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JOHANNES KEPLER
UNIVERSITÄT LINZ
Altenberger Straße 69
4040 Linz, Österreich
www.jku.at
DVR 0093696
Eingereicht von
Stefanie Hennerbichler BEd.
Angefertigt am
Institut für Didaktik der
Mathematik
Beurteiler / Beurteilerin
A. Univ. Prof. Univ. Doz. Dr.
Jürgen Maaß
Monat Jahr
Juni 2017
Empirische
Untersuchung des
offenen
Mathematikunterrichts
Diplomarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades
Magistra der Naturwissenschaften
im Diplomstudium
Lehramt Mathematik und Chemie
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 2/150
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG
Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde
Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die wörtlich
oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.
Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch.
Ort, Datum
Unterschrift
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 3/150
1. Vorwort und Danksagung
Die Entscheidung, diese Arbeit über offene Unterrichtsformen zu schreiben, fiel mir sehr leicht, da
ich mich schon seit längerer Zeit mit diesem Thema beschäftige. Bereits in meiner Bachelorarbeit
„Einsatz neuer Methoden in Geographie und Wirtschaftskunde“ habe ich mich mit neuen bzw.
offenen Lernformen auseinander gesetzt. Nun wollte ich nähere Untersuchungen im
Unterrichtsgegenstand Mathematik durchführen und widmete meine Diplomarbeit diesem
ausgewählten Thema.
Im Rahmen der Arbeit erfolgen Befragungen zum Thema des offenen Unterrichts der Mathematik,
wobei Aspekte wie der organisatorische Aufwand, die Kompetenzorientierung, das Ansprechen
der unterschiedlichen Lerntypen, wie auch die Auswirkungen auf die Zukunft beinhaltet sind. Die
daraus erworbenen Erkenntnisse und Erfahrungen haben mich in meiner individuellen Bildung um
Vieles bereichert.
Um diese Arbeit verfassen zu können, waren außenstehende Personen von großer Bedeutung.
Zuerst bedanke ich mich bei meinem Betreuungslehrer A. Univ. Prof. Univ. Doz. Dr. Jürgen Maaß,
welcher mir mit Rat und Tat zur Seite stand. Des Weiteren bei den Lehrpersonen aus den
unterschiedlichen Schultypen, welche mir ehrlich die ausgewählten Fragen zum Thema
beantworteten und aus eigenen Erfahrungen berichteten. Einen besonderen Dank gelte auch
meiner Familie, welche mir zu jeder Zeit den Rücken stärkte.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 4/150
2. Inhaltsverzeichnis
1. Vorwort und Danksagung ..................................................................................................... 3
2. Inhaltsverzeichnis ................................................................................................................. 4
3. Einleitung .............................................................................................................................. 6
4. Kompetenzorientierter Unterricht - das neue Konzept im Mathematikunterricht .................... 8
4.1. Kompetenzen und Ziele im Mathematikunterricht .......................................................... 9
4.1.1. Kompetenzmodell Mathematik 8. Schulstufe ...................................................... 9
4.1.2. Ziele des Mathematikunterrichts ....................................................................... 11
4.2. Überfachliche Kompetenzen ........................................................................................ 13
5. Merkmale von effektiven Unterricht ..................................................................................... 18
6. Offener Unterricht als neues Unterrichtskonzept ................................................................. 21
6.1. Entwicklung des offenen Unterrichts ............................................................................ 21
6.2. Ziele des offenen Unterrichts ....................................................................................... 22
6.3. Bereiche der Öffnungen .............................................................................................. 24
6.4. Was bei offenen Unterrichtsformen zu beachten ist ..................................................... 26
6.5. Methoden des offenen Unterrichts ............................................................................... 28
6.5.1. Wochenplan: .................................................................................................... 28
6.5.2. Stationenlernen: ............................................................................................... 30
6.5.3. Projektunterricht: .............................................................................................. 32
6.5.4. Freiarbeit: ......................................................................................................... 35
6.6. Die neue Lehrer/innen- Rolle in offenen Unterrichtsformen ......................................... 37
7. Empirischer Teil .................................................................................................................. 39
7.1. Theoretischer Hintergrund der qualitativen, empirischen Erhebung –
Experteninterview ........................................................................................................ 39
7.2. Gliederung des Interviews ........................................................................................... 40
Allgemeines und Erfahrungswerte: .............................................................................. 40
Organisatorisches:....................................................................................................... 40
Heterogenität in der Gruppe: ....................................................................................... 41
Kompetenzorientiertheit, Motivation, Merkfähigkeit und Schüler/innen Verhalten: ....... 42
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 5/150
Zukunftsperspektiven: ................................................................................................. 43
Ausbildung: ................................................................................................................. 43
7.3. Beschreibung der Befragung ....................................................................................... 44
7.3.1. Steckbrief über die befragten Lehrpersonen: .................................................... 45
7.1. Darstellung der Interviews ........................................................................................... 47
7.1.1. Allgemeines und Erfahrungswerte .................................................................... 47
7.1.2. Organisatorisches ............................................................................................. 75
7.1.3. Heterogenität in der Gruppe ............................................................................. 90
7.1.4. Kompetenzorientiertheit, Motivation, Merkfähigkeit und Schüler/innen-
Verhalten ........................................................................................................ 108
7.1.5. Zukunftsperspektiven ..................................................................................... 126
7.1.6. Ausbildung...................................................................................................... 132
8. Zusammenfassung ........................................................................................................... 140
9. Conclusio .......................................................................................................................... 144
10. Literaturverzeichnis ........................................................................................................... 145
11. Abbildungsverzeichnis ...................................................................................................... 149
12. Tabellenverzeichnis .......................................................................................................... 149
13. Abkürzungsverzeichnis ..................................................................................................... 150
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 6/150
3. Einleitung
Durch laufende Reformierungsansätze in den Schulen treten ständige Veränderungen im
Unterricht auf. Das Lernen bezieht sich heutzutage nicht rein auf den Wissenserwerb, sondern
auf das Ausbilden von unterschiedlichen fachlichen, wie auch überfachlichen Kompetenzen. Die
Schüler/innen sollen sich in der Schule eine Reihe von Fähigkeiten und Fertigkeiten aneignen
können, um für das spätere Leben gerüstet zu sein.
Um die Schülerinnen/Schülern im jeweiligen Lernprozess optimal zu unterstützen, bedarf es
möglicherweise einer Umstrukturierung des Unterrichts.
Aus diesem Grund erfolgt eine Befragung von Lehrpersonen, um herauszufinden, ob offene
Lernformen den hohen Ansprüchen unserer Gesellschaft gerecht werden oder ob geschlossene
Unterrichtsformen diese weitreichenden Anforderungen besser erfüllen.
Nicht nur Befragungen durch PISA haben die Umstrukturierung des Unterrichts und die
Einführung des Kompetenzbegriffs vorangetrieben. Es gab schon lange zuvor Ansätze, die
bisherigen Lehr- und Lernmethoden anzupassen und das eigenstände Denken und Handeln im
Unterricht zu fördern.
Diese Ansätze reichen bereits auf Konfuzius (~500 v. Chr.) zurück, von welchem folgende
Aussage populär ist:
„Sage es mir – Ich werde es vergessen!
Erkläre es mir – Ich werde mich erinnern!
Lass es mich selber tun – Ich werde verstehen!“
Diese alte, berühmte Formulierung beschreibt noch immer die wichtigsten Hintergründe des
Denkens und der Gehirnforschung, welche mit folgende Fakten aufzeigt:
Tabelle 1: Aufnahmen von Lerninformationen (vgl. Witzenbacher,1985 zit. n. Gudjons, 2003, S. 108)
Wahrnehmung Vergessen in % Behalten in %
Hören 80 % 20 %
Sehen 70% 30 %
Selbst
formulieren 20 % 80 %
Selbst handeln 10 % 90 %
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 7/150
Behält man diese Aussagen im Hinterkopf und blickt in den Mathematikunterricht, sollte dieser
entsprechend den Erkenntnissen aufgebaut werden, sodass das selbstständige Tun im
Vordergrund des Lernens steht. In der verfassten Arbeit sollen genau diese Aspekte des
Mathematikunterrichts untersucht werden, um einen Überblick zu erhalten, wie gut offene
Lernformen die erwähnten Ansätze der Hirnforschung beachten und wie die Umsetzung in den
Schulen tatsächlich erfolgt.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 8/150
4. Kompetenzorientierter Unterricht - das neue Konzept im
Mathematikunterricht
Nach Weinert (2001 zit. n. BIFIE, 2011-2017) sind Kompetenzen „die bei Individuen verfügbaren
oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu
lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten,
um die Problemlösung in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu
können.“
Der Begriff „Kompetenz“ wird in den internationalen Vergleichsstudien PISA und PIRLS,
verwendet. Ihr Ziel ist es die fachlichen und überfachlichen Kompetenzen der Schüler/innen zu
messen. Aus diesem Grund ist die vielfältige Entwicklung dieser Qualifikationen eine wichtige
pädagogische Aufgabe der Lehrer/innen.
Dabei ist zu beachten, dass der Begriff Kompetenz nicht nur Wissen, Kenntnisse und Inhalte
umfasst, sondern auch die Fähigkeiten des Analysierens, Verstehens, Problemlösens und
Anwendens inkludiert. Kompetenzen sind somit als der >>Schlüssel<< zum Wissen zu vermerken,
also die Fähigkeit sich Details und Informationen selbstständig anzueignen (vgl. Böttcher, Lindart,
2009 S. 12-13, Hennerbichler, 2014, S. 8).
„Kompetenzen sind das Ergebnis von Lernprozessen. Sie sind kontextunabhängig ausgeprägt,
da sie in der Auseinandersetzung mit der Umwelt erworben werden und ermöglichen damit die
Bewältigung unterschiedlicher Aufgaben und Lebenssituationen. Kompetenzen umfassen Wissen
und kognitive Fähigkeiten, das Vermögen der Selbstregulation sowie sozial-kommunikative und
motivationale Elemente. Dieses von Weinert geprägte Kompetenz-Konzept findet sich sowohl in
der pädagogisch-praktischen, erziehungswissenschaftlichen und pädagogisch-psychologischen
Diskussion, als auch in der empirischen Forschung.“ (BIFIE, 2011-2017)
In den österreichischen Bildungsstandards werden allgemeine Kompetenzen, wie die soziale
Kompetenz, als auch fachspezifische Kompetenzen, welche die grundlegenden Kompetenzen
eines Unterrichtsgegenstandes abdecken. Sie werden benötigt, um neue Kompetenzen
aufzubauen. Mit Hilfe der erworbenen Kompetenzen wird es den Schüler/innen ermöglicht das
Wissen und die Fähigkeiten in verschiedenen Situationen anzuwenden. Sie lernen das
vorhandene Wissen zu adaptieren, um die gesetzten Ziele zu erreichen (vgl. BIFIE, 2011-2017).
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 9/150
4.1. Kompetenzen und Ziele im Mathematikunterricht
In den Bildungsstandards werden die fachspezifischen Grundlagen eines
Unterrichtsgegenstandes festgehalten. Sie werden aus dem Lehrplan abgeleitet, wobei abstrakte
Beschreibungen der Leistungsziele in konkrete Sachverhalte umgewandelt werden.
Im Mathematikunterricht gibt es zwei Kompetenzmodelle, die abhängig von der Schulstufe bzw.
vom Leistungsstand der Schüler/innen als Grundlage zur Messung der Kompetenzen dienen.
4.1.1. Kompetenzmodell Mathematik 8. Schulstufe
Abbildung 1:Kompetenzmodell in Mathematik 8. Schulstufe (BIFIE, 2011-2017)
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 10/150
Tabelle 2: Kompetenzen in Mathematik 8. Schulstufe (BIFIE, 2011-2017)
mathematischer Inhalt mathematische
Handlung Komplexität
I1: Zahlen und Maße H1: Darstellen,
Modellbilden
K1: Einsetzen von Grundkenntnissen und
-fertigkeiten
I2: Variable, funktionale
Abhängigkeiten
H2: Rechnen,
Operieren K2: Herstellen von Verbindungen
I3: Geometrische Figuren und
Körper H3: Interpretieren
K3: Einsetzen von Reflexionswissen,
Reflektieren
I4: Statistische Darstellung und
Kenngrößen
H4: Argumentieren,
Begründen
Wie aus dem Kompetenzmodell der 8. Schulstufe ersichtlich ist, soll der Mathematikunterricht
noch stärker die Förderung der Fähig- und Fertigkeiten, zur Bewältigung von lebensnahen
Situationen anstreben, als es beim Kompetenzmodell der 4. Klasse der Fall ist. Es werden alle
mathematischen Handlungsdimensionen H1-H4 als gleichwertig angesehen. Die inhaltliche
Dimension wird von den vier Bereichen der Mathematik, Zahlen und Maße; Variable, funktionale
Abhängigkeiten; Geometrische Figuren und Körper sowie Statistische Darstellung und
Kenngrößen gebildet. Im Kompetenzmodell wird zwischen drei mathematischer
Komplexitätsstufen unterschieden. Je nach Aufgabe ist es möglich, dass unterschiedliche
Handlungsdimensionen, sowie Inhaltsdimensionen verknüpft werden, um eine Aufgabe lösen zu
können. In Abhängigkeit der Zusammenhänge zwischen den Dimensionen, bzw. der Anzahl der
unterschiedlichen Dimensionen, welche benötigt werden um eine Aufgabenstellung zu lösen,
erfolgt die Einteilung in unterschiedliche Komplexitätsstufen. Sind Ergebnisse direkt aus den
Angaben zu entnehmen oder müssen nur Grundfähigkeiten verwendet werden, spricht man vom
Komplexitätsgrad 1.
Das mathematische Kompetenzmodell der 8. Schulstufe ergibt sich im Allgemeinen immer aus
dem Zusammenhang zwischen Handlungs-, Inhalts- und Komplexitätsbereich. Somit umfasst das
Modell in Summe 48 mathematische Kompetenzen (vgl. BIFIE, 2011-2017).
Das kompetenzorientierte System, welches bereits ab der Grundschule etabliert ist, sollte bis zur
abschließenden Matura einheitlich umgesetzt werden.
Bei der zentralen Reifeprüfung werden die erworbenen Kompetenzen in zwei unterschiedlichen
Bereichen abgeprüft. Dabei besteht der erste Teil der Mathematik-Matura aus den allgemeinen
grundlegenden Kompetenzen der Mathematik und der zweite Bereich aus komplexeren Aufgaben,
welche vernetztes Denken abprüfen (vgl. Bundesministerium für Bildung , kein Datum).
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 11/150
Da diese Kompetenzen die Grundlage des heutigen Schulsystems bilden, ist es von hoher
Bedeutung, dass die Lehrpersonen ein Lernumfeld schaffen, um den Erwerb dieser Kompetenzen
zu fördern. Wie gut die Erreichung der unterschiedlichen Kompetenzen mit den, von den
Lehrpersonen eingesetzten, zum Teil offenen Lernformen erfolgt, ist aus den Interviews des
empirischen Teils zu entnehmen.
4.1.2. Ziele des Mathematikunterrichts
Die Ziele des Mathematikunterrichts liegen nicht nur in der Entwicklung der verschiedenen
Handlungsebenen der mathematischen Kompetenzen, sondern auch in der Aneignung der
überfachlichen Kompetenzen und der Allgemeinbildung.
Welche Ziele nun tatsächlich im Mathematikunterricht erworben werden sollen, wird durch den
staatlich festgelegten Rahmenlehrplan definiert. Wie intensiv schließlich die einzelnen Themen im
Unterricht behandelt werden, liegt im Interesse der jeweiligen Lehrkraft.
Nach Leuders lassen sich die Ziele des Mathematikunterrichts „aus der Struktur des Faches
ableiten. Sie entstehen durch Forderungen, die von außen, d.h. von der Gesellschaft
(beispielsweise in Form eines Bildungs- oder Qualifikationsauftrags) an das Fach herangetragen
werden.“ (Leuders, 2005, S. 37)
Sie sollten mit den allgemeinen Zielen des Unterrichts einhergehen, die nach Zech in der Regel
vom Schultyp abhängig sind. Je nach Schwerpunkt einer Schule werden die Ziele individuell
gesteckt (vgl. Zech, 2002, S. 51).
Aus Sicht der Schüler/innen wirkt das Fach Mathematik oft realitätsfern und nur für die Schule von
Bedeutung (vgl. Leuders, 2005, S. 38, 39).
Daher sollte ein Ziel des Mathematikunterrichts sein, dass die Schüler/innen einen Realitätsbezug
erkennen und das erworbene Wissen im späteren Leben umsetzen können.
Aufgrund der technischen Veränderungen, beziehungsweise der Technisierung in der heutigen
Welt, könnten sich auch Veränderungen im Unterrichtsstil der Mathematik ergeben.
Die Fachwissenschaft soll Einblicke in die grundlegenden Strukturen dieser Techniken bieten.
(vgl. Leuders, 2005, S. 43).
Die technischen Geräte können unterstützend wirken, um mathematische Herausforderungen zu
verstehen. Dadurch werden die Ansprüche an die Schüler/innen weg vom Operieren und
Rechnen, hin zum Verstehen der Aufgaben und Anwenden von vernetzen Denken verschoben.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 12/150
Es sollen mit Hilfe des Mathematikunterrichts die Wissenschaftsorientierung vermittelt werden.
Darunter wird die fachwissenschaftliche Aufarbeitung von mathematischen Thematiken im
Rahmen des Mathematikunterrichts verstanden. Dazu zählen ebenso Beweisführungen oder
Berechnungen aus der Wirtschaft (vgl. Leuders, 2005, S. 43).
Besonders in der universitären Weiterbildung erleichtert das Vorhandensein dieser Kompetenzen
das Studienleben enorm.
Natürlich soll auch der Erwerb von Schlüsselkompetenzen und überfachlichen Kompetenzen als
Ziel des Mathematikunterrichts gesehen werden. Eine Aneignung dieser sehr unterschiedlichen
Fähigkeiten, sollte als überfachliches Ziel gesehen werden.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 13/150
4.2. Überfachliche Kompetenzen
Es gibt bisher keine eindeutige Definition der überfachlichen Kompetenzen, sie können jedoch
durch die Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte nach (vgl. Dämon, Eder, Hofmann, 2012;
Klieme, Artelt, Stanat 2001; Grob, Maag Merki, 2000 zit. nach Eder & Hofmann, 2012) wie folgt
dargestellt werden:
Überfachliche Kompetenzen sind Bildungsziele, die über die inhaltliche Struktur einzelner
Schulfächer hinausreichen. Für den Erwerb dieser Kompetenzen bedarf es einer Beteiligung
von mehreren oder allen (Schul-)Fächern bzw. Unterricht und Schule als Ganzes.
Sie beinhalten zu den kognitiv-fachlichen auch motivationale, volitionale oder soziale
Komponenten und heben sich dadurch von reinem Fachwissen ab.
Die erworbenen Kompetenzen beschränken sich nicht auf die Schule, sondern weisen
grundsätzlich einen expliziten Bezug zu außerschulischen „Lebenssituationen“ auf.
Sie betreffen häufig entweder bedeutsame individuelle (z. B. Gesundheitskompetenz,
Lernkompetenz, Selbstkompetenz) oder gesellschaftsbezogene Aufgaben und Probleme (z.
B. Umweltkompetenz, Verkehrskompetenz) und werden wegen dieser Wichtigkeit wie auch
die anderen Kompetenzen normativ festgelegt.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 14/150
Nach (Eder & Hofmann, 2012) werden die überfachlichen Kompetenzen in folgende Bereiche
gegliedert:
Abbildung 2: Unterteilung der überfachlichen Kompetenzen (Eder & Hofmann, 2012)
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 15/150
Die nähere Ausführung der Kompetenzen erfolgt in Anlehnung an Maag und Merki (2015, S. 5 ff.)
Sozial-integrative Kompetenzen:
Dialog- und Kooperationsfähigkeit: Diese Kompetenz beschreibt die Fähigkeit sich mit
anderen Menschen auszutauchen und über unterschiedliche Sachverhalte diskutieren zu
können. Durch den Einsatz verschiedener Sozialformen sollen Kompetenzen hinsichtlich
der Koopterationsfähigkeit erzielt werden.
Konfliktfähigkeit: Mögliche Konflikte können angeführt, nach Lösungsvorschlägen gesucht
und schließlich bewältigt werden.
Umgang mit Vielfalt: Die Vielfalt wird als persönliche, wie gesellschaftliche Bereicherung
angesehen. Es ist die Aufgabe jedes Schüler/ jeder Schüler/in auch zur
Gleichberechtigung beizutragen.
Selbstbezogene Kompetenzen:
Selbstreflexion: Die Schüler/innen sollen über die eigenen Ressourcen, Fähig- und
Fertigkeiten Bescheid wissen. Die eigene Ressourcen kennen und nutzen.
Selbstständigkeit: Durch diese Kompetenz soll der Schulalltag und die Lernprozesse
zunehmend selststänig bewältigt werden. Zudem sollen die Schüler/innen die nötige
Ausdauer aufweisen, um auch komplexe und umfangreiche Aufgaben zu lösen.
Eigenständigkeit: Die Schüler/innen sollen eigene Ziele und Werte verfolgen und diese
wiederkehrend reflektieren.
Methodische Kompetenzen:
Sprachfähigkeit: Die Schüler/innen sollen ein breites Repertoire sprachlicher
Ausdrucksformen entwicklen.
Informationen nutzen: Sie sollen Kompetenzen zur Informationsbeschaffung, -analyse, -
bewertung, -aufbereitung und – präsentation erwerben.
Aufgaben/Probleme lösen: Durch unterschiedliche Strategien können Arbeitsprozesse
geplant, durchgeführt und der Lernprozess reflektiert werden. Durch abschließende
Reflexionen sollen die durchlaufenden Lernprozesse bewertet werden.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 16/150
Die folgenden Kompetenzen wurden nach (Maag Merki, 2015) nicht näher erläutert, was diese
jedoch nicht minderwertiger erscheinen lassen soll.
Ökologische Kompetenzen:
Nachhaltiger Umgang mit Ressourcen: Die Schüler/innen sollen den bewussten Umgang
mit den natürlichen Ressourcen lernen.
Umweltbildung: Sie sollen ein gewissen Umweltverständnis aufweisen. Durch das
Bewusstwerden, dass es nur eine gemeinsame Erde gibt, die geschützt werden muss, soll
ein entsprechendes Verhalten der Schüler/innen erzielt werden. (Mülltrennung,
Fahrzeugnutzung,…)
Verkehrserziehung: Mit Hilfe der Verkehrserziehung lernen die Schüler/innen den Umgang
im Straßenverkehr, die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln und den umweltlichen
Aspekt , welcher durch Kraftfahrzeuge beeinflusst wird.
Gesellschaftsbezogene Kompetenzen:
Demokratische Kompetenz: Die Schüler/innen sollen ein demokratisches Verhalten in
jeglicher Situation aufbringen. Dazu zählen Werte wie Toleranz, friedliches
Zusammenleben, Emanzipation, Parizipation, Solidarität und Bereitschaft zur
Verantwortungsübernahme.
Kulturelle Kompetenz: Die Schüler/innen sollen die nötige Akzeptanz anderen Kulturen
gegenüber aufweisen und ihnen respektvoll und wertschätzend entgegentreten.
Unternehmerische Kompetenz – Berufswahlkompetenz: Die Schüler/innen sind dazu
angehalten sich über ihre berufliche Zukunft Gedanken zu machen.
Im späteren Leben sollen sie sich in ihrem Job einbringen und sich den Herausforderungen
des Berufes stellen.
Im Curriculum ist genau dieser Erziehungsauftrag der überfachlichen Kompetenzen verankert. Als
Erweiterung der Sachkompetenzen sollen Lernumgebungen zum Erwerb der Sozial- und
Selbstkompetenz geschaffen werden (vgl. Bundesministerium für Bildung, 2010, S. 2).
Es soll als die Aufgabe jedes Unterrichtsgegenstandes gesehen werden, den Erwerb dieser
Fähig- und Fertigkeiten zu ermöglichen. Die Lehrperson muss daher den notwendigen Freiraum
gewähren.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 17/150
In der oben angeführten Grafik ist die Vielfalt dieser Kompetenzen ersichtlich. Es scheint wohl
unumstritten, dass jene Schüler/innen, welche bereits im Laufe der Schulzeit persönliche (zB.
Selbstkompetenz), wie gesellschaftsbezogene Kompetenzen (zB. Sozialkompetenz) erwerben
konnten, gut für das spätere Leben gewappnet sind. All jene Schüler/innen, welche Defizite in
diesen Bereichen aufweisen, sollten diese Fertigkeiten aus eigenem Interesse nachholen.
Aus diesem Gedanken heraus, sollte jede Lehrperson die Schüler/innen bestmöglich auf die
Zukunft vorzubereiten und den Kompetenzerwerb in jeder Planung einer Unterrichtseinheit
fördern. Dies soll nicht allein wegen der rechtlichen Bestimmungen, sondern im Sinne des
Lehrauftrags berücksichtigt werden.
Eine mögliche Herangehensweise wird in den folgenden Kapiteln 6.5.1., 6.5.2., 6.5.3.
beschrieben. Es sei jedoch dahingestellt, ob es sich bei diesen Ansätzen, um die einzige
förderliche Vorgehensweise handelt oder ob geschlossene Lernarrangements die Ziele des
Kompetenzerwerbs ebenfalls gerecht werden.
Doch zunächst soll geklärt werden, welche Indikatoren für einen guten Unterricht
ausschlaggebend sind.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 18/150
5. Merkmale von effektiven Unterricht
Um die Effizienz des offenen Unterrichts bestimmen zu können, sollten vorab Überlegungen
angestellt werden, welche Merkmale guten Unterricht definieren.
Nach Meyer (2004, S. 17) kann guter und effektiver Unterricht an folgenden, empirisch belegten
Punkten gemessen werden.
„Klare Strukturierung der Unterrichts: Prozess-, Ziel und Inhaltsklarheit, Rollenklarheit,
Absprache von Regeln, Ritualen und Freiräumen“
Diese ‚Spielregeln‘ des Unterrichts, werden im Vorfeld definiert und strikt eingehalten. Beim
Verstoß dieser Abmachungen, ist mit unterschiedlichen Sanktionen zu rechnen. Konkret
könnte es sich um Einschränkungen hinsichtlich der Sozialform, der Lernorte, bei häufigeren
Bruch der Regeln, um Elterngespräche handeln.
„Hoher Anteil an echter Lernzeit: durch gutes Zeitmanagement, Pünktlichkeit, Auslagerung
von Organisationskram, Rhythmisierung des Tagesablaufs“
Bei der Methodenauswahl sollte stets auf den Anteil der effektiven Lernzeit geachtet werden.
Besonders aufwändige Lernangebote, wie Stationenbetriebe sollten daher über mehrere
Einheiten (am besten Doppelstunden) verlaufen, damit der zeitliche Aufwand des Erklärens,
einem umfangreichen Pensums an echter Lernzeit gegenübersteht.
Weitere organisatorische Aufwendungen, wie jene des Klassenvorstandes (Besprechen von
Schulveranstaltungen, Information zu unterschiedlichen Themen) sollten nicht Bestandteil
einer Unterrichtseinheit sein. Für diese Organisationen müssten zusätzliche
Koordinationsstunden eingeführt werden.
„Lernförderliches Klima: durch gegenseitigen Respekt, verlässlich eingehaltene Regeln,
Verantwortungsübernahme, Gerechtigkeit und Fürsorge“
Durch gemeinsam erstellte Klassenregeln, soll das Zusammenleben in der Klasse positiv
beeinflusst werden. Dazu zählen nicht nur der gegenseitige Respekt, die Wertschätzung,
Fürsorge und Gerechtigkeit, sondern auch die Akzeptanz anderer Kulturen und Religionen.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 19/150
„Inhaltliche Klarheit: durch Verständlichkeit der Aufgabenstellung, Plausibilität des
thematisches Gangs, Klarheit und Verbindlichkeit der Ergebnissicherung“
Die verwendeten Materialien sollten, entweder vorab im Plenum besprochen werden oder
besonders im offenen Unterricht selbstklärend, gut strukturiert und verständlich aufgebaut
sein, damit die Schüler/innen eigenständig die gestellten Aufgaben erfüllen können.
Durch klare, inhaltliche Strukturen kann eine zielführende Erarbeitung erfolgen. Sind die
gestellten Aufgaben jedoch unverständlich, wirken sie erfolgshemmend und schränken den
Lernprozess ein.
Die Schüler/innen müssen selbstständig, um Hilfestellungen oder Erklärungen fragen.
Entweder informieren sie sich bei den Lehrkräften oder es stehen informierende Materialien
zur Verfügung. Die Übertretung dieser Hemmschwelle ist jedoch nicht für jeden Schüler/ jede
Schülerin als Selbstverständlichkeit anzusehen.
Durch eine nachträgliche Erklärung, könnten sich auch manche Schüler/innen im laufenden
Lernprozess gestört fühlen.
Bietet die Lehrperson aus eigener Initiative heraus Hilfestellungen an (‚Wie geht’s?‘, Ist alles
klar?‘, ‚Gibt es Fragen?‘), wird der Lernprozess ebenfalls unterbrochen (vgl. Bohl & Kucharz,
2013, S. 122 ff).
„Sinnstiftendes Kommunizieren: durch Planungsbeteiligung, Gesprächskultur,
Sinnkonferenzen, Lerntagebücher und Schülerfeedback“
Durch Partizipation der Schüler/innen in der Planung des Unterrichtsgeschehens können die
Interessen dieser intensiver in den Lernprozess integriert werden.
Es sollte den Schüler/innen die Möglichkeit gegeben werden, den Unterricht zu bewerten, um
Feedback über die eigene Persönlichkeit als Lehrer/in und den bisher praktizierten Unterricht
zu erhalten.
„Methodenvielfalt: Reichtum an Inszenierungstechniken; Vielfalt der Handlungsmuster;
Variabilität der Verlaufsformen und Ausbalancierung der methodischen Großformen“
Die Methodenvielfalt setzt vorrangig eine umfangreiche Methodenkenntnis der Lehrer/innen
voraus.
Durch die Kombination aus offenen und geschlossenen Unterrichtsmethoden sollen
verschiedene Lerntypen bestmöglich angesprochen und gefördert werden.
Die Methodenvielfalt „erhöht die Lernchancen der Schüler/innen, vor allem wenn man von
einem erweiterten Lernbegriff [fachliche und überfachliche Kompetenzen] ausgeht, zu dem
neben inhaltlich-fachlichem Lernen methodisch-strategisches, sozial-kommunikatives und
affektives Lernen hinzukommen.“ (Huber & Hader-Popp, 2009, S. 2)
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 20/150
„Individuelles Fördern: durch Freiräume, Geduld und Zeit; durch innere Differenzierung und
Integration; durch individuelle Lernstandsanalysen und abgestimmte Förderpläne; besondere
Förderungen von Schülern aus Risikogruppen“
Durch eine individuelle Förderung soll jede/r die optimale Unterstützung und Forderung
erhalten, um umfangreich Fertigkeiten zu erlangen und die gesetzten Ziele zu erreichen oder
gar zu übertreffen. Um diese entsprechende Förderung zu erzielen, sind unterschiedliche
Ansätze der Differenzierung notwendig.
„Differenzierung bedeutet die Unterscheidung, Verfeinerung, Abstufung und Aufteilung der
Lerninhalte, denn Lernen ist ein ebenso komplexer wie subjektiver Vorgang. Unterschiedliche
Begabungen und soziale Einbettungen und ihre damit verbundenen spezifischen
Lernbedürfnisse erfordern differenzierte Unterrichtsverfahren.“ (Paradies & Linser, 2001, S. 9)
„Intelligentes Üben: durch Bewusstmachen von Lernstrategien, passgenaue
Übungsaufträge, gezielte Hilfestellungen und ‚überfreundliche‘ Rahmenbedingungen“
Durch den Erwerb der Kenntnisse über den jeweiligen Lerntyp (Kapitel 6.2) können
entsprechende Lernstrategien für die Wissensaufnahme angewendet werden.
Beim intelligenten Üben macht nach Wellenreuther (2013, S. 95 ff) nicht immer Übung den
Meister, sondern die Auswahl der Übungen und die Einstellungen zum Lernstoff.
Um sich auf ein bestimmtes Rechenverfahren konzentrieren zu können, muss aus seiner Sicht
der Kopf von anderen unnötigen Belastungen befreit sein.
„Klare Leistungserwartungen: durch ein an den Richtlinien oder Bildungsstandards
orientiertes, dem Leistungsvermögen der Schülerinnen und Schüler entsprechendes
Lernangebot und zügige förderorientierte Rückmeldungen zum Lernfortschritt“
„Vorbereitete Umgebung: durch gute Ordnung, funktionale Einrichtung und brauchbares
Lernwerkzeug“
Eine gut organisierte Lernumgebung ist als Grundstein für den Wissenserwerb zu sehen.
Bereits Maria Montessori (1930) sieht dies als wichtigen Bestandteil der Pädagogik.
Durch die Gestaltung dieser Umgebungen sollen differenzierte Ansätze, wie die Förderung
von Hochbegaben und von schwachen Schüler/innen realisierbar sein.
Der Begriff der Lernumgebung definiert nicht nur die örtlichen Gegebenheiten, sondern auch
methodische Ansätze, wie auch Lernwerkzeuge.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 21/150
6. Offener Unterricht als neues Unterrichtskonzept
Nach Wallrabenstein gilt der offene Unterricht als „Sammelbegriff für unterschiedliche
Reformansätze in vielfältigen Formen inhaltlicher, methodischer und organisatorischer Öffnung
mit dem Ziel eines veränderten Umgangs mit dem Kind auf der Grundlage eines veränderten
Lernbegriffes.“ (Wallrabenstein, 1993, S. 54)
Die Umsetzung des Unterrichts bedarf erheblicher Veränderungen, der bisher gewohnten
Unterrichtsansätze. Durch die Schaffung von einem neuen Lernumfeld soll der offene Unterricht
handlungsorientiertes, selbstverantwortliches, problemlösendes und entdeckendes Lernen
fördern (vgl. Reich, 2008).
Um vom offenen Unterricht zu sprechen, wird Offenheit aller Beteiligten, also der Eltern,
Schüler/innen, Lehrer/innen und ihrer Haltung zu den Schüler/innen selbst verlangt (vgl.
Wallrabenstein, 1993, S. 54).
6.1. Entwicklung des offenen Unterrichts
Die Formen des offenen Unterrichts entstammen reformpädagogischen Ansätzen der 1960er
Jahre, in welchen konkurrierende Strömungen den bisherigen Unterricht beeinflussten.
Ein pädagogischer Zugang rückte das Kind ins Zentrum des Unterrichts und man sprach von der
‚Schule der Kinder‘ (vgl. Reich, 2008).
Der autoritäre Unterrichtsstil, welcher auch in den 70er Jahren zum Teil noch vorherrschte und in
welchem der Lehrer/die Lehrerin im Mittelpunkt stand und den Schüler/innen das Wissen
eintrichterte, geriet allmählich außer Mode und neue Konzepte kehrten in den Schulalltag ein.
Aus gesellschaftlichen Veränderungen, neuen pädagogischen und lernpsychologischen
Erkenntnissen resultierte eine Neugestaltung der Schule (vgl. Reich, 2008).
Aus diesen verschiedenen Denkweisen entstanden im Laufe der Zeit Alternativschulen wie
Montessori-, Pestalozzi-, Waldorf- oder Petersenschulen (vgl. Wallrabenstein, 1993, S. 54-55).
Die neue Bewegung der Pädagogik förderte die Heterogenität der Schüler/innen durch
differenzierte Arbeitsanweisungen. Mit Hilfe von handlungsorientierten, offenen und individuellen
Herangehensweisen konnten die vorgegebenen Aufgaben des Curriculums erfüllt werden.
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Der offene Ansatz gibt Anreize für Meinungsverschiedenheiten, da die Vorstellungen von einen
fachlich, guten Unterricht auseinander gehen. Als Kritik wird die augenscheinlich reine Praxislehre
und die zu kurz geratene Theorie gesehen (vgl. Reich, 2008).
6.2. Ziele des offenen Unterrichts
Hauptziel einer Öffnung des Unterrichts bleibt die permanente Suche nach Eigenständigkeit und
Selbstverantwortung des Schülers/ der Schülerin. Dabei soll ein Schüler/ eine Schülerin lernen
Entscheidungen zu fällen und die Verantwortung über das eigene Handeln und über die daraus
resultierenden Konsequenzen zu übernehmen (vgl. Hastert, 2000).
Natürlich ergeben sich aus der Öffnung noch weitere Ziele, die da wären:
Variationen von Lehr- und Lernmethoden: Einer/einem Lernenden soll eine Palette an
abwechslungsreichen Methoden angeboten werden, um sich individuell entscheiden zu
können auf welche Art und Weise das Wissen und die Kompetenzen erworben werden (vgl.
Aregger, 2008, S. 12-13).
Eine Abbildung des Lerngegenstands im Lernenden wird als keine zielführende Methode
erachtet. Der Gegenstand muss aktiv vom Lernenden konstruiert und neu im Sinne des
Konstruktivismus geschaffen werden, (vgl. Bohl & Kucharz, 2013, S. 30).
Um den unterschiedlichen Lerntypen gerecht zu werden, soll eine Variation an Zugängen
durch die Lehrperson eingeplant und realisiert werden. Das heißt die verwendeten Zugänge
sollen so gestaltet sein, um folgende Lerntypen auf die angeführte Weise anzuregen:
„Optischer/visueller Lerntyp: Die Präsentation des Lernstoffes auf Mindmaps, Fotos,
Tabellen und Zeichnungen unterstützen den Lernprozess
Auditiver Lerntyp: Die Lerner/innen können Gehörtes leicht aufnehmen, behalten und
wiedergeben.
Haptischer Lerntyp: Aktion, Bewegung und Handlung im Lernprozess fördern das Lernen.
Kommunikativer Lerntyp: Der Austausch mit anderen Lernern/Lernerinnen wirkt
besonders einprägend.“ (Delaud, Demmer, Marcos, Vicinanza-Ott, & Faragó, 2012, S. 20)
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Zeit und Raum für die Abwicklung von individuell ausgewählten Lerninhalten. Die innere
Differenzierung ermöglicht individuellen Unterricht. (vgl. Hastert, 2000).
Die Schüler/innen werden je nach Entwicklung am aktuellen Lernstand abgeholt, was zu einer
Reduktion der Unter- und Überforderung führen kann.
Bei der inneren Differenzierung erfolgt eine zeitlich befristete oder andauernde Aufteilung des
Lernverbandes in Arbeitsgruppen. Es erfolgen laufend unterstützende
Integrationsmaßnahmen, um keine Separation der Lernenden zu produzieren (vgl. Meyer,
2004, S. 101, 102).
Schaffen von Problembewusstsein und Entwicklung von Lösungsstrategien: Hierzu zählt das
Schulen des vernetzten Denkens und Handelns. Probleme müssen analysiert und bewertet
werden, um die Zusammenhänge zu erkennen und problemorientiert zu arbeiten (vgl. Hastert,
2000).
Förderung der Neugierde und Motivation am Entdecken von Neuem und am Lösen und
Abschließen von selbst gewählten Aufgaben (vgl. Hastert, 2000).
Lernen soll als interagieren im sozialen Umfeld gelten. Die Öffnung des Unterrichts legt Wert
auf das Zusammenleben in der Lerngemeinschaft. Es müssen dazu Regeln vereinbart
werden, um das zwischenmenschliche Zusammenleben zu erleichtern. Es werden dabei noch
Zusatzkompetenzen wie die Sozialkompetenz geschult (vgl. Hastert, 2000).
Wie den eben beschriebenen Zielen des offenen Unterrichts zu entnehmen ist, weisen sie eine
sehr umfangreiche und breite Streuung über die verschiedenen Thematiken des Unterrichts auf.
Um tatsächlich allen gerecht zu werden, müssen in der Planung und Gestaltung der
Unterrichtsmaterialien Prioritäten gesetzt und Kriterien definiert werden.
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6.3. Bereiche der Öffnungen
Gudjons (2001, S. 25 ff.) beschreibt, nach Wagner (1978) die Dimensionen der Öffnung nach
folgenden Kriterien. Dabei achtet er auf eine schülerzentrierte und selbstgesteuerte Erarbeitung
des Unterrichtsstoffes:
Offenheit in der Organisationsform:
Die Schüler/innen haben die Freiheit über den Arbeitszeitpunkt und den Zeitpunkt der Abgabe
verschiedener Aufgaben. Zur Erfüllung dieser Arbeitsaufträge, steht den Lernenden genügend
Zeit zur Verfügung. Somit können sich die Schüler/innen die Lehr- und Lernziele im vorgegebenen
Rahmen freidefinierten. Die Arbeitsform kann in dieser Stufe der Öffnung von den Lernenden frei
gewählt werden.
Offenheit im inhaltlichen Bereich:
In diesem Bereich werden bestimmte Verpflichtungen und Regelungen gemeinsam definiert. Im
Rahmen dieser Abmachungen können die Schüler/innen die Sozialform und den Arbeitsplan frei
wählen. Es können individuell, je nach Lerntyp spezifische Inhalte aus eigenem Interesse erlernt
werden.
Offenheit im kognitiven Bereich:
Wissen kann durch entdeckendes Lernen erworben werden. Es wird nicht nur die kognitive Ebene,
sondern auch die Kreativität gefordert und gefördert. Je nach Inhalt können die Themen auch
fächerübergreifend bearbeitet werden.
Offenheit im sozioemotionalen Bereich:
Es herrscht ein demokratischer Umgang zwischen Schüler/innen und Lehrpersonen. Gefühle, wie
Angst werden abgebaut, die Schüler/innen erhalten ein Mehr an Rechten. Es werden zusätzlich
die sozialen, wie auch die emotionalen Bedürfnisse der Schüler/innen berücksichtigt. Konflikte
werden im Rahmen des Unterrichts angesprochen und geklärt.
Offenheit gegenüber der Welt außerhalb der Schule:
Es werden Überlegungen angestellt, wie unterschiedliche Lerngegenstände in den Unterricht
integriert werden können. Eine Bereicherung des Unterrichts erfolgt durch die Umwelt,
möglicherweise auch durch die soziale Herkunft der Schüler/innen. Die Eltern, Umwelt und
Gemeinde werden in das Unterrichtsgeschehen miteinbezogen. Es erfolgen Vorträge von
Experten oder Exkursionen zu unterschiedlichen Lernorten (Betriebe, Kraftwerke, Lernorte in der
Natur).
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Peschel (2011) kategorisiert die Öffnungsgrade sehr strikt in einem Stufenmodell. Wobei aus
seiner Sicht Freiheiten in der Differenzierung, Zeit, Sozialform und Ort der Stufe 0 (Vorstufe der
Öffnung) angehören, da die Schüler/innen noch wenig methodischen Freiraum und keine
Mitbestimmung erlangt haben.
Die weiteren Öffnungen beziehen sich, wie im Modell nach Gudjons, auf die methodische,
inhaltliche und sozial-integrative Freiheit.
Im Vergleich dazu sieht Sitte (Offener Unterricht, 2006, S. 296-297) eine Vielfalt im Bereich der
Methodik bereits als offenen Unterricht. Dieser Ansatz greift in jeglicher Hinsicht zu kurz, da
offener Unterricht nicht nur in einer einseitigen Öffnung definiert wird, sondern auch in der
Partizipation und Demokratisierung.
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6.4. Was bei offenen Unterrichtsformen zu beachten ist
Obwohl der offene Unterricht sehr viele offensichtliche Vorteile bietet, gibt es natürlich auch
kritische Seiten dieser Lernform, welche nicht unbeachtet bleiben sollten. Die Einschränkungen
diese geöffneten Lernarrangements werden im folgenden Abschnitt nach Wallrabenstein (1993,
S. 272) genauer erläutert:
Jeder Unterrichtsgegenstand muss so umgesetzt werden, dass er den Richtlinien des
Rahmenlehrplans genügt. Haben die Schüler/innen nun die freie Wahl über die
Unterrichtsinhalte und Verfahren, sollte man diesbezüglich etwas skeptisch sein.
Bei jüngeren Schüler/innen kommt es sehr häufig zur Überforderung, wenn ihnen eine große
Anzahl an Freiheiten geboten wird. Sind nun aufbauende Lerninhalte, Kulturtechniken und
Verfahrensweisen Grundlage zur Erfüllung des Rahmenlehrplans, ist das „Try and Error“-
Verhalten eines Kindes nur wenig ökonomisch und sie benötigen viel Zeit, um die
Aufgabenstellungen korrekt zu lösen.
Aus diesem Grund muss auch der offene Unterricht gelernt werden, indem er zuerst stark
angeleitet zur selbstständigen Erarbeitung der geforderten Aufgaben anregt. Die
Schüler/innen sollen im Rahmen dieser Anleitungen das eigenständige Arbeiten, den Umgang
mit freien Lernmaterialien und Sozialformen erlernen (vgl. Graumann, 2002, S. 176 ff).
Die vorgegebene Freiheit des Unterrichts ist nach Wallrabenstein meist rein hypothetisch. Die
Schüler/innen haben zwar die Auswahl aus unterschiedlichen Aufgabenstellungen, können
diese Sachaufgaben nur in den seltensten Fällen mitbestimmen. Es handelt sich dann nicht
um offenen Unterricht, sondern um ein fremdgesteuertes, kleinschrittiges Training, welches
isoliert Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt. Die Schüler/innen sollen mit Hilfe dieser Form
des offenen Unterrichts alleine oder in Gruppen eigengesteuert Aufgabenstellungen
untersuchen, produzieren, darstellen und kritisch hinterleuchten.
Viele Schulen nehmen den offenen Unterricht als Aushängeschild, um die Anzahl der
Schulanmeldungen aufrecht zu erhalten, obwohl sie in Wahrheit einem pädagogischen
Stillstand unterliegen. Andere Schulen werden aus dem Druck der Elterninitiativen zu offenen
Formen gezwungen, obwohl sich die praktizierenden Lehrpersonen mit dieser Form des
Unterrichts nicht identifizieren können. Dabei entsteht ein halbherziger Stil, unter welchem alle
Beteiligten leiden.
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Der offene Unterricht sollte erst dann zur Anwendung kommen, wenn die Ziele, Inhalte und
Zeitpläne fixiert sind, denn nur so kann das Einhalten des Curriculums gewährleistet werden.
Befindet sich diese Unterrichtsform in einer Experimentierphase, wird von der Umsetzung
abgeraten.
Bei der Öffnung des Unterrichts nach innen, wie auch nach außen, sind die Lehrpersonen
gefordert ein Gleichgewicht zwischen den Bedingungen des Lehrplans und den Interessen
und Vorstellungen der Schüler/innen herzustellen. Es müssen die Ansprüche der Sache, der
Lebensnähe, der Pflichtarbeiten, des Spaßes am Entdecken der Dinge und das Nachdenken
gelehrt und gelernt werden.
In einer Form des offenen Unterrichts, in welcher keine Rahmenbedingungen im Lernort, der
Lernzeit, der Lerndauer, der Arbeitsintensivität oder dem sozialen Umgang kommuniziert
werden, kann es zu unübersichtlichen Lernverhalten kommen.
Die offenen Formen bieten sich dann sehr gut für Stunden des Nichtstuns an. Die Arbeiten werden
häufig in Gruppen erledigt, sodass eine Übersicht über ausgeführte Aufgaben verloren geht. Es
ist schwer zu kontrollieren, ob tatsächlich alle Schüler/innen am Lernprozess beteiligt sind, oder
die gesamten Aufgaben von einigen Wenigen ausgeführt werden.
Dieser möglichen Abwendung der Mitarbeit sollte sich jede Lehrperson vor der Einführung dieser
Lernform bewusst sein und über entgegenwirkende Handlungen nachdenken.
Werden die Spielregeln des offenen Unterrichts zu Beginn kommuniziert und vehement
eingefordert, lernen die Schüler/innen mit ihren Freiheiten umzugehen und die vorgegebene Zeit
effektiver, als Lernzeit zu nutzen.
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6.5. Methoden des offenen Unterrichts
Die offenen Unterrichtsansätze bietet eine breite Auswahl an methodischen Möglichkeiten zur
Umsetzung. Je nach Öffnungsgrad kommen unterschiedliche Formen zum Einsatz. Häufig
eingesetzte Lernzugänge werden im folgenden Abschnitt näher ausgeführt.
6.5.1. Wochenplan:
Der Wochenplan gilt als Alternative zum lehrerzentrierten Unterricht, in welchem der Lehrer/ die
Lehrerin die Kontrolle nicht vollständig aus der Hand gibt.
Die Schüler/innen erhalten Aufgabenstellungen, welche sie in einer vorgegebenen Zeitspanne
bearbeiten sollen. Wie es der Name bereits andeutet, liegt der Arbeitszeitraum meist, jedoch nicht
zwingend, bei einer Woche.
Der Inhalt, welcher im Rahmen des Wochenplans zu erfüllen ist, kann aus einem bestimmten
Fachbereich, aus einem Unterrichtsfach oder fächerübergreifend sein.
Die Freiheiten der Schüler/innen werden individuell von der jeweiligen Lehrkraft definiert, zumeist
die Schüler/innen über die Sozialform bestimmen können. Es liegt somit im Interesse der
Schüler/innen, ob in Einzel-, Partner-, oder Gruppenarbeit gelernt wird (vgl. Reich, 2008, S. 1).
Diese Form des Unterrichts soll den Schüler/innen den nötigen Freiraum geben, um
entdeckendes, praktisches, selbstständiges Lernen zu ermöglichen.
Meist zeichnet sich der Wochenplan durch die Einteilung in Pflichtaufgaben, welche von jedem
Schüler/ jeder Schülerin erfüllt werden müssen und weiteren, frei wählbaren Lernaktivitäten,
Angeboten und Zusatzmaterialien aus (vgl. Wallrabenstein, 1993).
Es wird den Schüler/innen die notwendige Selbsteinschätzung abverlangt, dass sie eigenständig
entscheiden können, ob sie zusätzliche Übungsaufgaben benötigen, um das Wissen zu vertiefen
und zu festigen.
Der Wochenplan zielt ebenfalls auf eine, durch intrinsische Motivation gestützte, selbstständige
Bearbeitung der vorgegebenen Aufgaben ab. (Die Definition der intrinsischen Motivation ist dem
Kapitel 7.1.4.5 zu entnehmen.)
Dabei soll die Entwicklung des individuellen Lernstils, entsprechend des jeweiligen Lerntyps,
unterstützt werden. Gelingt es den Schüler/innen einen entsprechenden Lernstil zu entwickeln,
können sie produktiv die gestellten Aufgaben bewältigen (vgl. Middendorf, 2008, S. 60 ff).
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Zur freien Auswahl an Unterrichtsmaterialien erhalten die Schüler/innen zusätzliche Freiheiten in
der zeitlichen Dimension. Die Reihenfolge, wie auch der Zeitpunkt der Bearbeitung der
Aufgabenstellungen liegt in den Händen der Schüler/innen (vgl. Middendorf, 2008, S. 60 ff).
Das nötige Zeitmanagement zählt zu den wichtigen Selbstkompetenzen der Schüler/innen, die sie
sich aneignen sollten.
Der Wochenplan bietet des Weiteren die Möglichkeit der inneren Differenzierung. Um die
Heterogenität der Klasse anzusprechen, kann der Wochenplan wie bereits beischrieben in Pflicht-
und Wahlmodule unterteilt. Sein die Schüler/innen schon hinreichend kompetent, können die
Pflichtaufgaben stets übersprungen und durch anspruchsvollere Aufgabenstellungen, auch in
Kombination mit Freiarbeiten, ersetzt werden. Wie diese Zusatzangebote umgesetzt werden, liegt
im Interessensgebiet der Lehrperson.
Die ausgeführten Aufgaben können anschließend mittels aufgelegten Kontrollmaterialien
selbstständig verglichen werden. Durch diese Vorgehensweise erfolgt ein wichtiger Schritt zur
Selbstständigkeit und schult zusätzlich die Eigenverantwortung (vgl. Reich, 2008, S. 1 ff).
Da die Bearbeitungsreihenfolge der Aufgaben nicht festgelegt ist, kann eine persönliche, zeitnahe
Rückmeldung zur erfüllten Arbeit, seitens der Lehrkraft nur schwer realisiert werden. Um laufende
Kontrollen durchzuführen, werden zu den Lösungsbögen auch Schüler/innen als „Chefs“ geschult,
welche die Aufgaben von Kollegen/Kolleginnen kontrollieren und rückmelden dürfen (vgl.
Wellenreuther, 2013, S. 404).
Diese Zusatzfunktion soll nicht nur unterstützend wirken, sondern auch zur Schulung der
Kompetenzen der Schüler/innen dienen. Das Erklären einer Aufgabe bedarf einem ausgeprägten
Verständnis des Sachverhaltes. In der Rolle der „Chefs“ lernen die jeweiligen Schüler/innen
zudem den demokratischen Umgang mit Schüler/innen, welche Lernschwierigkeiten aufweisen.
Die Bewertung eines Wochenplans erfolgt anschließend nicht nach den Gewohnheiten des
geschlossenen Unterrichts. Die Lehrperson, welche im Hintergrund des Arbeitens steht, erlangt
zusätzliche Freiheiten, um individuelle Beobachtungen während der Lernprozesse und über -
produkte und –fortschritte durchzuführen. Als Bewertungsgrundlage dienen letztendlich die
Produkte, jedoch auch der Lernzuwachs und die Dokumentationen zu den Beobachtungen vom
laufenden Lernbetrieb (vgl. Middendorf, 2008, S. 63 ff).
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 30/150
Bei der Einführung von Wochenplänen sollten grundsätzliche Einschränkungen hinsichtlich der
Sozialform und der Lernmaterialien getroffen werden. Die Schüler/innen lernen nach genaueren
Anleitungen, da sie noch wenig bis keine Erfahrungen mit dieser Art von Unterricht haben. Ist die
Methode unter den Lernenden bekannt, kann eine Form der Umsetzung gewählt werden, in
welcher die Schüler/innen die Partizipation in der Wahl der Stoffinhalte, Zeit und der Sozialformen
erlangen (vgl. Middendorf, 2008, S. 60 ff).
6.5.2. Stationenlernen:
Unter einem Stationenbetrieb versteht man das Lernen an vorgegebenen Arbeitsstationen. Je
nach Variation der Methode können die Stationen gleichwertig oder in Pflicht- wie auch
Wahlaufgaben unterschieden werden. Die Schüler/innen müssen grundsätzlich alle
Pflichtstationen bearbeiten. Das Lösen der Wahlstationen liegt in der Entscheidung der jeweiligen
Lernenden.
Der Stationenbetrieb ist durch eine räumliche Gebundenheit der Stationen gekennzeichnet,
sodass die Schüler/innen eine Station an Ort und Stelle ausführen. Das Angebot von
unterschiedlichen Aufgabenstellungen stellt eine Differenzierungsmöglichkeit dar (vgl.
Wellenreuther, 2013, S. 404).
Die Reihenfolge der Bearbeitung ist von den Lernenden selbst zu wählen. Die Arbeitsaufträge an
den Stationen stellen in der Regel einen thematischen Zusammenhang dar, sie bedienen sich
dennoch unterschiedlicher Komplexität (vgl. Sitte, 2006, S. 298 ff.)
Bei der Planung des Stationenbetriebs können auch sogenannte Parallelstationen erstellt werden.
Diese Stationen kennzeichnen sich durch die Bearbeitung des gleichen Ziels wie eine andere
Station, es werden jedoch unterschiedliche Zugänge gewählt und somit andere Sinneskanäle
dabei angesprochen. Dieses Zusatzangebot erzielt daher das Ansprechen von unterschiedlichen
Lerntypen und verschiedene Interessensgebiete der Lernenden (vgl. Middendorf, 2008, S. 53 ff.).
Hinsichtlich dieses Zusatzangebotes eignen sich daher besonders jene Themen gut, welche
breigefächert sind und genau diese unterschiedlichen Zugänge erlauben (vgl. Reich, 2008, S. 7).
Der Stationenbetrieb kann so aufgebaut sein, dass die Reihenfolge der Bearbeitung vorgegeben
ist. Unter diesen Umständen sollten unbedingt Pufferstationen in das System integriert sein,
welche in der Zwischenzeit erledigt werden können, da die Arbeitsgeschwindigkeiten sehr
individuell sein können. Die Pufferstationen können zum Beispiel aus Materialien bestehen,
welche einfach zu vervielfältigen sind (Lückentexte, Arbeitsblätter,…) (vgl. Middendorf, 2008, S.
53 ff.).
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Die Umsetzung des Stationenlernens fordert eine aktive Haltung der Schüler/innen. Sie können
nicht, wie aus dem lehrerzentrierten Unterricht bekannt, passiv am Unterricht teilnehmen, sondern
müssen sich den Unterrichtsstoff selbstständig erarbeiten. Um dies zu ermöglichen, sollten die
Unterrichtsmaterialien dem entsprechend aufbereitet sein.
Der Stationenbetrieb ist besonders für die Vertiefung und Übung eines Unterrichtsthemas
geeignet. Zur Einführung in ein neues Kapitel eignet sich diese Methode nur bedingt (vgl.
Middendorf, 2008, S. 53 ff.).
Um eine erfolgreiche Umsetzung der Methode zu erzielen, müssen folgende Regeln nach
Middendorf (2008, S. 57) notwendigerweise befolgt werden:
Die Schüler/innen lesen sich die angegebenen Arbeitsanweisungen genau durch und befolgen
sie.
Nach Beendigung der Arbeit an einer Station wird diese für die nächste Gruppe wieder
hergerichtet.
Die Unterhaltung mit Mitschüler/innen soll im Flüsterton erfolgen, damit die anderen
Schüler/innen in Ruhe und konzentriert arbeiten können.
Wichtige Zwischenergebnisse der Stationenarbeit halten die Schüler/innen auf einem
„Laufzettel“ fest, welcher die Funktion hat, die Arbeiten zu organisieren und den Überblick über
die gebotenen Stationen zu behalten.
Die Dauer und der Umfang von Stationenbetrieben können sehr starken Schwankungen
unterliegen. Häufig weisen sie eine Dauer von mindestens einer Doppeleinheit bis hin zu 30
Einheiten auf (vgl. Wellenreuther, 2013, S. 404 ff.).
Das Stationenlernen für eine einzelne Unterrichtseinheit zu planen, ist sehr aufwändig und würde
nicht den Qualitätskriterien nach Meyer (siehe Kapitel 5) für guten Unterricht entsprechen, da nur
wenig echte Lernzeit verbleibt. Das Aufbauen und Erklären der einzelnen Stationen würde einen
zu großen Teil der Unterrichtseinheit einnehmen und die Arbeitszeit erheblich einschränken.
Aus meiner Sicht sollte daher diese Methodik nur in Doppelstunden oder geblockten
Arbeitsphasen eingesetzt werden, um nicht die Unterrichtseinheit für organisatorische
Maßnahmen zu vergeuden.
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Obwohl diese Methode sehr viele Vorteile mit sich bringt, sind der hohe Arbeitsaufwand und der
enorme Umfang an Vorbereitung nicht zu vernachlässigen. Aus diesem Grund sollte beim Einstieg
in den Lehrberuf der Stationenbetrieb als Abwechslung zu anderen Lernformen gesehen werden.
Nach einigen Dienstjahren kann man aus einem Repertoire an Materialien schöpfen, was die
Aufbereitung des Stationenbetriebes enorm vereinfacht.
6.5.3. Projektunterricht:
Der „Projektunterricht ist eine planvolle, selbstorganisierte, interdisziplinäre Auseinandersetzung
mit realen Problemen in gemeinsamen Zusammenwirken von Schülern, Lehrern und sonstigen
Beteiligten mit dem übergeordneten Ziel, durch Präsentation von Ergebnissen einen Beitrag zur
Demokratisierung der Gesellschaft zu leisten.“ (Fridrich, 1996 zit. nach Fridrich, 2006, S. 358)
Im Allgemeinen soll der Projektunterricht so gestaltet sein, dass nicht ein praktischer Bezug zu
einem vorgefertigten theoretischen Thema gesucht werden soll, sondern die Theorie auf
praktischen Wege erlernt, erforscht und dargestellt wird (vgl. Reich, 2008, S. 10).
Der Projektunterricht lässt sich in Anlehnung an Gudjons (2001, S. 81 ff.) in folgende Merkmale
gliedern:
Projektschritt 1: Eine für den Erwerb von Erfahrungen geeignete, problemhaltige
Sachlage auswählen.
Situationsbezug:
Der Sachbezug muss im Vorhinein von den Lehrpersonen überprüft werden, ob er für den
Inhalt des Projektes herangezogen werden kann. Dabei muss der Inhalt so ausgewählt
werden, dass die Schüler/innen Erfahrungen sammeln können und der Sachverhalt eine
Herausforderung und kein echtes Problem darstellt.
Orientierung an den Interessen der Beteiligten:
Das Thema soll sich an den Interessen der Beteiligten orientieren. Für eine Entfaltung des
Themas, erfolgt eine gemeinsame Erarbeitung im Rahmen eines Frontalunterrichts.
Gesellschaftliche Praxisrelevanz:
Die Aufgabenstellung soll einen tieferen Sinn beziehungsweise eine gesellschaftliche
Relevanz an den Tag legen, da es ansonsten, wie bereits schon von Dewey kritisiert, zu
wenig ernst genommen wird. Das Projekt soll im besten Fall zu einer bewegenden Selbst-
oder Weltveränderung führen.
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Projektschritt 2: Gemeinsam einen Plan zur Problemlösung entwickeln
Zielgerichtete Projektplanung:
Die Aufgabe besteht darin, dass die Schüler/innen und Lehrpersonen in Kooperation einen
gemeinsamen Plan zur Lösung des Projekts entwerfen. Dabei erfolgt eine Konkretisierung
der Projektziele, welche auch die Arbeitsabfolgen, einzelne Tätigkeiten, Verteilungen der
Aufgaben, Zeitmanagement, Endproduktserstellungen und Auswertungen der Ergebnisse
beinhalten.
Selbstorganisation und Selbstverantwortung:
Die Planung wird nicht durch die Lehrpersonen geleitet, sondern liegt vollständig in den
Händen der Lernenden. Es soll jedoch nicht zu einem Laissez-fair-Stil ausarten, sodass
die Lehrpersonen sich nicht einschreiten trauen. Eine vollkommene Instruktion durch die
Lehrkräfte, würde nicht einem Projektunterricht entsprechen.
Projektschritt 3: Sich mit dem Problem handlungsorientiert auseinandersetzen
Einbeziehen vieler Sinne:
Beim Projektunterricht wird selbstständig unter Einbeziehung von möglichst vielen
Körperteilen gearbeitet. Es wird das Ansprechen von unterschiedlichen Sinnen erzielt. Im
Laufe der Projektarbeiten erfolgen verschiedene Kooperationen, Erforschungen und
gruppeninterne, wie auch externe Gespräche mit Stakeholdern.
Soziales Lernen:
Der Projektunterricht charakterisiert sich dadurch, dass Schüler/innen miteinander und
voneinander lernen. Durch Interaktionen, Koordination der Gruppenarbeiten zu einem
Ganzen, Interessensausgleich usw. ergibt sich ein sozialer Prozess im Projekt.
Projektschritt 4: Die erarbeitete Projektlösung an der Wirklichkeit überprüfen
Produktorientierung:
Das erworbene Wissen nach einer Projektarbeit hat im Vergleich zum Wissen, welches
man sich vor einer Klausur aneignet, einen höheren Gebrauchs- und Mitteilungswert. Es
wird durch die Aufnahme über unterschiedliche Kanäle gedächtniswirksam abgespeichert.
Die Ergebnisse der Projekts sind für jeden einzelnen /jede einzelne und für die gesamte
Klasse von Bedeutung. Daher sollen die Produkte eines Projektunterrichts öffentlich
zugänglich gemacht werden, um von Außenstehenden kritisiert, beurteilt und zur Kenntnis
genommen zu werden. Die erworbenen Problemlösungsstrategien sollen anschließend an
der Wirklichkeit überprüft werden.
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Interdisziplinarität:
Ein Projekt ist oft nicht einem bestimmten Unterrichtsgegenstand zuzuordnen, da es über
die Grenzen eines Faches hinausgeht, was jedoch bei der Umsetzung nur wenig von
Bedeutung ist. Kann das Projekt schließlich verschiedenen Fächern zugewiesen werden,
können verschiedene Vertiefungsansätze erfolgen.
Grenzen des Projektunterrichts:
Der Projektunterricht stößt an jenen Bereichen an seine Grenzen, wo andere
Unterrichtsformen ihren berechtigten Stellenwert aufweisen. Die Projektarbeit soll als
Ergänzung dienen, um eigene Erfahrungen und Kenntnisse im Bereich der Forschung zu
machen.
Das Ende der Projektarbeit ist durch eine Präsentation der Arbeitsergebnisse gekennzeichnet. Je
nachdem wie weit die Öffentlichkeit ins System miteinbezogen wurde, erfolgt die Präsentation
innerhalb der Schule oder im Rahmen vom Tag der offenen Tür (vgl. Gudjons, 2001, S. 104 ff.).
Nach einer abschließenden Präsentation ist eine Reflexion über den Arbeitsprozess und die
entstandenen Ergebnisse unerlässlich (vgl. Reich, 2008, S. 17).
Die Leistungsbewertung soll vorab gut überlegt werden und muss so konstruiert sein, dass sie
vom traditionellen Sinne abweicht und an die tatsächliche Gegebenheit angepasst wird. Die
Bewertung beginnt bereits in der Durchführung, durch Projektevaluationen, einer anschließenden
Beratung und Rückmeldung. Mit Hilfe eines Projekttagebuchs, welches die Schüler/innen im Laufe
der Tätigkeiten erstellen, kann der Projektfortschritt nachvollzogen werden. Die Kriterien der
Beurteilung, wie auch die grundlegenden Bestandteile des Produkts sollen im Vorhinein zwischen
den Lehrpersonen und Schüler/innen abgeklärt werden (vgl. Gudjons, 2001, S. 104 ff.).
Bei Projekten im Mathematikunterricht oder genauer gesagt im Bereich der Geometrie können
Vermessungsarbeiten der Realität enthalten sein. Die Aufgabenstellungen sind aus einem
breitgefächerten Spektrum auszuwählen, die bis hin zu Fermi-Aufgaben führen können. Bei dieser
Art von mathematischen Aufgaben sollen die Schüler/innen über das Verständnis der Geometrie
hinaus auch Fähigkeiten zum Modellbilden, der Kreativität und des Schätzungsvermögen
erwerben. Durch dieses aktive, ganzheitliche, multimediale Arbeiten gelangen die erlernten
mathematischen Fähigkeiten und Fertigkeiten ins Langzeitgedächtnis, was zu einer
qualitativhochwertigen Abspeicherung führt.
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6.5.4. Freiarbeit:
Die Grundlagen der Freiarbeit gehen auf Montessori zurück. Schüler/innen können in einer
vorbereiteten Lernumgebung mit Hilfe von vorbereiteten Materialien eine Auswahl treffen, um die
Lern- und Aktivitätsbedürfnisse zu stillen.
Dabei können sie eigenständig neue Fähig- und Fertigkeiten erlangen. Die Lernenden sollen ein
vorgegebenes Lernziel erreichen. Durch selbstständiges Arbeiten und Entscheidungsfreiheiten
über Sozialform, Medien, Lerntempo und Methoden können sie aus einem Repertoire aus
didaktisch aufbereiteten Materialien auswählen (vgl. Middendorf, 2008, S. 64 ff).
Abbildung 3:Darstellung der Freiarbeit (Reich, 2008, S. 6)
Die Einführung der Freiarbeit muss behutsam und schrittweise erfolgen. Ausgehend von der
Materialienauswahl, kann nach und nach eine Öffnung hinsichtlich der Handlungsform und der
inhaltlichen Schwerpunkte erfolgen.
Bei einer vollständigen Öffnung kommt man der Form des Projektunterrichts sehr nahe (Gudjons,
2001, S. 28-29).
Die Freiarbeit zielt grundsätzlich auf selbstverantwortliches Lernen, nach den individuellen
Bedürfnissen und Lernvoraussetzungen ab. Es wird im Gegensatz zum lehrerzentrierten
Unterricht das Lerntempo und die Lernintensivität durch den Lernenden/ die Lernende reguliert.
Zudem erfolgt eine Ausprägung der sozialen Kompetenzen durch Kommunikation, Interaktion und
Kooperation mit den Kollegen/Kolleginnen (vgl. Middendorf, 2008, S. 65).
„Indem Freiarbeit Entscheidungsfreiheit, Eigenverantwortlichkeit, Reflexion des eigenen Handelns
und Selbstkontrolle der Lernenden fördert und einfordert, trägt sie maßgeblich zur
Persönlichkeitsentwicklung bei.“ (Middendorf, 2008, S. 65)
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Im Mathematikunterricht können Freiarbeiten im Rahmen von freien Übungsphasen eingesetzt
werden. Diese Lernmaterialien können so gestaltet werden, dass sie unterschiedliche Lerntypen
ansprechen, wie auch verschiedenen Niveaus entsprechen.
Besonders vor Schularbeiten kommen Freiarbeiten zum Einsatz, indem die Schüler/innen nicht
nur den Schwierigkeitsgrad, sondern auch das noch zu übende Mathematikthema auswählen
können.
Diese Auswahl der offenen Lernformen entspricht lediglich einem kleinen Ausschnitt der
gesamten Sammlung der Methodik. Natürlich gibt es viele weitere Lernansätze zur Vermittlung
von Wissen, die sich im Öffnungsgrad wesentlich voneinander unterscheiden.
Wie bereits aus den Beschreibungen der unterschiedlichen offenen Lernformen ersichtlich ist,
bedarf es bei der Umsetzung dieser Lernarrangements einer umfangreichen Umstrukturierung.
Dabei ergeben sich nicht nur Veränderungen in den Lernorten, sondern auch in der Rolle der
Lehrperson. Diese Änderungen werden im folgenden Kapitel näher ausgeführt.
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6.6. Die neue Lehrer/innen- Rolle in offenen Unterrichtsformen
Die Beschreibung des Lehrberufes erfolgt unter folgender Definition:
„Lehrer/innen erziehen und unterrichten Schüler/innen an Schulen bzw. Bildungseinrichtungen.
Im Rahmen der Erziehung vermitteln Lehrer/innen soziale Verhaltensweisen und Wertesysteme
und sind Ansprechpartner für Schüler/innen in fachlichen und persönlichen Angelegenheiten.
Beim Unterricht vermitteln sie Faktenwissen, Fachwissen und fachbezogene Kenntnisse und
Fertigkeiten. Darüber hinaus leiten sie Schüler/innen zum selbstständigen Denken und Arbeiten
an.“ (Laube, o. A.)
Nach (Middendorf, 2008) zählen zu den bereits angeführten Aufgaben eines Lehrers noch die
Planung und Organisation von Lernprozessen. Dann trifft die Berufsbezeichnung auf die
Beschreibung des Lehrberufs im traditionellen Sinne zu. Es steht der Lehrer/ die Lehrerin im
Mittelpunkt des Geschehens und in der Rolle als Wissensvermittler.
In den offenen Unterrichtsformen, bedarf es einer Umstrukturierung dieser Rolle.
Sie soll sich weg vom Wissensvermittler und hin zum Lerncoach verändern.
Die erste Anpassung ergibt sich bereits in der Planung des Unterrichts. Im traditionellen Unterricht
wurde die Lerneinheit von der Lehrperson im Alleingang geplant. Durch die Partizipation der
Schüler/innen ist diese Vorgehensweise in der Regeln nicht mehr angemessen. Die Schüler/innen
nehmen aktiv am Unterrichtsgeschehen teil, was eine Individualisierung der Lernprozesse zur
Folge hat. Die Unterrichtsinhalte, sowie die Methoden der Durchführung können von den
Schüler/innen in der Umsetzung mitbestimmt werden.
Bei offenen Lernformen soll auf die Interessen und die individuellen Lernstände eingegangen
werden, was eine gute Beobachtungsgabe und einen scharfen Sinn zur Diagnostik bei der
Lehrperson voraussetzt (vgl. Middendorf, 2008, S. 89).
Eine weitere Veränderung ergibt sich durch mögliche fächerübergreifende und offene Lernformen
dahingehend, dass die Planungen oft im Team oder in der Gruppe stattfinden.
Dies erfolgt besonders dann, wenn unterschiedliche Gegenstände in der Lernform involviert sind.
Die Vorbereitung des Unterrichts erfolgt in Rahmen von Treffen, Gesprächen, E-Mails, usw. (vgl.
Labudde, Szlovák, Schären, Weber, & Wild-Näf, S. 22-23).
In Hinblick auf die zentrale Matura wird die Rollenveränderung zudem deutlich. Früher galt der
Lehrer/ die Lehrerin als Wissensvermittler/in, Übungsleiter/in und Prüfer/in. Es lag in der
Verantwortung der jeweiligen Lehrperson, wie genau die unterschiedlichen Lerninhalte vermittelt
und im Rahmen von Schularbeiten und letztendlich der Matura abgeprüft wurden.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 38/150
Die Zentralmatura lagert die Rolle des Lehrers/ der Lehrerin als Prüfer/in an eine externe Instanz
aus.
Die Lehrperson agiert nun als Lerncoach und kreiert Lernumgebungen und Übungsmaterialien,
um die Kompetenzen, die zur positiven Absolvierung der Matura notwendig sind zu vermitteln.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 39/150
7. Empirischer Teil
7.1. Theoretischer Hintergrund der qualitativen, empirischen Erhebung –
Experteninterview
Verbale Daten werden in der qualitativen Forschung mittels Erzählung oder mittels
Leitfadensinterview erhoben. Stehen dabei Erfahrungen und Erlebnisse im Vordergrund dieser
Erhebung, es wird häufig das narrative Interview oder die Expertenbefragung eingesetzt (vgl.
Flick, 1999, S. 114 zit. n. Mayer, 2002, S. 36).
Das Interview kennzeichnet sich durch teils offene, wie auch geschlossene Fragestellungen. Die
Wahl des Fragetyps ist häufig von der Art des Interviews abhängig. Bei telefonischen Interviews
werden häufig Antwortmöglichkeiten vorgegeben. Bei Interviews, in welchen man dem
Interviewpartner/ der Interviewpartnerin direkt gegenüber sitzt, geben offene Fragestellungen oft
nähere Auskünfte. Durch eine Vorgabe von Antwortmöglichkeiten drängt man die interviewte
Person bereits in eine bestimmte Richtung und beeinflusst womöglich die eigentliche Meinung.
Unter der Verwendung eines Leitfadens kann die Vergleichbarkeit der Daten erhöht und die
Auswertung vereinfacht werden. Der Interviewleitfaden soll zusätzlich als Hilfestellung dienen, um
alle wichtigen Bereiche der Befragung abzudecken und keine Details zu übersehen.
Bei der Durchführung des Interviews können sich in manchen Bereichen weitere Fragestellungen
ergeben. Die Genauigkeit der Erläuterungen hängen jedoch vom Interviewer sowie vom
Interviewten ab (vgl Flick, 1999, S. 112 und Friebertshäuser, 1997, S. 376 zit. n. Mayer, 2002).
Beim Experteninterview ist nicht der/die Interviewte als Person interessant, sondern in seiner/ihrer
Rolle als Lehrperson. Aus dieser Perspektive erlangt der Interviewleitfaden eine wichtigere Rolle.
Es besteht die Aufgabe, das Expertenwissen zu ermitteln und von „irrelevanten“ Ausschnitten der
Person abzugrenzen (vgl. Flick, 1999, S. 102, Meuser, Nagel, 1991 zit. n. Mayer, 2002).
Als weiteres Merkmal des Experteninterviews ist die aufwendige Nachbereitung zu sehen. Die
durch die Erhebungstechnik gesammelten Informationen weisen einen hohen Reflexionsbedarf
auf. Aus diesem Grund benötigen sie in der Regel eine umfangreiche literarische Durchleuchtung
(vgl. Bogner, Littig, & Menz, 2002, S. 16).
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 40/150
7.2. Gliederung des Interviews
Das Interview gliedert sich in sechs verschiedene Teilbereiche. Ich habe bewusst diese Gebiete
ausgewählt, da ich sie persönlich als sehr wichtig bei der Umsetzung von offenen Lernformen
erachte, beziehungsweise sie mich seit längerer Zeit interessieren.
Allgemeines und Erfahrungswerte:
Die erste Frage befasst sich mit der eigenen Definition und dem eigenen Verständnis von offenen
Lernformen. Die Fragen 2 bis 6 handeln vom praktizierten Unterricht und der individuellen
Umsetzung. Hierbei interessiert mich vor allem, welche Themen sich aus Sicht der Lehrperson für
die offene Umsetzung eignen und in welchen Phasen eines Kapitels die offenen Methoden zum
Einsatz kommen. Von Interesse ist für mich besonders, wie die konkrete Umsetzung des
Mathematikunterrichts realisiert wird und welche Aspekte beachtet werden sollen.
(1) Was verstehen Sie unter offenen Unterricht?
(2) Wie sieht Ihr Mathematikunterricht aus und wie erfolgt der Einsatz von offenen
Unterrichtsformen? Können Sie Ihren Mathematikunterricht beschreiben?
(3) Welche Themen eigenen sich aus Ihrer Sicht gut für eine offene Umsetzung? Welche
Themen eignen sich schlecht für die offene Umsetzung?
(4) In welchen Bereichen eines Themas lassen sich offene Unterrichtsformen gut
verwenden? (Einführung, Erarbeitung, Üben, vor Schularbeiten,…)
(5) Welche unterschiedlichen Methoden kommen dabei zum Einsatz?
(6) Auf was sollte man bei der Umsetzung besonders Acht geben, beziehungsweise
welche Einschränkungen ergeben sich durch den offenen Unterricht?
Organisatorisches:
In diesem Punkt erfolgt eine genauere Analyse der gegebenen Rahmenbedingungen. Dazu
zählen die räumlichen Gegebenheiten und das notwendige Classroom-Management.
(7) Wie sind die räumlichen Gegebenheiten für die Umsetzung des
Mathematikunterrichts?
(8) Wie empfinden Sie das Classroom-Management im Vergleich offenen zu
geschlossenen Lernformen?
Die weiteren Fragestellungen befassen sich mit unterschiedlichen Indikatoren, welche sich durch
die Umsetzung von unterschiedlichen Lernformen ergeben. Konkret sind dies die
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 41/150
Arbeitslautstärke, der Arbeitsaufwand und die Bestimmung des Lernzuwachses. Für mich ist von
Interesse, ob die Leistungsmessung als Instrument von der Lernform abhängig ist.
(9) Wie hoch ist die Arbeitslautstärke vom offenen Unterricht im Vergleich zu anderen
Lernformen?
(10) Aus organisatorischer Sicht: Welche Unterrichtsformen weisen einen höheren
Arbeitsaufwand auf?
(11) Wie erfolgt die Bestimmung des Lernzuwachses bei geschlossenen Lernformen und
wie erfolgt die Bestimmung des Lernzuwachses bei offenen Lernformen? (Produkte,
Test,…)
Heterogenität in der Gruppe:
Die erste Frage beschäftigt sich mit der Umsetzung in den unterschiedlichen Schulstufen. Ich
erwarte mir als Ergebnis, dass der Einsatz von unterschiedlichen Lernformen womöglich nicht in
allen Jahrgangsstufen gleich gut funktioniert.
(12) In welchen Schulstufen/Klassen funktionieren die offenen Umsetzungen am besten?
Ich möchte mit Hilfe der kommenden Fragestellungen herausfinden, wie die Förderung und
Forderung von leistungsstarken sowie leistungsschwachen Schüler/innen konkret umgesetzt wird.
(13) Wie kann eine Förderung und Forderung von Kindern mit Defiziten ab besten
bewerkstelligt werden?
(14) Mit Hilfe welcher Unterrichtsformen erfolgt eine optimale Forderung und Förderung
von besonders begabten Schüler/innen?
Die beiden weiteren Fragen beschäftigen sich mit der Klassenzusammensetzung. Im Rahmen
dieser Fragestellungen sollen Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen Faktoren wie
Migration, Geschlecht und Leistung gefunden und deren Auswirkungen ermittelt werden.
(15) Ist aus Ihrer Sicht die Anwendung von offenen Lernformen von der Leistung einer
Klasse abhängig? Wenden Sie Unterrichtsmethoden eher in leistungsstarken oder
leistungsschwachen Klassen an?
(16) Hat die Zusammensetzung der Klasse Einfluss auf offene Unterrichtsformen?
(Geschlecht, Migrationshintergrund,…)
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 42/150
Kompetenzorientiertheit, Motivation, Merkfähigkeit und Schüler/innen-Verhalten:
Der nächste Teilbereich des Interviews beschäftigt sich mit der Kompetenzorientierung, der
Motivation und Merkfähigkeit sowie mit den unterschiedlichen Lerntypen.
Frage 19 soll den Erwerb der fachlichen Kompetenzen abfragen. Es ist spannend zu untersuchen,
ob eine bestimmte Lernform das Aneignen von bestimmten Kompetenzen oder Handlungsebenen
besser fördert als eine andere.
(17) Hängt die Erreichung der mathematischen Kompetenzen von einer bestimmten
Lernform ab? Wenn ja, welche Abhängigkeiten ergeben sich aus Ihrer Perspektive?
Fragen 20 und 21 befassen sich mit der überfachlichen Kompetenzentwicklung.
Im Lehrplan wird von einer Erweiterung der Sachkompetenz durch Sozial- und
Selbstkompetenzen gesprochen (vgl. Bundesministerium für Bildung, 2010, S. 2) (siehe Kapitel
4.2). Für mich sind jene Kompetenzen insofern wichtig, da sie im späteren Leben in allen
Bereichen abverlangt werden.
(18) Welche überfachlichen Kompetenzen eignen sich die Schüler/innen durch offene
Lernformen an?
(19) Welche überfachlichen Kompetenzen eignen sich die Schüler/innen durch
geschlossene Lernformen an?
Da ich die Motivation im Mathematikunterricht wie auch das Speichern der neuen Informationen
im Langzeitgedächtnis als besonders wichtig erachte, befrage ich meine ausgewählten
Lehrpersonen zu diesem Themen.
Für mich stellt sich die Frage, ob diese beiden Faktoren abhängig von der praktizierten Lernform
sind, beziehungsweise ob sich die Schüler/innen in einer bestimmten Lernform motivierter
verhalten oder mehr Wissen behalten. In Verbindung dieser Befragungen sehe ich die
unterschiedlichen Lerntypen, was die Frage 24 behandelt.
(20) Wie wirken sich offene/geschlossene Lernformen auf die Merkfähigkeit der
Schüler/innen aus?
(21) Wie wirken sie sich auf die Motivation in offenen Formen im Vergleich zu
geschlossenen Lernformen aus?
(22) In welcher Unterrichtsform werden die unterschiedlichen Lerntypen (auditiv, visuell,
kommunikativ, motorisch) besser angesprochen?
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 43/150
Zukunftsperspektiven:
In den folgenden Fragen werden zukünftige Auswirkung der Lernformen und
Veränderungswünsche in der jeweiligen Schule thematisiert.
(23) Welche Auswirkungen könnte der offene/geschlossene Unterricht auf die Bildung für
die Zukunft haben? (späteres Berufsleben, universitäre Ausbildung, Verhalten,…)
(24) Müsste sich Ihre Schule verändern, um Ihren persönlichen Unterricht besser
umzusetzen? Wie würde diese Art von Unterricht aussehen?
Ausbildung:
Im letzten Teil des Interviews werden Befragungen hinsichtlich der eigenen Ausbildung zum
offenen Unterricht beziehungsweise den eigenen Mankos zum Thema durchgeführt.
Besonders in der Frage 27 kommen aus meiner Sicht die Versäumnisse in der alten Ausbildung
und die Wünsche und Anregungen zum Vorschein, welche ich persönlich sehr spannend finde.
Durch notwendige Veränderungen in der neuen Lehrer/innen-Ausbildung können möglicherweise
bisherige Defizite ausgeglichen werden.
(25) Welche Ausbildungen haben Sie zu offenen Unterrichtsformen genossen?
(26) Würden Sie sich eine bessere Ausbildung zu diesem Thema wünschen? In welchen
Bereichen fühlen Sie sich schlecht ausgebildet?
(27) Wie müsste für sie die neue Lehrer/innen Ausbildung aussehen?
Welche Bereiche sollten im Rahmen der Ausbildung behandelt werden?
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 44/150
7.3. Beschreibung der Befragung
Ich habe bereits im Vorfeld Überlegungen zur Auswahl der Lehrpersonen getroffen.
Die Lehrkräfte sollten für meine Untersuchung an unterschiedlichen Schultypen tätig sein und
bereits einige Jahre an praktischer Erfahrung mit sich bringen. Ich versuchte eine
geschlechterneutrale Untersuchung durchzuführen, daher entschied ich mich für fünf weibliche,
und 3 männliche Lehrkräfte.
Mit diesen Kriterien habe ich anschließend acht ausgewählte Lehrpersonen gefragt, ob sie mir für
ein Interview zur Verfügung stehen. Alle der acht ausgewählten Lehrkräfte gaben mir eine positive
Rückmeldung. Natürlich darf man dabei nicht außer Acht lassen, dass einige der befragten
Personen aus meinem engeren Freundeskreis kommen.
Als einen Glückstreffer ist der häufige Einsatz der offenen Unterrichtsformen zu vermerken, da
mir zuvor der Unterrichtsstil nur von manchen bekannt war.
Roland ist in einer reformpädagogischen Schule tätig, welche mit offenen Ansätzen propagiert
Sabine und Franz begleiteten mich im Rahmen meiner praktischen Ausbildung und gewährten mir
dabei einen Einblick in ihr Unterrichtsgeschehen.
Durch die anonyme Auswertung der Interviews, was den Lehrpersonen bereits im Vorhinein
kommuniziert wurde, sind die Antworten der Befragten freier und ehrlicher. In diesem Ansatz
wurde ich in mehreren Interviews bestärkt: „Darf ich das eigentlich sagen, nicht dass ich in
Schwierigkeiten komme? – Okay das Interview wird anonymisiert, dann kann ich dir das genauer
erzählen.“
Die Vornamen meiner gewählten Lehrkräfte dienen rein der besseren Lesbarkeit und
Personalisierung, sie entsprechen jedoch in keiner Weise den realen Namen meiner interviewten
Personen.
Die Interviews wurden mit Hilfe meines Mobiltelefons aufgenommen und anschließend
transkribiert. Zur besseren Lesbarkeit wurden bei der Niederschrift grammatikalische sowie
sprachliche Fehler korrigiert.
Zu den erwähnten Korrekturen wurden zusätzliche Symbole eingeführt, welche im gesamten
Interviewtext derselben Bedeutung nachgehen:
[…]………… Abkürzung der Aussage der interviewten Person
Um geschlechtsneutral zu bleiben, wurden die Antworten entsprechend den vorgegebenen
Richtlinien geändert.
Es wurde dennoch stets auf die Aufrechterhaltung des Sinns geachtet.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 45/150
7.3.1. Steckbrief über die befragten Lehrpersonen:
7.3.1.1. Lehrperson 1 - Lara
Geschlecht Weiblich
Fächerkombination Chemie, Physik, Geographie, Mathematik
Alter 26
Dienstjahre 4
Schultyp PTS, Vorher NMS
Lehrverpflichtung Voll
7.3.1.1. Lehrperson 2 – Daniela
Geschlecht Weiblich
Fächerkombination Physik, Mathematik
Alter 25
Dienstjahre 2
Schultyp HTL
Lehrverpflichtung Voll
7.3.1.2. Lehrperson 3 - Tanja
Geschlecht Weiblich
Fächerkombination Chemie, Physik, Mathematik
Alter 31
Dienstjahre 8
Schultyp Oberstufen Realgymnasium, Vorher NMS
Lehrverpflichtung 12
7.3.1.3. Lehrperson 4 - Roland
Geschlecht männlich
Fächerkombination Chemie, Physik, Mathematik
Alter 33
Dienstjahre 2
Schultyp Reformpädagogisches Oberstufengymnasium
Lehrverpflichtung voll
7.3.1.4. Lehrperson 5 - Karl
Geschlecht männlich
Fächerkombination Mathematik, Mechatronik
Alter 52
Dienstjahre 30
Schultyp PTS
Lehrverpflichtung 12
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 46/150
7.3.1.5. Lehrperson 6 - Martina
Geschlecht Weiblich
Fächerkombination Chemie, Physik, Mathematik
Alter 51
Dienstjahre 31
Schultyp NMS
Lehrverpflichtung voll
7.3.1.6. Lehrperson 7 - Sabine
Geschlecht Weiblich
Fächerkombination Chemie, Physik, Werken, Mathematik
Alter 42
Dienstjahre 25
Schultyp NMS
Lehrverpflichtung voll
7.3.1.7. Lehrperson 8 - Franz
Geschlecht männlich
Fächerkombination Physik, Mathematik
Alter 63
Dienstjahre 38
Schultyp Gymnasium
Lehrverpflichtung voll
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 47/150
7.1. Darstellung der Interviews
Die Darstellung der folgenden Interviews erfolgt themenweise. Das Ziel ist, einen direkten
Vergleich der unterschiedlichen Aussagen zu ermöglichen.
7.1.1. Allgemeines und Erfahrungswerte
7.1.1.1. Was verstehen Sie unter offenen Unterricht?
Die Definitionen in den Interviews können sehr individuell erfolgen. Bei diesen Statements
ergeben sich große Unterschiede im Grad der Öffnung. Für manche der befragten Lehrpersonen
beginnt offener Unterricht bereits bei der eigentlichen Methodenvielfalt und bei entwickelnden
Lehrer/innen-Schüler/innen-Gesprächen, für andere wiederum wird erst bei hohem Öffnungsgrad
mit freier Auswahl an Lernmaterialien, Arbeitsorten und Lernzeiten von offenem Unterricht
gesprochen.
Lara versteht unter dem Begriff des offenen Unterrichts folgende Definition:
„Für mich ist der offene Unterricht das freie und offene Arbeiten der Schüler/innen. Sie haben
dabei die Auswahl aus unterschiedlichen Materialien, können die Reihenfolge der Ausführung
der Arbeitsaufträge, wie auch den Lernplatz frei auswählen.“
Für Daniela ist der offene Unterricht wie folgt zu verstehen:
„Die Definition, die ich kenne besagt, dass man unter offenem Unterricht alles versteht, wo nicht
ganz genau vorgegeben ist, was der Schüler/ die Schülerin im Unterricht macht. Also alles
zwischen der freien Auswahl von Übungsbeispielen bis hin zum selbstständigen
Durcharbeiten von ganzen Themen oder Projekten.“
Aus Tanjas Definition wird besonders die Selbstständigkeit und Eigenverantwortung im
Lernprozess hervorgehoben.
„Für mich ist offener Unterricht ein schülerzentrierter Unterricht, in welchem die Schüler/innen
selbstständig und eigenverantwortlich arbeiten. Die Lernenden erhalten die Möglichkeit sich
in Spezialgebieten zu vertiefen und der Lehrer/ die Lehrerin rückt in den Hintergrund.“
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 48/150
Roland hält sich mit folgender Aussage klar an eine vorgegebene Definition von Peschel:
„Ich halte mit bei der Definition an jene von Falko Peschel, welcher mit der Einteilung in
Öffnungsgrade arbeitet. Also wo die Schüler/innen nach und nach mehr Freiheiten bekommen.
Beim klassischen Stationenbetrieb spricht Peschel noch vom Grad 0 […].
In der methodischen Öffnung können die Schüler/innen entscheiden, wie ein Lernstoff bearbeitet
wird. Bei der vollständigen Öffnung haben die Schüler/innen alle Freiheiten, also über
Methodenauswahl, Sozialform, Lernort, Vertiefungsthema […]. Das vom Lehrer/ von der Lehrerin
ausgewählte Thema ist nur mehr eine Basis.“
Karl versteht unter offenen Unterrichtsformen folgendes:
„Offener Unterricht ist für mich, dass ich als Lehrkraft nicht direkt vorgehe, was die
Schüler/innen zu tun haben.“
Aus meiner Sichtweise ist die eben beschriebene Definition von Karl ein Widerspruch zu den unten
angeführten Einschränkungen des offenen Unterrichts, in welcher er von klaren Strukturen spricht.
Einerseits sollen seiner Definition zur Folge keine klaren Vorgaben herrschen, andererseits
werden genau diese benötigt, um aus seiner Sicht nicht von Zeitverschwendung und niveaulosen
Endprodukten zu sprechen.
„Als Einschränkung des offenen Unterrichts sehe ich die Organisation. Ist eine offene Lernform
schlecht organisiert artet diese in eine reine Zeitverschwendung ohne jeglichen Nutzen
aus[…].“
Für Martina ist der offene Unterricht zur Struktur gekennzeichnet, die sie deutlich hervorhebt.
„Für mich ist offener Unterricht, dass die Schüler/innen nach klardefinierten Angaben
selbstständig Lernschritte machen. Die Vorschriften müssen dabei ganz klar formuliert sein,
sodass die Schüler/innen wissen was zu tun ist und was am Ende herauskommen muss. Ist
dies nicht der Fall kommen keine brauchbaren Ergebnisse heraus - zumindest nicht in der NMS.
In diesem Alter können die Schüler/innen noch zu wenig […].“
Diese Definition vom offenen Unterricht beschreibt die sehr genauen Rahmenbedingungen der
Umsetzung. Werden jedoch zu strikte Regeln definiert und die Schüler/innen in jeder Freiheit
eingeschränkt stellt sich die Frage, ob tatsächlich von einer offenen Lernform zu sprechen ist
(siehe Kapitel 6.4).
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 49/150
In der folgenden Definition von Sabine erfolgt eine genaue Beschreibung der Öffnung
dahingehend, dass auch demokratische Ansätze angesprochen und erklärt werden.
„Offener Unterricht per se, würde ich sagen, existiert nicht. Für mich ist offener Unterricht eine
Form des geöffneten Unterrichts. Die Schüler/innen können den Grad der Öffnung
mitbestimmen und zwar was, wo, wie, wann und womit gelernt wird. Der offene Unterricht
muss aufgebaut werden, damit Schüler/innen ihr Mitspracherecht einfordern und wahrnehmen.
Sie sollen ihren Bedürfnissen entsprechend ihre Lernform organisieren, die Zeit organisieren
und das Material auswählen können. Der offene Unterricht braucht aus meiner Sicht eine
konstruktivistische Einstellung zum Lernen [...].“
Franz fasst sich in seiner Definition über den offenen Unterricht sehr kurz und beschreibt ihn mit
Sozialformen und Methoden.
„Unter offenen Unterricht verstehe ich einen Stationenbetrieb, Partnerarbeit, Lerndiktat,
Teamarbeit und aus.“
In Bezug auf das Stufenmodell der Öffnung von Falko Peschel (2011) wird ersichtlich, dass in
beinahe allen Definitionen lediglich von der methodischen Öffnung die Rede ist.
Besonders in der Definition von Franz wird ersichtlich, dass für ihn der offene Unterricht einer
Sammlung aus Methoden und Sozialformen gleichzusetzen ist. Es werden weder Freiheiten in
Lernorten und Lernzeiten, noch die Partizipation oder die veränderte Lehrer/innen Rolle angeführt.
Der offene Unterricht als demokratischer Lernansatz wird lediglich in jener Definition von Sabine
berücksichtigt. Vergleicht man die angeführten Aussagen, mit jener Definition aus Kapitel 6.3,
werden in den Interviews bloß Teile der offenen Form beschrieben.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 50/150
7.1.1.2. Wie sieht Ihr Mathematikunterricht aus und wie erfolgt der
Einsatz von offenen Unterrichtsformen? Können Sie Ihren
Mathematikunterricht beschreiben?
In Laras Schule liegt ein Gesamtkonzept vor, welches schulintern festgelegt wird. Es wird jedes
Thema im Wochenplan abgearbeitet, wobei die Einführung jedes Kapitels in einer
lehrerzentrierten Sequenz stattfindet.
„Mein Mathematikunterricht sieht so aus, dass die Schüler/innen mit Wochenplänen arbeiten.
Die Aufgaben erstrecken sich immer über eine gesamte Woche. Die Schüler/innen können dabei
über die Reihenfolge der Bearbeitung und über den Lernort bestimmen […].
Die Schüler/innen können auch Entscheidungen über den Zeitpunkt der Kontrolle und die Art der
Umsetzung treffen. (Die Art der Umsetzung soll die Sozialform beschreiben, also ob in Einzel-,
Partner-, oder Gruppenarbeit gelernt wird).
Jede Woche beginnt mit einer Inputphase von 20 Minuten, die im Frontalunterricht verläuft. Bei
schweren Stoffgebieten kann die Inputphase auch über mehrere Tage verteilt werden. In diesem
Teil des Unterrichts werden die wichtigen Formeln ins Heft geschrieben und nötigen Strukturen
erlernt. Nach diesen maximal 20 Minuten werden die Schüler/innen unruhig, daher dürfen sie dann
am Wochenplan arbeiten […]. Diese Umsetzung des Mathematikunterrichts findet in der
gesamten Schule unter diesem Konzept statt.“
Danielas Unterricht zeichnet sich durch einen abwechslungsreichen Einsatz von offenen und
geschlossenen Methoden aus.
„Mein Mathematikunterricht findet zum Teil offen statt. Es gibt lehrerzentrierte Sequenzen in
denen ich den Schüler/innen was erkläre, aber auch Phasen in welchen sie frei arbeiten können.
Eine offene Lernform kann aber nicht den Part eines Frontalunterrichts ersetzen.
Die einfachste Form vom offenen Unterricht sind sicherlich differenzierte Übungsbeispiele,
allerdings empfinde ich das noch wenig als offenen Unterricht.
Gute Erfahrungen habe ich beim Einführen von Themen mit Miniprojekten gemacht– zum
Beispiel bei der Einführung der Exponentialfunktion bzw. beim Abschluss von Themen oder
Kapiteln – hier sind meine Schüler/innen ohne Vorgabe z.B. auf die Idee gekommen, ein
„Lernvideo“ zum Thema Optik zu drehen.
Bei offenen Phasen werden Gruppenarbeiten, Vorbereitungen von Referaten oder
Konfrontationen mit neuen Themen durchgeführt. Bei der Exponentialfunktion haben die
Schüler/innen unterschiedliche Aufgaben zum Thema erhalten – hatten aber kein Vorwissen. Mit
Hilfe dieser Aufgaben mussten sie die Zusammenhänge erkennen, Formeln aufstellen und
Sachverhalte erklären. […]“
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 51/150
Durch den Einsatz von Freiarbeiten wird in der Schule von Tanja der mathematische Lehr- und
Lernstoff erworben. Wie bei Lara erfolgt die Einführung von neuen Kapiteln im geschlossenen
Unterricht.
„In meiner NMS arbeiten die Schüler/innen in allen Gegenständen mit Freiarbeiten.
Es gibt jede Woche zwei lehrerzentrierte Mathematikeinheiten, in denen neuer Stoff gemacht
wird – oder Probleme besprochen werden. Die restlichen Mathematikeinheiten verlaufen in der
Freiarbeit. Die Schüler/innen haben an vier Tagen der Woche Zeit, dass sie an den offenen
Aufgaben arbeiten. In diesen Phasen entstehen meistens jahrgangsübergreifende
Lerngruppen, in welchen die älteren Schüler/innen den Kleinen helfen. Als Lehrerin tritt man
dann eher in den Hintergrund und beobachtet die Schüler/innen beziehungsweise hilft ihnen bei
Schwierigkeiten […].
Die Aufträge sind immer bis zum Ende des Semesters zu erledigen. Zu welcher Zeit sie an den
Mathematikaufgaben arbeiten ist ihnen überlassen. In diesen Phasen können die Schüler/innen
auch über das Lerntempo, die Sozialform und über den Lernort bestimmen[…].
Die Reihenfolge der Themen in Mathematik ist nicht direkt vorgegeben, aber viele orientieren
sich am Stoff der Theoriestunden – vor allem vor einer Schularbeit […].
Schaffen die Schüler/innen die Aufgaben bis zu dem vorgegebenen Termin nicht, bekommen sie
Punkteabzüge – als Hausübung können die Aufgaben nicht erledigt werden […].
Damit sich die Schüler/innen nicht verzetteln, ist die voraussichtliche Arbeitsdauer auf jeder
Aufgabe angeführt […].
Die Schule, in welcher Roland tätig ist, zählt zu den reformpädagogischen Gymnasien, welche
mit offenen Unterrichtsformen werben. Der praktizierte Unterricht wird vom Pädagogen wie folgt
dargestellt:
„In meiner Schule wird allgemein in Lernateliers, so nennen wir halt die Lernform, gearbeitet. Also
im Mathematikunterricht gibt es zwei Klassenstunden pro Woche, in welchen ich und mein
Kollege in der Klasse unterrichten. In diesen Einheiten lernen die Schüler/innen vor allem die
Grundstrukturen von den verschiedenen Rechenarten oder Themen – zum Beispiel bei
Gleichungen, wie schreibt man sie an, die Variablen auf die gleiche Seite bringen […].
In diesen Stunden werden auch Probleme, die in den offenen Phasen aufgetreten sind, gelöst und
neue Themen eingeführt oder geübt.
An vier Tagen der Woche können die Schüler/innen im Lernatelier verschiedene Aufgaben aus
den Hauptgegenständen machen – am Donnerstag sind die Aufgaben der Nebenfächer zu
erledigen. An allen Tagen, außer Donnerstag, sind wir Mathematiklehrer da um Fragen zu
beantworten und zu helfen.
Wir sind ja bisher ein Schulversuch und nur eine sehr kleine Schule mit nur 75 – 80
Schülern/Schülerinnen. Da liegt der Betreuungsschlüssel pro Lehrperson bei 8 -12 Schüler/innen.“
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Bei der Frage nach der Umsetzung des Mathematikunterrichts und den verwendeten Methoden,
welche als Grundlage für die Wissensvermittlung dienen, erklärt Roland, dass in seiner Schule
zum Teil in Projekten gearbeitet wird.
„Jedes Thema der Mathematik ist als Baustein aufgebaut – wir nennen das halt so. Ein Baustein
besteht aus den unterschiedlichen Aufgaben, welche die Schüler/innen als Arbeitsmaterial zur
Auswahl haben. Sie müssen einen Pflichtteil erledigen und der Rest dient zur Übung. Sind die
Schüler/innen mit diesen Materialien fertig, sollten sie das Thema verstanden haben.
Um einen Baustein abzuschließen, können die Schüler/innen auch Projekte zum Thema machen
– vor allem für gute Schüler/innen gibt es diese Option.
Ansonsten enthalten die Bausteine Materialien wie Arbeitsblätter, Übungen aus dem Buch,
Aufgaben auf Geogebra (=Mathematiksoftware).
Ist ein Baustein fertig, kann er zu jeder Zeit bei mir oder meinem Kollegen eingereicht werden –
sonst gibt es einen Abgabetermin, wo alle Endprodukte abgesammelt werden. Ist mal jemand für
längere Zeit krank, muss Derjenige/Diejenige nicht alle Aufgaben haben. Sind die Übungen nicht
abgeschlossen weil jemand faul war, ziehe ich beinhart Punkte ab […].“
Karls Unterricht verläuft etwas konventioneller als die bereits aufgegliederten Beschreibungen
der anderen Interviewpartner/innen.
„In meinem Unterricht gibt es offene Sequenzen, wenn auch nicht wirklich viele, aber es gibt
sie.
Dabei müssen sich die Schüler/innen selbst organisieren. Man gibt ihnen ein Themengebiet vor
und sie müssen sich den Stoff selber erarbeiten – bei uns ist sehr viel in Mathematik aus der
NMS bekannt […].
Sie erhalten verschiedene Materialien oder müssen sich diese irgendwie selber besorgen. Die
Unterlagen können Internetquellen, Mathematikbücher oder andere Übungszettel sein. Am
Ende müssen die Schüler/innen die Ergebnisse präsentieren, welche sie in der Gruppe erarbeitet
haben[…].“
Im Mathematikunterricht von Martina herrscht der Vorsatz, dass ein guter Mix aus
unterschiedlichen Lernformen bestehen soll, um effizient zu sein.
„Mein Mathematikunterricht besteht aus lehrerzentrierten Unterrichtssequenzen und freien
Übungsphasen […]. In meinem Unterricht verwende ich Wochenpläne mit Wahl- und
Pflichtmodulen. Zuerst müssen die Grundkompetenzen erfüllt werden, um die Zusatzaufgaben zu
lösen.
Es werden Placemates (dabei liegt ein großes Stück Papier liegt auf dem Tisch mit offenen
Fragestellungen. Die Schüler/innen sollen Informationen zur Aufgabe ergänzen. Es erfolgt ein
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 53/150
Platzwechsel oder man dreht den Zettel, liest die bestehenden Antworten und ergänzt wieder
neue Ideen.)eingesetzt – besonders wenn ich ein Thema wiederholen möchte.
Das Kugellager (Methode, in welcher die Schüler/innen zwei Kreise, einen innen und einen
äußeren Kreis bilden und sich gegenseitig Lerninhalte abfragen), eignet hervorragend beim Üben
vom großen „Ein mal eins“ – eine/r stellt drei Fragen und dann dreht sich der Kreis, dann kommt
der/die andere dran […].
Bei offene Rechercheaufgaben verwenden meine Schüler/innen ihre Handys, um Informationen
einzuholen - wir haben ja keinen Zugang zum EDV-Raum und heutzutage hat jede/r ein eigenes
Handy.
Es gibt auch Arbeitspläne mit unterschiedlichen Übungsmaterialien aus Büchern und Heften,
welche die Schüler/innen lösen sollen. Die Reihe der Bearbeitung ist aber nicht immer frei, weil
die Aufgaben sehr oft mit steigendem Schwierigkeitsgrad angeboten werden […].
Mir ist dabei wichtig, dass die Schüler/innen selbständig Kontrollen mit dem Lösungsheft
durchführen. Sie müssen lernen, selbstständig und in der eigenen Verantwortung zu lernen.
Meine Kollegin stört zwar dieser Ansatz, weil sie behauptet, dass sich die Schüler/innen selbst
anlügen und die Fehler ausbessern, doch das ist mir egal – es ist das Problem der Schüler/innen,
wenn sie jetzt so tun als können sie alles – die Schularbeit zeigt dann die Realität.
In den offenen Phasen gibt es immer zusätzliche Materialien, falls jemand vorzeitig fertig sein
sollte. Das sind bei mir keine Zusatzaufgaben, weil sonst niemand mehr schnell und gezielt
arbeiten will, sondern eher Spiele oder Belohnungen – Sudokus zum Beispiel.“
Für Martina haben offene Lernformen eine zusätzliche und besondere Bedeutung. Mit Hilfe dieser
Unterrichtsansätze können aus ihrer Sicht die tatsächlichen Wissensstände der Schüler/innen
ermittelt werden.
„Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man in den offenen Übungsphasen erkennen kann, ob
ein Schüler/ eine Schülerin den Stoff tatsächlich verstanden oder ob jemand noch Probleme hat.
Man erkennt dies in der Wahl der Arbeitsmaterialien. Man kann dabei auch den momentanen
Lernstand einschätzen und Fördermaßnahmen einleiten. Vielleicht bleibt dann manchen die
Erfahrung einer negativen Note aus – leider machen diese schlechte Erfahrung viele
Schüler/innen trotz alledem.
In geschlossenen Phasen kann ich den Wissenstand nicht beurteilen. Ich rechne an der Tafel
vor und wie viele dann selbstständig mitrechnen kann ich von vorne nicht beurteilen. Auch
Hausübungen können mir keine Auskunft geben, weil oft die Eltern oder gute
Nachhilfelehrer/innen die Aufgaben lösen.“
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 54/150
Der Mathematikunterricht von Sabine wird durch schulinterne Konzepte realisiert. Manche Fächer
werden im Fächerbündel unterrichtet. (zum Beispiel gibt es Physik, Chemie und Biologie nicht
mehr als einzelne Unterrichtsgegenstände, sondern es werden naturwissenschaftliche Themen
aus diesen spezifischen Perspektiven betrachtet.)
Mathematik ist ein separaterer Gegenstand, der jedoch für jede Schulstufe im Team geplant und
realisiert wird. Durch die gemeinsame Planung können unterschiedliche Ansichten und Ansätze
in das Unterrichtsgeschehen einfließen. Der Grad der Öffnung hängt dabei von den methodischen
Vorkenntnissen der Schüler/innen ab.
„Bei uns erfolgt die Planung des Mathematikunterrichts immer im Team. Alle
Mathematiklehrer/innen arbeiten parallel mit diesen Vorbereitungen, sodass alle Schüler/innen
das gleiche mit denselben Materialien lernen könnten […].
In der ersten Klasse beginnt die Öffnung des Mathematikunterrichts, indem Arbeitspläne
eingeführt werden, dabei wird in Pflicht- und Wahlaufgaben unterschieden.
Nach und nach werden die Aufgabe individualisiert: ‘Suche dir für dich, drei schwierige Aufgaben,
löse sie und reflektiere über diese Auswahl der Aufgaben.‘
Dabei müssen die Schüler/innen über den momentanen Wissensstand aktiv nachdenken. Diese
selbstständige Auswahl der Beispiele gibt auch Auskunft über die Selbsteinschätzung. Man
würde durch die Wahl der Beispiele eine permanente Unter- oder Überforderung erkennen und
könnte gegensteuern – ‘Du kannst diese Art von Aufgaben schon sehr gut, mache die Aufgaben
von einem anderen Übungszettel‘.“
Neben den mathematischen Aufgaben erzielt Sabine die schrittweise Einführung der Methodik mit
gezielter Öffnung, um die Schüler/innen auf die offenen Lernansätze vorzubereiten.
„In der ersten Klasse findet der Arbeitsplan meist in Einzelarbeit statt, da sich die Schüler/innen in
anderen Sozialformen häufig gegenseitig ablenken und der Fokus auf das Wesentliche verloren
geht.
In dieser Eingangsphase gehören auch grundlegende Aspekte geklärt. Dazu zählen die Kontrolle
von Aufgaben oder die Organisation von Hilfestellungen (Über Zusatzmaterial, andere
Schüler/innen, Lehrpersonen).
Es müssen auch bestimmte Regeln, besonders am Anfang, kommuniziert und strikt eingefordert
werden – sonst entartet der Unterricht schnell zum Laissez-faire-Stil.
Eine zeitliche Öffnung erfolgt erst in höheren Klassen, da ansonsten die Gefahr besteht, dass
sich die Schüler/innen in bestimmten Aufgaben verzetteln […].
Die Kontrolle der Aufgaben erfolgt über die Abgabe von Meilensteinen (gesamte Themenblöcke).
Die Schüler/innen bekommen meist 2 Wochen Zeit, um einen Meilenstein zu bearbeiten.
Nach sechs Wochen erfolgt ein Bilanzgespräch. Also es gibt ein Lehrer/innen – Schüler/innen
Gespräch, in welchem über Arbeitshaltungen, Sauberkeit der Ausführungen der Aufgaben,
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Umgang mit Materialen, Schwierigkeiten bei Themengebieten, Produktbewertungen,
Schularbeitsnoten, Noten bei Mitarbeitskontrollen, Papers (sind kleinere Abgaben – wie die
Gestaltung von Mindmaps, Merktexten usw.) gesprochen wird.
„Wir verwenden in unseren Arbeitsplänen immer unterschiedliche Zugänge und Methoden, weil
wir auf alle Lerntypen eingehen möchten.
Es besteht auch immer die Möglichkeit an einem Plenumsvortrag teilzunehmen – in welchen halt
ich den Unterrichtsstoff erkläre. (Die Lehrperson erarbeitet im lehrerzentrierten Unterricht den
Stoff, dies wird bei Bedarf als zusätzlichen Lernzugang angeboten).
Am Ende der ersten Schulstufe sind die Schüler/innen dann so weit, dass sie selbst entscheiden
können mit welchen Materialien sie lernen und ob ein Plenumsvortrag notwendig ist […].
In offenen Phasen können die Schüler/innen Übungszetteln und Beispiele im Mathematikbuch
erarbeiten oder auch auf Geogebra Aufgaben lösen.
Beherrschen die Schüler/innen die Fähigkeiten um konzentriert an den Aufgabenstellung zu
arbeiten, werden nach und nach Partner- und Gruppenarbeiten eingeführt. Schaffen sie auch
diesen Schritt, bekommen sie auch mehr Rechte zur Mitbestimmung der Arbeitsform.
Als Abschluss dieser Einführungsphase erfolgt am Ende der fünften Schulstufe ein größeres
Projekt aus dem Teilbereich der Geometrie – ‚geometrische Körper‘.
Die Schüler/innen sollen dabei ein Sachportfolio erstellen. Manche Schüler/innen gehen dann
nur auf die Eigenschaften von geometrischen Körpern ein, andere wiederum haben die
Kompetenz die Eigenschaften zu erweitern und finden bereits Bezug zur Realität (z.B. Ein Kegel
ist ein stilisiertes Turmdach).
Man erkennt aus diesen Produkten die Heterogenität der Gruppe sehr gut.
Manche Schüler/innen brauchen am Anfang noch Unterstützungen – sie wissen nicht was sie in
das Portfolio geben sollen. Aus diesem Grund gibt es grundlegende Mindestbestandteile,
welche im Portfolio enthalten sein müssen. Dazu zählt für mich, dass die Schüler/innen Grund
und Deckfläche des Körpers markieren, einen Quader im Schrägriss zeichnen, Ecken von Kanten
unterscheiden können und so weiter.
Mir ist im Portfolio auch der Alltagsbezug wichtig, darum sollen die Schüler/innen Fotos von
geometrischen Körpern machen. Manches Mal sind das zum Beispiel keine Quader, dann werden
die Eigenschaften nachbesprochen und sie erhalten eine zweite Chance – das passiert dann im
Zeichenunterricht. Für andere ist das Suchen und Fotografieren von Körpern zu schwer, daher
sollen sie aus Bildern die geometrischen Körper erkennen.
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Franz arbeitet an einem Gymnasium in welchem ich aus eigener Erfahrung sagen kann, dass nur
selten offene Lernformen zum Einsatz kommen. Sein Unterricht ist aus meiner Sicht geschlossen
und lehrerzentriert, da keine Methoden wie Stationenbetriebe, Freiarbeiten oder Wochenpläne
zum Einsatz kommen. Die Umsetzung wird lehrergesteuert ausgeführt und die Lernörtlichkeiten
beschränken sich auf jene der Klasse.
Er sieht diese Arbeitshaltung anders und spricht von einer Mischung aus offenen und
geschlossenen Lernformen.
„Mein Mathematikunterricht ist ein Wechsel aus unterschiedlichen Formen und Methoden. Es
kommen lehrerzentrierte, sowie eher offene Lernformen darin vor.
Es gibt Sequenzen, in welchen ich an der Tafel stehe und die Schüler/innen diktieren die Inhalte,
um eine Interaktion zu starten. Manches Mal werden auch Schüler/innen an die Tafel geholt
und sie rechnen Beispiele vor.
Natürlich werden auch Einzelarbeit und Teamarbeit eingesetzt. […]
Diese Teams werden immer mit dem Sitznachbarn/ der Sitznachbarin gebildet, weil es einfach bei
uns an der Schule nicht anders funktioniert.
Für das Bilden von anderen Gruppen bräuchten wir mehr Platz in der Klasse, es wäre sehr laut
und es geht dabei viel Zeit verloren. Wenn es jetzt heißt ‚wir arbeiten im Team‘- ist alles klar!“
Durch die beschriebenen Herangehensweisen im Mathematikunterricht, ist die Abhängigkeit der
Unterrichtsform von der Lehrperson gut ersichtlich. Nicht jede Aufbereitung der Stoffgebiete läuft
gleich, da diese natürlich zur Lehrer/innen-Persönlichkeit passen muss, um vor der Klasse
authentisch zu wirken.
Da es keinen Superunterricht gibt, welcher jeden Schüler/ jeder Schülerin alles erlernen kann,
sind gemischte Lernansätze (offene und geschlossen) unter der Anregung von
unterschiedlichen Lerntypen meist zielführen. Besonders in der NMS hat man die Möglichkeit
zwei unterschiedlichen Ansätzen zu folgen, da die Umsetzung im Mathematikunterricht bisher
noch im Teamteaching stattfindet.
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7.1.1.3. Welche Themen eigenen sich aus Ihrer Sicht gut für eine offene
Umsetzung? Welche Themen eignen sich schlecht für die
offene Umsetzung?
Aus Laras Sicht eignen sich alle Themen aus der Mathematik gut, um im offenen Stil unterrichtet
zu werden. Der Unterschied liegt jedoch in der Länge der lehrerzentrierten Phasen.
„Grundsätzliche eignen sich alle Themen, man muss nur schauen, wie man eine offene Lernform
im Mathematikunterricht einsetzt. Wir haben Themen, in welchen wir in einer Woche nur 20
Minuten Input geben, die restliche Woche erfolgt in der selbstständigen Arbeit. In anderen Themen
geben wir jede Mathematikstunde einen kurzen geschlossenen Input, dann wird nicht so viel frei
gearbeitet.
Themen, welche sich gut eignen und die Schüler/innen aus der NMS kennen, sind die
binomischen Formeln und Bereiche aus der Geometrie, wie der pythagoreische Lehrsatz.
Aber auch diese Themen werden mit dem geschlossenen Unterricht eingeführt […].
Ich denke, dass Themen, in welchen die Schüler/innen Vorwissen haben, besser für die offene
Umsetzung eignen.“
Daniela setzt offene Lernformen zur Einführung und als abschließende Zusammenfassung eines
Kapitels ein. Sind bestimmte Themen einfach zu verstehen, kommen auch im Erarbeitungsteil
offene Methoden zum Einsatz.
„Meiner Meinung nach können offene Methoden zur Einführung und zum Abschluss eines jeden
Themas angewendet werden. Ich setze sie nur dann als Erarbeitungsmethoden ein, wenn diese
Themen für den späteren Unterricht nicht so wichtig, oder wenn die Kapitel einfach zu verstehen
sind.
Diese Formen bieten sich gut in der Geometrie und der Vektorrechnung an, da die Themen sehr
anschaulich sind. Bei der Erweiterung von Zahlenräumen finde ich die offenen Lernformen nicht
ganz so passend.“
In Tanjas Schule werden alle Themen der Mathematik mit Hilfe der Freiarbeit umgesetzt, daher
gibt es für sie keine Bereiche der Mathematik, die mit dieser Form des Unterrichts nicht realisierbar
erscheinen.
„Für mich gibt es keine konkreten Themen, die sich in der Freiarbeit gut oder schlecht umsetzen
lassen. Eine Abbildung mit der Freiarbeit geht für jedes Thema. Unsere Planung verläuft nicht
abhängig vom Unterrichtsthema. Ich würde aber nie ein ganzes Thema in die Freiarbeit
abgeben – dabei würde ich mich unwohl fühlen.“
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Roland macht die offene Umsetzung eher vom Schwierigkeitsgrad des Stoffes abhängig. Wird
ein Thema von den Schüler/innen als einfach empfunden, sind aus seiner Sicht breitere
Öffnungsgrade realisierbar.
„Für mich ist die Umsetzung von offenen Lernformen nicht direkt vom Thema, sondern von der
Schwierigkeit des Themas abhängig. Ist der Stoff für die Schüler/innen leicht, kann er besser
offen unterrichtet werden.
Bei Übertritten in andere Zahlenräume – zum Beispiel in die Unendlichkeit, wie dies bei der
Differentialrechnung der Fall ist, eignet sich eine offene Lernform schlecht.
Die Binomialverteilung hingegen ist ein Thema, welches offen gut funktioniert – hab ich erst vor
kurzem ausgetestet. Die Schüler/innen benötigen nur einen sehr kurzen theoretischen Input und
dann können sie frei arbeiten.
Die Geometrie und Vektorrechnung fallen den Schüler/innen einfach. Sie können sich unter den
meisten Aufgabenstellungen was vorstellen – bei der Vektorrechnung haben die Schüler/innen
bereits Vorwissen aus der Physik.“
Daraus könnte man folgern, dass Stoffgebiete in der Unterstufe einfacher offen realisierbar sind,
als jene Bereiche aus der Oberstufe. Diese zusammenfassende Äußerung meinerseits wurde von
Roland bestätigt.
„Ja, ich bin der Meinung, dass in der Unterstufe – oder NMS die Umsetzung von offenen
Lernformen einfacher ist als in der Oberstufe – weil halt der Mathematikstoff einfacher ist.“
Der Unterricht von Karl verläuft seit einigen Jahren gleich. Manche Stoffgebiete eigenen sich aus
seiner Sicht gut, um offen unterrichtet zu werden, andere wiederum eher schlecht.
„Ich verwende eine offene Unterrichtsform in allen Kapiteln der Geometrie – also bei Körper und
Flächen. Die Schüler/innen sollen selbstständig Beweise verstehen, Konstruktionen
durchführen und Formeln herleiten […].
Die Wiederholung der Maßeinheiten (Volumen-, Flächen-, Zeit- Längenmaße) eignen sich gut
für den offenen Unterricht – bei mir kommt dies in Form von Edu puzzles vor […].
Bei Brüchen verwende ich auch seit Jahren Lernstationen mit einer vorgegebenen Reihenfolge
– dabei steigt das Anforderungsniveau langsam.“
Ich bin der Meinung, dass die Umsetzung dieses Unterrichts auch Nachteile mit sich bringt. Karl
verwendet seit Jahren dieselben Ansätze bei den angeführten Kapiteln. Man hält an einem
bestimmten, möglicherweise veraltetem System fest und lässt keine neuen Ansätze zu.
„Ich habe diese Methoden bei den jeweiligen Themen gewählt, weil sie sich über Jahre hinweg
bewährten. Ich sehe auch nach jahrelanger Anwendung keinen Änderungsbedarf.“
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In dieser Form der Umsetzung wird den Schüler/innen nur ein konkreter Zugang ermöglicht,
jedoch keine Alternativen geboten. Wie gut in diesem starren System auf die unterschiedlichen
Lerntypen eingegangen wird, kann schwer beurteilt werden.
Martina führt bei dieser Frage zwei Themen an, welche in ihrem Unterricht offen ablaufen. Im
Interview wird nach und nach klar, dass diese Themen als Gesamtheit, in Form von Arbeitsplänen
oder Wochenplänen, realisiert werden.
„Für den offenen Unterricht eigenen sich geometrische Themen wie Winkel und Dreiecke - und
die rationale Zahlen sehr gut […].“
Im späteren Verlauf des Interviews wird klar, dass alle Themen der Mathematik im Rahmen eines
offenen Übungsteils abgehalten werden, aber für Martina zählt die Umsetzung einer einzelnen
Phase eines Themas nicht als offener Unterricht.
„Okay, wenn für dich Übungseinheiten mit freien Materialien schon als offener Unterricht
zählen, dann laufen bei mir alle Themen in der Übungsphase offen ab. Ich gebe selten bestimmte
Beispiele vor, die Schüler/innen sollen diese selbstständig auswählen.“
Aus Sabines Sicht eignen sich nicht alle Themen gleich gut für die offene Umsetzung. Dies steht
im Widerspruch zu jenen Interviews von Lara und Tanja.
„Für mich sind alle nicht algebraischen Themen gut für den offenen Unterricht geeignet […]. In
algebraischen Themen sind Strukturen und Formen zu vermitteln, die in einer lehrerzentrierten
Form besser gelehrt werden können […].
Ich unterrichte zwar Bereiche aus der Algebra offen, aber mit zusätzlichen Plenumsvorträgen
– diese Themen benötigen mehr Führung. Man kann den Schüler/innen zwar zusätzliche
Materialien mit Musterbeispiele geben, aber diese ersetzen keine persönliche Erklärung“
Für Franz benötigen alle Themen der Mathematik offene Sequenzen, um den Kompetenzerwerb
auf allen Handlungsebenen voranzutreiben.
„Mein offener Unterricht ist nicht ganz offen – nicht wie bei anderen mit Stationenbetrieben,
Freiarbeiten und so […].
Bei mir kommen offene Phasen vor, wie eine offene Diskussion – entweder diskutieren
Schüler/innen mit Schüler/innen oder ich mit Schüler/innen.
Dies bietet sich für jedes Thema der Mathematik an – und ist sogar notwendig.
Manche Themen brauchen aber eine umfangreichere geschlossene Einstiegsphase und es folgt
eine offene Übung, andere wiederum benötigen wenig Frontalunterricht […].
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Aus meiner Sicht funktionieren die Grundrechnungsarten in allen Zahlenbereichen, die
Geometrie, das Lösen von Gleichungen und jegliche Form von Textaufgaben sehr gut für eine
offene Lernform.“
Diese Umsetzung des offenen Unterrichts aus Falko Peschel (2011) beschreibt die Vorstufe der
Öffnung oder einen Teil der Stufe 1, da es weder Mitbestimmungen im Unterrichtsinhalt, noch im
Lernort oder der Sozialform gibt.
Beinahe als Entschuldigung erklärt Franz seine Methodenauswahl.
„[…] wenn ich offene Lernformen in allen Öffnungsgraden sehe, finde ich sie echt toll und ich
möchte auch so arbeiten. Ich nehme es mir vor und komme dann wieder in mein
Unterrichtsschema zurück – es sind auch die Umgebungen nicht so toll, wie in anderen Schulen.
Das soll jetzt keine Ausrede sein, vielleicht passen auch diese Formen einfach nicht zu mir.“
Aus den angeführten Aussagen ist zu erkennen, dass in einigen der befragen Schulen ein
schulinternes Gesamtkonzept vorherrscht, welches eine ganzheitliche, offene Umsetzung aller
Themen verlangt. Trotzdem werden in diesen Schulen die Themen unterschiedlich angeboten.
Aus den Befragungen wurde des Weiteren ersichtlich, dass der Anteil an lehrerzentrierten
Unterrichtsphasen bei schwieriger eingestuften Themen höher ausfiel, als bei leichteren Themen.
Für die Umsetzung von komplexen Kapiteln bietet Sabine zusätzliche Plenumsvorträge und Lara
längere Inputphasen an.
Die beschriebenen Interviews verdeutlichen, dass die Geometrie ein Thema darstellt, welches
sich sehr gut für eine offene Anwendung eignet. Diese Meinung herrscht bei allen befragten
Lehrpersonen, unabhängig von der praktizierenden Schule, dem Schultyp oder dem Alter der
Schüler/innen vor.
Ist die Vermutung korrekt, dass sich ein einfaches Themengebiet gut für die offene Umsetzung
eignet, sollte man auf die Ergebnisse der Hirnforschung zurückgreifen, welche einen
Wissenserwerb an Vorerfahrungen anknüpft und daher ein Thema einfach erscheinen lässt.
Nach Roth (2004, S. 498 ff) werden bei der Aufnahmen von bekannten Informationen die
vorhandenen Wissensnetzwerke durch neuromodulatorische Systeme in der Großhirnrinde
umgestaltet, sodass sich neues Wissen entwickelt.
Ist nun das Vorwissen vorhanden ist diese Umgestaltung und Verknüpfung einfacher
durchführbar.
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In Bezug auf den Lehrplan ist ersichtlich, dass die Geometrie in beinahe jeder Schulstufe enthalten
ist.
5. Schulstufe:
„Arbeiten mit Figuren und Körpern
ausgehend von Objekten der Umwelt durch Idealisierung und Abstraktion geometrische Figuren
und Körper sowie ihre Eigenschaften erkennen und beschreiben können,
aufbauend auf die Grundschule Kenntnisse über grundlegende geometrische Begriffe gewinnen,
Skizzen von Rechtecken, Kreisen, Kreisteilen, Quadern und ihren Netzen anfertigen können,
Zeichengeräte zum Konstruieren von Rechtecken, Kreisen und Schrägrissen gebrauchen können,
Maßstabszeichnungen anfertigen und Längen daraus ermitteln können;
Umfangs- und Flächenberechnungen an Rechtecken (und einfachen daraus zusammengesetzten
Figuren),
sowie Volums- und Oberflächenberechnungen an Quadern (und einfachen daraus
zusammengesetzten Körpern) durchführen können,
Formeln für diese Umfangs-, Flächen- und Volumsberechnungen aufstellen können;
Winkel im Umfeld finden und skizzieren,
Gradeinteilung von Winkeln kennen,
Winkel mit dem Winkelmesser (Geodreieck) zeichnen können;
einfache symmetrische Figuren erkennen und herstellen können.
6. Schulstufe:
Arbeiten mit Figuren und Körpern
Dreiecke, Vierecke und regelmäßige Vielecke untersuchen, wesentliche Eigenschaften feststellen,
die Figuren skizzieren und konstruieren können,
Erkennen, ob Angaben mehrdeutig sind oder überhaupt nicht in Konstruktionen umgesetzt werden
können,
kongruente Figuren herstellen können, die Kongruenz begründen können;
Eigenschaften von Strecken- und Winkelsymmetralen kennen,
und für Konstruktion anwenden können;
Flächeninhalte von Figuren berechnen können, die sich durch Zerlegen oder Ergänzen auf
Rechtecke zurückführen lassen,
Volumina von Prismen berechnen, möglichst in Anwendungsaufgaben.
7. Schulstufe:
Arbeiten mit Figuren und Körpern
Vergrößern und Verkleinern von Figuren,
ähnliche Figuren erkennen und beschreiben;
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Formeln für Flächeninhalte von Dreiecken und Vierecken begründen und damit Flächeninhalte
berechnen können,
Umkehraufgaben lösen können,
Gegenstände, die die Gestalt eines Prismas oder einer Pyramide haben, zeichnerisch darstellen
können,
Oberfläche, Rauminhalt und Gewicht von Gegenständen, die die Gestalt eines Prismas oder einer
Pyramide haben, berechnen können;
den Lehrsatz des Pythagoras für Berechnungen in ebenen Figuren nutzen können.
8. Schulstufe:
Arbeiten mit Figuren und Körpern
den Lehrsatz des Pythagoras für Berechnungen in ebenen Figuren und in Körpern nutzen können,
eine Begründung des Lehrsatzes des Pythagoras verstehen,
Berechnungsmöglichkeiten mit Variablen darstellen können;
Schranken für Umfang und Inhalt des Kreises angeben können,
Formeln für die Berechnung von Umfang und Flächeninhalt des Kreises wissen und anwenden
können,
Formeln für die Länge eines Kreisbogens und für die Flächeninhalte von Kreisteilen herleiten und
anwenden können;
Formeln für die Berechnung der Oberfläche und des Volumens von Drehzylindern und Drehkegeln
sowie für die Kugel erarbeiten und nutzen können
9. Schulstufe:
Trigonometrie
Definieren von sin α, cos α, tan α für 0° ≤ α≤ 360°
Durchführen von Berechnungen an rechtwinkligen und allgemeinen Dreiecken, an Figuren und
Körpern (auch mittels Sinus-und Kosinussatz)
Kennenlernen von Polarkoordinaten
Vektoren und analytische Geometrie der Ebene
Addieren von Vektoren und Multiplizieren von Vektoren mit reellen Zahlen, geometrisches
Veranschaulichen dieser Rechenoperationen
Ermitteln von Einheitsvektoren und Normalvektoren
Arbeiten mit dem skalaren Produkt, Ermitteln des Winkels zweier Vektoren
Beschreiben von Geraden durch Parameterdarstellungen und durch Gleichungen, Schneiden von
Geraden
Lösen von geometrischen Aufgaben, gegebenenfalls unter Einbeziehung der Elementargeometrie
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10. Schulstufe
Analytische Geometrie des Raumes
Übertragen bekannter Begriffe und Methoden aus der zweidimensionalen analytischen Geometrie,
Erkennen der Grenzen dieser Übertragbarkeit - Ermitteln von Normalvektoren, Definieren des
vektoriellen Produkts
Beschreiben von Geraden und Ebenen durch Parameterdarstellungen bzw. Gleichungen
Schneiden von Geraden und Ebenen, Untersuchen von Lagebeziehungen
Lösen von geometrischen Aufgaben, gegebenenfalls unter Einbeziehung der Elementargeometrie
und der Trigonometrie
11. Schulstufe
Nichtlineare analytische Geometrie
Beschreiben von Kreisen, Kugeln und Kegelschnittslinien durch Gleichungen
Schneiden von Kreisen bzw. Kegelschnittslinien mit Geraden, Ermitteln von Tangenten
Beschreiben von ebenen Kurven durch Parameterdarstellungen
Beschreiben von Raumkurven und Flächen durch Parameterdarstellungen“ (Bundesministerium für
Bildung, 2010, S. 3)
Da jenes Thema der Geometrie in jeder Schulstufe sehr ausführlich behandelt wird, sollten die
Schüler/innen im Laufe der Schulzeit ein umfangreiches Vorwissen aufweisen.
Werden nun offene Methoden stets bei einfacheren Kapiteln und somit bei bereits bekannten
Themen verwendet, sollte dies der Grund für Benennung der Geometrie sein.
Vergleicht man diesen Denkansatz mit den Ergebnissen einer Schweizer Forschung, wird
ersichtlich, dass sich die Geometrie nicht besonders für offene Lernformen eignet, sondern nur
durchschnittliche Ergebnisse erbringt.
Einen negativen Zusammenhang zwischen dem Arbeiten im Wochenplan und einer
geschlossenen Bearbeitung liefert das Thema der Algebra/Arithmetik im Mathematikunterricht,
was auch Sabine im Interview vermutete.
Schulklassen, welche ohne Wochenplänen arbeiteten, konnten die höchste kognitive Leistung
aufweisen. Die schulischen Leistungen der Schüler/innen welche mit Wochenplänen arbeiteten
zeigten einen durchschnittlichen Wert an, jedoch waren intensivere organisatorische Maßnahmen
im Bereich des Classroom-Managements und das Eingehen auf die Heterogenität notwendig (vgl.
Niggli und Kersten zit. nach Bohl & Kucharz, 2013, S. 69).
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7.1.1.4. In welchen Bereichen eines Themas lassen sich offene
Unterrichtsformen gut verwenden? (Einführung, Erarbeitung,
Üben, vor Schularbeiten,…)
Offene Lernformen kommen in unterschiedlichen Phasen zum Einsatz.
Sie ist nicht nur von der Phase, sondern auch von der Methode per se abhängig.
Im anschließenden Teil erfolgt eine Erhebung möglicher Korrelationen zwischen dem Einsatz
offener Methoden und einer bestimmten Phase eines Kapitels.
Lara beschreibt, dass für sie der Einsatz der offenen Lernformen in Übungsphasen am
effektivsten erscheint.
„Bei uns werden die offenen Lernformen immer zur Umsetzung der Übungsphase eines
Themas verwendet. Die Einführung erfolgt im lehrerzentrierten Unterricht, auf welchen ich nicht
verzichten möchte.“
Auch Tanja pflichtet dieser Anwendung der offenen Formen bei und bestätigt die lehrerzentrierte
Einführung.
„[…] die Einführungsphase verläuft bei mir im geschlossenen Stil.
Die Einführung eines Themas möchte ich nicht so schnell aus der Hand geben, da dabei die
Grundstrukturen und Formen von Rechnungen erlernt werden. Über die direkte Instruktion
funktioniert das einfach besser und schneller.“
Wie in der Literatur von Middendorf (Kapitel 6.5.2) beschrieben wird, sind besonders
Stationenbetriebe für die Festigung und Übung von Gelerntem geeignet und weniger zur
Erarbeitung von Unterrichtsthematiken.
Eine offene Lernform als Übungsgrundlage beschreibt auch den Ansatz von Martina. In dieser
Phase ergeben sich noch zusätzliche Informationen über die Lernenden, welche zur möglichen
Fördermaßnahmen führen können.
„Meistens beginnt ein neues Kapitel mit einer geschlossenen Inputphase, gefolgt von einer
offenen Übungsphase, wobei diese aus einer Variation von Übungszetteln, Beispielen aus
Büchern und individuell gestalteten Lernmaterialien besteht […].
In dieser Phase erhält man Informationen über den eigentlichen Lernstand. Je nachdem
welche Beispiele die Schüler/innen auswählen, können eventuell Fördermaßnahmen eingeleitet
werden. – aber das hab ich ja schon kurz erwähnt.“
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Dieser Ansatz gilt nicht als allgemeine Herangehensweise, sodass offene Formen nur zur Übung
verwendet werden. Dies zeigen die folgenden Antworten der Interviewpartner/innen.
Bei Daniela und später bei Roland ist eine andere Anwendung zu verzeichnen
Daniela: „Ich setze die offenen Lernformen in der Einführung - also als Konfrontation mit neuen
Themen oder als Abschluss ein.“
Roland: „Ich verwende diese Lernformen als Einführung oder im Abschluss eines
Unterrichtskapitels. Als Einführung, weil ich das Interesse der Schüler/innen wecken möchte
und abschließend, um das Thema mit praktischen und alltäglichen Gegebenheiten zu
verbinden – hier kommen oft komplett offene Aufgabenstellungen vor.“
Sabine sieht hingegen keine konkrete Phase für die Anwendung von offenen Methoden. Aus ihrer
Sicht sind sie in allen Stadien des Unterrichts anwendbar, insofern andere Teile geschlossen sind.
„Der offene Unterricht funktioniert in jeder Phase gleich gut.
Wird eine Phase offen umgesetzt, so soll eine andere geschlossen abgehalten werden. In der
geschlossenen Phase erwerben die Schüler/innen die wichtigen Grundkompetenzen. Also ich
plane einen Plenumsvortrag, um den Momentanstand der Schüler/innen zu erheben.
In den geschlossenen Sequenzen werden die Grundlagen kurz zusammengefasst und Probleme
beseitigt. Diesen Unterricht benötige ich, um eine Einschätzung zu treffen – also haben sie genug
Zeit und Wissen, um das Ziel zu erreichen und die Schularbeit zu meistern? […]
Als Übungsmethoden funktionieren offene Ansätze sehr gut. Sollen dabei ganz neue Beispiele
bearbeitet werden, schaffen die Schüler/innen den Transfer von Wissen und Verknüpfen der
neuen Sachverhalte nicht. In solchen Situationen kommen Plenumsvorträge zum Tragen […].
In der Mathematik ist eine Plenumsphase dort ein Muss, wo man Struktur oder
Begrifflichkeiten definiert. Der Begriff vom sauberen Arbeiten in der Mathematik gehört im
Plenum besprochen- was für einen sauber ist, kann für die Mathematik noch schlampig sein, auch
wenn sich jemand bemüht. Die Verwendung von mathematischen Werkzeugen (Zirkel und
Geodreieck) muss auch in diesen Phasen geklärt werden […].
Aus Sicht von Franz ergeben sich keine Vorzüge bei der Verwendung von offenen Lernformen in
bestimmten Phasen eines Unterrichtsstoffes. Er betrachtet den Einsatz als themenabhängig.
„Für mich gibt es keine konkreten Phasen, die sich besser oder schlechter für eine geöffnete
Methode eignen […].
Die Gestaltung einer solchen Sequenz ist jedoch vom Thema abhängig. Oft bietet ein offener
Einstieg die Möglichkeit die Schüler/innen für das Thema zu motivieren. Manches Mal ist eine
offene Übungsphase besser geeignet. Dabei können Experten ausbildet werden, die als
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Zusatzlehrer/innen arbeiten, um den Stoff schwächeren Schüler/innen zu vermitteln. Eine
weitere Möglichkeit ist, die Erarbeitungsphase zu öffnen, in welcher die Schüler/innen in einem
vorgegebenen Zeitrahmen die notwendigen Begrifflichkeiten mit Hilfe des Internets erarbeiten.“
In diesem Teil den Interviews gehen die Meinungen der befragten Lehrpersonen auseinander.
Der Einsatz der offenen Methoden kann somit nicht konkret einer bestimmten Phase des
Unterrichts zugeordnet werden, sondern erfolgt sehr individuell.
Da es nach Meyer (2004, S. 80 ff.) nicht die Methode gibt, welche den optimalen Unterricht
ermöglicht, wird auch der Einsatz der unterschiedlichen Methoden der Weg zum Ziel sein.
Wie bereits erwähnt und den Kapiteln 6.5.1-6.5.4 zu entnehmen, wird der Einsatz von offenen
Methoden eher in den Übungsphasen empfohlen.
Durch eine offene Konfrontation können dennoch positive Resultate entnommen werden. Die
Mathematik erhält bereits zu Beginn den notwendigen Praxisbezug, der sonst meist erst in der
Übungsphase vermittelt wird. Dies kann die Motivation, wie auch die Vorstellungskraft der
Schüler/innen positiv beeinflussen.
Dieser Aspekt der Wirklichkeitskonstruktion wird im folgenden Kapitel von Leuders aus
konstruktivistischer Sichtweise des Unterrichts beschrieben.
Aus Sicht der befragten Personen gibt es keinen Zusammenhang zwischen einer bestimmten
Phase des Lernstoffes und der Unterrichtsform. Es sollte nur beachtet werden, dass auf offene
Phasen auch geschlossene folgen.
I
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7.1.1.5. Welche unterschiedlichen Methoden kommen dabei zum
Einsatz?
Eine Variation von unterschiedlichen Lehr- und Lernmethoden soll den Erwerb der notwendigen
Kompetenzen und die Konstruktion von Wissen (nach dem konstruktivistischen Ansatz)
ermöglichen. Unter diesem Ansatz ist das Lernen eine aktive, autonome Konstruktion von Wissen,
welchem eine notwenige kognitive Struktur vorausgehen muss (vgl. Leuders, 2005, S. 66).
Durch den Einsatz von einer Vielfalt aus Methoden soll genau dieser Prozess vorangetrieben
werden.
Nach Meyer (2004, S. 74) versteht man unter Methodenvielfalt,
wenn der Reichtum an möglichen Inszenierungstechniken genutzt werden kann,
wenn eine Vielfalt an Handlungsmustern angewandt werden,
wenn die Verlaufsformen variabel gestaltet sind
und wenn das Gewicht auf die Grundformen ausbalanciert vorliegt.
In Laras Unterrichtsformen kommen diese Ansätze leider zu kurz. Sie beschreibt ihren
Unterrichtsstil eintönig durch eine frontale Einführung und durch Wochenpläne. Es werden zwar
unterschiedliche Arbeitsmaterialien angeboten (Übungszettel, Übungen aus dem Buch) und die
Sozialform in den meisten Fällen frei wählbar, doch die verwendete Methode wird im Laufe des
Schuljahres nicht variiert.
„Bei uns schaut der Unterricht in jedem Thema gleich aus. Es gibt geschlossene Inputphasen und
offene Übungsphasen, in denen ein Wochenplan eingesetzt wird. In den Inputphasen versuche
ich unterschiedliche Medien wie das Smartboard, die Tafel und den Beamer einzusetzen.
Unterschiedliche Methoden kommen aber nicht vor – da fehlt die Zeit.“
Das Lernatelier von Roland wird auf die gleiche Art und Weise umgesetzt. Die verwendeten
Materialien umfassen Übungsaufgaben aus unterschiedlichen Büchern und Heften, doch die
verwendete Methode per se ist über das gesamte Schuljahr unverändert. Die Ausnahme bilden
begabte Schüler/innen, welche über die Grundkompetenzen hinaus kommen und an eigenen
Projekten arbeiten.
Daniela beschreibt im Interview keine verwendeten Methoden, sondern bezieht sich eher auf die
Sozialformen. Den Einsatz dieser macht sie von der Klasse wie vom zu behandelndem Thema
abhängig.
„Bei mir kommen Gruppenarbeiten, Partnerarbeiten, Einzelarbeiten und Klassengespräche vor.
Der Einsatz hängt immer vom Thema und von der Klasse ab.“
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 68/150
Der Beschreibung des Mathematikunterrichts können zudem verwendete Methoden wie
Miniprojekte und Präsentationen entnommen werden.
Franz erwähnt im Rahmen des Interviews dieselben Methoden, Sozialformen und macht die
Auswahl vom mathematischen Thema abhängig.
In den Freiarbeitsphasen von Tanja kommen unterschiedliche Methoden und Lernmaterialien zum
Einsatz. Die Freiarbeit per se, findet in jedem Thema seine berechtigte Anwendung.
„Es kommen in meinen Freiarbeitsphasen ganz unterschiedliche Methoden zum Einsatz – je
nachdem was sich anbietet – ist auch themenabhängig.
Es können Lernspiele, Arbeitsblätter, Videos, interaktive Lern-CDs, Übungen aus dem Buch
aber auch Stationenbetriebe oder Rechercheaufgaben enthalten sein
Heuer habe ich beim ‘Satz des Pythagoras‘ eine Rechercheaufgabe eingeplant. Die
Schüler/innen mussten Beweise aus dem Internet suchen, verstehen und später präsentieren.
Manches Mal – auch in der Oberstufe – machen die Schüler/innen Interviews und fragen andere
Schüler/innen nach Lösungsansätzen von offenen Aufgabenstellungen.“
Der Unterricht von Tanja weist eine umfangreiche Vielfalt an Methodik auf, welche bei näherem
Hinschauen auch auf die unterschiedlichen Lerntypen eingehen. Besonders
Rechercheaufgaben und Interviews dienen der überfachlichen Kompetenzentwicklung, da die
Redekompetenz und das Filtern der wichtigen Informationen geschult werden.
Karl verwendet in seinem Unterricht häufig EDV gestützte Materialien, wie die bereits erwähnten
Edu puzzles. Der Mathematikunterricht zeichnet sich auch durch Stationenbetriebe und offene
Gruppenarbeiten mit abschließenden Präsentationen aus.
„Ich verwende die Edu puzzles, mit den Selbstkontrollen, verschiedene Stationenbetriebe, wobei
ich die Reihenfolge der Bearbeitung meist vorgebe und Gruppenarbeiten.“
Methoden mit größeren Freiheiten, wie Projekte oder Freiarbeiten, sind in seiner
Unterrichtsvorbereitung jedoch nicht etabliert.
Martina setzt, wie auch Tanja, eine umfangreiche Methodik im Mathematik-, wie auch im
Physikunterricht ein.
„ Ich verwende Pracemates, Kugellager, Arbeitspläne und offene Rechercheaufgaben.
Im Unterrichtsgegenstand Physik kommen natürlich auch Experimente zum Einsatz.“
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 69/150
Sabine beschrieb bereits oben die verwendeten Methoden, daher erfolgt nun eine kurze
Auflistung dieser Lernzugänge.
„Es besteht immer die Möglichkeit an einem Plenumsvortrag teilzunehmen. […]
In offenen Phasen werden Übungszettel und Bespiele im Mathematikbuch oder auch auf
Geogebra eingesetzt. Es gibt auch Projektarbeiten, Arbeitspläne mit abschließenden
Portfolios, Freiarbeiten und Stationenbetriebe.“
Eine empirische Studie nach Reinmann-Rothmeier und Mandl zeigt, dass direkte instruierte
Schüler/innen ein geringes fachliches Wissen aufweisen. Offene Unterrichtsformen zeigen
jedoch kein besseres Ergebnis in der Entwicklung von Sozial- und Methodenkompetenz.
Eine Kombination beider Denkansätze erzählt im Vergleich zu den einzelnen
Betrachtungsweisen, gute Resultate (vgl. zit. nach, Meyer, 2004, S. 81 ff.).
Im Vergleich dazu belegt Steiner (2001, S. 164-205) die positive Auswirkung vom Einsatz der
unterschiedlichen Methoden im Unterricht, insofern die Methodenvielfalt nicht im Überschuss
stattfindet. Seine Ergebnisse zeigen, dass eine Mischung aus direkten Instruktionen und
Gruppenarbeiten sich positiv auf die Ergebnissicherung auswirken.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 70/150
7.1.1.6. Auf was sollte man bei der Umsetzung besonders Acht geben,
beziehungsweise welche Einschränkungen ergeben sich durch
den offenen Unterricht?
Aus Laras Perspektive ergeben sich Problematiken bei der Umsetzung von offenen Lernformen,
die nicht zu unterschätzen sind. Bei Missachtung dieser angeführten Faktoren wird die Umsetzung
erschwert oder nicht realisierbar. Dazu zählen nicht nur der Arbeitslärm, sondern auch die
verwendeten Materialien, die einer bestimmten Form entsprechen müssen, um damit offen zu
arbeiten.
„Ich denke, dass man den Arbeitslärm nicht unterschätzen darf. Jeder hat Anrecht auf einen
ruhigen Arbeitsplatz, daher bin ich streng im Einhalten der ruhigen Arbeitsumgebung. Besonders
am Marktplatz (Gang- und Außenbereich) ist das nicht einfach, wenn andere Klassen vorbeigehen
oder Pause haben […].
Für mich ist noch wichtig, dass die Unterrichtsmaterialien selbsterklärend sind – oder
zumindest Beschreibungen vorhanden sind. Jede/r muss wissen, was auf welche Art und Weise
zu machen ist und welche Ziele zu erreichen sind.“
Die klar definierten Ziele gehen aus einigen, verschiedenen Interviews hervor.
Daniela spricht von der Abgrenzung der Stoffgebiete
„Ich muss mir im Vorhinein genau überlegen, was in der offenen Phase herauskommt und
dementsprechend das „freie Vorgehen“ abgrenzen.
Die Ergebnisse der Schüler/innen lassen sich jedoch nur teilweise planen.“
Es ist fraglich wie genau die Ergebnisse im Vorhinein von der Lehrkraft geplant werden sollten.
Der offene Unterricht sollte zu individuellen Lernproduktserstellung anregen und nicht der
konkreten Planung der Lehrkraft unterliegen. Dieser Ansatz würde zu kurz greifen und die
Schüler/innen in der freien Entfaltung der Ideen möglicherweise hemmen.
Wie in den Methoden 6.5.1, 6.5.2, 6.5.3, 6.5.4 beschrieben, soll den Schüler/innen die
Mitbestimmung über die Art der Ergebnisse erlangen.
Diese Einschränkungen beziehen sich bereits sehr speziell auf die konkrete Umsetzung von
offenen Lehr- und Lernformen. Für Tanja beginnen die potentiellen Bereiche der
Einschränkungen schon viel früher. Aus ihrer Sicht ist eine Ist-Analyse notwendig, um das Umfeld
abzuschätzen und eine zielbringende Unterrichtsform umzusetzen.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 71/150
„Kommt man neu in eine Schule, ist es wichtig, dass man sich dort umsieht. Welche Strukturen
herrschen vor? Wie sind die Stundenverteilungen – Einzelstunden oder Doppelstunden. Wie
sind die Pausenregelungen? – Gibt es die 50 minütigen Fächerkanon? Wie sind die
Lernumgebungen ausgestattet und welche Lernorte hat man zur Verfügung? Gibt es bereits
offene Lernformen in dieser Schule? Gibt es Kooperationen zwischen den Lehrpersonen?
Nur mit diesen Voruntersuchungen ist aus meiner Sicht der offene Unterricht überhaupt erst
realisierbar […].
Werden bereits offene Lernformen in der Schule angewandt, ist die Umsetzung um vieles
einfacher, weil die Schüler/innen die Strukturen kennen – man braucht dann zumindest nicht mehr
jeden Schritt erklären.
Eine andere Einschränkung ergibt sich aus meiner Sicht aus der mangelnden kollegialen
Absprache. Fehlen die Kooperationen zwischen den Lehrer/innen kann das gesamte
Unterrichtskonzept zu Fall gebracht werden – besonders bei größeren Sachen, wie bei Projekten.“
Nach (Kuper, 2002, S. 859 ff.) muss zur kollegialen Kooperation erst der hierarchische Gedanke
in der Schule verschwinden. Jede Lehrperson, unabhängig von den praktizierten Dienstjahren,
soll als gleichwertig angesehen werden.
Forschungsbefunden zufolge ist auch der Schulleitungsposten eine wichtige Instanz, um das
soziale Umfeld in der Schule zu beeinflussen. Ein direkter Einfluss der Leitung auf die Gestaltung
der Schule, weist meist keine positiven Auswirkungen auf (vgl. Baumert, Leschinsky, 1986 zit.
nach Kuper, 2002, S. 859 ff.).
Um kollegiale Kritik zu vermeiden spricht Kuper (2002, S. 857 ff.) von einer Isolation oder
Vereinzelung der Lehrkräfte. Forschungsberichten zufolge ist nachweislich, dass ein
gemeinsamer Unterricht die Qualität des Lernens positiv beeinflusst.
Somit kann auch das Gegenteil, eine Reduktion der qualitativen Umsetzung vom Unterricht bei
fehlender Kooperation angenommen werden.
Die größte Problematik der offenen Unterrichtsform, sieht Roland in den zeitlichen Restriktionen,
die durch die zentrale Matura entstehen. Der Lernstoff, welcher zuvor im Rahmen freiwählbar war,
wird nun zentral vorgegeben. Daraus resultiert eine Reduktion der offenen Methodik.
„Besonders bei uns, in der Oberstufe entsteht der Zeitdruck durch die Zentralmatura, da man
im Vorhinein nicht weiß welche Themen in welcher Intensivität abgeprüft werden.
Früher konnte man als Lehrperson entscheiden, welche Themen wichtig sind und welche ich nur
oberflächlich vermittele. Durch diese Ungewissheit fühle ich mich in ein zeitliches Korsett
gezwungen, worunter die Methodik sehr leidet.
Einerseits möchte ich die Schüler/innen sehr gut auf die Matura vorbereiten, andererseits möchte
ich offene Methoden verwenden – die leider sehr zeitintensiv sind. […]“
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 72/150
Die Gruppengröße ist ein weiterer Faktor, der aus Rolands Sicht eine Einschränkung der offenen
Umsetzung darstellen kann und somit nicht vernachlässigbar erscheint.
„[…] Ein Problem sehe ich im Betreuungsschlüssel. Bei zu großen Klassen/Gruppen oder
geringer Lehrer/innen-Besetzung kann die offene Umsetzung enorm eingeschränkt werden.
[…]
An unserer Schule sind die Schulstunden jeweils durch zwei Lehrkräfte besetzt, was eine kleine
Gruppengröße zur Folge hat – also eine Gruppengröße von 8-12 Schüler/innen, sonst wäre eine
Betreuung der Schüler/innen aus meiner Sicht nur schwer möglich.“
Eine schlechte, vorherrschende Infrastruktur, die fehlende Organisation der Lernarrangements,
wie der nicht vorhandene Bekanntheitsgrad der Lernmethoden innerhalb der Schule sind für Karl,
jene Punkte, die eine offene Lernform zu Fall bringen können.
„Als Einschränkung des offenen Unterrichts sehe ich in erster Linie die Organisation. Ist eine
offene Lernform schlecht organisiert artet diese in eine reine Zeitverschwendung aus – ohne
jeglichen Nutzen. […]
Ist diese Form des Unterrichts bei den Schüler/innen aus der Unterstufe oder NMS bekannt und
herrschen klare Strukturen - funktioniert die Umsetzung hingegen sehr gut – es wäre schön,
wenn die Lehrer/innen diese Vorarbeit in der Unterstufe leisten.
Für mich ist wichtig, dass die gewählte Unterrichtsform entweder bekannt ist oder schrittweise
eingeführt wird – sonst sind die Schüler/innen schlichtweg überfordert. […]“
Eine weitere Schranke ist durch die Infrastruktur gegeben.
„Offene Lernformen sind für mich nur dann wirklich sinnvoll einsetzbar, wenn die
Rahmenbedingungen, also der Zugang zum Computer, die räumlichen Gegebenheiten, und
eine geringere Gruppengrößen gegeben sind. – sonst verwende ich sie nicht gerne.“
Da sich der offene Unterricht durch Freiheiten in Raum, Zeit und Inhalt auszeichnet, sind natürlich
demensprechende Rahmenbedingungen notwendig, um eine erfolgreiche Umsetzung
anzustreben. Diese Spielregeln wurden bereits im Kapitel 6.4 näher erläutert.
Martina schließt sich der Meinung von Karl an, dass sich die Einschränkung des offenen
Unterrichts durch fehlende Organisation ergibt und ergänzt, dass zusätzliche Angebote für
schnelle und schwache Schüler/innen vorbereitet werden müssen.
„Bei einer offenen Unterrichtsform ist aus meiner Sicht zu beachten, dass die Umsetzung
klarstrukturiert und gut durchdacht erfolgt. Es sollen für besonders gute und schnelle
Schüler/innen zusätzliche Angebote eingeplant werden.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 73/150
Für schwächere Schüler/innen muss man sich überlegen, welche Hilfestellungen verwendet
werden, da ich nicht zeitgleich verschiedenen Schüler/innen die notwendigen Unterstützungen
geben kann. […]
Je freier eine Arbeitsform gewählt ist, umso mehr Erfahrungen im Umgang mit diesen Lernformen
wird von den Schüler/innen erwartet. Sind jene Formen eine Neuheit für die Lernenden, müssen
sie langsam und behutsam eingeführt werden, um die Schüler/innen nicht zu überfordern.
Um das notwendige Rüstzeug für die offene Umsetzung zu erwerben, gibt es bei uns einmal pro
Semester einen Methodiktag. Die Schüler/innen lernen dabei am Anfang ganz banale Fertigkeiten
und in höheren Klassen unterschiedliche Methoden:
Wie organisiere ich meine Schulmaterialien?
Wie räumt man einen Arbeitsplatz zusammen?
Wie räumt man die eigene Schultasche richtig ein?
Wie lernt man richtig? – Die Schüler/innen können dann einen Lerntypentest machen, um
den eigenen Lerntyp zu bestimmen. Anschließend bekommen sie von uns die entsprechenden
Tipps, um effizient zu lernen. (mache Absätze im Heft, verwende Farbstifte, schreibe dir
Lernkärtchen, sage den Lernstoff laut auf…)
Wie funktioniert flüstern?
Wie filtert man nur die wichtigen Informationen aus einem Fließtext?
Welche Internetseiten beschreiben die gesuchten Daten?
Wie gestaltet man ein Lernprodukt?
Wie übernimmt man aus Filmen die wichtigsten Details?
Wie erstellt man ein Exzerpt?
Es werden in jedem Semester auch neue, offene Methoden erlernt.
Eine Schranke der offenen Umsetzung wird sich in Zukunft für die NMS ergeben.
Bei der Umstellung von der Hauptschule in die NMS wurde das Teamteaching in den
Hauptgegenständen eingeführt, um der Heterogenität gerecht zu werden.
Durch Einsparungsmaßnahmen werden nun die Lehrkräfte wegrationalisiert, was zu einer
Gruppengröße von bis zu 25 Schüler/innen führt.
„Der offene Unterricht in Mathematik ist in der NMS noch gut umsetzbar, da wir zu zweit in der
Klasse agieren. Ich weiß von meinen Kollegen/Kolleginnen, dass dies nicht mehr lange der Fall
sein wird, da die zweite Lehrkraft in vielen Schulen bereits abgezogen wurde – aber das war ja
vorhersehbar.
Wenn ich alleine mit 25 Schüler/innen bin, ist der offene Unterricht nicht umsetzbar. Wie mein
Unterricht in Zukunft aussehen wird, kann ich noch nicht sagen. Besonders in den ersten Klassen,
wenn die Formen eingeführt werden, wird die offene Umsetzung nur schwer realisierbar sein. […]“
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 74/150
Sabine schließt sich mit ihren Angaben über die Einschränkungen der offenen Unterrichtsformen
den bereits angeführten Interviews an. Sie spricht von notwendiger Organisation, schrittweiser
Öffnung der unterschiedlichen Bereiche und von klaren Spielregeln.
„Der offene Unterricht muss erarbeitet bzw. erlernt werden, sonst kann er zu einer ziellosen
zeitraubenden Art des Lernens ausarten. Der Umgang mit diesen Freiheiten gehört trainiert.
Am Anfang sind die Rahmenbedingungen im Unterricht sehr eng gesteckt, die Öffnung erfolgt
auch hierbei nach und nach. […]
Die Spielregeln im Unterricht gehören am Anfang klar kommunizieren, dazu zählen für mich auch
der Umgang mit den Lernmaterialien und die räumlichen Gegebenheiten.“
Für Sabine bringt die gesamtheitliche Umsetzung der offenen Lernformen bessere Ergebnisse,
als die vereinzelte Anwendung.
„Eine flächendeckende Umsetzung der offenen Lernformen ist aus meiner Sicht zielführender,
als die vereinzelte Anwendung. Das Switchen zwischen geschlossen und offenen Lernansätzen
funktioniert nicht so gut. Man bekommt schnell die Rückmeldung von den Schüler/innen, dass der
offene Unterricht ein Mehraufwand für sie ist und sie sich nicht berieseln lassen können. […]“
Die Einschränkungen der offenen Lernformen ergeben sich für Franz, wie bei anderen der
befragten Lehrpersonen, durch einen Mangel an Organisation. Im Vergleich zum geschlossenen
Unterricht, der aus seiner Sicht auch spontan umgesetzt werden kann, erlauben die offenen
Lernformen keine Improvisationen.
„Bei den offenen Lernformen muss es klare Spielregeln und Rahmenbedingungen geben, die
strikt einzuhalten sind. Die Planung dieser geöffneten Sequenzen ist besonders wichtig, da das
Improvisieren, wie es beim lehrerzentrierten Unterricht möglich ist, hier als problematisch gilt.
[…]“
Aus den beschriebenen Interviews macht sich besonders die Organisation als wichtigen Faktor
bemerkbar, der unbedingt beim Einsatz von offenen Lernformen beachtet werden muss. Werden
diese Rahmenbedingungen nicht vehement eingefordert, leidet einerseits die Qualität der
Abschlussprodukte und andererseits kann die Umsetzung zur Zeitverschwendung oder zum
Chaos führen (Siehe Kapitel 6.4).
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 75/150
7.1.2. Organisatorisches
7.1.2.1. Wie sind die räumlichen Gegebenheiten für die Umsetzung des
Mathematikunterrichts?
In den abgehaltenen Interviews stellte sich heraus, dass die Lernörtlichkeiten bei den befragten
Lehrkräften sehr ähnlich sind.
Bei drei der interviewten Lehrpersonen (Martina, Karl und Franz) erfolgt der Unterricht, mit
Ausnahme des EDV-Raums, welcher im Vorhinein zu reservieren ist, in der Klasse.
Die Gänge werden nicht genutzt, da sie ihrer Sicht dafür nicht geeignet sind.
Meiner Meinung nach wäre die Nutzung zusätzlicher Lernumgebungen sehr wohl realisierbar,
da es keine großen Aufwendungen darstellt. Würden vereinzelt Tische und Bänke auf den Gang
verteilt, könnte dieser effektiver genutzt werden. Dies gilt zumindest für die Sommerzeit, da aus
Martinas Interview hervorging, dass die Gänge im Winter nur schlecht beheizt sind.
„Bei uns kann nur in den Klassen gelernt werden, da die EDV-Säle am Vormittag immer
besetzt sind und die Gänge nicht für das Lernen ausgelegt sind. Im Winter sind sie außerdem
nur kalt – und das ist echt nicht lustig.“
Franz fühlt sich durch die räumlichen Gegebenheiten in seinem Unterrichtstil eingeschränkt und
sucht in diesem Bereich den Grund für seine reduzierte Öffnung des Unterrichts.
„Da unsere Gänge nicht für einen Lernort geschaffen sind, erfolgt der Unterricht nur in der Klasse,
oder im EDV-Saal. Dabei gibt es nur geringe Möglichkeiten zur Umstrukturierung. […]
Die Tische werden in meinem Unterricht nicht verschoben, daher kommt nur der Sitznachbar/ die
Sitznachbarin als Teampartner/in in Frage – es würde ansonsten einfach zu lange dauern und zu
umständlich sein.
Ich glaube, dass die fehlende Räumlichkeit der Grund für meinen eigentlich, nicht wirklich offenen
Unterricht ist. Hätte ich andere Räume zur Verfügung, würde mein Mathematikunterricht
wahrscheinlich anders aussehen.“
Da ich den Unterricht an der Schule von Franz kenne, mache ich eher das konventionelle
Konzept, welches an der Schule vorherrscht für die mangelnde Umsetzung des offenen
Unterrichts und die Reduktion des Lernortes verantwortlich. Man konnte in der gesamten Schule
keine Lernorte am Gang finden, beziehungsweise waren die Schüler/innen nur in den
Pausenzeiten am Gang vertreten. Signalisierte die Glocke das Ende der Pause, waren die
Gangbereiche für die folgenden 50 Minuten menschenleer.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 76/150
In Danielas Schule gibt es zusätzliche Räumlichkeiten, die als Lernorte genutzt werden.
„Uns stehen der Klassenraum, freie Klassenräume oder Computerräume (diese müssen im
Vorfeld reserviert werden) und das Schulgebäude zur Verfügung - also Gang, Aula, Buffet –
sofern die Lautstärke passt“
Möglicherweise spielt auch das Alter der Schüler/innen eine ausschlaggebende Rolle. Daniela
ist in der BMHS tätig, was einer Altersgruppe zwischen 15 und 19 bedeutet. Die Aufsichtspflicht
über diese Schüler/innen ist aufgelockerter geregelt, als bei Lernenden aus der Unterstufe, NMS
oder dem PTS. Aus diesem Grund ist die Verteilung der Schüler/innen auf das gesamte
Schulgebäude, wie es Daniela beschreibt, vermutlich einfacher zu realisieren.
In der Schule von Sabine wird jede noch so kleine Räumlichkeit zu einer Lernumgebung
umfunktioniert.
„Wir haben viele kleine Räume und viele Nischen – zwischen den Klassen befinden sich
immer Freiklassen, die beidseitig begehbar sind und jede Nische ist bestuhlt.
Wir haben eigentlich keine Kustodiatsräume, weil sie zu Lernräumen umfunktioniert wurden. […]
Der Gang selbst gilt als Lernort – Das steht sogar in der Hausordnung.
‚Der Gang ist ein Lernort, daher ist es leise, weil jeder das Anrecht auf einen ruhigen
Arbeitsplatz hat‘. […]“
Diese Ausführung der Lernorte ist jedoch nur realisierbar, weil die Schule als gesamte Institution
hinter diesem Lernansatz steht. Würden nur wenige Lehrkräfte den Gang als Lernort definieren,
währenddessen andere den Unterricht rein in der Klasse umsetzen, wären Unstimmigkeiten
bezüglich der Lautstärke absehbar.
In den Schulen von Tanja, Lara und Roland erhalten die Schüler/innen nicht nur die Möglichkeit
am Gang, in der Klasse, in Lernräumen oder im EDV-Saal zu arbeiten, es sind zusätzliche
Lernörtlichkeiten im Freien, also im Innenhof eingerichtet.
Lara: „[…] Ist das Verhalten und Engagement der Schüler/innen gut, sperre ich den Innenhof
auf und sie können ihre Mathematikaufgaben auch dort lösen.“
Roland: „[…] Meine Schüler/innen dürfen nur dann im Hof lernen, wenn sie die Unterschrift
der Erziehungsberechtigten aufweisen können und ich ihnen vertraue, dass sie keinen
Blödsinn machen - wie Rauchen, Einkaufengehen oder Sonstiges.“
Tanja: „ […] Die Schüler/innen können auch im Innenhof der Schule lernen, falls die
Aufsichtspflicht gewährleistet ist.“
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 77/150
Die Schüler/innen erhalten die Chance den passenden Lernort auszuwählen.
In der methodischen – inhaltlichen Öffnung spricht Gudjons (Kapitel 6.3) von der Schaffung der
angenehmen Lernatmosphäre durch offene Strukturen. Für mich ist die Entscheidungsfreiheit
über den Lernort unter anderem ein Bestandteil einer angenehmen Lernatmosphäre.
Diese Freiheiten werden, wie die Interviews zeigen einigen Schüler/innen verwehrt, da ihnen
das Lernen lediglich in der Klasse gestattet ist, in welcher stets wenig Platz vorhanden ist. Eine
Erweiterung der Lernorte in den Sommermonaten auf den Gang oder sogar in den Garten wäre
aus meiner Sicht wünschenswert.
Da ich auch die Schule von Martina persönlich kenne, kann ich behaupten, dass die
vorliegenden Gegebenheiten diese Erweiterung erlauben würden.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 78/150
7.1.2.2. Wie empfinden Sie das Classroom-Management im Vergleich
offenen zu geschlossenen Lernformen?
Das Classroom-Management wird als „das Handeln der Lehrperson, das auf die Errichtung und
Aufrechterhaltung von Ordnungs- und Kommunikationsstrukturen, sowie auf die aktive
Partizipation der Schülerinnen und Schüler am Unterricht beschrieben.
Es bildet somit die eigentliche Basis für die Lernprozesse.“ (vgl. Schönbächler, 2008, S. 23 ff.)
Lara empfindet das Classroom-Management in offenen Formen aufwändiger, da die
Schüler/innen auf unterschiedliche Lernorte verteilt sind und es nicht immer als einfach erscheint
den Überblick zu behalten.
„Das Classroom-Management in offenen Sequenzen ist mit Sicherheit aufwändiger, weil die
Schüler/innen auf verschiedene Orte aufgeteilt sind. […]
Es befinden sich viele Schüler/innen aus unterschiedlichen Gruppen am Marktplatz (Lernort
außerhalb der Klasse), dabei den Überblick über die eigene Gruppe zu behalten, ist nicht einfach
– man soll natürlich auch über den Leistungsstand der einzelnen Schüler/innen Bescheid wissen
– das finde ich in einer geschlossenen Form einfacher.
Schwache Schüler/innen, die sich meist in der Klasse befinden benötigen mehr Unterstützung,
in der Zwischenzeit soll man am Marktplatz für die notwendige Ruhe sorgen – da müsste man
sich öfter zweiteilen.“
Kounin (1976, S. 85 ff.) beschreibt diese Situationen durch die Allgegenwertigkeit der Lehrperson.
Die Lehrkraft soll den Schüler/innen vermitteln, dass er/sie den Überblick über das gesamte
Geschehen, an den unterschiedlichen Lernorten hat. Durch differenzierte Arbeitsmaterialien
ergeben sich aus seiner Sicht jedoch zusätzliche Aufwendungen.
Die Heterogenität einer Gruppe bildet einen ausschlaggebenden Faktor, der den Aufwand des
Classroom-Managements erheblich beeinflusst.
Bei einer falschen Forderung und Förderung von Schüler/innen können diese sehr störend wirken.
Besonders hochbegabte Kinder weisen verschiedene Verhaltensprofile auf und können sehr
unterschiedlich auf unpassende Unterrichtsmaterialien reagieren.
Diese Schüler/innen müssen nicht durch gute Leistungen und gutes Verhalten auffallen, sondern
können den geplanten Unterricht zu Fall bringen, indem sie aufgrund von Langerweile, den
gesamten Unterricht unangenehm beeinflussen (vgl. Betts & Neihart, 1988).
Nicht zu vernachlässigen sind zudem Handlungen von Schüler/innen, die auf der Suche nach
Aufmerksamkeit sind.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 79/150
Manche Schüler/innen sind stets auf der Suche nach Bestätigungen. Ausständiges Lob, aufgrund
eines Zeitmangels der Lehrperson, kann diese Schüler/innen zu unpassenden Handlungen
veranlassen. Dies äußert sich oftmals in Unruhen und demotivierter Haltung der Schüler/innen.
Die folgenden Aussagen über das Classroom-Management gehen d'accord mit jener von Bohl.
Das Classroom-Management hängt für Daniela stark vom Grad der Öffnung ab. Bei Öffnungen
hinsichtlich der Lernorte steigt aus ihrer Sicht der Aufwand im Classroom-Management, wie sie
beschreibt:
„Je nachdem welche Freiheiten die Schüler/innen haben ist das Classroom-Management gleich
dem geschlossenen Unterricht – also bei Lernumgebung innerhalb der Klasse. Es ist bei der
Benutzung von zusätzlichen Räumlichkeiten bestimmt aufwendiger.“
Tanja schließt sich den bereits angeführten Argumenten an, welche aus Sicht von Lara und
Daniela für den Mehraufwand am Classroom-Management verantwortlich sind und macht den
resultierenden Zusatzaufwand an der fehlenden, direkten Instruktion und Kontrolle durch die
Lehrkraft fest.
„[…]Bei einer geschlossenen Sequenz hat man einen besseren Überblick und eine stärkere
Kontrolle über die einzelnen Schüler/innen, weil man sie direkt instruiert. Ich kann dabei
Lerninhalte, Lerntempo, Methoden, Lernort und Lautstärke besser steuern.“
In Sabines Unterricht herrschen strikte Regeln und Vereinbarungen, welche umgesetzt und
eingefordert werden. Ist dieses System des Classroom-Managements am Laufen wird es nur von
den Lehrkräften selbst verletzt.
„Ich führe das Classroom-Management am Beginn der ersten Klasse sehr rigoros ein. Dazu
zählen die Arbeitshaltung, der Umgang mit den Lernmaterialien, die Arbeitslautstärke und die
Trennung von Arbeitsphase und Pause. Möchte ich mit einem Schüler/ einer Schülerin was klären
gehe ich mit Demjenigen/Derjenigen in einen kleinen Nebenraum, damit ich die anderen im
Arbeitsprozess nicht störe.
Läuft das Classroom-Management, sind die Lehrer/innen diejenigen, die das funktionierende
System stören. Man braucht nur über einen Schüler/ eine Schülerin mit einem Kollegen/einer
Kollegin sprechen, lenkt man andere Schüler/innen ab.“
Dabei spricht Kounin (1976, S. 101 ff.) von der Reibungslosigkeit. Es sollten unnötige
Unterbrechungen und Verzögerungen, jeglicher Art vermieden werden, um den Lernfluss nicht
zu stören.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 80/150
Zudem sollten Gespräche über Verhaltensweisen oder Lernfortschritten im kollegialen Rahmen
geführt werden und nicht während des laufenden Unterrichtsgeschehens.
Roland und Martina empfinden das Classroom-Management einer geschlossenen und offenen
Lernstunde gleich aufwendig. Die Planung dieser organisatorischen Bedingung ist aus ihrer Sicht
für eine offene Form eine andere, als bei einer Geschlossenen.
Roland: „Das Classroom-Management ist aus meiner Sicht bei einer offenen Lernform genau
so aufwendig, als bei geschlossenen Unterrichtsansätzen. Eine offene Form ist aus meiner
Sicht aber anders zu behandeln, als eine Geschlossene – ich kann aber nicht beschreiben wie.
Bei offenen Lehrformen ist auch mein Wohlbefinden höher, als in lehrerzentrierten Sequenzen.“
Martina sieht im Classroom-Management des gut strukturierten offenen Unterrichts keine
zusätzlichen Aufwendungen, sondern eher eine Chance auf einen besseren Einblick in das
Handeln der Schüler/innen.
„Erfolgt der Unterricht in einer geschlossenen Lernform, kann ich oft nicht nachvollziehen wer
mitarbeitet und wer gerade vor sich hin träumt. […]
Wenn die Schüler/innen wissen was zu tun ist, ergeben sich für mich durch offene Lernformen
keine zusätzlichen Aufwendungen im Bereich des Classroom-Managements.“
Karl und Franz führen keine konkreten Aussagen zum Thema des Classroom-Managements
an.
Franz begründet dies durch seine abgewandelte Form des offenen Unterrichts.
„Zum Thema Classroom-Management bei offenen oder geschlossenen Formen kann ich nicht
viel sagen, da mein offener Unterricht nicht wirklich offen ist.“
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 81/150
7.1.2.3. Wie hoch ist die Arbeitslautstärke vom offenen Unterricht im
Vergleich zu anderen Lernformen?
Bei der Frage nach der Arbeitslautstärke im laufenden Betrieb der unterschiedlichen Lernformen,
ist die Meinung der interviewten Lehrpersonen geteilt.
Aus Laras Sicht ist die Arbeitslautstärke in jeder umgesetzten Lernform in etwa gleich hoch.
„In meinem Unterricht macht es keinen Unterschied, ob dieser offen oder geschlossen
abgehalten wird. Die Arbeitslautstärke ist in jeder Form ungefähr gleich hoch.“
Karl und Tanja können dieser Aussage zum Teil zustimmen. Sie beschreiben ihre Situation mit
sehr ähnlichen Aussagen:
Tanja: „Die Arbeitslautstärke ist in offenen Lernformen besonders am Anfang höher. Haben
die Schüler/innen einen passenden Lernplatz und die richtigen Lernutensilien gefunden, senkt
sich der Lärmpegel auf die Lautstärke des geschlossenen Unterrichts. […]
Da die Lernumgebung, im offenen Unterricht sehr ruhig ist, empfinde ich das Flüstern der
Schüler/innen, welche eine Aufgabe in Partner- oder Gruppenarbeit erfüllen leiser, als manches
Schwätzen von Schüler/innen innerhalb einer lehrerzentrierten Einheit.“
Für Daniela hingegen gibt es klarerweise ein Lernarrangement, mit erhöhtem Lärmpegel.
„Im Vergleich zum Frontalunterricht ist die Arbeitslautstärke in offenen Formen auf jeden Fall
höher.“
Auch für Martina ergibt sich durch den offenen Unterricht eine höhere Arbeitslautstärke, die
jedoch positiv zu bewerten ist.
„Die Arbeitslautstärke ist in einer offenen Lernform meist höher, als beim geschlossenen
Unterricht. Eine Gruppenarbeit benötigt eben Absprachen mit den Kollegen/Kolleginnen. Ich finde
diese Gespräche aber nicht störend. Man kann dadurch erkennen, dass die Schüler/innen aktiv
mitarbeiten.“
Roland empfindet die Lautstärke in einer offenen Lernform höher, kann dies jedoch keinen
konkreten Begründungen zuordnen.
„[…] Die Arbeitslautstärke hängt von den Schüler/innen und von den zu bearbeitenden Themen
ab. Manche Teilnehmer/innen arbeiten sehr konzentriert und leise, andere müssen laufend in der
Lautstärke eingebremst werden.“
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 82/150
Sabine sieht die Arbeitslautstärke als Faktor, der vom Bekanntheitsgrad der Lernform abhängig
ist.
„Sind die Schüler/innen die Form des Lernens gewohnt, ist die Arbeitslautstärke in einer offenen
Lernumgebung niedrig.
Bei der Einführung des offenen Unterrichts hingegen, ist die Arbeitslautstärke sehr hoch.
Durch strikte Einforderung der gewünschten Arbeitslautstärke wird es leiser, da die Schüler/innen
selbst ihren Vorteil aus einer ruhigen Lernumgebung erkennen.“
Franz sieht keinen direkten Zusammenhang zwischen der angewandten Methode und der
Arbeitslautstärke. Die Arbeitslautstärke ist vom Empfinden des Einzelnen abhängig, wird diese
Schwelle übertreten, muss man jedoch einschreiten.
„Die Lautstärke kann in jeder Methode – egal ob offen oder geschlossen von sehr leise bis sehr
laut schwanken. Je nach eigenem Empfinden muss man diese steuern.“
Die befragten Lehrpersonen empfinden die Lautstärke im offenen Unterricht sehr
unterschiedlich. Auf manche wirkt die Umsetzung sehr laut, andere wiederum beschreiben die
offenen Lernformen als Methoden, die nur zu Beginn oder in der Einführungsphase laut sind und
später leiser werden. In diesem Prozess kann die Lautstärke unter jene, des geschlossenen,
lehrerzentrierten Unterrichts fallen.
Bei der Bewertung der Arbeitslautstärke sind natürlich auch die Gruppengröße und der
Arbeitsraum bestimmende Faktoren.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 83/150
7.1.2.4. Aus organisatorischer Sicht: Welche Unterrichtsformen weisen
einen höheren Arbeitsaufwand auf?
Der Aufwand der Planung von offenen Unterrichtsformen wird von allen befragten Lehrpersonen
als hoch eingeschätzt. Unterrichtsvorbereitungen von geschlossenen Einheiten, sind im Vergleich
dazu mit weniger Arbeitsaufwand verbunden.
In Laras Schule werden alle Mathematikeinheiten im offenen Stil unterrichtet. Da die erstellten
Materialien im Unterrichtsgegenstand Mathematik von allen Lehrkräften verwendet werden,
erfolgt auch Planung und Erstellung im Team. Wobei dies in diesem Fall keine direkte
gemeinsame Erstellung bedeutet, sondern eine abwechselnde Planung.
„[…] Im Vorjahr wurden an unserer Schule alle Wochenpläne und Arbeitsmaterialien neu
erstellt, was ein enormer Arbeitsaufwand war. Die Erstellung fand in der
Mathematiklehrer/innen-Gruppe statt, das heißt, dass jede Lehrperson jede fünfte Woche den
Wochenplan zusammenstellte und den anderen Lehrpersonen fertig kopiert auf den Platz legte.
In den folgenden Jahren werden diese Materialien nur mehr angepasst, was den
Arbeitsaufwand erheblich senkt.
Diese Art der Planung ist für mich nur durch die tolle und offene Kooperation unter den
Lehrer/innen möglich.
Ich glaube, dass eine gemeinsame Planung im lehrerzentrierten Unterricht nicht so gut funktioniert
– dann wäre diese Form des offenen Unterrichts extrem aufwändig.“
Wie bereits im Kapitel 7.1.1.5 erwähnt ist die Kooperation innerhalb der Schule ein wichtiges
Qualitätskriterium der Schule. Es können verschiedene Ansätze des Lernens gestaltet werden.
Wie im Interview von Lara ersichtlich ist, sinkt bei dieser Vorgehensweise der Gesamtaufwand
der Planung.
Daniela beschreibt nicht nur den offenen Unterricht als arbeitsintensiv, sondern auch die
Verwendung von digitalen Medien in der Schule als umständlich. Besonders die Verwendung
von elektronischen Geräten muss erprobt werden, da es sonst zu zeitintensiven Pannen oder
spontanen Änderungen kommen kann.
„[…] Nicht nur der offene Unterricht ist mehr Aufwand, sondern auch der Medieneinsatz im
Unterricht – da muss viel genauer geplant werden.“
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 84/150
Für Tanja ergibt sich der zusätzliche Aufwand durch die selbsterstellen Arbeitsmaterialien.
„Die meisten Lernmaterialien erstelle ich selbst, weil vorhandene Übungsblätter oder Merkzettel
einfach nicht richtig passen – das ist extrem zeitintensiv.
Die dafür benötigten Materialen müssen vor der Durchführung besorgt und anschließend
entsprechend verarbeitet werden. – Man muss basteln, malen, laminieren, kopieren und vieles
mehr. Weil sich der offene Unterricht zur Differenzierung anbietet, soll man diesem auch gerecht
werden – also erstelle ich alle Materialien auf mindestens drei unterschiedliche Leistungsniveaus.
Manches Mal gibt es auch Bonusaufgaben, um begabte und interessierte Schüler/innen
entsprechend zu fördern, wodurch sich Arbeitsaufwand zusätzlich erhöht. […]
Bei der Erstellung der Materialien achte ich auf die unmissverständliche Beschreibung, da ich
nicht in allen Freiarbeitsstunden anwesend sein kann. Sind die Materialien nicht selbsterklärend,
würde die offene Arbeit ins Stocken kommen.
Martina schließt sich in der Sichtweise von Tanja an und begründet den Mehraufwand durch die
Differenzierung. Für Martina, Roland und Franz relativiert sich der Aufwand jedoch durch die
Einsatzdauer der offenen Materialien.
Franz: „Sieht man diese Aufwendungen über die Jahre verteilt, in welchen diese Materialien in
adaptierter Form verwendet werden können, hält er sich der Aufwand in Grenzen.“
Roland spricht zusätzlich von der Planung im Team, was zu einer weiteren Reduktion der
Aufwendungen führt.
Der zusätzliche Aufwand ergibt sich für Karl aus der Digitalisierung der Medien.
„[…] Es müssen die Materialien digital verfügbar sein – das geht nicht von heute auf morgen,
sondern muss sich über Jahre hin entwickeln.“
Diese Aussage über die nötige Digitalisierung entspricht nicht den Vorgaben des offenen
Unterrichts. Betrachtet man einen Stationenbetrieb näher, wurde im Kapitel 6.5.2 vermerkt, dass
die Stationen unterschiedliche Zugänge anbieten sollen. Ob digitale Stationen enthalten sind
und welchen Umfang diese aufweisen, liegt stets in der Hand der Lehrperson. Der digitale
Zugang kann ermöglicht werden, stellt jedoch keine Notwendigkeit dar.
Selbst andere offene Zugänge, wie die Freiarbeit, der Wochenplan, der Projektunterricht (siehe
Kapitel 6.5.1-6.5.4) weisen nicht nachdrücklich auf einen digitalen Zugang hin.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 85/150
Sabine beschreibt den Mehraufwand durch die penible Planung dieser Unterrichtsformen.
„Damit eine reibungslose Umsetzung möglich ist, muss der offene Unterricht sehr genau
geplant werden. Diese Planung erfolgt bei uns im Team. Wir müssen uns im Vorhinein sehr
genau überlegt, welche Materialien benötigt werden. […]
Als Beispiel - wir machen Inhalte zur Geometrie, also brauchen die Schüler/innen einen Zirkel
und das Geodreieck – somit müssen Ersatzzirkel und Dreiecke mit.
Mein Kollege möchte eine Station mit dem großen Zirkel erstellen – also brauchen wir ein Paper
am Boden und rund um genug Platz zum Konstruieren. Es gibt eine EVD-Station – also müssen
Laptops und alle Kabel mit. […]
Vergisst man eine Kleinigkeit, kann der Unterricht nicht umgesetzt werden.“
Aus den unterschiedlichen Interviews geht hervor, dass der Mehraufwand in der Planung des
offenen Unterrichts liegt. Bei der Planung im Team, wird zwar der Aufwand insofern reduziert, da
entweder die Aufgaben verteilt werden oder mehrere Kleinigkeiten beachtet werden können.
Dennoch wird jeder Schritt und die Erstellung der Materialien, als aufwendig empfunden.
Vergleicht man den Planungsaufwand mit der Dauer des Einsatzes dieser Materialien, relativiert
sich dieser, da die Materialien über mehrere Jahre hinweg verwendet werden können.
Der offene Unterricht in seinen unterschiedlichen Ausprägungen bietet den notwendigen
Spielraum zur inneren Differenzierung (Kapitel 6.5.1, 6.5.2, 6.5.3, 6.5.4). Aus diesem Grund
sollten die erstellten Materialien in unterschiedlichen Leistungsniveaus angeboten werden, was
zwar zusätzliche Arbeit bedeutet, jedoch nach Meyer (Kapitel 5) Bestandteil des guten
Unterrichts ist.
Diese Erkenntnis zeigt bereits eine Studie von Gerich und Jürgens aus 1992.
Sie sprechen vom möglichen Raum einer inneren Differenzierung in der Umsetzungen von
Wochenplänen (vgl. Reketat, 2001, S. 47).
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 86/150
7.1.2.5. Wie erfolgt die Bestimmung des Lernzuwachses bei
geschlossenen Lernformen und wie erfolgt die Bestimmung
des Lernzuwachses bei offenen Lernformen? (Produkte,
Test,…)
Der folgende Abschnitt des Interviews beschäftigt sich mit der Bestimmung des
Leistungszuwachses. Es soll dabei ermittelt werden, ob die Kompetenzen und Ergebnisse aus
offenen Lernformen durch andere Messungsinstrumente ermittelt werden, als jene aus
geschlossenen Unterrichtsformen.
Lara führt die Leistungsmessung unabhängig von der gewählten Methode durch. Die Mitarbeit,
wie auch schriftliche Leistungsfeststellungen werden aus allen Lernformen auf dem gleichen
Wege erhoben.
„Bei uns gibt es keine Trennung zwischen der Bewertung von offenen und geschlossenen
Phasen im Unterricht. Der Lernstand wird wöchentlich mit einer Mitarbeitskontrolle erhoben.
[…]
Zwei Mal im Quartal gibt es sogenannte Leistungsprodukte – dabei handelt es sich um größere
schriftliche Überprüfungen über mehrere Themen der Mathematik und es gibt natürlich
Schularbeiten.
Die Mitarbeit erhebe ich in den lehrerzentrierten Erarbeitungsphasen durch Beobachtungen im
laufenden Wochenplanbetrieb. Dafür verwenden wird ein schulinternes Punktesystem. Jede
Stunde sind vier Punkte zu erreichen. Bei schlechter Mitarbeit oder fehlenden Materialien, wie
Zirkel, Mathematikbuch, Heft, Bleistift oder Geodreieck werden Punkte abgezogen. […]
Jede Woche gibt es noch Kopfrechenübungen. (Die Schüler/innen erhalten zehn
Kopfrechnungsaufgaben, die abgesammelt und kontrolliert werden). Stehen die Schüler/innen auf
einer Zwischennote werden die Ergebnisse aus diesen Übungen herangezogen – sonst fließen
sie heuer noch nicht in die Note ein - aber ab September.“
Bei Daniela schließen offene Phasen mit einem Lernprodukt ab, welches separat beurteilt wird.
„In meinem Unterricht bestimme ich die Leistung der Schüler/innen durch mündliche Mitarbeit,
indem ich Fragen stelle, durch schriftliche Lernzielkontrollen – also
Mitarbeitsüberprüfungen und durch Schularbeiten. Offene Sequenzen enden im
Mathematikunterricht mit Lernprodukten oder auch mit schriftliche oder mündliche
Überprüfungen. […]
Unter Lernprodukte verstehe ich Videos, Präsentationen, Portfolios usw.“
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 87/150
In der NMS von Tanja, erfolgt die Bestimmung der Leistung über Lernprodukte, Schularbeiten
und Mitarbeit.
„Die Leistungsmessung erfolgt in unserer Schule primär über die abgegebenen Produkte und
über die Schularbeiten.
Die Mitarbeit wird durch die Beteiligung am lehrerzentrierten Unterricht gemessen. In den offenen
Phasen bin ich nicht immer anwesend, daher gibt es in diesen Teilen keine
Mitarbeitsaufzeichnungen. Natürlich zählen auch Hausübungen zur Mitarbeit – sie werden in den
lehrerzentrierten Phasen vergeben und abgesammelt. […]“
In der Schule von Tanja erfolgt der Großteil des Mathematikunterrichts in offener Umsetzung,
daher greift meiner Meinung nach, ihre Bewertung der Mitarbeit zu kurz. Es sollten stets
Aufzeichnungen über die Mitarbeit in den geöffneten Phasen erfolgen. Einer mangelnden
Anwesenheit der Lehrperson stehe ich daher kritisch gegenüber.
Möglicherweise müsste das gesamte System dahingehend verändert werden, dass alle Lehrkräfte
Mitarbeitsaufzeichnungen über die beaufsichtigten Schüler/innen führen.
Es sind zu jeder Zeit Lehrkräfte für Hilfestellungen und Beobachtungen vor Ort. Werden die
Schüler/innen als Gesamtheit betrachtet, wäre eine zentral verwaltete Aufzeichnung durch jede
Lehrperson realisierbar.
Geht man auf die veränderte Lehrer/innen-Rolle ein, entspricht das beschriebene System exakt
diesen notwendigen Veränderungen – vom Wissensvermittler zum beobachtenden Lerncoach
(siehe Kapitel 6.6).
Martinas Beurteilung verläuft ähnlich wie jene von Tanja. Sie sieht jedoch Mitarbeitskontrollen als
momentanen Leistungsstand, an welchem noch gearbeitet werden kann. Die Schularbeit bildet
den Abschluss, daher sollte diese Leistungsmessung positiv ausfallen.
„[…] Ich mache laufend schriftliche Überprüfungen, damit die Schüler/innen wissen wo sie
stehen und eine Rückmeldung bekommen, falls zusätzliche Fördermaßnahmen notwendig sind.
Die Schularbeit sehe ich als Abschluss – dann ist es aber zu spät für eine Förderung.
Man muss schon viel früher ansetzen und schlechten Noten entgegenwirken.“
Franz schließt sich dem System von Daniela an und ergänzt die Erhebung der Mitarbeit mit
Diskussionen. Es bietet sich dabei die Möglichkeit viele, zusätzliche Informationen einzuholen.
„[…] Die Mitarbeit wird natürlich auch in die Gesamtnote miteinbezogen.
Die Mitarbeit bestimme ich über Schüler/innen-Schüler/innen oder Lehrer-Schüler/innen-
Diskussionen. Entweder die Schüler/innen diskutieren mit mir, dann kann ich den aktuellen
Wissensstand einschätzen oder sie diskutieren untereinander, dann setze ich mich nebenan hin
und höre ihnen zu.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 88/150
Man bekommt dabei nicht nur Informationen über den momentanen Leistungsstand, sondern
auch über die Probleme, welche die Schüler/innen haben und über die Qualität des eigenen
Unterrichts. […]“
Durch das aktive Kommunizieren und Zuhören erkennt man mögliche Lernschwierigkeiten der
Schüler/innen.
Weisen die Schüler/innen erhebliche Verständnisprobleme auf, soll man als Lehrperson über den
gewählten Lehr- und Lernweg reflektieren und möglicherweise durch einen anderen Ansatz die
Missverständnisse aus dem Weg räumen.
Roland vereinbart bereits am Anfang des Schuljahres die Wertigkeit der einzelnen Bereiche des
Unterrichts, wobei auf Wunsch der Schüler/innen die Mitarbeit eine geringere Gewichtung, als die
Schularbeiten aufweist.
„Die Bestimmung der Leistung erfolgt bei uns durch die Absolvierung der Bausteine. Diese
können sehr unterschiedlich abgeschlossen werden - also mit Experimenten, Präsentationen,
Computerprogrammen, Plakaten, Videos, Arbeitszetteln oder anderen Materialien. […]
Natürlich fließen auch die Ergebnisse der Schularbeiten in die Bewertung ein.
In den Lernphasen – in den lehrerzentrierten und in den offenen Phasen werden zusätzliche
Beobachtungen durchgeführt, um die Mitarbeit der Schüler/innen zu bestimmen.
Auf Wunsch der Schüler/innen setzt sich die Endnote heuer aus 60% Schularbeit und 40%
Mitarbeit, also Beobachtung plus Bausteine, zusammen.“
Es entspricht nicht seinen Vorstellungen, dass die Schularbeit, als Momentanaufnahme eine
höhere Wertigkeit ausweist, als die laufenden Aufzeichnungen zur Mitarbeit.
„Mein Kollege und ich wollten, die Mitarbeit höher bewerten, doch die Schüler/innen waren
einstimmig dagegen.“
Eine transparente Leistungsbeurteilung wird laut LBVO (2017) für jede Lehrkraft vorgeschrieben,
aus diesem Grund ist man verpflichtet, bereits am Anfang jedes Schuljahres die
Beurteilungskriterien zu kommunizieren.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 89/150
In der Lernstandserhebung von Karl erfolgen die Aufnahmen des Leistungszuwachses nach den
Definitionen der Lernziele. Es wird konkret die Erhebung des Erreichungsgrades der gewünschten
Lernziele durchgeführt.
Für Karl ist der Kompetenzbegriff eine Umbenennung der bisherigen Lernziele. In seinem
Unterricht sollen die Lehr- und Lernziele durch unterschiedliche Aufgabenstellungen erreicht
werden.
„Die Bestimmung des Lernzuwachses beginnt für mich mit dem Definieren der Lehr- und
Lernziele. Die Gestaltung des Unterrichts - unabhängig von der Lernform - soll die Erreichung
dieser Ziele ermöglichen. Werden die Aufgabenstellungen den unterschiedlichen Lernzielen
zugeordnet, kann im Nachhinein bestimmt werden, wie gut ein Ziel erreicht wurde. Ich kann somit
qualitative Rückmeldungen über den Lernzuwachs geben.
In offenen Lernformen erfolgt die Bestimmung mittels Präsentationen und digitalen
Lernüberprüfungen, also mit den beschriebenen Edu puzzles. […]
Momentan wird auch an Ansätzen zur digitalen Mathematikschularbeit gearbeitet, doch diese
Vorgehensweisen müssen noch reifen. […]
Im lehrerzentrierten Unterricht sind die gleichen Vorüberlegungen anzustellen, um den Lernerfolg
zu ermitteln. Es fließen neben den Schularbeitsnoten, die Mitarbeit und schriftliche
Mitarbeitsüberprüfungen ein.“
Im Unterricht von Sabine wird Wert auf individuelle Rückmeldung gelegt. Nicht nur die Noten,
sondern auch Softskills werden im Rahmen eines Bilanzgespräches diskutiert, um die
Arbeitshaltungen und Lernzugänge zu verbessern.
Die Bestimmung des Lernzuwachses erfolgt bei uns mittels Schularbeiten, schriftlicher
Mitarbeitsüberprüfungen, Portfolios, Präsentationen, Papers, freigestalteter Arbeitspläne,
individueller Beobachtungen, spezifischer Rückmeldungen und Bilanzgespräche. Dabei
werden Softskills besprochen. (Wie ist das Arbeitsverhalten? Wo wird Förderung benötigt? Liegt
permanente Über- oder Unterforderung vor?...)“
Diese Lehrperson beschreibt als einzige, dass zusätzliche Rückmeldungen, bezüglich des
Arbeitsverhaltens, in Form des Bilanzgespräches stattfinden. Es wird dabei den Schüler/innen die
Chance geboten auf Lern- und Verhaltensfehler aufmerksam zu werden. Es können im Rahmen
dieses Gespräches Auskunft zu überfachlichen Kompetenzen gegeben werden, welche ein
wichtiger Bestandteil jedes Unterrichts sein sollte. (Kapitel 4.2).
Nach Bohl und Kucharz (2013, S. 133 ff.) könnten auch Selbstbewertungen der Schüler/innen in
die Gesamtbeurteilung miteinbezogen werden. Zudem können Bewertungen von Mitschüler/innen
nach einer Präsentation oder nach einer offenen Lernphase herangezogen werden.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 90/150
7.1.3. Heterogenität in der Gruppe
Aufgrund der Heterogenität der Schulklassen kommen entsprechende Lernansätze zum Einsatz,
um das vorliegende Potential der Lernenden vollends auszuschöpfen.
Aus diesem Grund sollten bedachte Lernansätze gewählt werden, welche diesen hohen
Ansprüchen gerecht werden. Im Rahmen der Interviews wurden offene Lernansätze hinsichtlich
der Förderung von schwachen und begabten Schüler/innen analysiert.
Einen weiteren Bestandteil der Erhebung stellen unterschiedliche Fragestellungen zu
beeinflussenden Faktoren des erfolgreichen Einsetzens der offenen Lernformen dar. Genauer
gesagt handelt es sich um Migrationshintergrund, Niveau, geschlechtliche Zusammensetzung
und Alter.
7.1.3.1. In welchen Schulstufen/Klassen funktionieren die offenen
Umsetzungen am besten?
Lara und Karl können mir zu dieser Frage leider keine Auskünfte geben, da sie im PTS
unterrichten, in welchen es nur eine Schulstufe gibt.
Aus Danielas Sicht sind offene Lernformen in allen Schulstufen gut umsetzbar.
Sie kann aufgrund ihrer Anstellung an einer BMHS keine Erfahrungen bezüglich offener
Lernformen in der Unterstufe aufweisen.
„Ich habe keine Erfahrung, wie gut oder schlecht offene Lernformen in der Unterstufe
angenommen werden, aber in der Oberstufe funktionieren sie in allen Schulstufen gleich
gut. Man muss nur darauf aufpassen, dass sich manche nicht ausklinken oder die Arbeit in einer
Gruppe ungerecht verteilt ist.“
Für Tanja gibt es sehr wohl Unterschiede in der Funktionsweise der offenen Formen. Diese sind
auf das Alter der Schüler/innen zurückzuführen.
„Ich setze offene Lernformen am liebsten in der 7 - 13. Schulstufe ein. In diesem Alter können
die Schüler/innen schon selbstständig arbeiten. […]
Man muss halt beachten, dass man Schüler/innen aus der Oberstufe anders ködern muss, damit
sie motiviert sind. […]
In der 5. und 6. Schulstufe sind sie noch sehr verspielt und nur wenig selbstständig. Offene
Sequenzen können dann nur sehr behutsam und gezielt eingesetzt werden. Ein Vorteil ist, dass
sich die Schüler/innen schnell für etwas begeistern lassen. […]“
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 91/150
Sabine macht die Unterschiede der Anwendungen der offenen Lernformen nicht vom Alter der
Schüler/innen abhängig, sondern vom Bekanntheitsgrad der verwendeten Methoden. Werden
offene Lernformen zum ersten Mal verwendet, kann aus ihrer Perspektive kein großer Grad an
Selbstständigkeit erwartet werden.
„[…] Wie gut eine Lernform funktioniert, hängt aus meiner Sicht nicht von der Schulstufe ab,
sondern ob die Schüler/innen es gewohnt sind in solchen Formen zu arbeiten.
Wird eine Methode neu eingeführt ist es egal wie alt die Schüler/innen sind – sie müssen erst
lernen mit einem offenen Ansatz zu arbeiten. […]“
Wie Sabine beschreibt hängt die Umsetzung für sie nicht vom Alter und somit auch von keiner
hormonellen Beeinflussung ab. Diesen Aspekt kann ich erfahrungsgemäß nicht bestätigen, da
die Schüler/innen in pubertären Phasen andere Verhaltensweisen der Lehrpersonen benötigen,
um dem Unterricht zu folgen.
Martina sieht ebenso einen Zusammenhang zwischen einer guten Umsetzung von offenen
Lernformen und dem Alter beziehungsweise dem Wissen über offene Lernformen. Für sie
funktionieren offene Lernformen in höheren Klassen der NMS besser, weil die Schüler/innen
bereits mehr Erfahrung sammeln konnten.
Ich finde, dass der Einsatz in höheren Klassen besser funktioniert, als in niedrigeren.
Im Laufe der Zeit werden die Schüler/innen selbstständiger und wissen schon mehr über die
verschiedenen Methoden. Am Anfang sind offene Methoden sehr zeitintensiv – bis jeder weiß was
zu tun ist. […]
Grundsätzlich kann aber eine offene Methode in jeder Schulstufe eingesetzt werden. […]“
Für Franz ist der Einsatz von offenen Lernformen sehr wohl vom Alter und somit von den
jeweiligen Schulstufen abhängig.
„Aus meiner Sicht eigenen sich die 5. und 6. und die 10, 11 und 12 Schulstufe am besten für
den offenen Unterricht. […]
In der 7. 8. und 9. Schulstufe befinden sich die Schüler/innen in einer hoch pubertären Phase
– da ist man schnell uncool, wenn man mit dem Lehrer diskutiert oder eine gute Mitarbeit hat.
Heuer habe ich zwar eine Klasse wo das nicht der Fall ist – aber das ist selten. […]
In der 5. und 6. Schulstufe funktioniert dieser Unterricht sehr gut, die Schüler/innen sind noch
ganz unbekümmert, sehr hilfsbereit und bringen sich gerne in den Unterricht ein. Sie wollen
präsentieren und ihr Wissen mit allen teilen. […]
In den Schulstufen 10 - 12 eignen sich komplexe Aufgaben für eine Gruppenarbeit sehr gut.
Gute Schüler/innen kristallisieren sich schnell heraus und erklären die gewonnen Erkenntnisse
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 92/150
den Schwächeren. Dies geschieht nicht nur im Unterricht, sondern auch bei den Hausübungen,
wobei die Kommunikation, wie bereits beschrieben über WhatsApp abläuft.“
Für Roland ist die erfolgreiche Umsetzung des offenen Unterrichts nicht vom Alter der
Schüler/innen abhängig, sondern vom Schwierigkeitsgrad des Stoffes und der Tagesverfassung.
„Ich glaube nicht, dass das Alter für die Umsetzung eines Unterrichts verantwortlich ist, sondern
der Schwierigkeitsgrad des Lernstoffes. Eine Lernform funktioniert nicht in jeder Gruppe gleich
gut. Es hängt von der Klasse oder von der Tagesverfassung ab – und von der Pubertät.“
Meiner Meinung nach sind hoch pubertäre Verhaltensweisen in jeglicher Form des Unterrichts
schwer handhabbar, da sich die Schüler/innen auf einer anderen Gefühlsebene befinden. Sie
verweigern häufig die Mitarbeit und setzen ihre persönlichen Ziele meist außerhalb der Schule.
Das Aussehen, die Klamotten und Freizeitaktivitäten beeinflussen das Verhalten der
Schüler/innen. Die Lernenden für den Mathematikunterricht zu begeistern, gilt besonders in
dieser Phase als sehr herausfordernde Aufgabe für jede Lehrkraft.
Meiner Erfahrung nach, können die Schüler/innen in dieser Phase des Lebens am besten mit
praktischen Zugängen zur Mitarbeit motiviert werden. Durch ein verständnisvolles,
wertschätzendes Gegenübertreten fühlen sich die Schüler/innen respektiert und können sich
zum aktiven Arbeiten überwinden.
Das Verhalten der Lehrperson muss sich dabei von der Beschützerrolle zum Lernbegleiter
ändern, da die Schüler/innen in der Entfaltung und im Erwachsenwerden mehr Freiheiten
benötigen (vgl. Röder, Scherfig, & Verbeet, 2010).
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 93/150
7.1.3.2. Wie kann eine Förderung und Forderung von Kindern mit
Defiziten am besten bewerkstelligt werden?
Lara bindet schwache Schüler/innen in den ‚normalen‘ Unterricht ein, indem sie die
verwendeten Wochenpläne adaptiert.
„Bei uns arbeiten Schüler/innen mit Lernschwierigkeiten entweder an einem reduzierten
Wochenplan oder sie müssen nur einen Teil des Arbeitsplans lösen. Diese Schüler/innen
kristallisieren sich bereits in den ersten Schulwochen heraus. Sie arbeiten vermehrt in der
Stammklasse, da dort eine bessere Betreuung angeboten wird. Ich erkläre ihnen dort auch die
Beispiele ein zweites Mal, falls das notwendig ist.
Diese Schüler/innen sollen einfach ihren Fähigkeiten entsprechend versuchen, möglichst viele
Bespiele zu erarbeiten. Eine Fertigstellung der Wochenpläne in der Freizeit, wird von diesen
Schüler/innen nicht verlangt.
Schüler/innen mit einem eingetragenen SPF bekommen einen zusätzlichen Sonderpädagogen/
eine zusätzliche Sonderpädagogin zur Seite gestellt, welche/r unterstützend wirkt. Jene
Schüler/innen arbeiten zwar am gleichen Thema, wie der Rest der Klasse - jedoch ihrem Niveau
angepasst. Die Inputphasen werden von der Zusatzkraft übernommen und entsprechend
aufgebaut. Beim Thema ‚der pythagoreische Lehrsatz‘ bearbeiteten die SPF-Schüler/innen
Aufgaben wie: ,Finde und markiere die Hypotenuse‘, oder ‚Suche rechtwinkelige Dreiecke in
unterschiedlichen Figuren‘.[…]
Ich dachte eigentlich, dass eine Förderung von schwachen Schüler/innen in einer offenen Form
nicht möglich ist, doch dann lernte ich diese Form, hier im PTS kennen.
Der Unterrichtsstil ist so individuell gestaltet, dass er an die Fähigkeiten und Bedürfnisse der
Lernenden bestmöglich angepasst ist. Weisen die SPF-Schüler/innen hohe Lernbereitschaft und
einen entsprechenden Wissensstand auf, dürfen sie natürlich auch in den freien Lernzonen
arbeiten.“
Daniela plädiert ebenso für eine Förderung von schwachen Schüler/innen mit Hilfe des offenen
Unterrichts.
„Ich bin der Meinung, dass schwache Schüler/innen im offenen Unterricht besser gefördert
werden können. Sie erhalten die Möglichkeit versteckte Stärken zu zeigen und sich in eine
Gruppenarbeit, entsprechend den Fähigkeiten, einzubringen.“
Aus Tanjas Sicht bietet sich der offene Unterricht für eine Differenzierung und somit für die
Förderung von schwachen Schüler/innen sehr gut an. (siehe auch Kapitel 6.2)
„Schüler/innen mit Defiziten werden in meinem Unterricht einerseits in der die Tutorenrolle von
anderen Schüler/innen und andererseits durch die jeweiligen Lehrkräfte unterstützt. […]
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 94/150
In den Freiarbeitsphasen versuche ich immer, dass die Materialien differenziert werden, damit
ich niemanden überfordere.
Bei Verhaltensauffälligkeiten müssen wir Lehrkräfte immer wieder einschreiten, da können
andere Schüler/innen nicht immer helfen.
Aber so gut kann ich leider auf schwache Schüler/innen im offenen Unterricht nicht eingehen.“
Geht das bei geschlossenen Formen aus Ihrer Sicht besser?
„Nein, da funktioniert die Förderung noch schlechter.“
Eine Studie über Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten, besonders im Bereich der Hyperaktivität
zeigt, dass Schüler/innen mit den angeführten Defiziten in offenen Arbeitsphasen eine
Reduktion der Symptome aufweisen. Die kognitive Leistung dieser Probanden wies im Vergleich
zu den Ergebnissen des lehrerzentrierten Unterrichts keine Veränderungen auf (vgl. Flynn &
Rapoport, 1976, S. 98 ff.).
Den Grund dafür sehe ich in der Partizipation des Unterrichtsgeschehens und der zusätzlichen
körperlichen Bewegungen zwischen der Bearbeitung der Unterrichtsmaterialien und innerhalb
der vorgegebenen Räumlichkeiten. In der heutigen Gesellschaft, welche den Spielplatz oder das
Fußballfeld gegen Tablets und Laptops eintauscht, weisen die Schüler/innen häufig
überschüssige Energien auf, welche aus meiner Sicht durch einen Bewegungsmangel
hervorgerufen werden.
Ähnliche Befunde, wie oben liefert eine Studie über verhaltensgestörte Jugendliche. Die
Aggressionen und Verhaltensauffälligkeiten der Schüler/innen konnten mit Hilfe der offenen
Lernformen signifikant verringert werden (vgl. Goethe, 1992, zit. nach, Middendorf, 2008, S.
111).
Nach Middendorf (Middendorf, 2008, S. 111) bieten offene Unterrichtsarrangements gute
Ansätze zur direkten pädagogischen Intervention der betroffenen Schüler/innen.
Rolands Schule zeichnet sich durch spezielle Förderungen von Schüler/innen mit Defiziten und
Ängsten aus.
„Da wir eine reformpädagogische Schule sind, unterrichten wir auch Schüler/innen, die dem
normalen Schulalltag nicht mehr besuchen können. – zB. Schüler/innen mit Schulangst,
psychischen Problemen oder die dem Leistungsdruck nicht standhalten können.
Schwächere Schüler/innen haben aufgrund des Betreuungsschlüssels die Möglichkeit, weitere
Erklärungen von uns zu erhalten. Meistens wird in Gruppen gearbeitet, daher können auch
Schulkollegen/ Schulkolleginnen den Lernprozess unterstützen.
Zu dem bieten wir zusätzliche Betreuungszeiten in unserer Freizeit an – also von 8:00 - 9:00
morgens, weil unsere Schulstunden erst um 9:00 beginnen. Diese Stunden bekommen wir nicht
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 95/150
bezahlt. In diesen Einheiten setzen wir andere Lehrbücher ein, um neue, möglicherweise
bessere Zugänge zum Mathematikstoff zu finden.
An unserer Schule gibt es auch einen Jungen mit einem Cochlea-Implantat, also mit einer Sonde
im Gehör. Sein Problem bei offenen Lernformen liegt darin, dass er akustische Geräusche
(Gespräche, Rascheln mit Zetteln, …) nur schwer ausblenden kann. Er hört alles, selbst das
Rascheln von Papier stört seine Konzentration. Aus diesem Grund haben wir räumliche
Trennungen der Arbeitsumgebungen in einen Arbeitsraum und in einen Gruppenraum
durchgeführt.“
Der Ruf einer reformpädagogischen Schule weist zwar auf die Rücksichtnahme der
Heterogenität hin, doch eine unentgeltliche, individuelle Betreuung der Schüler/innen mit
besonderen Bedürfnissen ist ein enormes Entgegenkommen seitens der Lehrkräfte.
Dieser Ansatz ist natürlich wünschenswert, doch wohl nur für kleine Schulen, und Lehrstätten
mit sehr engagierten Lehrkräften realisierbar.
Nach Altrichter (1983) wird die Leistung in unserer Gesellschaft als Indikator der menschlichen
Wertschätzung gesehen. Aus diesem Grund werden schulische Situationen als Bedrohung
gesehen. Bei Nichterfüllung der geforderten Anforderungen kommt eine daraus resultierende
Wertminderung zu tragen.
Diese Angst führt in häufigen Situationen des Lernens erst recht zum schulischen Versagen.
Schüler/innen mit psychischen Problemen, besonders im Umgang mit Leistungsdruck oder
Notendruck finden somit in der Schule von Roland eine Alternative, um entsprechend den
Fähigkeiten ihre tatsächlichen Leistungen zu erbringen.
Für Martina erschwert das geringe Leistungsniveau einer Klasse die Umsetzung einer offenen
Lernform.
„Je schwächer die Schüler/innen sind, umso schwieriger wird das Durchführen einer offenen
Lernform. Manche Schüler/innen sind nicht in der Lage die Arbeitsaufträge sinnerfassend zu
lesen.
Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich durch die Integration von Kindern mit Lernschwierigkeiten.
Sehr oft sind genau jene Schüler/innen schlecht in die Klasse integriert, da sie in der Schule nur
schwache Leistungen bringen. Als Lehrer/in ist man dann gefordert diese Schüler/innen in die
Gruppe einzugliedern, damit auch gute Schüler/innen mit ihnen kooperieren und ihnen bei Fragen
zur Seite stehen.
Sind schwache Kinder gut integriert, können sie durch eine offene Lernform, entsprechend den
Defiziten gefördert und gefordert werden. […]
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 96/150
Kommt es zu Schwierigkeiten bei Bespielen, wissen die Schüler/innen, dass sie zuerst
Mitschüler/innen um Hilfe bitten sollen. Dies bewirkt schließlich nicht nur einen Lerneffekt bei
den schwächeren Schüler/innen, sondern auch gute Schüler/innen erreichen den höchsten Grad
an Wissen. Sind keine Schüler/innen als Ansprechpartner/innen in der Nähe, stehen meine
Kollegin und ich natürlich für Fragen zur Verfügung.“
Sabine sieht nicht nur eine Abhängigkeit der passenden Förderung der schwachen Schüler/in
von einer bestimmten Lernform, sondern eher von einer zusätzlichen Lehrkraft.
„Die Förderung von Schüler/innen mit besonderen Bedürfnissen hängt nicht nur von der
Lernmethode ab, sondern besonders von den Sonderpädagogen. Diese Schüler/innen
brauchen natürlich ein Mehr an Unterstützung. Je intensiver die Betreuung durch die/den
Sonderpädagogin/Sonderpädagogen ist, umso weniger integriert sind diese Schüler/innen in die
Klassengemeinschaft. […]
Haben sie mehr Freiheiten, können sie trotz eines Handicaps kleinere Arbeiten in einer Gruppe
leisten. Oft wird die Integration in die Klassengemeinschaft durch die Bearbeitung desselbigen
Themas, gefördert – die Materialien sehen gleich aus, haben aber ein anderes Niveau.“
Trotz einer zusätzlichen Begleitung, sollten die Schüler/innen mit besonderen Bedürfnissen das
Recht einer Integration in die Klassengemeinschaft haben. Eine Separation und Einzelbetreuung
dieser Lernenden stehe ich sehr kritisch gegenüber, da es zur dauerhaften Ausgrenzung führen
kann.
Wie auch Sabine im Interview beschreibt, können jene Schüler/innen, in Abhängigkeit der Defizite
Arbeiten in der Gruppe übernehmen. Soll zum Beispiel ein Plakat gestaltet werden, können diese
Schüler/innen Bilder suchen und ausschneiden oder die Überschriften farblich gestalten.
Durch die Integration in die Gruppe und dem verbundenen Freiraum, werden zudem stets wichtige
Schlüsselkompetenzen erworben (Kapitel 4.2).
Empirische Untersuchungen zeigen jedoch das Gegenteil, sodass meist direkte, separierte
Instruktionen stattfinden. Eine Befragung von Sonderpädagogen/ Sonderpädagoginnen
veranschaulicht, dass in etwa 70% dieser Lehrkräfte im Unterricht nur maximal 25% offene
Lernangebote einsetzen. Nur jede 8. Lehrperson verwendet offene Lernmethoden im Umfang von
50% (vgl. Preuss-Lausitz, 1997, zit. nach Graumann, 2002, S. 163).
Entsprechend der Methodenvielfalt bietet der integrative Ansatz einen größeren Freiraum, um
unterschiedliche Zugänge, als Abwechslung zur direkten Instruktion durch den
Sonderpädagogen/ die Sonderpädagogin zu praktizieren (Kapitel 5).
In der besagten Studie wurden 90 Lehrkräfte nach der Wichtigkeit der Unterrichtsmethoden
befragt. Die Auswertung zeigt einen Widerspruch zum praktizierten System.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 97/150
98% gaben die innere Differenzierung als sehr wichtigen Zugang an, 86% die Freiarbeit, 70% den
Morgenkreis, 65% die Projetarbeit, 46% den Wochenplan und 50% den Frontalunterricht (vgl.
Preuss-Lausitz, 1997, zit. nach Graumann, 2002, S. 163).
Für Franz bieten sich Moodle (Softwarepaket mit Internetkurse und Unterrichtsmaterialien), wie
auch eine gegründete Organisation als förderliche Maßnahmen von schwachen Schüler/innen
an.
„Um schwächere und sehr gute Schüler/innen zu fördern und fordern werden laufend Arbeits- und
Übungsmaterialen in verschiedenen Niveaus auf die Plattform Moodle gestellt. Dieser Service
wird aber eher in den höheren Klassen angenommen. In den Unterstufenklassen gibt es nur sehr
wenige Schüler/innen, die auf dieses Angebot zurückgreifen. […]
Vor ca. 5 Jahren habe ich eine Arbeitsgruppe für schwache Schüler/innen ins Leben gerufen.
Dabei werden in Absprache mit den Eltern, Kinder in den ersten beiden Klassen, außerhalb des
Unterrichts unterstützt, um ihre Noten zu verbessern. Manche Schüler/innen benötigen zum
Beispiel Hilfe im Umstieg von der Volksschule auf die Unterstufe. Im Rahmen der Arbeitsgruppen
werden zunächst wichtige Faktoren rund um das Lernen besprochen.
Dazu zählen folgende Punkte:
Wie kann man sich beim Lernen am besten organisieren?
Welche Vorgehensweisen gibt es, um Probleme zu lösen?
Wie kann man ein passendes Zeitmanagement aufbauen?
Das Programm startet mit einem Gespräch zwischen Eltern und Lehrpersonen, um diese über
die Absichten und Ziele aufzuklären. Dabei gilt es zu thematisieren, dass auch die Eltern eine
gewisse Rolle übernehmen müssen, um die Schüler/innen entsprechend zu fördern.
Oft sind es diese kleinen organisatorischen Hilfestellungen, die eine Note verbessern können. Die
Schüler/innen sind unheimlich dankbar, weil ihnen das Gefühl vermittelt wird, dass sie mit ihren
Problemen nicht alleine sind.
Die Erfolge dieses Projekts, hinsichtlich der Leistung, sind nachweislich messbar.
In der Oberstufe muss die Klassengemeinschaft so gestärkt sein, dass die Schüler/innen im
Team agieren, sodass selbst schwache Schüler/innen einen positiven Abschluss erhalten.“
Wie Franz beschreibt wirken in manchen Fällen bereits sehr einfache Ansätze einer Förderung
und Unterstützung der Schüler/innen. Hier beeinflussen simple organisatorische Maßnahmen
die kognitiven Leistungen der Schüler/innen positiv. Diese Förderungsansätze sind besonders in
den Übergängen der Schule, von der Volksschule in die NMS oder AHS besonders wichtig, da
die Lernenden zu dieser Zeit häufig mit den Veränderungen der Gesamtsituation überfordert
sind (neue Lehrer/innen, neue Mitschüler/innen, neues Schulgebäude, Fächerkanon,…)
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 98/150
Dieses Statement zeigt, dass leistungsschwache Schüler/innen mitunter in den ersten
Schulstufen striktere Regeln und Unterstützungen benötigen, um den schulischen Alltag zu
bewältigen.
Ähnliches zeigt auch eine Berliner Studie, die den klaren Nutzen für leistungsschwache
Schüler/innen in klarer Strukturierung und eindeutigen Maßstäben sieht (vgl. Baumert, 1986, zit.
nach Middendorf, 2008).
Karl hingegen kann über keine Erfahrungen bezüglich der Förderung von schwachen
Schüler/innen berichten, trotz seiner langjährigen praktischen Dienstzeit.
„Zur Förderung von schwachen Schüler/innen kann ich gar nichts sagen, da ich immer nur die
erste Leistungsgruppe unterrichtet habe und somit nur gute Schüler/innen hatte.“
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 99/150
7.1.3.3. Mit Hilfe welcher Unterrichtsformen erfolgt eine optimale
Forderung und Förderung von besonders begabten
Schüler/innen?
Durch Entscheidungsfreiheiten über Partizipation im Unterricht, zusätzlichen Aufgaben und
Funktionen versucht Lara eine entsprechende Forderung von begabten Schüler/innen zu
erzielen.
„[…] Die Schüler/innen müssen sich nicht unbedingt an meinen Inputphasen beteiligen. Wenn
sie glauben, dass sie den Stoff aus der NMS noch können, dürfen sie gleich mit dem Wochenplan
starten – das ist ihre Entscheidung. […]
Jede Woche gibt es auch einen Bonusteil am Wochenplan, den die Schüler/innen erfüllen können,
aber erst, wenn alle anderen Aufgaben fertig und mit dem Kontrollheft verglichen sind. Schaffen
sie alle Bonusaufgaben, können sich die Schüler/innen ein Plus verdienen. Es gibt daher immer
Schüler/innen, die Zuhause den Pflichtbereich machen, damit sie sich ein Plus verdienen können.
[…] Dann können sie noch Hilfslehrer/in werden – das taugt ihnen total.
Manche geben im Arbeiten vom Wochenplan richtig Gas, um diese Stufe zu erreichen. […]“
Eine Wiederholung der theoretischen Inputphasen für Schüler/innen, welche den
Mathematikstoff bereits verstanden haben, erachte ich ebenso als nicht notwendig. Die
Lernenden wären unterfordert und können aus Langeweile den Unterricht negativ beeinflussen.
Es ist jedoch auf jene Schüler/innen zu achten, die behaupten den Unterrichtsstoff zu
beherrschen, obwohl dies nicht zutrifft. Wie in solchen Situationen dann vorgegangen wird, ist im
Vorfeld zu klären.
Weitere Aufgaben mit einem Belohnungssystem zu versehen, wird nach Fürnmatt als sehr
wichtig erachtet. Unbelohnte Leistungen führen meist zu passivem, faulen oder
desinteressierten Verhaltensweisen. Aus seiner Sicht haben spielerische Aktivitäten einen in
sich belohnenden Charakter (vgl. Fürntratt, 1976, S. 57 ff.).
Da Lara im Interview beschreibt, dass die Rolle des Hilfslehrers/ der Hilfslehrerin von den
Lernenden angestrebt wird, ist dies ebenfalls als Belohnung zu sehen.
Daniela sieht eine Abhängigkeit zwischen der Begabtenförderung und der Lehrerpersönlichkeit.
„Ich bin der Meinung, dass es mit Sicherheit auf die Lehrkraft ankommt, wie die Förderung von
begabten Schüler/innen umgesetzt wird.
In meinen Einheiten erstelle ich zum Beispiel differenzierte Übungen.“
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 100/150
Offene Lernformen bieten sich für Tanja besonders gut an, um sehr gute Schüler/innen
entsprechend zu fordern. Sie befürwortet aber keine Freistellung aus Unterrichtsgegenständen,
da ansonsten das vorhandene Potential nicht weiter gefördert werden kann.
„Ich denke, dass offene Lernformen sehr gute Schüler/innen besonders gut fordern können. Die
Differenzierung der Aufgaben ist einfacher – das trifft halt für mich zu.
Allgemein gesehen liegt die Begabtenförderung im Engagement der Lehrperson.
In meiner anderen Schule, in welcher ich unterrichte (in der Oberstufe) werden hochbegabe
Schüler/innen einfach vom Unterricht freigestellt.
Ich unterrichte einen in Mathematik, Physik und Chemie hochbegabten Schüler, der muss diese
Fächer nicht mehr besuchen. Das finde ich sehr schade, weil er auch keine zusätzlichen
Forderungen mehr erhält. – er hätte enormes Potential.
Diese Freistellung separiert zudem den Schüler aus der Klasse – er ist mittlerweile ein richtiger
Außenseiter. Wäre der Unterricht in diesen Gegenständen offener geführt und gäbe es die Option
einer Freistellung nicht, wäre er besser gefordert und sicherlich nicht so ausgegrenzt.“
Wie auch in der Förderung von lernschwachen Schüler/innen, soll in der Begabtenförderung
eine Separierung und Ausgrenzung von einzelnen Schüler/innen vorzugsweise vermieden
werden (siehe Kapitel 7.1.3.2).
In Rolands Unterricht wird eine Begabtenförderung durch persönlich gewählte Ersatzleistungen,
anstatt der Erfüllung der Bausteine realisiert.
„Sehr begabte Schüler/innen werden an unserer Schule so gefördert, dass sie anstatt eines
bereits bekannten Bausteines, eine Ersatzleistung erbringen. […]
Die Lernenden können sich den Inhalt selbst aussuchen. Ist das ausgewählte Projekt
abgeschlossen werden die Ergebnisse vor der Klasse präsentiert, damit auch die anderen
Schüler/innen sehen, dass diejenigen Schüler/innen wirklich was gemacht haben. Ein sehr
intelligenter Schüler arbeitet beispielsweise momentan an einem Sudoku-Solver – also er
programmiert diesen.“
Wie eben im Interview von Roland beschrieben wird, erfolgt die Forderung von besonders guten
Schüler/innen auch in Karls Unterricht durch Projekte. Zusatzaufgaben findet er nicht förderlich.
„[…] In den ersten Leistungsgruppen hab ich häufig sehr intelligente Schüler/innen unterrichtet,
die den Stoff der Mathematik aus der NMS beherrschten. Diese Schüler/innen nehme ich aus dem
Regelunterricht heraus und sie erhalten eine Förderung mit einem Projekt.
Dieses Projekt soll sich mit einem Thema aus der Mathematik beschäftigen, es soll aber auch die
Schüler/innen interessieren.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 101/150
Sehr gut bietet sich das Arbeiten mit Geogebra an. Die Schüler/innen lernen angeleitet die
Erstellung eines Thaleskreises, Um- und Inkreises oder die Bestimmung der Schwerpunkte in
unterschiedlichen Dreiecken. Am Ende des Projekts präsentieren die Schüler/innen ihre
Ergebnisse und geben sie ab- damit die anderen wissen – okay der/die hat in dieser Zeit auch
was gemacht.
Dieses Angebot kann jede/r in Anspruch nehmen, der/die über das Grundprogramm
hinauskommt, die nötigen Grundziele erreicht hat. […]
Die Forderung mit Hilfe von Bonusaufgaben finde ich nicht so gut, damit demotiviert man die
Schüler/innen. Da kommt dann schnell ‚Warum soll ich mehr tun als die anderen?‘ Sie arbeiten
dann langsamer, da keiner freiwillig mehr machen möchte.“
Martina zieht offene Lernformen zur Forderung von guten Schüler/innen dem geschlossenen
Unterricht vor und bietet Bonusaufgaben und Spiele an.
„Ich finde die Differenzierung des Unterrichts und auch die Förderung von sehr guten
Schüler/innen in einer offenen Phase leichter, als in einer lehrerzentrierten Form.
Die Schüler/innen können sich selbst einschätzen und eigenständig fordern. – man sagt es ihnen
einfach was sie machen sollen – das funktioniert ganz gut.
„All jene Schüler/innen, welche die grundlegenden Aufgaben schon beherrschen, dürfen die
Bonusaufgaben machen oder ein Sudoku lösen. […] Ich finde, dass gute Arbeit auch mal
belohnt gehört!“
Die Förderung von hochbegabten Schüler/innen ist aus Sicht von Sabine nur durch
Eigeninitiative der Schüler/innen realisierbar.
„Aufgrund der Heterogenität in der NMS ist die Förderung der Spitzen, (sehr begabte oder sehr
schwache Schüler/innen) sehr schwierig. Dies gelingt weder im offenen, noch im geschlossenen
Unterricht gut genug.
Natürlich gibt es bei offenen Formen die Möglichkeit, dass sich die besonders Begabten
zusätzliche Materialien suchen, um sich selbstständig zu fordern, aber dafür brauchen sie sehr
gute soziale Kompetenzen. Im geschlossenen Unterricht hingegen, kann die Lehrperson
kontrolliert das Leistungsniveau steigern, aber man übersieht auch schnell jemanden.“
Für Franz ist im Moment die Begabtenförderung leider etwas aus der Mode gekommen, was als
problematisch anzusehen ist. Die Schüler/innen haben aufgrund außerschulischer Aktivitäten
wenig Zeit für Förderungen. Durch differenzierte Aufgabenstellungen versucht er dennoch
besonders gute Schüler/innen entsprechend zu fordern.
„Die Begabtenförderung wird im Moment etwas vernachlässigt. Der Trend liegt momentan in der
Förderung der schwachen Schüler/innen einer Klasse aber man vergisst dabei auf die
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 102/150
Leistungsspitzen. Es gibt zwar Zusatzangebote, wie die Sommerakademie oder die Mathematik-
Olympiade, doch die Schüler/innen brauchen dabei Unterstützung.
In den letzten Jahren zeigen begabte Schüler/innen besonders in der Unterstufe wenig
Eigeninitiative. Sie haben aufgrund der vollen Freizeitpläne keine Zeit an einem zusätzlichen
Förderprogramm der Schule teilzunehmen.“ […]
Die Schüler/innen sind heutzutage bis aufs Letzte ausgebucht.
Montag am Nachmittag Musikschule, am Dienstag Feuerwehr, am Mittwoch bis um 16:00
Schule, am Donnerstag Reiten, am Freitag Tennis. So sieht der Freizeitplan meiner kleinen
Nichte aus, welche 13 Jahre alt ist und ein Gymnasium besucht. Bleibt da noch Zeit um Kind
sein oder für schulische Aktivitäten?
Mit diesem vollen Nachmittagsplan ist sie jedoch eine „normale“ Schülerin an ihrer Schule. Bei
Lernschwierigkeiten kommen dann noch Nachhilfe- oder Förderstunden hinzu. Weisen
Schüler/innen jedoch Hochbegabungen in bestimmten Teilgebieten auf, ist ein zusätzlicher
Besuch einer staatlichen oder schulischen Einrichtung einfach nicht mehr möglich. Aus diesem
Grund sollte die Forderung des Potentials innerhalb der Schulstunden ermöglicht werden.
Nach Meyer (Kapitel 6.2) können Differenzierungen, wie auch offene Lernformen dazu beitragen
jeden Schüler/ jede Schülerin entsprechend zu fordern.
Franz: „Vor einigen Jahren gab es an unserer Schule einen hochbegaben engagierten Schüler,
der zur Mathematik-Olympiade antreten wollte. Er nahm dazu die Zügel selbst in die Hand und
leitete ein Projekt. Er bildete eine Gruppe aus sehr guten Schüler/innen, um komplexe
Lösungsstrategien zu entwickeln.
Ich gab ihm dafür manche Mathematikstunden, um daran zu arbeiten, der Rest wurde in der
Freizeit erarbeitet. Ich war damals nur im Hintergrund, alles andere hat er alleine gemacht. […]
Im Unterricht versuche ich besonders begabte Schüler/innen durch differenzierte oder
zusätzliche Aufgaben zu fordern. Sie haben auch manches Mal den Auftrag ein schwieriges
Beispiel aufzubereiten und es der Klasse zu präsentieren. Sie werden auch öfter als
Lerncoach eingesetzt, um Schwächere zu unterstützen.“
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 103/150
7.1.3.4. Ist aus Ihrer Sicht die Anwendung von offenen Lernformen von
der Leistung einer Klasse abhängig? Wenden Sie
Unterrichtsmethoden eher in leistungsstarken oder
leistungsschwachen Klassen an?
Tanja und Sabine halten sich bei dieser Fragestellung sehr kurz und äußern sich gegen eine
Korrelation zwischen der verwendeten, offenen Methodik und der Leistung einer Klasse.
Eine Anwendung der offenen Methodik (siehe Kapitel 6.5 ff.) ist auch für Lara vom Niveau der
Klasse unabhängig. Sie sieht jedoch andere beeinflussende Faktoren.
„Ich denke, dass offenen Lernformen für jedes Niveau der Klasse geschaffen sind. Die Freiheiten
und der Umfang der Arbeit muss aber im Vorhinein klar festgelegt werden.
Der Erfolg einer Methode hängt für mich von jedem Schüler/ jeder Schülerin selbst ab.“
Für Daniela ist ebenfalls keine Abhängigkeit zwischen der verwendeten Methodik und der
Leistung einer Klasse ersichtlich. Sie ergänzt jedoch, dass bei einem hohen vorherrschenden
Klassenniveau die Öffnungen umfangreicher gestaltet werden können.
„Ich glaube nicht, dass die Anwendung von der Leistung der Schüler/innen abhängig ist.
[…] Die Vorbereitungen unterscheiden sich aber. In einer leistungsstarken Klasse können die
Anforderungen noch offener sein.“
Wie die folgenden Interviews zeigen, stehen die oben angeführten Aussagen der fehlenden
Korrelation zwischen der Leistung der Schüler/innen und die verwendeten Methoden anderen
Meinungen gegenüber.
Martina berichtet aus ihrer Praxis, dass die Wahl der Methodik sehr wohl von der Leistung der
Klasse abhängt. Gute Schüler/innen sind aus ihrer Sicht viel selbstständiger und benötigen
weniger Anleitung bei der Durchführung.
„Am besten haben für mich die offenen Lernformen in der damaligen ersten Leistungsgruppe
funktioniert. Die Schüler/innen waren leistungsmäßig am stärksten und die Ziele wurden sehr gut
erfüllt – sie haben auch nur wenig Hilfe benötigt.
Je schwächer die Schüler/innen sind, umso schwieriger wird das Durchführen einer offenen
Lernform. Manche Schüler/innen sind dann oft nicht in der Lage die Arbeitsaufträge
sinnerfassend zu lesen. […]“
Diese Aussage bezieht sich jedoch nur bedingt auf die Leistung der gesamten Klassen, sondern
eher auf das Niveau der einzelnen Schüler/innen.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 104/150
Die Planung sollte aus der Perspektive von Franz auf jeden Fall dem Niveau der Klasse angepasst
werden. Die Wahl der Methodik bleibt für ihn jedoch gleich.
„Die Leistung der Klasse beeinflusst die Art des Unterrichts enorm. Eine leistungsschwache
Klasse benötigt unterschiedliche Übungsmaterialen und auch längere Übungsphasen. Bei
leistungsstarken Klassen kann man hingegen andere oder intensivere Inhalte auswählen. Die
Methodik soll aber gleich bleiben. Auch wenn eine Klasse leistungsmäßig stark ist, soll sie nicht
vom Frontalunterricht überfahren werden und nur noch Stoff „gepresst“ werden. […]“
Karl konnte mir die gestellte Frage nicht beantworten und enthielt sich seiner Meinung.
Die interviewten Personen sind sich in ihren Aussagen über den Einsatz von offenen
Lernmethoden und möglichen Einflüssen seitens des vorherrschenden Niveaus innerhalb einer
Klasse meist ähnlich.
Grundsätzlich ist aus ihrer Sicht die Anwendung von offenen Lernarrangements in allen Klassen,
möglich. Das vorliegende kognitive Niveau beeinflusst jedoch die Vorgehensweise der Lehrkraft
in der Umsetzung. Aus Sicht von Martina sind nähere Beschreibungen und Erklärungen für eine
erfolgreiche Umsetzung notwendig. Daniela macht den Grad der Öffnung von der Leistung
abhängig. Für Franz müssen die Länge und Intensivität einer Phase an das vorherrschende
Niveau angepasst werden. Durch die passende Adaptierung sollte der erfolgreiche und offene
Unterricht gewährleistet sein.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 105/150
7.1.3.5. Hat die Zusammensetzung der Klasse Einfluss auf offene
Unterrichtsformen? (Geschlecht, Migrationshintergrund,…)
Für Lara ergeben sich keinerlei Abhängigkeiten vom Geschlecht oder der Herkunft.
„Bei Kindern mit Migrationshintergrund gibt es für mich keine Einschränkungen im offenen
Unterricht. Ich denke auch nicht, dass das Geschlecht in irgendeiner Art und Weise Auswirkungen
hat. Ich unterrichte im PTS auch reine Mädchen- und reine Burschenklassen - am Marktplatz
vermischen sie sich dann wieder und es funktioniert überall gut.“
Daniela konnte zu diesem Thema noch keine Erfahrungen sammeln.
Roland spricht sich für die Beeinflussen von Kindern mit Migrationshintergrund aus. Er sieht aber
keine bessere Alternative als das Arbeiten im offenen Unterricht.
„Ich denke, dass Schüler/innen mit Migrationshintergrund, die gerade erst nach Österreich
gekommen sind, eine offene Lernform sehr wohl beeinflussen. Neben Sprachschwierigkeiten
sind sie eine andere Art des Lernens gewohnt. Sie haben eine andere Einstellung zur Arbeit
oder zur Schule. Dies muss auch berücksichtigt werden, um die Integration in die Gruppe
überhaupt zu ermöglichen. […]
Ich denke nicht, dass das in einer geschlossenen Lernform für diese Kinder einfacher wäre. Da
bekomme ich als Lehrer gar nicht mit, wie viel diese Schüler/innen wirklich verstehen.“
Roland schert mit seiner Pauschalaussage alle Kinder mit Migrationshintergrund über einen
Kamm. Wie das Statistik Portal (2017) zeigt, bilden deutsche Staatsangehörige den größeren Teil
der zugewanderten Menschen in Österreich. Aufgrund der österreichischen Kultur, welche
jener der Deutschen sehr ähnlich ist, sind auch die Arbeitsmoral und die Einstellung zur Schule
ähnlich wie unsere. Eine mögliche Differenz sehe ich lediglich in Schüler/innen mit
Migrationshintergrund, welche anderen Kulturen entstammen.
Tanja sieht keine direkte Beeinflussung durch den Migrationshintergrund, sondern durch die
Individuen per se.
Die Klassenzusammensetzung beeinflusst die Umsetzung der offenen Lernformen dahingehend,
dass es Klassen gibt, in welchen offene Unterrichtsmethoden sehr gut funktionieren und
andere, in denen diese Art von Unterricht Stunden des Nichtstuns sind.
Klischeebehaftet kann man beobachten, dass sich besonders Schülerinnen, in den ersten Klassen
der Oberstufe wenig am Mathematikunterricht im offenen Sinne beteiligen und die Arbeit von
Burschen geleistet wird. Wohingegen die Mädels, im Vergleich dazu, in den höheren Klassen
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 106/150
wieder engagierter mitarbeiten. Von welchen Faktoren dies abhängt (Alter,
Klassenzusammensetzung,…), kann ich leider nicht sagen. […]
Schüler/innen mit Migrationshintergrund sind aus meiner Sicht im lehrerzentrieren Unterricht
besser aufgehoben, da man einfach einen besseren Überblick über sie hat und den Lernstand
und das Verständnis besser erheben kann.“
Für Karl ergeben sich keine Einflüsse durch das Geschlecht und er hat keine Erfahrung mit
Kindern mit Migrationshintergrund. Für ihn gilt jedoch die Gruppengröße als beeinflussender
Faktor der erfolgreichen Umsetzung.
„Ob jetzt das Geschlecht einen Einfluss auf die Methode hat, glaub ich nicht und mit Kindern mit
Migrationshintergrund habe ich keine Erfahrung. Ich bin jedoch der Meinung, dass die
Umsetzung von offenen Lernformen von der Gruppengröße abhängt. Je größer diese wird, umso
schwieriger wird das Unterrichten.“
Da Martina an einer Landschule tätig ist, hat sie ebenso keine Erfahrungen mit Schüler/innen
anderer Herkunft. Aus ihrer Sicht ergeben sich jedoch geschlechterabhängige Verhaltensweisen.
„Bei uns an der Schule gibt es keine Kinder mit Migrationshintergrund, daher kann ich diese
Frage nicht beantworten. […]
[…] Die Lernprodukte einer offenen Lernform sich jedoch geschlechterabhängig.
Schülerinnen gestalten oft schönere Produkte, sie bemühen sich extrem und verwenden
Farbstifte […]. Burschen geben Produkte ab, auf welchen alles draufsteht was wichtig ist, die
Form ist dabei meist egal – es ist weder das eine oder andere schlecht, man kennt halt die
Unterschiede. […]
Beim Experimentieren ist ein enormer Unterschied ersichtlich. Burschen sind viel mutiger, als
Mädchen […] – aber es funktioniert für beide Geschlechter gut.“
Sabine führt hier eine ähnliche Meinung, wie zuvor Martina an. Sie sieht keine Korrelation
zwischen der Migration und der Methodik, jedoch eine Abhängigkeit zur Lesekompetenz.
„Der Migrationshintergrund hat aus meiner Sicht keinen Einfluss auf den Einsatz einer Methode,
jedoch die Lesekompetenz. Es gibt Schüler/innen, die es nicht schaffen einen Arbeitsauftrag
sinnerfassend zu lesen. Dies ist somit nicht von der Migration, sondern eher von der
Sozialisation der Kinder abhängig.“
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 107/150
Sabine argumentiert gegen einen Einfluss von immigrierten Schüler/innen. Sie begründet das
Versagen einer offenen Methodik, wie zuvor Martina in der fehlenden Lesekompetenz. Wobei zu
beachten ist, dass Sabine, wie auch Martina in der NMS tätig sind, zu welcher Zeit
sinnerfassendes Lesen als Voraussetzung gelten sollte.
Aus zeitlichen Gründen wurde im Interview von Franz diese Fragestellung nicht mehr behandelt.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 108/150
7.1.4. Kompetenzorientiertheit, Motivation, Merkfähigkeit und Schüler/innen-
Verhalten
Der nächste Teilbereich der Erhebung beschäftigt sich mit wichtigen Indikatoren, welche
zusätzlich zu den Punkten von Meyer (Kapitel 5), guten Unterricht definieren sollten.
Die ersten drei Fragen befassen sich mit dem fachlichen und überfachlichen Kompetenzerwerb
in den unterschiedlichen Lernzugängen. Durch gezielte Fragestellungen sollten jene
Kompetenzen erhoben werden, die durch eine konkrete Herangehensweise am effektivsten
erworben werden.
Die darauf folgenden Punkte befassen sich mit der Erhebung der Einflussfaktoren des
motivierten Arbeitens und der Merkfähigkeit, genauer gesagt mit der langfristigen Speicherung
der erlernten Informationen und Fähigkeiten.
Damit in Verbindung stehen, die im Kapitel 4.1.2 beschriebenen Lerntypen. Die letzte
Fragestellung dieses Teilbereiches befasst sich mit den eben genannten Lerntypen.
7.1.4.1. Hängt die Erreichung der mathematischen Kompetenzen von
einer bestimmten Lernform ab? Wenn ja, welche
Abhängigkeiten ergeben sich aus Ihrer Perspektive?
Durch eine Mischung der unterschiedlichen Lernformen ist aus Sicht von Lara der
mathematische Kompetenzerwerb am besten zu erzielen.
„Ich denke, dass eine Mischung aus offenen und geschlossenen Lernformen am besten ist,
um die mathematischen Kompetenzen des Kompetenzmodells zu erreichen.“
Durch offene Lernformen werden aus Sicht von Daniela andere Handlungsebenen des
Kompetenzmodells geschult, als durch geschlossene Lernmethoden.
„Ich denke, dass das Operieren und Rechnen besser im lehrerzentrierten Unterricht erlernt
wird. Die Kompetenz kreativ ein Problem zu lösen, wird dafür besser im offenen Unterricht
geschult. Durch offene Lernformen erfolgt ein intensiverer Praxisbezug. Die Beispiele können
aus der Lebenswelt der Schüler/innen gewählt werden.“
Für Tanja ergibt sich mit einer offenen Lernform ein höheres Erreichen des fachlichen Niveaus.
„Ich bin der Meinung, dass die Schüler/innen, welche mit offene Lernformen unterrichtet werden
ein höheres Niveau im Kompetenzmodell der Mathematik erreichen, als andere. Das liegt aus
meiner Sicht an der besseren Differenzierung der Materialien in offenen Methoden.“
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 109/150
Roland nennt konkrete Kompetenzen, die beim Arbeiten in den jeweiligen Lernmethoden besser
erreicht werden. Er schließt sich dabei der Meinung von Tanja an und beschreibt das
Automatisieren und Üben als jene Kompetenzen, auf welche diese Eigenschaft zutrifft.
„Ich denke, dass da Übung und Automatisierung von Lerninhalten in geschlossenen
Methoden besser gelernt wird. […]
Das logische Verständnis, die Argumentation und Interpretation von Beispielen, wird aus
meiner Sicht in offenen Methoden besser trainiert.
Ich bin der Meinung, dass diese Aussage nicht verallgemeinert werden kann, sondern der
Erwerb von logischem Verständnis, Argumentation oder Interpretation primär von der
Aufbereitung der Materialien abhängt. Beim geschlossenen Unterricht können stets Beispiele
eingeplant werden, in welchen Argumentationen und Interpretationen gefordert sind.
Karl spricht, wie erwähnt vom Begriff der Lernziele und stellt fest, dass der Erwerb dieser Ziele
als Aufgabe der Lehrkräfte gesehen werden soll. Durch einen gut geplanten Unterricht sollen
sich die Schüler/innen die Grundfertigkeiten aneignen. Dabei finden aus seiner Sicht keine
Zuordnungen zu speziellen Lernformen statt.
„Ich bin der Meinung, dass das System der Kompetenzorientierung vollkommen überbewertet ist.
[…] Aus meiner Sicht sind alle Fähig- und Fertigkeiten, die in der Schule erworben werden die
Grundfertigkeiten, die man als Schüler/in braucht.
Es ist doch die Aufgabe jeder Lehrperson den Schüler/innen Wissen und Fähigkeiten in
sämtlichen Bereichen zu vermitteln – das ist unser Job. Auf welche Art neues Wissen erworben
wird, ist egal – die Ziele müssen erreicht werden.“
Martina bezieht sich, wie eben Karl oder bereits zuvor Lara nicht auf eine konkrete Zuordnung,
sondern beschreibt den Erwerb sehr allgemein durch einen Methodenmix.
„Die Erreichung der Kompetenzen in den unterschiedlichen Handlungsebenen ist am besten
durch eine Mischung aus offenen und geschlossenen Lernphasen möglich.“
Sabine findet auch diese Frage sehr spannend und wartet auf die Ergebnisse des
Bildungsstandards, da es bisher dazu noch keine Studien gibt. Sie Schließt sich jedoch den
vorherrschenden Meinungen der befragten Kollegen/Kolleginnen an und beschreibt genauer:
„Diese Frage ist total interessant, ich warte schon sehr gespannt, was die Ergebnisse der
Bildungsstandards zeigen. Ich kann dazu nur eine Einschätzung treffen.
Ich vermute, dass die Schüler/innen bei der Handlungsebene 2, Rechnen und Operieren etwas
schlechter abschneiden werden, als in den Vorjahren.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 110/150
In den anderen Handlungsebenen des Kompetenzmodells der Mathematik müssen sie eigentlich
besser abschneiden – also im Interpretieren und Argumentieren und Begründen. […]
In offenen Lernformen bekommen die Schüler/innen die Möglichkeit, freie und sehr kreative
Lösungswege zu finden. (Der Lösungsweg ist freiwählbar, auch wenn er nicht unbedingt
mathematisch ist.)“
Franz ist der Meinung, dass die Kompetenzen des mathematischen Kompetenzmodells nur im
offenen Unterricht zu erlernen sind. Durch diese Einstellung gerät er jedoch manches Mal in
Zeitnot.
„Ich denke, dass der offene Unterricht notwendig ist, um überhaupt die Kompetenzen des
Modells zu erlangen - im geschlossenen, lehrerzentrierten Unterrichts funktioniert das nicht.
Besonders das Argumentieren und Interpretieren kann nur über Schüler/innen - Schüler/innen-
oder Schüler/innen-Lehrer/innen-Gespräche erlernt werden. […]
Mit dieser Einstellung kommt man aber sehr leicht in einen Zwiespalt. Einerseits möchte man die
Schüler/innen nach dem Kompetenzmodell unterrichten, um allen Handlungsebenen gerecht zu
werden, andererseits steht man als Lehrperson unter Zugzwang den Gesamtstoff der zentralen
Matura abzudecken.“
Durch die Reformierung der Hauptschulen in die neuen Mittelschulen, kommen vermehrt offene
Unterrichtskonzepte zum Einsatz. Daher sind die Schüler/innen dieses Vorgehen in den
einzelnen Unterrichtsgegenständen oder Fächerbündeln mittlerweile gewohnt.
Wie sich diese, zum Teil gravierende Veränderung auf den Erwerb der mathematischen
Kompetenzen auswirkt, konnte bislang empirisch noch nicht erhoben werden.
Aus diesem Grund stellten die Lehrkräfte zum Teil nur Vermutungen an.
Die geführten Interviews zeigen, dass durch eine Kombination aus unterschiedlichen
Lernansätzen die Erreichung der mathematischen Kompetenzen am effektivsten erfüllt wird.
Diese Kombination der Ansätze gilt für Meyer als grundlegendes Gütekriterium des guten
Unterrichts und fällt in den Bereich der Methodenvielfalt (Kapitel 5).
Die Handlungsdimension 2 – das ‚Rechnen und Operieren‘ gilt für manche der befragten
Lehrpersonen als jener Teilbereich des Kompetenzmodells, welcher durch lehrerzentrierte
Unterrichtsansätze intensiver gelernt wird.
Andere Handlungsebenen und Vorgehensweisen, wie das Ermitteln von kreativen
Vorgehensweisen, die Argumentation und Interpretation und das logische Verständnis werden
im Gegensatz dazu in offenen Lernformen besser ausgeprägt.
Zur Handlungsebene 1 - ‚Darstellen und Modellbilden‘ wurden keine konkreten Angaben
gemacht. Für Tanja und Daniela sind die Abbildung des Alltags und der notwendige
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 111/150
Praxisbezug, mit Hilfe einer offenen Lernform, einfacher zu gestalten. Für Tanja bewirken offene
Unterrichtsansätze ein höheres mathematisches Niveau, da eine innere Differenzierung und
somit ein konkretes Ansprechen der Leistungsstände der Schüler/innen möglich ist.
Ob das Lernangebot zum Erwerben von Wissen von den Schüler/innen angenommen wird, liegt
nicht mehr im Einflussbereich der jeweiligen Lehrkraft.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 112/150
Die Vorstellung der Bildung hat sich in den letzten Jahrzehnten gravierend verändert. Das
Faktenwissen, welches früher als sehr wichtig gegolten hat, kann mittlerweile in jeder guten
Fachliteratur nachgeschlagen werden. Es zählen in der heuten Zeit andere Fähigkeiten und
Werte. In der Literatur wird, wie bereits im Kapitel 4 beschrieben, von Kompetenzen
gesprochen.
Es gilt in Zukunft als Prämisse, sich die Kompetenzen in der Wissensbeschaffung, -
verarbeitung, -interpretation, im sozialen Bereich und in der Reflexion des eigenen Handelns
anzueignen. Die angeführten Kompetenzen sollen nur stellvertretend für die unzählige Fülle an
weiteren wichtigen Fähigkeiten sein, welche für das spätere Berufsleben bedeutsam sind.
Die folgenden Fragestellungen befassen sich mit den unterschiedlichen Lernzugängen und den
jeweiligen überfachlichen Kompetenzerwerb.
7.1.4.2. Welche überfachlichen Kompetenzen eignen sich die
Schüler/innen durch offene Lernformen an?
Lara beschreibt sehr umfangreich den Kompetenzerwerb durch offene Lernansätze. Dabei geht
sie auf die Sozial- und Selbstkompetenzen näher ein.
„[…] Die Schüler/innen lernen im offenen Unterricht eine Selbsteinschätzung zu treffen. Daher
können sie bestimmen, ob zusätzliche Übung notwendig ist, um die wöchentliche Lernzielkontrolle
gut zu meistern. Es besteht zu jeder Zeit das Angebot an unterschiedlichen Übungsmaterialien.
Durch offene Lernformen erreichen sie höhere Eigenständigkeit und eine höhere
Sozialkompetenz, weil sie über die Sozialformen frei entscheiden können.
Dazu zählen auch Entscheidungen über die Lautstärke beim Zusammenarbeiten, um niemanden
zu stören.
Sie lernen sich korrekt gegenüber anderen Mitschüler/innen zu verhalten. […]
Weitere Kompetenzen, welche die Schüler/innen mit offenen Lernformen erwerben, sind die
Selbstorganisation und der Umgang mit den daraus resultierenden Konsequenzen. Es wird
das Mitbringen der Mathematikutensilien gefordert. Schaffen das die Schüler/innen nicht, werden
die Lernorte eingeschränkt – und das wissen sie auch.“
Daniela hebt den Erwerb der sozialen Kompetenz durch die Anwendung der offenen Lernformen
hervor und beschreibt des Weiteren die Aneignung der Recherchekompetenz und dem
Selbstbewusstsein.
„Auf Selbstständigkeit und Eigenverantwortung haben offene Lernformen sicher eine bessere
Auswirkung als geschlossene Unterrichtsformen.
Durch offene Lernformen erwerben die Schüler/innen soziale Kompetenzen - Rücksicht auf
Klassenkammeraden/Klassenkameradinnen zu nehmen, Konflikte innerhalb der Gruppe zu lösen,
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 113/150
Selbstbewusstsein - Präsentation der eigenen Produkte und die Recherchekompetenz - wenn
Schüler/innen selbst Zusammenfassungen erstellen, und die Infos aus dem Internet erfassen
müssen.“
Martina beschreibt den Kompetenzerwerb sehr kurz und stimmt damit den bereits genannten
Kompetenzen zu.
„Durch offene Lernformen werden Kompetenzen im Bereich der Eigenverantwortung und
Selbsteinschätzung erworben“
Tanja schließt sich den bereits genannten Kompetenzen an und fügt weitere, wie die
Reflexionskompetenz, das Zeitmanagement und die Priorisierung hinzu.
„Ich denke, dass die Schüler/innen mit offene Lernformen, Kompetenzen in den Bereichen der
Selbstorganisation, Priorisierung (Bestimmung der Reihenfolge der Beispiele), Disziplin,
Sozialkompetenz (Konfliktmanagement), Rücksichtnahme (Rückgabe von verwendeten
Materialien, entsprechende Lautstärke), Reflexion (nötige Übung, erbrachte Leistung)
Selbsteinschätzung (eigene Stärken und Schwächen, Begründung der Arbeitsdauer),
Zeitmanagement und Problemlösekompetenz (Lösen Beispielen) erwerben.“
Roland zählt ebenfalls eine umfangreiche Palette an Kompetenzen auf, die sich durch offene
Lernmethoden erlernen lassen. Sie reichen von der Sozialkompetenz über
Problemlösungsstrategien und individuelle Denkprozesse, bis hin zum Zeitmanagement.
„Es ist klar, dass die Schüler/innen durch offene Lernformen die Sozialkompetenz erweitern.
Dabei werden Fertigkeiten, wie die Teamfähigkeit und der Umgang mit anderen Schüler/innen
erworben – also auch das Konfliktmanagement.
Es eigenen sich die Lernenden auch individuelle Problemlösungsstrategien und das vernetzte,
fächerübergreifende Denken an. […]
Beim gesamten Lernprozess müssen die Schüler/innen eigenständig Arbeiten und ein
gewisses Zeitmanagement an den Tag legen, da sich die Aufgaben über größere Zeitrahmen
erstrecken. Diese Fähigkeiten werden eben im späteren Studium und im Arbeitsleben
gefordert.“
Wie oben beschrieben, sieht Karl den Kompetenzerwerb als Job. Jede Lehrkraft und bezieht sich
nicht auf eine bestimmte Lernform. Die Selbstständigkeit, wie auch die Eigenverantwortung
werden für ihn, in offenen Lernformen besser geschult.
Sabine beschreibt ebenfalls sehr präzise die erworbenen Kompetenzen.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 114/150
„Die Sozialkompetenz, die Selbstkompetenz, die Ehrlichkeit zu einem selbst und die
Eigenbeurteilung sind für mich jene Kompetenzen, die mit Hilfe eines offenen Unterrichts besser
erworben werden, als mit einer geschlossenen Lernform.
Franz führt, wie auch die anderen Interviewpartner den Erwerb der Sozialkompetenz an.
Da sich überfachliche Kompetenzen, wie im Kapitel 4.2 beschrieben wurde, über eine sehr
große Bandbreite ziehen, werden große Anforderungen an den Unterricht gestellt, um den
Erwerb dieser Fertigkeiten zu ermöglichen.
Nach Harting und Klieme (2006) sind Kompetenzen nur sehr schwer sinnvoll getrennt
voneinander diagnostizierbar (vgl. Schwabe, Gebauer, & McElvany, 2012, S. 44).
Aus den Ergebnissen der Befragungen ist ersichtlich, dass durch offenen Lernarrangements
besonders Kompetenzen im sozialen Bereich geschult werden.
Dies kann durch entsprechende Freiheiten, in der Wahl der Sozialform, im eigenständigen
Arbeiten und damit verbundenen, möglichen Interaktionen mit anderen
Schulkollegen/Schulkolleginnen begründet werden.
In Abhängigkeit der Öffnungsgrade sind ebenso Fertigkeiten im Gebiet der Selbstkompetenz
(Selbstständigkeit, Eigenverantwortung, Selbstreflexion,…) zu erreichen. Diese wurden auch in
den unterschiedlichen Methoden thematisiert. (Kapitel 6.5)
Kompetenzen wie die Recherchekompetenz, Informationsbeschaffung, vernetztes Denken,
Problemlösungsstrategien sind mit Sicherheit nicht nur vom offenen Ansatz, sondern ebenso
von den aufbereiteten Materialien abhängig.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 115/150
7.1.4.3. Welche überfachlichen Kompetenzen eignen sich die
Schüler/innen durch geschlossene Lernformen an?
Wie in den folgenden Interviews zu erkennen ist, sind können nicht alle Interviewpartner/
Interviewpartnerin überfachliche Kompetenzen, die dem geschlossenen Unterricht entstammen,
benennen. Bei derselben Fragenstellung, bezüglich der offenen Lernansätze konnten die
Lehrkräfte, ohne zu zögern überfachliche Kompetenzen beschreiben.
Lara kritisiert die negativen Aspekte der geschlossenen Lernform und führt als zu erwerbende
Kompetenz, die Fachkompetenz in der Handlungsebene Operieren und Rechnen an.
„Bei lehrerzentrierten Unterrichtsformen werden die Lernenden nicht auf Eigenständigkeit
geschult. Sie müssen ruhig am Platz sitzen und können sich nur wenig in den Unterricht
einbringen, darum erwerben die Schüler/innen dabei nur Kompetenzen im Bereich der
Mathematik, wie das Operieren und Rechnen. Es entfällt meiner Meinung nach die Entfaltung
der Sozialkompetenz, da wenig interagiert wird.
Für Daniela erlangen die Schüler/innen, durch geschlossene Lernformen ebenfalls
Kompetenzen im sozialen Bereich, was im Widerspruch zur Aussage von Lara steht. Daniela
spricht dabei den respektvollen und rücksichtsvollen Umgang in der Klasse an.
„Bei geschlossenen Lernformen erlernen die Schüler/innen den respektvollen und
rücksichtsvollen Umgang mit Vorgesetzten und den angemessenen Umgang mit
Gleichaltrigen.“
Tanja sieht die erworbenen Kompetenzen im Bereich der strukturierten Arbeitshaltung und des
Selbststudiums.
„Im geschlossenen Unterricht lernen die Schüler/innen konzentriert einer Sachen zu folgen und
aufmerksam zuzuhören, vorgegebene Strukturen und Vorgehensweisen zu verwenden und
im Selbststudiums Beispiele zu arbeiten – ich kaue ihnen ja auch im lehrerzentrierten Unterricht
nicht alles vor.“
Aus meiner Sicht gehen diese wichtigen Aspekte im offenen Unterricht verloren, da auf die
strukturierte Arbeitshaltung nur wenig Wert gelegt wird.
Ähnlich wie Tanja beschreibt auch Roland, dass die Schüler/innen durch lehrerzentrierte
Sequenzen lernen den Fokus auf das Wesentliche zu legen.
„Bei geschlossenen Lernformen erwerben die Schüler/innen jene Kompetenz, fokussiert an einer
bestimmten Aufgabe zu arbeiten und nicht ständig den Arbeitsauftrag zu wechseln.“
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 116/150
Sabine und Franz beziehen sich ebenso auf die strukturelle Kompetenz, wie auf den Erwerb der
fachlichen Ebene.
Sabine: „Ich denke, dass die Fachkompetenz in einer geschlossenen Lernform höher ist.
Auch das Einhalten von Strukturen und Regeln wird in der lehrerzentrierten Lernform besser
erlernt.“
In offenen Unterrichtsformen haben die Schüler/innen stets die Auswahl aus unterschiedlichen
Materialien. Haben die Lernenden im Moment keine Lust eine bereits begonnen Aufgabenstellung
zu beenden, sind sie auch nicht gezwungen dies zu erledigen beziehungsweise steht es ihnen
frei die Aufgabe bei Seite zu legen.
In geschlossenen Formen ist meist diese Arbeitshaltung nicht erwünscht. Die Aufgaben sind in
einer vorgegebenen Reihenfolge abzuwickeln, auch wenn manche Arbeitsaufträge nicht den
Interessengebieten der Lernenden entsprechen.
Geschlossene Aufgabenstellungen spiegeln daher die Realität eher wider. Solche Situationen
werden im späteren Beruf, wie auch auf der Universität wiederkehrend stattfinden. Die
Schüler/innen müssen sich damit abfinden, dass Arbeit oder Schule nicht immer einfach oder
lustig ist, sondern es Vorschriften gibt, welche einzuhalten sind. Erwerben die Schüler/innen
bereits in jungen Jahren das notwenige Durchhaltevermögen, ist der spätere Umstieg mit
Sicherheit begünstigt.
Für Karl gibt es keine überfachlichen Kompetenzen, sondern lediglich Grundkompetenzen,
welche durch den Lehrplan definiert sind.
Aus seiner Sicht sollen unterschiedliche Wege zur Wissensvermittlung angeboten werden.
Martina konnte mir diese Frage leider nicht beantworten.
Global betrachtet sind jene Kompetenzen, aus dem geschlossenen Unterricht in einem anderen
Bereich angesiedelt, als die der offenen Lernformen.
Aus den geschlossenen Unterrichtskonzepten lernen die Schüler/innen eher strukturelle und
fachliche Kompetenzen, wie auch Fertigkeiten im Umgang mit Vorgesetzten, die nicht als weniger
wichtig definiert sind.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 117/150
7.1.4.4. Welche Auswirkungen Wie wirken sich offene/geschlossen
Lernformen auf die Merkfähigkeit der Schüler/innen aus?
Lara macht die Merkfähigkeit des neu erworbenen Unterrichtsstoffes nicht von einer bestimmten
Lernform, sondern vom Lerntyp abhängig.
„Ich denke nicht, dass die Merkfähigkeit unbedingt von der angewandten Methodik abhängt. Es
gibt verschiedene Lerntypen, welche durch unterschiedliche Art und Weise angesprochen
werden. Um Mathematik verstehen zu können, braucht man unterschiedliche Übungen. In
welcher Form die Umsetzung dieser, am besten funktioniert ist vom Individuum abhängig.
In manchen Fällen bieten sich geschlossene Übungen besser an, da den Schüler/innen die
notwendige Selbstständigkeit fehlt, um im offenen Unterricht zu arbeiten. Sie sind sozusagen mit
den Freiheiten, noch überfordert und können sich auf den Erwerb des Stoffgebietes selbst, wenig
konzentrieren. […]
Bei uns haben die Schüler/innen aber Pech gehabt, sie müssen selbstständig werden – das
müssen sie in der Arbeit auch.“
Diese Gestaltung des Mathematikunterrichts, ist meiner Meinung nach etwas engstirnig. Die
Aufgabe einer Lehrkraft sollte es sein, den Lernprozess unterstützend und individuell zu
gestalten und nicht nur für die große Masse zu unterrichten. Den Zugang des freiwilligen
Plenumsvortrages, welchen Sabine in ihrem Unterricht wählt, würde sich bei Interesse auch hier
anbieten, um den Forderungen der Schüler/innen gerecht zu werden.
Für Daniela existieren nicht „die“ Faktoren, welche auf die Merkfähigkeit Auswirkungen haben.
„Welche Auswirkungen offene Lernformen auf die Merkfähigkeit der Schüler/innen haben, kann
ich nicht genau sagen. Aus meiner Sicht ist die Merkfähigkeit ein Faktor, der für jeden Schüler/
jede Schülerin individuell bestimmt wird. Der Unterricht soll für jeden Lernenden/ jede
Lernende spannend und abwechslungsreich aufgebaut sein. Guter Unterricht wird dabei nicht
unbedingt durch die Wahl der Sozialform oder der Lernform definiert.“
Tanja kann keine Faktoren nennen, welche für die Merkfähigkeit ausschlaggebend sind.
Roland bezieht sich auf die Matura, welche wie oben beschrieben unterschiedliche
Aufgabenformate abverlangt und im zeitlichen Konflikt mit offenen Lernformen steht.
„In Hinblick auf die Matura denke ich, dass ein Mix beider pädagogischer Ansätze die
Merkfähigkeit am besten unterstützt.“
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 118/150
Durch unterschiedliche Lernangebote werden viele Aufnahmekanäle der Schüler/innen
angesprochen. Dies ist aus Karls Sicht für die Aufnahmen der Informationen ausschlaggebend.
„Für mich hängt die Merkfähigkeit vom Lernangebot ab. Je unterschiedlicher die
Lernmaterialien sind, umso mehr ‚Aufnahmekanäle‘ können dabei angesprochen werden. Mit
dem offenen Unterricht können unterschiedliche Zugänge angeboten und die Merkfähigkeit erhöht
werden. […]
Beim EDV gestützten Unterricht kann auch ein spielerischer Zugang angeboten werden. Man
muss aber beachten, dass die Schüler/innen kein „Try and error“ Verhalten zeigen. Das heißt -
es wird vorschnell gehandelt, da der Computer letztendlich über Erfolg und Misserfolg Auskunft
gibt – das will ich vermeiden, sie sollen vorher nachdenken.“
Ich kann mich sehr gut an meine damalige Hauptschulzeit erinnern, in der ich dachte, dass
arbeiten im Computer mit spielerischen Aktivitäten gleichzusetzen sei. Dabei wurde ich sehr
schnell eines Besseren belehrt und meine Euphorie war verschwunden. Durch meine
Enttäuschung weigerte ich mich aktiv mitzuarbeiten und kreuzte bei interaktiven Aufgaben intuitiv
Aufgaben an. Lernzuwachs konnte ich schließlich keinen verzeichnen, da mein Verhalten jenem,
von Karl beschriebenen, glich.
In der Literatur wird diese Vorgehensweise als trial-and-error-learning beschrieben. Das
Austesten der Aufgaben bietet jedoch keine Einsicht in den funktionellen Zusammenhang einer
Materie. Wird durch Zufall eine richtige Lösung entdeckt, zeigt das Effektgesetz seine Wirkung
(vgl. Spektrum Akademischer Verlag, 2000).
Dieses besagt, dass eine Verbindung begünstigt, also verstärkt wird, wenn die Reaktion zu einer
befriedigenden Nachwirkung führt. Sie wird abgeschwächt, wenn die Nachwirkung unbefriedigend
ist (vgl. Thorndik zit. nach Herget, 2000, S. 72).
Finden die Schüler/innen im trial-and-error-learning keinen Erfolg werden sie sich auf längere Frist
eine alternative Vorgehensweise suchen, um dem Effektivgesetz zu Folge positive
Nachwirkungen zu verspüren.
Für Martina ist die Merkfähigkeit ein Indikator des Unterrichts, welcher vom individuellen Lerntyp
abhängig ist. (nähere Beschreibung in 7.1.4.6).
Ähnlich wie für Karl, hängt die Merkfähigkeit auch für Sabine vom verwendeten
Unterrichtsmaterial und nicht von deiner bestimmten Lernform ab. Durch intelligente
Übungsvariationen findet das Wissen Eingang ins Langzeitgedächtnis.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 119/150
„Die Merkfähigkeit hängt für mich nicht von der Lernform, sondern vom Aufbau der Übungen ab.
Genaugenommen hat das Aufgabenformat in Verbindung mit der Übung, Auswirkungen auf
die Merkfähigkeit. Handelt es sich bei den Übungsbeispielen um verknüpfte Aufgaben, sodass
auf zurückliegende Fachbereiche zurückgegriffen wird, schult diese Kombination die
Merkfähigkeit und die Wiedererkennung.“
Wie bereits im Kapitel 7.1.1.3 beschrieben wird die Merkfähigkeit vom vorhandenen Vorwissen
unterstützt. Wiederholungen und Anbindungen an bereits gespeicherte Vorkenntnisse, wird
durch die strukturellen Gegebenheiten des Gehirns vereinfacht. Werden nun Übungsmaterialien
so aufbereitet, dass neues Wissen mit Bekanntem vernetzt wird, wird eine Aufnahme der
Informationen aus Sicht der Hirnforschung vereinfacht.
Nach Spitzer (2007) sind auch die Umwelt und die Gefühlswelt wichtige Einflussfaktoren, welche
den Wissenserwerb vorantreiben oder hemmen können.
Jede/r möchte die Welt um sich verstehen und kennen lernen.
Daher zeigen auch Beispiel mit praktischen Bezügen einen Anreiz des Lernens.
Sind zudem die Gefühle im Lernprozess positiv gestimmt, gelangt das Wissen schneller und
umfangreicher ins Langzeitgedächtnis.
Franz schließt sich diesem Ansatz der Hirnforschung an, und ist stets bemüht eine Verknüpfung
der mathematischen Inhalte mit dem alltäglichen Leben zu ermöglichen. Wie bereits die anderen
Lehrpersonen, sieht er keinen Bezug zur Lernmethode per se.
„Nachhaltiges Lernen wird für mich mit dem Bezug zum alltäglichen Leben unterstützt. Aus diesem
Grund ist es wichtig neue Themen mit Hilfe von bekannten, alltäglichen Gegebenheiten
einzuführen, damit die Schüler/innen einen persönlichen Bezug herstellen zu können. Dies wird
in der Mathematik oft falsch praktiziert. Es werden Stoffgebiete theoretisch behandelt und erst in
den Übungsphasen mit praktischen Beispielen hinterlegt. […]
Projektartiger Unterricht, mit Bezügen zum alltäglichen Leben, ist somit eine Unterrichtsform,
welche die Merkfähigkeit, wie auch die Motivation fördert.“
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 120/150
7.1.4.5. Wie wirken sie sich auf die Motivation aus im Vergleich zu
geschlossenen Lernformen?
Nach Heckhausen und Heckhausen „entsteht motiviertes Verhalten durch Bewertungsprozesse:
Es wird abgeschätzt, ob ein Ziel aufgrund der eigenen Fähigkeiten erreicht werden kann zudem
wird dieses Ziel bewertet. Aus Motivation zu handeln liegt dann vor, wenn das Ziel sowohl
erstrebenswert als auch erreichbar erscheint.“ (Krause, 2007, S. 97)
Grundsätzlich kann die Motivation in zwei Teilbereiche gegliedert werden. Dabei spricht die
Literatur von extrinsischer und intrinsischer Motivation.
Unter intrinsisch werden bestimmte „Verhaltensweisen verstanden, welche als
interessensbestimmte Handlungen definiert werden und deren Aufrechterhaltung keine von
Handlungsgeschehen ‚separierbaren‘ Konsequenzen erfordert d.h. keine externen oder
interpsychische Anstöße, Versprechungen oder Drohungen. […] Intrinsische Motivation
beinhaltet Neugier, Exploration, Spontanität und Interesse an den unmittelbaren Gegebenheiten
der Umwelt. Evident wird sie im Bestreben eine Sache voll und ganz zu beherrschen.“ (Deci &
Ryan, 1993, S. 225)
„Extrinsische Motivation wird dagegen in Verhaltensweisen sichtbar, die mit instrumenteller
Absicht durchgeführt werden, um eine von der Handlung separierbare Konsequenz zu erlangen.
Extrinsisch motivierte Verhaltensweisen treten in der Regel nicht spontan auf, sie werden
vielmehr durch Aufforderungen in Gang gesetzt, deren Befolgung eine (positive) Bekräftigung
erwarten lässt. […]“ (Deci & Ryan, 1993, S. 225)
Ziel jeder Unterrichtsform sollte die Förderung der intrinsischen Motivation sein. Durch diese
Triebkraft und der Gier nach Wissen, wird der Informationserwerb angetrieben.
Für Lara korreliert die Motivation mit der gewählten Lernform, wie auch mit den individuellen
Interessen, der Schüler/innen.
„Die Motivation hängt sehr stark vom Individuum, von der Lernform aber auch vom Interesse ab.
In lehrerzentrierten Phasen merke ich oft, dass die Schüler/innen selbstständig arbeiten möchten
und daher unruhig werden. Wie gut schließlich die Aufträge ausgeführt werden, hängt jedoch
vom Interesse der Lernenden ab.“
Sehr ähnlich ergeben sich für Karl, wie auch für Daniela keine eindeutigen Indikatoren. Sie
definierten die Motivation als Kriterium, welches sehr individuell sei.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 121/150
Karl: „Die Motivation ist auf jeden Fall vom Individuum abhängig. Für manche Schüler/innen ist
eine offene, für andere wiederum eine geschlossene Lernform motivierend.“
Daniela: „[…] Es hängt auch vom Interesse der Schüler/innen ab.“
Tanja schließt sich diesen Meinungen an und macht wie auch Lara die Qualität der Lernprodukte
vom Interesse abhängig.
Roland kann zu dieser Frage keine konkreten Aussagen treffen und legt sich über
Beeinflussungen der Motivation nicht fest.
Durch die Variation der Lernansätze, gilt es für Martina, die Schüler/innen zum Lernen zu
motivieren.
„Die Motivation hängt nicht von einer bestimmten Form des Unterrichts ab – es macht die
Mischung den guten und effektiven Unterricht aus
Die Mathematikeinheiten sollen abwechslungsreich aufbereitet sein, um die Schüler/innen zu
motivieren.“
Sabine schließt sich den vorherrschenden Meinungen an und erwähnt weitere beeinflussende
Faktoren. Dazu zählen nicht nur die Lernform und der Fachinhalt, sondern auch die Lehrperson
und der gelebte Unterricht.
„Die Motivation kann für mich von der Lernform, von der Lehrperson oder vom Fachinhalt
abhängig sein. Ein Schüler/ eine Schülerinnen kann motiviert an einer Aufgabe arbeiten, weil
sie/er die Lehrperson mag, weil sie/er das Fach interessant findet, aber auch weil die
Aufbereitung des Lernstoffes für denjenigen/ diejenige spannend ist. […]
Ich als Lehrperson kann die Motivation zum Fach auch übertragen. Lebt man für einen
Unterrichtsstoff und kann sich mit diesen identifizieren, sieht man das auch im Unterricht.“
Aus der Sicht von Franz sind für die Merkfähigkeit, als auch für die Motivation, dieselben Faktoren
verantwortlich. Im Rahmen von praktisch orientierten Projekten würden beide Indikatoren positiv
beeinflusst.
Blickt man auf die eigene Schulzeit zurück, blieben meist nur wenige Lehrkräfte in Erinnerung.
Häufig sind dies jene, die man persönlich mochte oder dessen/deren Unterrichtsgegenstand man
bevorzugte.
In diesen Fächern konnte man meistens mit guten Zensuren aufwarten und man war ambitioniert,
um diesen Notengrad beizubehalten. Den Grund dafür sehe ich in den genannten Fakten der
Motivation.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 122/150
Die Ergebnisse der Befragung veranschaulichen, dass die Motivation als sehr individuellen Faktor
eingestuft wird. Als Einflusskriterium der motivierten Herangehensweise wird das Interesse am
Fach beziehungsweise bezüglich des zu bearbeitenden Themas und in der Lehrkraft gesehen.
Wobei die Lehrperson vielfältig motivierend wirken kann. Es kann Persönlichkeit per se oder die
Unterrichtsgestaltung dafür ausschlaggebend sein.
Werden die Schüler/innen persönlich zum Thema befragt sind folgende Ergebnisse ermittelt
worden:
Tabelle 3: Bedingungen für motiviertes Handeln (Profil extra, 1994 zit. n. Hofmann-Schneller, 2006, S. 292)
Von 100 Schülern sind hoch motiviert
Wo der Unterricht viel Bezug zum
wirklichen Leben hat……………….
30
Wo stets auf schwächere Schüler
Rücksicht genommen
wird………………………..………..
19
Wo es viele Diskussionen mit
Fachleuten gibt…………………..…
27
Wo auch aktuelle Ereignisse
diskutiert werden………..………...
19
Wo auf Teamarbeit, Verständnis für
die anderen und Selbstvertrauen
großer Wert gelegt
wird………………………..…
26
Wo sehr oft in Kleingruppen
gearbeitet wird………..…………...
18
Wo es Lehrer gibt, die einen faden
Stoff spannend bringen
können………………………..……..
24
Wo es viel Projektunterricht und
Projektwochen gibt……..…………
18
Wo Schüler Vorschläge zum Lehrstoff
machen können……..…..
23
Wo man alles fragen und über alles
reden darf………..…………..
18
Wo Schüler Lehrstoffe selbstständig
erarbeiten…..……….
21
Wo die Begabten ohne Rücksicht
auf die Schwächeren gefördert
werden ……..................................
8
Wo die Lehrer auf die
Persönlichkeiten der Schüler
eingehen…………………..………..
20
Wo nur die Leistung des einzelnen
zählt……..……….…….
5
Wo viel über Themen diskutiert
wird………………………..…………
20
Wo der Lehrer nur vorträgt und die
Schüler nur mitschreiben…....
5
Diese Grafik bestätigt die Aussagen der Lehrkräfte und hebt zu den genannten Punkten noch den
Praxisbezug und Diskussionen mit Fachleuten heraus.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 123/150
7.1.4.6. In welcher Unterrichtsform werden die unterschiedlichen
Lerntypen (auditiv, visuell, kommunikativ, motorisch) besser
angesprochen?
Wie im Kapitel 6.2 beschrieben ist, können die Lernenden in verschiedene Lerntypen unterteilt
werden, welche unterschiedliche Materialien und Lernansätze benötigen, um entsprechend
gefördert und gefordert zu werden. Im folgenden Teil des Interviews sollte die Vorgehensweise
der Lehrpersonen zu diesem Thema ermittelt werden.
Lara erachtet das Wahrnehmen der unterschiedlichen Lerntypen als wichtig und versuche in der
Planung allen gerecht zu werden.
„Ich denke, dass es sehr wichtig ist auf die verschiedenen Lerntypen einzugehen.
Im lehrerzentrierten Unterricht verwende ich daher zum Beispiel Videos (zB: DorFuchs –
Binomischer Lehrsatz), ich mache mündliche Erklärungen, mit zusätzlichen Notizen an der
Tafel - dazu verwende ich meist Farbkreiden. Welche Lernform besser auf die Lerntypen
eingeht, kann ich so nicht sagen – hängt sicher von der Planung ab.“
Da der Fragebogen im Laufe der Interviews adaptiert wurde, hatte Daniela leider nicht die
Möglichkeit sich über diese Frage zu äußern.
Tanja hat im Vergleich dazu klare Vorstellungen und spricht sich für eine Förderung der
Lerntypen im offenen Unterricht aus.
„Das Ansprechen der unterschiedlichen Lerntypen finde ich offenen Unterricht einfacher, da sehr
unterschiedliche Materialen und Sozialformen vorkommen.“
Roland teilt Tanjas Meinung und fügt die verwendeten Methoden an:
„[…] Die Schüler/innen Lernen am Computer, arbeiten in Lerngruppen, lernen mit Videos und
arbeiten an individuellen Projekten. […]“
Martina stimmt der Förderung durch offene Lernformen zu und begründet dies durch das
Ansprechen der unterschiedlichen Aufnahmekanäle. Diese Vorgehensweise sorgt aus ihrer Sicht
auch für eine dauerhafte Speicherung der Informationen.
„Durch offene Lernformen können mehrere Lerntypen angesprochen werden, was zu einer
Verstärkung der Merkfähigkeit führt.
Die Information gelangt über verschiedene Kanäle, je nach Lerntyp zu den Lernenden. Sie
können offen Agieren, sich gegenseitig was vorlesen, erklären, beschreiben, Filme ansehen
oder Beispiele üben. – sie können es sich ja richten, wie sie es brauchen.“
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 124/150
Ist der offene Unterricht mit einer großen Auswahl an Unterrichtsmaterialien geplant, können die
Schüler/innen ihrem Lerntyp entsprechend passende Lernutensilien und Zugänge auswählen.
Wie es Studien zeigen unterstützen multimediale Zugänge den gesamten Lernprozess.
Eine Untersuchung von Mayer und Anderson (1991) gibt Auskunft über die Vernetzung von
unterschiedlichen Informationsquellen.
Die Ergebnisse zeigen, dass jene Probanden, welche zwei parallele Zugänge nutzten einen 50%
höheren Wissensstand aufwiesen, als jene, denen nur ein Zugang ermöglicht wurde.
Eine weitere Erhebung nach Mayer mit Studenten/Studentinnen zeigt, dass die Anwendung von
Illustrationen den Wissenstransfer und das Erinnern an durchgeführte Erklärungen unterstützt
(vgl. Wellenreuther, 2013, S. 85 ff.).
Für Karl existiert nicht der ‚Super Unterricht‘ und fördert die Lerntypen im Methodenmix.
„Es gibt keinen ‚Super Unterricht‘, in welchem mehr oder weniger gelernt wird.
Der Mix aus offenen und geschlossenen Lernformen, soll die unterschiedlichen Schüler/innen,
somit auch die verschiedenen Lerntypen zur Wissensaufnahme anregen.
Auf diesem Wege werden die vorher definierten Lernziele am besten erreicht.“
Sabine teilt die Meinung, dass der offene Unterricht besser für die unterschiedlichen Lerntypen
geeignet ist und begründet dies wie folgt:
„[…] Durch den Einsatz von unterschiedlichen Lernarrangements und der Erstellung von neuen
Lernumgebungen können die Schüler/innen ihren Fähigkeiten entsprechend entscheiden, auf
welche Art und Weise sie lernen möchten. Dabei stehen ihnen unterschiedliche Materialien,
aber auch verschiedene Zugänge zur Auswahl.
In einer geschlossenen Lernform, wird eine Variante des Unterrichts mit, einem gewählten
Zugang herangezogen, nach welchem gelernt wird. Bei Problemen versucht man zwar diese
durch unterschiedliche Erklärungen zu lösen, der Zugang bleibt hingegen der gleiche.“
Durch eine bedachte Auswahl an unterschiedlichen Methoden, werden für Franz rein intuitiv alle
Lerntypen angesprochen.
„Auf die Lerntypen braucht man nicht speziell eingehen, man macht es intuitiv. […]
Beim Entwickeln von neuem Stoff, an der Tafel, verwende ich Farbkreide (visueller Lerntyp), es
werden unterschiedliche Beispiele im Plenum oder im Team diskutiert (auditiver Lerntyp). Wenn
es sich anbietet, kommt auch der Computer und somit das Internet in allen Fassetten zum
Einsatz. Um den haptischen Lerntypen optimal zu unterstützen, werden immer wieder
Übungsphasen eingebaut, in welchen die Schüler/innen selbstständig Aufgaben lösen sollen.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 125/150
Durch den Mix aus unterschiedlichen Methoden, wird man automatisch allen Lerntypen gerecht.“
Ich denke die Fähigkeit intuitiv auf die unterschiedlichen Lerntypen zu achten, bedarf jahrelange
Erfahrung. Dennoch sollte man das Tun und Handeln in wiederkehrenden Abständen auf das
Ansprechen der unterschiedlichen Lerntypen reflektieren.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 126/150
7.1.5. Zukunftsperspektiven
Die folgenden Bereiche behandeln sehr persönliche Aspekte der interviewten Lehrpersonen.
Zuerst befasst sich dieses Kapitel mit den Auswirkungen der einzelnen Lernformen auf die
spätere, berufliche Zukunft der Jugendlichen. Hierbei wird zwischen den geschlossenen und
offenen Herangehensweisen unterschieden.
Die zweite Frage des Teilbereichs, konnte aus zeitlichen Gründen nicht von allen
Interpartnern/Interviewpartnerinnen beantwortet werden. Sie beschäftigt sich mit den
individuellen Veränderungswünschen an der, praktizierten Schule.
7.1.5.1. Welche Auswirkungen könnte der offene/geschlossene
Unterricht auf die Bildung für die Zukunft haben? (späteres
Berufsleben, universitäre Ausbildung, Verhalten,…)
Lara führt die positiven Auswirkungen ihres offenen Unterrichts an.
„Ich glaube, dass die Schüler/innen durch den offenen Unterricht mehr Selbstständigkeit und
Eigeninitiative erlernen, also jene die lehrerzentrierten Unterricht genossen haben. Diese
Veränderung der Eigenständigkeit ist in unserem Unterricht bereits im Laufe des Schuljahres
zu erkennen.“
Daniela äußert sich nur sehr kurz über die Auswirkungen der offenen Lernformen auf die
spätere Lebenswelt und schließt sich den Antworten von Lara an.
„Der offene Unterricht wirkt sich auf alle Fälle positiv auf Eigeninitiative aus. Diese wird auch im
späteren Berufsumfeld gefordert.“
Für Tanja ergeben sich aus offenen Lernformen nicht nur positive, sondern auch negative
Auswirkungen auf das spätere Leben und die Arbeitshaltung.
„Ich denke, dass sich offene Lernformen, im Vergleich zu geschlossenen, viel weitreichender
auf die spätere Lebenswelt auswirken – aber sie wirken sich meist positiv aus.
Im späteren Leben erfolgt sehr häufig eine Konfrontation mit Aufgabenstellungen, welche durch
verschiedene Problemlösungsstrategien bewältigt werden sollen. Daher versuche ich laufend die
Eigenverantwortung und Problemlösungskompetenzen für solche Situationen zu fördern,
damit der Berufseinstieg oder der Unistart einfacher wird.
Diese Fähigkeiten lernen die Schüler/innen im lehrerzentrierten Unterricht nicht.
Ich glaube aber, dass es auch negative Auswirkungen durch offene Unterrichtsformen gibt.
Manche Schüler/innen schaffen es über einen längeren Zeitraum keine Leistungen
aufzubringen, aber nicht aufzufallen – sie schummeln sich quasi durch. Man erkennt das erst, bei
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 127/150
der Schularbeit. Im späteren Beruf wird diese Haltung nicht geduldet, sie werden dann nach
einigen wenigen Wochen den Job verlieren.
Ich hoffe nicht, dass die offenen Lernformen zu diesem Fehlverhalten animieren. […]
Ob diese Arbeitshaltung jemand praktiziert, hängt natürlich von der Persönlichkeit ab.“
Roland schließt sich den positiven Aspekten des offenen Unterrichts an, gibt jedoch keine
Auskunft über negative Auswirkungen dieser Lernform.
„Ich hab es schon beim Thema der Kompetenzen erwähnt, dass mit Hilfe von offenen Lernformen
die Selbstständigkeit, Eigenverantwortung, Sozialkompetenz und
Problemlösungsstrategien für das spätere Arbeits- und Schulleben erworben werden. Die
Schüler/innen werden irgendwann vor Situationen stehen, in welchen neues Wissen und neue
Kompetenzen gefordert sind. Die Schule soll einfach als Vorbereitung für das spätere Leben
gesehen werden.“
Karl verhält sich im Interview sehr diskret und kann keine konkreten Zuordnungen der
Auswirkungen anstellen.
„Ich denke nicht, dass es konkrete Auswirkungen von einer bestimmten Unterrichtsform auf das
spätere, berufliche Leben gibt. […]
Verhalten, Engagement oder Ähnliches wird durch die Mischung aus offenen und geschlossenen
Unterrichtsansätzen beeinflusst. Daher sollte der Mathematikunterricht durch unterschiedliche
Ansätze vermittelt werden.
Die offenen Lernformen zeichnen sich durch die Förderung von selbstständigen
Erarbeitungen des Lernstoffes und die Selbstorganisationen von Lerninhalten aus.
Geschlossene Phasen schulen sicher andere wichtige Fähigkeiten, ich kann nur im Moment
keine nennen.“
Martina nennt ebenfalls einige positive Auswirkungen der offenen Lernformen. Zu den
geschlossenen Ansätzen kann sie, wie eben Karl keine konkreten Auswirkungen benennen.
„Eine positive Auswirkung einer offenen Lernform auf das spätere Leben, ist sicher die
Eigenverantwortung. Diese Fähigkeit wird in jedem Job später verlangt.
Die Schüler/innen lernen mit offenen Lernformen die Verantwortung, wie auch die Konsequenz
einer Handlung zu übernehmen. Ein weiterer wichtiger Punkt, ist die Selbsteinschätzung und
die soziale Kompetenz, im Umgang mit anderen Menschen. […]
Zu den geschlossenen Lernformen fällt mir momentan nichts ein.“
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 128/150
Sabine beschreibt als erste, neben den beeinflussenden Faktoren des offenen Unterrichts, auch
konkrete positive Auswirkungen der geschlossenen Lernform, auf das spätere Leben der
Schüler/innen.
„Zu dieser Frage möchte ich eine Studie machen, die ist echt interessant und schwer zu
beantworten – ich kann nur vermuten.
„Ich glaube, dass sich offene Lernformen in der Erhöhung der Kreativität auswirken.
Sie vermindern auch die Hemmung vor komplexen Aufgabenstellungen. Die Schüler/innen
sehen die Struktur und brechen ein Megabeispiel in seine Bestandteile.. Offene Lernformen führen
auch zur Steigerung der Teamfähigkeit. […]
Der geschlossene Unterricht schult die Schüler/innen für das spätere Leben im Bereich der
Ordnung. Sie lernen mit Struktur zu arbeiten und die Lernmaterialien sauber und geordnet
aufzubewahren, diese Kompetenz geht bei offenen Formen häufig verloren.“
Franz beschreibt die vermuteten Auswirkungen seines Unterrichts, in welchem die Vermittlung
der folgenden Werte angestrebt wird.
„Ich denke, dass mein Unterricht so gestaltet ist, dass die Schüler/innen die Möglichkeiten haben
die eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Sie lernen die entsprechende Fachkompetenz, aber
auch vieles zur Sozialkompetenz.
Ich versuche auch weitere Werte, wie das Reden vor einer Gruppe und die Kritikfähigkeit zu
vermitteln und mache auf weltpolitische und persönliche Problematik aufmerksam.“
Wie den Interviews zu entnehmen ist, werden die Auswirkungen sehr unterschiedlich definiert. In
dieser Fragestellung kristallisieren sich die strukturellen Ansätze des geschlossenen und der
soziale Gedanke und die Selbstkompetenzen des offenen Unterrichts heraus.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 129/150
7.1.5.2. Müsste sich Ihre Schule verändern, um Ihren persönlichen
Unterricht besser umzusetzen? Wie würde diese Art von
Unterricht aussehen?
In der Schule von Lara liegt kein Änderungsbedarf vor.
„Für mich sind diese Schule und der Unterricht wie der abläuft perfekt – ich würde im System
nichts ändern. Es gibt nur hin und wieder kleinere Anpassungen, die sich im Laufe der Zeit
ergeben – im kommenden Jahr möchte ich die Beurteilung etwas ändern.“
Daniela wünscht sich Veränderungen im Kollegium.
„In erster Linie müssten sich die Lehrer/innen ändern. Jede/r plant seinen eigenen Unterricht.
Es werden weder Materialien ausgetauscht noch Kooperationen innerhalb der Gegenstände
umgesetzt. – wäre es anderes, könnte man viel Zeit sparen und voneinander lernen.“
Auch Roland zählt zu jenen Lehrkräften, die mit der schulischen Situation vollauf zufrieden sind.
Er begründet dies durch die reformpädagogischen Ansätze und der damit verbundenen Freiheit.
„Ich arbeite in einer Schule mit allen Möglichkeiten und Freiheiten. Sie entspricht genau
meinen Vorstellungen.
Eine Schule im klassischen Sinne, in welcher rein lehrerzentriert gearbeitet wird, könnte ich mir
gar nicht vorstellen. Lehrerzentrierte Phasen sind für mich sehr anstrengend und bereiten mir
nur wenig Spaß.“
Tanja sehnt sich in ihrer Schule nach einer besseren kollegialen Zusammenarbeit, um
gemeinsame Unterrichtsformen zu realisieren.
„Für mich wäre eine Schule mit gemischten Lernformen eine Schule, die meinen Vorstellungen
entspricht. […]
In meiner Schule würde ich mich über eine bessere kollegiale Kooperation freuen – dann wären
auch projektorientierte Arbeiten möglich. Manche Kollegen/Kolleginnen wehren sich so gegen
dieses System, daher können leider keine gemeinsamen Ansätze realisiert werden.“
Da Karl bereits sehr lange in seinem PTS tätig ist, hat er mehr Möglichkeiten, als seine
Kollegen/Kolleginnen.
„Es hört sich vielleicht arrogant an, aber meine Schule ist für mich fast perfekt. Ich bin so lange
hier tätig und mein Fachbereich, die Mechatronik ist für die gesamte Schule sehr wichtig, daher
kann ich mir die notwendigen Materialien für den Unterricht kaufen.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 130/150
In Mathematik wäre eine bessere digitale Infrastruktur toll, aber man lernt mit den vorhandenen
Voraussetzungen umzugehen.“
Martina wünscht sich Veränderungen in der zeitlichen Planung der Schulstunden, da bestimmte
Lernformen, aus organisatorischen Gründen, in Doppeleinheiten besser aufgehoben wären.
„Die Schule müsste sich für mich so verändern, dass der 50minütige Unterricht aufgehoben und
eine Einteilung in Lernblöcken oder zumindest Doppelstunden umgesetzt wird. Der offene
Unterricht benötigt besonders am Anfang mehr Zeit. Bis alle Materialien verteilt sind und alles
erklärt ist, ist leider oft sehr viel Zeit vergangen. Sind die Schüler/innen dann im Arbeitsfluss, ist
meist die Stunde beendet und die Schüler/innen werden aus dem konzentrierten Denkprozess
gerissen.
Am besten wären in jedem Unterrichtsgegenstand Inputphasen, welche eher geschlossen und
lehrerzentriert ablaufen. Die Übungsphasen sollen geblockt werden und die Lernenden sollten
dabei frei entscheiden, wann welches Unterrichtsfach geübt und erforscht wird.“
Dieser gewünschte Unterricht wird der Beschreibung zufolge bereits bei Roland und Tanja
eingesetzt. In diesen Lehranstalten werden schulinterne Gesamtkonzepte eingesetzt. Das
Agieren einer Einzelperson ist für dieses System nicht realisierbar.
Sabine beschreibt sehr umfangreich die wünschenswerten Veränderungen in den Dimensionen
Raum, Zeit, Materialien und Flexibilität.
„Die Schule müsste sich für mich in der Mobilität, der Räumlichkeiten und der Zeit ändern.
Obwohl in manchen Klassen drei Mathematiklehrer/innen zur Verfügung stehen, ist dies für
bestimmte Unterrichtsformen nicht ausreichend. In manchen Bereichen der Mathematik würde es
hingegen genügen, wenn eine Gruppe durch zwei Lehrpersonen betreut wäre. […]
Meiner Meinung nach müsste sich das System dynamischer an diese Gegebenheiten anpassen.
Es müsste sich die Arbeitszeit der Lehrpersonen ändern, sodass der Einsatz der Lehrkräfte
abhängig von der praktizierten Unterrichtsmethode oder vom Fortschritt flexibel umgesetzt wird.
Die Arbeit wäre in einem Zeitgefäß und nicht in diesen vorgeschriebenen Werteinheiten zu
verrichten. […]
Eine weitere Änderung wäre in den Materialien wünschenswert. Besonders in Physik und Chemie
sind nur wenige Schüler/innen-Materialbaukästen vorhanden, was eine Gruppengröße von bis zu
5 Personen führt – das funktioniert dann oft nicht. […]
Eine weitere Einschränkung ergibt sich durch die Sammelbestellung der Mathematikbücher.
Wegen der Heterogenität in der NMS ist die Streuung der Schüler/innen oft extrem hoch und nicht
jede/r kann mit den gleichen Materialien lernen. – Es hängt vom Niveau und vom Lerntyp ab.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 131/150
Könnten in einer Klasse verschiedene Lernbücher eingesetzt werden, könnte man einer
entsprechenden Förderung der Individuen besser gerecht werden. […]
Eine wünschenswerte Verbesserung würde sich auch durch die gesamtheitliche Kooperation
und Anpassung der Lehrerbelegschaft an das Schulkonzept, des offenen Lernens ergeben. Es
gibt leider noch Lehrer/innen, die sich weigern die offene, schulinterne Unterrichtsumsetzung
anzunehmen. Vermutlich haben sie Angst, dass andere Einsicht in den praktizierten Unterricht
haben. Diese wenigen Lehrpersonen hemmen mit ihrer Einstellung leider das Gesamtkonzept.“
Franz sieht die Situation sehr ähnlich wie Sabine und wünscht sich eine wesentliche
Umstrukturierung des Schulsystems. Die Schüler/innen sollten dabei in Projekten lernen, was
enorme Flexibilität in jeder Hinsicht benötigt.
„Die Schule müsste sich so verändern, dass die Lehrpersonen nicht nach dem Wertesystem
vergütet werden. Die Schüler/innen müssten für seine perfekte Schule einen dynamischen
Stundenplan erhalten und abhängig vom momentanen Projekt flexibel arbeiten. […]
Um das alles zu realisieren, müsste sich das gesamte System und somit das Lehrerdienstrecht
ändern. Eine Vergütung müsste über die entsprechende Leistung passieren.
[…] Wenn ein Projekt am Laufen ist, dauert der Unterricht an diesem Tag länger. Stagniert ein
Projekt, da man bemerkt, dass ein externer Experte benötigt wird, ist den Unterricht vorzeitig
beendet. Der Stundenplan sollte somit auch dynamisch an die Gegebenheiten anpassbar sein.
[…]
Es müsste sich auch Gruppengröße der Klassen auf 15 Personen reduzieren, da bei einer
solchen Schüler/innen-Anzahl die Methodenvielfalt besser umsetzbar ist.
Für mich dürften auch die Fächer nicht einzeln beurteilt und unterrichtet werden, es müsste
Fächerbündel geben, da sich ohnehin die Stoffgebiete überschneiden. (z.B. Physik und
Mathematik).“
Das gewünschte Zeitgefäß bringt aus meiner Sicht nicht nur positive Aspekte mit sich. Die
Lehrkräfte werden in der Freizeitgestaltung sehr eingeschränkt, da die Arbeitszeiten nur noch
bedingt planbar sind. Ich denke dabei besonders an Lehrpersonen mit Kindern. Mit den, an den
Lernprozess angepassten Arbeitszeiten müssen auch Betreuungszeiten der Kinder sehr flexibel
gestalten sein. Sich als Lehrer/innen einen Arzttermin außerhalb der Arbeitszeit zu vereinbaren
würde als Herausforderung gelten.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 132/150
7.1.6. Ausbildung
Die folgenden Fragestellungen umfassen Bereiche der eigenen Aus- und Fortbildungen im
Allgemeinen und zum offenen Unterricht. Des Weiteren beschäftigt sich dieses Kapitel der Arbeit
mit der Frage nach dem „Musst-have“ der neuen Lehrer/innen-Ausbildung.
7.1.6.1. Welche Ausbildungen haben Sie zu offenen Unterrichtsformen
genossen?
Bei der Frage nach der eigenen Ausbildung kristallisierte sich heraus, dass der Großteil der
ausgewählten Lehrpersonen die pädagogische Hochschule absolvierte. Wie im folgenden Teil
zu erkennen ist, können auch einige der interviewten Lehrpersonen zusätzliche Ausbildungen im
Bereich des offenen Unterrichts aufweisen, was mir zuvor nicht bekannt war.
Daniela absolvierte die JKU und hat bisher noch keine zusätzlichen Ausbildungen absolviert.
„Ich habe die JKU in den Fächern Mathematik und Physik absolviert. Im Rahmen von
Didaktiklehrveranstaltungen wurde schon einiges zum offenen Unterricht gelehrt und probiert
– du kennst ja selbst die Ausbildung.“
Tanja und Lara erlangten Informationen im Rahmen der Ausbildung an der PH OÖ.
Tanja: „Ich konnte in der Ausbildung an der PH theoretische und praktische Informationen zum
offenen Unterricht sammeln – sonst hab ich keine Schulungen oder Kurse belegt.“
Roland absolvierte ebenfalls die PH OÖ. Da er an einer reformpädagogischen Schule tätig ist,
erhält er Einblicke in andere Alternativsystem, da regelmäßig Seminare und Vorträge an seiner
Schule abgehalten werden.
„[…] Ich habe zwar keine zusätzlichen Schulungen belegt, aber bei uns sind laufend Vorträge von
Alternativschulen – also wie die Umsetzung von offenen Konzepten an anderen Schulen erfolgt.
Es waren bisher die Laborschule Bielefeld, Dr. Gerald Hüther – der Populärwissenschaftler
und Margret Rasfeld von der „Schule im Aufbruch“ da. Ich finde diese Abende immer sehr
spannend, weil man Neues sieht. Dann versuche ich diese Ansätze in meinen Unterricht
einzubinden.“
Dieser Zugang der Informationen aus ersten Hand finde ich sehr spannend und beschreibt die
genau jenen Zugang, den Tanja erwünscht, wie sie später im Interview erklärt (Kapitel 7.1.6.2).
Sie würde einen Einblick in praktische Ansätze, mit erfolgreicher Umsetzung begrüßen.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 133/150
Karl hat sich zu seiner Studienzeit mit dem Thema des entdeckenden Unterrichts beschäftigt und
schrieb seine Abschlussarbeit in diesem Teilbereich. Er teilt seine Erfahrungen mit anderen
Lehrkräften und gibt Tipps zur Gestaltung von Unterrichtseinheiten.
„Ich habe die damalige PädAk absolviert. Zu der Zeit hatte ich schon einen sehr engagierten
Professor, der viel zum offenen Unterricht machte. Meine Abschlussarbeit schrieb ich sogar in
diesem Bereich - entdeckendes Lernen hieß es damals. […]
Mittlerweile gebe ich selbst Schulungen zum Thema, in welchen ich meine eigenen Erfahrungen
teile. Ich erkläre den Lehrer/innen, dass die Gestaltung des Unterrichts sehr einfach sein kann.
Man muss nur mit offenen Augen durchs Leben gehen und sich in der Umgebung und im
Internet aktiv umschauen. Dabei ergeben sich oft neue Ideen für den Mathematikunterricht.“
Wallrabenstein (vgl. 1993, S. 20) spricht in seinem Buch von der inneren und äußeren Offenheit
des Unterrichts, um neue Wege des Lernens in allen Bereichen zu erkennen.
Martina absolvierte ebenfalls die damalige PädAk und nahm an zusätzlichen Schulungen teil.
„[…] Meine Abschlussarbeit befasste sich mit dem entdeckenden Lernen, dabei habe ich mich
sehr intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt. Danach machte ich Fortbildungen im
eigenverantwortlichen Arbeiten (EVA) und Schulungen zu offenen Arbeitsformen.“
Wie die Interviews von Martina und Karl zeigen, war die Materie der offenen oder entdeckenden
Herangehensweise bereits vor 30 Jahren interessant, da sie den Abschluss der damaligen PädAk
zu diesem Thema erlangten. Wie im Kapitel 6.1 beschrieben, reichen schließlich die Anfänge der
offenen Zugänge bis in die 60er Jahre zurück.
Sabine hat an der damaligen Pädak studiert, absolvierte nachträglich den Bachelor, Master und
Doktor in der Schulentwicklung. Des Weiteren kann sie viele zusätzliche Ausbildungen aufweisen.
„[…] Nach der PH habe ich den Master und Doktor im kompetenzorientieren Lernen absolviert.
Ich habe zusätzliche Ausbildungen, wie den Begleitlehrer in der Lehrerinnenausbildung und
die Betreuungshilfe für Lehrpersonen gemacht. Am meisten profitierte ich von jenen
Ausbildungen, welche einen praktischen Teil beinhaltet haben, welcher der in Folge
wissenschaftlich und reflektierend aufgearbeitet wurde.“
Es sollten daher Überlegungen in diese Richtung für die neue Lehrer/innen Ausbildung angestellt
werden. Eine Kombination aus praktischen und wissenschaftlichen Zugängen kann mit Sicherheit
wichtige Erkenntnisse aus der eigenen Praxis bringen.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 134/150
Franz studierte an der JKU die Unterrichtsgegenstände Mathematik und Physik. Zusätzlich
machte er die Ausbildung zum Betreuungslehrer.
„Ich studierte an der Uni und absolvierte anschließend die Ausbildung zum Betreuungslehrer.
Durch die Betreuung der Studenten/Studentinnen sehe ich laufend neue Methoden, welche von
ihnen ausprobiert werden.“
Durch ständige Veränderungen in der Gesellschaft, sind stets Anpassungen des Unterrichts und
der eigenen Ausbildung erforderlich. Aus diesem Grund sollte der praktizierte Unterricht
Reflexionen unterliegen, um dem ständigen Wandel und den Anforderungen der Gesellschaft
gerecht zu werden.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 135/150
7.1.6.2. Würden Sie eine bessere Ausbildung zu diesem Thema
wünschen? In welchen Bereichen fühlen Sie sich schlecht
ausgebildet?
Daniela, Lara fühlen sich grundsätzlich gut in allen Bereichen der Schule ausgebildet.
Daniela: „Ich hätte mir in meiner Ausbildung mehr Praxis gewünscht.“
Tanja führt konkret ihre Defizite in der Leistungsfeststellung, im Feedback und in der
Beobachtung von offenen Unterrichtsformen an.
„Ich würde mehr Information zur Leistungsfeststellung, Feedback, Beobachtung und von
offenen Lernformen wünschen. Dabei spreche ich nicht von der Theorie. Informationen über
bereits gut funktionierende Systeme wären toll – best practice-Beispiele.
Interessant sind Erfahrungen über offene Systeme, konkret über die Umsetzungen,
Auswirkungen, Einschränkungen, Pros und Contras, damit ich meinen eigenen Unterricht
verbessern kann. Ich würde in solchen Schulen auch gern mal hospitieren und mir mein eigenes
Bild machen.
Rein theoretische Ansätze sind für mich sinnlos, davon hab ich bereits genug gehört.“
Die Leistungsbeurteilungen der offenen Lernzugänge werden auch in der Literatur, über
Jahrzehnte hinweg, als problematisch angesehen. Eine vorherrschende Kritik richtet sich vor
allem gegen die Notengebung in Schulen.
Alternativ sollten verbale Beurteilungen, Selbstbewertungen und Entwicklungsberichte über den
Lernprozess Auskunft geben (vgl. Bohl & Kucharz, 2013, S. 133).
Dieser Gedanke der alternativen Bewertung ist zwar in der Theorie toll, da er die Angst vor
Noten und dem Leistungsversagen beseitigt. Das österreichische Schulsystem verlangt jedoch
eine Bewertung der Leistung mittels Schulnoten.
Roland ist auf der Suche nach Lernansätzen, welche den offenen Unterricht mit den zentralen
Aufgabenstellungen der Matura verbinden.
„Ich würde gerne zusätzliche Ausbildungen zum Thema Mathematik im Bereich der offenen
Unterrichtsformen besuchen. Vor allem Ausbildungen, die offenes Lernen mit dem
Aufgabenformat der zentralen Matura kombinieren.“
Durch die fehlenden Erfahrungen in den höheren Schulen (AHS und BMHS) ist Roland auf der
Suche nach unterschiedlichen Lernarrangements, welche zu seinem Typ passen. Sie sollten
ihm in der Anwendung Freunde bereiten und gleichwohl die Schüler/innen auf das notwendige
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 136/150
Maturaniveau bringen. Zurzeit sind leider noch weinige Fachbücher zu diesem Thema
verfügbar.
Aus zeitlichen Gründen konnte nicht von jeder Person Informationen zu dieser Fragestellung
eingeholt werden.
7.1.6.3. Wie müsste für dich die neue Lehrer/innen Ausbildung
aussehen?
Welche Bereiche müssen im Rahmen der Ausbildung behandelt
werden?
Daniela, hält sich sehr kurz und bringt den notwendigen Praxisbezug als wichtigen Bestandteil
ein.
„Meiner Meinung nach soll man in der neuen Ausbildung die Möglichkeit haben viel Erfahrung
und Praxis zu sammeln.“
Für Tanja sollen ebenfalls der Praxisbezug, wie best practice Beispiele die Grundlage der neuen
Ausbildung darstellen.
„Für mich gehören genau jene Bereiche in die neue Lehrer/innen-Ausbildung die mir fehlen, also
die „best practice“ Beispiele. […]
Der Praxisbezug soll das Kernstück der Ausbildung sein. Jede/r Student/in soll die Möglichkeit
haben, verschiedene Bereiche auszuprobieren und Neues kennen zu lernen – man befindet sich
ja noch in einem geschützten Rahmen.“
Für Lara ist ebenso der praktische, wie auch der theoretische Bezug in der Ausbildung wichtig.
Es ist dabei aus ihrer Sicht nicht zu vernachlässigen, dass nicht jede Methode für jede Person
geschaffen ist.
„Ich finde, dass in der neuen Lehrer/innen-Ausbildung die Studenten/Studentinnen Informationen
zum offenen Unterricht erhalten müssen. […]
Bei der Umsetzung ist es wichtig, dass die verwendete Methode zu einem passt – die
Schüler/innen merken das sofort, wenn es nicht der Fall ist. […]
Es ist für mich auch wichtig, dass die Studenten/Studentinnen in der Ausbildung die Möglichkeit
haben verschiedene Methoden theoretisch und praktisch kennen zu lernen, um eigene
Erfahrung sammeln zu können.“
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 137/150
Roland schließt sich der notwendigen praktischen Ausbildung im Rahmen der neuen Ausbildung
an und ergänzt, dass diese im alten Studium an der PH zu kurz gekommen ist.
„[…] Es wurden im alten Studium zwar viele theoretische Hintergründe vermittelt, doch die
praktische Ausbildung kam meiner Meinung nach zu kurz. […]
Im neuen Studium sollten sehr viele unterschiedliche Methoden austestet werden. Man sollte
auch jene ausprobieren, die über einen längeren Zeitraum, also über mehrere Stunden gehen.“
Da ich sowohl eine Ausbildung zur NMS-Lehrerin, wie das Studium an der JKU absolviert habe,
kann ich aus eigener Erfahrung sprechen, dass die praktische Ausbildung an der PH, im Vergleich
zu jener an der JKU, viel umfangreicher war.
Vor allem waren die zu absolvierenden praktischen Einheiten nicht geblockt, sondern verteilen
sich über ein gesamtes Semester. Dabei hat man als Studentin die Chance einen Einblick ins
tatsächliche Klassegeschehen zu bekommen.
Karl würde sich ebenfalls eine Veränderung des Schwerpunktes weg von der Theorie hin zur
Praxis wünschen.
„In meiner Ausbildung stand die Theorie im Vordergrund, die Schuldidaktik erlangte ich später
im Selbststudium - im Laufe der Dienstjahre. […]
Durch Hospitationen in laufenden Systemen, also bei erfahrenen Lehrpersonen sollen die
Studenten/Studentinnen eine Möglichkeit haben, neue Einblicke in die tatsächliche Praxis zu
bekommen.
Anschließend sollte eine Evaluierung der Vor- und Nachteile dieser Unterrichtsformen erfolgen,
um den eigenen Unterricht zu bereichern.
Daher finde ich den neuen Ansatz gut, dass die zukünftigen Lehrer/innen nach einer
theoretischen Ausbildung, in die Praxis kommen und anschließen den Master – also die
Aufarbeitung der Erlebnisse und Erfahrungen absolvieren.
Dieser Ansatz wurde zuvor bereits von Sabine beschrieben, welche die Reflexion der praktischen
Anteile in ihrem Studium als Bereicherung empfunden hat.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 138/150
Durch die Auflösung der Integrationsschulen und der Zusammenlegung der Leistungsgruppen
sind die Klassen der NMS in der vorliegenden Leistung noch breiter gestreut.
Aus diesem Grund ist für Martina eine Ausbildung hinsichtlich des Umgangs mit beeinträchtigen
Schüler/innen von großer Bedeutung.
„Für mich soll die neue Ausbildung unbedingt eine integrative Ausbildung beinhalten. Wir haben
in der NMS Schüler/innen aus jeder Leistungsgruppe und aus den Sonderschulen vereint. Ich
weiß auch nicht genau wie man auf autistische Kinder oder Kinder mit Down-Syndrom richtig
reagiert. Hat man keine Ausbildung fühlt man sich sehr schnell überfordert.“
An der PH wurde auf diese Problematik bereits sehr umfangreich geschult. In der Ausbildung an
der JKU liegt der Fokus an der fachlichen Ausbildung, wobei leider die pädagogische und
didaktische Lehre etwas zu kurz kommt.
Für Sabine ist die fachliche Ausbildung besonders wichtig, da durch sie Spontanität und
Sicherheit im Unterricht erzielt wird. Sabine spricht sich für die kollegiale Hospitationen aus, um
neue Erfahrungswerte zu sammeln.
„Für mich bildet eine fundierte fachliche Ausbildung den Grundbaustein der neuen Lehrer/innen-
Ausbildung. Die fachliche Sicherheit impliziert spontane Reaktionen und Handlungen im
Unterrichtsverlauf. […]
Wichtig sind auch die Praxis und die Erforschung der eigenen Praxis. Die
Studenten/Studentinnen sollen erkennen wie Lernformen und eigene Verhaltensweisen auf
Schüler/innen wirken. […]
Die neue Lehrer/innen-Ausbildung soll auch eine Kooperation zwischen Studenten/Studentinnen
und praktizierenden Lehrpersonen beinhalten, um unterschiedliche Erfahrungswerte zu sammeln.
Das Arbeiten in diesem Team bringt Lernfortschritte für beide Seiten. Dabei können auch
Hemmungen, bezüglich einer kollegialen Hospitation abgelegt werden.“
Franz schließt sich den bisher angeführten Meinungen an, dass die neue Ausbildung einen
höheren praktischen Anteil aufweisen soll. Wie für Roland, sollten auch seiner Meinung nach
Methoden mit größeren Umfang „Stationenbetriebe, Wochenpläne und Freiarbeiten“ praktisch
ausgetestet werden.
Die neue Lehrer/innen Ausbildung wird in drei Teilbereiche gegliedert und sollte der
Beschreibung entsprechend, die von den befragten Lehrpersonen als wichtig erachteten Punkte
abdecken.
Der erste Teil soll eine fundierte Allgemeinbildung und die Kernkompetenzen, im Rahmen des
Bachelorstudiums vermitteln.
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Im zweiten Bereich erfolgt die Berufseinführungsphase für alle pädagogischen Berufe. Es erfolgt
die Ausbildung weiterer wichtiger Kompetenzen und die zusätzliche Qualifizierung für den
Lehrberuf. Sie reflektiert, erweitert und vertieft die schulpraktischen Erfahrungen.
Diese Phase dient als Vorbereitung und Qualifizierung des nach Wunsch berufsbegleitenden
Masterabschlusses. Die Ausbildung beinhaltet zusätzliche vorschulische und
sozialpädagogische Lehrveranstaltungen, um für die spätere Berufswelt vorzubereiten.
Der dritte Teil der Ausbildung wartet mit dem Erwerb funktionsbezogener Zusatzqualifikationen
in den Bereichen Schulmanagement, Schulleitung, Fachbereichsleitung, inklusive Pädagogik,
Diversity Management, Management, IKT, Innovation und Qualitätssicherung,
Bildungsverwaltung und Schulentwicklung auf. („Master of Advanced Studies“).
Es werden zusätzliche Fort- und Weiterbildung auf berufsbiographische Stationen und
Entwicklungen in den pädagogischen Berufen abgestimmt (vgl. BMUK und BMW_F, 2010).
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 140/150
8. Zusammenfassung
Diese Arbeit bietet einen kleinen Einblick in die momentanen Gegebenheiten des
Mathematikunterrichts. Dabei wird aufgrund der ausgewählten Lehrpersonen ersichtlich, dass der
Einsatz von offenen Lernformen im Mathematikunterricht geschlechterunabhängig ist.
Wie aus der Befragung hervorging, verwenden junge Lehrpersonen diese Art von Unterricht,
gleichermaßen wie auch ältere Lehrkräfte, die schon länger ihren Beruf verfolgen. Somit ist auch
eine Altersunabhängigkeit feststellbar. Es ist jedoch aus den Interviews ersichtlich, dass sich
bereits länger praktizierenden Lehrpersonen zu jedem Kapitel einen bestimmten Zugang zurecht
gelegt hat, welchen sie verfolgen und dieser nicht so schnell verändert wird.
Die Intensivität des Einsatzes der offenen Lernformen hängt nicht vom Alter, sondern eher von
der schulischen Situation ab. Sind schulinterne Konzepte vorhanden, folgt daraus, dass die
Rahmenbedingungen (örtlich wie zeitlich) der Lernform angepasster vorliegen, als in Schulen, in
denen man als Einzelperson versucht offene Lernumgebungen zu schaffen. Daher ist der Einsatz
dieser Lernformen in Schulen, egal welchen Typs, bei der Anwendung von schulinternen
Konzepten umfangreicher als in anderen.
Den befragten Personen nach wird der offene Unterricht besonders in den Phasen der Übung
oder der Festigung eines bereits erworbenen Stoffes verwendet.
Meiner Meinung nach wird diese Umsetzung ausgewählt, da zu diesem Zeitpunkt eine
Differenzierung und Individualisierung des Stoffes einfach zu bewerkstelligen ist. Durch
unterschiedliche Lernstationen im Stationenbetrieb, differenzierte Arbeitsblätter, Beispiele im
Wochenplan oder unterschiedliche Aufgaben in der Freiarbeitsphase können die Schüler/innen
am aktuellen Lernstand abgeholt und gefördert werden.
Besonders begabte Schüler/innen haben dabei auch den notwendigen Freiraum an individuellen
Projekten zu arbeiten, die nicht unbedingt diesem Stoffgebiet zuordenbar sein müssen.
Den Ergebnissen der Befragung nach, erfolgt die Förderung von sehr guten Schüler/innen meist
in einer offenen Form der Unterrichts. Eine geschlossene Umsetzung kommt dabei selten zu
tragen. Bei Schüler/innen mit Defiziten ist die Art der Förderung von den jeweiligen Defiziten und
von der zusätzlichen Lehrkraft abhängig.
Förderungen von schwachen wie auch von sehr guten Schüler/innen sind meiner Meinung nach
im geschlossenen Unterricht nur schwer realisierbar, da man als Lehrperson ca. 25 Schüler/innen
zur gleichen Zeit fordern und zugleich unterstützen sollte.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 141/150
Für andere Lehrpersonen erfolgt der Einsatz von offene Lernformen eher als Einstieg oder
Abschluss eines Themas.
Ich bin der Meinung, dass der Einstieg in Form einer offenen Konfrontation mit einem neuen
Thema aus der Lebenswelt der Lernenden sehr gut umsetzbar ist. Dabei erhält das Thema bereits
zu Beginn den notwendigen praktischen Bezug und die Mathematik verliert den Ruf der
vermeintlichen Abstraktheit. Der Einsatz der offenen Methoden als Abschluss eines Themas bietet
die Möglichkeit rückblickend Stoffgebiete zusammenzufassen und individuelle Produkte zu
erstellen, was besonders der Kreativität zu Gute kommt.
Wie den Befragungen zu entnehmen ist, wird besonders die Geometrie als geeignetes Thema für
den offenen Unterricht hervorgehoben (Kapitel 7.1.2). Die Begründung liegt in der Anschaulichkeit
des Themas. Meiner Meinung nach können die Beispiele auf einfache Art und Weise mit
Gegenständen aus dem Alltag dargestellt werden. Daher lässt sich das Thema in allen Phasen
des Unterrichts gut offen praktizieren.
Als Nachteil der offenen Lernformen werden laut den befragten Personen, der höhere
Arbeitsaufwand, die zum Teile höhere Lautstärke und das Classroom-Management gesehen.
Ich denke besonders beim Berufseinstieg sollten diese Faktoren nicht außer Acht gelassen
werden, da man in seiner Rolle als Lehrer/innen noch nicht so routiniert ist. Durch die
ausschließliche Umsetzung von offenen Lernformen in jedem Unterrichtsgegenstand kann es
meiner Meinung nach aufgrund der erwähnten Faktoren zu einer Überarbeitung und einem
anschließenden Krankheitsbild führen. Es sollte daher eine gute Mischung aus offenen und
geschlossenen Lernformen gefunden werden, um einerseits die Schüler/innen entsprechend zu
fördern, als auch dem Arbeitspensum angepasst zu agieren. Des Weiteren sollte sich meiner
Meinung nach jede Lehrperson immer vor Augen halten, dass offene Formen im Unterricht, nicht
für jede/n das Premium Optimum darstellt. Durch die Mischung der Unterrichtsstile bietet sich die
Möglichkeit jedem/jeder Schüler/in gerecht zu werden.
Ein weiteres Defizit des offenen Unterrichts wird durch eine vollständige Öffnung gesehen, da es
zu Überforderungen, unkontrollierten Verhalten der Schüler/innen und zu Unübersichtlichkeit
kommen kann. Jene Situationen des offenen Unterrichts wären nicht nur für die Beteiligten
unangenehm, sondern würden zur Erreichung der Ziele des Rahmenlehrplans nur wenig
beisteuern.
Die Funktionsweise des Unterrichts kann von mehreren Faktoren beeinflusst werden. Dazu zählen
den befragten Lehrpersonen nach nicht nur das Alter, welches in hochpubertären Phasen einen
enormen Einfluss auf das Verhalten haben kann, sondern auch der Migrationshintergrund
(schlechte Sprachkenntnisse) und die Tagesverfassung.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 142/150
Meiner Meinung nach ist eine Umsetzung des Unterrichts von Schularbeiten, Konflikten,
Schulveranstaltungen oder durch die Klasse selbst geprägt. Funktioniert eine Methode in einer
Klasse hervorragend mit qualitativ hochwertigen Endprodukten, ist dies keine Garantie für den
Erfolg in einer anderen Schulklasse, da die beeinflussenden Faktoren enorme Auswirkungen
zeigen können.
Bei der Aneignung der unterschiedlichen Kompetenzen, unabhängig davon, ob es sich um
mathematische oder überfachliche handelt, verwenden die befragten Lehrpersonen
unterschiedliche Ansätze zur Erlangung dieser Fähig- und Fertigkeiten. Dabei wird der offene
Unterricht bei allen als notwendiger Zugang erwähnt. Da es, wie in den unterschiedlichen
literarischen Quellen beschrieben ist, keinen Super-Unterricht gibt, stellt eine Mischung der
Ansätze das bestmögliche Resultat für die Lernenden dar.
Zum Thema der Motivation und Merkfähigkeiten ist die Meinung der Befragten gespalten. Aus der
Perspektive der Lehrkräfte sind diese Faktoren nur zum Teile von einer bestimmten Lernform
abhängig. Ausschlaggebend sind ihrer Meinung nach auch die Lehrpersonen selbst, das
allgemeine Interesse, die Aufbereitung, der alltägliche Bezug und vor allem das Ansprechen der
unterschiedlichen Wahrnehmungskanäle.
Wie zu Beginn meiner Arbeit bereits erwähnt, zeigen die Ergebnisse der Hirnforschung, dass
selbstständiges Handeln und eigenständiges Erklären die Merkfähigkeit erhöhen. Durch offene
Lernformen können diese beiden Kriterien in der Planung einfach integriert werden. Die
Lehrperson muss jedoch den entsprechenden Freiraum schaffen und die Materialien passend
dazu erstellen.
Die Motivation wird zum Teil von den gleichen Faktoren beeinflusst. Eine Steigerung der
Arbeitsmotivation, kann nur individuell gefördert werden, pauschale Ansätze sind dazu meines
Wissens nicht auffindbar.
Bei der Frage nach den Zukunftsperspektiven wurde deutlich, dass die Schüler/innen durch offene
Lernarrangements viele unterschiedliche Kompetenzen im Bereich der Sozial- Selbst-
Gesellschafts- und Methodenkompetenzen erwerben. Im Vergleich dazu konnten mir einige, der
befragten Lehrpersonen nur nach langer Überlegung wenige Kompetenzen, welche durch
geschlossene Lernformen erworben werden, nennen. Dabei ging es meist um strukturelle
Kompetenzen, die zwar im späteren Leben notwendig, aber nicht von so enormer Bedeutung, wie
die des zuvor erwähnten offenen Unterrichts sind.
Betrachtet man den Punkt der Ausbildung etwas genauer, ist zu erkennen, dass sich die befragten
Lehrpersonen eine bessere praktische Ausbildung im Rahmen des Studiums wünschen.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 143/150
Den Studenten/Studentinnen wird ein geschützter Raum zur Verfügung gestellt, in welchem sie
unterschiedliche Methoden und Lernansätze ausprobieren können. Dabei gilt es die eigene
Hemmschwelle zu übertreten.
Funktioniert eine Methode im Rahmen der Ausbildung weniger gut, kann dies für einen selbst
einfach in einem Reflexionsgespräch diskutiert werden und hat keine weiteren Konsequenzen. Im
späteren Mathematikunterricht, in welchem mehr Leistungsdruck und Zeitdruck vorherrscht, muss
der Misserfolg durch andere Zugänge ausgeglichen werden.
Da ich den direkten Vergleich zwischen der praktischen Ausbildung an der PH und der JKU habe,
empfinde ich die praktische Ausbildung an der Uni, im Vergleich zur jener der PH, viel zu gering.
In den wenigen praktischen Einheiten verbringt man die erste Zeit damit, die Schüler/innen
kennenzulernen. Hat man einen Überblick über die Klasse und ihren individuellen Eigenschaften,
ist die praktische Phase beinahe vorbei. An der PH erstrecken sich die praktischen Einheiten über
ein ganzes Semester, in welchem mehr Zeit zum Kennenlernen, Einschätzen der Schüler/innen
und Unterrichten bleibt, was sehr von Vorteil ist.
Die Praxis ist in der neuen Lehrer/innen-Ausbildung im Rahmen des Masterstudiums besser
abgedeckt.
Im letzten praktischen Teil des Masterstudiums werden praktische und theoretische Ansätze so
kombiniert, dass Reflexionen erfolgreich durchgeführt werden können.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 144/150
9. Conclusio
Das Hauptziel einer Lehrperson sollte die Bildung von mündigen und sozialen Jugendlichen sein,
welche mit ihren Fähig- und Fertigkeiten die Aufgaben des Lebens meistern. Die Schüler/innen
sollen in der Lage sein kritisch, hinterfragend und offen durch das Leben gehen, um sich
eigenständige Meinungen zu Aussagen oder vorliegende Tatschen zu bilden. Aus diesem Grund
ist die Ausbildung von Fachwissen in allen Bereichen ein wichtiger Bestandteil, welcher in der
Schule erworben werden soll.
Die Lehrkräfte können dazu unterschiedliche Ansätze verwenden, um entweder die Schüler/innen
selbst zu instruieren oder ihnen eine räumliche, wie auch zeitliche Möglichkeit zu bieten, um sich
eigenständiges Wissen und Erfahrungen anzueignen.
„Für das Können gibt es nur einen Beweis: das Tun.“ Marie von Ebner-Eschenbach
Bereits die Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach, greift die Bedeutsamkeit des
eigeneständigen Handelns heraus. Die Wechselbeziehung zwischen dem Wissenserwerb und
dem eigenständigen Tun kann mit Hilfe der Hirnforschung belegt werden. Um das selbstständige
Arbeiten zu ermöglichen, bedarf es jedoch Umstrukturierungen und Öffnungen des Unterrichts.
Wie die Ergebnisse meiner Untersuchung zeigen, lässt sich eine offene Lernform im
Mathematikunterricht zu jedem Thema realisieren, insofern es in der Intention der Lehrkraft liegt.
Der Grad der Öffnung soll vom Lehrenden individuell bestimmt werden, damit eine Überforderung
der Schüler/innen, beziehungsweise eine Ausprägung des Laissez-Fair-Stils vermieden werden
kann. Der offene Unterricht in seinen verschiedenen Facetten spricht natürlich für sich, darf dabei
er in seiner organisatorischen Aufwendung nicht unterschätzt werden.
Ich denke, dass jede Lehrperson den eigenen, zu sich passenden Lehr- und Lernstil finden sollte,
um die Schüler/innen in der schulischen Laufbahn am besten zu begleiten. Dabei darf ein
abwechslungsreicher, interessanter und alltagsbezogener Unterricht nicht fehlen. Meine
Untersuchungen zu diesem Thema haben mir neue Wege und Zugänge des Unterrichtens
aufgezeigt, welche ich gerne ab dem kommenden Jahr einsetzen möchte. In diesem Sinne noch
ein herzliches Dankeschön an meine Kollegen/Kolleginnen, dass sie mir Einsicht in die
unterschiedlichen Unterrichtsstile geboten haben.
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 145/150
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11. Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1:Kompetenzmodell in Mathematik 8. Schulstufe (BIFIE, 2011-2017) ____________ 9
Abbildung 2: Unterteilung der überfachlichen Kompetenzen (Eder & Hofmann, 2012) _______ 14
Abbildung 4:Darstellung der Freiarbeit (Reich, 2008, S. 6) ____________________________ 35
12. Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Aufnahmen von Lerninformationen (vgl. Witzenbacher,1985 zit. n. Gudjons, 2003, S.
108) _______________________________________________________________________ 6
Tabelle 2: Kompetenzen in Mathematik 8. Schulstufe (BIFIE, 2011-2017) ________________ 10
Tabelle 3: Bedingungen für motiviertes Handeln ___________________________________ 122
20. Juni 2017 Stefanie Hennerbichler 150/150
13. Abkürzungsverzeichnis
PISA_______________ Programme for International Student Assessment
PIRLS _____________ Progress in International Reading Literacy Study
PTS _______________ Polytechnische Schule
NMS _______________ Neue Mittelschule
ORG_______________ Oberstufenrealgymnasium
UFK _______________ überfachliche Kompetenzen
UP ________________ Unterrichtsprinzip
BA ________________ Bildungsanliegen
BB ________________ Bildungsbereich
DeSeCo ____________ OECS-Schlüsselkompetenzen
KC ________________ EU Key Competence
LBVO ______________ Leistungsbeurteilungsverordnung
SPF _______________ Sonderpädagogischer Förderbedarf