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4 Ausgabe 2/2011 Ob der Fernsehkanal «arte», die ZDF-Nachrichtensendung «heute» oder die «BBC News» – alle präsentieren sich auf Facebook. Seit November letzten Jahres verfügt auch Schweizer Radio und Fernsehen SRF über eine Social-Media-Strategie und betreibt eine eigene Seite. Warum? Und was hat das Publikum davon? «Mögen Sie SRF?» Seit Anfang Jahr ist Schweizer Radio und Fernsehen auf Facebook und fragt: Rund 30 SRF-Sendungen und -Programmketten sind heute mit einer eigenen Seite auf Face- book aktiv und laden zum Austausch ein. Ins- gesamt 65 000 Personen haben sich als «Fans» eingeschrieben. «Radio ist wie ein Haus, das man als Hörer von aussen anschauen kann», sagt Ramon Bill, Online-Verantwortlicher DRS 3, «bei Social Media wie Facebook hingegen ist man im Haus drin – zumindest im Foyer.» Wer als Facebook-Nutzer, als «User», einen Kommentar zum Beispiel auf der Face- book-Seite von DRS 3 platziert, verlässt sei- ne Rolle als passiver Hörer und tritt mit den Radiomachern in Kontakt. Und die Hörer kennen keine Schwellenangst: «38032 people like this» stand auf der Fa- cebook-Seite von DRS 3 bei Redaktions- schluss – sprich: Bald 40000 Facebook- User haben per Mausklick bekundet, dass sie den Sender mögen und benachrichtigt werden wollen, wenn von der Redaktion ein neuer Beitrag gepostet wurde. Es begann mit «jeder Rappen zählt» DRS 3 machte in der Vorweihnachtszeit 2009 mit der Aktion «Jeder Rappen zählt» erste Erfahrungen mit Facebook. Daraus entwickelte sich eine regelmässig betreute Seite mit stetig wachsender Anhänger- schaft, die in den täglichen Radioablauf eingebunden wurde. Social Media seien wie ein dritter Vektor neben dem Radio und der Internetseite, sagt Ramon Bill. Er verneint denn auch, dass diese sich we- sentlich vom ursprünglichen Medium Ra- dio unterscheiden würden: «Sie passieren im gleichen Tempo.» Sprich: Wie im klassi- schen Radio können Moderatoren direkt auf Inputs aus dem Publikum reagieren. Bilder: Screenshots SRF

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4 Ausgabe 2/2011

Ob der Fernsehkanal «arte», die ZDF-Nachrichtensendung «heute» oder die «BBC News» – alle präsentieren sich auf Facebook. Seit November letzten Jahres verfügt auch Schweizer Radio und Fernsehen SRF über eine Social-Media-Strategie und betreibt eine eigene Seite. Warum? Und was hat das Publikum davon?

«Mögen Sie SRF?»

Seit anfang Jahr ist Schweizer radio und Fernsehen auf Facebook und fragt:

Rund 30 SRF-Sendungen und -Programmketten sind heute mit einer eigenen Seite auf Face-book aktiv und laden zum Austausch ein. Ins-gesamt 65 000 Personen haben sich als «Fans» eingeschrieben.

«Radio ist wie ein Haus, das man als Hörer von aussen anschauen kann», sagt Ramon Bill, Online-Verantwortlicher DRS 3, «bei Social Media wie Facebook hingegen ist man im Haus drin – zumindest im Foyer.» Wer als Facebook-Nutzer, als «User», einen Kommentar zum Beispiel auf der Face-book-Seite von DRS 3 platziert, verlässt sei-ne Rolle als passiver Hörer und tritt mit den Radiomachern in Kontakt. Und die Hörer kennen keine Schwellenangst: «38 032 people like this» stand auf der Fa-

cebook-Seite von DRS 3 bei Redaktions-schluss – sprich: Bald 40 000 Facebook-User haben per Mausklick bekundet, dass sie den Sender mögen und benachrichtigt werden wollen, wenn von der Redaktion ein neuer Beitrag gepostet wurde.

Es begann mit «jeder Rappen zählt»

DRS 3 machte in der Vorweihnachtszeit 2009 mit der Aktion «Jeder Rappen zählt» erste Erfahrungen mit Facebook. Daraus

entwickelte sich eine regelmässig betreute Seite mit stetig wachsender Anhänger-schaft, die in den täglichen Radioablauf eingebunden wurde. Social Media seien wie ein dritter Vektor neben dem Radio und der Internetseite, sagt Ramon Bill. Er verneint denn auch, dass diese sich we-sentlich vom ursprünglichen Medium Ra-dio unterscheiden würden: «Sie passieren im gleichen Tempo.» Sprich: Wie im klassi-schen Radio können Moderatoren direkt auf Inputs aus dem Publikum reagieren.

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5Ausgabe 2/2011

In der Praxis sieht das zum Beispiel so aus: Moderatorin Mona Vetsch postet eine Frage auf Facebook. Am Valentinstag fragte sie die User: «Kennenlernen im Internet – was denkst du: Verzweiflungstat oder Garant fürs perfekte Liebesglück?» 153 Kommentare gingen ein, daraus wurde eine Radiosen-dung gemacht und eine Zusammenfassung für die Internetseite erstellt. Mona Vetsch meldete sich selbst auch noch einmal auf Facebook, um sich für die Kommentare zu bedanken und auf die Sendung und die In-ternetseite hinzuweisen.

Kaum Einfluss auf Fernsehproduktionen

Etwas anders läuft es beim Fernsehen: «Leider geschieht es im Moment noch sel-ten, dass Inputs von den verschiedenen Social-Media-Auftritten in Sendungen ein-fliessen», sagt Lucas Bally, Projektleiter im Multimediazentrum von SRF und verant-wortlich für die Koordination der Face-book-Auftritte von SF-Sendungen. In die-sem Bereich gebe es ein riesiges Potenzial auszuschöpfen. Wichtig hierbei sei insbe-sondere, dass ein Bewusstsein für die neu-en Möglichkeiten auch in den Redaktio-nen geschaffen werde – und Prozesse dahingehend überdacht und angepasst

Mario Torriani, Moderator und Moderationsleiter bei DRS 3:

«Facebook erlaubt uns, bei ausgewähl-ten Themen gezielt mit dem Publikum in Kontakt zu treten und so zusätzliche Hörernähe zu generieren. Für uns Mo-deratoren ermöglicht es zwei Wege: Wir posten etwas, können dann in der Sendung verwenden, was zurück-kommt, und ich reagiere auf Facebook auch wieder mit einem oder zwei eige-nen Posts unter meinem Namen. Face-book ist aber auch so etwas wie eine Blackbox, hat etwas Unkontrolliertes.

Viktor Giacobbo ist mit der SF 1- Satire-Sendung «Giacobbo/Müller» auf Facebook und betreibt einen privaten Twitter-Account:

«Facebook ist für uns letztlich ein In-strument, mit dem wir Fan-Betreuung betreiben. Wir können auf der Seite

Wir betreuen Facebook daher nach unseren journalistischen Standards – sonst wird die Seite schnell zur Müll-halde. Und es ist genauso, wie wenn wir uns im Radio an die Hörer wen-den: je intelligenter unser Post, desto schlauer die Reaktionen.»

Ankündigungen machen, Bilder veröf-fentlichen, Tickets verlosen und in ei-nen lockeren Dialog mit unseren Fans treten. Man sollte die Bedeutung in dieser Hinsicht aber nicht überschät-zen, der Einfluss auf die Sendung ist gering. Interessanter finde ich Twitter: Hier muss man etwas zu sagen haben, damit man wahrgenommen wird. Man muss auf relativ kleinem Raum auf den Punkt kommen. Auf Twitter finden schon eher Debatten statt als auf Face-book. Und ich kann sehr schnell re-agieren – zum Beispiel, wenn jemand etwas über Aktualitäten, die Sendung oder mich geschrieben hat.»

würden. Er verweist aber auch auf den un-gleich grösseren Produktionsaufwand beim Fernsehen. Als weiterer Hemmfaktor kommt dazu, dass die meisten TV-Sendun-gen vorproduziert werden, also ein direk-tes Eingehen auf Facebook-Kommentare gar nicht möglich ist.

Eine andere Frage ist, wie sehr sich die User-Beiträge auf Facebook überhaupt eignen, die Sendungen mit zusätzlichen Inhalten zu bereichern. Eine der SF-Sen-dungen, die schon länger einen Facebook-

Auftritt haben, ist «Giacobbo/Müller» (sie-he auch Kasten unten). Ein kurzer Blick auf die Seite offenbart, dass die meisten Posts spontane Meinungsäusserungen sind, mit denen sich wenig anfangen lässt: Jemand kommentiert veröffentlichte Bil-der mit «Schöne Fotos:)» oder zu einem Video eines misslungenen Sketch-Drehs gibt es Kommentare wie: «aaaaaaaahaha-hahahaha :D» und «wie emmer, ä knaller ehr zwe oder meh..:-D».

«Niemand kann es aufhalten»

Auch wenn Qualität und Verwertbarkeit der Beiträge unterschiedlich sind, die Be-liebtheit von sozialen Netzwerken wie Fa-cebook und Twitter nimmt stetig zu. Und für grosse Medienhäuser ist es heute schlicht eine Notwendigkeit, in den Social Media präsent zu sein. «Wenn man sich im Unternehmen umhört, ist allen klar, dass wir hier vorwärts machen müssen», sagt Bally. Noch deutlichere Worte zum Thema fand Peter Horrocks, Leiter von BBC World Services. Bei seiner Antrittsrede im Febru-ar 2010 sagte er, dass es heute für Journa-listen eine Notwendigkeit sei, mit Social Media umgehen zu können: «Wer es nicht mag oder wer denkt, dass diese Verände-rung oder diese neue Arbeitsweise für ihn zu gross sei, der soll gehen und etwas an-deres tun – weil es einfach passieren wird. Niemand kann es aufhalten.»

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6 Ausgabe 2/2011

Glossar Facebook

User: Englisch für «Benutzer» oder «Teilnehmer»

Posten: Englisch für «anschlagen»; eine Mitteilung, ein Video, Foto, usw. auf einer Facebook-Seite anbringen

Like-Button (Bild): Englisch für «Mögen» und «Knopf»; Per Mausklick kann man kundtun, dass man einen Eintrag oder eine ganze Facebook-Seite mag (man wird so «Fan») und über neue Einträge informiert werden möchte.

Bei SF waren es einzelne Redaktionen wie auch diejenigen von «Aeschbacher» oder «glanz & gloria», die in den letzten ein bis zwei Jahren auf eigene Faust auf Facebook aktiv wurden. Um die Social-Media-Aktivitä-ten zu koordinieren, erarbeitete eine Pro-jektgruppe im Verlauf des letzten Jahres ein Strategiepapier für die ganze Unterneh-mung SRF. Damit wird in erster Linie eine Vereinheitlichung des Auftritts angestrebt, wie Bernard Strapp, Mitverfasser des Pa-piers, sagt. So wurden verbindliche Leitli-nien für den Aufbau und die Bewirtschaf-tung der verschiedenen Auftritte definiert. Auch biete das Multimediazentrum Hilfe und Beratung an, sagt Bally, doch man sei weiterhin stark auf die Eigeninitiative der Redaktionen angewiesen.

Nicht nur etwas für Junge

Bally widerspricht der Mutmassung, dass Social Media nur etwas für die ganz Jun-gen seien – und SRF mit der Förderung dieses Bereichs am grössten Teil seines

Publikums vorbeiziele: «Dass das heute nicht mehr stimmt, zeigen verschiedene Untersuchungen eindeutig.» Tatsächlich verzeichnen Internet und Social Media in den letzten Jahren ein starkes Wachstum bei den über 50-Jährigen. Und die grösste Gruppe der rund 12 000 «Fans» der Face-book-Seite der Sendung «Aeschbacher» beispielsweise, sind die 35- bis 44-Jährigen, gefolgt von den 45- bis 54-Jährigen.

Neben der Begeisterung für die neuen Medien sieht man bei SRF aber auch de-ren Grenzen. So fanden sich zwei Monate nach der Lancierung erst gerade 368 Per-sonen, die sich per «Like-Button» dazu be-kannten, SRF, resp. dessen Facebook-Seite, zu mögen. Elias Loretan, bei der Unterneh-menskommunikation für den Betrieb der Seite verantwortlich, betont, dass es erst einmal darum gehe, Präsenz zu markieren und Erfahrungen zu sammeln: «Es ist klar, dass wir niemals so viele ‹Likes› wie ein-zelne TV-Sendungen oder Radioprogram-me haben werden – das ist aber auch nicht das Ziel.» Eine wichtige Funktion der Seite sieht Bernard Strapp darin, dem Publikum vermitteln zu können, Teil des Ganzen zu sein – sie also ins Haus zu bitten, um in Ramon Bills Worten zu sprechen.

Dennoch wird auch mit der neuen Social-Media-Strategie vieles beim Alten bleiben. Die neuen Medien sollen in erster Linie dazu dienen, das Kerngeschäft zu unterstüt-zen, sie sollen die Leute für Radio und Fern-sehen begeistern. Bernard Strapp bringt es mit den folgenden Worten auf den Punkt: «Letztendlich wollen wir, dass die Leute un-sere Sendungen konsumieren.»

Florian Blumer

SrF

Links

Facebook-Seite SRF: www.facebook.com/srf.ch

Facebook-Seite «Giacobbo/Müller»: www.facebook.com/giacobbomueller

Facebook-Seite DRS 3: www.facebook.com/DRS3

Twitter-Seite Viktor Giacobbo: http://twitter.com/viktorgiacobbo

Social Media sind Internet- oder Handy-basierte Medien, die der Kommunikation oder dem Austausch von Informationen dienen. Facebook und Twitter sind die beiden Dienste, die bei SRF in Sachen di-gitaler Interaktion mit dem Publikum im Zentrum stehen – eine kurze Einführung.

Facebook ist eine Website und eine Handy- Applikation, die als soziale Platt-form dient. Mitmachen ist gratis: Man legt sich ein Profil an, gibt Informatio-nen über sich ein und lädt wahlweise Fotos hoch. Diese können von anderen Personen, die man per Knopfdruck als «Freunde» akzeptiert, eingesehen wer-den. Freunde können dann auch auf der Seite «posten». Mittlerweile kann man gewisse Seiten, wie diejenigen von SRF, auch einsehen, ohne dass man selbst über ein Facebook-Profil verfügt.

In der Schweiz ist heute fast jeder Dritte bei Facebook angemeldet. Immer mehr Aktivitäten wie Computerspiele oder Online-Shopping laufen über die Sozial-plattform. Bei SRF gibt es bis heute um die 30 TV-Sendungen und Programm-ketten, die mittels einer eigenen Face-book-Seite mit insgesamt rund 65 000 bekennenden «Fans» kommunizieren.

Twitter ist ein Kurznachrichtendienst, mit dem ein «Twitterer» seinen «Followern» (Anhängern) «Tweets» (Beiträge) zu-kommen lässt: Jemand schreibt an ei-nem Computer oder von seinem Handy aus Kurzmeldungen, und die Personen, die sich als «Follower» angemeldet ha-ben, bekommen die Nachrichten auf ih-rem Computer oder Handy zu sehen.

Twitter ist vor allem im englischsprachi-gen Raum beliebt, in der Schweiz hat der Dienst erst rund 47 000 Mitglieder (Stand Februar 2011). Die Anzahl Nutzer hat sich aber seit Februar 2010 verdreifacht. SRF betreibt heute fünf Twitter-Accounts. Allerdings werden erst die Tweets der Sendung «glanz & gloria» eigens dafür verfasst.

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