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Mehr bezahlbarer Wohnraum durch mehr Markt genial oder irreal? Zum Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie „Soziale Wohnungspolitik“ Prof. Dr. Carsten Kühl Deutsches Institut für Urbanistik

Mehr bezahlbarer Wohnraum durch mehr Markt – genial oder ... · oder irreal? Zum Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie „Soziale

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Mehr bezahlbarer Wohnraum

durch mehr Markt – genial

oder irreal? Zum Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für

Wirtschaft und Energie „Soziale Wohnungspolitik“

Prof. Dr. Carsten Kühl

Deutsches Institut für Urbanistik

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Diagnose

• Starker Anstieg der Kosten des Wohnens

• Mietwohnungen

• Eigenheime

• Regional unterschiedlich

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Therapie

• Deregulierung: Mietrecht (erlössteigernd)

• Steuersenkung: Grunderwerbsteuer, degressive Abschreibung

(kostensenkend)

• Privatisierung: Ausstieg sozialer Wohnungsbau (ordnungspolitisch)

• Subjektförderung: Wohngeld (kaufkraftsteigernd)

> klassischer Ansatz Supply-Side-Economies

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(erhoffte) Wirkung

N

Miete

Wohnungen W0

M0

A

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(erhoffte) Wirkung

N

Miete

Wohnungen W0

M0

A

N1

W1

M1

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Genauere Analyse der Mietsteigerungen

auf dem Wohnungsmarkt

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Entwicklung des Mietpreisindex für Deutschland

in den Jahren 1995–2017

80

85

90

95

100

105

110

115

Mie

tindex (

2010 =

Index 1

00)

Quelle: Statistisches Bundesamt, Verbraucherpreisindizes für Deutschland Jahresbericht 2017.

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1. Verbraucherpreisindex für Deutschland

1.1. Gliederung nach dem Verwendungszweck

Jahr/Monat

Verbraucher-

preisindex

insgesamt

Nahrungs-

mittel und

alkoholfreie

Getränke

Alkoholische

Getränke und

Tabakwaren

Bekleidung

und Schuhe

Wohnung,

Wasser,

Strom, Gas u.a.

Brennstoffe

Möbel, Leuchten,

Geräte u.a. Haus-

haltszubehör

SEA-VPI-Nr. 01 02 03 04 05

Gewichtung in % 1000 102,71 37,59 44,93 317,29 49,78

2010-100

2015 JD 106,9 112,3 113,4 106,3 108,0 103,2

2016 JD 107,4 113,2 116,0 107,0 107,9 103,8

2017 JD 109,3 116,4 118,9 108,5 109,6 104,1

2018 JD

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Städte mit den höchsten Mietpreisen für

Wohnungen in Deutschland im 2. Quartal 2018

11,74

11,83

11,92

11,94

11,96

11,97

12,04

13,77

14,03

17,66

0 2,5 5 7,5 10 12,5 15 17,5 20

Darmstadt

Wiesbaden

Mainz

Freiburg

Hamburg

Berlin

Ingolstadt

Stuttgart

Frankfurt am Main

München

Mietpreis in Euro pro m²

Quelle: Statistisches Bundesamt.

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https://de.statista.com/infografik/11157/die-steigenden-mieten-in-deutschen-grossstaedten/

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Städte mit den höchsten Quadratmeterpreisen für Eigen-

tumswohnungen im Vergleich der Jahre 2010 und 2017

2.659

2.890

3.126

3.062

3.258

2.798

4.290

3.034

3.070

4.619

4.547

4.602

4.611

4.616

4.661

4.872

5.005

5.110

5.389

7.484

0 1.000 2.000 3.000 4.000 5.000 6.000 7.000 8.000 9.000

Berlin

Erlangen

Rosenheim

Regensburg

Hamburg

Ingolstadt

Freiburg i.Br.

Frankfurt a.M.

Stuttgart

München

Kaufpreis pro Quadratmeter

2017

2012

Quelle: Statistisches Bundesamt.

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Mietbelastungsquote

• 77 große deutsche Städte

• Prozentanteil, den Haushalte im Mittel (=Median) von ihrem

Nettoeinkommen für ihre Bruttokaltmiete aufbringen müssen:

26,8 % (Bonn: 30,3 %)

• Anteil der Haushalte, die mindestens 30 % ihres Nettoeinkommens für

die Bruttokaltmiete aufwenden müssen: 40,0 % (Bremen: 47,5 %)

• Anteil der Haushalte, die mindestens 40 % ihres Nettoeinkommens für

die Bruttokaltmiete aufwenden müssen: 18,7 % (Neuss: 25,8 %)

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Wohnkostenlast und Einkommensverteilung

• Anteil des Nettoeinkommens, den Haushalte für die Unterkunft

ausgeben

Ergebnis:

„Für das untere Fünftel der Einkommensbezieher ist die

Wohnkostenlast zwischen 1993 und 2013 von 27 Prozent auf 39

Prozent gestiegen, während sie für das obere Fünftel der Verdiener

gefallen ist: Sie müssen statt 16 Prozent nur noch 14 Prozent ihres

Nettoeinkommens zur Deckung des Wohnbedarfs ausgeben.“

Quelle: FAZ vom 22.10.2018

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(zu erwartende) Wirkung

N

Miete

Wohnungen W0

M0

A

A1

W2

M2

N1

W1

M1

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(zu erwartende) Wirkung

• Wirksamkeit der Wohngeldlösung ist in überhitzten Märkten deutlich

eingeschränkt

• Den Vermietern gelingt es relativ gut, die zusätzliche Kaufkraft in die

Mieten zu überwälzen (Subvention vs Sozialtransfer)

• In überhitzten Märkten sind Mietsteigerungen nicht nur ein Problem für

Wohngeldempfänger

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Welche Kostenkomponenten haben einen

besonders starken Einfluss auf die Höhe

der Wohnkosten?

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Baukostenindizes für Wohngebäude

ohne Umsatzsteuer

Preisindex

2010 = 100

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Preisindex für Bauland

1. Quartal 2. Quartal 3. Quartal 4. Quartal

Index 104,60 102,10 102,50 102,00

2011

1. Quartal 2. Quartal 3. Quartal 4. Quartal

Index 104,40 104,80 107,00 108,10

2012

1. Quartal 2. Quartal 3. Quartal 4. Quartal

Index 111,90 112,40 113,50 112,4r

2013

1. Quartal 2. Quartal 3. Quartal 4. Quartal

Index 116,3p 118,7p 121,4p 122,1p

2014

1. Quartal 2. Quartal 3. Quartal 4. Quartal

Index 124,0p 127,7p 130,4p 130,2p

2015

1. Quartal 2. Quartal 3. Quartal 4. Quartal

Index 129,6p 128,8p 134,1p 135,6p

2016

1. Quartal 2. Quartal 3. Quartal 4. Quartal

Index 143,6p 145,6p 154,5p 156,4p

2017

Quelle: Statistisches Bundesamt.

Preisindex

2010 = 100

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Fazit

Korrigierende dirigistische Eingriffe in den Marktprozess sind

auch ordnungspolitisch geboten, weil Wohnen den Charakter

eines meritorischen Gutes hat und das Marktergebnis zu

unerwünschten verteilungspolitischen Ergebnissen führen

kann.

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Fazit

Die soziale Wohnraumförderung alleine reicht in überhitzten

Märkten nicht aus, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen,

weder für die Bezieher von Wohngeld noch für diejenigen,

die einen immer höheren Anteil ihres Einkommens für

Wohnen aufbringen müssen.

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Fazit

Preisregulierungen (sog. Mietpreisbremse) sind ein temporär

und regional geeignetes Instrument, um in überhitzten

Märkten Mietpreisexplosionen einzudämmen, wenn sie für

den Mieter transparent ausgestaltet sind und für den

Vermieter nicht zu Substanzverlusten führen.

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Fazit

Die soziale Wohnraumförderung und kommunale

Wohnungsunternehmen tragen zur Stabilität der

Wohnungsmärkte bei, wenn sie professionell geführt werden,

wenn Segregation vermieden wird und Fehlbelegungen

durch eine moderate Abgabe sanktioniert werden.

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Fazit

Boden führt zur Verknappung und zur Verteuerung des

Wohnungsangebotes. Deshalb sollten verschiedene

Maßnahmen zur Baulandentwicklung ergriffen werden.

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