Jesuiten_04-2011

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    Bewegungender Seele

    ISSN 1613-3889

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        J    e

        s    u    i    t    e    n

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      Jesuiten1 Editorial

    Schwerpunkt

    2 Bewegungen der Seele begleiten

    5 Wenn böser Geist herum spukt

    6 Die Unterscheidung der Geister

    8 Mehr als nur gelesen

    9 Absichtslosigkeit

    13 Das innere Team

    14 Von Schafen und Hirten

    15 Gedanken zur geistlichen Begleitung16 Ethos Geistlicher Begleitung

    18 Innerlich und engagiert

    19 Mein Weg auf den Tahrir-Platz

    21 Film-Exerzitien

    Geistlicher Impuls

    22 Wie geht „besinnlich“?

    Nachrichten

    24 Neues aus dem Jesuitenorden

    Personalien

    27 Jubilare

    Medien DVD

    27 Eine gute Adresse

    Nachrufe

    28 Unsere Verstorbenen

    Vorgestellt

    30 Raum für „mehr“

    33 Autoren dieser Ausgabe

    34 Die besondere Bitte

    Jesuiten investieren in Bildung –

    Investieren Sie in ein Stipendium?

    37 Standorte der Jesuiten in Deutschland

          I      n      h

          a      l      t

      A  u  s  g  a  b  e  2  0  1

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    Titelbild

    Illustration

    von Matthew Vecellio

    Eine genuin filmische

    Art, mit anderen Augen

    zu sehen, zeigt Ihnender Kino-Spot zu den

    Film-Exerzitien, den

    P. Christof Wolf SJ, Loyola

    Productions Munich,

    für das Lassalle-Haus

    realisiert hat.

    Sie können ihnunter anschauen und auchgerne via Internet

    weiterempfehlen.

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    Editorial

    Liebe Leserinnenund Leser,

    in seinen Exerzitien lässt Ignatius von Loyoladen Beter meditierend das Leben Jesuanschauen, Abschnitt für Abschnitt, in vieleneinzelnen Übungen. Die erste dieser Übungenstellt die Frage, warum Gott überhaupt in JesusMensch wurde: Was bewegte Gott-Vater dazu,seinen Sohn auf die Erde zu schicken? Warumbrauchte es Weihnachten – und dann die 33

     Jahre des irdischen Lebens Jesu bis zumKreuzestod und zur Auferstehung?

    In dieser Übung betrachtet man zunächst, wie„die drei göttlichen Personen“ – gleichsamvom Himmel herunter – „das ganze Erden-rund“ mit den vielen Völkern und Kulturenanschauen. Was sehen sie? Die einen Men-schen sind weiß, die anderen schwarz, dieeinen sind im Frieden, die anderen im Krieg,

    die einen lachen, die anderen weinen, sieunterhalten sich, sie schwören und sie lästern,sie schlagen einander und töten sich, und: „allesteigen zur Hölle ab“. Der Befund ist ein-deutig: Bei aller interessanten Buntheit ist dieMenschheit doch so verdorben, dass sie ver-loren gehen wird! Die drei göttlichen Personensind von dieser Einsicht im Inneren bewegt, jasie sind erregt, erschüttert, aufgewühlt. Und sie

    beschließen, „dass die zweite Person Menschwerde, um das Menschengeschlecht zu retten“.

    Nun senden sie den Engel Gabriel zu Maria,um ihr die Geburt Jesu anzukündigen. NeunMonate später wird Gott Mensch; die Geburt

     Jesu im Stall von Bethlehem ist das Thema der folgenden Übung. Am Anfang stand dieErschütterung des göttlichen Herzens über die Zustände auf der Erde – aus der inneren

    Bewegung entsteht die Einsicht des Herzens,und diese Einsicht motiviert zum Handeln.

    Was in Gott geschah und dadurch welt-geschichtlich bedeutsam wurde, gibt es imKleinen in jedem von uns: innere Regungen,die nach einem längeren Prozess des Un-terscheidens und des Entscheidens uns dazubringen, dass wir unser Leben in die Handnehmen, dass wir uns gegen das Böse und für das Gute engagieren – und dass wir so zuChristen werden.

    Der Schwerpunkt dieser JESUITEN-Aus-

    gabe, verantwortet von Simon Lochbrunner, Johann Spermann, Tobias Specker und TobiasZimmermann, thematisiert die Bewegungender Seele: wie wir sie wahrnehmen undunterscheiden, wie wir einander auf diesemWeg helfen und uns begleiten lassen können,wie wir Blockaden und Fehler erkennen undüberwinden, wie Regungen uns zu Weg-weisern auf der Suche nach Gott und nachdem rechten Leben werden. Wenn Sie Ihren

    Regungen nachspüren, werden Sie erschre-cken über manches Böse in dieser Welt undStaunen über sehr viel Gutes, und Sie werden

     – das wünsche ich Ihnen zu Weihnachten – Ihr Herz öffnen für das Wunder Gottes, der Mensch wurde aus der inneren Erschütterungder Liebe, um uns aus aller Verstrickung undvor dem Untergang zu retten.

    Ihnen allen einen friedvollen Advent, einfrohes Weihnachtsfest und ein reich geseg-netes Jahr 2012!

    Stefan Kiechle SJProvinzial

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    2  Jesuit en Schwerpunkt: Bewegungen der Seele

    Schwerpunkt

    Bewegungen derSeele begleitenUnter unserer alltäglichen Geschäftigkeit bleibtmeist die grundlegende Herausforderung desSteuermannes auf offener See verborgen: Wer bin ich und wie halte ich Kurs, wenn ich vonverschiedenen Strömungen hin und her ge-

    zogen werde, von Idealen und Realitätssinn,vom Druck der Außenwelt und den Träumenmeines inneren Menschen.

    Mensch, wohin steuerst Du eigentlich DeinLeben? Mensch, wer wirst Du vom Ende her gewesen sein? Der Mensch muss sich selbst alsMensch erfinden. Aber kann man sich selbstMaßstab sein? Für Augustinus ist Sünde eineArt struktureller Orientierungslosigkeit. Am

    Grunde seiner selbst findet der Mensch strenggenommen nichts, jedenfalls nichts Gültigesals Maßstab, denn der Mensch ist – christlichgesehen – Schöpfung aus dem Nichts. Wir leben in einer Kultur, die es zur Tugend er-klärt, sich einfach nur auf das zu beschränken,was für die eigene, begrenzte Fähigkeit der Ratio zu greifen ist. Die Frage nach der Möglichkeit, die Grenzen der eigenen Per-

    spektive auf das Ganze hin zu überschreiten,gar nicht mehr zu stellen, nennt der PhilosophRüdiger Safranski die „höhere Dummheit der Realitätstüchtigen“. Mit Klimawandel, globa-ler Finanzkrise etc. werden wir heute immer 

    öfter mit den Folgen konfrontiert. Müssen wir uns aber damit abfinden, dass wir moralischaufgefordert sind, in Übereinstimmung mitunserer Vernunft zu handeln, obgleich wir nie-mals erfahren können, ob der Versuch selbstüberhaupt vom Ganzen her Sinn macht?Suchenden ist mit Glaubenssätzen aber nichtgeholfen, solange sie „Sätze“ bleiben, ohneAnbindung an eigene Erfahrungen jenseitsvon Selbstberuhigung und Selbstbetrug.

    Mein Bewusstsein kann sich nur als abge-grenztes „Ich“ erleben. Und nur Abgegrenzteskann ihm zum Gegenstand werden. Wie erfährtdas „Ich“, dass es eingebunden ist in ein Ganzes,bevor der Geist sein Werk des Abgrenzens undder Selbstabgrenzung tun kann? Die Spracherennt hier gegen eine Grenze an. Im Anrennenaber kann sichtbar werden, dass es sich um dieErfahrungen einer Art „Berührung“ handelnkönnte. Es wird kein neues „Etwas“ wahr-

    genommen. Vielmehr finden die Gegenständeder Erfahrung und das erfahrende „Ich“ selbstdurch diese Berührung mit einem Größerenund Ganzen ihren Platz und darin ihre Bedeut-samkeit neu – wie die Erfahrung der Liebe der Erfahrung des Menschen keinen weiteren„Gegenstand“ hinzufügt, sondern die Welt alsGanzes in ein anderes Licht taucht. Wir werdenmit der Ahnung einer tieferen Verbundenheit

    zurückgelassen, die aber schwer noch inSprache zu fassen ist.

    Die Neuzeit hat nicht nur die Frage auf dieTagesordnung gesetzt, wie menschliche Auto-

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    nomie sich selbst verwirklichen kann, ohnemaßlos zu werden. Es findet sich zu Beginnder Neuzeit auch ein spiritueller Weg, mitdiesem Problem umzugehen. Der heiligeIgnatius war ein wirklich radikaler Gottsucher.Für Ignatius geht es darum, den Willen Gottesfür sein Leben zu finden, dabei nicht um dieRückkehr zur Fremdbestimmung. Es ist wiebei der Liebe: Der Geliebte findet die Antwortdarauf, wer er wirklich ist, im Moment der Liebe in den Augen dessen, der ihn liebt.

    Pilger durch die Landschaft der Seele

    Wie so oft beginnt jene große Geschichte mitinneren Impulsen, die aus der Wüste der Langeweile entstehen. Ignatius liegt miteinem zerschmetterten Bein, das nicht heilenwill, auf dem Krankenbett. Sein Leben alsEdelmann bei Hof ist an sein Ende gelangt.

    Das Träumen vom Rittermut ermüdet ihn. Er beginnt das „Leben Jesu“ von Ludolf vonSachsen und Heiligengeschichten zu lesen.Eine innere Entdeckung macht den Unter-schied! Das Träumen von Heldentaten in der Nachfolge Christi „sättigt“ seine Seele länger als andere Tagträume. Es ist eine erste Be-obachtung und Unterscheidung von innerenSeelenbewegungen mit weitreichenden Kon-

    sequenzen. Die wach werdende Achtsamkeitauf die inneren Seelenbewegungen führt ihnaus der Depression nach dem Zusammen-bruch seines alten Lebens zu einem neuenAufbruch als Pilger durch die Landschaft

    seiner Seele, als Ordensgründer und gesuchter Begleiter anderer Suchender mit Hilfe jenesInstrumentariums, das er bei der eigenen Su-che gefunden hat.

    Nun ist es theologisch gar kein unproblema-tisches Unternehmen, davon zu sprechen,Gottes Willen für das eigene Leben zu finden,denn in der Theologie betonen wir, dass wir Gott nicht festmachen dürfen an unseren Vor-stellungen. In der Verkündigung und in der 

    spirituellen Praxis wagen wir dann anderer-seits sehr oft steile Aussagen, worin dennheute und hier der Wille Gottes zu finden sei.Das Problem ist doch aber, dass Gott selbstvom Menschen nicht wahrgenommenwerden kann. Er ist der Ganz-Andere, der Immer-Größere. Er ist das Ganze, das allesumschließt und in allem umschlossen ist. Gottstellt sich dem Mose selbst als ein namenloser Gott vor, als Ich bin der Ich-bin-Da. Gott

    selbst bleibt außerhalb des Erfahrbaren, weil er in allem Erfahrbaren ist. Erfahrbar ist aber dieBerührung durch seine Gegenwart. Der GeistGottes ist Schöpfer eben nicht im Sinne einesbloßen Auslösers am Anfang der Schöpfung,sondern er atmet und wirkt in allem Leben-digen jederzeit und ist so bleibende Ursacheder Schöpfung.

    Einerseits gilt also: Wer Ihn an einem Satz,einem Gedanken festmachen will, der ver-stößt gegen das Verbot, sich ein Bild diesesnamenlosen Gottes zu machen. Für Ignatiuszeigt sich andererseits doch Gottes Wille

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    indirekt in Bewegungen, die Sein Dasein undWirken in unseren Seelen auslöst. Berührungweckt unsere Reaktion. Selbst im normalenLeben merken wir unsere unwillkürlichenReaktionen manchmal, bevor wir die Be-rührung selbst realisieren. Wie bei jeder Formder Berührung, so weckt auch die Berührungdurch Gottes Wirken in unseren SeelenReaktionen. Sie weckt in uns – wie Ignatiussagt – Trost, also Gefühle der Annahme, desEinwilligens, der Harmonie mit dem Ganzen

    und unserem Schicksal, wie auch Reaktionender Abwehr, also Gefühle des Zorns, der Ver-weigerung, der Resignation etc.

    Ignatius lernte diese Reaktionen auf Ursacheund Ziel hin zu lesen: Was für eine Qualitäthaben diese Regungen und wohin wollen siemich bewegen? Wie ich Berührung erfahre,hängt davon ab, welche lebensgeschichtlichenErfahrungen sie bei mir gerade und an dieser 

    Stelle wachruft, ob sie diese heilsam aktiviertund in den Lebensfluss bringt, oder Wider-stände und Blockaden hervorruft. UnsereSeelenregungen sind also je nachdem, worinsie wurzeln und worauf sie abzielen, geprägtdurch einen Lebens-förderlichen oder ebenLebens-feindlichen Charakter, einen Geist desWachstums oder der Stagnation.

    Wachsen in der LiebeDer Maßstab, ob in einer Bewegung GottesGeist atmet, ist also die Frage, ob mich dieseBewegung mehr wachsen lässt, wachsen hin

    auf mehr Lebenskraft, Versöhnung und Ein-heit, wachsen in der Selbstannahme, der Liebeund der Kraft, die Aufgaben anzunehmen, dieuns Menschen aus unserer Rolle erwachsen,in den Fußstapfen Gottes Weltgestalter undBewahrer zu werden. Wo will in mir etwasFleisch werden von jenem Geist, den ichkennengelernt habe, wenn ich die Person Jesu,sein Leben und Handeln betrachtet habe?

    Die Jünger von Emmaus erzählen dem

    Fremden, der mit ihnen geht, das Ganze desLebens Jesu nochmals. Der Berührung mitdem Fremden aber macht sie darauf aufmerk-sam, dass sie trotz des gewaltsamen Todes Jesunoch nicht fertig sind und dass ihr Herz dochbrennt. Deshalb können sie umkehren unddem Raum geben, was vom Leben Jesu inihnen lebendig ist und weiter wachsen will.Das ist der Beginn der Kirche. So tritt in denseelischen Auswirkungen, wie Stimmungen,

    Lebensgefühlen, Einfällen, die an den Randunseres Bewusstseins treten, der Schöpfer selbst in unsere Erfahrung ein, wie ein Stein,der ins Wasser geworfen wurde, sichtbar bleibtin den Wellen, die er auf der Oberfläche einesSees schlägt. Der hörende Mensch aber ist der,der einwilligt in das Wirken jener Kräfte insich selbst, in denen sich das Wirken desSchöpfers zeigt. So sind Menschen, nicht

    Sätze, Ausdruck des Willens Gottes. Das ist der Kern des Christentums.

    Tobias Zimmermann SJ

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    Schwerpunkt

    Wenn böser Geistherum spuktAuf seinem Krankenlager in Loyola ließ dieLektüre der Ritterromane Ignatius mit Leereund Missmut zurück. So entdeckte er dieWirkungen des „bösen Geistes“. Natürlichmeinte er damit nicht den Leibhaftigen, der 

    mit Bocksfuß und Schwefelgeruch hinter denMenschen her ist. Psychologisch feinsinnigerkannte Ignatius, dass sich übler Geist inunseren inneren Regungen zeigt: In Gefühlen,Gedanken und Haltungen, die dann Wort undTat werden können. Dieser böse Geist ist inseinen Anfängen manchmal schwer zu erken-nen. Was kann uns auf diesen üblen Geist auf-merksam machen? Und wie damit umgehen?Im Folgenden einige Beispiele:

    Wenn ein Gedanke, ein Vorhaben oder eine Tatunbedingt geheim gehalten werden will, dannist daran meist etwas faul. Der üble Geist liebtes, verborgen zu bleiben.

    Auch wenn sich unser Blick aus unerfindli-chen Gründen trübt, Gedanken wirr werden,eine Atmosphäre aggressiv aufgeheizt wirdoder Verhalten peinlich entgleitet, treibt böser 

    Geist hinter den Kulissen sein Unwesen. Er liebt es, zu verwirren. Er will Freude undFrieden rauben. In einem solchen Fall ist esgut, ihm möglichst kein Gehör zu schenken.Ignatius warnt davor, in Zeiten derVerwirrung

    wichtige Schritte zu setzen oder einmal ge-troffene Entscheidungen zu verändern.

    Immer wieder lässt sich übler Geist auch amfehlenden guten Maß erkennen. Er liebt es,zu übertreiben oder gute Dinge unange-messen dunkel erscheinen zu lassen. Er zeigtsich in einem quälenden inneren Kritiker, der mich und alles andere herabzieht, oder in be-fremdlicher euphorischer Stimmung. Wasmaßlos und verstiegen anmutet, kommt

    gewöhnlich vom bösem Geist. Was unsandauernd überlastet oder mit Gewalt, Krampf und viel Hektik verbunden ist, lässt seinenEinfluss erkennen. Oft lässt böser Geist auchDinge zu wichtig erscheinen. Wir werdenabhängig und süchtig.Besonders mag es der üble Geist, imReden Unheil zu stiften. Oft wird verall-gemeinert und werden Menschen mitscheinbar offenkundigen Gründen verteufelt.

    Andere werden stark idealisiert. Auch gibt es inunserer Gesellschaft Menschen, die mit der Gewalt ihrer Worte andere lieblos überfahren.

    Der üble Geist, den Ignatius erkannt hat, spuktmeist zuerst in unseren Gedanken und Ge-fühlen herum. Er ist verleiblicht in unsereninneren verkehrten Regungen. Diese könnennach und nach auch das Sprechen und Han-

    deln bestimmen und viel Schaden anrichten,wenn sie nicht ihres „bösen Geistes“ entlarvtwerden.

    Josef Maureder SJ

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    Schwerpunkt

    Die Unterscheidungder GeisterPater Georg Mühlenbrock SJ sagte, dass esmehr auf die „gute Nase“ und weniger auf dasGehirn ankommt, wenn man die Geister der Zeit unterscheiden will.

    Seine Erfahrungen, was in der Regel auf dieHerkunft vom Geist Gottes schließen lässt,umschreibt er mit zehn Leitsätzen:1. Wenn mir für ein Vorhaben gute Motive

    zur Verfügung stehen.2. Wenn mir auch die nötige Zeit und Kraft

    dafür gegeben sind.3. Wenn sich etwas gut einfügt in den Rah-

    men meiner anderen Aufgaben.4. Wenn sich mir etwas „wie von selbst“

    nahe legt.5. Wenn ich bei der Erwägung eines Vor-

    habens ein „gutes Gefühl“ habe, auchwenn das Vorhaben schmerzlich und hartfür mich ist.

    6. Wenn die betreffende Sache auch ästhe-tisch schön und ansprechend ist. (Sichschön machen für Gott, wie z.B. die Freun-din für den Freund.)

    7. Wenn ich mir gut vorstellen kann, dassauch Jesus so entscheiden und handelnwürde.

    8. Wenn ich mich bei dem Vorhaben „inguter Gesellschaft“ befinde.

    9. Wenn ein Vorhaben in mir Glauben undVertrauen hervorruft.

    10. Wenn es der Liebe dient, sie ausdrückt undstärkt.

    Gegen den Willen Gottes ist ein Vorhaben inder Regel dann:1. Wenn etwas über meine Kräfte geht und

    mich permanent überlastet.2. Wenn etwas nur mit äußerster Anstren-

    gung, mit Gewalt und Krampf verwirklicht

    werden kann, mit Hast und Hektik ver-bunden ist und Ängste auslöst.3. Was maßlos und verstiegen anmutet, Auf-

    sehen erregend und sensationell auf michund andere wirkt.

    4. Was ich nur mit dauerndem Widerwillenund Ekel tun kann.

    5. Was sich ordinär, primitiv und unästhetischgibt.

    6. Was kleinlich, haarspalterisch und abge-

    hoben wirkt.7. Was keine Bodenhaftung hat und nicht

    konkret werden kann (1Joh 4,1-4).8. Was lieblos ist und sich für mich und

    andere destruktiv auswirkt.9. Was nicht zu der Art und Handlungsweise

     Jesu passt, wie ich ihn kennen gelernt habe.10. Was mir den Sinn für das Gebet und die

    Freude daran raubt.

    Die Regeln von Pater Mühlenbrock finde ichsehr anregend für die eigene Suche nachFormulierungen für den Geist Gottes. Er schreibt: „... in der Regel.“ Das heißt, dass es

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    auch anders geht, dass Gottes Geist größer ist,als unsere Überlegungen über ihn.Meines Erachtens hat der Geist Gottes sehr vielmit guter Stimmung zu tun. Er bringt dasLeben mit all seinen Tönen zum Klingen. Jeder Musiker weiß, dass er sich zuerst in Ruhe auf den Kammerton A einstimmen muss, damit dasgemeinsame Spiel gelingen kann. Der christliche Kammerton ist für mich das Leben

     Jesu. Es braucht Ruhe, bis alle sich auf ihneingestimmt haben. Im Leben Jesu offenbaren

    sich menschliche und göttliche Tugenden.

    Glaube: Ich stelle mich darauf ein, dass Gott jeden Menschen zu einem einzigartigenKunstwerk geschaffen hat (Ps 139), dass ich für andere geschaffen bin. Das heißt, dass ich vonanderen Instrumenten lernen kann,dass meineKonfliktpartner von mir lernen können undich von ihnen. Der Dirigent Jesus brauchtMenschen, die auf die Pauke hauen, und

    andere, die zart die Saiten zupfen – zur eigenenFreude und zum Wohlklang untereinander.Hoffnung: Ich muss nicht schon heute voll-kommen sein. Fehler sind normal. Bei allemÜben ist es Gnade und Glück, wenn die Musikfließt und nicht nur „Noten gespielt werden“.Diese Momente des Fließens sind eher die Aus-nahme als die Regel. Das Leben in der Fülle desGeistes Gottes ist in unserer Welt möglich, aber 

    eher die Ausnahme.Liebe: Liebe ich mein Instrument, meinLeben? Sehe ich den Erbauer in dem, wie ichbin? Pflege ich meine Fähigkeiten? Könnte essein, dass der Bass vielleicht stimmiger für mich

    ist als die Gitarre? Dass ich von einem Chor zueiner Band wechseln sollte? Wenn ich sehe, dassmein Alltag im Großen und Ganzen stimmigist, ich Liebe empfangen und weiter gebenkann, nehme ich an, dass ich dort bin, wo der Geist Gottes mich haben will.Klugheit: Ist es klug die Gitarre im Regenauszupacken? Braucht das Gute, das in mir ist,vielleicht andere Bedingungen?Gerechtigkeit: Mit einer Klampfe kann manschlecht Bach spielen. Sie ist aber gut für ein

    Zeltlager. Finde ich für andere und mich dasNötige, das sie und ich zum guten Spielbrauchen?Tapferkeit: Bin ich mutig genug zu sagen: Sogeht das nicht! Eine klassische Gitarre hatgegenüber 10 Blechbläsern keine Chance!Halte ich durch, wenn mir eine Passage zum20. Mal nicht gelingt?Mäßigung: Übe ich nicht, so kommt dieMusik nicht zum Fließen. Übe ich ohne

    Pausen, so verkrampfen meine Hände. DieBalance zwischen Arbeit und Freizeit, zwischenAlleinsein und Zusammensein mit anderen,zwischen Gebet und Engagement ist immer wieder neu zu suchen und zu finden.

    Loben wir Gott mit dem Schall der Hörner,mit Pauken und Tanz, Flöten und Saitenspiel,

     jede und jeder entsprechend dem, was man

    kann (Ps 150). Lernen wir – abgestimmt auf unser Leben – zusammen zu klingen, so un-terschiedlich und ähnlich wir einander sind.

    Ludger Hillebrand SJ

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    Schwerpunkt

    Mehr als nurgelesenWie die Bibel bei der Unterscheidungder Geister hilft

    Wer anfängt, die Bibel zu lesen, macht schonnach kurzer Zeit erstaunliche Erfahrungen.

    „Ich empfinde große Sammlung und Leichtig-keit“, sagte eine Teilnehmerin an einem Pil-gerseminar. „Ich bin fasziniert von dem regel-mäßigen und zusammenhängenden Lesen der Bibel.“ Alles sei sehr konkret. Sie spüre innerlicheine große Zufriedenheit und Freude undmerke, dass ihr Interesse am Wort Gotteszunehme.Ein Teilnehmer an einem bibeltheologischenSeminar hatte ganz andere Erfahrungen. Für 

    ihn war der zehntägige Kurs sehr anstrengend.Die tägliche Bibellesung kostete ihn viel Über-windung. Beim Abschlussgespräch sagte er. „Ichfinde noch immer keinen richtigen Zugang zuden Texten. Sie sind fremd für mich. Ich fühlegroße Distanz, Widerwillen und einen unglaub-lichen Druck. Ich bin unzufrieden und würdemit dem Bibellesen am liebsten aufhören. Wennich allerdings einfach weiterlese, merke ich, dass

    sich in mir auch etwas verändert. Der Drucklöst sich. Gelassenheit und Zuversicht stellensich ein. Wahnsinn.“So ist das eben: Das Lesen der Bibel hat es insich. Als ins Wort gebrachte Glaubenserfahrung

    ist die Heilige Schrift eben nicht nur ein Buchunter vielen anderen. Die Bibel ist mehr. Sie istdie Offenbarung Gottes und als solche bestätigtsie und ermutigt, motiviert und führt in dieSammlung; sie kann aber auch konfrontieren,ratlos machen, verhärten und uns die dunklenSeiten unseres Lebens bewusst machen. All dasgeschieht beim Bibellesen.

    Es ist wie in einer guten Beziehung. Auch hier ist nicht immer alles leicht und einfach. Hier 

    wie dort wachsen wir nicht nur in denMomenten der Begeisterung und der Freude,sondern auch in den schwierigen Situationen,wenn wir den Eindruck haben, dass sich der andere von uns zurückzieht. Dies sindschmerzliche Erfahrungen. Wenn wir uns indiesen Zeiten die Offenheit für den anderenbewahren können, dann werden wir in der Beziehung mit der anderen Person nicht nur wachsen und reifen, sondern lernen, den

    anderen als anderen zu akzeptieren.

    Mit dem Bibellesen verhält es sich ähnlich. Einereife Beziehung zum Wort Gottes drückt sichdadurch aus, dass wir die Heilige Schrift inerster Linie nicht deshalb lesen, um uns Wissenüber Personen und zeitgeschichtliche Sachver-halte anzueignen oder uns über religiöse undkulturelle Zusammenhänge zu informieren; wir 

    lesen die Bibel dann auch nicht mehr nur des-halb, weil wir persönliche Anregungen suchenund unsere Lebensfragen beantwortet wissenwollen. Eine reife Beziehung mit dem WortGottes lässt uns die Bibel lesen, weil wir 

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    erfahren haben, dass diese Beziehung ein trag-fähiges Fundament unseres Lebens ist, der wir uns bedingungslos anvertrauen können. Dasklingt fromm und einfach, falsch ist es deshalbaber noch lange nicht.

    Wer die Bibel liest, der lässt sich auf eine Be-ziehung ein, die Beziehung mit dem WortGottes. Auch wenn das Gelingen dieser Be-ziehung nicht allein von unserem Engagementabhängt, sind hierfür zwei Grundhaltungen

    notwendig, in die wir uns einüben müssen: ers-tens das Absehen von unseren eigenen Vorstel-lungen, Wünschen und Vorurteilen, und zwei-tens die Bereitschaft, sich Schritt für Schritt demWort Gottes anzuvertrauen und auf seineAnrede zu hören. Die Erfahrungen, die wir dabei machen, sind nicht ungewöhnlich. Selbst-verständlich sind sie aber auch nicht. Sie sindwie ein Geschenk, dem wir mit Respekt undAufmerksamkeit begegnen sollten.

    „Freundschaft gibt es nicht ohne Hören“, sagteeinst der Zisterziensermönch Wilhelm von St.Thierry. Dies trifft auch auf das Bibellesen zu.Wer die beziehungsreiche Bedeutung der Bot-schaft der Bibel erfahren und verstehen will, der muss sich in ein „hörendes Lesen“ einüben. Das„hörende Lesen“ der Bibel lädt uns dann schonnach kurzer Zeit dazu ein, die lebensfördernde

    Kraft des Wortes Gottes nicht nur wahrzu-nehmen, sondern uns von ihm auch in Dienstnehmen zu lassen.

    Wilfried Dettling SJ

    Schwerpunkt

    AbsichtslosigkeitHaltung und nicht Werkzeug als Voraus-setzung, damit Seelen sich öffnen

    Das Gespräch beginnt mit der üblichen Ner-vosität und dem Herantasten an das Themader Stunde. Nach einer gewissen Zeit desGesprächs über die Thematik, in der all das

    Rüstzeug und die Methodik eines Thera-peuten ihren Platz haben, lade ich HerrnMayer in den Bewusstseinszustand der inne-ren Achtsamkeit ein. Ich schlage vor, Herr Mayer möge seine Aufmerksamkeit von der Themenstellung und von allem, was wir bis-her dazu ausgearbeitet haben, wegnehmenund sie auf sich, auf sein gegenwärtiges kör-perliches Erleben richten. Er könne sich eini-ge entspannende Atemzüge gönnen und das

    ganze Problem „draußen“ lassen. In diesem„Freiraum“ bitte ich Herrn Mayer, er mögealles zusammennehmen, was wir bislangerarbeitet haben. Er kann auch noch das dazunehmen, was er nicht weiß, und was dochzum Thema gehört – und auch noch alles, waskommen wird, alles „Zukünftige“ dieses The-mas. „Lassen Sie das alles ein Ganzes werdenund halten Sie ihre Aufmerksamkeit im Brust-

    und Bauchraum – und verweilen Sie mit demGanzen eine kleine Weile“. So, oder ähnlichhört sich dann diese Focusing-Interventionan, die den „Felt-Sense“ aktiviert, das Körper-wissen anregt – um sich nach einem kleinen

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    Verweilen in konkreten Gedanken, Bildernoder Strategien zu entfalten.Nach einer kleinen Stille erhellen sich dieeben noch nach innen gerichteten Augen,begleitet von einem Atemzug mit der Qualitäteines „Aha’s“. Herrn Mayer wird gerade„etwas“ klar. Meine Intervention in diesemAugenblick: „Bleiben Sie noch einen Mo-ment in dieser Erfahrung – lassen Sie IhreAufmerksamkeit weiter im Körper und kos-ten Sie dieses Empfinden und alles, was damit

    verbunden ist, eine kleine Zeit aus.“Was vorher noch unklar und widersprüchlich,noch offen und ohne Lösung war, hat offen-sichtlich von Innen her einen Schritt auf einen bisher nicht denkbaren Weg gemacht:Herr Mayer fühlt sich körperlich frischer,energievoller, klare Gedanken folgen und einintentionaler Spannungsbogen, hin zur Lö-sung, schwingt im Raum.Für mich ist damit die Arbeit getan! Herr 

    Mayer braucht jetzt „nur noch“ Raum undmeine verstehende Aufmerksamkeit, diesesklare Gesamtgefühl auszusprechen und so für sich zu sichern.

    „Focusing“

    Focusing beginnt mit Anhalten und Inne-halten, mit dem Aufhören dessen, was ichgerade mache, denke und fühle. Gesucht wird

    ein Freiraum von all dem, was bedrängt. Diebekannten Gedanken, Gefühle, Impulse undFantasien tauchen dann schon wieder auf,aber auch neue und unerwartete. Dies ist der Stoff, mit dem wir arbeiten.

    „Felt-Sense“

     Der innere Fortschritt, den Herr Mayer auf diesem Weg macht, entwickelt sich im nächs-ten Schritt aus einem Erleben, den wir in der Focusingtherapie „Felt-Sense“ nennen. Ge-meint ist eine körperliche Empfindung, diehinter Worten und Bildern liegt und vonFühlen, Spüren und Bedeutung bestimmt ist.Immer wenn Sie erleben, dass Sie etwas genauwissen, aber nicht sagen können, was es ist, esihnen auf der Zunge liegt, nur die Worte dazu

    fehlen, dann handelt es sich um diesen Felt-Sense. Sie kennen vielleicht dieses grum-melige Gefühl im Bauch, dass etwas nichtstimmt, ohne es näher benennen zu können.Der Körper weiß früher, was wir noch nichtin Sprache bringen können. Entfaltet sichdieses wissende Gefühl in Sprache und Er-kenntnis, entspannt sich der Körper und einAha-Atemzug steigt auf. Der gesamte Orga-nismus ist an dieser „Geburt“ beteiligt.

    Körperwissen

    So wichtig es ist, dass wir als Berater über kompetente Konzepte verfügen, unsere volleEmpathie zur Verfügung stellen, der Klientsich bei uns verstanden und aufgehoben erlebt

     – so wichtig ist die „Bescheidenheit“ und dasVertrauen, dass der tatsächlich neue Schritt ausdem körperlich achtsamen Verweilen des

    Klienten kommt. Diese von der körperlichenIntelligenz getragenen Schritte sind genauer,präziser und stimmiger als die besten Vor-schläge, die wir als Berater geben könnten.Die umfassendste Erkenntnis seiner Selbst mit

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    all dem notwendigen Detailwissen hat nunmal nur der Körper des Klienten.Es ist diese Haltung, die dann auch Klientenhilft, ihr Inneres zu öffnen und Vertrauen zufassen – besonders gegenüber ihrer eigenenErfahrung. Die Absichtslosigkeit und Of-fenheit des Therapeuten und des Klientenermöglichen einen Blick über den eigenen,bekannten Tellerrand hinaus und das Ver-weilen mit inneren Regungen, die viel weiter und tiefer als Worte reichen. In dieser Atmos-

    phäre finden dann auch heikle Themen ihrenrichtigen Ort. Sowie ich allerdings in michoder andere eindringen, wissen, verändernund helfen will, verschließt sich der innereErlebnisraum. Nur durch absichtsloses Dabei-sein öffnet sich das Körperwissen und be-schenkt uns mit Einsicht und den nötigen Ver-änderungsschritten.

    Der Focusingtherapeut setzt bei all dem auf 

    das innere Streben zum „Heilsein“ und „Ent-wicklung“, auf die Intentionalität, die unse-rem Leben innewohnt. Diese körperlicheKraft strebt nach Lösungen und hat dieEigenschaft, den ganzen Menschen in seiner gegenwärtigen Situation mitzunehmen undihm gerecht zu werden.

    Der spirituelle Oberton

    Dieses innere Streben hat von sich aus dieKraft zur Erfahrung des nächsten „stimmigenSchrittes“ auf diesem Weg. Der Schrittwiederum wird in der Regel von einemGefühl des „Ganz bei mir“ getragen, von

    „Sinnhaftigkeit“ und ein „Vorwärtsgetragen-werden“, von energetisierendem, entspannen-dem Empfinden und von ganzheitlichemVerbunden-Sein. Diesen Aspekt des Verän-derungsprozesses nennt Gene Gendlin, der Gründer des Focusings, „spirituellen Ober-ton“. Damit will er hervorheben, dass in

     jedem stimmig erlebten Schritt ein größeresGanzes mitschwingend erlebt werden kann.

    Focusing ist nicht identisch mit Gebet oder 

    Meditation. Hier wie dort kann ich aber Erfahrungen mit meiner eigenen inneren Weltmachen und Kontakt zu einer anderen auf-nehmen, mit dem Grundstoff, der über michhinausweist. Beide Wege haben mit innerenProzessen und Intuition zu tun. Der Christwird auf seinem Weg primär die Frage nachder Begegnung mit Gott stellen, nach seiner persönlichen Berufung – seiner Lebenslinie – und wie er diese leben kann.

    Focusing hilft in den inneren Erfahrungsraumeinzutreten und beschreibt, wie man sich indiesem inneren Raum verhalten kann. Es hilftdem Klienten eine kleine Zeit in einer ein-fachen, freundlich-neugierigen Zuwendungzu sich selbst und seinem inneren Erleben zuverbringen und dies in Sprache zu fassen. Der Therapeut nutzt dabei Grundhaltungen undRüstzeug, das auch in der geistlichen Be-

    gleitung eingesetzt werden kann.

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    Eine Übung zum Experimentieren mit„inneren Regungen“

    Nehmen Sie sich ca. 15 Minuten Zeit. Spre-chen sie sich selber zu: „Ich habe jetzt Zeit!“Erlauben sie sich eine Haltung mit demGeschmack eines „Ich sitze jetzt da, tuenichts, und das Gras wächst von alleine.“

    Eventuell bemerken Sie, welche Resonanz

    dieser Satz und diese Haltung in Ihnen aus-lösen. Vielleicht entspannt sich etwas im Kör-per oder es öffnet sich ein innerer Raum.

     Jetzt können Sie sich Ihrem Empfindenzuwenden. Wie Sie sich fühlen, was Sie bewegt.Seien Sie ganz neugierig auf das, was da aufsteigtund sich zeigen will. Geben Sie all dem etwasZeit und Aufmerksamkeit. Wenn sich für Sie einbestimmtes Thema als besonders wichtig er-

    weist, beschäftigen Sie sich etwas damit.

    Dann wäre es gut, dieses Thema aus der eigeneninneren Welt heraus in Form eines Symbols ineinen guten Abstand vor sich und vor Gott zubringen. Nicht zu nah, und nicht zu weit weg.

    Lassen sie jetzt das Ganze des Themas ent-stehen. Alles, was Sie dazu wissen, alles, was

    damit verbunden ist, alles, was damit war undauch alles, wie es werden kann. Denken Sienicht zu viel über die einzelnen Aspekte nach,sondern lassen Sie das Thema ein „Ding“werden.

    Halten Sie innerlich Abstand zum „Thema“und warten Sie einfach auf alles, was sich inIhnen meldet: Worte, Bilder, Körperimpulse,Farben, Geschmäcker…, und betrachten Sieall dies neugierig.

    Warten Sie ab, was geschieht. So können Siemit sich selber und vor Gott mit dem Themaverweilen.

    Der Autor der „Wolke des Nichtwissens“

    beschreibt das so: „Lass dieses Etwas mit Dir tun, was es will. Lass sein Wirken an Dir geschehen. Sei nur achtsam dabei und störe esnicht. Misch Dich nicht ein, um ihm zu helfen.Sei während dieses Geschehens wie blind.Höre auf, etwas wissen zu wollen. Es reicht,dass Du Dich von einem Etwas freudig bewegtfühlst, von dem Du nicht weißt, was es ist;Du bist Dir nur bewusst, dass Du bei diesemImpuls an nichts denkst, was weniger ist als

    Gott, und dass Dein Verlangen frei von Eigen-interesse und ohne Umwege unmittelbar auf ihn gerichtet bleibt.“

    Bevor Sie wieder zurück in den Alltagkommen, fragen Sie sich: „Was habe ich inden letzten Minuten Neues erfahren? Waskönnte ich jetzt tun?“

    Viel Vergnügen beim Experimentieren!

    Klaus RennJohann Spermann SJ

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    Das innere TeamWir haben viele innere Stimmen, die sich zuden unterschiedlichsten Anlässen melden kön-nen. Manchem wird erst dann klar, dass es inseinem Inneren eine ganze Welt gibt. Wannhabe ich zum letzten Mal mein inneresfröhliches Kind gehört? Wann habe ich michum meine zarten und verletzten Bereiche

    gekümmert? Oder wann hat mein innerer Pro-testierer mich vor diesem oder jenem gewarnt?Im Alltagsbewusstsein nehme ich all dieseStimmen nicht wahr. Ich bin darauf konzen-triert, meinen Tag zu bewältigen. Doch es gibtsie, und sie wollen mir helfen, Freiheit ein-zuräumen, meine Wünsche zu koordinieren.Das „innere Parlament“ kennt jeder, der schonmal eine Entscheidung treffen musste. Da kom-men die Befürworter und die Gegner zu Wort.

    Manchmal werden über Tage hinweg langeDebatten geführt. So wie es ein inneres Parla-ment gibt, kann es auch ein inneres Team geben.

    Probleme, Krisen, Rückschläge schlagen micherst einmal nieder. Ich fühle mich down. Jeder Mensch erlebt Belastungen, kleine und großeKatastrophen, oder hat mit Phasen zu kämpfen,in denen man glaubt: „Das schaff ich nicht.“

    Oder: „Ich will es ändern, aber ich kann esnicht.“ Doch plötzlich meldet sich jemand inmir zu Wort: meistens ein leises, zartes Gefühl,oder auch nur die Ahnung davon. Es gibtinnere Helfer, nicht nur einen, sondern

    manchmal eine ganze Reihe, die auch noch gutzusammenarbeiten können. Und jeder vonihnen hat seine eigene Stimme, die ich exem-plarisch vorstelle:Der Optimismus, der sagt: „irgendwie werdeich es trotzdem schaffen“. Die Akzeptanz:„OK, so ist es halt. Es gefällt mir da teilweise gar nicht, aber es ist so.“ Die Lösungsorientierung:„Was genau wird mir helfen, da herauszukom-men?“ Die Vertreibung aus der Opferrolle:„Genug gejammert. Es ist schwer, aber ich

    krempel jetzt die Ärmel hoch.“ Die Verant-wortung: „Ich entscheide das jetzt so, undwenn es schief geht, werde ich daraus lernenund es das nächste Mal besser machen.“ DieOrientierung nach Unterstützern: „Was ichallein nicht schaffe, das schaffen wir ebenzusammen.“ Und die Zukunftsplanung: „DieRichtung stimmt. Da geht’s lang.“Es können bei jedem ganz andere Stimmensein, oder auch viel mehr. Sie klingen zusam-

    men wie ein Team, verstehen sich unter-einander, kennen sich, wissen um den anderen.Sie können das ganz leicht einmal auspro-bieren, wer da so bei Ihnen mitspricht!In Beratungs- und Therapiegesprächen wendeich diese Methode immer wieder an. Sie gehtauf die vorhandenen Ressourcen ein. Denn oftist der Blick festgelegt auf das Problem undseine Beschreibung. Mein inneres Team hilft

    mir in meiner Wirkmächtigkeit, mit dem Pro-blem umzugehen. Mein inneres Team hatsogar einen Chef – und der bin ich!

    Holger Adler SJ

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    Schwerpunkt

    Von Schafen undHirten„Aber an Gott habe ich immer geglaubt!“,beteuert mir die ältere Dame, die vor langer Zeit aus der Kirche ausgetreten ist und jetztwieder eintreten möchte. Sie schaut michfreundlich an und doch ist eine Spur von

    Selbstbehauptung in ihren Worten nicht zuüberhören. Es dürfte ihr auch nicht ganz leichtgefallen sein, zu einem Vertreter der Institu-tion zu gehen, mit der man gebrochen hatte,um diesen Schritt rückgängig zu machen.„Schön, dass Sie wieder dabei sein wollen!Das freut mich, aber erzählen Sie doch mal:Was hat Sie denn damals bewogen, aus der Kirche auszutreten?“Meist war es der Ärger über einen Kirchen-

    vertreter, sei es der Pfarrer vor Ort oder der Papst in Rom. Auch eine zu strenge katho-lische Erziehung, die zu viele lebenswidrigeVorgaben machte und von der man sich ersteinmal lösen musste, um sein Eigenes zufinden, wurde immer wieder genannt. Nichtansprechende Gottesdienste, die einen leer zurückließen, hatte ich erwartet zu hören, siewaren aber kein ausreichender Grund, diesen

    gewichtigen Schritt zu tun, höchstens dasi-Tüpfelchen. In Berlin kam noch die Modedazu, alle seien „damals“ ausgetreten. Fehltnoch die Steuer. Sie kam oft, aber nicht seltenfolgte auf diese Begründung ein verlegenes

    Lächeln, als ob man dem eigenen Argumentselbst nicht ganz Glauben schenken würde.Na ja, man sei jung gewesen und konnte jedenPfennig brauchen, aber letztlich sei es nichtwegen des Geldes gewesen, man war anreligiösen Fragen einfach zu wenig interessiertoder meinte, dafür keine Institution zubrauchen.

    „Ich habe gemerkt, ich bekomme das nichtalleine hin, an Gott glauben.“ Das ehrliche

    Eingeständnis verblüffte mich und rührtemich zugleich an. Ein vierzigjähriger Mannwill wieder dabei sein und macht keinenHehl daraus, dass sein Kirchenaustritt ihnnicht weitergebracht hat. Im Gegenteil, allessei im wahrsten Sinne des Wortes immer unverbindlicher geworden und eine jungeFrau meint: „Ich will einfach wieder ganzdazugehören. Wenn ich jetzt in einen Gottes-dienst gehe, dann fühle ich mich, als ob ich

    mir etwas erschwindeln würde, es stimmt soeinfach nicht!“

    Lebenserfahrungen

    Ist erst einmal das Eis gebrochen, dannerzählen die Menschen aus ihrem Leben. Sieberichten davon, dass der Himmel bei der Geburt ihres Kindes spürbar gegenwärtig war 

    oder, dass sie sich tief drinnen gehaltenfühlten, selbst als der Arzt die befürchteteDiagnose aussprach. Sie erinnern sich anStoßgebete, die Wirkung zeigten und erzählenvon Fehlern, die lange zurückliegen, die ihnen

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    aber immer noch nachgehen und die sie sicheinfach nicht selbst verzeihen können, so sehr sie es auch versuchen. Zeit, um erneut dieGemeinschaft derer zu suchen, die fest an dieWirklichkeit Gottes glauben, die mit ihr rechnen und gemeinsam hoffen, dass dieseWirklichkeit immer mehr Wirkung zeigenmöge, im eigenen Leben, in der Welt.

    Schon erstaunlich, vor meiner Arbeit in der Katholischen Glaubensinformation in Berlin

    hätte ich gesagt, die Geschichte Jesu von demeinen Schaf, dem der Hirte geduldig nach-geht, stimmt doch nicht! Wo gibt es denneinen Hirten, der 99 Schafe stehen lässt, umdem einen verlorengegangenen nach-zulaufen? Aber es gibt ihn wirklich undimmer, wenn jemand wieder in die Kircheeintreten wollte, dann dachte ich mir: Da hatder Himmel viel Geduld investiert, jetzt ver-massel das nicht!

    Bernhard Heindl SJ

    Gedanken zurgeistlichenBegleitungDer Autor dieses „Ignatianischen Impulses“,Elmar Mitterstieler SJ, ist ein langjähriger Spi-ritual, Exerzitien- und geistlicher Begleiter 

    und lebt in Wien. Sein Buch zeigt Wege auf für Menschen, die Begleitung suchen, undebenso für Menschen, die selbst andere be-gleiten: Was will in mir zum Leben kommen,was ist meine Lebensspur? Dies sind Fragen,um die es in der geistlichen Begleitung geht.Entlang des Exerzitienweges, der zurückgehtauf Ignatius von Loyola, legt der Autor seinepersönlichen Leitmotive der geistlichen Be-gleitung offen dar. Solch ein Teilhaben-Lassen

    an der eigenen Grundhaltung lädt den Leser dazu ein, sich anstecken zu lassen von dieser von Hoffnung getragenen Liebe in das Lebenim Angesicht des unendlich guten Schöpfers.Es ist ein kleines Büchlein, dessen Inhalt einegroße Liebe ausstrahlt, von der jede Personsich berühren lassen darf.

    Elmar Mitterstieler SJDen verschwundenen Flüssen nachgehenIgnatianische Impulse, Band 30Echter Verlag, Würzburg 2008 

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    Schwerpunkt

    Ethos GeistlicherBegleitungWenn etwas nur noch gelobt wird, wennkaum kritische Stimmen zu hören sind, isteine gewisse Vorsicht durchaus angebracht.Geistliche Begleitung innerer Regungen undBewegungen ist ein Instrument, und wie jedes

    Instrument ist sie zweischneidig. Sie kann zumBesten und zum Verderben eingesetzt werden.Anders als viele andere Instrumente, deren Ein-satz recht sichtbar von statten geht, steht Geist-liche Begleitung jedoch in einem besonderenGefährdungsszenario. Sie operiert im Verbor-genen: Zwei Menschen sprechen hinter ver-schlossenen Türen miteinander und vereinbarenStillschweigen. Sie setzt eine asymmetrische,gestufte Beziehung voraus: Einer lässt sich

    begleiten, der andere begleitet und wird selbstnicht Thema im Gespräch. Derjenige, der begleitet, kann in keiner Weise von außen kon-trolliert werden. Er/sie reflektiert sein/ihr Handeln ausschließlich selbstbestimmt underfährt nur das Korrektiv, das er/sie selbst sichsucht. Dazu kommt der spezielle Fokus: innereBewegungen der Seele begleiten heißt, einenZugang eröffnet zu bekommen zum Intimsten

    der Identität eines Menschen. Es geht um dieganz feinen Strukturen der Persönlichkeit,deren Veränderung jedoch erhebliche Folgenhaben kann.

    Nun ist dieses Gefährdungsszenario keines-wegs einzigartig. Geistliche Begleitung teilt esmit vielen helfenden Professionen, ins-besondere natürlich mit der Psychotherapieund der Medizin. Seit dem Eid des Hippo-krates begegnet die Medizin dieser Heraus-forderung – und in den letzten Jahrzehntenübernehmen die anderen freien Professionenzunehmend diese Vorgehensweise – durcheine Selbstverpflichtung auf ein Berufsethos.Geistliche Begleitung tut gut daran, sich dieser 

    Vorgehensweise anzuschließen. In den Aus-bildungen wird die Frage des Ethos schonimmer unter den Stichworten „Nähe undDistanz“ und „Rolle und Aufgabe des Beglei-ters“ verhandelt. Ausgehend von den USA istin den letzten Jahren ein Impuls herangereift,das Ethos Geistlicher Begleitung zu kodi-fizieren und die Begleiter darauf einzuschwö-ren. In Deutschland wurde kürzlich ein sol-cher Text von der Arbeitsgemeinschaft der 

    Exerzitiensekretariate der Diözesen vorgelegtund ist jetzt auf Ebene der Bischofskonferenzzu diskutieren.

    Balance von Distanz und Nähe

    Einige Elemente eines solchen Ethos Geist-licher Begleitung sind im Folgenden auf-geführt. Sie dienen dem Schutz beider, des

    Begleiteten wie des Begleiters bzw. der Beglei-terin. Sie setzen deshalb gezielt beimBeziehungsgeschehen an und versuchen, dieAsymmetrie der Beziehung durch transparenteund einklagbare Regeln auszugleichen.

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    Geistliche Begleitung ist eine frei einge-gangene Beziehung zweier Erwachsener.Geistliche Begleitung hat eine feste Form undeinen Rahmen, der nicht verlassen wird. Auf diese Weise entsteht eine Beziehung, die vonder vereinbarten Aufgabe – die Gottes-beziehung des/der Begleiteten zu stützen – getragen wird und nicht auf Emotionen, Sym-pathien oder Freundschaft aufbaut.Geistliche Begleiter/innen begleiten Men-schen, die sich selbst vorstehen können, ihr 

    alltägliches Leben geregelt bekommen undausreichend psychische Stabilität mitbringen,um mit den Impulsen und der innerenDynamik geistlicher Reifung verantwortlichumgehen zu können.„Jeder gute Christ muss mehr bereit sein, eineAussage des Nächsten zu retten, als sie zu ver-dammen.“ (Ignatius von Loyola, GeistlicheÜbungen 22) Geistliche Begleiter handelngeprägt von grundsätzlicher Empathie, Echt-

    heit, Respekt und Ehrfurcht gegenüber demMenschen, seinen Worten, Handlungen undGefühlen.Geistliche Begleiter/innen wachen darüber,dass in den Gesprächen immer eine für beideSeiten stimmige Balance von Nähe und Dis-tanz eingehalten wird. Sie lassen nie zweideu-tige Situationen zu und handeln immer so,dass ihr Verhalten jederzeit allen öffentlich

    gemacht werden kann. Der/die Begleiter/inunterliegt einer strengen Schweigepflicht.Der/die Begleitete hingegen hat das Recht,alles Gesprochene öffentlich zu machen.

    Gleich zu Beginn der Geistlichen Begleitungachten die Begleiter/innen darauf, dass eintransparenter, wenn auch in der Regel nichtschriftlich fixierter, Vertrag für die Begleitungentsteht. Im Verlauf wird die Stimmigkeit der Beziehung in regelmäßigen Abständen über-prüft. Jeder Begleiter/jede Begleiterin akzep-tiert es unverzüglich, ohne zu argumentierenund ohne Argumentation einzufordern, wennder/die Begleitete die Begleitung beendet.Geistliche Begleiter/innen verfolgen bei den

    Begleiteten niemals eigene, insbesonderesexuelle oder finanzielle Interessen. Ausnahmeist ein im Vertrag vereinbartes Honorar. Sievermeiden alles Verhalten, was ihnen um ihrer selbst, um ihres Status oder um ihres Selbst-wertgefühls willen, Macht über den/die Be-gleitete/n verschaffen würde.Der/die Begleiter/in ist für Geistlichen Be-gleitung hinreichend ausgebildet, bildet sichregelmäßig weiter und nutzt Möglichkeiten

    der Kollegenberatung und/oder Supervision.Der/die Begleiter/in bemüht sich um einlebendiges geistliches Leben und lässt sichselbst geistlich begleiten.Wichtiger als diese Regeln ist, dass GeistlicheBegleitung in jedem Moment ihrem Ziel ver-pflichtet bleibt. In Anlehnung an dieUnterscheidung der Geister lässt sich deshalbdas Ethos knapp zusammenfassen: Hin zu

    einem Mehr an Glaube, Hoffnung und Liebe – in einem Mehr an Freiheit, Leben undLebendigkeit.

    Peter Hundertmark

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    Schwerpunkt

    Innerlich undengagiert„Ich horche in mich rein. In mir muss doch wassein. Ich hör nur Gacks und Gicks. In mir da istwohl nix“ kalauert Robert Gernhardt undbewahrt unser Thema vor der Einseitigkeit:„Bewegungen der Seele“, innere Regungen,

    das ist mehr als reine Innerlichkeit. In der Un-terscheidung der Geister geht es nicht darum,sich aus der Welt zurückzuziehen, sich infalschem Sinne zu entweltlichen, sondern sich

     – unterscheidend und differenzierend – in ihr zu engagieren, sich in Anspruch nehmen undsich in ihre Vielfältigkeit und Uneindeutigkeitverwickeln zu lassen – um immer wieder neuzu unterscheiden.

    „Innerlich und engagiert“ – was in dieser Thematik als „innen“ auftritt, gibt es nichtohne „außen“, denn „innen“ und „außen“sind aufeinander bezogen: Zum einen istÄußeres vielfach Anstoß, überhaupt innereRegungen wahrnehmen und unterscheidenzu müssen: So, wenn politische Ereignissemeine Stellungnahme und mein Engagementfordern – aber welches? So, wenn ich im

    Beruf oder im privaten Leben plötzlich vor eine neue Situation gestellt werde und michentscheiden muss – aber wie und wann? So,wenn die Unübersichtlichkeit meines Alltagsmich zwingt, Ordnung in mein Leben zu

    bringen – all das fordert die Frage nach der Ursache, der Qualität und dem Ziel der inneren Regungen, die mit den Ereignisseneinhergehen, heraus.Zum anderen müssen die Prüfung und dieUnterscheidung der inneren Regungen wie-der in ein neues, vertieftes Engagementhineinführen. Die Geistlichen Übungen, dieIgnatius lehrt, dienen schließlich dazu „dengöttlichen Willen zu suchen und zu finden inder Einrichtung des eigenen Lebens zum Heil

    der Seele“. Es wäre umgekehrt ein Zeichendes „bösen Geistes“, wenn die Unterschei-dung der inneren Regungen kein Fleischannehmen kann und nicht in ein neues undverändertes Engagement führte.

    Der folgende Beitrag gibt ein gutes Beispieldafür, wie sich ein Lebensweg einlässt auf dieFragen der Zeit, wie in der Kontinuität der Entscheidungen Grundoptionen sichtbar wer-

    den und zu immer neuem Engagement führen.Es ist eine Unterscheidung der Geister in einer komplexen politischen Situation. Der Autor des Artikels ist ein ägyptischer Jesuit, der inKairo ein Kulturzentrum in der Nähe des

     Jesuitenkollegs leitet. Geschrieben ist er nochvor den dramatischen Ereignissen des 9. Okto-ber, in denen die Armee christliche undsolidarische muslimische Demonstranten atta-

    ckierte – und erinnert somit an eine Hoffnung,die nicht verschüttet sein möge.

    Tobias Specker SJ

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    Mein Weg auf denTahrir-PlatzWas bedeutet mir der Aufstand des 25. Januars2011, den die ägyptischen Jugendlichen be-gonnen haben? In gewisser Weise kann ichsagen, dass er eine lang gehegte Sehnsuchtaufnimmt:Schon als ich sehr jung war, träumte ich von

    einer besseren Welt. 1956, ich war neun Jahrealt, brach der Suez-Krieg aus. Ich wurdeZeuge des erschreckenden Schauspiels, das dieBombardierung des Flughafens von Luxor bot, ganz nahe bei meinem Dorf. Ich glaubte,dass unser Dorf getroffen worden sei. Auf-gewühlt durch diese kriegerische Aggressionwuchs in mir im Laufe der Jahre ein starkesGefühl für Patriotismus heran. Bestärkt durchdie Lieder, die uns in der Schule von den

     Jesuiten gelehrt wurden, versprach ich mir selbst, dass mein Kampf der Freiheit, der Ge-rechtigkeit und der menschlichen Würde geltensollte. Doch zunächst schlossen sich die Nieder-lage von 1967 und der Krieg von 1973 an.

    Für eine Spiritualität der Freiheit

    Ich bemerkte im Laufe meines Lebens, dassdie religiösen Autoritäten – seien es Christenoder Muslime – die Leichtgläubigkeit und dieUnwissenheit der Gläubigen missbrauchten.Sie säten Angst, um sich die Gläubigen mit

    leichten Lösungen und schematischen Ant-worten gefügig zu machen. Das lehrte mich – selbst sowohl religiöser Mensch als auchStaatsbürger –, mich kritisch zu überprüfenund zu reinigen, um meinen Brüdern, wer sieauch seien, zu dienen.Ich musste mich dabei vom traditionellen Bildder Religion loslösen, das darin bestand, dieMesse auf koptisch zu lesen und Riten zuvollziehen, die kein Glaubender mehr ver-stand. Mir ist es gelungen, mich aus dem

    Kokon der traditionellen Religion in Ägyp-ten zu befreien, die sich oftmals in das Pri-vatleben der Glaubenden einmischt, anstellesie zu freien und selbstverantwortlichenMenschen zu machen. Mir ist es gelungen,den Graben zu überbrücken, der sich inÄgypten oftmals zwischen dem religiösenLeben und bürgerlichem Engagement auftut.Es war die Zugehörigkeit zum Jesuitenorden,die mich eine Spiritualität hat entdecken

    lassen, die die Freiheit des Individuums res-pektiert. Denn die Exerzitien zielen auf diepersönliche Begegnung des Einzelnen mitGott ab, und so muss sich ein Schüler desIgnatius in eine persönliche Dynamik der Gottessuche hineingeben.Einen neuen Anstoß habe ich dann in der lateinamerikanischen Befreiungstheologie ge-funden. Wie das jüdische Volk ist auch die ge-

    samte Menschheit dazu gerufen, befreit zu wer-den und im Lichte Gottes ihre Wege zu gehen.

    Die Revolution des 25. Januar krönt dieMühen der langen und schwierigen Jahre der 

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    Suche nach Frieden, nach Sicherheit, nachFreiheit und Gerechtigkeit. Die Revolutionmacht diese Sehnsucht nach Veränderunggreifbar. Am 25. Januar begann mein TraumWirklichkeit zu werden, und ich habe michganz auf die Seite der Jugendlichen gestellt.Ich wollte ihnen meine volle Unterstützungzeigen: Durch meine Anwesenheit auf demTahrir-Platz, durch materielle Unterstützungin Form von Decken und Nahrungsmitteln,durch psychologische Hilfe angesichts der 

    beängstigenden Erlebnisse und durch sym-bolische Solidarität in künstlerischen Ver-anstaltungen unserer Organisation El Nahda.

    Der Traum eines freien Ägypten

    Für die Transparenz auf dem Gebiet der Politik, der Religion und der Erziehung zukämpfen und Freiheit zu gewinnen, das waren

    und sind unsere ersten und vorrangigen Auf-gaben. Wie kann man den Analphabetismusund die Arbeitslosigkeit bekämpfen? Wie dieKorruption, den Nepotismus, die Günstlings-wirtschaft und die Unterwürfigkeit beenden?So viele Fragen, die wir uns stellen, um dasLos der Millionen von Ägyptern zu verbes-sern, die in Armut leben. Es bleiben große undkonkrete Aufgaben zu bewältigen:

    • Die Aufgabe, einen kontinuierlichen Druckauf den Militärrat auszuüben, um die staat-lichen Institutionen von Vertretern des altenRegimes zu säubern. Ebenso auf die Me-

    dien, um eine objektive Berichterstattungzu gewährleisten.

    • Die Aufgabe, die Kontakte zu der Bevöl-kerung in Oberägypten und außerhalb der großen Städte auszubauen, um ihnen Alter-nativen zur islamistischen Bewegung zugeben, die sie für ihre politischen – nichtreligiösen – Ziele ausbeutet.

    • Die Aufgabe, unbedingt darauf zu bestehen,eine Verfassung zu erhalten, die die Schaf-fung eines demokratischen und zivilen

    Staates garantiert.• Die Aufgabe, weiterhin Brücken zwischenchristlichen und muslimischen NGOs zubauen, um der Versuchung zur Gewalt zuwiderstehen.

    Diese Revolution ist ein Schritt, den Traumeines freien Ägyptens zu realisieren. Es istnoch ein weiter Weg, doch der Glaube anGott und den Menschen gibt uns die Kraft, zu

    hoffen und weiterzugehen. Wir glauben, dassdie Liebe stärker ist als der Tod. Die Würde desMenschen und die Freiheit sind ein Teil desewigen Lebens, das schon hier unter unsbeginnt. Der Kampf, die Überwindung desEgoismus und der Widerstand gegen die Ver-suchung zur Gewalt sind der einzige Weg zueinem aufrechten Leben, das keine Grenzekennt zwischen dem Himmel und der Erde.

    William Sidhom SJ(Übersetzung aus dem Französischen vonTobias Specker SJ)

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    Schwerpunkt

    Film-ExerzitienAuf den ersten Blick mag die Kombination„Exerzitien und Film“ sowohl eingefleischteKinogängerinnen als auch erfahrene Exer-zitanten irritieren, denn noch immer gilt der Film als vergleichsweise leichte Kunst; undnoch immer sind Exerzitien ein Synonym für ernsthaftes und strenges Üben. So gesehen ist

    es nicht von vornherein klar, ob sich Filme ineinen Exerzitien-Prozess integrieren lassen.Immerhin gibt es aber einige Indizien, die da-für sprechen. Gehen wir davon aus, wozuIgnatianische Exerzitien da sind. Sie könnenIhnen dienen, wenn Sie Ihren Kompass neuausrichten, wenn Sie sich tiefer in die Grund-botschaften des Evangeliums einwurzelnmöchten, wenn Sie vor einer wichtigen Ent-scheidung stehen oder wenn Sie sich ernsthaft

    fragen, zu welchem Leben Sie als Christin undals Christ eigentlich berufen sind.

    In den Exerzitien lesen Sie täglich bestimmteBibelstellen und fragen sich danach, welcheSaiten diese Stellen bei Ihnen zum Schwingenbringen. Das Leben Jesu lesend, lesen Sie Ihr eigenes Leben. Das Exerzitienbuch desIgnatius weist Ihnen dabei den Weg und Exer-

    zitien geschehen in strengem Schweigen.Gesprochen wird nur zwischen Exerzitant, der Exerzitantin und Begleiter, während der täg-lichen Eucharistiefeier und dann, wenn der Begleiter einen Impuls hält.

    All diese Elemente spielen auch bei den Film-Exerzitien eine tragende Rolle. Besonders istbloß der Umstand, dass der Impuls des Exer-zitien-Begleiters größtenteils durch einenFilm ersetzt wird.Wir durften in den letzten Jahren viele Men-schen in Film-Exerzitien begleiten. Dabei hatsich gezeigt, dass passende Filme jene Dyna-mik, welche in den Exerzitien angestrebt wird,unterstützen oder sogar verstärken. Zuweilenwerden einem vor der Leinwand Szenen des

    eigenen Lebens neu bewusst. Manchmal ge-nügt eine Film-Sequenz oder sogar ein ein-ziges Bild, damit sich jemand besser versteht.In den Krisen und Abenteuern, die die Film-Helden meistern, lassen sich eigene Möglich-keiten und Anteile erkennen. Und manchmalwirkt ein Film gar wie ein Schlüssel zu fremdenSälen unseres eigenen Schlosses. Bilder könnensich tief ins Gemüt, in die Seele einbrennenund länger nachwirken als Worte; zumal dann,

    wenn sie sich langsam aneinander reihen. Undvon Bildern kann eine eminent reinigendeWirkung ausgehen.Eine passende Abfolge von Filmen unterstütztund vertieft jenen Aufbruch zum neuenLeben, den die Ignatianischen Exerzitienanzielen. Mehr noch, die Botschaft der Bilder erschließt sich auch dem, der von Religionnichts mehr erwartet. Filme machen Grenzen

    durchlässiger, legen Perspektiven auf Größeresfrei. Mehr dazu: .

    Franz-Xaver Hiestand SJChristof Wolf SJ

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    Geistlicher Impuls

    Wie geht„besinnlich“?Stellen Sie sich vor, Josef hätte zu Mariagesagt: „Maria, die Tour nach Bethlehemmachen wir nicht, wir lassen uns krank-schreiben, schließlich steht Weihnachten vor der Tür und da wollen wir’s doch mal richtig

    besinnlich haben.“ Das hätte uns vielleichtheilsgeschichtlich doch vor das eine oder andere Problem gestellt. Jedes Jahr im Adventscheint sich diese Problematik aber zu wieder-holen: Wie geht „besinnlich“? Das ist natür-lich nicht nur eine Frage für den Advent, aber gerade hier, in der wahrscheinlich lautestenZeit des Jahres (zumindest, wenn man ein-kaufen geht), scheint die Selbstverpflichtungzur Besinnlichkeit besonders groß. Und es

    erfordert offensichtlich echte Jongleursfähig-keiten, wenn man Arbeitsalltag, Familie, nor-males Schlafbedürfnis und Besinnlichkeit un-ter einen Hut bekommen soll. Genau darindürfen Sie sich mit Maria und Josef ganz ver-bunden wissen. Auf ihrer Reise wird ihr Gebetsleben sicher nicht in regelmäßiger Meditation oder dem andächtigen Besuch der Rorate-Messe bestanden haben. Vielmehr 

    werden sie mit sehr viel Sorgen und Ängstenaufgebrochen sein, vielleicht sogar mit man-cherlei Unausgesprochenem, das auf ihrer Be-ziehung lastete und ihr Gebet dürfte oft ein-fach nur die Form gehabt haben: „Gott, hilf uns durch den Tag!“

    Die Angst vor dem Weihnachtsstern, die Hoff-nung, dass es dieses Jahr vielleicht anders wird,die Vorfreude auf das, was an Weihnachten

    schön ist, alles das gehört zur Besinnlichkeit.

    Diese Gefühle und Stimmungen wahr-zunehmen und vor Gott zu bringen, das istBesinnung. Wie in jeder anderen Form vonGebet geht es auch hier nicht um Sonder-situationen, sondern um das Leben, das unsumgibt und das wir täglich mal genießen, maleinfach nur durchstehen. Vielleicht bringt unsdie alltägliche Hektik und Unruhe demAdventsgeschehen manchmal viel näher als

     jede Form frommer Ruhe, die so gar nichtdem Leben derer ähnelt, auf die wir in den

    biblischen Geschichten schauen.Mit diesen Gedanken im Hinterkopf, diehelfen sollen, dem Besinnlichkeitsstress einwenig zu entkommen, können wir nun über-legen, wie man sich dann doch vielleicht dieein oder andere Ruhetankstelle im Alltagschaffen kann. Schließlich sind Maria und

     Josef ja auch nicht im Marschtempo ohnePause nach Bethlehem gelaufen.

    Schaffen Sie sich kleine Ruhezeiten – undnehmen Sie sie ernst. Wir haben die unseligeAngewohnheit, unsere Arbeitszeiten in Ter-minkalender einzutragen und sehr ernst zunehmen und die Ruhezeiten irgendwiedazwischen zu quetschen. Tragen Sie in IhrenKalender doch einfach mal 10 MinutenKaffeetrinken ein (oder auch länger, aber bleiben Sie realistisch!) oder 20 Minuten

    Parkspaziergang oder irgendetwas anderes, dasIhnen gut tut und hilft, etwas zu Atem zukommen. Wahrscheinlich wird dabei eineganze Menge zum Vorschein kommen, wasSie während des Alltagsgeschäfts beiseiteschie-ben müssen. Keine Angst davor haben. Immer dann, wenn die Seele zur Ruhe kommt,meldet sich alles Mögliche, was ansonstennicht zum Zuge kommen darf. Manchmalentdeckt man dann, dass es vielleicht gut wäre,

    ein paar Gedanken, die man immer nur für 

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    sich behalten hat, mit jemandem zu teilen, der einem zuhört. Manchmal ist es aber auch ein-fach nur heilsam, diese Gedanken zu ent-decken und sich darüber Rechenschaft zugeben, wie viel Zeit man bewusst oder unbe-wusst mit ihnen verbringt. Das Wichtigste andiesen Ruhezeiten ist aber nicht das Lösenvon Problemen, sondern die Zeit, die Sie sichselber zum Ausruhen gönnen.

    Wenn Sie aus Ihrer Pause zurückkommen,

    denken sie an Ihren Advent. Es ist Ihr Arbeitsalltag, Ihr „Ich muss noch Geschenkekaufen“-Leben, in das Gott hinein Menschwird. Gerade darin besteht ja das Großartigean der Menschwerdung: in Gottes Ungeduld,seine Nähe zu uns zeigen zu wollen. Darin,dass er nicht wartet, bis es bei uns mal etwasruhiger, etwas frommer, etwas gottgemäßer zugeht, sondern dass er ins Hier und Jetztkommt. Das, was unser Herz berührt an

    Freude und Trauer, an Sorge und Fest, ver-bindet uns mit dem Kind in der Krippe. DieSehnsucht, mit der wir immer wieder hoffen,dass sich dieses Weihnachten etwas mehr vonGott offenbart, dass dieser Advent besonderswird, dass es etwas gibt, das unserem AlltagHalt gibt und uns rettet vor allem, was unsgroß und bedrohlich erscheint, das verbindetuns mit allen, die durch die Jahrhunderte

    durch ihren eigenen Advent zur Krippegepilgert sind.

    Zu entdecken, dass Gott unserer Sehnsuchtnach Geborgenheit, nach Zuhause und nachGemeinschaft eine Zukunft gibt: das istBesinnlichkeit. Zu erfahren, dass er mit seiner Liebe und Gegenwart unseren Alltag umfängt:das ist Advent.

    Ansgar Wiedenhaus SJ

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    Nachrichten

    Neues aus demJesuitenorden

    i Päd – Symposion zurIgnatianischen Jugendpastoral

    Voneinander lernen, sich vernetzen und

    Perspektiven für die Weiterarbeit entwickeln – das wollen Verantwortliche aus den unter-schiedlichen Bereichen ignatianischer Ju-gendpastoral im Rahmen einer ersten ge-meinsamen Tagung. Unter dem flotten Label„i Päd“ steht im Februar 2012 in Würzburgeine Bestandsaufnahme der Ziele und Er-fahrungen ignatianisch verstandener Jugend-arbeit auf dem Programm.Veranstalter sind die

     Jugendgemeinschaften Christlichen Lebens

    (GCL-JM und GCL-MF), die KatholischeStudierende Jugend (KSJ-HD und KSJ-ND)sowie die Jugendseelsorger der Jesuiten inDeutschland. Weitere Informationen unter 

    Priesterweihe in St. Michael

    Am 1. Oktober wurden Bernhard Knorn SJ undEpiphane Kinhoun SJ in der Jesuitenkirche St.Michael in München von Weihbischof Bernhard Haßlberger zu Priestern geweiht.Bernhard Knorn wurde am 17.2.1980 in Pfaf-fenhofen/Ilm geboren und trat nach Abschlussseines Theologiestudiums (Dipl. Theol.) imSeptember 2005 in den Orden ein. Im Anschluss

    an das Noviziat war er in der Schulseelsorge amCanisius-Kolleg sowie ein Jahr beim Jesuiten-Flüchtlingsdienst (JRS) im Südsudan tätig. SeitSeptember 2010 bereitet er eine Promotion inTheologie an der Universität Mainz vor.Epiphane Kinhoun, geboren am 3.10.1973,stammt aus Benin und ist am 25.09.2003 in dieWestafrikanische Provinz der Jesuiten ein-getreten. Nach Studien der Philosophie inKinshasa (Demokratische Republik Kongo)

    und der Theologie in Abidjan (Elfenbeinküste)absolviert er seit September 2009 ein Pro-motionsstudium an der Hochschule für Philo-sophie in München.

    Der Segen des Bischofs (v.l.n.r.): P. Karl Kern, P. Provinzial Eugène Goussikindey, P. Bernhard Knorn, Weihbischof Bernhard Haßlberger,

    P. Epiphane Kinhoun und P. Provinzial Stefan Kiechle

       F

      o  r  o  :   U  r   b  a  n   i  a   k

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    Noviziat: Steigende Eintrittszahlenin schwierigen Zeiten

    Am 18. September sind neun Novizen in das

    Noviziat der deutschsprachigen Provinzen inNürnberg eingetreten: fünf für die DeutscheProvinz der Jesuiten, einer für die Österrei-chische Provinz und drei für die Schweizer 

     Jesuitenprovinz. „Dies ist ein erstaunlicher und für uns sehr erfreulicher Zuwachs voneinem Drittel im Vergleich mit den Eintritts-zahlen der letzten beiden Jahre“, so der Novi-zenmeister der deutschsprachigen Jesuiten,

    Pater Josef Maureder SJ.Das zweijährige Noviziat ist die Vorbereitungs-phase für den Eintritt in den Orden. Zusammenmit den im vergangenen Jahr eingetretenenNovizen bereiten sich derzeit insgesamt 15Novizen auf die Ersten Gelübde vor.Der neue Jahrgang hat eine weite Alters-spanne: der Jüngste ist 21, der Älteste 46, dasDurchschnittsalter ist 30 Jahre. Alle bringenbereits Ausbildungen und Studienabschlüsse

    in einem ebenfalls weiten akademischen undberuflichen Feld mit: in der Philosophie undTheologie, in der Rechtswissenschaft und

    Geschichte bis hin zur Informatik, Psy-chologie und Psychotherapie. Zwei der neuenNovizen sind bereits Priester. Pater Maureder:„Es ist ein Geschenk, dass sich trotz der schwierigen Zeiten für Kirche und Orden

    eine steigende Zahl engagierter und talen-tierter junger Männer melden, um den Wegradikaler Nachfolge Jesu zu wählen. Diereligiöse Motivation für diesen Schritt istauthentisch, und die Bereitschaft ist groß, sichfür den Dienst an den Menschen zur Ver-fügung zu stellen.“

    Dem Eintritt der Novizen geht traditions-

    gemäß die Feier der Ersten Gelübde voraus,die nach dem zweijährigen Noviziat abgelegtwerden. In diesem Jahr waren es vier jungeMänner aus Deutschland, Österreich undSchweden, alle aus dem Noviziatsjahrgang2009, die am 11. September in der Nürn-berger Kirche St. Klara ihren Eintritt in den

     Jesuitenorden versprochen haben. Sie werdenihre Ausbildung fortsetzen: im Studium der Philosophie in München, in der Jugendseel-

    sorge im Kolleg St. Blasien im Schwarzwald,in der Schulseelsorge im Canisius-Kolleg inBerlin und in der Berufungspastoral in Linz.

    Novizen und Patres im Rupert-Mayer-Haus in Nürnberg im September 2011

       F  o   t  o  :   S   t   ü   b  n  e  r

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    Stellaner-Cup 2011 in St. Blasien

    Vom 22. bis 25. September war das Kolleg St.Blasien Gastgeber für den Stellaner-Cup 2011.Die Stellanervereinigung veranstaltet seit ei-nigen Jahren unter den deutschen „Je-suitenschulen“ (Aloisiuskolleg Bonn, Canisius-Kolleg Berlin, St. Ansgar Gymnasium Hamburgund Kolleg St. Blasien) und dem nahen Ausland(Nils Steensens Kolleg Kopenhagen) dieseSportwettkämpfe. Die traditionsreiche Ver-anstaltung bietet den Jugendlichen auch die

    Möglichkeit, Schüler aus anderen Kollegien zutreffen. Dieses Jahr gehörten Fußball,Volleyball,Leichtathletik und Schwimmen zu den Dis-ziplinen. Das sportliche Endergebnis desdiesjährigen Stellaner-Cups 2011 sah dieBerliner und St. Blasier gemeinsam als Erste.

    In Verbindung bleiben

    Wir freuen uns, wenn Sie mit uns inVerbindungbleiben wollen. Um auch in den sozialen Netz-werken immer aktuell Neues aus dem Ordenzu erfahren, folgen Sie uns auf Facebook:

    Mit dabei sind seit kurzem auch: Jesuitenmission

    St. Klara in Nürnberg

    Personalnachrichten

    • Gunnar Bauer arbeitet seit September für ein Jahr beim Jesuitenflüchtlingsdienst (JRS)im Südsudan mit.• Christian Braunigger bleibt noch bis voraus-sichtlich Sommer 2012 beim JRS in Kenia.• Br. Nikolaus Klein ist aus der Schweiz in dieDeutsche Provinz gewechselt und arbeitetweiter bei den „Stimmen der Zeit“ in Mün-

    chen mit.• P. Claus Pfuff ist seit September als Schul-seelsorger am Canisius-Kolleg tätig.• P. Frido Pflüger wird seine Arbeit beim

     Jesuitenflüchtlingsdienst (JRS) in Nairobi imFebruar beenden und soll zum 1. September 2012 die Leitung des JRS in Berlin über-nehmen. Der amtierende Leiter P. MartinStark wird im Herbst 2012 mit seinem Terziatbeginnen.

    • P. Ulrich Rabe ist seit 15. Oktober Superior des Canisiushauses in Köln und wird im De-zember eine pastorale Aufgabe übernehmen.• Hans-Martin Rieder  arbeitet nach seinenErsten Gelübden im Kolleg St. Blasien mit.• P. Ludwig Schuhmann übernimmt imDezember die Aufgabe des Priesterseelsorgersin der Diözese Würzburg.• P. Fritz Schwaiger löst P. Gundikar Hock als

    Spiritual in Hildesheim ab.• P. Hock wechselt in die Seniorenkommu-nität in Berlin-Kladow.• P. Tobias Specker wurde im Herbst von der Vollversammlung der Deutschen Bischofs-konferenz zum Berater in die Unterkommis-sion für den Interreligiösen Dialog gewählt.• Mattias Wihlborg hat nach seinen ErstenGelübden mit dem Philosophiestudium inMünchen begonnen.

    Zusammengestellt von Thomas Busch

    .

    Fußballturnier im Rahmen des Stellaner-Cups

       ©    S

       t .   B   l  a  s   i  e  n

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    Jubilare

    01. Januar

    P. Alois Stenzel95. Geburtstag

    05. Januar

    P. ChristophWrembeck70. Geburtstag

    26. Januar

    P. Oskar Wermter70. Geburtstag

    02. Februar

    P. Heinz Balkenhol80. Geburtstag

    04. Februar

    P. Alex Lefrank80. Geburtstag

    15. Februar

    P. Bernd Schrandt75. Geburtstag

    29. Februar

    P. Werner Herbeck

    80 Geburtstag

    03. März

    P. Manfred Richter80. Geburtstag

    06. März

    P. Karl Plötz80. Geburtstag

    07. März

    P. Joe Übelmesser80. Geburtstag

    16. März

    P. GerhardPodskalsky75. Geburtstag

    23. März

    P. Reinhold Sebott75. Geburtstag

    26. März

    P. Rüdiger Funiok70. Geburtstag

    27. März

    P. Dieter Thiel80. Geburtstag

    30 März

    P. Christian Weichsel80. Geburtstag

    Personalien Medien DVD

    Eine gute AdresseSt. Michael in MünchenBayerischesFernsehen© 2011telepool GmbH

    Ein Porträt der Münchner KircheSt. Michael mitihren Menschenund ihrer reichentheologischen undmusikalischen Tra-dition, aber auch

    mit ihrem Engagement für Gläubige, Fragen-de und Suchende von heute. „Gott braucht

    eine Adresse“, sagen die Münchner Jesuiten.Die Citykirche St. Michael in der Fuß-gängerzone der Landeshauptstadt ist so eineAdresse – eine gute Adresse!

    Der Film von Marius Langer (Dauer 44Minuten) hat sich in Gesprächen mit Ordens-leuten, Mitarbeitern und Besuchern diesembesonderen Ort angenähert. Einem Ort der 

    Besinnung und der Orientierung im Herzender Stadt München.

    Bestelladresse für die DVD:INIGO Medien GmbHKaulbachstr. 22a, 80539 MünchenTel 089 2386-2430, Fax 089 2386-2402

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    UnsereVerstorbenen

    Wenn wir am Jahresende der Verstorbenengedenken, dann erinnern wir uns voll Dankbar-keit und Hochachtung an unsere Mitbrüder, dieihre von Gott gegebenen Fähigkeiten in denDienst der Menschen gestellt und da zur EhreGottes gewirkt haben, wo ihnen die Ge-sellschaft Jesu ihren Platz zugewiesen hat. Unser Andenken an die verstorbenen Mitbrüder istgetragen von der Hoffnung, dass Gott an ihnenvollendet, was er in ihrem irdischen Leben

    segensreich begonnen hat.

    P. Ferdi Hamma verstarb am Ostermorgen inUnterhaching im 80. Lebensjahr, wo er alsMinister und Superior 14 Jahre sich um dieMitbrüder gesorgt und als Seelsorger imAltenheim gewirkt hat. In den Orden einge-treten ist er mit dem Wunsch, in die Missionengeschickt zu werden. Nach Noviziat und Phi-

    losophie in Deutschland studierte er Theologiein Indonesien und wurde dort 1960 zumPriester geweiht. Die Studentenseelsorge inSemarang und Jakarta war sein erstes Arbeits-feld. 1979 wurde er Rektor und Lehrer in

     Yogyakarta, bis er zum „Finanzminister“ der indonesischen Provinz berufen wurde: eine ver-antwortungsvolle Aufgabe, die man dem Kauf-mannssohn aus Ravensburg anvertraute. Dochsein Charisma lag mehr auf geistlicher Ebene.

    Nach etlichen Studien wurde er zum gefragtenExerzitienbegleiter, in Indonesien und nachseiner Rückkehr auch in Deutschland. Trotz

    einer heimtückischen, langwährenden Erkran-kung hat er als geistlicher Begleiter bis kurz vor seinem Tod gewirkt.

    P. Donath Hercsik verstarb mit 45 Jahren nacheinem tapfer ertragenen Krebsleiden in Rom.Sechs Jahre waren ihm nur vergönnt, als Theo-logieprofessor an der Gregoriana zu lehren unddrei Jahre das Amt des Dekans auszuüben.Vorausgegangen waren die Ordensstudien inMünchen, Frankfurt und Paris und die Pro-

    motion. Nach den Studien wurde P. Hercsikzunächst – wohl wegen seines Organisations-talents und seiner Sprachbegabung – Sekretär der zentraleuropäischen Assistenz, dann jedochStudienpräfekt im Germanicum und Dozent ander Gregoriana.Die Anteilnahme am Requiem in Sant´Ignaziowar Ausdruck für die Erschütterung über denfrühen Tod und die Wertschätzung, die er genoss:Mitbrüder, Studenten, Hochschullehrer auch

    anderer römischer Fakultäten füllten die Kirchebis zum letzten Platz. Donath war ein Beispieldafür, mit welcher Hingabe und BegeisterungTheologie betrieben werden kann. Er war undist ein Beispiel, wie eine Sendung einen Jesuitenganz ausfüllen kann – im Dienst am Volk Gottes.Er war ein bescheidener, liebenswerter Mensch.In der Jesuitengrablege in Rom hat er seineletzte Ruhestätte gefunden.

    P. Georg Hoffmann, in Breslau 1932 geboren,trat 1953 in die SJ ein. Entsprechend seiner vielseitigen Begabung fand er mehrere wichtigeBetätigungsfelder: theologische Ausbildung vonReligionslehrern und deren Weiterbildung,Novizenmeister der norddeutschen Provinz von1971 bis 1976, um danach wieder alsTheologiedozent in Berlin zu arbeiten. Er dozierte nicht nur, sondern begleitete auch

    seine Studenten seelsorglich. Ein schwerer Herzinfarkt zwang ihn, 2002 in das Peter-Faber-Haus nach Berlin-Kladow umzuziehen.

    Nachrufe 2010

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    Dort lebte er sehr zurückgezogen und erfüllteseinen Auftrag, als Kranker für die Gesellschaftund die Kirche zu beten.

    P. Heinz Ley, 1926 geboren, ereilte noch der Kriegsdienst und die Gefangenschaft, bevor er 1947 in die Gesellschaft Jesu eintreten konnte.Er absolvierte die normalen Ordensstudien biszur Priesterweihe 1958. Nach den Spezial-studien in Geschichte und Englisch wurde dasAloisius-Kolleg in Bad-Godesberg zur Wir-

    kungsstätte als Lehrer. Trotz seiner Strenge war er für viele Schüler eine prägende Persönlich-keit. Durch Krankheit gezwungen wechselte er mit 62 Jahren in die Residenz nach Koblenz alsBeichtvater und Seelsorger, bevor er 12 JahreHausgeistlicher der Schönstattschwestern inEuskirchen wurde. Zunehmende Schwächeverlangte eine Übersiedlung zu den Mit-brüdern im Altenheim in Köln-Mülheim, woer beispielhaft im Leiden und Sterben am

    Pfingstsonntag sein Leben in die Hand desSchöpfers legte.

    P. Klaus Luhmer konnte auf 95 Lebensjahre,davon 75 in Japan, zurückblicken. Sein Grab istin Tokio, wo er die meisten Jahre gelebt hat. Er stammte aus Pulheim und trat 1935 in denOrden ein. Bereits nach dem Noviziat trat er die Reise nach Japan an, wo er seine gesamte

    Ordensausbildung absolvierte. In einem Vorortvon Hiroshima entging er knapp den Folgender Atombombe und war an der Rettung der flüchtenden Menschen beteiligt. Das zentraleThema seiner Lehrtätigkeit an der Sophia-Universität war die Geschichte der euro-päischen Pädagogik. Sein Führungstalent ließihn zuerst Regens am internationalen Priester-seminar, dann zum Rektor der Universitätwerden, wo er am raschen Ausbau der Hoch-

    schule mitwirkte. Sein großer Bekanntenkreiswar ihm eine wertvolle Hilfe. Er hat sich hoheVerdienste um die Japanmission und die

    Sophia-Universität erworben und ein reicherfülltes Leben vollendet.

    P. Giovanni Sala, 1930 in der Lombardeigeboren, gehörte über viele Jahre zu denprägenden Gesichtern der philosophischenHochschule in München. Seine Studien absol-vierte er an der Gregoriana in Rom und wurdedort 1961 zum Priester geweiht. Nach einer kurzen Lehrtätigkeit in Gallarate promovierteer in Bonn zum Dr. phil. und lehrte ab 1971 an

    der Hochschule in München. Er dozierte Phi-losophiegeschichte und edierte mehrere phi-losophischen Werke, darunter sein Hauptwerk„Kant und die Frage nach Gott“ zur Phi-losophie von Immanuel Kant. P. Sala zeigteauch reges Interesse am öffentlichen Leben inDeutschland und verteidigte in zahlreichenArtikeln und Leserbriefen die katholischeLehre. Am 15. März starb er an den Folgeneiner Operation.

    P. Johannes Wild lebte 33 Jahre in der Schweizund hatte wenig Kontakte zu seiner Heimat-provinz, in die er 1950 eingetreten war. Nachden Studien wirkte er zunächst als Jugendseel-sorger in Regensburg, dann als Assistent imArchiv der Gregoriana in Rom. Sehr konser-vativ geprägt fand er für fünf Jahre seine Hei-mat beim Engelwerk, von dem er sich wieder 

    löste und Anschluss fand bei einem befreun-deten Herrn, der es sich zur Aufgabe gemachthatte, den Glauben durch katholisches Schrift-tum zu stärken. Ihn unterstützte er durch seineseelsorgliche Tätigkeit. Ein zweites Betä-tigungsfeld war die Begleitung von Wallfahrtenund verschiedenen religiösen Gruppen. Er erlag einem plötzlichen Herztod und fandseine letzte Ruhestätte auf dem Ordensfriedhof in Pullach.

    Wolfgang Bauer SJ

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    Vorgestellt

    Raum für „mehr“MAGIS – Ignatianische Experimente

    Kirche ist Begegnung und Gemeinschaft mitGott durch Jesus Christus. So könnte es ineinem Katechismus stehen. Daraus folgt, dasswir Kirche überall dort erleben, wo Menschen

    sich im Namen Jesu versammeln und inSeinem Geist begegnen. Besondere Räume für Begegnung im Geiste Jesu sind die Sakramenteund das gemeinsame Meditieren und Lau-schen auf das Wort Gottes. Aber auch das Teilenvon Lebenserfahrung, positiver und negativer,kann in uns den Geist Jesu lebendig werdenlassen. Insbesondere für junge Leute scheint esimmer wichtiger zu werden, nicht nur von der in der Heiligen Schrift weiter gegebenen

    Gotteserfahrung früherer Generationen zuleben, sondern selbst geistliche Erfahrungen zumachen: selbst das Leben ausprobieren, selbsteinen Sinn oder eine geistliche Bedeutung imErlebten zu finden.

    Die Idee des „ignatianischen Experiments“kommt dieser Sehnsucht entgegen. Sie stammtursprünglich aus der Ausbildung der Jesuiten-

    novizen. In geistlichen „Experimenten“ sollensie in unbekannten Bereichen Erfahrungensammeln und sich erproben: als Pfleger ineinem Krankenhaus, als Pilger in fremden Län-dern, als Lehrer oder Erzieher von Kindernund Jugendlichen. Gleichzeitig sollen sie imGespräch mit ihren geistlichen Begleitern oder auch im vertrauensvollen Austausch mit-einander ihre Erfahrungen genauer wahrneh-men und geistlich unterscheiden: „Wie ist es

    mir ergangen? Wo konnte ich Gottes An-wesenheit spüren? Wo blieb er mir eher fern?“

     Jeder, der so einen geistlichen Austausch (etwaim Rahmen von Exerzitien) schon einmalgewagt hat, weiß, dass dabei viel in Bewegungkommen kann: Wir gewinnen ein neues Ver-hältnis zum Erlebten, das wir auf einmal mitsehr viel mehr Wertschätzung betrachtenkönnen, wir gewinnen auch eine andereBeziehung zu jenen, mit denen wir unser Leben teilen. Und schließlich verändert sichauch unsere Beziehung zu Gott, dessen Geistim Wachsen der erstgenannten Beziehungen

    neu spürbar werden kann.

    Auf der Suche nach einer angemessenen Formfür eine jesuitische Beteiligung am Weltjugend-tag 2005 in Köln wurde die Idee des igna-tianischen Experimentierens aufgenommen:Unter dem Projekttitel „MAGIS“ wurdenüber 80 internationale Gruppen organisiert, diemiteinander in sozialen Einrichtungen tätigwurden oder sich auf einen Pilgerweg mach-

    ten. Andere Experimentideen kamen hinzu:einige Gruppen spielten miteinander Straßen-theater oder führten Touristen mit einemgeistlichen Kompass durch sehenswürdigeKirchen. Und immer wurde abends in kleinenGruppen zusammen gesessen und das Erlebtegeistlich ausgetauscht.

    Seit diesem Weltjugendtags-Vorprogramm

    2005 wurden unter dem Label „MAGIS“ jedes Jahr ein oder mehrere internationaleExperimente durchgeführt, unter anderem2008 zum Weltjugendtag in Sydney und imvergangenen Jahr zum Weltjugendtag inMadrid. Dazu haben sich Anfang August über 2500 Pilger in Loyola getroffen, um sich vondort aus in 99 Experimenten auf die Tage mitdem Papst in Madrid vorzubereiten. AusDeutschland haben daran über 50 Pilger 

    zwischen 18 und 32 Jahren teilgenommen.Eine von ihnen, Nadine Golczyk aus Gren-zach-Wyhlen, schreibt im Rückblick:

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    MAGIS 2011 – ein Rückblick

    „Mein Experiment führte mich in ein Sozial-projekt nach Lissabon, Portugal. Die Experi-mentgruppe bestand aus ca. 25 jungen Er-wachsenen aus verschiedenen Ländern: Chile,

    Irland, Spanien und Deutschland. Schon nachkurzer Zeit verstanden wir uns als eine Ein-heit. Ich war sehr beeindruckt, wie schnell wir Vertrauen zueinander gefasst haben. Trotz der vorherrschenden Sprachbarriere und unter-schiedlicher Kulturen erlebte ich die Gruppestets harmonisch und gewillt, voneinander zulernen.

    Unser Tag begann stets mit einem Morgen-

    gebet. Die zweisprachigen Pilgerhandbücher,die man uns zu Anfang ausgeteilt hat, er-

    leichterten diese Zusammenkünfte enorm. Sowar es uns möglich, die Texte auf Spanisch undEnglisch zu lesen. Idee dieser Morgengebetewar es, einen gemeinsamen Impuls für den Tagzu geben. Die Aufmerksamkeit wurde jedenMorgen auf ein anderes Detail gerichtet, dasbei den abendlichen Reflexionen dann wieder 

    aufgenommen werden konnte.

    Anschließend fuhren wir in ein Stadtviertel,wo hauptsächlich schwarzafrikanische Ein-wanderer leben, die von einem Steyler Mis-sionar und seinen Mitarbeitern betreutwerden. Die Armut und das Unrecht, in denendiese Menschen leben müssen, waren augen-fällig. Gleichzeitig spürten wir aber auch einegroße Vitalität und Lebensfreude. Auch im

    Kontakt mit den dunkelhäutigen Menschenfühlte ich mich niemals fremd. Und mir wurde

    99 Gruppen bereiten sich in Loyola auf ihre Experimente vor.

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    bewusst, dass Verständigung nicht in erster Linie von einer gemeinsamen Sprache ab-

    hängt.

    Verbale Kommunikation war gerade im Um-gang mit den Jüngsten eher nebensächlich. Vielwichtiger war die Kommunikation „mit denHerzen“. Jeder spürte neben Respekt undAkzeptanz das Interesse und die Offenheit desGegenübers. Die schönsten Momente warendie, wenn wir in glückliche und strahlendeAugen schauen konnten und gemeinsam

    gelacht haben. Dann hatte ich schlichtweg dasGefühl, dass es gar keine Unterschiede mehr gibt. Ich verspürte eine Sicherheit, dass wir allemiteinander verbunden sind, eine Gemein-schaft mit Christus.

    Die Möglichkeiten, mit den Kindern, Jugend-lichen und auch mit den erwachsenen Men-schen in Kontakt zu treten, waren vielfältig.

    Wesentliche Bestandteile unseres Programmswaren, mit einander zu musizieren, zu kochen,zu tanzen, zu spielen oder auch zu basteln.Es war eine tolle Herausforderung, mehrereTage in dieser Experimentgruppe zu gestaltenund zu leben. Wir waren dazu aufgefordert, unsmit unseren Ideen und Talenten einzubringen.Dies hatte beispielsweise zur Folge, dass wir 

    abends sehr schöne, auf den Tag und die Ereig-nisse bezogene Eucharistien feiern konnten.

    Den Tag abgerundet haben auch die spät-abendlichen „Magis circles“. In kleinen, inter-national gemischten Gruppen von je sechsPersonen fanden wir uns am Ende des Tageszusammen, um miteinander auf unsere Erfah-rungen zurückzublicken. Diese Runden boteneinen geschützten Raum für einen ehrlichenAustausch. Wichtig war dabei auch, aus einer 

    gewissen Distanz auf die Empfindungen undStimmungen des Tages einzugehen. Wenn mansich achtsam mit diesen inneren Regungenauseinandersetzt, kann man ihre Bedeutungbesser verstehen. Gerade dieses Element, die,Magis circles‘, unterstützte und verstärkte dieVertrautheit unter uns Pilgern.

    Gott suchen und finden, das versuchten wir  jeden Tag aufs Neue. In fremder Umgebung

    und im Kontakt mit vielen interessantenMenschen, die sich nicht unterkriegen lassenund uns in mancher Hinsicht um einiges über-legen sind, gerade im Hinblick auf ihre Gast-freundschaft und ihr Willen, auch dann nochzu teilen, wenn sie selbst kaum etwas haben.Durch die Bereitschaft, sich anderen zu öffnenund dabei vieles von sich preiszugeben, eröff-neten sich auch neue Wege Gott zu finden. Die

    Woche des ignatianischen Experimentierenserlaubte uns, wesentliche Dinge neu oder tiefer zu entdecken. Und so erlebten wir von vielemein bisschen mehr: mehr Freude, mehr Auf-merksamkeit, mehr Vertrauen, mehr Herzlich-keit – mehr Gemeinschaft in Christus.“

    Ludger Joos SJMedien

    32  Jesu it en Autoren dieser Ausgabe

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    Autoren dieser Ausgabe

    Holger Adler SJHamburg. GeistlicherLeiter der Kath.Studierende Jugend (KSJ)

    Wolfgang Bauer SJMünchen.Seniorendelegat desProvinzials

    Thomas BuschMünchen. Öffentlichkeits-referent im Provinzialatder Jesuiten

    Franz-XaverHiestand SJZürich. Leiter desStudentenzentrums AKI

    Ludger Hillebrand SJBerlin. Mitarbeiter imJesuitenflüchtlingsdienst(JRS)

    Peter Hu