt Vor-urteilen eine besondere Bedeutung zu, da diese sozialeBarrieren darstellen.Durch umfassende Barrierefreiheit kann Chancen-gleichheit für Menschen mit Behinderungen hergestelltwerden und Diskriminierung vermieden werden.Gemäß dem Behindertengleichstellungsgesetz könnenMenschen mit Behinderungen bei Diskriminierung Schadenersatz erhalten. Eine Diskriminierung liegt vor,wenn Menschen aufgrund ihrer Behinderung gegenüberanderen benachteiligt werden. Das kann insbesonderedurch eine weniger günstige Behandlung oder durch bauliche Barrieren erfolgen. Eine Diskriminierung durcheine bauliche Barriere liegt vor, wenn deren Beseitigungmöglich und zumutbar wäre. Dies ist insbesondere beider Ausstattung von physiotherapeutischen Praxen imAuge zu behalten.

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Themenschwerpunkt Physiotherapie und Menschen mit Behinderung

WEITERFÜHRENDE LINKS

www.sozialministerium.atwww.un.orgbidok.uibk.ac.at

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Diskriminierungsfreie SpracheEine besondere Bedeutung bei der Umsetzung der Behindertenrechtskonvention kommt einer diskriminie-rungsfreien Sprache zu. Menschen haben Beeinträchti-gungen – so wie jeder und jede bestimmte persönlicheEigenschaften hat. Die Bezeichnung als »Behinderter«oder »Blinder« würde die Person auf eine bestimmte Eigenschaft reduzieren und ist daher abzulehnen. Man spricht daher heute z. B. von Menschen mit Mobilitäts- oder Sinnesbeeinträchtigungen, mit Lern-schwierigkeiten oder psychosozialen Beeinträchtigun-gen. Der Begriff »taub« oder gar »taubstumm« wird von Menschen mit Gehörlosigkeit als diskriminierendempfunden, da für sie ja lediglich die Lautsprache eingeschränkt nutzbar ist. Oft sind Menschen mit Be-hinderungen Menschen mit chronischen Erkrankungen.Auch hier ist Sensibilität gefragt. So haben etwa imRahmen der Entwicklung der Demenzstrategie Betrof-fene darauf hingewiesen, dass sie als Menschen mit demenziellen Beeinträchtigungen bezeichnet werdenwollen und nicht als Menschen mit Demenz.

Selbstbestimmung und EmpowermentAuch heute noch ist das Leben von Menschen mit Behinderungen viel zu oft fremdbestimmt. Nach wie vorsind nicht nur vielerlei Barrieren allgegenwärtig, auchdas Fehlen von persönlicher Assistenz in vielen Be-reichen und ausreichende ökonomische Möglichkeiten nötigen Menschen mit Behinderungen noch immer invielfache Abhängigkeiten. Selbstbestimmung bedeutetdemgegenüber, Kontrolle und Entscheidungsautonomieüber das eigene Leben zu haben. Voraussetzung dafürist die Wahl zwischen akzeptablen Möglichkeiten.Empowerment ist einerseits der Prozess der Selbst-bemächtigung, um das lebensgeschichtlich bedingteGefühl der Macht- und Einflusslosigkeit zu überwinden,eigene Ressourcen zu entdecken und Handlungsspiel-räume in Anspruch zu nehmen. Andererseits beschreibtEmpowerment auch die professionelle Unterstützunghierbei und umfasst die gemeinsame Entwicklung vonMaßnahmen und Strategien dazu.Gerade im Kontext von Rehabilitation kommt Physio-therapie dabei eine zentrale Rolle zu, was viel Sensi-bilität und die unbedingte Achtung der Würde von Menschen mit Behinderungen erfordert. Dazu kommt,dass Physiotherapie auch in der psychosozialen Rehabi-litation zunehmend an Bedeutung gewinnt. Darüber hinaus gehören immer mehr Menschen mit chronischenErkrankungen der Gruppe der Menschen mit Behinde-rungen an.

Die Grundhaltung des Empowerment in der professio-nellen Begleitung bedeutet, dass die zukunftsorientierteUnterstützung der Selbstbestimmung im Fokus steht.Dazu gehören Respekt, das Schaffen von Wahlmöglich-keiten und das Überlassen der »Chefposition« überDienstleistungen, wie es auch die Physiotherapie ist. Voraussetzungen für das Gelingen ist die Wahrnehmungdes Selbstbestimmungsrechtes, das Vertrauen in dieFähigkeiten, die Akzeptanz von Eigenheiten und un-konventionellen Lebensentwürfen, der Verzicht auf ent-mündigende ExpertInnenurteile und die Anerkennungvon Misserfolgen oder Fehlentscheidungen.Wenn chronische Erkrankungen oder Behinderungenmit oft chronischen Schmerzen, langen Krankenhaus-oder Rehabilitationsmaßnahmen verbunden sind,kommt der Grundhaltung des Empowerment besondereBedeutung für einen Therapieerfolg auch in der Physio-therapie zu. Denn durch diese oft prägenden Erfahrun-gen wird der achtsame Umgang mit dem eigenenKörper erschwert und kann am besten durch eineGrundhaltung des Empowerment der TherapeutInnengefördert werden.

Inklusion statt IntegrationZiel der Behindertenrechtskonvention ist eine inklusiveGesellschaft, in der Menschen mit Behinderungen vollständig gleichberechtigt teilhaben können. Das solldurch umfassende Barrierefreiheit und stark individuali-sierte Unterstützung möglich werden. Anders als beimAnsatz der Integration, welche die Anpassung des Individuums an das Umfeld forderte, geht es bei Inklu-sion um die Anpassung des Gesellschaftssystems andie Vielfalt der Menschen mit Behinderungen.

Partizipation lebenEin Prozess der Partizipation soll das möglich machen,indem Menschen mit Behinderungen aktiv einbezogenund zur Mitbestimmung eingeladen werden, um ihreSichtweisen, Anliegen und Forderungen in einem wertschätzenden Rahmen gestaltend einzubringen.Die Einladung, diesen Beitrag aus der Sicht der Men-schen mit Behinderungen zu verfassen, ist ein Schritt in diese Richtung. An einer fachlichen Diskussion, wiemenschenrechtliche Aspekte, Barrierefreiheit und Empowerment in der physiotherapeutischen Praxisnoch besser umgesetzt werden können, wären imSinne der Behindertenrechtskonvention Menschen mit Behinderungen partizipativ zu beteiligen.In diesem Sinne danke ich namens der ÖAR-Dach-organisation der Behindertenverbände Österreichs für die Einladung, diesen Artikel zu verfassen. ◼

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VERSTÄNDNISFRAGE Mag. Eringard Kaufmann, MSc

LITERATUR

Firlinger, B. (2013). Buch der Begriffe – Sprache, Behinderung, Integration; Herausgegeben von Integration Österreich, © Bmsg; online verfügbar:http://bidok.uibk.ac.at/

Bindreiter, I. (2010). Empowerment für Menschen mit Beeinträchtigungen – einKonzept und seine Umsetzungim deutschsprachigen Raum(Bachelorarbeit, Universität Salzburg); online verfügbar:http://bidok.uibk.ac.at/

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Themenschwerpunkt Physiotherapie und Menschen mit Behinderung

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Studierende und GesundheitsexpertInnen sind geschult und kennen die Bedürfnisse der AthletInnen

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Special Olympics – Austria 2017Ein Großereignis in der Steiermark

Die Special Olympics wurden 1968 von EuniceShriver in den USA gegründet. Ihr Ziel war, durchden gemeinsamen Sport die Akzeptanz von Men-schen mit intellektuellen Beeinträchtigungen in derGesellschaft zu fördern. Dieses Ziel blieb bis heuteunverändert.

Mittlerweile bieten die Special Olympics in 180 Nationen ganzjährige Trainings- und Wettkampf-möglichkeiten an, die von über zwei Millionen Personen mit intellektuellen Beeinträchtigungen in Anspruch genommen werden. Einer der Mitbe-gründer von Special Olympics Austria war HermannKröll, der 2016 verstorbene Altbürgermeister vonSchladming, der 1993 die Organisation der WorldWinter Games in Salzburg und Schladming ermög-lichte. Es war damals die erste Austragung der Winter Games außerhalb der USA. Österreich ist –nach den USA – das einzige Land, das zum zweitenMal die Zusage für die Austragung der World WinterGames erhielt.

Diese finden von 14. bis 25. März in der Steiermarkstatt. Es werden dabei 2.700 AthletInnen und 1.100 TrainerInnen aus 107 Ländern erwartet, die in den Sportarten Aki Alpin, Langlauf, Snowboard,Eiskunstlauf, Eisschnelllauf, Schneeschuhlauf,Floorball, Floor Hockey und Stocksport ihr Bestesgeben werden. Neben den sportlichen Wettkämp-fen werden bei den World Winter Games unter anderem auch ein Dancing Contest, das Motor-Activity-Programm für Menschen mit erhöhtem Hilfebedarf, eigene Familienprogramme und dasHealthy Athletes-Programm angeboten.

Healthy Athletes Im Zuge der Special Olympics-Veranstaltungenhaben alle teilnehmenden AthletInnen seit 1997die Möglichkeit, am kostenlosen und im positiven,zielgruppengerechten Setting abgehaltenen Healthy Athletes-Programm teilzunehmen. Dabeiwerden GesundheitsexpertInnen und Studierendeüber Bedürfnisse und spezielle Behandlungen der Zielgruppe informiert und geschult. Das Programm ist multidisziplinär aufgestellt, wodurchfür AthletInnen an einem Tag Zahngesundheit(»Special Smiles«), Sehvermögen (»OpeningEyes«), Hörvermögen (»Healthy Hearing«), Erkrankungen und Fehlstellungen der Füße (»Fit Feet«), Fitnesszustand (»Fun Fitness«), mentale Gesundheit (»Strong Mind-Strong Body«)und Gesundheitsverhalten (»Health Promotion«)erfasst werden. Durch eine Hilfsmittelversorgungvor Ort (Brillen, Hörgeräte, Einlagen) sowie indivi-duelle Beratung von AthletInnen, BetreuerInnenund Eltern kann auch eine Nachhaltigkeit des Programms erzielt werden. Die Organisation vonShuttle-Transfers von Schladming nach Graz ermöglicht es allen AthletInnen, daran teilzu-nehmen. Die Vorbereitung für das Healthy Athletes-Programm startete an der FH Joanneumbereits vor zwei Jahren durch eine Kooperation des Instituts für Physiotherapie mit Special Olympics Österreich. Seither wurden einige Studierendenprojekte für Personen mit intellek-tuellen Beeinträchtigungen konzipiert und umgesetzt.

Special Olympics ist die weltweit größte Sportbewegung für Menschen mit intel-lektuellen Beeinträchtigungen. Im März 2017 werden die World Winter Games inSchladming, Ramsau und Graz ausgetragen. Dabei erhalten die AthletInnen auchdie Möglichkeit, in Graz am Healthy Athletes-Programm teilzunehmen, das unteranderem von PhysiotherapeutInnen organisiert und umgesetzt wird.

SPORT Brigitte Swonar, MPH

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Themenschwerpunkt Physiotherapie und Menschen mit Behinderung

Drei der Screening-Stationen (Fit Feet, Health Promotionund Fun Fitness) werden von PhysiotherapeutInnen geleitet. Nicht nur die teilnehmenden AthletInnen undderen BetreuerInnen profitieren vom Healthy Athletes-Programm, auch alle Studierenden und Health Professio-nals, die dieses Programm umsetzen, haben damit einegroßartige Möglichkeit, Erfahrungen im Umgang mit dieser Personengruppe zu sammeln. Alle Physiotherapie-Studierenden der FH Joanneum werden als Volunteersbei Healthy Athletes dabei sein können. Bereits in denSchulungen vorab wurden in Workshops wichtige Infor-mationen und Tools für den Umgang mit intellektuell und mehrfach beeinträchtigten Personen vermittelt. Die Verknüpfung dieser Fähigkeiten mit physiotherapeuti-schen Inhalten und Interdisziplinarität wird im Zuge desSpecial Olympics-Gesundheitsprogramms umgesetzt. ◼

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SPECIAL OLYMPICS UND PARALYMPISCHE SPIELE

Von den Paralympics sind die Special Olympics grund-sätzlich zu unterscheiden. Bei beiden Großveranstaltun-gen liegt der Fokus zwar auf Sport für Menschen mitBehinderung, doch sowohl die Art der Behinderung der teilnehmenden AthletInnen als auch die Teilnahme-kriterien unterscheiden sich voneinander. Bei den Para-lympischen Spielen geht es vorrangig um Leistungssportfür körperlich behinderte Personen. Für die Teilnahme an den Special Olympics ist eine intellektuelle Beein-trächtigung Voraussetzung. Auch Personen, die sowohlan einer mentalen als auch an einer körperlichen Behin-derung leiden, können bei Special Olympics teilnehmen.KeinE AthletIn kann aufgrund mangelnder sportlicherLeistung von den Special Olympics ausgeschlossen werden. Vielmehr werden die TeilnehmerInnen inLeistungskategorien eingeteilt, damit faire Wettkämpfegewährleistet werden können.

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Die fachliche Herausforderung an die freiwilligen PhysiotherapeutInnen ist sehr breit gestreut. An der Organisation und Umsetzung von drei dieser Stationen sind PhysiotherapeutInnen maßgeblich beteiligt:

1Viele AthletInnen leiden an Schmerzen oder Deformationen im Fußbereich. Bei den Screenings im Bereich Fit Feet wird neben der Untersuchung der Fußgesundheit und Hygiene die Fußform und Haltung beurteilt und das Gang-bild analysiert. Darüber hinaus erhalten die AthletInnen Aufklärung über die Fußpflege und über gutes Schuhwerk sowie dessen Tauglichkeit und Passform für Sport und Alltag.

2Im Health Promotion-Programm spielt das Gesundheitsverhalten (Rauch-, Ernährungs-, Bewegungs-, Sonnenschutz-Verhalten) die Hauptrolle. Neben Befragungs- und Education-Stationen in diesen Bereichen werden Screeningsumgesetzt, die das Gesundheitsverhalten teilweise abbilden. Gemessen wirdunter anderem der BMI, der Blutdruck oder die Knochendichte. (Angehende)DiätologInnen, RadiologietechnologInnen, PhysiotherapeutInnen und Ergothera-peutInnen führen die Screenings und Befragungen durch, die abschließenden individuellen Beratungen werden von GesundheitsexpertInnen aus den Berei-chen Medizin, Diätologie, Physiotherapie und Sportwissenschaften geleitet. Zusätzliche angebotene Workshops ergänzen das Programm.

3Ein besonders großer Personalbedarf besteht mit zirka 35 Volunteers pro Halbtag bei den Screenings im Bereich Fun Fitness, geleitet von Maria Kormann.Daher wird dieser Bereich durch eine Delegation von zehn Studierenden von der FH Gesundheitsberufe OÖ und drei weiteren Clinical Directors – Hans-PeterHagmüller, Katrin Mansbart und Joachim Jauk – unterstützt. Bei Fun Fitness werden motorische Grundeigenschaften im Stationenbetrieb getestet. DasScreening verfolgt das Ziel, die individuelle körperliche Leistungsfähigkeit derAthletInnen zu erheben. Im Vordergrund steht die Umsetzung der Übungen imAlltag. Studierende der FH Joanneum haben dieses Übungsprogramm überarbei-tet, ergänzt und neu aufgelegt. Hier hat sich nun ein weiteres sehr spannendes,interdisziplinäres Studienprojekt entwickelt: Im Sinne einer professionellen, modernen und nachhaltigen Umsetzung des Übungsprogrammes wird diesesÜbungsprogramm auch als Video in einem Youtube-Onlinestream verfügbarsein. An der FH St. Pölten haben unter der Leitung von Anita Kiselka Studie-rende der Medientechnik gemeinsam mit Studierenden der Physiotherapie die Übungen gefilmt, um sie als Anwendungsvideos bereitzustellen. Dieses Projektergebnis soll bei den Spielen als Link zur Verfügung stehen.

Veranstaltungen wie die Special Olympics sind der Beweis dafür, dass die Arbeitvon Freiwilligen wesentlich und unsagbar wertvoll ist und dass Berge versetztwerden können, wenn sich Menschen in den Dienst der guten Sache stellen.Das Besondere: Es ist vor allem Zeit, die hier von jeder und jedem einzelnen freiwilligen HelferIn aufgebracht wird. So entstehen schöne und unvergesslicheMomente, in denen die Menschen wieder ein Stück näher zusammenrücken und füreinander da sind. Wir freuen uns auf die Special Olympics World Winter Games 2017 – another »Heartbeat for the world!« ◼

Studierende für gesunde AthletInnenEin Volunteer-Projekt zieht weite KreiseDie Special Olympics in der Steiermark bieten den Rahmen füreines der größten Gesundheitsscreeningprogramme weltweit:das Healthy Athletes Programm. Durchführbar ist das Projektmithilfe von freiwilligen Studierenden der Physiotherapie.

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SPECIAL OLYMPICS Hans-Peter Hagmüller, MSPhT; Maria Kormann, MSPhT; Anita Kiselka, MSc

Freiwillige HelferInnen für das Healthy Athletes-Programm

Katrin Mansbart, Maria Kormann, Vicky Tilley (Special Olympics, USA), Hans-Peter Hagmüller

Für die Gesundheitschecks während der WorldWinter Games 2017 wurden Studierende der FH Joanneum Graz, der FH Gesundheitberufe OÖund der FH St. Pölten für die Bereiche Fun Fitness,Health Promotion und Fit Feet als Freiwillige mobilisiert. Das gesamte Screening basiert auf der Arbeit dieser Volunteers. Zu den Tests werdenetwa 1.500 AthletInnen erwartet. Sowohl für dieSportlerInnen als auch für die Studierenden brin-gen die Screenings erheblichen Mehrwert: durchdas Gewinnen von Erfahrung mit den AthletInne-nen und BetreuerInnen von Special Olympics und durch den Austausch der Studierenden undTherapeutInnen untereinander. Barbara Gödl-Purrer, Lehrende an der FH Joanneum in Graz, obliegt die Leitung des Projekts.

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Themenschwerpunkt Physiotherapie und Menschen mit Behinderung

Motorisches Lernen bei psychomotorischer Behinderung Physiotherapie in untrennbarem Kontext von Kognition, Emotion und sozialer Interaktion

Psyche und Körper sind untrennbar, daher beschäftigtsich die Psychomotorik mit Bewegung als Grundlage fürunsere Persönlichkeit, basierend auf der Funktionseinheitaus Wahrnehmen, Erleben und Handeln. Somit stehensensible, kognitive und motorische Funktionen in engemBezug zu personenbezogenen Faktoren wie zum BeispielSelbstwert, Selbstwirksamkeitserwartung und Kontroll-überzeugung als Grundlage für Motivation und Adhärenz in der Physiotherapie. Personen mit beeinträchtigter Intelligenz oder Motorik zeigen daher in ihrem gesundheit-lichen Lernverhalten andere Bewältigungsstrategien alsgesunde Personen. Um ein unabhängiges Leben führen zu können, sind sie zudem abhängig von den vorhandenenRahmenbedingungen bzw. Umweltfaktoren.

Bereits in der Informationsaufnahme stehen 200.000ÖsterreicherInnen (80 Prozent davon sprechen Deutschals Muttersprache) einer großen Barriere gegenüber: Aufgrund einer Leseschwäche können sie ausschließlicheinfache, kurze Sätze und vertraute Wörter bzw. Themenverstehen und sind auf langsame und deutliche Spracheangewiesen. Barrierefreies Verständnis wichtiger Informa-tionen ist daher das Ziel von Capito.eu, einem Social Franchise-Netzwerk. In der Physiotherapie bedarf es adäquater Texte, Worte, Sinnesreize und Medien sowieeiner kontinuierlichen Prüfung des Verständnisses. Merksätze und Bilder in Anamnese/Wiederbefund (z. B. Physiologik-Barometer, Smileys anstelle der NRS-Skala) sowie als Teil der Übungsanleitung und -vorstellung nutzen dabei.

Für Personen, die sich nicht verbal ausdrücken können,bietet LifeTool (www.lifetool.at) verschiedene Lösungenan, wie z. B. augengesteuerte Computer und Wortregister.In der Physiotherapie lassen sich dadurch die körperlicheAnstrengung und das subjektive Stresslevel mindernsowie Ziele und Bedürfnisse der PatientInnen kommunizie-ren. Auch Missverständnissen kann auf diesem Weg vor-gebeugt werden. Verständnis und Ausdruck sind Basis der sozialen Kompetenz und der Anpassung einer Personan ihre Umwelt. Kenntnisse von Lerntheorien und fördern-den bzw. hemmenden Faktoren sind die Basis aller Maß-nahmen zur Förderung des motorischen Lernens. Beibeeinträchtigten kognitiven Funktionen geben darüber hinaus die beeinträchtigten Gehirnstrukturen wichtigeAuskunft darüber, welche Maßnahmen für welche Personen zu welchem Zeitpunkt geeignet sind:

Drei Lernphasen1In der ersten, kognitiven Lernphase muss der präfrontaleKortex zuverlässig Aufmerksamkeit bereitstellen, um denBewegungsplan entwerfen zu können. Das Beobachten(auch anderer Lernender einer Gruppe), Vorsagen undschrittweise Ausführen hilft – zum Beispiel Menschen mit Lernschwäche und gestörten Exekutivfunktionen – bei neuen Aufgaben.

2In der zweiten, assoziativen Lernphase entscheiden Kleinhirn und Basalganglien über Kontrolle und Timing vonBewegung und Muskelspannung. Fehler sollen gemacht,erkannt und korrigiert werden. Sobald Personen zu Beginndes Übens spontan korrekte Ausführung zeigen (Retenti-onstest), sind externer Fokus und Ausführung der Gesamt-bewegung – im geforderten Kontext – zu bevorzugen.

3Für eine Automatisierung, einen Transfer in neue Situatio-nen und die Fähigkeit, Dual-Task-Aufgaben zu bewältigen,bedarf es vieler Wiederholungen. Personen mit Lern-schwäche, Bewegungsstörungen oder Demenz sollten dieses Ziel primär für jene Bewegungen anstreben, die sie häufig in ihrem Alltag benötigen. Die Lernphasen sindbei ihnen verlängert (20 bis 30 Übungseinheiten) undLernerfolge sind nur begrenzt erreichbar bzw. haltbar.

Wenn Personen mit Lernschwäche oder beeinträchtigter Kommunikationneue Bewegungen erlernen, sind spezielle Herangehensweisen in Kommunikation und Übungsgestaltung gefragt.

»VERSTÄNDNIS UND AUSDR

UCK SIND

BASIS DER SOZIALEN KOM

PETENZ

UND DER ANPASSUNG EINE

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PERSON AN IHRE UMWELT

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PSYCHOMOTORIK Anita Kiselka, MSc

ErkenntnisseImplizite, prozedurale Abläufe sind für Personen mit prä-frontalen Beeinträchtigungen leichter, explizite und dekla-rative Informationen bei Bewegungsstörung trainierbarer.Erstere benötigen klare, gleichbleibende Strukturen (Ort,Zeit, Person, Rituale); mitunter bedarf es einiger Einheiten,bis Vertrauen und Offenheit für neue Aufgaben gegebensind. Durch Befundung der kognitiven Funktionen ist einspezifisches Training möglich. Bei starker kognitiver Beein-trächtigung sind allgemein aktivierende Maßnahmen vor-zuziehen.Feedback sollte fünf bis sechs Sekunden verzögert gege-ben werden und primär durch die behandelte Personselbst erfasst/genannt werden. Bei Personen mit Lern-schwäche bzw. beeinträchtigter Exekutivfunktion sind Versuch und Irrtum nicht hilfreich, erreichbare Aufgabenmit geringer Fehlerquote und positiven Formulierungenaber motivierend. Dem entgegengesetzt sprechen Perso-nen mit Depression oder Parkinson in Phasen ohne L-Dopa-Wirkung besonders auf negatives Feedback an.Aufmerksamkeit, autonome Entscheidung – z. B. über dieZahl der Wiederholung bis zur nächsten Pause (meist 3 bis 5) – und intrinsische Motivation sind grundlegende Voraussetzungen.◼

Performance- statt Leistungsziele

° Akzeptanz, Wertschätzung erfahren haben

° die eigene Leistungsfähigkeit gespürt haben

° ehrlich gegenüber sich selbst sein

° Pause eingefordert haben

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ren Wicklun

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Aktuell an der FH St. Pölten verfasste Bachelorarbeiten

Lisa KitzmüllerTobii in der PhysiotherapieKann ein augengesteuerter Computer die Physio-therapie bei körperlich beeinträchtigten Menschenhinsichtlich der Kommunikation erleichtern? TobiiTechnology ist ein Hightech-Unternehmen, das Produkte für die Blickerfassung und Blicksteuerungentwickelt. Erwachsene, die bereits andere Kommuni-kationswege entwickelt haben, benötigen Tobii in derTherapie selbst nicht. Für das Anamnesegesprächund Besprechen der Therapie ist Tobii jedoch essen-ziell. Kinder, die noch keine andere Kommunikations-form entwickelt haben, passen sich rasch undindividuell an das Setting mit Tobii an, um Spiele auszusuchen und sich verständlich zu machen. Sietreten mit mehr Spaß in Interaktion mit der Umweltund werden adäquater gefordert bzw. gefördert.

Christina RieglerVolkstanz für Menschen mit LernschwierigkeitenZehn Erwachsene mit zerebraler Störung oder Down Syndrom absolvierten acht Tanzstunden in vierWochen. Sie zeigten große Lernbereitschaft, jedochlenkten sie bereits kleine Geräusche ab. Das Erlernendes Walzers war die größte Herausforderung, einetaubstumme Person erlernte die Tanzschritte amschnellsten. Gemessen wurden soziale Kompetenzund körperliche Fertigkeiten. Vor Trainingsbeginn sindmehr als zwei Basismessungen nötig, da erst nachdrei Terminen Vertrauen zur fremden Person entstandund die Messwiederholung Lerneffekte zeigte.

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Themenschwerpunkt Physiotherapie und Menschen mit Behinderung

Mit und für Menschen mit BehinderungEntwicklung eines Barriere-Informationssystems (BIS) für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen in Wien

Mehrwert für die Physiotherapie Das Projekt hat einen wertvollen Einblick in die verschiedensten Arten von Barrieren gewährt, die vordergründig oft nicht beachtet werden. Dies ermög-licht uns PhysiotherapeutInnen eine noch bessereEinschätzung der Mobilitätsbehinderung und somitauch eine gründlichere Beratung bei der Rollstuhl-auswahl. Darüber hinaus gewinnen wir durch solcheDaten Argumente für Diskussionen um die Kosten-übernahme bei Versicherungen. Den Artikel findenSie in der aktuellen Ausgabe des International Journalof Health Professions unter www.ijhp.info

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Im Rahmen eines interprofessionellen Forschungsprojekts wurde eininteraktives Online-Informationssystem für barrierefreie Routen entwickelt mit dem Ziel, die gesellschaftliche Teilhabe von Rollstuhl-nutzerInnen im öffentlichen urbanen Raum in Wien zu verbessern.

URBANE MOBILITÄT Gudrun Diermayr, MA PhD; Maria Essmeister

Im BIS-Projekt entwickelte ein interprofesionelles Teamaus TechnikerInnen, ExpertInnen für digitale Medien, einerSozialwissenschaftlerin, VertreterInnen des Verkehrsver-bundes Ost-Region und PhysiotherapeutInnen ein onlineBarriere-Informationssystem für Menschen mit Mobilitäts-einschränkungen in Wien. Von Anfang an mit im Team warauch ein Betroffener, also ein Rollstuhlnutzer. Die Projekt-leitung hatte das Büro für Planungs- und Kommunikations-aufgaben Plansinn inne. Gefördert wurde das Projekt vonder österreichischen Forschungsförderungsgesellschaftim Rahmen der Ausschreibung »ways2go – Innovation undTechnologie für den Wandel der Mobilitätsbedürfnisse«.

ZusammenarbeitWir PhysiotherapeutInnen von der MedUni Wien hatten im Projekt eine beratende Rolle als ExpertInnen für Mobi-litätseinschränkungen inne und brachten unsere wissen-schaftliche Expertise ein. Aktiv involviert waren wir vorallem in die Arbeitspakete »Anforderungsanalyse« (Erhe-bung von Perspektiven und Erfahrungen zu Barrieren imöffentlichen Raum durch Fokusgruppen-Diskussionen mit Betroffenen) und »Dissemination« (wissenschaftliche Aufbereitung und Veröffentlichung der Ergebnisse). Fürunsere Arbeitspakete konnten wir noch einen Mitarbeiteraus der Ergotherapie gewinnen, der zusätzlich die ergo-therapeutische Sichtweise einbrachte. Die Anforderungs-analyse stand am Beginn des Projekts und bildete dieBasis für die anschließende technische Entwicklung. Wissenschaftlich aufbereitet wurden die Ergebnisse imRahmen einer Masterarbeit, in Postervorträgen auf einerinternationalen sowie einer nationalen Konferenz undeiner Publikation im International Journal of Health Professions. Da die unterschiedlichen Professionen unterschiedlicheArbeitsweisen mitbrachten, war es am Projektbeginnwichtig, eine gemeinsame Sprache und eine Balance zwischen wissenschaftlicher Präzision und der eher pragmatischen Herangehensweise der TechnikerInnen zu finden. Unabdingbar in diesem Prozess war aber vorallem das Miteinbeziehen der Betroffenen – sie sind dieExpertInnen für Barrieren im öffentlichen Raum. Erst die Verbindung der unterschiedlichen Orientierungen ermöglicht die Entwicklung von technischen Innovationenim Gesundheitssystem, die die späteren NutzerInnenbestmöglich unterstützen sollen.

Auszug aus dem Abstract der publizierten StudieErgebnisse: Die in allen drei Fokusgruppen identifiziertenBarrieren betrafen vor allem physikalische und soziokultu-relle Umweltaspekte. Die wesentlichsten physikalischenBarrieren waren: Bodenbeschaffenheit, Gehsteigkantenund Steigungen. Weitere Barrieren bezogen sich auf deneigenen Körper, auf Menschen in der Umwelt sowie aufmangelnde Informationen über bauliche Umweltgegeben-heiten. ◼

LITERATUR

Außermaier, H., Costa, U.M.,Essmeister, M. & Diermayr, G.(2016). Barrieren aus der Sichtvon Rollstuhlnutzern/-innen im öffentlichen Raum in Wien:Implikationen für ein Barriere-Informationssystem. Inter-national Journal of Health Professions, 3 (2), 177–188.

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Primärversorgung (Knack- und) Eckpunkt der Gesundheitsreform

Am 14. Dezember 2016 wurde das Gesundheitsreformpaket im Natio-nalrat beschlossen. Im Mittelpunkt steht der Ausbau der Primärver-sorgung (Primary Health Care, PHC). Dadurch sollen neue Modelle im niedergelassenen Bereich gefördert und die Spitalsambulanzen entlastet werden. Diese Entwicklungen bieten neue Möglichkeiten und Chancen für PhysiotherapeutInnen.

PhysiotherapeutInnen sind als Teil des erweiterten Primärversorgungsteams vorgesehen. Die Zusammenarbeit mit dem Kernteam – bestehend aus ÄrztInnenfür Allgemeinmedizin, diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegepersonenund OrdinationsassistentInnen – soll verbindlich und strukturiert erfolgen. Ziel des Reformpakets ist, dass in Österreich bis 2020 zumindest 75 Primär-versorgungseinheiten entweder an einem Standort oder als Netzwerk eingerich-tet werden. Dieses Konzept der Zukunft wird bereits in anderen europäischenLändern erfolgreich praktiziert und soll unter anderem längere Öffnungszeiten,interdisziplinäre Betreuung, bessere Abstimmung zwischen den Gesundheits-berufen und attraktivere Arbeitsmodelle ermöglichen.Diese Entwicklung birgt innovative Möglichkeiten für die gesetzlich geregeltenGesundheitsberufe. Physio Austria spricht sich bereits seit Jahren für neue Wegeder Gesundheitsversorgung und eine Modernisierung der Primärversorgung aus und hat sich auf bundespolitischer Ebene in die Entwicklung des mit derGÖG erarbeiteten Primärversorgungsmodells eingebracht sowie Kooperationenmit Institutionen zur gemeinsamen Arbeit am Thema gesucht. Zur Rolle der PhysiotherapeutInnen in der Primärversorgung wurde schon 2014 ein Positions-papier veröffentlicht.Auch Sie können jetzt aktiv werden, indem Sie sich regional einbringen und proaktiv auf die Gemeinde und Angehörige von Gesundheitsberufen in IhrerNähe zugehen. Vielleicht birgt dieses Modell auch für Sie neue Chancen der Mitgestaltung und Mitwirkung.Da im Rahmen der Primärversorgung unterschiedliche Gesundheits- und Sozialdienstleistungen angeboten werden und die Finanzen für das Gesund-heits- und Sozialsystem aus unterschiedlichen Töpfen stammen (Länder, Gemeinden oder Pensionsversicherungsanstalt), bedarf es auch im Bereich der Honorierung und Kassenverträge neuer Wege sowie einer Sicherstellung der Finanzierung seitens der Politik.Die im Dezember getroffenen Beschlüsse zum Reformpaket sind noch nicht in Kraft getreten. Es bleibt abzuwarten, wann und in welcher Weise die Umsetzung erfolgen wird. ◼

Nähere Informationen – wie das Positionspapier »PhysiotherapeutInnen in Primary Health Care« – finden Sie auf www.physioaustria.at

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Strategie zur Etablierung einer patientInnenzentrierten Kommunika-tionskultur beschlossenMit dem Ziel, die Gesprächsqualität in derKrankenversorgung zu verbessern, hat dieBundeszielsteuerungskommission im Juli2016 eine Strategie zum oben genanntenThema beschlossen. Das Dokument ist öffentlich auf der Webseite des BMGFwww.bmgf.gv.at einzusehen.

Informationsoffensive »Direktzugang« zur Physiotherapie Der »verordnungsfreie« Zugang für PatientInnen zu physiotherapeutischenLeistungen ist bereits in vielen Ländern gelebte Praxis. Da auch Physio Austriaschon lange mit dieser Thematik befasst ist, sollen die bisherigen Ergebnisse undmögliche Entwicklungen mit den Berufs-angehörigen diskutiert werden. Der Startist im Frühjahr geplant. Termine und weitere Informationen erhalten Sie aufwww.physioaustria.at sowie als Mitglied über unsere Aussendungen.

SERIE GESUNDHEITSPOLITIK Mag. Nicole Muzar

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Resolution 2016 der »Politischen Kindermedizin«Im Rahmen der Jahrestagung der PolitischenKindermedizin wurde im November 2016 eine Resolution verabschiedet. Darin werdendie österreichischen PolitikerInnen unter anderem dazu aufgefordert, sich vorrangig, uneingeschränkt und nachdrücklich für die Zukunft der nächsten Generationen einzusetzen. Nähere Informationen:www.polkm.org

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Physio ResearchAward 2016Die prämierten Masterarbeiten

26 Masterthesen sind nach der Ausschreibung des Physio Research Awards 2016eingegangen und von einer fachkundigen Jury in anonymisierter Form geprüft worden. Im Rahmen des Symposiums »Physiotherapie, quo vadis?« im November2016 wurden die drei Gewinnerinnen ausgezeichnet. Hier erfahren Sie, worum es in den drei prämierten wissenschaftlichen Arbeiten ging.

Irradiation – Einfluss der Aktivierung der Ellbogen-flexoren auf die Aktivität der kontralateralen Knieflexoren. Explorative PilotstudieIrradiation als ein Grundprinzip der propriozeptiven neuro-muskulären Fazilitation wird häufig bei neurologischen, orthopädischen und unfallchirurgischen Krankheitsbildernzur indirekten Behandlung von Muskeln eingesetzt, wenn ein direkter Zugang nicht ausreichend möglich ist. Ursachenund Wirkungsweisen des Phänomens Irradiation sind nochunzureichend erforscht. Ziel der Studie ist es, zu untersu-chen, welchen Einfluss die Aktivierung der Ellbogenflexorenauf die EMG-Aktivität der kontralateralen Knieflexoren hat.Die Ergebnisse zeigen eine im Vergleich zum Ruhe-EMG signifikante Erhöhung der Aktivität der ischiokruralen Muskulatur sowohl bei eindimensionalem als auch bei drei-dimensionalem Widerstand am dominanten und am nicht dominanten Arm. Der Bizeps femoris weist bei ein- und drei-dimensionalem Widerstand am dominanten Arm eine signifi-kant höhere und bei eindimensionalem Widerstand am nichtdominanten Arm eine tendenziell höhere EMG-Aktivität aufals Semitendinosus/Semimembranosus. Kein signifikanterUnterschied zeigt sich in der EMG-Aktivität der ischiokrura-len Muskulatur bei eindimensionalem im Vergleich zu drei-dimensionalem Widerstand sowie bei Widerstand am domi-nanten Arm im Vergleich zum nicht dominanten Arm. Aufgrund der kleinen Stichprobe ist die Aussagekraft der Ergebnisse eingeschränkt. Die vorliegende Pilotstudie gibtHinweis darauf, dass durch die Aktivität der Ellbogenflexorendie Aktivierung der kontralateralen Knieflexoren fazilitiertwerden kann. Weiterführende Studien sollten die Reprodu-zierbarkeit der Ergebnisse anhand einer größeren Stichprobeüberprüfen und offen gebliebene Aspekte im Zusammen-hang mit der klinischen Anwendbarkeit untersuchen.

Bewegungskontrolltests der orofazialen Region: Gibt es einen Unterschied zwischen CMD-Patienten und einer vergleichbaren Kontrollgruppe?Die craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) beinhaltet eineVielzahl an Beschwerden. ZahnärztInnen und Physiothera-peutInnen sind gefordert, das Beschwerdebild zu erkennen,zu klassifizieren und zu therapieren. In der bisherigen Forschung erkannten PhysiotherapeutInnen in der orofazia-len Region Zusammenhänge zwischen Haltung, Dysfunktionund Schmerz. Folglich beobachtete man verminderte Bewegungskontrolle/Stabilität.Diese Studie beschäftigt sich mit der Frage, ob sich CMD-Patienten bezüglich der Bewegungskontrolle der orofazialenRegion von gesunden Probanden unterscheiden. Ziel ist, dieÜbereinstimmung der Beurteilung zweier erfahrener Thera-peutInnen hinsichtlich der Bewegungskontrolle der orofazia-len Region zu prüfen und die Ergebnisse mit der Diagnosenach RDC/TMD zu vergleichen. Ziel ist auch, zu prüfen, ob Probanden höheren Schmerzgrades schlechter bewegen als jene niedrigeren Grades. Die TherapeutInnen stimmten in ihrer Beurteilung hoch-signifikant überein, nicht jedoch mit der Diagnose nachRDC/TMD. Es konnte daher keine Aussage bezüglich unter-schiedlicher Bewegungskontrolle zwischen den ProbandIn-nengruppen getroffen werden. ProbandInnen höherenchronischen Schmerzgrades bewegten nicht signifikantschlechter als Personen niedrigeren Schmerzgrades. Die hohe Übereinstimmung der TherapeutInnenbeurteilun-gen lässt den Schluss zu, dass einzelne Tests aussagekräftigsind. Da auch beschwerdefreie ProbandInnen Bewegungs-mängel in der orofazialen Region aufweisen, ist die Bewe-gungskontrolle in künftigen Arbeiten unabhängig von derDiagnose nach RDC/TMD zu betrachten.

Themenschwerpunkt Physiotherapie und Menschen mit Behinderung

22 physioaustria inform Februar 2017

Platz

3Platz

2Brigitte WolfMasterlehrgang Physiotherapie, Schwerpunkt: Motorisches Lernen, FH Campus Wien

Elisabeth ScholzMasterlehrgang Muskulo-skelettale Physiotherapie, Donau-Universität Krems

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Recommendations for Rehabilitation after Targeted MuscleReinnervation. Development of Therapy Recommendationsbased on Literature and a Delphi ProcessIm Zuge der Arbeit wurden Empfehlungen für die Rehabilitationvon Personen mit hoher Armamputation entwickelt, die dankbestimmter Nerventransfers die Steuerung einer Hightech- Prothese mit Oberflächen-Elektromyographie (EMG) erlernenkönnen. Operativ werden dabei Nerven, die vor der AmputationHand und Arm versorgten, in Muskeln des verbleibenden Armesbzw. des Rumpfes umgelagert. Dieses Vorgehen wird auch als»Targeted Muscle Reinnervation (TMR)« bezeichnet. Nach einerlangen Heilungs- und Trainingsphase wird dadurch die intuitiveund schnelle Ansteuerung von bis zu sechs unterschiedlichenBewegungen der Armprothese ermöglicht. Dafür ist allerdingskomplexes motorisches Lernen notwendig, das in bisherigenStudien noch kaum berücksichtigt wird. Aus diesem Grund wurden anhand der aktuellen Literatur und eines dreistufigenDelphi-Prozesses mit internationalen Experten entsprechendeEmpfehlungen erarbeitet. Diese beinhalten die Vorbereitung aufdie Operation sowie das therapeutische Vorgehen nach derOperation bis hin zur Versorgung mit einer Prothese. Es mussdabei mit einer Rehabilitationsdauer von bis zu zwei Jahren gerechnet werden, ehe die Prothese im Alltag genützt werdenkann. Diese Zeit umfasst die Regeneration der Nerven und, sobald die Muskeln reinnerviert sind, das Lernen der Muskel-aktivierung, mit der später die Prothese gesteuert wird. Dabeihat sich der Einsatz von Oberflächen-EMG-Biofeedback be-währt. Letztendlich kann dann der Umgang mit der Protheseselbst – von einfachen Armbewegungen bis zum Manipulierenvon komplexen Gegenständen – trainiert und die Prothese fürden Gebrauch im Alltag verwendet werden. Regelmäßige Kon-trollen garantieren, dass die gute Funktion der Prothese weiter-hin sichergestellt ist und sie so eine gute Hilfe im täglichenLeben sein kann. ◼

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GEWINNERINNEN Agnes Sturma, BSc MSc; Elisabeth Scholz, M.Sc.; Brigitte Wolf, MSc

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Platz

1 Agnes SturmaMasterstudiengang Health Assisting Engineering, FH Campus Wien

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ArmprothetikGegenwart und Zukunft von Versorgungen nach Verlust der oberen Extremität

Grundsätzlich lassen sich derzeitige Prothesentypen indrei Kategorien einteilen: kosmetische, mechanischeund myo-elektrische Prothesen. Während eine kosme-tische Prothese täuschend echt die verlorene Handnachbilden kann, ermöglicht sie kein aktives Greifen. Sie ersetzt dennoch das Gewicht der verlorenen Extre-mität und kann zum Gegenhalten und Stabilisieren eingesetzt werden. Mechanische oder zugbetätigte Prothesen stellen eine sehr robuste und verhältnismäßigkostengünstige Form der aktiven Prothese dar. Mithilfeeines Bardenzuges ist ein Greifen oder Bewegen des Ellenbogens möglich. Die klassische aktive Versorgungin Österreich erfolgt mit myo-elektrischen Prothesen.Die Bewegungen werden dabei mithilfe kleiner Elektro-motoren ausgeführt. Die Steuerung selbst erfolgt überdie Aktivität der noch vorhandenen Muskeln am Stumpfund wird über Oberflächen-EMG-Elektroden abgegriffen.Diese sind in den Schaft der Prothesenversorgung ein-gearbeitet und liegen somit beim Anziehen an der richti-gen Stelle auf der Haut auf.

Zukünftige EntwicklungenIn den letzten Jahren zeigt sich in der Hand-Prothetik der Trend zu mehr Freiheitsgraden. Anstatt von ein oderzwei verschiedenen Griffarten bieten immer mehr Her-steller einzeln bewegbare Finger an. Derzeit sind solcheProthesen allerdings noch durch die Steuermöglich-keiten verhältnismäßig limitiert, da nur wenige Signalezur Verfügung stehen. Abhilfe soll hier das Konzept derMustererkennung bringen, das in den vergangenen Jahren stark im Fokus der internationalen Forschung warund demnächst in regulären Produkten auf den Marktkommen wird.

Hierzu werden anstelle von klassischerweise zweiElektroden zur Signalaufnahme wesentlich mehr eingesetzt. Im Folgenden »lernt« die Prothese dannden NutzerInnen, welche Elektroden bei welcher Bewegung aktiviert werden. Später kann sie dann die gewünschten Bewegungen selbstständig erkennenund ausführen. Dies ermöglicht die Steuerung einergroßen Anzahl von Bewegungen. Ebenso Gegenstandder Forschung ist seit einigen Jahren die Überlegung,intelligente Feedback-Systeme in Prothesen zu inte-grieren, die etwa Berührungen oder Druck rückmeldenkönnen. Wenngleich es hier in Versuchen bereits viel-versprechende Ergebnisse gibt, wird die sinnvolle Integration dieser Technologien in Produkte auf demMarkt vermutlich noch einige Zeit dauern.

Physiotherapie in der ProthetikInternational sind sowohl Physio- als auch Ergothera-peutInnen im Feld der Prothetik aktiv. Ihre wichtigeAufgabe besteht darin, PatientInnen während der Versorgung zu beraten, im Umgang mit der Protheseeinzuschulen, den Einsatz im Alltag zu üben und mögliche Komorbiditäten wie Narben oder kontrakteGelenke zu behandeln. Je komplexer die Versorgungwird, desto wichtiger und anspruchsvoller wird natür-lich auch die Rehabilitation. Dies erfordert von denbetreuenden TherapeutInnen neben einem profundenWissen in der Prothetik auch Interesse an der Technikund Weiterentwicklungen im Feld. ◼

24 physioaustria inform Februar 2017

Themenschwerpunkt Physiotherapie und Menschen mit Behinderung

»DIE WICHTIGSTE AUFGABE

BESTEHT DARIN,

PATIENTiNNEN WÄHREND D

ER VERSORGUNG

ZU BERATEN, IM UMGANG

MIT DER

PROTHESE EINZUSCHULEN,

DEN EINSATZ

IM ALLTAG ZU ÜBEN UND

MÖGLICHE

KOMORBIDITÄTEN WIE NAR

BEN ODER

KONTRAKTE GELENKE ZU B

EHANDELN.«

Nach Amputation einer Hand oder des ganzen Armes steht im Mittelpunktder prothetischen Versorgung die Wiederherstellung von Optik, Funktionund Gewicht der verlorenen Extremität. Je nach betroffener Person kannder Fokus dabei sehr unterschiedlich sein. Zukünftige technische Ent-wicklungen werden außerdem noch mehr Möglichkeiten schaffen.

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handsmart groupUm TherapeutInnen, die verhältnismäßig selten PatientInnen mit Amputationen betreuen, besser unterstützen zu können, wurde im vergangenen Jahr die internationale »handsmart group« gegründet. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, wichtige Ressourcen für die Therapie in der Prothetik der oberen Extremität zusammenzufassen und Empfehlungen abzugeben. Diese sollen zukünftig kostenlos zur Verfügung gestellt werden, unter anderem über die Website handsmartgroup.org. Ebenso wird eine bessere Vernetzung von TherapeutInnen im Feld angestrebt.

LITERATUR

Engdahl SM, Christie BP, Kelly B,Davis A, Chestek CA, Gates DH.Surveying the interest of indi-viduals with upper limb loss innovel prosthetic control techni-ques. J Neuroeng Rehabil.2015;12(53).

Roche AD, Rehbaum H, FarinaD, Aszmann OC. ProstheticMyoelectric Control Strategies:A Clinical Perspective. CurrentSurgery Reports. 2014;2(3).

Saikia A, Mazumdar S, Sahai N,et al. Recent advancements inprosthetic hand technology.Journal of medical engineering &technology. 2016;40(5).

AMPUTATION Agnes Sturma, BSc MSc

physioaustria inform Februar 2017 25

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Mit vereinten KräftenMultiprofessionelle Zusammenarbeit in der Arbeit mit Menschen mit Behinderung

orthopädische Kontrollen durchgeführt. Einmal jährlichuntersucht die behandelnde Ärztin vom Ambulatoriumdas Mädchen. Bei Fragen oder Problemen vereinbarendie TherapeutInnen der unterschiedlichen Fachrichtun-gen einen gemeinsamen Termin mit dem Kind oder eswird als Fallvorstellung in die regelmäßig stattfindendeTeambesprechung gebracht. So ist eine optimale Ver-sorgung der Patientin gewährleistet.

ErfolgeAb dem vierten Lebensjahr konnte Anna auch mit Hippo-therapie gefördert werden. Auch wenn gerade diese Therapieform Kindern sehr viel Spaß macht, ist darauf zuachten, keine Überforderung durch zu viele Termine zuerzeugen. Zwei Therapien pro Woche sind normalerweiseausreichend; in den Ferien kann im Rahmen eines Reha-Aufenthalts oder einer Intensivwoche (Klettern, Hippo-therapie, Grafomotorikgruppe etc.) auch mehrmalstäglich trainiert werden. Die Physiotherapie lief und läuftmit kleinen Unterbrechungen fast durchgehend; mittler-weile nur mehr blockweise wöchentlich und sonst inetwas größeren Abständen, je nachdem, wie es für dasMädchen gerade am besten ist. Wenn andere Therapiendazukommen, muss darauf geachtet werden, dass Kindund Eltern nicht überfordert sind. Anna ist heute 12 Jahrealt. Sie geht in die Regelschule mit nur stundenweiserUnterstützung durch eine Hilfsperson, meistert ihr Leben, fühlt sich wohl in ihrer Klasse und hat gute FreundInnen. ◼

Anna* kam als Frühgeburt mit einer infantilen Zerebral-parese zur Welt und wurde mit wenigen Monaten in dasAmbulatorium für Entwicklungsdiagnostik überwiesen.Die Physiotherapie startete sofort. Gleichzeitig bekamAnna in größeren Abständen beziehungsweise bei BedarfLogopädie. Schon hier begann die Zusammenarbeit derTherapeutInnen aus den beiden Fachrichtungen: Ohnerichtige Positionierung des Kindes, ohne guten Haltungs-hintergrund war ein problemfreies Trinken oder Essennicht möglich. Zugleich konnte die behandelnde Physio-therapeutin auf das Wissen und die Erfahrung der Logo-pädin zurückgreifen, wenn die Eltern in der Therapie von Problemen berichteten.

Gemeinsam für FortschritteAnna entwickelte sich gut – aber natürlich verzögert undmit den typischen Handicaps einer beinbetonten, spasti-schen ICP mit GMFCS III. Ab dem Alter von drei Jahrenerhielt sie blockweise Ergotherapie – auch hier arbeitetedie Physiotherapeutin eng mit den ErgotherapeutInnenzusammen, um die optimalen Voraussetzungen und diebestmögliche Therapie zu schaffen. Logopädie-Einheitenkamen im Laufe der Jahre zur Sprachverbesserung dazu.Neben der physiotherapeutischen Behandlung und derEinbeziehung des Umfeldes wurde stets auch auf dierichtigen Hilfsmittel geachtet: etwa auf die Einlagen- und Schuhversorgung oder auf Gehhilfen, den Rollstuhlund dergleichen. In Anwesenheit der behandelnden Physiotherapeutin wurden und werden regelmäßige

Am Beispiel der Patientin Anna ist deutlich zu erkennen, wie wesentliches ist, dass alle Angehörigen der Gesundheitsberufe in der Behandlungan einem Strang ziehen.

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Themenschwerpunkt Physiotherapie und Menschen mit Behinderung

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KOOPERATION Thesy Feichtinger-Zrost, MSc

»BEI FRAGEN ODER PROBL

EMEN

VEREINBAREN DIE THERAP

EUTINNEN

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RICHTUNGEN EINEN GEMEI

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TERMIN.«

© Feichtin

ger-Zrost

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TeamworkIm Ambulatorium für Entwicklungsdiagnostik und Therapie in Salzburg arbeiten mehrere TherapeutInnen verschiedener Fachrichtungen zu-sammen. Physio-, Ergo- und MusiktherapeutInnen sowie LogopädInnenbilden mit ÄrztInnen und PsychologInnen ein Team. So wird sicher-gestellt, dass die PatientInnen stets eine möglichst optimale, ihren momentanen Bedürfnissen entsprechende Therapie erhalten. Modelle wie dieses gibt es in ganz Österreich. Die Wirkungsgeschichten,die von den verschiedenen Einrichtungen in den Fachkreisen erörtert werden, geben dieser Form der multiprofessionellen Zusammenarbeitrecht. Gerade Menschen mit Körper- und/oder Mehrfachbehinderungbrauchen ein Team von SpezialistInnen aus den verschiedenen Fachrichtungen, um sich optimal entwickeln zu können.

KURSANKÜNDIGUNGEN

Asymmetrische Haltungsmuster bei Säuglingen und Kleinkindern – erkennen, verstehen und therapieren 1. April 2017 Wien, Praxis für Physiotherapie Michaela Pressel

Befunderstellung bei Kindern – Rasch und effektiv 11. bis 12. Mai 2017Wien, Praxis für Physiotherapie Michaela Pressel

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Starke Kinder mit ZerebralpareseEckdaten und Umwelten

Bei Kindern mit Zerebralparese (CP) schränkt eine be-einträchtigte Muskelfunktion (Spastizität, Muskelschwä-che, beeinträchtigte selektive Ansteuerung) die Ausfüh-rung von Alltagsaktivitäten sowie die Mobilität erheblichein. Damit rücken Behandlungsziele – wie größtmöglicheEigenaktivität, Problemlösekompetenz in der Interaktionmit den Umfeldgegebenheiten sowie Unterstützung dersozialen Teilhabe – in den Vordergrund.Im therapeutischen Zugang hat sich in den letzten Jahrenein deutlicher Wandel vollzogen. Die Maßnahmen gehenheute weit über Inhibition, Dehnung, Fazilitation und Aktivierung antagonistischer Muskulatur hinaus. Währenddie Spastizität als charakteristisches Merkmal der Zere-bralparese in vielen Therapiekonzepten repräsentiert ist,wurde die Problematik der Minussymptomatik (im Beson-deren die Verminderung von Muskelkraft) lange Zeitwenig beachtet.Heute geht man davon aus, dass vor allem die Muskel-schwäche ein Kind in seiner Mobilität hindert und derKraftmangel als zentraler Punkt der motorischen Ein-schränkung zu sehen ist. Vor wenigen Jahren noch galtKrafttraining bei Kindern mit Zerebralparese als nicht angemessen, es galt das Paradigma »Widerstand erhöhtdie Spastik« oder »Anstrengung führt zu einer Erhöhungdes Tonus«. Im aktuellen wissenschaftlichen Diskurs wirdKrafttraining als anerkannte Intervention immer mehr akzeptiert.

Damiano & Abel konnten eine signifikante Verbesserungim Gehen, Laufen und Springen (gemessen mit demGross Motor Function Measure GMFM, Dimension E) undeine Zunahme der Ganggeschwindigkeit nachweisen. Die Autoren betonen die Bedeutung eines individuell auf das Kind abgestimmten Trainingsprogramms, da indessen Rahmen die schwächsten Muskeln trainiert werden. Signifikante Verbesserungen zeigten sich auchin der Ausdauer beim Antreiben des Rollstuhls.Die Trainingsintensität soll langsam gesteigert werden,basierend auf dem individuellen Kraftlevel des Kindes.Am ehesten geeignet ist hierzu die Bestimmung des RM(repetition maximum) – bei welchem maximalen Gewichtschafft das Kind die 15 Wiederholungen in korrekter Ausführung der Bewegung. Scholtes sieht in einer fort-schreitenden Belastung bis zum Überlastungsprinzip(progressive resistence exercise, PRE) die besten Trainingseffekte.

Krafttraining ist bei leichter bis moderater CP (Level I-IIInach dem GMFCS) besonders sinnvoll. Begonnen werden soll spätestens ab dem siebten, besser ab demfünften oder sechsten Lebensjahr, wenn das Kind einVerständnis für das Training entwickeln kann.Es werden Single-joint- und Multi-joint-Übungen ausge-führt, sowohl mit konzentrischer als auch mit exzentri-scher Muskelaktivität. Jedoch sollte bei sehr schwacherMuskulatur zunächst mit Single-joint-Übungen begonnenwerden, um die Mitinnervation stärkerer Muskeln in einerBewegungsfolge zu verhindern.Götz-Neumann betont die Bedeutung der exzentrischenKontrolle der Bewegung zur Verbesserung der Gehfähig-keit. Exzitation und Sprungkrafttraining der Waden-muskulatur sowie Kräftigung der becken- und hüft-stabilisierenden Muskulatur ermöglichen bessere will-kürliche Ansteuerung und eine funktionellere motorischeKontrolle. Es wird zunächst konzentrisch, in weitererFolge isometrisch und exzentrisch mit zunehmender Geschwindigkeit der Ansteuerung zur Verbesserung der Standbeinphase trainiert.

Trotz nachgewiesener Effektivität bleiben die Effekte inder Mobilität noch begrenzt. Dies könnte daran liegen,dass eine Verbesserung der Mobilität auch Koordinationund Gleichgewichtstraining beinhalten muss. ModerneKonzepte zum Krafttraining bei CP schließen bedarfsge-recht auch Laufband-Therapie, gerätegestütztes Kraft-training, Constrained-Induced Movement Therapy undweitere mit ein. Nicht zuletzt sollte Krafttraining aberauch Freude machen. Ein Gruppentraining könnte hiernicht nur die Freude, sondern auch die Motivation unddas Selbstbewusstsein des Kindes erhöhen.Physiotherapie bei CP ist stetig im Wandel, und das istgut so! Sie will Kinder stärken – in ihrer motorischenHandlungskompetenz, aber auch in ihrem Selbstwert.Nur so werden wir längerfristig die besten Therapie-erfolge erzielen: nicht nur Funktion verbessern, sondernauch Partizipation ganz im Sinne der ICF-Kriterien. ◼

Progressives Krafttraining bei Kindern mit zerebraler Bewegungs-störung ab dem siebten Lebensjahr führt zu verbesserter Aktivitätund Partizipation im Alltagsleben und rückt damit stärker in denFokus der therapeutischen Aufmerksamkeit

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Themenschwerpunkt Physiotherapie und Menschen mit Behinderung

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LITERATUR

Damiano, D. L. & Abel, M. F.1998.Functional outcomes of strengthtraining in spastic cerebral palsy.Archives of physical medicine andrehabilitation, 79(2), 119-125.

Faigenbaum, A. D., Kraemer, W. J., Blimkie, C. J., Jeffreys, I., Micheli, L. J., Nitka, M. & Rowland,T. W. 2009. Youth resistance trai-ning: updated position statementpaper from the national strengthand conditioning association. TheJournal of Strength & Conditioning Research, 23, S60-S79.

Fowler, E. G., Ho, T. W., Nwigwe, A. I. & Dorey, F. J. 2001. The effect of quadriceps femoris muscle strengthening exercises on spasticity in children with cerebral palsy. Physical Therapy,81(6), 1215-1223.

Götz-Neumann, K. 2014. Von Spastizität zu Aktivität: Exzitation statt Inhibition. physioscience, 10(03), 115-125.

O'Connell, D. G. & Barnhart, R. 1995. Improvement in wheel-chair propulsion in pediatric wheelchair users through resis-tance training: a pilot study. Archives of physical medicine andrehabilitation, 76(4), 368-372.

Scholtes, V. A., Becher, J. G., Comuth, A., Dekkers, H., van Dijk, L. & Dallmeijer, A. J. 2010. Effectiveness of functional progressive resistance exercisestrength training on musclestrength and mobility in childrenwith cerebral palsy: a randomizedcontrolled trial. Developmental Medicine & Child Neurology, 52(6), e107-e113.

Verschuren, O., Ada, L., Maltais, D. B., Gorter, J. W., Scianni, A. & Ketelaar, M. 2011. Musclestrengthening in children and adolescents with spastic cerebral palsy: considerations for future resistance training protocols. Physical Therapy, 91(7), 1130-1139.

PÄDIATRIE Dr.phil. Heidi Samonig, MSc

© Pavel Losevsky –

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physioaustria inform Februar 2017 29

»BEGONNEN WERDEN SOLL

SPÄTESTENS

AB DEM 7., BESSER AB DE

M 5. ODER

6. LEBENSJAHR, WENN DAS

KIND EIN

VERSTÄNDNIS FÜR DAS TR

AINING

ENTWICKELN KANN.«

Tipps Orientiert man sich an den Richtlinien der National Strength and Conditioning Association, so findet man folgende Empfehlungen:

° 5 bis10 Minuten Aufwärmphase

° 1 bis 3 Serien von 6 bis 15 Wiederholungen mit leichtem bis moderatem Widerstand bzw. Gewicht (30 bis 60 Prozent) des 1 RM (repetition maximum)

° 3 Minuten Pause zwischen den Serien

° Intensität schrittweise steigern auf 70 bis 85 Prozent des 1RM

° Dauer mindestens 12 Wochen, Frequenz 2 bis 3 Mal pro Woche

° Beginn ab dem 7. Lebensjahr

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JulianMein Patient mit Hemiparese links

Ich vermutete einen erlernten »Non-Use« der betroffe-nen Extremität. Julians Mutter bestätigte mir, dass imKrankenhaus hauptsächlich mit der gesunden Seite ge-arbeitet worden war. Als Julian drei Jahre alt war, meinteman, er hätte den geistigen Stand eines eineinhalbjähri-gen Kindes und könne niemals in eine normale Schulegehen. Übungen für zuhause wurden in den sechs Jahrennicht angeleitet. Unsere Behandlungen erfolgten nachdem Bobath-Konzept. Es galt, die gesamten kindlichenmotorischen Entwicklungsphasen bis zum freien Gehen top down mit Julian therapeutisch nachzuholen. Die Hilflosigkeit aufgrund der Behinderung des Sohnesund die Ängste hinsichtlich Julians Zukunft waren bei denEltern sehr groß; sie wirkten belastet und angespannt.Julian selbst war ein unruhiges Kind, das sich nicht langeauf eine Aufgabe konzentrieren konnte.

Wir arbeiteten anfangs viel aus der Bauchlage, holtendas Stützen auf Ellbogen und Hand nach, um den Schul-tergürtel und den linken Arm motorisch zu integrierenund zu verschalten. Die Eltern wurden von mir angeleitet,die linke Körperhälfte oberflächen- und tiefensensorischzu stimulieren, um Julians Wahrnehmung der mehr be-troffenen Seite zu verbessern. Mir war und ist sehr darangelegen, die Behandlungen an den Zielen des ICF-Mo-delles auszurichten, unter Berücksichtigung aller Kompo-nenten: Körperfunktionen und Strukturen, Aktivitätenund Partizipation, Umweltfaktoren sowie personenbezo-gene Faktoren. Julians Mutter erzählte mir, am Spielplatzstand Julian nur daneben und schaute mit großen Augenanderen Kindern zu. Selber wagte er jedoch nichts aus-zuprobieren. Wir übten Einbeinstand, Trampolinhüpfen,trainierten dreidimensionale Bewegungsmuster der obe-ren und unteren Extremität konzentrisch und exzentrischund trainierten am Laufband.

Ich arbeite mit Julian, seit er 6 Jahre alt ist. In den Jahren davor wurde er in der Pädiatrieabteilung eines Krankenhauses versorgt. Er lernte freigehen, war aber nicht in der Lage, alleine auf einem Trampolin zu stehenoder sicher auf etwas hinaufzusteigen. Der gesamte linke Arm war zumZeitpunkt unseres Kennenlernens schlaff gelähmt und zeigte keinerlei Funktion.

LITERATUR

Rosenbaum, P. & Rosenbloom,L. (2012). Cerebral Palsy – From Diagnosis to Adult Life.Mac Keith Press.

Sturm, A. (2015). Julian. In: In besten Händen – Menschenaus Pflegeberufen erzählen. Hg. Christine Dobretsberger.Styria Verlag.

Sturm, A. (2016). Ethical reasoning in der Physiotherapie,Fallbeispiel Carla, spastische bilaterale ICP. In: Pt_Zeitschriftfür Physiotherapeuten, 12/2016.Pflaum Verlag.

Themenschwerpunkt Physiotherapie und Menschen mit Behinderung

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ERFAHRUNGSBERICHT Andrea Sturm, MAS

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Erste ErfolgeDer linke Arm zeigte allmählich Funktion. Nach einemhalben Jahr konnte Julian einen Ball mit beiden Händenfangen und die Sprossenwand mit Hilfe hochklettern.Gleichzeitig begann er, die Volksschule zu besuchen. Mit zusätzlicher craniosacraler Therapie adressierten wirsein Vegetativum. Seine Konzentration wurde um vielesbesser, und er viel ruhiger. Wir konnten die Abständezwischen den Therapiestunden auf drei Wochen ver-längern, weil die Familie jeden Tag zuhause übte. Ichachtete darauf, Ressourcen zu nutzen – und zwar diealler Beteiligten. Durch das Eigenübungsprogramm spürten die Eltern ihre Selbstkompetenz und konntenihrem Kind aktiv helfen. Auch die Abhängigkeit von mir wurde dadurch reduziert – nicht zuletzt ist es aucheine Kostenfrage.

Und nun?Heute ist Julian vierzehn. Vor einem Jahr wurde nachdem Einsatz von Orthesen sein Spitz-Klumpfuß operativkorrigiert, gleichzeitig der M. Tibialis anterior gerafft undrepositioniert und der Tibialis posterior auf den Peroneusbrevis transferiert. Dadurch hat er jetzt eine Neutral-Nullstellung im linken Sprunggelenk mit mehr Fußheber-aktivität. Er klettert unterstützt an der Boulderwand,schwimmt, fährt Rad und geht stundenlang mit seinenEltern in den Bergen wandern. Solch ein Therapieergebnis kann man erzielen, wenn alleBeteiligten in einem Boot sitzen und am selben Strangziehen. Mit engagierten Eltern – wie jenen von Julian –ist das nicht schwer. Die Familie ist harmonischer gewor-den und die Behinderung Julians hängt nicht mehr wieein Damoklesschwert über allen Köpfen und der Zukunft.Bei einem Berufseignungstest stellte ein Psychologe vor Kurzem große mathematische Begabung fest undempfahl den weiterführenden Besuch einer Handels-akademie. Julian geht seinen Weg, dessen bin ich mir sicher. ◼

»DURCH DAS EIGENÜBUNGS

-

PROGRAMM SPÜRTEN DIE

ELTERN IHRE SELBSTKOM-

PETENZ UND KONNTEN IHR

EM

KIND AKTIV HELFEN.«

KURSANKÜNDIGUNGEN

Gangrehabilitation bei neurologischen Störungen – Funktionsorientierte Therapie1. bis 2. April 2017Wien, Physio Austria KurszentrumBernd Anderseck, MScEmanuel Donckels, MSc

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Themenschwerpunkt Physiotherapie und Menschen mit Behinderung

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STARKE STIMME Julia Stering, BA BA MA

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Was Leben verändertKira Grünberg im Interview

Im Juli 2015 verletzt sich die damals 21-jährige Profi-Stabhochspringerinwährend des Trainings schwer. Die Leistungssportlerin stürzt aus vier Metern Höhe, kommt mit dem Hals nicht auf der weichen Matte, sondernauf dem hinteren Ende des Einstichkastens aus Metall auf und bricht sichden fünften Halswirbel. Die Diagnose: dauerhafte Querschnittslähmung. Die mediale Anteilnahme – national und international – ist enorm. Im Inform spricht sie über ihre Erfahrungen mit Physiotherapie vor undnach dem Unfall, die Gestaltung ihres Behandlungsprogramms und ihreZiele für die Zukunft.

Sie arbeiten seit Jahren mit Physiothera-peutInnen, sowohl vor Ihrem Unfall als auch danach. Woran arbeiten Sie derzeit? Derzeit versuchen mein Physiotherapeut und ich,die Restfunktion meines Trizeps zu mobilisieren.Unmittelbar nach dem Unfall hieß es, dass ich nurmehr den Kopf bewegen können werde. Dass auchmeine Schultermuskulatur und mein Bizeps funk-tionieren, ist natürlich schön. Ich spüre in den Händen nur die Daumen, aber ich mache Fort-schritte.

Welche körperlichen Leistungsziele stecken Sie sich heute? Welche waren es damals? Meine Ziele sind natürlich ganz andere geworden.Damals, vor dem Unfall, waren es hauptsächlichsportliche Steigerungen. Heute verfolge ich klei-nere Ziele, die mein Alltagsleben erleichtern sollenund mich selbstständig machen. Ein Ziel ist zumBeispiel, alleine vom Bett in den Rolli überzusetzen.Es ist sehr wichtig, wieder gewisse Dinge eigen-ständig erledigen zu können. Das gibt einemSelbstvertrauen und entlastet die Pfleger oder die Familie.

Welche Ziele haben Sie unter anderem dank der Physiotherapie bereits erreicht? Ich kann mich heute selbst aus dem Sitz aufstützenund habe meine Motorik generell sehr verbessert.Als die Muskeln zum Beispiel im Bizeps wieder ansteuerbar waren, war für mich das Schlimmste,dass alles so unkoordiniert war. Mittlerweile kannich mir selbst die Zähne putzen, bestimmte Kleidungsstücke anziehen oder beim Kochen helfen. Auch das gehörte vor wenigen Monatennoch zu meinen Zielen.

Welche Rolle spielt Ihr Physiotherapeut in Ihrem Leben? Eine sehr große Rolle. Er ist mein ständiger Be-gleiter, da wir viel miteinander trainieren. Mit ihmgemeinsam arbeite ich derzeit drei- bis viermal in der Woche an meinem Trizeps, wenn es sichzeitlich ausgeht.

Hat sich Ihre Einstellung zu physiothera-peutischen Behandlungen nach Ihrem Unfall verändert? Ich habe Physiotherapie auch vorher schon fürsehr wichtig erachtet, aber natürlich hat die Bedeutung zugenommen. Mein Trainingsprogrammgestalten mein Physiotherapeut und ich gemein-sam: durch Absprache und durch das Analysierendes Istzustands.

»HEUTE VERFOLGE ICH

KLEINERE ZIELE, DIE MEIN

ALLTAGSLEBEN ERLEICHTE

RN

SOLLEN UND MICH SELBST

-

STÄNDIG MACHEN.«

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Wie viel Wert wird im weiteren Sinne auf dieMeinung von in Behandlung befindlichen PatientInnen mit Behinderung gelegt? Es sollte sehr viel auf den Patienten eingegangenwerden, dann ist die Behandlung sinnvoll und wirdErfolg bringen. Die Wertschätzung von Menschenmit Behinderung ist im Großen und Ganzen in Ordnung. Natürlich gibt es dort und da noch Ver-besserungsmöglichkeiten. Für mich ist aber zumBeispiel Mitleid etwas Schlimmes. Mir geht esnicht schlecht und ich bin nicht krank.

Welchen physischen Barrieren sind Sie bislang begegnet? Meistens kleinen Schwellen, Stufen oder Steigungen, die ich als Tetraplegiker alleine nicht bewältigen kann.

Hatten Sie anfangs Schwierigkeiten damit, sich selbst als »Mensch mit Behinderung« anzusehen und sich einzugestehen, dass Sie nun körperlich behindert sind? Nein, ich habe es sehr schnell akzeptiert und sofort gelernt, Hilfe anzunehmen. Das ist ein ganzwichtiger Schritt. Ich habe mich nie nach der Vergangenheit gesehnt, sondern vom ersten Moment an daran gedacht, was nun alles auf michzukommt. Da habe ich gewusst, dass das auchganz schöne Momente sein können. Es gibt abernatürlich Hochs und Tiefs. Ich bin überzeugt, solche Dinge passieren nur denen, die die Krafthaben, es durchzustehen.

Wie humorvoll gehen Menschen mit Behinderung untereinander um? Es geht vieles leichter, wenn man nicht dauerndverzweifelt ist und mit allem hadert. Humor, auchschwarzer Humor hilft. Der kommt automatischund hat bei mir schon in der Reha begonnen. Ihngibt es unter Querschnittsgelähmten ganz oft.

Was werden wir in Zukunft von Kira Grünberg hören? Ich arbeite seit Kurzem für das österreichischeSportministerium, halte nebenbei Vorträge undwerde unter Umständen auch mein Studium der Pharmazie wieder aufnehmen.

Sie sind zu einer starken Stimme und zu einer Inspiration für Menschen mit Behinderunggeworden. Was möchten Sie in dieser Funktionden PhysiotherapeutInnen Österreichs mit auf den Weg geben? Danke, dass ihr für Eure Patienten da seid, ihnenzuhört und jeden Tag euer Bestes gebt. Das Leben ist immer lebenswert. ◼

STARKE STIMME Julia Stering, BA BA MA

Themenschwerpunkt Physiotherapie und Menschen mit Behinderung

»MEIN TRAININGSPROGRAM

M

GESTALTEN MEIN PHYSIO-

THERAPEUT UND ICH

GEMEINSAM.«

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Alle Kurstermi

d Si unter:Alle Kurstermine für Österreich, weitere Infos

el. +43 (0) 5374-5245-0Te

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Physio Studien

Das systematische Review (SR) von Tong et al.hat sich zum Ziel gesetzt, drei zentrale Fragenzu beantworten: Haben PatientInnen mit mechanischen lumba-len Rückenschmerzen (MLR) eine beeinträch-tigte lumbale Propriozeption im Vergleich zuKontrollsubjekten? Haben bestimmte Subgruppen von PatientInnenmit MLR eine beeinträchtigte lumbale Proprio-zeption im Vergleich zu anderen Subgruppenoder im Vergleich zu Kontrollsubjekten? Stellt eine beeinträchtigte lumbale Proprio-zeption eine Prädisposition für das Entstehenvon MLR bei ursprünglich beschwerdefreien PatientInnen dar?

Studiendesign und MethodikDie vorliegende Arbeit ist ein systematisches Review(SR). Ein Teil der Daten der eingeschlossenen Litera-tur wurde für eine Meta-Analyse verwendet. Die Literatursuche entspricht weitgehend gängigen Standards. Eingeschlossen wurden nur Studien, diedie lumbale Propriozeption von PatientInnen mit MLRmit Kontrollsubjekten verglichen oder entsprechendeprospektive Kohortenstudien. Der Ein- und Aus-schluss von Studien, die Datenextraktion sowie dieBewertung der Studien wurden den Standards ent-sprechend durchgeführt. Die methodische Qualitätder Studien wurde durch ein eigens von den AutorIn-nen entwickeltes, nicht validiertes Punktevergabe-system beurteilt: Es wurden 19 Kriterien für die Be-urteilung von Querschnittstudien und 16 Kriterien fürprospektive Kohortenstudien herangezogen. Wennmöglich, wurden die Daten für Meta-Analysen verwendet.

Ergebnisse In das SR wurden 22 Primärstudien eingeschlossen.Alle eingeschlossenen Studien sind gemäß der Fragestellungen analytische Beobachtungsstudien:21 Querschnittstudien (n=1.203), eine prospektiveKohortenstudie (n=292). Die Spannbreite der metho-dischen Qualität der eingeschlossenen Studien lag fürdie Querschnittstudien zwischen 11 bis 17 (von mögli-chen 19 – der Mittelwert beträgt 14,3). Die prospek-tive Kohortenstudie erzielte einen Wert von 13 (vonmöglichen 16). Die lumbale Propriozeption wurde mithilfe eines aktiven und/oder passiven Joint-Repo-sitioning-Tests (JRT) und/oder mit einem Threshold-to-detection-of-passive-motion-Test (TTDPM)gemessen.

© Jo

achim W

endler - Fotolia.com

Tong MH, Mousavi SJ, Kiers H, Ferreira P, Refshauge K & van Dieen J (2017). Archives of Physical Medicine and Rehabilitation, Volume 98, Issue 1;120-136

: für Sie EINE AKTUEL

LE WISSENSCHAFTLICHE

STUDIE MIT ERLÄUTERNDE

M KOMMENTAR

Studiert und kommentiert Is There a Relationship Between Lumbar Proprioception and Low Back Pain? A Systematic Review With Meta-Analysis.

Hintergrund

Es gibt nach wie vor keinen Konsens überdie Ursache mechanischer, d. h. unspezi-fischer, lumbaler Rückenschmerzen. Keinerder zahlreichen diagnostischen und thera-peutischen Ansätze hat sich bisher als überlegen erwiesen. Eine unter den vielenHypothesen zu den Ursachen oder Folgenvon mechanischen Rückenschmerzen bezieht sich auf die Möglichkeit einer gestörten lumbalen Propriozeption.

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LUMBALE PROPRIOZEPTION Mag. Christoph Thalhamer, BSc

Hinsichtlich der Messprotokolle und Messapparate gab es in den Studien große Variation. PatientInnen mit MLR zeigtenim Vergleich zu den Kontrollsubjekten eine beeinträchtigtelumbale Propriozeption beim aktiven JRT im Sitzen oder beim TTDPM-Test. Es konnten keine Unterschiede gefundenwerden zwischen den beiden Studiengruppen beim aktivenJRS im Stehen und beim passiven JRS im Sitzen. Es scheint,dass jene Subgruppe von PatientInnen, die in lumbaler Flexion ihren bekannten Schmerz auslösen können, einedeutlich schlechtere lumbale Propriozeption hat als alle anderen bisher untersuchten Subgruppen. Es konnten keine Hinweise gefunden werden, dass eine beeinträchtigte lumbale Propriozeption eine Prädisposition für das Entstehen von MLR bei ursprünglich beschwerde-freien PatientInnen darstellt.

KommentarDas vorliegende SR gibt einen guten Überblick über die aktu-elle Forschungslage zum Thema. Der direkte klinische Nutzender vorliegenden Ergebnisse für betroffene PatientInnen istallerdings aus streng evidenzbasierter Sicht noch gering. Diesliegt einerseits darin begründet, dass es sich um analytischeBeobachtungsstudien mit nur moderater Qualität handelt, an-dererseits liegt eine große Variation bei den Messprotokollenund -apparaten vor. Die zahlreichen Probleme, die implizitoder explizit aufgezeigt werden, werden den Nachweis einesspezifischen diagnostischen oder therapeutischen Nutzensdieser Intervention noch um einige Jahre verzögern.

Insbesondere folgende Themen sollten in den kommendenJahren intensiv beforscht werden:

° Reliabilität der Messung der lumbalen Propriozeption

° Etablierung der Konstruktvalidität

° Entwicklung eines Referenztests, um zukünftig die Übereinstimmungsvalidität der lumbalen Propriozep-tionsmessungen zu prüfen

° Durchführung von RCTs mit Subgruppen von PatientIn-nen, die ein entsprechendes lumbales propriozeptivesTraining durchführen, um eventuell kausale Schlüsse ziehen zu können zwischen Propriozeption und mechanischem Rückenschmerz.

Bei der Erforschung dieser zukunftsweisenden Themen sind in erster Linie PhysiotherapeutInnen gefordert. Das SR selbst weist einige wenige Limitationen auf, von denen eine Auswahl genannt wird:

° Nur englischsprachige Literatur wurde gesichtet.

° Publication Bias wurde nicht beurteilt.

° Punktevergabesysteme in der Qualitätsbeurteilung werden nicht empfohlen. ◼

LITERATUR:

Foster NE, Hill JC & Hay EM (2011).Subgrouping patients with low backpain in primary care: Are we gettingany better at it? Man Ther 16: 3-8

Panjabi MM (2006). A hypothesis of chronic back pain: ligament sub-failure injuries lead to muscle control dysfunction. Eur Spine J 15: 668-676 DOI 10.1007/s00586-005-0925

Whiting P, Harbord R & Kleijnen J(2005). No role for quality scores insystematic reviews of diagnostic accuracy studies. BMC Med Res Methodol 5: 19 doi:10.1186/1471-2288-5- 19

KURSANKÜNDIGUNG

Physiotherapie in der Orthopädischen Wirbelsäulenchirurgie – LWS23. bis 24. März 2017Wien, Physio Austria KurszentrumMag. Christoph Thalhamer, BSc

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Submaximale BelastungstestsDer 6-Minute-Walk-Test ist ein einfach durchzuführendersubmaximaler Belastungstest, bei dem die maximal mögliche Gehstrecke innerhalb von sechs Minuten gemessen wird. Im Statement der American Thoracic Society (2002) zum 6-Minute-Walk-Test wird die exakteDurchführung festgelegt: eine 30 Meter lange Gehstre-cke auf einem niedrig frequentierten Gang, Instruktionendurch das testende Personal (keine verbale Motivation,lediglich Mitteilen der verbleibenden Zeit, klare Abbruch-kriterien). Gemessen werden das subjektive Belastungs-oder Symptomempfinden (BORG-Skala) sowie im Minutenabstand die periphere Sauerstoffsättigung unddie Herzfrequenz. Bei korrekter Durchführung ist im Normalfall ein deutlicher Anstieg der Herzfrequenz zu beobachten. Eine Gehstrecke unter 350 Metern kannZeichen eines erhöhten Mortalitätsrisikos sein. Bei ge-sunden Erwachsenen sind Gehstrecken über 500 Meterzu erwarten. Der minimale klinisch relevante Unterschiedliegt laut O’Keeffe et al. (1998) bei kardiologischen PatientInnen bei 43 Metern – variiert aber abhängig vomKrankheitsbild und liegt bei der COPD beispielsweise bei 35 Metern.

Der 2-Minuten-Gehtest mit denselben Prinzipien wie der 6-Minute-Walk-Test eignet sich gut für den Einsatzbei sehr eingeschränkt belastbaren PatientInnen.Beim Incremental-Shuttle-Walk-Test bewältigt die Test-person eine zehn Meter lange Gehstrecke mit zuneh-mender Geschwindigkeit (initial 1,8 km/h, Steigerung minütlich auf maximal 8,5 km/h), wobei die Streckestets beim Ertönen eines Signals (abgespielt über eineCD oder übers Mobiltelefon) absolviert sein muss. Been-det wird der Test, sobald die Zehn-Meter-Marke nichtmehr vor dem Signal erreicht wird. Verglichen mit dem 6-Minute-Walk-Test ist dieser Test in Österreich deutlichweniger verbreitet, könnte jedoch aussagekräftigere Ergebnisse hinsichtlich der maximalen Leistungsfähigkeitliefern und somit im extramuralen Bereich gut eingesetztwerden.

Assessments in der Kardiologie Bestimmung der Belastbarkeit – Grundlage für die Trainingsintensität – Förderung der Adhärenz

Maximale LeistungstestsErgo- und Spiroergometrie ermöglichen die Bestimmungder maximalen Leistungsfähigkeit, des Herzfrequenz- undBlutdruckverhaltens während Belastung sowie bei derSpiroergometrie die Reaktion der Atmung und des Stoff-wechsels auf eine kardiovaskuläre Beanspruchung. Ins-besondere die Spiroergometrie ermöglicht die präziseDifferenzierung der Ursachen von Belastungsintoleranzund unspezifischen Symptomen wie Dyspnoe und Fati-gue. Das Risiko für potenzielle (kardiale) Zwischenfälle ist zwar gering, aber nicht völlig auszuschließen: Kardio-logische Fachgesellschaften haben aus diesem Grund inentsprechenden Guidelines absolute und relative Kontra-indikationen und unterschiedliche Testprotokolle für dieErgometrie definiert.

Fokus Qualität

Belastungstests ermöglichen in der Kardiologie die Gewinnung wertvoller Informationen hinsichtlich Diagnose und Prognose sowie die Feststellung der funktionellen Kapazität. Assessments bilden die Grundlage für Auswahlund Dosierung physiotherapeutischer Maßnahmen und sind wichtige Weg-begleiter bei der Gratwanderung zwischen »genau richtig«, »Unterforderung«und »Überforderung«.

Maximalkraftpyramide nach Rühle

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KrafttrainingAnders als im Kraftsport kann in der kardialen Rehabili-tation – wegen der Gefahr der Überlastung – nicht auf eine direkte Messmethode des One-Repetition-Maximum(1RM) zurückgegriffen werden. Methodisch gilt es primär,erst die Technik der betreffenden Übung mit unter-schwelligem Gewicht zu üben und in der folgenden Testung mit einem bestimmten Gewicht so vieleschmerzfreie und korrekt durchgeführte Wiederholungenwie möglich – und ohne Pressatmung – durchzuführen.Anhand der Methode nach Rühle (siehe Pyramide) lässtsich der prozentuelle Anteil des 1RM und folglich dasTrainingsgewicht ableiten. Zu beachten ist, dass ein Testmit über 20 Wiederholungen zu ungenaueren Ergebnis-sen führt.

BORG-RPE-Skala (6–20), ORG-CR10-Skala (0–10)Thow et al. (2009) empfehlen die bewusste und differen-zierte Anwendung beider Skalen: Zum Abfragen des globalen subjektiven Belastungsempfindens sollte dieBORG-RPE-Skala (rate of perceived exertion) von 6–20 verwendet werden. Zur Bewertung des subjektivenEmpfindens von spezifischen Symptomen (zum BeispielDyspnoe oder Beinschmerzen) empfiehlt sich vorzugs-weise der Einsatz der BORG CR-10-Skala von 0–10. Suggestive Fragstellungen, bei denen den PatientInnendie Antwort bereits in den Mund gelegt wird, sind hierbeizu vermeiden. ◼

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LITERATUR

Crapo, R., Casaburi, R., Coates, A. etal. (2002). ATS Statement: Guidelinesfor the Six-Minute Walk Test. Am JRespir Crit Care Med 2002 Mar;166:111-7.

O’Keeffe, S., Lye, M., Donnellan, C.et al. (1998). Reproducibility and re-sponsiveness of quality of life assess-ment and six minute walk test inelderly heart failure patients. Heart;80(4): 377-82.

Throw, M. (2006). Exercise Leader-ship in Cardiac Rehabilitation. An evi-dence based approach. West Sussex:Wiley.

ASSESSMENTS Andreas Mühlbacher, MSc

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