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Nachbarn Nr. 1 / 2013 Zürich Bildung gegen Armut Fünf Porträts von Menschen, die dank Caritas-Projekten in der Schweiz mehr wissen.

Nachbarn 1/2013

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Bildung gegen Armut

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NachbarnNr. 1 / 2013Zürich

Bildung gegen ArmutFünf Porträts von Menschen, die dank Caritas-Projekten in der Schweiz mehr wissen.

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Inhalt

Schwerpunkt

Bildung gegen Armut

Bildung ist die wirksamste Hilfe für Men-schen, die von Armut betroffen sind. Gleich-zeitig ist Bildung die beste Armutspräventi-on. Denn wer über eine hohe Bildung verfügt, findet schneller eine Stelle, verdient mehr und ist weniger gefährdet, arbeitslos zu wer-den. Fünf Porträts von Menschen, die dank Caritas-Projekten mehr wissen. Und Lö-sungsansätze, um allen einen fairen Zugang zu Bildung zu gewähren. ab Seite 6

Inhalt

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Ronaldo macht eine Attestausbildung im Caritas-Markt.

Editorial

3 von Max ElmigerDirektor Caritas Zürich

Kurz & bündig

4 News aus dem Caritas-Netz

1977

12 Schulsport Bewegung dazumals

Persönlich

13 «Welche Ausbildung würden Sie heute gerne machen, wenn Sie nochmals von vorne beginnen könnten?»

Sechs Antworten.

Caritas Zürich

14 Erlebniswochen für Eltern und Kinder Die Familienwochen bieten Entlastung und neue Impulse für den Alltag.

16 Rap gegen Armut Jugendlichen das Wort erteilt.

17 Neu eingekleidetAriel Leuenberger, eingekleidet in unseren Secondhand-Läden. Fotografiert von Roth und Schmid Fotografie.

18 Zu wenig Platz zum Leben Fahrende in der Not. Es braucht dringend mehr Stand- und Durchgangsplätze.

19 News von Caritas Zürich

Kiosk

22 Ihre Frage an uns

Gedankenstrich

23 Kolumne von Paul Steinmann

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Editorial

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«Nachbarn», das Magazin der regionalen Caritas-Stellen, erscheint zweimal jährlich. Gesamtauflage: 40 130 Ex. .

Auflage ZH: 13 700 Ex.

Redaktion: Ariel Leuenberger, Sima Mangts-hang

Gestaltung und Produktion: Daniela Mathis, Urs Odermatt

Druck: Stämpfli Publikationen AG, Bern

Caritas ZürichBeckenhofstrasse 168021 ZürichTel: 044 366 68 68www.caritas-zuerich.chPC 80-12569-0

Fehlende Bildung ist eines der grössten Armutsrisiken in der Schweiz. Trotz zahlreicher Reformen ist der Zugang zu Bildung nach wie vor nicht für alle gleichermassen gewährleistet. Lehrstoff wird zum wertvollsten Rohstoff in unserem Land. Das zeigt auch das Schicksal von Nico Bühler*.

Es könne nicht sein, dass er mit 43 Jahren bis zur Pensionie-rung von der Sozialhilfe durchgefüttert werden müsste, meinte er, als ich ihn das letzte Mal sah. «Ich will wirklich arbeiten, fin-de aber keine Stelle.» Sein Bildungsrucksack ist ziemlich leicht. Es gibt darin den obligatorischen Schulabschluss, eine Anleh-re im Baugewerbe und wenige PC-Kenntnisse. Mit Lesen und Schreiben tut er sich schwer. «Ich bin aus der Übung gekom-men», gesteht er. Und auf dem Bau hat’s wegen gesundheitli-che Probleme nicht mehr geklappt. Nichts Schlimmes, aber wer

möchte schon jemanden anstel-len, der nicht die volle Leistung bringt? Er habe bereits etliche Anläufe unternommen, eine Ausbildung nachzuholen: zu teuer, zu unrealistisch.

Wir haben Nico Bühler beraten. Seit Anfang Jahr besucht er den «Compirat-Kurs». Hier kann er einfache Computer- und Internet-Anwenderkenntnisse er-werben, die ihn bei der Stellensuche und Recherche nach Wei-terbildungsangeboten unterstützen. Mit der KulturLegi erhält er bei zahlreichen Ausbildungsinstituten, z.B. bei der Migros-Klubschule, Vergünstigungen auf das Kursgeld. Nico Bühler hat bei uns in der Beratung wieder neuen Mut ge-fasst. Wir wünschen ihm, dass er sein ambitiöses Berufsziel, Logistiker, erreicht.

Herzlich

Liebe Leserin, lieber Leser

Max Elmiger Direktor Caritas Zürich

«Lehrstoff wird zum wertvollsten Rohstoff.»

* Name geändert.

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Kurz & bündig

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Caritas-Netz

Mit verein-ten KräftenDie Schweizer Caritas-Or-ganisationen arbeiten im Caritas-Netz eng zusam-men. Hier suchen sie nach Lösungen für sozialpoliti-sche Probleme und tau-schen Projekte aus.

In der Schweiz bestehen 16 regiona-le unabhängige Caritas-Organisa-tionen, die soziale Projekte direkt vor Ort realisieren. Gemeinsam mit Caritas Schweiz engagieren sie sich unter anderem in der Aktion «Armut halbieren», in der Schul-denberatung, den Caritas-Märkten, bei der KulturLegi und im Caritas-Netz. So können kleinere Organisa-tionen vom Know-how der grösse-ren profitieren.

Soziale Projekte können in neuen Regionen angeboten werden, die Kosten für Kampagnen werden unter den Mitgliedern des Caritas-Netzes aufgeteilt – auch dieses Ma-gazin ist ein Gemeinschaftsprojekt.Obwohl es grosse Unterschiede gibt, verfolgen doch alle Caritas-Organisationen dasselbe Ziel: Ar-mutsbetroffenen und ausgegrenz-ten Menschen zu helfen und sich für ihre Anliegen einzusetzen.

Soziale Aufgaben im ländlichen Raum

«Luege, lose, handle!» Die Welt verändert sich, auch im ländlichen Raum: Neue Lebensformen, hohe Mobilität, versteckte Armut und der wirtschaftliche Wandel sind Stich-worte dazu.

Die Caritas Luzern hat deshalb bei der Hochschule Luzern - Soziale Arbeit eine Studie in Auftrag gegeben unter dem Titel «Soziale Aufgaben im ländlichen Raum». In der Folge lud sie zu-sammen mit den Landeskirchen an drei Orten zu Diskussionsfo-ren ein. Hier wurden die Resultate der Studie diskutiert und an den eigenen Erfahrungen gemessen.Man stellte etwa fest, dass es die Nachbarschaftshilfe immer noch gibt, dass aber die sozialen Netze kleiner geworden sind. Viele junge Familien wohnen nicht mehr im direkten Umfeld ihrer Ursprungsfamilien. Allzu oft liegen Arbeits- und Wohnort weit auseinander. Zudem arbeiten meist beide Elternteile. So wird die ausserfamiliäre Kinderbetreuung auch in ländlichen Gebieten immer wichtiger, und es braucht Hilfsangebote für Fa-milien in Überlastungssituationen. Für die Zukunft wurden verschiedene Handlungsansätze festge-halten: Armut in ländlichen Gebieten ist oft versteckt, Betroffene suchen meist erst im letzten Moment um Hilfe. Hier gilt «Luege, lose, handle» beiderseits, für Betroffene wie das Umfeld. Man war sich einig, dass es zwar viele Initiativen und Angebote gibt, dass es aber auch zunehmend wichtiger wird, Netzwerke zu stär-ken und zu koordinieren. Zur besseren Integration von Migran-tinnen und Migranten wünscht man sich vermehrt gegenseitige Kulturvermittlung sowie Sprachförderung. Nicht zuletzt gilt es den wirtschaftlichen Wandel kritisch zu hinterfragen und auch politisch Partei zu nehmen für Benachteiligte.

eigenständige Caritas-Organisationen

In der Schweiz gibt es

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Kurz & bündig

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Regionale Caritas-Organisation

Solothurn startet neu Mit einem Caritas-Markt, einer Beratungsstelle und der KulturLegi startet Caritas Solothurn neu, nachdem sie vor zehn Jahren die Tätigkeit einstel-len musste.

Mit dem Wiederaufbau wurde Caritas Aargau beauftragt. So können Erfahrung und Wissen optimal genutzt werden. Als Geschäftsführerin verantwortet Regula Kuhn-Somm die neuen Projekte. Eine ihrer grossen Herausforderungen ist das Knüp-fen eines lokalen Netzwerks. Neben dem Caritas-Markt in Olten wird im September in Solothurn eine Beratungsstelle für Hilfe-suchende eröffnet. Geplant ist weiter, die KulturLegi im ganzen Kanton einzuführen. Am 8. Mai 2012 hatte die Mitgliederversammlung den Wieder-aufbau von Caritas Solothurn beschlossen; schon am 1. Juni nahm die Geschäftsstelle der regionalen Caritas-Organisation den Betrieb auf. Caritas Solothurn blickt auf eine bewegte Ge-schichte zurück. Nach einem breiten Engagement in den 1990er-Jahren musste sie jedoch 2003 ihre Tätigkeiten einstellen – ein grosser Leistungsauftrag ging verloren, was zu finanziellen Problemen führte. Ehrenamtlich engagierte sich der Vorstand weiter und eröffnete 2009 den Caritas-Markt in Olten. Dadurch stiess das ehrenamtliche Engagement an Grenzen. Ein intensi-ver Strategieprozess führte zum Entscheid, den Neustart einer regionalen Caritas-Organisation zu wagen. www.caritas-solothurn.ch

NEWS In guten Händen

30 000 Betreuerinnen arbeiten illegal und schlecht bezahlt in Schweizer Haus-halten. Darum bietet Caritas Schweiz neu das Projekt «In guten Händen» an: Ausgebildete Rumäninnen und Rumänen helfen älteren, gebrechlichen Menschen. Die Partnerorganisation vor Ort wählt Betreuungspersonen aus, bereitet sie vor und beschäftigt sie nach dem Schweiz-Einsatz weiter. Die Einsatzleiterin von Caritas Schweiz klärt den Bedarf mit den Betroffenen ab, führt die Betreuungsper-sonen im Haushalt ein und begleitet sie während ihres Einsatzes.

Internetzugang im Caritas-Markt Chur

Neu bietet der Caritas-Markt Chur ein In-ternet-Café für alle an. Zwei Computer ste-hen dafür zur Verfügung. Der Preis ist mit einem Franken für 30 Minuten Nutzung günstig. Das Angebot richtet sich vor allem an Armutsbetroffene, die sich zuhause kei-nen Internetanschluss leisten können.

Weihnachtsessen für Alleinstehende

Für alleinstehende, armutsbetroffene und einsame Menschen organisiert Cari-tas Zürich seit 1932 die Caritas-Weih-nacht: ein feines Essen mit einem Ge-schenk für alle Anwesenden. Auch 2012 kamen über 350 Personen ins Volkshaus. Sie liessen sich von der festlichen Atmo-sphäre und den Weihnachtsliedern, ge-sungen von Alina Amuri, verzaubern. Und konnten so einige glückliche Stunden in einer schwierigen Zeit verbringen.

Rorschach startet «FemmesTISCHE»

Caritas St. Gallen-Appenzell führt in der Ostschweiz mit Erfolg «FemmesTISCHE», das Elternbildungsprogramm mit Mig-rantinnen, durch. 2012 fanden 179 Veran-staltungen in 14 verschiedenen Sprachen statt. An den Gesprächsrunden nahmen insgesamt 1116 Frauen teil. Im Januar 2013 hat nun auch die Stadt Rorschach das Projekt gestartet. Im Mai sollen die ersten Gesprächsrunden in mehreren Sprachen durchgeführt werden.Auch in Solothurn können Menschen mit knappem Budget bald von den

Vergünstigungen der KulturLegi profitieren.

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Rubrik

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Malice B.: «Dank ‹schulstart+› kann ich die Zukunft meiner Kinder – und auch meine eigene – besser planen.»

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Schwerpunkt

alice B. und ihr Mann stammen aus kosovo-al-

banischen Familien. Die Bürokauf-frau und der Projektleiter Metallbau haben zwei kleine Söhne (3 und 5). Malice B.: «Ich bin in München auf-gewachsen. Meine Erinnerungen an die eigene Schulzeit sind schön. Auch wenn wir daheim Albanisch redeten – so wie ich es jetzt auch mit den eigenen Kindern halte –, hatte ich von Anfang an nie Probleme, dem Unterricht zu folgen. Ich war eine gute Schülerin. Dass ich eine Einführung ins Schweizer Schul-system sinnvoll fand, mag auf den ersten Blick erstaunen. Aber die Un-terschiede zwischen dem deutschen und dem schweizerischen Bildungs-wesen sind grösser, als man denkt, und so war ich dankbar, als eine Kollegin mich auf <schulstart+> aufmerksam machte. Der Kurs war toll. Stufe um Stufe lernte ich dort, wie das Schulwesen funktioniert. Nun werde ich meine Söhne besser unterstützen können, und ich habe auch für mich selber sehr profitiert. Im Kurs haben wir unter anderem Besuch aus dem BIZ bekommen; ich werde mich nun dort über den be-ruflichen Wiedereinstieg und die Weiterbildungsmöglichkeiten in-formieren. Und mit den Söhnen werde ich in der Waldspielgruppe, die ich bei <schulstart+> kennen-lernte, schnuppern gehen!»

«schulstart+»: Elternbildungs-kurs, der Familien ausländischer

Herkunft auf den Schuleintritt der Kinder vorbereitet. Der 8-wöchige Kurs vermittelt Informationen zum Schweizer Schulsystem und Tipps für die Unterstützung und Begleitung der Kinder.

Ronaldo M. und Milenko S. absolvieren im Caritas-Lebens-mittelladen die zweijährige Aus-bildung zum Detailhandelsassis-tenten. Die Eltern von Ronaldo M. stammen aus Angola. Dass er nicht

der einzige Lernende im Betrieb ist, sondern mit Milenko S., dessen Familie bosnischer Herkunft ist, einen Kollegen hat, freut ihn sehr. Ronaldo M.: «Ich gehe die Dinge positiv an. Freizeit heisst für mich: Spass haben, tanzen, Musik hören. Als ich mich 2011 für die Lehrstelle bewarb, hat man mir erzählt, dass

arbeitslose Leute oder Asylsuchen-de im Lebensmittelladen einen Arbeitseinsatz machen und dass es deshalb immer wieder Wechsel gibt. Man muss flexibel sein und Freude an neuen Leuten haben, damit es einem hier gefällt. Für mich ist das bestens. Es läuft mir gut in der Lehre. Wir haben gute Chefs, die uns auch genügend Zeit gewähren, um für die Schule zu ler-nen.» Milenko S.: «Eigentlich habe ich Logistiker werden wollen. Aber meine Schulnoten lagen zu tief. Im zehnten Schuljahr hat mich der Berufscoach dann auf die Attest-lehren bei der Caritas aufmerksam gemacht. Mir gefällt es hier. Ich lerne viel – über die Lebensmittel, über ihre richtige Lagerung, über Hygiene. Und jetzt beginnen Ro-naldo und ich uns bereits auf die Lehrabschlussprüfung vorzube-reiten. Wenn unsere Vorgesetzten mal unterwegs sind, haben nun wir die Verantwortung im Laden. Was ich nach dem Lehrabschluss ma-chen möchte, weiss ich noch nicht genau. Auf jeden Fall will ich eine Vollzeitstelle.»

Attestlehre Die Caritas bietet Ausbildungsmöglichkeiten in unterschiedlichen Bereichen an, unter anderem Attestlehren im Caritas-Markt. Diese zwei Jahre dauernden Ausbildungsgänge eröffnen Jugendlichen mit Migrati-onshintergrund berufliche Zu-kunftsperspektiven.

Bildung macht stark Bildung ist Selbstverwirklichung und führt zu mehr Selbstbestimmung. Fünf Menschen, die dank Caritas-Projekten neue Ideen, neue Möglichkeiten, neue Freunde gefunden haben, erzählen.

Text: Ursula Binggeli Bilder: Urs Siegenthaler

M

Ronaldo M. und Milenko S.: «Unser Lehr-betrieb ist speziell, weil der Caritas-Markt sozial ist.»

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Schwerpunkt

Regina B.Seit langer Zeit kämpft Regina B. mit Depressionen. Dennoch hat sie als alleinerziehende Mutter viele Jah-re alle Herausforderungen bewältigen können. Als ihre Tochter in die Pubertät kam, fürchtete Regina B. dann aber, dem Mädchen nicht ausreichend Grenzen setzen zu können. Deshalb lebt dieses heute in einem Schulheim. Regina B.: «Seit fünf Jahren sind meine De-pressionen so stark, dass ich grosse Mühe habe, alleine unterwegs zu sein. Ohne meinen Hund Bubi, der mich überallhin begleitet und sehr kontaktfreudig ist, hätte ich mich auch nicht in den Italienischkurs getraut, den ich letztes Jahr besuchen konnte. Mit der KulturLegi der Caritas gab es 50 Prozent Rabatt, und der Sozial-dienst hat den Restbetrag übernommen. Den Kursbe-such habe ich sehr genossen. Ich lernte dort gute Leute kennen, und es machte mir Spass, mich mit der italie-nischen Sprache auseinanderzusetzen. Seit drei Jahren habe ich einen lieben Partner, mit ihm kann ich auch Ausflüge unternehmen. Er hat Bekannte in Italien,

Regina B.: «Der von der KulturLegi ermöglichte Italienischkurs hilft mir, auf Leute zuzugehen.»

und letztes Jahr sind wir zu diesen in die Ferien ge-gangen. Es freut mich, zu wissen, dass ich mich beim nächsten Mal besser mit ihnen werde verständigen können. Bubi ist mittlerweile 10 Jahre alt. Aber dass sein braunes Fell auf dem Rücken weiss geworden ist, hat sicher nicht mit dem Alter zu tun, sondern damit, dass ich ihn so oft streichle!»

KulturLegi: Ein Angebot für Personen, die nachweis-lich am oder unter dem Existenzminimum leben. Mit der KulturLegi gibt es in den Bereichen Bildung, Kultur, Sport und Freizeit einen Rabatt von mindes-tens 30 Prozent auf über 1300 Angeboten in der ganzen Schweiz.

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Schwerpunkt

nahen Verwandten, die im Iran getötet worden sind, und die Wände sind noch fast kahl. Ich traue mich nicht, sie zu schmücken, weil ich nach wie vor Angst habe, alles wieder zu verlieren. Das Gefühl von Sicher-heit ist noch nicht zurückgekehrt. Aber ich will meinen Weg gehen. Aktuell arbeite ich als Pflegehelferin. Mein Ziel ist es, Fachfrau Gesundheit zu werden.»

Kompass: Ein Deutsch- und Integrationskurs für erwerbslose anerkannte Flüchtlinge mit B- oder F-Bewilligung sowie vorläufig Aufgenommene nach Abschluss des ersten Deutschkurses. Der Kurs umfasst 15 Lektionen pro Woche und dauert acht Monate.

Bahar E.Mahabad heisst die kurdische Stadt im Nordwesten des Irans, in der Bahar E. lebte, bevor sie mit ihrem Mann und den Kindern (heute 12 und 17) wegen ihres politi-schen Engagements via Irak und Türkei in die Schweiz fliehen musste. Bahar E.: «Als ich vor fünf Jahren in die Schweiz kam, erschrak ich ob der Distanz, mit der man hier Fremden begegnet. Wir Kurdinnen und Kur-den haben ein heisses Herz, wie man bei uns sagt. Ich habe dann begonnen, aktiv auf Menschen zuzugehen. So trat ich dem Frauenturnverein der Ortschaft bei, in welcher meine Familie und ich nach fast zwei Jahren in Asylunterkünften nun unsere eigene Wohnung haben. Seit wir die B-Bewilligung besitzen, stehen uns viel mehr Möglichkeiten offen. Ich konnte auch den Kom-pass-Kurs der Caritas besuchen und mich dort gut auf den Einstieg in die Arbeitswelt vorbereiten. Das war sehr hilfreich. Der Übergang ins neue Leben ist nicht einfach für mich. Ich trage viele schmerzliche Erinne-rungen in mir. In unserer Wohnung stehen Fotos von

Bahar E.: «Der Kompass-Kurs erleichtert mir den schwierigen Übergang ins neue Leben.»

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Schwerpunkt

igentlich ist die Schule für alle da. Doch nur wenn der Zugang zu Schule und Bil-dung für alle gleich ist, haben alle die gleichen Chancen. Dem ist heute nicht so. Obwohl in der Schweiz die Investitionen in

das Bildungswesen knapp im Durchschnitt der OECD-Länder liegen, bestehen bei uns nach wie vor Lücken im Zugang zur Bildung. Diese treffen vor allem Perso-nen, die wegen ihrer Herkunft sowie wegen fehlender finanzieller Ressourcen ohnehin schon benachteiligt sind. Damit festigt das schweizerische Bildungssys-tem die bestehenden sozialen Ungleichheiten.

Zahlen sprechen eine deutliche SpracheDabei ist es offensichtlich, dass fehlende Bildung in einer Wissensgesellschaft wie jener der Schweiz das Armutsrisiko massiv erhöht. So belegen Zahlen, dass zwei Drittel der Sozialhilfeempfängerinnen und -emp-fänger über keine nachobligatorische Ausbildung ver-fügen – bei den jugendlichen Sozialhilfeempfängern sind es fast 70 Prozent. Vor diesem Hintergrund wirkt die Tatsache stossend, dass 17 Prozent der 15-Jährigen nur mangelhafte Lesekompetenzen aufweisen, sodass ihre weiter Ausbildungs- und Berufsmöglichkeiten eingeschränkt sind.

Mit Bildung gegen ArmutFehlende Bildung ist in der Schweiz das Armutsrisiko Nummer eins – wer keinen Berufsabschluss hat, findet kaum einen Job. Caritas fordert einen nationalen Bildungsplan.

Text: Iwona Swietlik Illustration: Patric Sandri

E

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Schwerpunkt

Ein nationaler BildungsplanDie bestehenden Lücken und Hindernisse im Zugang zu Bildungsaktivitäten sind zu einem grossen Teil Resultat des schweizerischen Föderalismus. Sie sind durch das Fehlen eines allgemeinen Bildungsplans er-klärbar, wie ihn bereits die OECD oder schweizerische Institutionen wie die Arbeitsgruppe «Zukunft Bil-dung Schweiz» empfehlen. Auch Caritas kommt zum Schluss: Ein nationaler Bildungsplan muss das Kon-zept des lebenslangen Lernens auf politischer Ebene verankern. Er soll den Kantonen klare Rahmenbedin-gungen für die Umsetzung aufzeigen. Zentral ist ein besserer Zugang zu Bildungsaktivitäten für benachtei-ligte Personen.Mit der KulturLegi, dem Patenschaftsprojekt «mit mir» und dem Elternbildungsprojekt «schulstart+» erleichtert Caritas armutsbetroffenen Menschen den Zugang zu Bildung bereits heute.

Links und Publikationen

Kampagne «eigentlich». Die regionalen Caritas-Organisationen machen auf Probleme im Bildungsbereich aufmerksam und zeigen Lösungsansätze auf. Details unter www.gegen-armut.ch

Sozialalmanach 2013. Das Caritas-Jahrbuch zur sozialen Lage der Schweiz mit dem Schwerpunkt «Bildung gegen Armut». Zu bestellen unter www.caritas.ch/sozialalmanach

LösungsansätzeCaritas fordert, dass alle Zugang zu Bildung haben, unabhängig von Alter, Herkunft und finanziellen Ressourcen.

Konkret empfehlen wir:– die Frühförderung zu verbessern – denn

zurzeit ist es eher zufällig, ob ein Kind von einem familienergänzenden Angebot pro-fitiert oder nicht. Dabei werden die Wei-chen für die Bildungslaufbahn bereits im frühen Alter gestellt.

– die Elternarbeit zu stärken – denn gerade benachteiligte Familien leiden unter sozi-aler Isolation und mangelhaften Informa-tionen. Elternarbeit soll als Teil der Interg-rationsförderung und des Bildungswesens verstanden werden – durch Bildungsange-bote für Eltern sowie Einsatz von kulturel-len Übersetzerinnen und Übersetzern.

– den Illettrismus zu bekämpfen – 800 000 Menschen im Alter zwischen 16 und 65 Jahren in der Schweiz können kaum le-sen. Es müssen Bildungsstrukturen ge-schaffen werden, welche die Integration benachteiligter Personen fördern (z. B. Tagesstrukturen) und informelle Angebo-te gestärkt werden (z. B. offene Jugendar-beit).

– die Berufsbildung zu sichern – denn über 15 Prozent der Menschen im Erwerbsalter haben keinen Berufsabschluss. Ihre Er-werbslosenquote ist doppelt so hoch wie jene von Personen mit Abschluss. Auch die Working-Poor-Quote ist fast dreimal so hoch. Die Berufsbildung kann durch Sti-pendien, Berufsbildungsfonds und Steuer-abzüge für Lehrbetriebe gefördert werden.

– Nachhol- und Weiterbildung für Armuts-betroffene zu ermöglichen – denn der Wei-terbildungsmarkt festigt die bestehenden Ungleichheiten. 80 Prozent der am besten ausgebildeten Personen besuchen Wei-terbildungen – im Vergleich zu lediglich 20 Prozent der Personen ohne nachobliga-torische Ausbildung. Finanzielle Hürden abbauen und informelle Bildungsleistun-gen anerkennen hilft, damit sich auch be-nachteiligte Personen weiterbilden kön-nen.

0 10 20 30 40 50 60

Anteil gesamte Bevölkerung in %

Anteil Sozialhilfebezüger in %

Ausbildung

Berufsausbildung oderMaturitätsschule

Universität oderhöhere Fachausbildung

Sozialhilfebezüger haben besonders oft keine berufliche Ausbildung (Quelle: Bundesamt für Statistik BFS).

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Schulsport

Körperlicher Ausgleich war seit je Teil der Schulprogramms. 1970 sagte das Schweizer Stimmvolk Ja zur Förderung von Turnen und Sport auf allen Alter-stufen, was zu einer Ausweitung des Sportunterrichts auf die Berufsschulen führte. Heute finden Bewegungspro-gramme auch im Arbeitsalltag, auf der Baustelle, in Beschäftigungsprogram-men Einzug.

Bild: Bodenübungen im Turnunterricht © Emanuel Ammon. In seinem im Buch «70ER» sind weitere Fotografien aus den 1970er Jahren zu sehen. www.aura.ch

1977

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Persönlich

Marieli Gerber, Rezeptionis-tin im Spital, Schiers:Da ich ein sehr offener Mensch bin und gerne auf fremde Men-schen zugehe und mich mit Ihnen unterhalte, würde ich eine Ausbil-

dung wählen, bei der ich mit vielen Leuten auch aus anderen Ländern und Kulturen in Kontakt komme, wie zum Beispiel im Hotelfach, Reiseleiterin oder in einem Reisebüro. Auch würde ich unbedingt Spra-chen lernen, damit ich mit den heutigen Möglichkei-ten die Welt bereisen könnte.

Lobsang Zatul, Sachbear- beiter und Tibetischlehrer, Horgen:In meiner Freizeit unterrichte ich die tibetische Sprache und Schrift. Das ist meine Passion und mein

bescheidener Beitrag, unsere Kultur am Leben zu erhalten. Wenn ich heute nochmals neu beginnen könnte, würde ich eine Ausbildung machen, die mit der tibetischen Kultur zu tun hat. Dann könnte ich mein Hobby zum Beruf machen.

Florian Studer, Arbeitsuchen-der, Luzern:Ich würde Agronom werden wol-len. Es gibt vielseitige Tätigkei-ten in der Landwirtschaft. Das Entwickeln und Erforschen neuer

Methoden gefällt mir. Am liebsten möchte ich einen landwirtschaftlichen Betrieb führen. Ich möchte in der Forschung aktiv sein und selbst Pflanzen züchten und eine artgerechte Haltung von Nutztieren führen. Seit kurzem habe ich ein Studium abgeschlossen und bin zurzeit auf Arbeitsuche.

Tsega Bahta Desta, Flücht-lingsfrau, Ennetturgi:In meiner Heimat Eritrea bin ich nur drei Jahre zur Schule gegan-gen. Mit 13 musste ich die Schule verlassen und in einer Textilfa-

brik arbeiten, um unsere Familie zu unterstützen. Wenn ich noch einmal die Chance hätte, dann würde ich weiter die Schule besuchen und dann eine Ausbil-dung als Kauffrau in einer Bank machen. Das wäre mein Traum gewesen.

Catrina Mugglin, Ärztin, Bern:Ich würde die Piratenakademie besuchen, Weltumseglerin wer-den, als Doppelagentin in gehei-mer Mission Verschwörungen

aufdecken und Geschichtenerzähler am Ende der Welt aufspüren, um mich als professionelle Zuhöre-rin ausbilden zu lassen. Aber in der Realität würde ich doch nicht viel anders machen. Mein Alltag als Ärztin ist voller Abenteuer, Rätsel, Geschichten und Wunder.

«Welche Ausbildung würden Sie heute gerne machen, wenn Sie nochmals von vorne beginnen könnten?»

Markus Hiltebrand, eidg. dipl. Maurer, Basel:Ursprünglich bin ich Maurer und habe auch drei Jahre auf dem Be-ruf gearbeitet. Dann wechselte ich zu einer Temporärfirma, wo ich

Abteilungsleiter wurde. Schliesslich übernahm ich die Betriebsleitung in der Reinigungsbranche. Heu-te würde ich direkt die Ausbildung zum technischen Kaufmann anstreben und mich berufsbegleitend zum Betriebsleiter weiterbilden, da mir der Umgang mit Menschen sehr zusagt.

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Caritas Zürich

rmutsbetroffene Fa-milien leiden beson-ders häufig unter Stress und sozialer Isolation. Ferien und

Erholung täten gut, liegen fi-nanziell aber nicht drin. Caritas Zürich bietet deshalb seit 2006 Familienwochen an, die auch Müttern und Vätern mit kleinem Budget ermöglichen, eine Auszeit zu nehmen. Die meisten Famili-en, die teilnehmen, sind bei uns oder bei anderen Sozialstellen in Beratung oder in Projekten in-tegriert und werden auch so auf das Angebot aufmerksam. Die Familien sind sehr dankbar, ein-

Erlebniswochen für Eltern und KinderDie Familienwochen entlasten Mütter und Väter mit knappem Budget von ihren alltäg-lichen Sorgen. Sie bieten Erholung, schöne gemeinsame Erlebnisse und vermitteln wertvolle Impulse für den Alltag.

Text: Sima Mangtshang, Bild: Dejan Mikic

Freundschaften schliessen und etwas erleben. Sie können sich sportlich betätigen, Zeit in der Na-tur verbringen und lernen – ganz nebenbei –, Toleranz zu üben, Re-geln einzuhalten, Rücksicht zu nehmen. Die Woche stärkt die Be-ziehung zwischen Eltern und Kin-dern und gibt ihnen neue Kraft für den Alltag. Kraft verleiht auch der Verwöhntag für Mamis und Papis, der jedes Mal auf dem Programm steht. Dann werden die Rollen ge-tauscht und die Kinder kümmern sich um ihre Eltern. Sie verwöhnen sie mit selbstgemischten Früchte- cocktails, Massagen und weite-ren Annehmlichkeiten. Gross

A mal im Jahr anregende und erhol- same Ferien zu geniessen und neue Regionen in der Schweiz zu erkun-den.

Kraft tankenDie Teilnehmenden können mal Abstand nehmen von ihren All-tagssorgen. Für die Mütter und Väter ist diese Entlastung das grösste Geschenk. Eine Woche Zeit haben für sich selbst und für die Kinder in einer entspannten At-mosphäre. Zeit haben für Gesprä-che, in aller Ruhe ein Buch lesen oder einfach mal Nichtstun. Auch die Kinder dürfen für einmal un-beschwerte Tage geniessen, neue

Erholung, Spiel und Spass für Eltern und Kinder. Die Familienwoche, hier in Pura (II).

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Caritas Zürich

Jugendliche stärken mit MentoringSeit zehn Jahren unterstützt incluso Jugendliche mit Migrationshintergrund auf dem Weg ins Berufsleben.

er Übergang von der Schule in die Berufswelt ist ein wichtiger Schritt hin zu einem selbstständigen Leben. Die Suche nach einem Ausbildungsplatz ist anspruchs-

voll und erfordert Wissen und Erfahrung über die besonders Jugendliche mit Migrationshintergrund oft nicht verfügen. Hier setzt incluso an. Berufserfahrene Frauen und Männer engagie-ren sich als freiwillige Mentorinnen und Mentoren. Sie begleiten die Jugendlichen während ihres letzten Schuljahres individuell und persönlich. Im Tandem bereiten sie gemeinsam mit den Jugendlichen den Weg zur Lehrstelle vor und entwickeln eine Bewerbungsstrategie.

Gewinn für beide SeitenDie Schülerinnen und Schüler profitieren von der Berufserfah-rung und dem Netzwerk der Mentoren. Sie werden individuell beim Erstellen ihrer Bewerbungsunterlagen unterstützt und während des gesamten Bewerbungsprozesses begleitet. Nicht selten sind gegen 100 Bewerbungen nötig, bis ein Ausbildungs-platz gefunden ist. Das erfordert Geduld und Durchhaltewillen. In dieser Phase ist es für die Jugendlichen wichtig, jemanden zur Seite zu haben, der sie bei Absagen aufmuntert und an ihre Fähigkeiten glaubt. Die Mentorinnen und Mentoren erhalten Einblick in die Lebenssituation und die Spannungsfelder, in de-nen sich Jugendliche mit Migrationshintergrund bewegen. Sie geben ihre persönlichen Erfahrungen weiter und stärken ihre kommunikativen, sozialen und interkulturellen Kompetenzen: ein Gewinn für die eigene persönliche und berufliche Entwick-lung. Ebenso können neue Kontakte geknüpft werden, um das eigene Netzwerk zu erweitern. Auch 2013 sucht incluso wieder motivierte Berufsleute, die sich engagieren möchten. www.caritas-zuerich.ch/inclusofreiwillige

D

Mentee und Mentorin freuen sich über die fertige Bewerbungsmappe.

und Klein sind jeweils begeistert! Freundschaften schliessenStärkend sind auch der Austausch und die Gemeinschaft mit anderen, die in ähnlichen Situationen leben. Das macht Mut und es entstehen Beziehungen, die oft über die Wo-che hinaus weitergepflegt werden. So war die Rückmeldung einer al-leinerziehenden Mutter, die mit ih-ren beiden Söhnen teilgenommen hat: «Wir waren wie eine grosse Familie, unterstützten uns gegen-seitig. Genau das, wovon ich sonst nur träume. Ich lebe sehr isoliert und bin allein mit meinen Proble-men. Hier in dieser Gruppe werde ich verstanden, weil fast alle Frau-en die gleichen Sorgen haben.»

Gestärkt in den AlltagDie Eltern suchen sich eine The-menwoche aus, die ihren persön-lichen Interessen und den Bedürf-nissen ihrer Kinder entspricht. Das Wochenprogramm teilt sich auf in individuell nutzbare Zeit, gemeinsame Aktivitäten in der Gruppe und Programmteile, in de-nen Eltern und Kinder unter sich sind. Während der Woche werden in offenen Diskussionsrunden, in-teraktiven Workshops oder in per-sönlichen Gesprächen verschiede-ne Themen angesprochen, welche die Eltern beschäftigen: Fragen zu Erziehung, Schule, Ernährung, All-tagsgestaltung oder zum Umgang mit Geld. Damit sind die Wochen nicht nur farbige Inseln im grauen Alltag, sondern geben den Teilneh-menden auch nützliche Tipps und konkrete Hilfestellungen mit nach Hause. Der Transfer in den Alltag soll dabei möglichst einfach sein: Am Ende der Familienwoche wird deshalb kurz festgehalten, wie die neuen Impulse zuhause umgesetzt werden können. Die Familienwochen finden jeweils während der Schulferien im Früh-ling und Sommer statt. www.caritas-zuerich.ch/familienwochen

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Caritas Zürich

Neu eingekleidetAriel Leuenberger (32) aus Zürich, Kommunikationsprofi, ist oft und gerne mit dem Fahrrad unterwegs – ob kurz in der Stadt oder auf mehrtägigen Touren im Ausland. Hier fotografiert im Happy- Bike-Store an der Militärstrasse 83 in Zürich.

www.caritas-zuerich.ch/secondhand

Das Projekt «Luutstarch» richtet sich speziell an Jugendliche und junge Erwachsene und möchte sie auf die Lebensumstände von Armutsbetroffenen in der Schweiz aufmerksam machen. Ein Teilangebot von «Luutstarch» sind die Rap-Workshops, welche die Jugendlichen motivieren, selbst das Wort zu ergreifen und ihre Visionen für eine gerechtere Gesellschaft zum Ausdruck zu bringen. In Zusammenarbeit mit Schulen, Jugendarbeit und Pfar-reien fanden von September 2012 bis Januar 2013 erstmals Rap-Workshops statt. 170 Jugendliche im Alter von 13 bis 17 Jahren nahmen teil und verfassten eigene Texte zum The-ma. Dabei war auch Oberstufenlehrerin Nora Biedermann: «Wir haben darüber diskutiert, was bei uns an der Schu-le konkret getan werden kann, damit sich Armutsbetroffe-ne nicht ausgegrenzt fühlen. Die Jugendlichen waren sehr offen im Austausch.» Ob in ihrer Klasse Schülerinnen und Schüler sind, die von Armut betroffen sind, weiss die Lehrerin nicht. Die Wahrscheinlichkeit ist aber gross, denn allein im Kan-ton Zürich sind 20 000 Kinder und Jugendliche bis 17 Jahre von Armut betroffen und leben in Familien, die auf Sozialhilfe ange-wiesen sind oder zu den «Working Poor» gehören.

MitmachenIm September 2013 startet «Luutstarch» in eine weitere Runde. Die Infoveranstaltung für interessierte Lehrpersonen, Jugend-arbeitende und Katechetinnen und Katecheten findet am Diens-tag, 11. Juni 2013, 13.30–16 Uhr bei Caritas Zürich statt. www.caritas-zuerich.ch/luutstarch

Rap gegen Armut170 Jungen und Mädchen beteiligten sich an den «Luutstarch» «Rap-Workshops» zum Thema «Ar-mut und Ausgrenzung.» Entstanden sind span-nende Diskussionen und «fette» Reime.

ZüRIBLoG Der Blog von Caritas Zürich

Mitarbeitende von Caritas Zürich, Armutsbetroffene und Freiwillige berichten aus ihrem Alltag in Zürich – der teuersten Stadt der Welt. Katja Schmid (45) arbeitet bei uns am Empfang und ist nebenbei als Journalistin und Erwachsenen-bildnerin tätig. Sie ist eine der fünf Autorinnen und Autoren, die für den Züriblog schreiben. Lesen Sie hier einen Auszug aus «Wenn die Sprache Herzen öffnet.»

Manchmal kommt es mir spanisch vor, wenn Leute am Caritas-Schal-ter stehen und etwas von mir wis-sen wollen. Mit gutem Recht! Denn Spanisch beherrsche ich nicht. Aber auch dem Paar vis-à-vis von mir kommt es in diesem Moment spanisch vor – obwohl dies ihre Muttersprache ist. Ich versuche nämlich gerade, den beiden in den mir geläufigen Fremdsprachen zu erklären, wie und wo sie Hilfe für ihr Anliegen bekommen. Doch es kommt bis zum Letzten, nämlich dazu, dass wir uns in keiner Art und Weise verständigen können.

Lesen Sie den Artikel hier zu Ende: http://blog.caritas-zuerich.ch

Mit Rap die eigene Meinung auf eine kreative Weise ausdrücken.

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Ariel Leuenberger

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on den 30 000 Jenischen in der Schweiz sind etwa 2 500 Personen noch aktiv fah-

rend. Während der Wintermonate leben und arbeiten sie auf Stand-plätzen, wo sie ganzjährig einen Stellplatz für ihren Wohnwagen und ihr mobiles Wohnheim ge-mietet haben. In den Standplatz-gemeinden sind die Fahrenden ganzjährig angemeldet und steuer-pflichtig. Hier besuchen die Kinder die Schule. Im Frühling gehen sie auf Reise und machen Halt auf den Durch-gangsplätzen – diese sind für den kurzfristigen Aufenthalt bis zu ei-nem Monat vorgesehen. Stand- und Durchgangsplätze sind der Lebensraum für Fahrende. Ein ausreichendes Platzangebot ist die

V Grundlage, damit sie mit Handel, Handwerk und dem Angebot von Dienstleistungen die Existenz für ihre Familien sichern können. Al-lein im Kanton Zürich fehlen fünf Durchgangsplätze und ein Stand-platz. R. Waser, Jenischer, ist be-sorgt: «Der Platzmangel bedeutet für uns, dass wir längere Arbeits-wege auf uns nehmen müssen. Die-se Ausgaben belasten unser Haus-haltsbudget zusätzlich.»

Mehr Plätze schaffenDie Schaffung der fehlenden Plät-ze ist im Entwurf des kantonalen Richtplans, dem zentralen Steu-erungsinstrument der Raumpla-nung im Kanton Zürich, vorgese-hen. Dieser Entwurf wird zurzeit noch in der Kommission für Pla-

Zu wenig Platz zum LebenFahrende sind in der Schweiz seit 1998 als nationale Minderheit anerkannt. Dennoch gibt es für sie bis heute nicht ausreichend Platz zum Leben und Arbeiten.

Text: Bernhard Jurman, Fachbereich Fahrende

Standplätze im Grünen sind selten, eher liegen sie an Autobahnen oder in Industriegebieten.

nung und Bau des Kantonsrats beraten und anschliessend zur Abstimmung im Kantonsrat vorge-legt werden. Die Erfahrung aus an-deren Kantonen zeigt jedoch, dass die Festlegung im Richtplan allei-ne nicht ausreicht. Die konkrete Umsetzung hängt vom politischen Umfeld und der Meinung der Bevöl-kerung der Gemeinden ab, in denen ein neuer Platz erstellt werden soll. Über das Entstehen eines Platzes wird letztlich oft per Volksabstim-mung in den jeweiligen Gemeinden entschieden. Ein langwieriger Pro-zess.

Dialog fördernSeit 1998 sind die Fahrenden in der Schweiz als Minderheit aner-kannt. Und dennoch berichten uns Fahrende in der Beratung immer wieder, dass sie in ihrem Alltag mit vielen Vorurteilen konfrontiert sind. Die sesshafte Bevölkerung weiss nur wenig über die Kultur und Tradition der Jenischen.Caritas Zürich möchte mit gezielter Sensibilisierungs- und Öffentlich-keitsarbeit das Verständnis für die fahrende Lebensweise fördern und auf die dringend benötigten Stand- und Durchgangsplätze im Kanton Zürich aufmerksam machen. Unser Ziel ist es, die Lebens- und Arbeits-bedingungen der Schweizer Fah-renden nachhaltig zu verbessern.

Der Fachbereich Fahrende bei Caritas Zürich:

berät Fahrende bei Fragen zu Wohnen, Arbeit, Versicherung, Existenzsicherung,berät Pfarreien, Fachstellen und Organisationen,leistet Sensibilisierungs- und Öffentlichkeitsarbeit mit dem Ziel, die Lebens- und Arbeits- bedingungen für Fahrende nachhaltig zu verbessern.www.caritas-zuerich.ch/fahrende

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Caritas Zürich

NEWS Zwei neue Stellen bei Caritas Zürich

Seit 2005 verfügt Caritas Zürich über eine Grundlagenstelle. Bisher erarbeite-ten jeweils für ein Jahr angestellte Junio-rinnen ein Thema. Um eine noch vertief-tere Auseinandersetzung zu ermöglichen sowie unsere Sensibilisierungs- und Lob-byarbeit zu stärken, haben wir per 1. Ja-nuar 2013 eine feste Grundlagenstelle mit unbefristetem Anstellungsverhältnis geschaffen.

Am 1. Februar 2013 hat zudem die neu geschaffene «Fachstelle Pfarreiliche So-ziale Arbeit» ihre Arbeit aufgenommen, eine Kooperation mit der katholischen Kirche im Kanton Zürich. Zu ihren Aufträ-gen zählen die fachliche Begleitung der Sozialarbeitenden in den Pfarreien und die Förderung pfarreilicher Sozialer Ar-beit.

Nähmaschine spenden

Für unsere URAT-Flickstuben suchen wir laufend gut erhaltene Bernina-Nähma-schinen: Haben Sie eine zu verschenken? Michèle Deubelbeiss, Leiterin URAT, Tel. 044 366 68 90, freut sich über Ihren Anruf.www.caritas-zuerich.ch/urat

Helpcard: Ein sinnvolles Geschenk

Mit der HelpCard, der ersten sozialen Geschenkkarte, unterstützen Sie unsere Projekte für armutsbetroffene Familien. Für welches Projekt die Spende einge-setzt wird, bestimmen die Beschenkten selbst.www.caritas-zuerich.ch/helpcard

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Es gibt unterschiedliche Ursachen, weshalb Familien in prekäre Lebenslagen geraten und sich an uns wenden. Das soziale Um-feld, die Arbeits- und Wohnsituation, das Bildungsniveau und die Gesundheit spielen dabei eine zentrale Rolle. Im Fachbereich Familien begleiteten wir im vergangenen Jahr rund 500 armuts-betroffene Kinder und Erwachsene. Das Ziel der Beratung ist es die finanzielle Situation der Familie zu verbessern. Dabei stre-ben wir nachhaltige Lösungen an und bieten unseren Klientin-nen und Klienten Hilfe zur Selbsthilfe. Armut belastet oft nicht nur die betroffene Person, sondern auch deren Angehörige und das erweiterte Umfeld. Unsere Sozialar-beitenden ziehen bei Bedarf deshalb auch die Ehepartner, Kin-der, Arbeitgeber und weitere relevante Personen oder Stellen in den Beratungsprozess mit ein.

Themenpatenschaften: Kinder fördern Die Kinder leiden besonders stark unter prekären finanziellen Familiensituationen: Sie können mit ihren Altersgenossen nicht mithalten und fühlen sich deshalb als Aussenseiter. Ergänzend zur Beratung und Begleitung der Eltern haben die Sozialarbei-tenden die Möglichkeit, die Kinder mittels so genannter The-menpatenschaften gezielt zu fördern. Die Patenschaften sind durch Beiträge von Spenderinnen und Spendern finanziert. Sie ermöglichen armutsbetroffenen Kindern trotz des knapper Fa-milienbudgets beispielsweise den Besuch von Musik- und Sport-unterricht, die Teilnahme an einem Ferienlager, die Betreuung in einem Hort oder Unterstützung durch Nachhilfeunterricht. 2012 profitierten 114 Kinder von einer Themenpatenschaft.

Familien beratenRund 500 armutsbetroffene Menschen fanden 2012 Hilfe beim Fachbereich Familie. 114 Kinder profitierten von einer Themenpatenschaft.

S. W. ist alleinerziehend und arbeitet Teilzeit. Die Caritas-Themenpatenschaft leistet einen Beitrag an die Betreuungskosten von Sohn Marlon in der Krippe.

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Deutsche Sprache schwere Sprache?Wer sich in einem fremden Land nicht verständigen kann, dem fällt es schwer, am hiesigen Leben teilzunehmen. URAT-Deutschkurse ermöglichen Migrantinnen, die deutsche Sprache zu lernen und sich im Schweizer Alltag zurechtzufinden. Ihre Spende hilft, eine wichtige Grundlage für eine gute Integration zu schaffen.

www. caritas-zuerich.ch/urat

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enschen, die in einem fremden Land ein neues Leben aufbauen müssen, stehen vor enormen Hürden: allen voran die Sprache.

Erschwerend kommt hinzu, dass viele Migrantinnen und Migranten über wenig Bildung verfügen. Insbe-sondere Frauen bringen meist nur einen sehr beschei-denen Schulrucksack mit in die neue Heimat – mit gra-vierenden Folgen. In unserer modernen Gesellschaft ist Bildung der wichtigste «Rohstoff». Fehlt er in einer Generation, setzt sich der Mangel auch in der nächsten fort. Kindern aus bildungsfernen Familien gelingt es nur schwer, aus dem Teufelskreis von schlecht bezahl-ten Jobs, Armut und Isolation auszubrechen.

Kinder in der Schule unterstützenBei Caritas Zürich kennen wir diese Problematik aus zahllosen Einzelschicksalen. Langjährige Untersu-chungen und Studien untermauern unsere Erfah-rungen: Die wirkungsvollste Methode, die Zukunfts-chancen von Kindern zu verbessern, besteht darin, die Mütter zu bilden. Eltern leisten einen unschätzbaren Beitrag, wenn sie ihre Kinder sachkundig auf ihrem Weg durch die hiesigen Schulen unterstützen kön-nen. Dazu sind gute Sprachkenntnisse die wichtigste Voraussetzung. Die URAT-Deutschkurse bilden das Fundament, auf dem Migrantinnen eine hoffnungs-volle Zukunft für sich und ihre Kinder aufbauen kön-nen. Unter sachkundiger Anleitung und gemeinsam mit Schicksalsgenossinnen eignen sich die Frauen die Deutschkenntnisse an, dank deren sie sich in ihrer neuen Heimat besser zurechtfinden und ihren Kindern Vorbilder und kompetente Begleiterinnen sein können. Deutsch für den AlltagWir haben die Schwelle zu den URAT-Deutschkur-sen bewusst niedrig angesetzt. Dasselbe gilt für die Kosten. Denn der Besuch eines Sprachkurses ist für Migrantinnen alles andere als selbstverständlich.

Deutsche Sprache leicht(er) gemacht«Taten statt Worte» lautet ein Kernsatz von Hilfswerken. Was aber, wenn die Worte fehlen? Im URAT - Deutschkurs lernen Migrantinnen die richtigen Worte, um in ihrem neuen Heimatland auch erfolgreich tätig zu werden.

Text: Christa Dettwiler, Bild: Urs Siegenthaler

Helen Mäder, eine der URAT-Deutschlehrerinnen, er-klärt, warum: «Stellen Sie sich vor, Sie stehen um 5 Uhr früh auf, um in einem Einkaufscenter zu putzen. Tagsüber kümmern Sie sich daheim um Kinder und Haushalt. Am Abend putzen Sie dann in Bürohäusern. Das ist die Realität etlicher Migrantinnen. Sie arbei-ten extrem hart. Sie erhalten keine Anerkennung. Von niemandem. Es ist schon eine enorme Leistung, sich überhaupt in einem Kurs einzuschreiben.» Der URAT-Deutschkurs öffnet diesen Frauen die Tür zu ihrer neu-en Heimat. Haben sie die Schwelle erst einmal über-schritten, entwickeln sich rasch neue Beziehungen, wächst das Selbstvertrauen, erwacht neuer Lebens-mut. Bei URAT lernen Migrantinnen die Worte, denen sie dann Taten folgen lassen können.

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Ihre Spende öffnet Türen!

• Mit 50 Franken ermöglichen Sie einer Migrantin den Besuch des URAT-Deutschkurses während sechs Monaten.

• Mit 100 Franken finanzieren Sie das Schulmaterial für einen URAT-Deutschkurs während eines Jahres.

Wir danken herzlich für Ihre wertvolle Unterstützung.www.caritas-zuerich.ch/spenden

Caritas Zürich

URAT-Deutschkurse: einfacher im Alltag unterwegs.

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Kiosk

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Ihre Frage an uns

Die Zahl der Working Poor geht zurück. Löst sich also das Problem der Armut von selbst?

Marianne Hochuli, Leiterin Bereich Grundlagen bei Caritas Schweiz: «Zwischen 2008 und 2010 ist die Armutsquote der er-werbstätigen Bevölkerung laut dem Bundesamt für Statistik (BFS) etwas gesunken. Dazu mag die verbesserte Arbeitsmarkt-lage der Jahre zuvor beigetragen haben. Denkbar ist aber auch, dass ein Teil der Working Poor ausgesteuert wurde und darum gar nicht mehr in der Statistik erscheint. Im Jahr 2010 waren nach BFS 120 000 Personen im Erwerbsalter arm, obwohl sie ar-beiteten. Da diese Working Poor grösstenteils in Mehrpersonen-haushalten leben, sind auch ihre Kinder von dieser Art von Ar-mut betroffen – das ergibt eine Summe von mindestens 270 000 Personen, was für die reiche Schweiz viel zu viel ist.Um diese Zahl zu senken, fordert Caritas faire Löhne, die Verein-barkeit von Beruf und Familie sowie Aus- und Weiterbildungen

für alle. Mit Frühförderprojekten oder Mentoring von jungen Menschen in der Ausbildung setzen wir uns auch konkret dafür ein, dass armutsbetroffene Men-schen die Chance erhalten, ihr Leben selbstbewusst in die Hand nehmen zu können.»

Haben Sie auch eine Frage an uns? Gerne beantworten wir diese in der nächsten Ausgabe von «Nachbarn». Senden Sie Ihre Frage per E-Mail an [email protected] oder per Post an:

Redaktion NachbarnCaritas Zürich Beckenhofstrasse 16, Postfach8021 Zürich

AGENDAJeans-Aktionstage

Jeans verschiedenster Marken à 5 Franken. Freitag, 12. 4. 2013, 9–18.30 Uhr und Samstag, 13. 4 .2013, 9– 16 Uhr Secondhand-Laden, Steinberggasse 54, Winterthur Schmuckverkauf

Samstag, 27. 4. 2013, 9–16 UhrSecondhand-Laden, Steinberggasse 54, Winterthur

Mitgliederversammlung 2013 der Caritas Zürich

Wir laden alle Interessierten herzlich zu unserer Mitgliederversammlung ein. Dienstag, 18. 6. 2013, ab 17.30 Uhr, Freie Kath. Schule, Sumatrastr. 31, Zürich

20 Jahre Secondhand bei Musik, Kaffee und Kuchen

Samstag, 6. 7. 2013, 9–16 UhrSecondhand-Laden, Steinberggasse 54, Winterthur

Grundkurs «Sterbebegleitung»

Der Kurs richtet sich an Frauen und Män-ner, die Angehörige oder Bekannte in der letzten Lebensphase begleiten.8 Tage, 29. 8. – 17. 10. 2013 Caritas Zürich, Beckenhofstr. 16, Zürich

10 JAHRE KULTURLEGI «Sport, Kultur und Bildung für alle»

Mit der KulturLegi engagiert sich Caritas Zürich seit zehn Jahren für Menschen mit kleinem Budget. Im Jahr 2013 sind ver-schiedene Jubiläumsaktivitäten geplant. Der Höhepunkt bildet unser Event im Zürcher Jazzclub Moods mit einem Kin-derkonzert am Nachmittag und zwei Konzerten am Abend. Das genaue Pro-gramm folgt. Samstag, 5. 10. 2013, ab 14 Uhr, Moods im Schiffbau, Zürich Alle Infos zum Jubiläum finden Sie unter: www.kulturlegi.ch/zuerich

Hinterlassen Sie Hoffnung und Perspektiven

Ein Legat an Caritas Zürich sichert einen wichtigen Teil der Finan-zierung unserer Arbeit. Sie können die Lebensperspektive einer von Armut betroffenen Familie grundlegend verändern und helfen so, über das Leben hinaus Gutes zu tun. Bestimmen Sie noch zu Lebzei-ten, wem Ihr Vermächtnis zugutekommt. Gerne berät Sie Guido Biberstein, ehemaliger Direktor der Caritas Zürich, unverbindlich in einem persönlichen Gespräch, Tel. 044 713 27 56. www.caritas-zuerich.ch/legate

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Gedankenstrich

Engel

Paul Steinmann wohnt in Rikon. Nach einem Theologiestudium war er im Theater tätig, zuerst als Schauspieler, dann als Regisseur, er arbeitet jetzt vor allem als Autor. Er pendelt zwischen Freilichttheater und Kabarett, Musical und Kinderstücken. Aktuelles unter www.paulsteinmann.ch

Illustration: Patric Sandri

ie erwachte in ihrem Bett. Noch liegend versuchte sie sich an ein Gesicht von ges-

tern zu erinnern. Dann stand sie auf und wunderte sich, dass sie die Kleider schon anhatte. Die Schuhe musste sie suchen. Sie standen auf dem Fernsehkasten. Beide akkurat nebeneinander. Mit einer Bürste fuhr sie sich durch die graublonden Haare. Sie hatte Kopfschmerzen. Mit jedem Bürstenstrich wurden sie grösser. Sie blickte nicht in den Spiegel, als sie auf die Toilette ging. Sie setzte sich auf die Schüssel, pinkelte und zog dann den Man-tel an, den sie einst in einem Klei-dersack gefunden hatte. Man sah, dass er einmal hell gewesen war. Jetzt schimmerte er in einem leicht speckigen Graubraun. Für sie war er aber noch immer «mein weisser Mantel». Dann ging sie die Treppe hinun-ter, schaute in ihren Briefkasten, nahm die Gratiszeitung heraus und schaute schnell die Bilder an. Manchmal buchstabierte sie sich ein Wort zusammen. Vor allem, wenn sie wissen wollte, wie der Mensch hiess, der sie aus der Zei-tung heraus freundlich anlächelte. Sie speicherte den Namen. Sie spei-cherte das Gesicht. Dann ging sie los. Ihre Sachen erledigen.Wenn sie gefragt wurde, was sie hier mache, am Bahnhof oder auf dem Marktplatz, dann dachte sie nach und sagte schliesslich immer: «Ich muss schauen, dass nichts passiert.» Wenn man nachfragte, fügte sie manchmal leise hinzu: «Ich bin ein Engel. Aber du darfst

es nicht weitersagen.» Dazu nick-te sie nachdrücklich mit dem Kopf und suchte in einem ihrer Plastik-säcke eine Zigarette.Sie kannte viele Leute vom Sehen. Sie hatte eine Menge Gesichter und Namen gespeichert. Am liebsten waren ihr jene Leute, die ihr ab und zu eine Zigarette vorbeibrachten. «Ich bin ein Engel, der sich seine Wolke selber macht», lachte sie beim Rauchen. Und dann sah man, dass sie nicht mehr so viele Zähne hatte. Sie war einfach immer dort in ihrem graubraunen Mantel, mit ihren Plastiksäcken und schau-te, dass nichts passierte. Sie war dort und doch nicht ganz dort. Sie erledigte ihre Sache. Sie war nicht dumm. Aber sie teilte sich nicht mit. Sie sah alles und hörte alles und tat nichts und wollte nichts. Ausser ab und zu eine Zigarette. Niemand fragte sie nach ihrer Mei-nung. Niemand wollte ihr etwas verkaufen.

Wenn es dunkel wurde, kaufte sie sich einen Liter Rotwein und manchmal etwas Brot und ging dann wieder zurück in ihre Woh-nung. Dort zog sie die Schuhe aus, hängte ihren Mantel an einen Na-gel, öffnete die Flasche und trank einen Schluck. Und noch einen. Und noch einen.

S

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24 Nachbarn 1 / 13www.gegen-armut.ch

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Armut 5

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eigentlich wissen wir alle, was richtig ist. Tun wir es.

Bildungschancen verbessern: Teil unserer Arbeit gegen Armut.

eigentlich ist die Schule für alle da.