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Nachbarn Wir helfen Menschen. Interview: Diakonie konkret Secondhand: Maja Ingold neu eingekleidet Soziale Integration Am Leben teilhaben NR. 1/2009

Nachbarn 1/2009

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Soziale Integration – Am Leben teilhaben

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Nachbarn

Wir helfen Menschen.

Interview: Diakonie konkretSecondhand: Maja Ingold neu eingekleidet

Soziale IntegrationAm Leben teilhaben

NR. 1/2009

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Inhalt

2 Caritas Nachbarn 1/09 Titelbild: Urs Siegenthaler; Bilder: Urs Siegenthaler, zvg

Editorial 3Von Max Elmiger.

Soziale Integration

«Bei mir kann Chioma richtig Kind sein» 4

Claudia Schmid verbringt im Rahmen des Patenschaftsprojekts «mit mir» einmal im Monat Zeit mit der 8-jährigen Chioma. Ein Erlebnisbericht.

Ein Platz in der Gesellschaft 8Teilhaben am gesellschaftlichen Leben kann nur, wer ökonomisch abgesichert ist, politische Rechte wahrnehmen kannund in seiner kulturellen Identität ernst genommen wird.

Caritas Zürich

Unantastbare Würde 10Hedi Blum (Mitte), Diakonin der Pfarrei Peter und Paul in Winterthur, erzählt von

der «Armutskonferenz von unten», an der Betroffene und Fachstellen gemeinsam an der Lösung konkreter Probleme arbeiten.

News 12

Neu eingekleidet 14Stadträtin Maja Ingold hat sich in unserem Secondhand-Laden neu eingekleidet.

KulturLegi 16Mit dieser Legi erhalten Armutsbetroffene Rabatte auf Kultur, Sport, Gesundheit und Bildung.

Freiwillig 17Eine freiwillige Sterbebegleiterin erzählt von ihren bewegenden Einsätzen.

Caritas-Netz

Spielen für Integration 18«Wintegration» – e in Fussballprojekt.

Transfer 18Ein Kurs für transkulturelle Kompetenzen.

Ein Laden mit Klasse 19Günstig einkaufen und sinnvoll arbeiten.

Persönlich 20Noldi Alder, Musiker aus dem Appenzell, beantwortet zehn Fragen.

Budget 21Familie Hunziker muss sich entscheiden.

Kiosk 22 Veranstaltungen und Publikationen.

Gedankenstrich 23Kolumne von Charles Clerc.

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Editorial

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Vor allem Armutsbetroffene können davon ein Lied singen. Die finanzielle Last zwingt zu Extraarbeit an Randstunden, der Freun-deskreis wird schnell kleiner. Im Interview mit der Sozialarbeiterin Hedi Blum erfah-ren wir, dass dann ein Internetzugang das Tor zu einer besseren Integration sein kann. Internetzugang? Keine Selbstverständlich-keit! Diese Tür bleibt für viele Menschen mit schmalem Budget verschlossen.

Die wichtigste Zutat zur sozialen Integra-tion ist übrigens ebenso banal wie knapp: Es braucht Menschen, die Zeit haben. Lesen Sie ein ermutigendes Beispiel darüber im Erlebnisbericht einer «mit mir»-Patin.

Das Hauptziel unserer Arbeit ist soziale In-tegration. Caritas Zürich schafft Nähe, da-mit Menschen zu Nachbarinnen und Nach-barn werden. Sie helfen uns dabei.

Max Elmiger Direktor Caritas Zürich

Soziale Integration: «Bi de Lüüt sy»

«Nachbarn» – Das Magazin der regionalen Caritas-Stellen erscheint zweimal jährlich. Gesamtauflage: 41 500 Ex.

Auflage ZH: 13 500 Ex. Redaktion: Ariel Leuenberger

Gestaltung und Produktion: Daniela Mathis, Urs Odermatt

Druck: Stämpfli Publikationen AG, Bern

Caritas Zürich | Beckenhofstrasse 16 | 8021 Zürich | Tel. 044 366 68 68 | www.caritas-zuerich.ch | PC 80-12569-0

Liebe Leserin, lieber Leser Der Mensch ist ein soziales Wesen. Familie, Schule und Arbeitswelt prägen uns, ebenso Vereine oder Religionsgemeinschaften. Und Communities gibt es nicht nur im Internet, sondern auch im Altersheim. Wir finden Kontakt über gemeinsame In-teressen, im Kino oder im Fitnesscenter. Beim Hundeausführen oder beim Einkau-fen sind wir schnell «bi de Lüüt» und im Gespräch. Erste Kontakte sind meist unge-zielt. Ein Lächeln, ein Hallo, die Türe auf-halten im Laden. Alles noch sehr unver-bindlich, aber ein erster Schritt zu einem vertieften Dialog, vielleicht sogar zu einer neuen Freundschaft.

Das tönt locker und natürlich. Ist es aber nicht. Kommt es zu einem Bruch wie Weg-zug, Arbeitsverlust oder Scheidung, ist die Isolation schnell da, und die soziale Inte-gration wird zur mühsamen Anstrengung. Ich muss mich nach Feierabend aufraffen, um in einem Verein aktiv zu werden oder freiwillige Arbeit zu leisten.

«Die wichtigste Zutat zur sozialen Integration: Es braucht Menschen,

die Zeit haben.»

Impressum

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Soziale Integration

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«Bei mir kann Chioma richtig Kind sein»

Drei Tage nach Weihnachten, es ist Sams-tag, Chioma-Tag. Wie immer, wenn ich mein Caritas-Gottenkind abhole, steht es erwartungsvoll an der Tür – meist schon in eine Jacke gepackt und mit einer kleinen Handtasche am Arm. «Gömmer, Gotti?», fragt sie stets und überrascht mich mit ei-ner neuen Frisur, die zwischen einer Hoch-steckfrisur, einem wilden Afro oder Zöpf-

chen hin und her wechselt. Heute hat sie ihre krausen Haare mit einem Gummiband zusammengebunden.

Seit knapp zwei Jahren betreue ich die 8-jährige Chioma, die Wurzeln in Nigeria und Kolumbien hat, aber in der Schweiz ge-boren ist. Sie hat drei Brüder und ist die Äl-teste. Die Zwillinge sind noch Kleinkinder, ihr Bruder ist anderthalb Jahre jünger. Als

ich sie das erste Mal besucht habe, zusam-men mit der Verantwortlichen des «mit mir»-Projektes, habe ich das Kind gleich ins Herz geschlossen.

Verantwortung tragenVon Beginn weg war unsere Beziehung vertraut. Das hat damit zu tun, dass Chi-oma ein offenes Kind ist und damit, dass wir gut zusammenpassen. Vielleicht, weil wir beide Linkshänderinnen und Leserat-ten sind. Vielleicht auch, weil ich mich von Beginn weg mit ihrer Mutter, die gleich alt ist wie ich, gut verstanden habe.

Die Journalistin Claudia Schmid, 29, verbringt im Rahmen des Caritas-Programms «mit mir» einmal im Monat Zeit mit der 8-jährigen Chioma. Ein Erlebnisbericht.

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«Bei mir kann Chioma richtig Kind sein»

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Chioma und ich laufen zum Bus. Mit Buslinien kennt sich das ÖV-Kind besser aus als ich, was ich bewundere. Wie fast immer, wenn wir unterwegs sind, gibt sie mir brav die Hand. Trotzdem wird mir stets

bewusst, welche Verantwortung ich trage. Was mache ich, wenn das Kind unter ein Auto kommt, wie letzthin fast, als es aus einem nicht erkenntlichen Anlass meine Hand losliess und über die Strasse rannte?

Solche Fragen verschwinden dann Gott sei Dank, wenn wir im Bus sitzen und das Mädchen pausenlos die Werbungen herun-terliest, die im Bus hängen.

Erinnerungen an die eigene KindheitDa ich sie als Erstklässlerin kennen gelernt habe, war ich von Beginn weg dabei, als sie zu lesen begonnen hat – ein wunderbares

Erlebnis. Ich erinnerte mich an meine ei-gene Kindheit, als sich die Buchstaben plötzlich in Geschichten und Botschaften zu verwandeln begannen. Auch Chioma nahm an diesem Wunder teil. Hinkte am Anfang jedes Wort aus ihrem Mund, flies-sen die Sätze nun weich und rund.

Meist bitte ich sie, ein Buch mitzuneh-men, das wir dann im Bus oder bei mir zu Hause lesen. Ich bin keine Pädagogin, aber ich habe das Gefühl, gerade in Ruhe lesen zu können ist wichtig für ein Kind, das in einem lauten Haushalt lebt. Vor zwei Mo-naten haben wir uns in ihr Spielzimmer zu-

«Ich habe das Gefühl, in Ruhe lesen zu können ist wichtig für ein Kind, das in einem lauten Haushalt lebt.»

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Soziale Integration

Claudia Schmid und Chioma haben sich von Beginn an sehr gut verstanden: beide sind Linkshänderinnen und Leseratten.

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rückgezogen, das sie mit ihrem Bruder teilt. Alle paar Minuten kamen die Babyzwil-linge herangekrochen, ihr Bruder schrie he-rum, in einem anderen Raum lief laut der Fernseher.

Zeit für sich alleineAuch wenn wir nicht gemeinsam lesen, biete ich ihr Zeit ganz für sie alleine – ohne dass sie ihre Brüder zurechtweisen muss, was sie übrigens mit viel Geduld macht.

Wie eine Mutter kann sie die Babys wi-ckeln und sich um sie kümmern. Man spürt, dass sie früh Verantwortung übernehmen musste und dies weiterhin tun wird, wes-halb manchmal etwas Fräuleinhaftes von ihr ausgeht. «Also Claudia, fluech doch nöd», weist sie mich gerne zurecht, wenn mir wieder mal ein «Shit» entweicht, weil uns der Bus abgefahren ist. Und wenn wir gemeinsam Guezli backen, steht sie so ge-schäftig in meiner Küche, als würde sie den Haushalt schon lange alleine machen.

Umso mehr achte ich darauf, dass sie bei mir richtig Kind sein kann und sich auch mal fallen lassen darf – was regelmäs-sig geschieht. So ist sie schon mehrmals wie ein Baby in meinen Armen «eingeschlafen»

und liess sich nach Hause tragen. Vor ihrer Türe realisierte ich, dass sie den Schlaf si-muliert hatte: Es war ihr einfach wohl in meinen Armen.

Am liebsten ist sie bei mir zu Hause, obwohl meine Wohnung, abgesehen von den wenigen Bilderbüchern, keine Spielsa-chen beherbergt. Deshalb backen oder ko-chen wir gerne zusammen. Trotzdem ma-chen wir auch regelmässig Ausflüge, was nicht nur Chioma, die nicht oft ins Theater geht, sondern auch mir zugute kommt. So

weiss ich als Kinderlose, was in der Kinder-welt läuft. Das ist eine tolle Abwechslung zu meinem Job als Journalistin, der mit Kin-dern gar nichts zu tun hat.

Dankbar für ein wenig EntlastungAn diesem klirrend kalten Samstag besu-chen wir ein Kindertheater: «Die Schatz-insel» steht auf dem Programm. Mit grosser Aufmerksamkeit und ruhig – ich bin im-mer ganz stolz, dass sie nicht so rummur-melt wie andere Kinder – verfolgt Chioma die Geschichte um eine Truppe Piraten, die sich auf die Suche nach einem Schatz ma-chen.

Nach dem Theater besuchen wir noch eine Buchhandlung. Nicht, dass ich ihr

«Chioma bringt frischen Wind in mein Leben, das bei mir von Reisen und langen Stunden am Schreibtisch geprägt ist.»

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Die Welt mit den Augen der andern sehen: Claudia Schmid und Chioma.

Anna Sax, Vizepräsiden-tin der Eidge-nössischen Kommission für Kinder- und Jugendfragen (EKKJ)

Armut ist, wenn man keine Freunde hat

Der Titel stammt von einer Schülerin, die gemeinsam mit ihrer Kleinklasse die Wanderausstellung «?arm – ausge-schlossen?» realisiert hat. Für die be-teiligten Kinder ist klar, dass es nicht allein Geldmangel ist, der sie zu «Ar-men» stempelt. Dass ihre Eltern nicht genug verdienen, ist eine Sache. Dass sie selbst deswegen nur beschränkt am sozialen Leben teilnehmen können, ist weit schlimmer. Die Armutsforsche-rin Gerda Holz formuliert es so: Armut hat ein eigenes Kindergesicht.

Wie Studien aus Deutschland zei-gen, haben Kinder, die in einem ma-teriell armen Elternhaus aufwachsen, schon im Vorschulalter weniger Kon-takt zu anderen Kindern, nehmen we-niger am Gruppengeschehen teil, äus-sern seltener ihre Wünsche und sind weniger wissbegierig. Wenn sie grös-ser werden, sind sie kaum in den Ver-einen oder Jugendgruppen anzutref-fen. Oftmals fehlt ihnen deshalb einer der wichtigsten Schutzfaktoren gegen Ausgrenzung als Folge von Armut, nämlich das soziale Netzwerk.

Eine Patin oder ein Pate kann die-sen Mangel ein wenig ausgleichen. Er oder sie kann einem Kind Zeit schen-ken und ihm Zugang zu neuen Kon-takten verschaffen. Ein anderes Zitat aus der oben erwähnten Ausstellung lautet: «Arme Kinder sind Kinder, die von den Erwachsenen zu wenig Zeit bekommen.»

Kommentar

7Text: Claudia Schmid; Bilder: Urs Siegenthaler, zvg 1/09 Nachbarn Caritas

immer Geschenke kaufe, aber immerhin hatte sie im Dezember Geburtstag, und ein Weihnachtsgeschenk habe ich auch noch nicht organisiert. Wir kaufen deshalb ein Buch von Janosch, das sie später im Tram lauthals zum Besten gibt. Während der letzten zehn Minuten macht das Mädchen «e Stei», wie ich dem sage. Das kommt oft vor, wenn sie müde ist: dann wird sie plötz-lich stumm und spricht kein Wort mehr mit mir.

Vor ihrer Haustüre taut sie wieder auf, begrüsst ihre Geschwister und ihre Mut-ter. Wie immer, wenn ich sie in diesen lau-ten Haushalt zurückkehren sehe, fühle ich mich etwas hilflos. Ich denke dann: «Mein Gott, Chiomas Mutter hat mit diesen Kin-dern so viel zu tun und hat es auch sonst nicht immer einfach.» Es kostet mich manchmal Kraft, mich abzugrenzen, wis-send, dass das, was ich tue, einen Sinn hat, und dass ich ihrer Familie nicht in jedem Bereich helfen kann. Ich weiss auch, dass ihre Mutter dankbar für das bisschen Ent-lastung ist, weil sie weiss, dass ich der ältes-ten Tochter Zeit schenken kann.

Frischer Wind im LebenIch wünsche mir, dieses Kind noch viele Jahre wachsen zu sehen. Weil es einfach wunderbar ist, mit Chioma unterwegs zu sein, die mir aus ihrem Leben, von ihren

Freundinnen, von der Schule erzählt. Chio ma bringt frischen Wind in mein Le-ben, das bei mir von Reisen und langen Stunden am Schreibtisch geprägt ist. Und es ist auch eine gute Erfahrung für mich, falls ich mal eine eigene Familie gründen möchte. Wie komme ich mit einem Kind klar, wo setze ich Grenzen, wo nicht?

Abends, nach dem Theaterbesuch, schreibt sie mir eine SMS: «Gelibte Clau-dia ich hab di so gern.» Was ich geantwor-tet habe, kann man sich denken, oder?

Das Patenschaftsprojekt «mit mir» ver-mittelt Kinder an freiwillige Gotten und Göttis. Mit ihnen erleben sie eine ab-wechslungsreiche Freizeit, während die Eltern für einige Stunden entlastet sind. Alle Patenschaften werden durch un-sere Fachpersonen sorgfältig abge-klärt, vorbereitet und fachlich begleitet. Die Gotten und Göttis treffen sich re-gelmässig zum Erfahrungsaustausch.Haben Sie Lust, sich zu engagieren? Margrit Buhofer gibt Ihnen gerne wei-tere Informationen: Telefon 044 366 68 68 oder unterwww.caritas-zuerich.ch/mitmir

Machen Sie mit!

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Soziale Integration

Ein Platz in der Gesellschaft

Menschen am Rande der Gesellschaft : ar-beitslos, suchtkrank, ohne Bildung und Sprachkenntnisse, alt, gebrechlich und einsam, psychisch krank, verwahrlost. «Sie sind schlecht integriert», sagt man und meint damit, dass sie nicht so sind wie wir, also «normal». «Der Sozialstaat muss sie fi -nanziell unterstützen, also wir mit unseren Steuergeldern», beklagt man und stellt da-mit unausgesprochen die Frage, ob solche Leute nicht überfl üssig sind, weil sie keine Eigenverantwortung übernehmen kön-nen.

Gesellschaft liche Integration hat viele Facetten. In unserer Arbeitsgesellschaft ist der Arbeitsplatz die wichtigste. Aber das reicht nicht: Eine passende Wohnung in ei-ner ansprechenden Gemeinde oder einem geeigneten Quartier, gute Gesundheit, ein

8 Caritas Nachbarn 1/09 Texte: Carlo Knöpfel, Katja Walser; Bild: Reto Klink

Integration heisst, einen Platz in dieser Gesellschaft zu haben. Teilhaben am gesellschaft li-chen Leben kann aber nur, wer ökonomisch abgesichert ist, politische Rechte wahrnehmen kann und in seiner kulturellen Identität ernst genommen wird.

anerkanntes Bildungszertifi kat, die Mit-gliedschaft in einem Verein, ein regelmäs-siges Einkommen, soziale Anerkennung und ein paar gute Beziehungen, all das sollte man auch noch haben, um als Teil dieser Gesellschaft gelten zu können. Und wer nicht über alle diese Attribute verfügt, läuft rasch Gefahr, ausgegrenzt und an den Rand der Gesellschaft gedrängt zu werden. Ausgelöst werden kann ein solcher Prozess durch den Verlust des Arbeitsplatzes, Tren-nung und Scheidung, Umzug, Straff ällig-keit, Krankheit. Und es kann fast alle tref-fen. Viele in der Schweiz sind immer nur einen Schritt weit von einer prekären Le-benslage entfernt.

Unsere Gesellschaft möchte solche Aus-grenzungsprozesse stoppen und Menschen reintegrieren. Dazu sind viele Instrumente

Integration (fem.; von lat. integratio) Herstellung eines Ganzen. Aus einer makrosoziologischen Perspektive dient der Begriff der Integration zur Be-schreibung der Gesellschaft als eines sozialen Systems. Der Integrations-prozess beschreibt, was Gesellschaft en über Kooperation und Interaktion ihrer Teilsysteme wie Markt, politische Or-ganisation und Werte und Normen zu-sammenhält. Die mikrosoziologische Perspektive untersucht, wie Indivi-duen an der Gesellschaft teilhaben, in-dem sich die Teilsysteme der Gesell-schaft für die Individuen öff nen. Man spricht von gemeinschaft licher, wirt-schaft licher oder politischer Integra-tion.

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Wie gut sind Sie in unsere Gesellscha� integriert? Finden Sie’s heraus mit unserem neuen Online-Test.

entwickelt worden. Vom Staat, von privaten Hilfsorganisationen, von Selbsthilfegrup-pen. Der primäre Fokus liegt dabei auf dem Erhalt der Erwerbsarbeit. Die beruf-liche Integration steht im Zentrum der Be-mühungen. Das kann mit vielen Beispielen illustriert werden. Dazu gehören Projekte von Caritas wie «mit mir» oder «schulstart +» für Kinder und Jugendliche, Motivati-onssemester und Mentoring-Programme vom Bundesamt für Bildung und Techno-logie für junge Erwachsene auf der Suche nach einer Lehrstelle, Weiterbildungs- und Umschulungsangebote der Regionalen Ar-beitsvermittlungsstellen des SECO für Ar-beitslose und Stellensuchende, Beschäf-tigungsprogramme und Arbeitsplätze in Sozial� rmen der Sozialhilfe für ausgesteu-erte Langzeitarbeitslose und Menschen mit eingeschränkter Erwerbsfähigkeit, ge-schützte Werkstätten für geistig und kör-perlich behinderte Menschen.

Doch gesellscha� liche Integration ist mehr als der Nachweis, mit Erwerbsarbeit für sich selber sorgen zu können. Gesell-scha� liche Integration heisst Partizipation. Die Teilhabe am gesellscha� lichen Leben muss allen möglich sein, auch wenn sie � -nanziell unterstützt werden müssen. Die politischen und kulturellen Rechte dürfen niemandem abgesprochen werden.

Bedeutet gesellscha� liche Integration Anpassung? Alle in einer Gesellscha� ha-ben Rechte und haben P� ichten. Wir dür-fen voneinander erwarten, dass sich alle an die Spielregeln halten, nach denen unsere Gesellscha� funktioniert. Aber wir dürfen nicht erwarten, dass alle so werden, wie wir schon sind oder glauben zu sein. Gesell-scha� liche Integration � ndet dort statt, wo Menschen einander begegnen, aufeinander zugehen und in diesem Zusammentre� en für gegenseitige Veränderungen o� en und bereit seit. Und was für Menschen gilt, gilt erst recht für staatliche Institutionen und privatwirtscha� liche Unternehmen.

9 1/09 Nachbarn Caritas

InformationenKatja Walser, Carlo Knöpfel: Auf dünnem Eis. Menschen in prekären Lebenslagen. Ein Diskussionspapier der Cari-tas Zürich. Caritas-Verlag, Luzern, 2007.

Rahel Strohmeier, Carlo Knöpfel: Was heisst soziale Integration? Öffentliche Sozialhilfe zwischen Anspruch und Realität. Caritas-Verlag, Luzern, 2005. Beide Bücher erhältlich bei shop.caritas.ch.

www.bfs.admin.chBundesamt für Statistik: Sozialberichterstat-tung Schweiz. Lebensstandard und soziale Be-nachteiligung in der Schweiz.

www.skos.ch SKOS-Richtlinien zur sozialen und berufl ichen Integration.

Wie gut bin ich integriert?

Soziale Integration hat verschiedene Di-mensionen. In unserem Online-Test ver-wenden wir ein Modell mit acht verschie-denen Ausprägungen. Diese reichen von � nanziellen Ressourcen über beru� iche Integration und Bildungsnähe bis zum ge-sundheitlichen Wohlbe� nden.

Die Integration kann in allen Dimensi-onen sehr unterschiedlich sein. Im Modell unterscheiden wir darum vier Zonen: Die Zone der vollständigen Integration; wer sich hier � ndet, ist integriert. Die Zone der Pre-karität; hier stehen Menschen in heiklen Le-benssituationen. Die Zone der Fürsorge, in welche Menschen mit regelmässiger Unter-stützung im Alltag abrutschen. Und schliess-lich die Zone der Entkoppelung, in der die staatliche Hilfe nicht mehr grei� .

Das Modell dient zur Veranschauli-chung, wie gut eine Person oder ein Haus-halt integriert ist. Dazu wird der Integra-tionsgrad auf jeder Achse eingetragen. Verbindet man die Werte miteinander, ent-steht ein Gitternetzbild in Form eines Acht-ecks. Je grösser die Fläche, desto geringer die gesellscha� liche Integration.

In unserem Online-Test beantworten Sie rund 40 Fragen zu den verschiedenen Dimensionen, was ungefähr 10 Minuten

dauert. Danach können Sie Ihr Gitternetz-bild mit demjenigen prominenter Personen vergleichen. Wir wünschen Ihnen span-nende Erkenntnisse.www.caritas-zuerich.ch

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Caritas Zürich

Hedi Blum organisiert die «Armutskonfe-renz von unten», zusammen mit anderen Fachstellen von Winterthur. An den Kon-ferenzen diskutieren Armutsbetroffene und Mitarbeiter der Fachstellen die The-men und Probleme, welche sie täglich be-schäftigen.

Wie kam es zu den Armutskonferenzen in Winterthur?

Wir haben uns von einem Projekt in Basel inspirieren lassen und uns Hilfe von da geholt. Dann kam es zu einer ersten Kon-ferenz mit Armutsbetroffenen, im Septem-ber 2008, bei der wir überrascht und über-flutet wurden. Es kamen etwa 50 Leute. Wir

haben nie mit so vielen gerechnet. Es ka-men Leute mit IV-Rente, Arbeitslose, Tag-löhner, Working Poor, Alleinerziehende, Sozialhilfeempfänger. Wir sammelten ge-meinsam Themen, welche die Betroffenen beschäftigen. Es entstand eine dreiseitige Liste. Schnell war uns klar, dass wir die Themen nicht nur gruppenintern bespre-chen wollten, sondern damit an die Öffent-lichkeit mussten. Und dann kam die Idee mit dem Podium.

Das Podium war ein grosser Erfolg. Was wurde diskutiert?

Existenzsicherung und Armut in der Schweiz war das Hauptthema. Denn viele

Betroffene kennen ja ihre Rechte gar nicht. Es diskutierten der Leiter der Sozialen Dien-ste Winterthur, jemand von der UNIA, ein SP-Gemeinderat, zwei Armutsbetroffene von «Planet 13» in Basel und eine Betrof-fene aus Winterthur. Mehr als 70 interes-sierte Menschen sassen im Publikum. Zu-erst kamen Voten von den Podiumsgästen, anschliessend konnten alle Teilnehmer ihre Sicht einbringen. Danach gab es eine ange-regte Diskussion. Alle, auch die Armuts-betroffenen, fanden das Podium gut und hilfreich. Wir sassen dann noch lange zu-sammen und es gab einen Austausch. Wir freuten uns über eine grosse und seriöse Resonanz in den Zeitungen.

«Jeder Mensch hat eine unantastbare Würde»

Diakonie ist ein konkreter Ausdruck christlicher Nächstenliebe: Jörg Stuckmann, Sozialarbeiter der Aidsseelsorge Zürich, Brigitte Schnellmann,Sozialarbeiterein der Pfarrei Liebfrauen Zürich, und Hedi Blum, Sozialarbeiterin der Pfarrei Peter und Paul Winterthur.

Mit unserer Abteilung Diakonieförderung engagieren wir uns für die Sozialarbeit in den Pfarreien. Doch was bedeutet dies konkret? Am Beispiel von Hedi Blum, Sozialarbeiterin in der Pfarrei Peter und Paul in Winterthur, zeigen wir, was Diakoniearbeit bewirken kann.

10 Caritas Nachbarn 1/09 Text: Eva Südbeck-Baur; Bild: Urs Siegenthaler

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«Jeder Mensch hat eine unantastbare Würde»

11 1/09 Nachbarn Caritas

Was war das Ziel, das Sie mit dem Po-dium verfolgten?

Wir wollten vor allem die Bevölkerung sensibilisieren und zeigen, dass es Armut auch hier in der Schweiz gibt. Darum wa-ren die Armutsbetroffenen nur am Rande beteiligt. In der Öffentlichkeit wollen ja

viele gar nicht auftreten, sie halten sich im Hintergrund. Deshalb ist es wichtig, dass es eine Vermittlung gibt zwischen den Be-troffenen und der Öffentlichkeit. Das län-gerfristige Ziel hier in Winterthur ist ein runder Tisch mit Leuten aus der Politik, Armutsbetroffenen und einem Vermittler. Da könnten Probleme diskutiert und Än-derungen angegangen werden.

Wie geht es nun weiter nach dem Podi-umsgespräch?

Nach vier Armutskonferenzen haben wir die vielen Bedürfnisse gebündelt. Es kam heraus, dass man einen Raum möchte, wo man sich treffen kann, wo’s Internet und Kaffee gibt. Und da sind wir nun dran. Die Betroffenen haben Arbeitsgruppen gegrün-det, die sich mit der Umsetzung beschäfti-gen. Sie möchten sich wöchentlich treffen und dabei gecoacht werden.

Die Arbeit mit den Betroffenen ist für Sie ja nicht neu. Trotzdem ist dieses Projekt ein ganz besonderes, denn Sie erarbeiten zusam-men mit den Betroffenen neue Lösungen. Was bedeutet das für Sie?

Ich habe gemerkt, dass diese Art von Projekt ganz andere Schwierigkeiten birgt als die normale Projektarbeit, die ich ge-wohnt bin. Wir arbeiten sonst ja sehr ziel-strebig und können selbst bestimmen, wo’s langgeht. Nun muss ich mich total zurück-nehmen und den Betroffenen den Ball zu-spielen. Ich hätte das Konzept schneller, aber es muss von ihnen kommen, sie müs-sen dabei sein, sie müssen sagen, was sie

wollen. Und das ist schwierig, vorwärtszu-machen und die Leute trotzdem dabei zu behalten. Denn unser Wunsch ist ja schon, dass wir nicht mehr für die Armutsbetrof-fenen arbeiten, sondern dass sie für sich selbst arbeiten. Aber es ist nicht einfach, sie in die Selbständigkeit zu entlassen. Es ist eine Frage der Macht und Ohnmacht, aber auch, was passiert, wenn es scheitert. Kann ich das dann zulassen? Da hätte ich momentan grosse Mühe. Ich möchte ja, dass sie einen Gewinn haben daraus. Es ist eine Herausforderung, die sich aber sicher lohnt.

Und was hat diese Arbeit mit Diakonie zu tun?

In unserem konkreten Projekt ist die Diakonie das Bindeglied zwischen den Be-hörden und den Betroffenen. Wir machen

die Übersetzungsarbeit, denn hier sind viele Emotionen im Spiel wie Frust und prä-gende Erlebnisse. Es ist wichtig, dass man diese Emotionen zulässt und in eine Bahn leitet, sodass beide Parteien zusammen re-den können.

Ich verstehe Diakonie so von der Bibel her, dass man sich den Leuten zuwendet, die am Rande stehen und kein leichtes Le-ben haben, ihnen zuhört und sie würdigt, ihnen die Chance gibt, sich einzubringen. Das ist für mich ganz wichtig und gehört zur Kirche, es ist einer der Hauptaufträge der Pfarreien. Denn die Kirche ist ja weit mehr als die Leute, die am Sonntag in die Kirche gehen.

Wenn Sozialarbeit aus christlicher Mo-tivation heraus geschieht, kann sie als Diakonie bezeichnet werden. Am deut-lichsten wird dies, wenn sie im Kon-text einer christlichen Gemeinde, einer Seelsorgestelle oder eines kirchlichen Hilfswerks wie der Caritas stattfindet. Diakonie ist ein konkreter Ausdruck christlichen Handelns. Sie beruht auf dem Glauben, dass jeder Mensch Eben-bild Gottes ist und eine unantastbare Würde hat. Deshalb gilt diakonisches Engagement allen Menschen, unabhän-gig von Geschlecht, Nation, Hautfarbe und Religionszugehörigkeit.

Vielfältige BegegnungenDie Diakonie umfasst direkte Hilfe für Menschen in Notlagen, aber auch die Gemeinwesenarbeit gehört dazu. Pfar-reien und fremdsprachige Missionen bieten den Menschen soziale Kontakte und vielfältige Begegnungsmöglich-keiten an. Dabei wird das Miteinander zur Diakonie, wenn sozial und finanziell Benachteiligte integriert werden. Auch die politische Dimension spielt in der

Diakonie eine wichtige Rolle. Caritas Zürich trägt sachliche Informationen zur politischen Meinungsbildung bei, indem sie zum Beispiel untersucht, wie sich Rechtslagen auf Armutsbetroffene aus-wirken. Sie setzt sich anwaltschaftlich für Armutsbetroffene ein.

Vernetzung für mehr SolidaritätWir pflegen die Kontakte zwischen den verschiedenen kirchlichen Anspruchs-gruppen und der Caritas Zürich. In der Abteilung Diakonieförderung begleiten und vernetzen wir Sozialarbeitende in den Pfarreien. Wir unterstützen Pfar-reien in ihrer Hilfe an der Pfarrhaustür und in der Altersarbeit. Wir beraten sie, wenn sie sich ihren diakonischen Auf-gaben zuwenden möchten. Für die Zu-kunft möchten wir Know-how vermitteln, wie Armutsbetroffene erreicht und an-gesprochen werden können. Darüber hinaus werden wir Projekte und Events entwickeln, mit Kindern und Jugend-lichen und für sie, zu Armut und Solida-rität, an den Schnittstellen von Kirche und Öffentlichkeit.

«In unserem Projekt ist Diakonie das Bindeglied zwischen den Behörden und den Betroffenen.»

Die Diakoniearbeit der Caritas Zürich

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Schnell und nachhaltig helfen

Als Frau A. zu uns in die Beratung kam, war ihr Wunsch eine Einkaufs-karte für den Caritas-Markt, damit sie das Lebensnotwendige billiger einkaufen kann.

Die Sozialarbeiterin erfasste ihre Situation umfassend und bekam die tragische Ge-schichte der Familie A. zu hören.

Frau A. ist geschieden und hat drei Kin-der. Sie hat ihre Tochter durch einen töd-lichen Unfall verloren. Durch dieses Ereig-nis wurde sie so traumatisiert, dass sie nicht mehr erwerbstätig sein konnte. Es kam schliesslich zur IV-Anmeldung. Frau A. be-zieht heute eine 50-%-IV-Rente und Ergän-zungsleistungen. Ihr Budget ist knapp.

In der Sozialberatung schauen wir die Ursachen der Probleme gemeinsam mit den Hilfesuchenden an und suchen nachhaltige Lösungen. Unser Ziel ist die soziale Inte-gration. Bei den Abklärungen stützen wir uns auf die wichtigsten Lebensbereiche, die eine Familie oder einen Einzelnen tangie-ren. Es geht primär um Arbeit, Bildung, Wohnen, Gesundheit. Zudem sind Kinder-betreuung und Freizeitgestaltung wichtig, oder bei Migrantinnen und Migranten der Aufenthaltsstatus. Das gute Funktionieren dieser Bereiche kann die finanzielle Situa-tion und die Beziehungen innerhalb der Fa-milie stark beeinflussen und ist die Grund-lage für eine stabile soziale Integration.

Soziale Integration auf allen EbenenUnsere Sozialarbeiterin kümmerte sich zuerst um das Ausstellen der gewünsch-ten Einkaufskarte. Da Frau A. wenig Schul-bildung hat, ermöglichte Caritas ihr einen Deutschkurs für Analphabeten. Eine Bud-getberatung half, Sparmöglichkeiten auf-zudecken und die monatlichen Zahlungen geordnet abzuwickeln. Das alles stärkte ihr Selbstbewusstsein, sodass sie schliess-lich bereit war für die Begleitung durch eine Freiwillige, die mit ihr nun alltags-bezogen Deutsch übt. Den zwei jüngeren Kindern konnte das Mitmachen in einem Fussballclub und einer Musikschule er-möglicht werden. Die soziale Integra-tion läuft somit für die ganze Familie auf verschiedenen Ebenen. Damit helfen wir allen schnell und nachhaltig.

Handy-Verträge, Leasing, Kreditkarten oder Banküberzüge – und dann auch noch die Steuern! Immer mehr Leute machen Schulden. Nicht nur Erwachsene. Zuneh-mend verschulden sich auch Jugendliche. Unsere Sozialberatung setzt sich aktiv ein gegen diesen Trend. Nebst Schuldenbera-tungen und Schuldensanierungen betrei-ben wir auch Präventionsarbeit. Wir halten Referate und Kurse in Elternvereinen, für Arbeitslose, in Schulen. Die Erfahrungen in der Schuldenberatung nutzen wir dafür, diesen Gruppen das Vermeiden von Schul-den oder den Umgang mit Schulden zu er-läutern.

Eine neue Idee ist, Jugendliche zu coa-chen, damit sie ihren Peers selbst Wissen beibringen über den Umgang mit Geld, Schuldenfallen und so weiter. Der Vorteil dabei ist, dass sie dieselbe Sprache spre-chen, das Thema also besser rüberbringen können. Denn in der Ablösungsphase ist die Erwachsenenwelt für die Heranwach-senden suspekt. Da werden Ratschläge von Gleichaltrigen leichter angenommen. Ein erster Kurs wird nächstens stattfinden.

Gemäss Medienberichten kann gegenwär-tig im Bereich der Mittel- und Oberstufe ein grosses Bedürfnis nach schulischen Nachhilfelektionen und Prüfungsvorberei-tungskursen beobachtet werden. Für Kin-der und Jugendliche aus gut situierten Fa-milien ist dies kein Problem, da sich ihre Eltern den teuren Privatunterricht leisten können. Für armutsbetroffene Familien ist das aber nicht möglich. Benötigt ein Kind wegen schulischer Probleme Nachhilfe, so organisiert und zahlt die Schule. Für spe-zielle Förderung hingegen ist das Privat-sache.

Schuldenberatung

Freiwillige erteilen Kindern Nachhilfe

12 Caritas Nachbarn 1/09 Texte: Suzanne Schärli; Bild: Urs Siegenthaler

Caritas Zürich

Wir initiieren ein Projekt, das lernwillige Kinder und Jugendliche mit Freiwilligen vernetzt, die gratis Nachhilfeunterricht geben. Schon jetzt laufen solche Engage-ments bei unseren Klientenfamilien. Nun soll zusätzlich ein Freiwilligen-Pool aufge-baut werden, der es möglich macht, schnell zu handeln, wenn wir in der Beratung einer Familie feststellen, dass ein Bedürfnis nach schulischer Förderung besteht.

Wenn Sie gerne Nachhilfe ertei-len möchten, so melden Sie sich bei: Suzanne Schärli, Tel. 044 366 68 68 oder [email protected].

Die Sozialberatung der Caritas Zürich hilft nachhaltig in den wichtigsten Lebensbereichen.

CAZH.indb 12 19.3.2009 18:03:38 Uhr

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13Texte: Christina Jetzer, Marta Ostertag; Bild: Reto Klink 1/09 Nachbarn Caritas

Caritas-Mobil bringt Angebote aufs Land

Mit unserem neuen Projekt «Cari-tas-Mobil» sind wir in Zukunft direkt vor Ort bei den Leuten.

Armutsbetroffene Menschen sind oft nicht mobil, denn Mobilität kostet Geld. Des-halb bringen wir unsere Angebote mit dem neuen Projekt «Caritas-Mobil» direkt in die Agglomeration und in grössere Gemein-den im Kanton Zürich. Ziel ist es, mobil – allenfalls mit einem eigenen Fahrzeug – an mindestens drei verschiedenen Stand-

orten pro Jahr aktiv zu sein. Armutsbetrof-fene können so direkt vor Ort Angebote wie die Schuldenberatung nutzen, die Kultur-Legi erhalten oder einen Schulstart-Kurs besuchen. Wir möchten über eine längere Zeit präsent sein, wenn möglich langfris-tige Kooperationen aufbauen und Ange-bote generieren, die weitergeführt werden, wenn das Caritas-Mobil an den nächsten Standort zieht. Darum werden wir eng mit den lokalen Sozialstellen und Pfarreien zu-sammenarbeiten.

Unsere Anliegen sichtbar machenDas Bedürfnis, unsere Angebote in die Re-gion hinauszubringen, wurde schon oft von Pfarreien, Sozialstellen sowie Klien-tinnen und Klienten geäussert. Im zweiten Halbjahr 2009 können wir diesem Bedürf-nis nun nachkommen. Die mobile Präsenz wird unsere Angebote und Anliegen sicht-bar machen, nicht nur für die Armutsbe-troffenen, und die Caritas Zürich damit be-kannter machen. Wir freuen uns auf viele interessante Begegnungen.

Unsere beiden Caritas-Märkte verkaufen sehr günstige Lebensmittel und Nonfood-Artikel an Armutsbetroffene. Sie bieten in Zürich-Oerlikon und Winterthur-Töss Arbeitsplätze für Sozialhilfebezüger und Stellensuchende an. Die Personen, welche über das RAV zu uns kommen, haben bis anhin relativ schnell wieder eine Anstel-lung anderswo gefunden. Vermutlich wird sich das mit der abflauenden Konjunktur ändern. Teillohn-Angestellte, welche über die Sozialhilfe vermittelt werden, bleiben länger, oft ein bis zwei Jahre. Die Arbeits-plätze sind sehr beliebt, da die Arbeit in un-serem eingespielten Team, mit dankbarer, aber auch anspruchsvoller Kundschaft, in-teressant und lehrreich ist. Die Mitarbei-tenden gewinnen zunehmend an Selbst-vertrauen, da sie spüren, dass sie wertvolle Arbeit leisten, gebraucht werden und ih-ren Beitrag im Team und zur Erreichung der Umsatzziele leisten. Die Caritas-Märkte haben ihren Umsatz markant gesteigert und setzen jährlich Waren im Wert von je etwa 400 000 Franken um.

www.caritas-zuerich.ch/markt

Das Projekt «schulstart+» unterstützt El-tern ausländischer Herkunft und ihre Kin-der bei der Integration in unser Schul-system. Bei den Kursen, die jeweils in der Muttersprache der Teilnehmenden ge-führt werden, machen wir die Eltern mit unserem komplexen Schulsystem bekannt. Seit dem Start 2006 führten wir im Kan-ton Zürich verschiedenste Kurse auf Por-tugiesisch, Türkisch, Tamilisch, Spanisch, Arabisch und Albanisch durch. Über 145 Migrantenfamilien und 208 Kinder profi-tierten von «schulstart+». Die neugierigen

Fragen der Kursteilnehmenden, der rege Austausch untereinander und die wieder-kehrende Frage nach einem Fortsetzungs-kurs zeigen den Bedarf und das grosse In-teresse der Migrantinnen und Migranten auf. Für das Jahr 2009 sind acht Kurse ge-plant, zwei neue Gemeinden kommen dazu. Nach dreijähriger Pilotphase wird das Pro-jekt evaluiert und auf seine nachhaltige Wirkung hin überprüft.

www.caritas-zuerich.ch/schulstart

Caritas-MärkteErfolgreich in die Schulzeit starten

In den Kursen werden kognitive und motorische Fähigkeiten trainiert, die beim Schulstart vorausgesetzt werden.

CAZH.indb 13 19.3.2009 18:03:47 Uhr

Page 14: Nachbarn 1/2009

CAZH.indb 14 19.3.2009 18:03:49 Uhr

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15Text: Ariel Leuenberger, Guido Biberstein; Bild: Roth und Schmid Fotografi e 1/09 Nachbarn Caritas

«Kleider sind Kommunikationsmittel»

Die Winterthurer Stadträtin Maja Ingold hat sich in unserem Secondhand-Laden an der Steinberggasse in Winterthur neu eingekleidet. Das Stöbern und Ausprobieren hat ihr sichtlich Spass gemacht.

Wir betreiben sechs Secondhand-Klei-derläden in Zürich, Winterthur und Uster. Diese leben von Kleiderspenden einzelner Personen oder Boutiquen. Der Verkaufser-lös kommt armutsbetroff enen Familien zu-gute. Trotz der vielen Spenden ist es nicht einfach, die Läden mit Kleidern, Schuhen und vielen Accessoires zu versorgen, wel-che den Ansprüchen unserer Kundinnen und Kunden genügen. Umso mehr freuen wir uns über Spendensäcke mit gepfl egten, schönen und auch schrillen Kleidern.

Unsere Standorte und weitere Bilder fi nden Sie online:www.caritas-zuerich.ch/secondhand

Ihre Frage an uns

Arnold T. aus Dübendorf möchte von uns wissen: «Ich möchte einen Teil meines Erbes der Caritas Zürich vermachen. Wie muss ich vorgehen?»

Bestimmen Sie selbst, wem Ihr Vermächt-nis zugute kommt. Setzen Sie möglichst frühzeitig Ihr Testament auf. So können Sie sicher sein, dass Ihr letzter Wille auch geschieht. Ein Testament schafft Ordnung und Klarheit und trägt dazu bei, dass der Nachlass nach Ihrem Wunsch eingesetzt wird. Nur jede zweite Person schreibt ein Testament, die anderen überlassen die Re-gelung des Nachlasses dem Staat. Dadurch

vergeben Sie sich die Chance, Ihr Erbe wunschgemäss zu verteilen.

Viele Menschen wünschen sich, etwas zu hinterlassen, das über ihr Leben hinaus Bestand hat. Etwas, das ihnen persönlich am Herzen liegt, sei es, eine Person, die ihnen nahesteht, zu berücksichtigen, oder die Arbeit einer gemeinnützigen Organisa-tion zu unterstützen. Ein Legat an Caritas Zürich sichert einen wichtigen Teil der Fi-nanzierung unserer Projekte. Es kann die Lebensperspektive einer von Armut betrof-fenen Familie grundlegend verändern und hilft so, über das Leben hinaus Gutes zu tun. Wird eine gemeinnützige Organisa-

tion bedacht, müssen keine Schenkungs- und Erbschaft ssteuern bezahlt werden.

Beim Regeln Ihres Nachlasses steht Ih-nen der ehemalige Direktor der Caritas Zürich, Herr Guido Biberstein, gerne zur Verfügung. Kompetent und diskret beant-wortet er Ihre Fragen und unterstützt Sie beim Aufsetzen Ihres Testaments.

Guido BibersteinEhem. Direktor Caritas ZürichTel. 044 713 27 [email protected]

An dieser Stelle beantworten wir die Fragen der Leserinnen und Leser zu unserer Organisation und unserer Arbeit.

«Kleider sind wichtige Kommunikations-mittel für mich Am Morgen ist die Wahl meines Outfi ts ein bewusster Gestaltungs-entscheid, so und nicht anders an mein Ta-gewerk zu gehen», antwortet Maja Ingold auf die Frage, was ihr Kleider bedeuten. Am wohlsten fühlt sie sich in interessanten, farbigen Geweben, die Bewegungsfreiheit garantieren. Diese kann sie als Vorstehe-rin des Departements Soziales gut gebrau-chen.

Ihre gebrauchten Kleider gab Maja In-gold bisher, wie viele andere auch, in die Kleidersammlung. Nach dem Fototermin in unserem Laden wird sie die gut erhal-tenen Stücke aber zukünft ig bei uns vor-beibringen.

CAZH.indb 15 19.3.2009 18:03:50 Uhr

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«Mit der KulturLegi kommenwir wieder unter die Leute»Armut treibt viele Menschen in die soziale Isolation – ein Theaterbesuch mit Freunden oder ein Nachmittag mit den Kindern in der Badi liegen einfach nicht drin. Mit der KulturLegi erhalten Men-schen mit tiefem Einkommen in den Bereichen Kultur, Sport, Gesundheit und Bildung vergünstigte Eintrittspreise – mit Rabatten von mindestens 30 Prozent. Von diesem Angebot profitiert auch Familie Gubler*.

Frau Gubler, Ihre Familie nutzt die Kul-turLegi seit über 2 Jahren. Welche Angebote nutzen Sie und Ihre Kinder?

Seit ich vor dreieinhalb Jahren einen Herzinfarkt erlitt, bin ich nur noch mit einem kleinen Pensum arbeitsfähig – das hat uns finanziell in eine schwierige Situ-ation gebracht. Für uns alle ist es deshalb enorm wichtig, Dinge zu tun, die uns auf-bauen. Ich und mein Mann haben bei einem Salsa-Kurs die Freude am Tanzen entdeckt. Manchmal benutzen wir Angebote im Ge-meinschaftszentrum Hirzenbach in Zürich; besonders toll war zudem eine Vorstellung am «Theaterspektakel». Sehr viel bedeutet mir der Yogakurs, den ich im Citygym in Winterthur besuche. Unsere Tochter be-sucht den Ballettunterricht im Tanzstu-dio «Aha» zum halben Preis. Und natür-lich kaufen wir mit der KulturLegi auch im Caritas-Markt günstig ein.

Wie wichtig sind solche Aktivitäten?Vor der KulturLegi fühlte ich mich aus-

gegrenzt – ohne Arbeit und Geld hatte ich keine Gelegenheit, mit den Kindern Frei-zeitangebote zu nutzen. Heute kommen wir wieder unter die Leute, deshalb bedeutet mir die KulturLegi enorm viel.

Was würden Sie sich im Angebot der Kul-turLegi zusätzlich wünschen?

Unser Sohn würde sich eine Vergünsti-gung für Fussballspiele wünschen oder für das Bowling-Center in Dietlikon. Da wir in Dietlikon wohnen, wäre es natürlich schön, wenn diese Gemeinde auch bei der Kultur-Legi mitmachen würde. Grundsätzlich sind wir aber sehr glücklich mit dem jetzigen Angebot. Dieses hat sich in den letzten zwei Jahren deutlich vergrössert.

16 Caritas Nachbarn 1/09 *Zum Schutz der betroffenen Person haben wir die Namen geändert und ein Bild mit anderen Personen verwendet. Text: Reto Klink; Bild: Urs Siegenthaler

Caritas Zürich

Im Kanton Zürich haben sich bereits 200 Angebotspartner der KulturLegi angeschlossen. Sie wird von 4200 Personen, davon 700 Kindern, regel-mässig benutzt. Helfen Sie mit, dieses wichtige Ange-bot auch in Zukunft zu erhalten. Un-terstützen Sie die KulturLegi Kanton Zürich mit dem beiliegenden Einzah-lungsschein. Herzlichen Dank!

PC 80-12569-0

Helfen Sie mit!

Armutsbetroffene erhalten dank der KulturLegi zum Beispiel 50 Prozent Rabatt auf einen Eintritt in den Zoo Zürich.

CAZH.indb 16 19.3.2009 18:04:03 Uhr

Page 17: Nachbarn 1/2009

17*Zum Schutz der betroffenen Personen haben wir ein Bild anderer Personen verwendet. Text: Maria Zuberbühler, Ariel Leuenberger; Bild: Urs Siegenthaler 1/09 Nachbarn Caritas

«Sterben ist ein Teil des Lebens»

Als freiwillige Sterbebegleiterin ist Maria Zuberbühler* den Menschen nahe, die am Ende ihres Lebensweges angelangt sind. Sie erzählt von den persönlichen Augenblicken, die sie bei ihren Einsätzen oft erleben durfte.

«Mein erster Einsatz war einmal pro Wo-che, ein bis zwei Stunden am Nachmittag. Vom Rufnetz Rafzerfeld war ich orientiert, dass der verwitwete Patient sehr krank sei und wohl bald sterben werde. Er war mir bekannt als hilfsbereiter, lustiger Mensch. Wie werde ich ihn antreffen? Ich war beru-higt, dass ich beim ersten Mal mit der Spi-tex hingehen konnte. Ein zufriedener Mann lag im Bett, froh, zu Hause betreut zu wer-den. Ein Foto zeigt ihn auf seinem Segel-boot und er erzählte mir voller Freude von seinen Bootsfahrten.

Beten gibt KraftVon Tag zu Tag ging es ihm schlechter. In der vierten Woche reagierte er auf mein ‹Grüezi› nicht mehr. Seine Hand lag einfach in meiner Hand. Nach geraumer Zeit strei-chelte ich sie, kurz öffnete er seine Augen, ‹Ou Maria, ou Maria› kam über seine Lip-pen. Meine Frage ‹Häsches schwär?› beant-

wortete er mit einem langen, leisen Seufzer. Am folgenden Tag übernahm ich die Nacht-wache. Er reagierte gar nicht mehr, schlief ruhig. Ab und zu las ich leise einen Text aus dem Kirchengesangbuch. Ob er noch etwas davon mitbekam, weiss ich nicht. Aber dass ich für ihn beten kann, weiss ich und es gibt mir Kraft. Bevor ich am Morgen abgelöst wurde, las ich ihm noch ‹Der Herr segne und behüte dich›. Das waren meine letzten Worte zu ihm. In der folgenden Nacht, sein Sohn war bei ihm, wurde er in die ewige Heimat geholt.

Wissen, dass jemand da istEs ist mir schon lange klar, dass das Sterben auch ein Teil des Lebens ist. Aber wie gehe ich damit um, für mich selber und für die Betroffenen? Als der Grundkurs zur Sterbe- und Trauerbegleitung ausgeschrieben war, erkundigte ich mich bei einer Frau der Kirchenpflege, sie sagte mir, sie könne den

Kurs nur empfehlen, der bringe sehr viel. Deshalb meldete ich mich an.

Jetzt war ich zwei Mal bei einem Ehe-paar über Nacht, damit die Frau mal schla-fen kann und weiss, dass jemand bei ihrem Mann ist. Sie bestand am Morgen darauf, dass ich mit ihr noch frühstücke. Es tat ihr gut, nicht alleine am Tisch zu sitzen, und sie hat mir allerlei aus ihrem arbeitsreichen Le-ben erzählt. Ich gehe gerne wieder hin.»

Das Rufnetz Rafzerfeld ist ein Verein zur Begleitung schwerkranker und ster-bender Menschen im Zürcher Unter-land. Die ergänzende persönliche Be-gleitung wird von Freiwilligen geleistet, die Erfahrung im menschlichen, kom-munikativen und spirituellen Bereich haben. Sie werden für ihre Tätigkeit in einem Grundkurs vorbereitet und mit regelmässigen Treffen und Weiterbil-dungen begleitet. Sie unterstehen der Schweigepflicht.Wir begleiten Schwerkranke und Ster-bende in einer belasteten und sorgen-vollen Zeit. Unser Ziel ist es, dazu bei-zutragen, den letzten Lebensabschnitt dieser Menschen durch liebevolle indi-viduelle Begleitung möglichst lebens-wert zu gestalten. Wir bieten in keiner Form Sterbe- oder Suizidbeihilfe an und fühlen uns der Palliative Care ver-pflichtet.Möchten Sie uns dabei unterstüt-zen? Melden Sie sich bei Theresia Weber, Leiterin Fachstelle Sterben und Trauern. Telefon: 044 366 68 68, [email protected]

Das Rufnetz Rafzerfeld

Freiwillige begleiten schwerkranke und sterbende Menschen.

CAZH.indb 17 19.3.2009 18:04:14 Uhr

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18 Caritas Nachbarn 1/09 Texte: Daniel Wirz, Urs Odermatt; Bilder: Reto Klink, Jutta Vogel

Fussball verbindet – einerseits die Fans auf der Tribüne, viel mehr aber noch die Spie-ler, die sich oft mit verschiedensten kul-turellen Hintergründen als Mannschaft zusammenfinden müssen, wenn sie erfolg-reich sein wollen. Caritas Zürich und der FC Winterthur starten deshalb gemeinsam das Projekt «Wintegration».

Der Ball ist rund – das gilt für den Fussball wie für den Erdball. Keine andere Sportart vermag es, rund um die Welt so viele Menschen zu faszinieren und zusam-menzubringen. Offensichtlich wird das unter anderem dann, wenn man Namen aus einer Mannschaftsliste wie derjenigen des FC Winterthur sieht: Neben Namen wie Senn, Lüscher und Bühler stehen eher exotische wie Aziawonou, Abrashi, Ljimani oder Berisha. Die Verschiedenheit der kul-turellen Hintergründe ist manchmal auch für die Trainer eine Herausforderung. Um damit besser umgehen zu können, machte der FC Winterthur beim Teamplay-Projekt von Caritas mit, bei dem interkulturelle Zu-sammenhänge vermittelt werden.

Erst zusammen sind wir komplettGemeinsam mit Caritas Zürich lancierte der FCW ausserdem das Projekt «Winte-gration» mit dem Leitsatz «Erst zusammen sind wir komplett». Dabei soll es auch Kin-dern und Jugendlichen aus armutsbetrof-fenen Familien möglich gemacht werden, mitzuspielen. Gleichzeitig will Caritas Zü-rich mit der Aktion ihr Beratungsangebot bei Betroffenen bekannter machen.

Mehr Informationen zum Projekt gibt es auf www.wintegration.ch.

Caritas-Netz

Fussball spielen«Erst zusammen sind wir komplett», unter diesem Titel star-ten der FC Winterthur und Caritas Zürich das gemeinsame Projekt «Wintegration».

Transfer

Der bewährte Kurs für transkulturelle Kom-petenz im beruflichen und privaten Alltag startet im Mai 2009 unter der Leitung von Caritas Luzern mit neuem Konzept.

Der Kurs «Transfer» richtet sich an Per-sonen, die ihre transkulturelle Kompetenz erweitern wollen. Sie möchten sich für ein besseres Zusammenleben im privaten Be-reich, im Beruf, im Verein, in der Schule, in der Gemeinde, in der Kirchgemeinde, im Quartier oder ganz einfach in ihrem per-sönlichen Umfeld einsetzen.

Auf vielfältige Art vermittelt «Transfer» Fach- und Hintergrundwissen zu transkul-turellen Kompetenzen und stellt gleich-zeitig den Transfer in den Alltag her. Die Teilnehmenden bewegen sich in verschie-denen kulturellen Kontexten, Altersgrup-pen und Lebenswelten. Sie fördern Prozesse bei Gruppen und Einzelnen und suchen ge-meinsam Lösungen. Die Teilnehmenden können in ihrem näheren oder weiteren Umfeld Aktivitäten zur Integration und Rassismusbekämpfung anregen.

Der Kurs wird an sechs Wochenenden und zwei Zusatztagen im RomeroHaus Lu-zern durchgeführt.

Weitere Auskünfte finden Sie unter www.kurs-transfer.ch.

Die Trikots der FCW-Spieler werden in der Rückrunde vom Caritas-Logo und unserer Kampagne «Erst zusammen sind wir komplett.» geschmückt.

Kurs für transkulturelle Kompetenz

Transfer führt Menschen zusammen.

CAZH.indb 18 19.3.2009 18:04:24 Uhr

Page 19: Nachbarn 1/2009

Hell und luftig soll es sein, einladend und schön. Claudia Haessigs Vorstellungen vom idealen Ladenlokal lassen sich auf einen Punkt bringen: Es soll Klasse haben. Das gilt auch für den von ihr geleiteten Caritas Laden in Luzern. Denn sie weiss, dass sich eine ansprechende Präsentation der Wa-ren in mehr als einer Hinsicht positiv aus-wirkt. «Ein stilvolles Ambiente wertet auch die Menschen auf, die darin arbeiten.»

Ein ErwerbslosenprogrammDie Menschen, die hier arbeiten, haben un-terschiedliche berufliche Hintergründe. Die sechs Festangestellten kommen aus dem Verkauf oder aus der Sozialpädagogik. Die rund 45 anderen Frauen und Männer kom-men aus allen möglichen Branchen und ha-ben eines gemeinsam: Sie nehmen an einem Erwerbslosenprogramm teil. Entweder sind sie vom RAV oder vom Sozialdienst hierher-geschickt worden oder sie haben sich frei-willig für einen Einsatz gemeldet. Einige von ihnen können schnell weitervermittelt werden, anderen fällt es schwer, zurück in die Arbeitswelt zu finden. Im Caritas La-den sollen sie praxisnahe Erfahrungen sam-

meln, ihre Kompetenzen vertiefen und er-weitern und Verantwortung übernehmen. Dass an der Ladentür «Beschäftigungspro-gramm» steht, stört Claudia Haessig des-halb ein bisschen. «Wir sind ein richtiger Laden mit richtigen Arbeitsplätzen und richtiger Arbeit.»

Ein GebrauchtwarenhandelMit Brockenhäusern hat Claudia Haes-sig eigentlich immer etwas Mühe gehabt. Sie waren ihr oft zu miefig, zu schmudd-lig. Umso wichtiger ist ihr, dass der Laden blitzsauber ist und das Angebot schön or-dentlich aufgehängt, aufgereiht und aufge-stellt: die Kleider und Schuhe, die Trink-gläser und Bücher, die Möbelstücke und Haushaltgeräte. Der «Gebrauchtwarenhan-del», wie Claudia Haessig den Laden nennt, ist ein veritabler Umschlagplatz. Immer wieder kommen Leute vorbei und geben ab, was sie zuhause nicht länger benötigen. Nach einem Umweg über eine ausgelagerte Sortier- und Reinigungsstelle kommen die Gegenstände wieder zurück in den Caritas Laden, wo sie oft bereits nach zwei Tagen neue Besitzer finden.

Ein Laden mit KlasseEin Caritas Laden ist ein ganz besonderer Ort: Den Kundinnen und Kunden bietet er güns-tige, gute Ware, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dient er als «Startrampe» zurück in den ersten Arbeitsmarkt, und für die Caritas ist er ein wichtiges Standbein.

Ein Laden mit StammkundschaftDie Kundschaft ist bunt gemischt – kauf-kräftige Mittelklasseangehörige auf der Suche nach einem Schnäppchen, Leute mit knappem Budget, die sich hier leisten können, was anderswo unerschwinglich ist, Einheimische, Migranten, Alte und Junge. «Viele von ihnen sind Stammkun-den», sagt Claudia Haessig. Der Umsatz, den der Caritas Laden erzielt, kann sich sehen lassen: Rund 700 000 Franken wa-ren es letztes Jahr. Der Erlös nach Abrech-nung der Aufwendungen fliesst in diverse soziale Projekte der Caritas, wie zum Bei-spiel den Caritas-Markt, der sich gleich ne-ben dem Caritas Laden befindet und güns-tige Lebensmittel anbietet.

«Hier ist mein Job!»Wer von seinem Sozialarbeiter oder Berater zum Einsatz im Caritas Laden aufgeboten wird, tut sich anfangs manchmal schwer damit. «Einigen Leuten fällt es nicht leicht, sich auf die neue Situation einzulassen», sagt Claudia Haessig. Denn wer einst als Maurer oder Chauffeur gearbeitet habe, sei oft zuerst mal verunsichert, wenn er in ein neues Arbeitsfeld integriert werde, um Er-fahrungen zu sammeln. Zusammen mit ih-rem Team setzt sie alles daran, die Leute zu «packen», zu fördern und zu begleiten. «Es ist immer wieder von Neuem schön, mitzu-erleben, wie manche dann den Knopf auf-machen, sich mit dem Betrieb zu identifi-zieren beginnen und stolz sagen: ‹Hier ist mein Job, hier kann ich was lernen!›»

Im Caritas Laden finden sich nicht nur neue und gebrauchte Kleider zu günstigen Preisen, sondern auch Schnäppchen bei Geschirr, Möbeln, Apparaten und Büchern.

19Text: Ursula Binggeli; Bild: Reto Klink 1/09 Nachbarn Caritas

Caritas Läden mit Secondhand- Artikeln gibt es vielerorts in der Schweiz. Das Angebot von Caritas Zürich finden Sie unter:www.caritas-zuerich.ch/second-hand

Caritas Laden in der Nähe

CAZH.indb 19 19.3.2009 18:04:33 Uhr

Page 20: Nachbarn 1/2009

Caritas Nachbarn 1/09 Bild: zvg

Der Appenzeller Geiger Noldi Alder stellt sich zehn Fragen der Caritas. Er gilt als Erneuerer der Schweizer Volksmusik, scheut aber nicht die Begegnung mit moderner Musik.

«Nichts tun ist das Einzige, was man nicht wiederholen kann»

Was würden Ihre Nachbarn über Sie sagen? Ein komischer Vogel, und trotz-dem erfolgreich. Man sieht ihn selten. Hätte Lust, einmal mit ihm einen Abend zu plau-dern, denn ich weiss gar nicht, was er den ganzen Tag macht.

Was macht Sie glücklich? Wenn meine Musik den Menschen mehr sagt als Worte. Die Fussspur eines Auerhahns im Wald. Wenn ich einen schönen Pilz fi nde. Eine Zigarre rauchen vor meinem Wald-hüttli. Wenn ich humorvollen Menschen begeg ne.

Was sollte sich in unserer Gesellschaft ändern? Ich wünsche mir, dass alle Men-schen mehr Eigenverantwortung über-nehmen. Dass wir von anderen Kulturen lernen. Nicht, wie es jetzt läuft : Missionie-ren! Jeder Mensch hat unglaubliche Bega-bungen, die mit keinem heutigen Schul-system entwickelt werden.

Die Realität sollte den Menschen bes-ser gelehrt werden. Alle Sinne werden vom heutigen System mit Parfümerie, Musik-markt, Zeitungen, Werbung und vom TV manipuliert.

Welche Erfahrung hat Ihr Leben ge-prägt? Zuerst beobachten, dann handeln! Das Elternhaus und meine drei Berufsaus-bildungen.

Auf welche Bequemlichkeit können Sie nicht verzichten? Auf mein Mittags-schläfchen und die tägliche Tasse Kaff ee am Stammtisch.

Wofür lohnt es sich, zu streiten? Das lohnt sich nur, wenn man die Absicht hat, eine Lösung zu fi nden.

Was ist Ihre grösste Angst? Intolerante Menschen. Wenn den Leuten der Humor ausgeht.

Die bedeutendste Person der Mensch-heitsgeschichte? Sie muss sehr klein und unbekannt sein, darum habe ich sie noch nicht kennengelernt!

Woher stammen Ihre Werte? In meinem Leben spielen die Natur und die dazugehö-renden Schwingungen die grösste Rolle. Als Bauernsohn aufgewachsen, verbringe ich meine Freizeit heute noch in der Natur.

Ich versuche trotz einem überdurch-schnittlichen Erfolg bescheiden zu bleiben. Ich beobachte das Verhalten des Menschen in verschiedenen Situationen. Durch die-sen Lernprozess bin ich in der Lage, nach längerer Zeit für mich gesunde Entschei-dungen zu treff en.

Was gibt Ihnen Kraft? Ein gelungenes Konzert, ein lustiger Witz, ein schöner Baum, ein strahlendes Gesicht.

Noldi Alder Beruf Handwerker und MusikerFreizeit Warum haft en wir am Traditio-nellen? Antwort: Weil wir nicht mehr genau wissen, was das heisst.Ziele im Leben Das Plus und das Minus in der Waage halten.Motto Nichts tun ist das Einzige, was man nicht wiederholen kann.

Persönlich

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CAZH.indb 20 19.3.2009 18:04:43 Uhr

Page 21: Nachbarn 1/2009

Budget

Frau Hunziker lebt mit ihren zwei Kindern im Alter von 6 und 10 Jahren am Stadtrand von Aarau. Seit der Scheidung arbeitet sie stundenweise als Serviceaushilfe.

Die Familie lebt am Existenzminimum. Am Ende des Monats bleibt des-halb kaum etwas übrig, diesen Monat verfügt Frau Hunziker aber über fünfzig Franken, die sie frei einsetzen kann.

1/09 Nachbarn Caritas

Neues Geschirr für die Familie...

Es ist immer dasselbe beim Essen: Niemand will die kaputten Teller. Und niemand will die

braunen Tassen. Die bunt zusammen gewür-felten Stücke sind alle arg in Mitleidenscha�

gezogen worden.

Frau Hunziker träumt schon lange von einem neuen Ser-vice, bei dem sämtliche Stücke zusammen passen. Mit dem

sie sich nicht zu schämen brauchte, wenn Besuch kommt. Diesen Monat würde das Geld reichen für die Aktion, die sie

beim Möbelhaus gesehen hat. Ein komlettes Set aus je 6 Stück Tassen, kleinen und grossen Tellern.

Aber jetzt ist es bald sowiet: Julia erhält ihre er-sten Rollerblades. Sie weiss schon ganz genau welche, hat sie sich immer wieder angesehen im Supermarkt. Silbern sind sie, mit schwarzen und roten Streifen, vier Rädern und einer Schnalle, wie bei den Skischuhen.

Schon letzten Frühling redete Julia nur von Rollerblades. Monatelang erzählte sie davon, bis es wieder kalt wurde und die Roller-blades vom Snowboard abgelöst wurden. Mutter vertröstete sie stets auf nächstes Jahr, da das Budget knapp und anderes wichtiger war.

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Einkünfte + CHF 3 211.00

Wohnungsmiete: - CHF 850.00

Versicherungen u.

Gesundheitsk: - CHF 350.00

Steuern: - CHF 50.00

Erwerbsunkosten: - CHF 125.00

Lebensunterhalt

total: - CHF 1 786.00

REST + 50.00

Spass für eines der Kinder oder das Nötigste für die Familie?

Als Aktion nur CHF 49.90

Aktion, nur CHF 45.90

... oder Rollerblades für Julia

4_nat.indd 21 1.4.2009 10:18:09 Uhr

Page 22: Nachbarn 1/2009

Kiosk

Publikationen

Heinz Inderbitzi«Weite»

Tom von Kaenel «Fluss»

Heinz Inderbitzi «Abendstimmung»

Tom von Kaenel «Meer»

«Lohnt sich Arbeitimmer?»

Eine qualitative Unter-suchung von Familienin knappen fi nanziellen Verhältnissen.

Arbeit sichert die Existenz einer Familie – könnte man meinen. Doch nicht alle er-werbstätigen Menschen verdienen genug, um zusammen mit ihrer Familie davon le-ben zu können. Das Diskussionspapier der Caritas Zürich nimmt die systembedingten Ungerechtigkeiten unter die Lupe und zeigt anhand konkreter Beispiele, was dies für betroff ene Personen bedeutet.

«Auf dünnem Eis»

Menschen in prekären Lebenslagen.

13 Porträts von Men-schen auf dünnem Eis geben einen Einblick

in Einzelfälle und zeigen jedes für sich auf, wie sich Ereignisse verketten und wie die Betroff enen mit der Situation umge-hen. Caritas Zürich stellt mit diesem Dis-kussionspapier die Prekarität konsequent als mehrdimensionale Lebenslage dar.

«Einmal arm – immer arm?»Lebensgeschichten zur sozialen Mobilität in der Schweiz.

Vom Tellerwäscher zum Millionär – die-

ser Traum ist das Paradebeispiel für den sozialen Aufstieg. Aber längst nicht alle, die aufsteigen wollen, können es auch. Und nicht alle, die aufsteigen konnten, haben es durch eigene Leistung geschafft . Welche Faktoren begünstigen den sozi-alen Aufstieg? Und welche Massnahmen können soziale Organisationen anbieten, um soziale Mobilität zu fördern?

TrauerkartenUnsere Trauerkarten werden mit Couvert, neutralem Einlageblatt, einem Gedicht von Silja Walter und einem Einzahlungs-schein für die Grabspende ausgeliefert. Wenn Sie Ihre Trauerkarte mit einer Spende an die Caritas Zürich verbinden, setzen Sie ein Zeichen der Hoff nung für benachteiligte Menschen, die unsere Hilfe und Unterstützung brauchen.

BestellungenAlle Artikel auf dieser Seite können Sie in unserem Onlineshop beziehen:www.caritas-zuerich.ch/shop

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Arbeit sichert die Existenz einer Familie

in Einzelfälle und zeigen jedes für sich

ser Traum ist das Paradebeispiel für den

5. Zürcher Armutsforum

Das Zürcher Armutsforum fi ndet zum 5. Mal statt. Die Caritas Zürich unter-sucht die kantonale Armutspolitik der letzten Jahre und diskutiert Zukunfts-perspektiven. Donnerstag, 29. Oktober 2009,

9 Uhr, Technopark Zürich

Grundkurs zur Sterbebegleitung

Grundkurs für alle, die sich mit dem Thema «Sterben und Trauern» ausein-andersetzen möchten oder jemanden in der letzten Lebensphase begleiten(vgl. Artikel auf Seite 17). 16. Juni bis 29. September 2009,

Paulus-Akademie Zürich. Weitere Informationen aufwww.caritas-zuerich.ch/kurse

Generalversammlung Caritas Zürich

Zu unserer Generalversammlung möchten wir alle Interessierten recht herzlich einladen. Dienstag, 16. Juni 2009, ab 18 Uhr

Sumatra-Saal, Freie Kath. Kirche, Sumatrastrasse 31, Zürich

Vortrag zur Patientenverfügung

Durch Unfall oder schwere Krankheit nicht mehr mitteilungsfähig? Die Pati-entenverfügung ermöglicht es, eigene Vorstellungen schriftlich festzuhalten. Im Vortrag erfahren Sie, wie. Mittwoch, 3. Juni 2009, 16 Uhr,

ref. Kirchgemeindehaus, Stettbach-strasse 58, Schwamendingen

Caritas Nachbarn 1/09

Veranstaltungen

CAZH.indb 22 19.3.2009 18:04:56 Uhr

Page 23: Nachbarn 1/2009

Illustration: Bruno Muff ; Bild: zvg 1/09 Nachbarn Caritas 23

GedankenstrichGedankenstrich

die sie fürchten wie der Teufel das Weih-wasser, schimpfen eifrig mit schafskalten und rabenschwarzen Argumenten dagegen, aber sonst ist es ja hierzulande einigermas-sen ruhig.

Das heisst aber gar nicht, dass nicht ernsthaft Not am Manne, an der Frau wäre. Dieses Magazin schildert Fälle. Und jeder Fall ist einer zu viel.

Man sollte halt ... man könnte doch ... gerade gestern habe ich noch gedacht ...

Denken ist gut, tun ist besser.

In der Tat, Taten sind gefragt. Zunächst gar keine grossen: ein bisschen Freundlich-keit, ein Quäntchen Hilfsbereitschaft . Das heisst zwar nicht so, kann aber durchaus sowas wie «soziale Integration» bewirken, und das ist schon recht viel.

Reicht aber nicht. Ab und zu «dörfs au es Bitzeli meh sii». Etwa wenn’s darum geht, unseren behinderten Mitmenschen zu hel-fen, ihr Leben integriert zu meistern: mit 0,4 Prozentchen sind wir dabei.

Deutsch und deutlich: Mit der Sanie-rung der IV hätten wir schon wieder ein ganzes Stück sozialer Integration geschafft . Denn verschoben darf keineswegs aufgeho-ben sein.

Soziale Integration, so sagt die Soziologie, sei der Zusammenhalt von Teilen in einem systemischen Ganzen und die dadurch er-zeugte Abgrenzung von einer unstruktu-rierten Umgebung.

Wow! Das klingt aber beeindruckend.

Oder: «Die Integration einer Gesell-schaft ist nur gewährleistet, wenn ein brei-ter Konsens über die Zuweisung von Posi-tionen im sozialen System besteht. Existiert dieser Konsens nicht oder nur teilweise, entstehen strukturelle Spannungen im Sys-tem, die ihr Ventil in sozialen Konfl ikten fi nden.»

So verzwackt die gelehrten Sätze, so klar der Fall: Wenn es uns nicht gelingt, uns zu einigen darüber, dass jeder/jede sei-nen/ihren Fähigkeiten, Neigungen und Eig-nungen entsprechend leben kann, wenn wir nicht bereit sind, allen den Raum zuzuge-stehen, der ihnen zukommt, riskieren wir früher oder später Krach.

Allerdings, wenn wir uns mal auf un-sere ordentliche Schweiz beschränken, hält sich der Krach in erträglichen Gren-zen. Da besetzen mal welche, die gerne In-tegration hätten, eine Kirche, und andere,

Soziale Integration

Charles Clerc

16 Jahre war Charles Clerc als Redaktor und Moderator der Tagesschau beim Schweizer Fern-sehen tätig. Sein Markenzeichen war jeweils sein Schlusssatz «Und zum Schluss noch dies ...».

CAZH.indb 23 19.3.2009 18:05:02 Uhr

Page 24: Nachbarn 1/2009

Zürich

CAZH.indb 24 19.3.2009 18:05:05 Uhr