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26 DRÄGERHEFT 405 | 1 / 2019 LEINEN LOS! Jederzeit könnte U 31 hier vom Kai in Eckern- förde ablegen, und auf Unterwasserfahrt sogar den Atlantik überqueren – weit- gehend unbemerkt LAUTLOSE JÄGER Selbst die empfindlichen Ohren eines Sonars können sie nicht hören: Die seit 1998 in Kiel gebaute U-Boot-Klasse 212 A bewegt sich unerkannt unter Wasser. Dort betreibt sie Aufklärung, verschafft sich ein Lagebild oder setzt Kampfschwimmer im Küstenvorfeld ab. TEXT NILS SCHIFFHAUER FOTOS PATRICK OHLIGSCHLÄGER

LAUTLOSE JÄGER - draeger.com · Ihr Prinzip ist die umgekehrte Elektrolyse: Wer- den ihrer Polymer-Elektrolyt-Membran sowohl Wasserstoff als auch Sauerstoff zugeführt, entstehen

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26 DRÄGERHEFT 405 | 1 / 2019

LEINEN LOS!Jederzeit könnte U 31hier vom Kai in Eckern-förde ablegen, und auf Unterwasserfahrt sogar den Atlantik überqueren – weit-gehend unbemerkt

LAUTLOSE JÄGERSelbst die empfindlichen Ohren eines Sonars können sie nicht

hören: Die seit 1998 in Kiel gebaute U-Boot-Klasse 212 A bewegt sichunerkannt unter Wasser. Dort betreibt sie Aufklärung, verschafft

sich ein Lagebild oder setzt Kampfschwimmer im Küstenvorfeld ab.

TEXT NILS SCHIFFHAUER   FOTOS PATRICK OHLIGSCHLÄGER

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MILITÄRU-BOOTE

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W o nur sind die Deutschen?“ Das fragten sich die Teil-nehmer eines Seemanövers in der Karibik, an der auch U 31 teil-nahm: Stolz der Deutschen Marine und eines der modernsten nichtnuklearen Unterseeboote der Welt. „Dabei waren wir nur 300 Meter von ihnen entfernt“, erinnert sich Fregattenkapitän Timo Cordes in der Offiziersmesse seines vor Eckernförde ver-täuten U-Bootes. „Eine Entfernung, die einer Beinahe-Kollisionentspricht!“ Dieses Fahren wie unter einer Tarnkappe ist nur eine der Eigenschaften, mit denen die U-Boot-Klasse 212 A he raussticht und sich über die Jahre zum Exportschlager entwickelt hat. Wobei Technik und Besatzung zusammenspielen müssen. „So sind wir die Einzigen“, erläutert der Kommandeur, „die auf Seerohrtiefe die gerade mal 17 Meter flache und steile Kadetrinne in der Ost-see nördlich von Rostock sicher passieren können.“

Oberbootsmann Hans-Jürgen Zörner, verantwortlich für die umfangreiche Maschinenanlage an U 31, nickt – und erinnert sich daran, dass es auf See nicht immer nur ruhig, sondern auch mal recht ruppig zugeht. „Im Oktober 2013 fuhren wir anläss-lich einer Übung von Eckernförde nach Plymouth, als uns ein Orkan erwischte.“ Bei Windstärke zwölf stampfte das 56 Meter lange und sieben Meter breite Boot auf Überwasserfahrt gegen acht Meter hohe Wellen an. Die auf Dauer maximal zulässige Schräglage („Krängung“) von 45 Grad wurde dabei sogar leicht überschritten – dann besteht die Gefahr, dass der Diesel aussetzt,

der bei Überwasserfahrten die Batterien lädt. Es riss sogar die Tür zur Kühlkammer heraus, obwohl „die aussieht wie die Tre-sortür einer Bank“, so der damalige Kommandant Lars Gössing. „So etwas hatte ich noch nie erlebt, das war sportlich.“ Eben-so sportlich wie die 18 Tage währende Unterwasser-Rekordfahrt von den Azoren nach Jacksonville, Florida.

SO KLEIN WIE EINE COLA-DOSEDas Leben der knapp 30 Personen zählenden Mannschaft ist hart, jeder von ihnen ein Experte auf seinem Gebiet: vom Sonar bis zum Maschinenbau. Darüber hinaus ist eine ausgepräg-te Kameradschaft notwendig. „Toleranz ist eine der obersten Tugenden“, sagt Fregattenkapitän Timo Cordes. „U-Boot-Fah-ren ist bedingungslose Teamarbeit. Die Besatzung merkt schnell, wer trotz formaler Qualifikation nicht zu ihr passt, und sagt es dann auch!“ Zum U-Boot-Fahren kann man nicht einfach ein-gesetzt werden. Man muss es wollen und akzeptiert sein. „Das ist seit der 8. Klasse mein Traum“, begründet Oberbootsmann Zörner seine Wahl, die ihn oft lange wegführt von seiner Fami-lie, die im Harz auf seinen nächsten Landgang wartet. Auf See ist er praktisch abgeschnitten von jeglicher privaten Kommuni-kation, vor allem dem Internet.

„Als U-Boot-Fahrer ist man dann wie aus der Welt.“ Und wird vereinnahmt von einer Welt, die geprägt ist von jeweils sechs Stun-den langen Wachen. Dass die Besatzung diese Entbehrungen auf sich nimmt, ist die eine Sache. Aber warum unterhält ein Land U-Boote, von denen jedes über 400 Millionen Euro kostet,

KOMMANDEUR Timo Cordes im Maschinenraum von U 31. Er steht einem Geschwader vor, auf das er sich verlassen kann – und umgekehrt

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Entwicklungskosten von 150 Millionen Euro sowie Betriebskos-ten noch nicht einmal mitgerechnet? Und warum hat Deutsch-land keine atomgetriebenen U-Boote? „Das liegt an der Rolle, die modernen U-Booten in unseren vorrangigen Operationsräumen in Nord- und Ostsee zugewiesen ist“, erläutert der Kommandeur. Obwohl mit sechs Torpedorohren bestückt, liegt ihre Hauptauf-gabe darin, unerkannt ein zuverlässiges Bild der Lage auf der Wasseroberfläche zu gewinnen und dieses als Teil der Gesamtla-ge zeitnah zur Verfügung zu stellen. Dabei bildet das Passiv sonar die Augen und Ohren des U-Bootes. Wasser leitet Schall sehr gut, sodass sich alle bei der Schifffahrt unvermeidlichen Geräusche, vor allem der Propeller, über weite Strecken hören lassen. „Tie-fe Frequenzen im Infraschallbereich, also unter 20 Hertz, sind besonders weittragend“, ergänzt Timo Cordes, „sodass wir mit einem modernen Sonar schon hören können, wenn irgendwo draußen auch nur ein Ventil betätigt wird.“ Zusammengefasst ergibt das die „Signatur“ eines Schiffes. Genauer: sein akustisches Bild. Das ist so individuell, dass es nicht nur einzelnen Schiffs-typen, sondern jedem Schiff selbst zugeordnet werden kann.

Kartografieren lässt sich der Überwasserverkehr, indem das U-Boot seinen Standort gezielt verändert und so Peilungen vor-nimmt, die – nach dem Prinzip der Triangulation – Standort, Kurs und Geschwindigkeit ergeben. Das Lagebild wird dann über die an einer Schleppleine aufgelassenen Funkboje Callisto wei-tergereicht, meist über Satellit. Beiderseitiger Funkverkehr unter Wasser ist nicht möglich. Jedoch können selbst tauchende U-Boo-te durch Längstwellen erreicht werden, wie sie beispielsweise die Deutsche Marine über acht (rund 353 Meter hohe) Antennenmas-ten ausstrahlt. Es liegt auf der Hand, dass das Boot selbst nur eine möglichst minimale Signatur haben darf – akustisch, aber auch elektromagnetisch und thermisch. Genau darauf sind die Schiffe der deutschen U-Boot-Klasse 212 A getrimmt, von denen die Deut-sche Marine derzeit sechs Stück unterhält. Man sagt ihnen nach, dass sie gerade mal die Signatur in Größe einer Cola-Dose haben, was sich ihrer Konstruktion verdankt. „Ein nuklear betriebenes

U-Boot hingegen“, erläutert Timo Cordes, „hat nicht nur ganz andere strategische, operative und taktische Aufgaben, sondern hinterlässt mit seinem Reaktor und der notwendigen Dampftur-bine eine unüberhörbare akustische und thermische Signatur.“

ÄHNLICH WIE EIN TARNKAPPENBOMBER Gebaut wird die Klasse 212 A bei thyssenkrupp Marine Systems in Kiel, die – nach der Verschmelzung mit der Howaldtswerke-Deutsche Werft sowie der Blohm + Voss Naval und der Akquisiti-on von Atlas Elektronik – auf eine insgesamt mehr als 180-jähri-ge Geschichte zurückblickt. Auch U 1, das erste deutsche U-Boot, wurde 1906 von einem Vorgänger dieses Unternehmens produ-ziert. In Kiel entstehen heute etwa drei U-Boote in zwei Jahren: „Eineinhalb pro Jahr klingt ja auch irgendwie komisch“, sagt Pro-duktionsleiter Frank Mallon, als er auf der Werft die Modultech-nik zeigt. „Im U-Boot geht es sehr eng zu. Deshalb fertigen wir die Module meist komplett mit allen Kabeln und Verrohrungen, bevor wir sie in den Druckkörper einsetzen.“ Das muss man sich wie bei einem Buddelschiff vorstellen, eines das am Ende allerdings rund 1.500 Tonnen wiegt. Deutsche Spitzentechnik ist begehrt, von der Bestellung bis zur Lieferung dauerte es etwa fünf Jahre. Fast alles in diesen Hallen ist geheim: vom Sonar und den Rohren für die glasfaser-gelenkten Schwergewichtstorpedos (mit ihren 533 Millimetern Durchmesser) am Bug, bis hin zum Propeller am Heck, dessen Anzahl der Blätter und deren Form hauptsäch-lich die akustische Signatur des U-Bootes bilden. Die hier entwi-ckelten und gebauten Propeller vermeiden fast völlig die Kavitati-on, kleine und laut platzende Dampfbläschen. Und auch die Seiten mit ihrem Flank-Array-Sonar, das hohe Empfindlichkeit selbst bei tiefen Frequenzen bis zu 10 Hertz und eine gute Auflösung umge-bender Geräusche bietet: geheim. Auf „daumendick“ einigen wir uns bei der Stärke des Druckkörpers – der Außenhülle aus amag-netischem Stahl, die dadurch elektromagnetisch kaum zu ortenist. Wie viel Druck hält die aus? Ein Lächeln als offizielle Antwort muss reichen, denn sonst ließe sich auf die maximale Tauchtiefe

DAS SONAR BIETET AKUSTISCHE BILDER DES GESAMTEN SCHIFFSVERKEHRS

TRAUM ERFÜLLTSchon seit der 8. Klassewollte Hans-JürgenZörner U-Boot fahren.Heute ist er Ober-bootsmann auf U 31

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FORT MUSS DIE REISE GEH’NAlles ist funktionell an einem U-Boot. Seine Form folgt der Logik von Aquadynamik und Unauff älligkeit – vor allem akustisch

ENG IST ES HIER, VERDAMMT ENGJeder Platz im U-Boot wird genutzt: mehr von der Technik als von den

Menschen, die auf engstem Raum wochenlang zusammenleben. Für Sicherheit sorgen auch die Not-Atemluftsysteme von Dräger in ihren orange -

farbenen Beuteln, mit denen sogar ein Unterwasserausstieg möglich ist

EIN- UND AUSGANGWas Landratten eine Treppe oderLeiter ist, nennen Seeleute einenNiedergang – auch wenn der ebensonach oben wie nach unten führt.Nichts für Menschen mit Platzangst!

EIN PULVER SPEICHERT DEN WASSERSTOFF FÜR DIE BRENNSTOFFZELLEN

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MILITÄRU-BOOTE

schließen, die bei mindestens 250 Metern liegt. Somit lastet ein immenser Druck auf der Außenhaut, deren Glasfaserverkleidung die Impulse eines feindlichen Aktivsonars in alle Richtungen streut. Eine Technik ähnlich wie bei einem Tarnkappenbomber. Herz-stück ist der Antrieb. Der muss stark, ausdauernd und absolut leise sein. Alle schallerzeugenden Maschinen sind in einer schallschlu-ckenden Kammer gekapselt, die innerhalb des Bootes mit Gummi und Federn akustisch isoliert aufgehängt ist. Angenehmer Neben-effekt: Im fertigen U-Boot ist es ebenfalls sehr leise. Den Hauptan-trieb leistet ein Permasyn-Elektromotor mit Permanentmagneten von etwa 1.700 Kilowatt Leistung, der das Boot bei Tauchfahrten auf rund 20 Knoten (etwa 37 km/h) beschleunigt. Seine Energie bezieht er aus einer Akkuanlage, die der Dieselgenerator mit sei-

nen gut 1.000 Kilowatt auflädt. Noch längere Tauchfahrten ermög-lichen die zur Stromerzeugung nicht auf Außenluft angewiesenen Brennstoffzellen. Ihr Prinzip ist die umgekehrte Elektrolyse: Wer-den ihrer Polymer-Elektrolyt-Membran sowohl Wasserstoff als auch Sauerstoff zugeführt, entstehen Strom und Wasser.

DIE BRENNSTOFFZELLEN SIND DER CLOUWährend der Flüssigsauerstoff konventionell in Tanks direkt unter Deck gespeichert wird, befindet sich der Wasserstoff unten im Schiff. „Wir sammeln ihn in Speichern, die mit einem Metall-hydrid gefüllt sind“, sagt Elektroingenieur Jan Schade, der die hierfür zuständige Abteilung bei thyssenkrupp Marine Systems leitet. Das Metallhydrid wird in Scheiben angeliefert, die an einen mäßig gelungenen Schoko-Biskuitboden erinnern. Die Scheiben werden sorgfältig in flachen Dosen von etwa 50 Zen-timeter Durchmesser aus Edelstahl verbaut, die sich wiederum zu meterhohen Stacks zusammensetzen lassen. Durch ihre Mit-te führt ein halbdurchlässiges Sinterrohr, das Wasserstoff zum Betanken und für die Entnahme durchlässt, das spätere Metall-hydrid-Pulver jedoch nicht. Letzteres entsteht durch einen „Erst-zyklisierung“ genannten Prozess, der etwa vier Wochen dauert. Keine Speicherform für Wasserstoff ist effizienter. Effizient ist auch der Wirkungsgrad der damit betriebenen Brennstoffzellen von 90 Prozent – gegenüber maximal gut 50 Prozent bei Schiffs-dieseln. Doch die Entwicklung geht weiter. „Hier steht unser Methanol-Reformer“, zeigt Betriebsleiter Jan Schade auf einen Wandler, der aus flüssigem Alkohol Wasserstoff für die Brenn-stoffzelle erzeugt. „Methanol lässt sich leichter verarbeiten und macht das Tanken so effizienter“, sagt Schade. „Wer den Metha-nol-Reformer heute bestellt, bekommt ihn zeitnah geliefert.“

Werden autonome U-Boote, Sensorbojen und Satellitenbeob-achtung die Mannschaft irgendwann überflüssig machen? „Das glaube ich nicht“, ist sich Fregattenkapitän Timo Cordes sicher, „denn nur mit einem von Menschen gesteuerten U-Boot sind wir flexibel genug – schließlich haben wir noch andere Aufgaben.“

DRÄGER UND U-BOOTE Seit Erfi ndung des U-Boot-Retters im Jahre 1907,

ein Jahr nach Bau des ersten deutschen U-Bootes, ist Dräger für die Sicherheit der Besatzung

mitverantwortlich – aber auch für den Gasschutz auf den Werften. Auf dem Boot schützen an

die Atemluftanlage ansteckbare Not-Atemluftsysteme (Dräger-Vollmaske Panorama Nova mit eingebauter Sprechmembran in Ver bindung mit dem Lungenautomat U; oder -Halbmaske mit Lungenautomat U). Sie liefern selbst in einem gefl uteten U-Boot Atemluft und ermöglichen so auch einen Ausstieg unter Wasser. Auf der U-Boot-Werft von thyssenkrupp Marine Systems in Kiel ist unter anderem die Brennstoff zellen-Fertigung mit einer stationären Dräger-Gaswarnanlage ausgerüstet, die beim Auftreten voreingestellter Grenzwerte bestimmter Gase automatisch die Produktion stoppt und Gasventile schließt. Hinzu kommen tragbare Gasmessgeräte von Dräger.

FRANK MALLON ist Produktionsleiter bei thyssenkrupp Marine Systems in Kiel, wo schon 1906 das erste deutsche U-Boot gebaut wurde

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DREI U-BOOTE werden in Kiel innerhalb von zwei Jahren gebaut. Hier erkennt man schon die spätere Form mit dem markanten Turm

MODULARE FERTIGUNG AUCH BEI DER VERKABELUNGEin U-Boot wird aus fertig bestückten, verrohrten und verkabelten Modulen zusammengeschweißt. Nur so lässt sich die hohe Packungsdichte erreichen

NUR DIE FORM DES DRUCKKÖRPERSlässt erahnen, dass auch dieses Modul später Teil

eines U-Bootes werden wird. Von der Bestellung bis zur Auslieferung einschließlich

Testfahrten dauert es rund fünf Jahre