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Stellen Sie sich einmal folgendes Szenario vor: Ein Landschaftsgärtner entwickelt einen wun- derschönen Park mitten in einer Großstadt. Die- ser Park soll dem geplagten Städter einen Rück- zugsraum geben, um sich vom Großstadtstress zu erholen. Gleichzeitig bietet der Park aber auch den kürzesten Fußweg, um vom Bahnhof zum nahegelegenen Einkaufszentrum zu kommen. Um dem Fußgänger einen komfortablen Weg vom Bahnhof zum Einkaufszentrum zu ermöglichen, wurde sogar an einen Gehweg gedacht. Man hat sich bewusst für diese Wegführung entschieden, da so mehr Rasenäche für die Besucher des Parks zur Verfügung steht, z. B. zum Fußballspielen. Nach einem Jahr kommt der Planungsausschuss der Stadt zusammen, um die Nutzung des Stadt- parks einmal genauer zu untersuchen. Man ndet folgende Situation vor: Logisch, oder? Diagonal durch den schönen Park direkt über die Rasenäche führt nun ein »Trampelpfad«, welcher von Tausenden Fußgän- gern hinterlassen wurde, welche auf dem kür- zesten Weg vom Bahnhof zum Einkaufszentrum – oder umgekehrt – kommen wollten. Es wurden sogar verschmutzte Schuhe in Kauf genommen. Prozesse nicht eins zu eins umsetzen 74 Perspektive Prozesse

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Stellen Sie sich einmal folgendes Szenario vor:Ein Landschaftsgärtner entwickelt einen wun-derschönen Park mitten in einer Großstadt. Die-ser Park soll dem geplagten Städter einen Rück-zugsraum geben, um sich vom Großstadtstress zu erholen. Gleichzeitig bietet der Park aber auch den kürzesten Fußweg, um vom Bahnhof zum nahegelegenen Einkaufszentrum zu kommen.

Um dem Fußgänger einen komfortablen Weg vom Bahnhof zum Einkaufszentrum zu ermöglichen, wurde sogar an einen Gehweg gedacht. Man hat sich bewusst für diese Wegführung entschieden, da so mehr Rasenfl äche für die Besucher des Parks zur Verfügung steht, z. B. zum Fußballspielen.

Nach einem Jahr kommt der Planungsausschuss der Stadt zusammen, um die Nutzung des Stadt-parks einmal genauer zu untersuchen. Man fi ndet folgende Situation vor:

Logisch, oder? Diagonal durch den schönen Park direkt über die Rasenfl äche führt nun ein »Trampelpfad«, welcher von Tausenden Fußgän-gern hinterlassen wurde, welche auf dem kür-zesten Weg vom Bahnhof zum Einkaufszentrum – oder umgekehrt – kommen wollten. Es wurden sogar verschmutzte Schuhe in Kauf genommen.

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Vorreiter können hier Unternehmen aus dem Be-reich der Telekommunikation, Banken oder Versiche-rungen genannt werden. Dies gilt insbesondere im Bereich des Neugeschäfts, welches häufi g durch strenge Gesetze und Informationspfl ichten gekenn-zeichnet ist. Die elektronische Aufnahme der Antragsdaten am Point of Sale fi ndet bei vielen Unternehmen nicht statt. Stattdessen werden Kredite mit einem herkömmlichen Antrag auf Papier geschlossen und dann in einer zentralen Scan-Stelle eingelesen. Erst dann werden die Kreditdaten in elektronischer Form an den Sachbearbeiter in der Kreditabteilung zur Bewilligung des Kredits weitergeleitet. Einfache Fehler, wie schlecht maschinell auswertbare For-mularvordrucke, erschweren den Prozess der Auto-matisierung weiter und verursachen hohe Fehler-raten. Hingegen würde eine elektronische Vertrags-schließung, z. B. durch elektronische Formulare im Web-Portal, zu den gewünschten Optimierungspo-tenzialen in der Antragserfassung und zu Aufwands- und Kostenersparnissen im Antragsprozess führen. Zum Beispiel entstehen durch sofortige systemische Prüfung der Antragsdaten auf Plausibilität, Rich-tigkeit und Vollständigkeit weniger Fehler beim Aus-füllen der Anträge und damit einhergehend auch weniger zeitaufwendige Rückfragen an den Antrag-steller. Aufbauend auf den elektronischen Antrag kann die Risikoprüfung durch den unterstützenden Einsatz eines Risikoprüfungs-Tools noch effi zienter gestaltet werden. Die Automation von Geschäftsprozessen steht bei immer mehr Unternehmen oben auf der Agenda, denn derzeit weisen selbst recht trivial wirkende Prozesse, wie beispielsweise die Änderung der Bank-verbindung des Kunden, in der Praxis oft einen ge-ringen Automatisierungsgrad auf. Durch den inzwi-schen verstärkten Fokus darauf, betreten viele Unternehmen Neuland bzw. suchen Hilfe, nachdem erste Gehversuche nicht erfolgreich waren. Infolge der geringen Erfahrungen mit diesem Thema wer-den unserer Erfahrung nach konzeptionell die häufi gsten Fehler gemacht. Damit Ihnen keine Feh-ler im Projekt unterlaufen, lesen Sie »10 praktische Tipps zur Optimierung des Geschäftsprozessma-nagements« Perspektive Prozesse S. 78. Dort fi nden Sie wichtige Ansatzpunkte für Ihr Projekt und können die ganzheitliche Betrachtung durch den Info Cube praxisnah nutzen.

Leider kommt dieser »Trampelpfad« allzu oft auch in Unternehmen vor, wenn beim Thema Geschäfts-prozessmanagement nicht praktisch gedacht wird. Unternehmensberater und Management überle-gen sich, wie der Prozess mustergültig sein muss bzw. wie er eventuell auch in anderen Unternehmen gelebt wird, vergessen dabei aber ihre Mitarbeiter bzw. die Fußgänger des Unternehmens. Dieser Feh-ler passiert aber nicht nur bei neuen, sondern auch bei der Optimierung von bestehenden Prozessen. Hier wird viel zu häufi g der Methodik verfallen: »Das haben wir schon immer so gemacht« und man ver-baut sich wichtige Vorteile – man fi ndet eventuell nicht den »Trampelpfad« und baut sogar noch ei-nen Umweg ein. Um keine Eins-zu-eins-Umsetzung der »alten« Abläufe zu erhalten, sollte man sich von den bisherigen Abläufen lösen. Alle Geschäftspro-zesse müssen infrage gestellt und auf die Möglich-keiten der Optimierung hin überprüft werden. Mit den Mitarbeitern!

In einem Atemzug mit Geschäftsprozessmanage-ment wird häufi g auch der Begriff »Prozessautoma-tisierung« verwendet. Unter Prozessautomatisie-rung, die in der Praxis häufi g auch mit dem schönen Begriff »Dunkelverarbeitung« beschrieben wird, ist im allgemeinen Sprachgebrauch die automatisierte Vorgangsbearbeitung gemeint. Im Idealfall soll ein Vorgang bzw. ein Geschäftsprozess vollständig au-tomatisiert – dunkel – ablaufen, d. h. ohne das manu-elle Eingreifen von Benutzern bzw. Mitarbeitern im Unternehmen. Die Vorteile der Prozessautomatisie-rung liegen in der Verkürzung der Verarbeitungszeit, geringeren Prozesskosten und der Steigerung der Bearbeitungsqualität, insbesondere bei standar-disierten Vorgängen. Eine schnelle, transparente und einheitliche Bearbeitung ist auch im Interesse des Kunden. Viele Unternehmen verfolgen mit der Automatisierung daher unter anderem auch das Ziel, die Kundenzufriedenheit zu steigern. Prozessautomatisierung im Bereich der Vertriebs- und Kommunikationsprozesse durch elektronische Prozesssteuerung (Workfl ows) ist aus dem Alltag vieler Unternehmen nicht mehr wegzudenken. Als

Prozessautomatisierung brauchtübergreifende Konzepte

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