3
FINANZIERUNGSSTRATEGIEN FÜR WOHNUNGSGENOSSENSCHAFTEN von Professor Dr. Eduard Mändle Rektor a.D. der Fachhochschule Nürtingen Honorarprofessor für Genossenschaftswesen der Universität Hohenheim Aufsichtsratsvorsitzender der Siedlungsbau Neckar-Fils eG, Nürtingen Wenn man die Wohnungsgenossenschaft als Auslauf- oder Zukunftsmodell beurteilen muss man die typischen Unterschiede gegenüber anderen Unternehmensformen berücksichtigen. Diese sind: Mitgliederförderung durch Selbsthilfe, Gewinn als M Zwecke der Mitgliederförderung, demokratische Entscheidungsstruktur, reduzierte der Mitglieder und die am genossenschaftlichen Personalitätsprinzip und der Mitgliederförderung ausgerichtete Finanzierung. Diese typischen genossenschaftli Unternehmenselemente bedingen zwar eine schwierige Unternehmensführung, bedeuten jedoch keine strukturellen Nachteile. DieNotwendigkeit, sich mit neuen Finanzierungsstrategienin Wohnungsgenossenschaften zu befassen, resultiert aus einem grundlegenden Wandel Rahmenbedingungen im vergangenen Jahrzehnt: Aufhebung der Wohnungsgemeinnützigkeit, Integration der Wohnungsgenossenschaften in den neuen Bundesländern in die Marktwirtschaft, Rückzug bzw. Reduzierung staatlicher Aktiv Subventionierungen in der Wohnungswirtschaft, neue Unternehmens-, Absatz- und Beschaffungsstrukturen. Der Finanzierungsbegriff hat sich ständig verändert. Es gab eine zunehmende Begriffsextension: Finanzierung als Kapitalbeschaffung; Finanzierung als Kapital und Disposition; moderne Auffassung: Finanzierung = Gestaltung der betrieblichen Zahlungsströme. DieFinanzierungsquellen der Wohnungsgenossenschaften sind: Außenfinanzierung (Fremdfinanzierung, Beteiligungsfinanzierung); Innenfinanzierung (Selbstfinanzie Finanzierung aus Abschreibungs- und Rückstellungsgegenwerten bzw. Vermögensumschichtung); hybride Finanzierung; Genussrechtskapital. Diewohnungsgenossenschaftliche Beteiligungsfinanzierung erfolgt durch die Zeichnung von Geschäftsanteilen bzw. darauf eingezahlten Geschäftsguthaben. Die Hauptprobleme sind: Genossenschaftsmitglieder gehören in der Regel nicht zu den kapitalstarken Personenkreisen, deswegen niedrige Geschäftsanteile; quantitative Begrenzung der Mitgliederzahl bedeutet Begrenzung des Beteiligungskapitals; Eine Eine-Stimme-Prinzip führt dazu, dass keine Anreize zur Übernahme weiterer Geschäftsanteile vorhanden sind; mangelnde Stabilität des genossenschaftlichen Beteiligungskapitals durch Mitgliederwechsel; Nichtteilhabe am inneren Wert der Genossenschaft bei Ausscheiden; relativ lange Nachhaftung; geringe Liquidisierba Geschäftsguthaben. Die wohnungsgenossenschaftliche Selbstfinanzierung ist die Rückbehaltung von Gewinnen bzw. finanzieller Substanz im Unternehmen. Arten: Offene Selbstfinanzierung, freiwillige,

Maendle

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Uploaded from Google Docs

Citation preview

FINANZIERUNGSSTRATEGIEN FR WOHNUNGSGENOSSENSCHAFTEN

von Professor Dr. Eduard Mndle

Rektor a.D. der Fachhochschule Nrtingen Honorarprofessor fr Genossenschaftswesen der Universitt HohenheimAufsichtsratsvorsitzender der Siedlungsbau Neckar-Fils eG, Nrtingen Wenn man die Wohnungsgenossenschaft als Auslauf- oder Zukunftsmodell beurteilen will, muss man die typischen Unterschiede gegenber anderen Unternehmensformen bercksichtigen. Diese sind: Mitgliederfrderung durch Selbsthilfe, Gewinn als Mittel zum Zwecke der Mitgliederfrderung, demokratische Entscheidungsstruktur, reduzierte Haftung der Mitglieder und die am genossenschaftlichen Personalittsprinzip und der Mitgliederfrderung ausgerichtete Finanzierung. Diese typischen genossenschaftlichen Unternehmenselemente bedingen zwar eine schwierige Unternehmensfhrung, bedeuten jedoch keine strukturellen Nachteile. Die Notwendigkeit, sich mit neuen Finanzierungsstrategien in Wohnungsgenossenschaften zu befassen, resultiert aus einem grundlegenden Wandel der Rahmenbedingungen im vergangenen Jahrzehnt: Aufhebung der Wohnungsgemeinntzigkeit, Integration der Wohnungsgenossenschaften in den neuen Bundeslndern in die Marktwirtschaft, Rckzug bzw. Reduzierung staatlicher Aktivitten und Subventionierungen in der Wohnungswirtschaft, neue Unternehmens-, Absatz- und Beschaffungsstrukturen. Der Finanzierungsbegriff hat sich stndig verndert. Es gab eine zunehmende Begriffsextension: Finanzierung als Kapitalbeschaffung; Finanzierung als Kapitalaufbringung und Disposition; moderne Auffassung: Finanzierung = Gestaltung der betrieblichen Zahlungsstrme. Die Finanzierungsquellen der Wohnungsgenossenschaften sind: Auenfinanzierung (Fremdfinanzierung, Beteiligungsfinanzierung); Innenfinanzierung (Selbstfinanzierung, Finanzierung aus Abschreibungs- und Rckstellungsgegenwerten bzw. Vermgensumschichtung); hybride Finanzierung; Genussrechtskapital. Die wohnungsgenossenschaftliche Beteiligungsfinanzierung erfolgt durch die Zeichnung von Geschftsanteilen bzw. darauf eingezahlten Geschftsguthaben. Die Hauptprobleme sind: Genossenschaftsmitglieder gehren in der Regel nicht zu den kapitalstarken Personenkreisen, deswegen niedrige Geschftsanteile; quantitative Begrenzung der Mitgliederzahl bedeutet Begrenzung des Beteiligungskapitals; Eine-PersonEine-Stimme-Prinzip fhrt dazu, dass keine Anreize zur bernahme weiterer Geschftsanteile vorhanden sind; mangelnde Stabilitt des genossenschaftlichen Beteiligungskapitals durch Mitgliederwechsel; Nichtteilhabe am inneren Wert der Genossenschaft bei Ausscheiden; relativ lange Nachhaftung; geringe Liquidisierbarkeit der Geschftsguthaben. Die wohnungsgenossenschaftliche Selbstfinanzierung ist die Rckbehaltung von Gewinnen bzw. finanzieller Substanz im Unternehmen. Arten: Offene Selbstfinanzierung, freiwillige,

zweckgebundene oder freie Rcklagen, viele Reserven. Vorteile: Bildung von Dauerkapital ohne Rckzahlungsverpflichtung, kostengnstige Beschaffung von Eigenkapital, Erhhung der Handlungsfhigkeit des Managements. Nachteile: Fehlkalkulationen und Fehlinvestitionen bei hoher Eigenkapitalausstattung; Verselbstndigung des Genossenschaftsmanagements, Selbstfinanzierung ist nur ber Gewinne bzw. Wertsteigerungen denkbar. Die Fremdfinanzierung in Wohnungsgenossenschaften unterscheidet sich nicht grundlegend von der Fremdfinanzierung in anderen Unternehmensformen. Ausnahme: Wohnungsgenossenschaften mit Spareinrichtung und Mitgliederdarlehen. Sonstige Finanzierungsarten in Wohnungsgenossenschaften sind die Abschreibefinanzierung und die Finanzierung durch Kapitalumschichtung. Bei der Aktivierung traditioneller Finanzierungsinstrumente in Wohnungsgenossenschaften kann wie folgt vorgegangen werden: Neuausrichtung der Genossenschaftsfinanzierung ber die Geschftsanteile; verstrkte Gewinnausrichtung zur Bildung von Rcklagen; Neuausrichtung der Fremdfinanzierung durch Schaffung neuer Kapitalversorgungseinrichtungen; gezielter Einsatz der Kapitalumschichtung und der Abschreibung als Finanzierungsinstrumente. Auch die Vernderung der Rechtsform kann als Finanzierungsstrategie eingesetzt werden. Dabei ist insbesondere die Umwandlung einer eingetragenen Genossenschaft in eine Kapitalgesellschaft (AG/GmbH) mglich. Es kann durch entsprechende Festlegungen in der Satzung der Genossenschaftscharakter beibehalten bleiben. Auch die Beschaffung von Genussrechtskapital kann als Finanzierungsmglichkeit von Wohnungsgenossenschaften eingestuft werden. Dabei handelt es sich um Kapital, das nicht eindeutig dem Eigen- oder Fremdkapital zugeordnet werden kann. Besonderheiten: Nichtmitglieder knnen als Kapitalgeber herangezogen werden, diese haben dann keine Mitentscheidungsmglichkeit; Zielkonflikt zwischen Mitgliederfrderung und gnstiger Verzinsung des Genussrechtskapitals. Ein Immobilien-Leasing durch Wohnungsgenossenschaften knnte in der Form auftreten, dass diese als Leasing-Nehmer ttig werden, um etwa einen rasch entstehenden Wohnbedarf im geschftlichen Einzugsgebiet der Wohnungsgenossenschaft abzudecken. Leasing-Geber knnten sein: Banken, Versicherungsgesellschaften, Kommunen, Bauunternehmen, Architekturbros u.a.. Die Nutzer der Wohnungen mssten die Mitgliedschaft erwerben und es wrde keine Rolle spielen, ob die Wohnungsgenossenschaft Eigentmerin der Wohngebude ist oder nicht. Eine Beteiligungsfinanzierung mit Subventionsfinanzierung ist im Rahmen der eigentumsorientierten Wohnungsgenossenschaft 17 EigZulG mglich. Laufende Vernderungen der staatlichen Richtlinien und Ungereimtheiten im Genossenschaftsverstndnis haben jedoch bei der Umsetzung der ansonsten guten Idee Probleme gebracht. Unterschiedliche Ziele der Wohnungsgenossenschaft (Mitgliederfrderung, Rentabilittsmaximierung, Liquidittserhaltung, Sicherung der Unternehmenssubstanz, Unabhngigkeit) bedingen auch unterschiedliche Finanzierungsstrategien. Unterschiedliche strategische Geschftsfelder (Wohnungsnutzungsgenossenschaft, Wohnungseigentumsgenossenschaft, Wohnungsgenossenschaft mit Spareinrichtung,

wohnungswirtschaftliche Wohnungsdienstleistungsgenossenschaft, wohnungswirtschaftliche Universalgenossenschaft) bedingen ebenfalls unterschiedliche Finanzierungsstrategien. Die finanzwirtschaftlichen Kriterien der Entscheidungen in Wohnungsgenossenschaften knnen sein: Ausrichtung an der Mitgliederfrderung oder Rentabilittsmaximierung, Liquiditt, Sicherheit der Genossenschaft, Unabhngigkeit, Image. Literatur:

Eduard Mndle/Markus Mndle, Finanzierungsstrategien fr Wohnungsgenossenschaften, Hamburg 1996Eduard Mndle, Finanzwirtschaftliche Merkmale der Genossenschaft Finanzierungsarten. In: Genossenschaftswesen, Hand- und Lehrbuch, Mnchen/Wien 1990

Eduard Mndle/Jrgen Galonska, Wohnungs- und Immobilien-Lexikon, Hamburg 1997 mit mehreren Beitrgen zur Finanzierung von Wohnungsunternehmen