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Wir helfen Menschen. NR. 1/2010 Nachbarn Armut halbieren! Wir fordern eine Dekade der Armutsbekämpfung.

Nachbarn 1/2010

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Armut halbieren – Wir fordern eine Dekade der Armutsbekämpfung!

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Wir helfen Menschen.

NR. 1/2010

NachbarnArmut halbieren!Wir fordern eine Dekade der Armutsbekämpfung.

CALU.indb 1 12.3.2010 14:23:51 Uhr

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Inhalt

2 Caritas Nachbarn 1/10 Illustration Titelbild: Melk Thalmann

Editorial 3Thomas Thali

Armut halbieren!

Caritas fordert eine Dekade 4der ArmutsbekämpfungFür Betroffene ist Armut die alltägliche, belastende Realität. Doch Armut ist in der reichen Schweiz ein Tabu, auch politisch: Wir fordern eine nationale Politik, die vor allem eines will – Armut verhindern.

Vier Armutsbetroffene erzählen 6

Armut hat viele Gesichter. Wir porträtie-ren vier Menschen, die aus unterschied-lichen Gründen von Armut betroffen sind.

Caritas Luzern

Wir fordern einen 10kantonalen Armutsbericht

Wie verschiedene Bilder der Armut diePolitik in unserem Kanton massgeblichbeeinflussen und was wir dagegen tun.

News

«mit mir» 12

Vor knapp zwei Jahren wurde das Projekt lanciert und läuft seither zur Freude aller Beteiligten: Caritas Luzern konnte bisher 48 Patenschaften an Kinder vermitteln, die aus belasteten Familien kommen.

Günstige Preise für 14QualitätsprodukteDer neue Caritas-Markt in Sursee

Dichter mit Pepp 15 Die KulturLegi Zentralschweiz machts möglich.

Persönlich 18Floriana Frassetto, Mitglied von Mum-menschanz, beantwortet zehn Fragen.

Caritas-Netz

Drehscheibe Caritas- 19 WarenzentraleVom luzernischen Rothenburg werden die Produkte, die in den Caritas-Märk-ten verkauft werden, in die ganze Schweiz verteilt.

News aus dem Caritas-Netz 20

Collage 21Armut bedeutet Ausgrenzung.

Hinweise, Veranstaltungen 22

Gedankenstrich 23Kolumne von Charles Clerc

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Editorial

Thomas Thali Geschäftsleiter Caritas Luzern

Armut gibt es auch in Luzern – tun wir etwas dagegen!

3 1/10 Nachbarn Caritas

«Nachbarn» – Das Magazin der regionalen Caritas-Stellen – erscheint zweimal jährlich.

Gesamtauflage: 50 000 Ex. Auflage LU: 11 000 Ex.

Redaktion: Urs Odermatt (Caritas Luzern); Ariel Leuenberger (national)

Gestaltung und Produktion: Daniela Mathis, Urs Odermatt

Druck: Stämpfli Publikationen AG, Bern

Caritas Luzern | Morgartenstrasse 19 | 6002 Luzern | Tel. 041 368 52 00

www.caritas-luzern.ch | PC 60-4141-0

Impressum

L’organisation XY est certifiée par ZEWO depuis 19XX.

L’organisation XY est certifiée par ZEWO depuis 19XX.

Caritas Luzern ist seit 2004 ZEWO-zertifiziert.

Caritas Luzern ist seit 2004 ZEWO-zertifiziert.

«Wenn wir alle anpacken, bleibt es keine Utopie!»

Liebe Leserin, lieber Leser

Angesichts der Schreckensbilder aus Haiti oder Darfur wird immer wieder gefragt, wer denn in der Schweiz noch arm sei. Bei uns gibt es ja keine Menschen, die Hun-ger leiden und auf der Strasse leben müs-sen. Aber Armut gibt es auch bei uns. Die Menschen, die darunter leiden, sind zahl-reicher, als wir es uns vorstellen können. Die Armut ist häufig versteckt – es fehlt ihr ein Gesicht.

Lesen Sie die Porträts auf den Seiten 6 bis 9. Sie geben Ihnen Einblick in die Welt von armutsbetroffenen Menschen. Auf un-serer Sozialberatung an der Morgarten-strasse haben wir täglich mit Menschen in vergleichbaren Situationen zu tun.

Und Armut hat Folgen. Armut führt zu Fehlernährung, Krankheit und gerin-gerer Lebenserwartung. Armut geht häufig einher mit geringerem Bildungsabschluss, und dies führt wieder zu höherem Risiko,

die Erwerbsarbeit zu verlieren. Der Teu-felskreis beginnt. Leider müssen wir fest-stellen, dass Armut vererbbar ist. Kinder aus armutsbetroffenen Familien haben ein grosses Risiko, nie aus der Armutsfalle he-rauszukommen.

Caritas Luzern verstärkt ihreAktivitätenIm Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung lan-ciert Caritas die Kampagne «Armut halbie-ren». Wir finden uns mit der Situation nicht ab, sondern formulieren ein klares Ziel: In zehn Jahren soll die Armut in der Schweiz halbiert werden.

Wir fordern aber nicht nur, wir reali-sieren selbst konkrete Schritte. So hat die Caritas Luzern in Sursee in einer wunder-baren Kooperation mit der Katholischen und der Reformierten Kirchgemeinde ei-

nen neuen Caritas-Markt eröffnet, in dem nun auch auf dem Land Armutsbetroffene vergünstigte Lebensmittel einkaufen kön-nen. In Hochdorf eröffnen wir im April ei-nen Laden mit Dienstleistungspool, der 14 Menschen wieder Arbeit gibt. Und wir bauen unsere Sozial- und Schuldenbera-tung aus. Dies sind alles konkrete Schritte hin zu dem utopischen Ziel, die Armut zu halbieren.

Wenn wir alle anpacken, bleibt es keine Utopie. Helfen Sie mit!

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Armut halbieren

Wir fordern eine Dekade der Armutsbekämpfung

Nicht alle Menschen in der Schweiz tragen das gleiche Risiko, arm zu werden. Es sind vor allem vier Faktoren, die das Armuts-risiko bestimmen: das Bildungsniveau, die Zahl der Kinder, der Wohnort und die sozi-ale Herkunft. Armutsbetroffene Menschen müssen mit knappen finanziellen Mitteln auskommen, sind oft arbeitslos oder gehen einer unsicheren Erwerbsarbeit nach. Kin-der, die in solchen Haushalten aufwachsen, tragen ein grosses Risiko, als Erwachsene selber wieder zu den Armen zu gehören.

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Für Betroffene ist Armut die alltägliche, belastende Realität. Doch Armut ist in der reichen Schweiz ein Tabu, auch politisch: In der Schweiz gibt es weder eine offizielle Armutspolitik noch eine Armutsstatistik. Caritas fordert eine nationale Politik, die vor allem eines will: künftige Armut verhindern.

Warum gibt es Arme in der Schweiz?Schätzungen der Caritas besagen, dass jede zehnte Person in der Schweiz in einem Haushalt lebt, der von einem Erwerbsein-kommen unterhalb der Armutsgrenze le-ben muss. Die wichtigste Ursache dafür ist wohl der wirtschaftliche Strukturwandel: Unternehmensaktivitäten mit tiefem An-forderungsprofil werden durch Maschinen ersetzt oder in Länder mit tieferen Löhnen verlagert. Im Dienstleistungssektor müssen die Kunden vieles selber übernehmen, was früher durch Angestellte erledigt wurde, sei

dies im Detailhandel, im öffentlichen und privaten Verkehr oder im Freizeitbereich.

Was tun gegen die Armut in der Schweiz?Ziel jeder Armutspolitik muss es sein, die Würde von armutsbetroffenen Menschen zu bewahren, ihnen einen Platz in der Ge-sellschaft bereitzuhalten, eine materielle Absicherung zu gewähren, Selbstbestim-mung und Selbstverantwortung zuzugeste-hen und Möglichkeiten zu bieten, damit sie aus der prekären Lebenslage herausfinden. Vor allem aber muss die Armutspolitik al-

Caritas Nachbarn 1/10

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linien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) als allgemein verbind-lich erklären und die Zuständigkeiten für die soziale und berufliche Integration klar ordnen.

Sozialfirmen fördernEs braucht mehr Arbeit für Menschen, die keinen Zugang zu normalen Arbeitsver-hältnissen finden. Sozialfirmen können dies leis ten. Der Bund und die Kantone müssen solche Sozialfirmen fördern im Rahmen der interinstitutionellen Zusammenarbeit zwischen Arbeitslosen- und Invalidenver-sicherung sowie der Sozialhilfe.

Allen eine Ausbildung ermöglichenDer Bund muss die Ausbildung so organi-sieren, dass alle Menschen ohne prinzipielle Alterslimite einen Berufsabschluss machen können. Dazu müssen die entsprechenden Gesetze zur Berufsbildung und zur Arbeits-losenversicherung angepasst und die not-wendigen Mittel bereitgestellt werden. In der kantonalen und kommunalen Sozial-hilfe muss das Management der Übergänge von der Familie zum Kindergarten und zur Schule sowie von der Schule zur Berufsaus-bildung deutlich verbessert werden, damit alle jungen Erwachsenen so weit kommen, dass sie zumindest eine Lehre absolvieren können.

les tun, damit weniger Menschen in Armut geraten.

Darum braucht die Schweiz eine natio-nale Armutsstrategie, die sich an den Vorga-ben der sozialen Existenzsicherung, an der sozialen und beruflichen Integration sowie an der Vermeidung von Armut orientiert. Das Ziel muss sein, die Zahl der Armen in den nächsten zehn Jahren zu halbieren und das Risiko der Vererbung von Armut markant zu verringern. Konkret fordert die Caritas, dass sich Politik und Wirtschaft an folgenden vier Leitlinien orientieren:

Armut erkennen und dokumentierenDer Bund und die Kantone müssen konti-nuierlich über die Wirkung ihrer Armuts-politik Bericht erstatten. Im Rahmen ei-ner offenen Koordination muss der Bund mit den Kantonen verbindliche Ziele in der Armutspolitik aushandeln und mit Indika-toren den Zielerreichungsgrad messen und dokumentieren.

Die Grundsicherung in der Sozial-hilfe landesweit verbindlich regelnDer Bund muss ein Bundesrahmengesetz erarbeiten, worin Existenzsicherung und Integration verbindlich geregelt werden. Ebenso müssen die Unterstützungsbei-träge für den Grundbedarf festgeschrieben werden. Der Bund soll deshalb die Richt-

5Texte: Carlo Knöpfel; Illustration: Melk Thalmann, Bild: zvg 1/10 Nachbarn Caritas

Armutspolitik systematisch •beobachten Caritas wird die Beobachtung bzw. das Monitoring der Armutspolitik des Bundes und der Kantone systematisieren. In einem jährlichen Bericht wird sie dar-legen, wo in den verschiedenen Politik-bereichen Fortschritte, aber auch Rück-schläge zu verzeichnen sind.Sozialberatung verstärken• Caritas erweitert die Sozialberatung und die Überbrückungshilfen für Arme in pre-kären Lebenssituationen substanziell. Das heutige Angebot kommt rund 15 000 Per-sonen jährlich zugute, in Zukunft sollen dies 25 000 Personen sein.

Caritas-Märkte ausbauen• Das Netz der Caritas-Märkte wird mar-kant ausgebaut. So können armutsbe-troffene Menschen in der ganzen Schweiz Güter des täglichen Bedarfs zu sehr güns-tigen Preisen einkaufen. Konkret will die Caritas die Zahl der Caritas-Märkte von gegenwärtig 19 auf 30 erhöhen.Arbeitsplätze in Sozialfirmen schaffen• Die Caritas wird ihr bisheriges Angebot an Sozialfirmen erhöhen. Konkret will die Caritas 1000 zusätzliche Arbeitsplätze schaffen für Menschen, die im ersten Arbeitsmarkt keine Anstellung finden.

Dr. Carlo Knöpfel,Leiter Bereich Inland und Netz der Caritas Schweiz

Jetzt sind Bund und Kantone gefordert!

In der Schweiz ist zwar geregelt, wie die verschiedenen Leistungen der so-zialen Sicherheit die Existenzsiche-rung zu garantieren haben, aber in der Sozialhilfe ergeben sich wegen des bestehenden Föderalismus sehr un-terschiedliche Anwendungen. In den verschiedenen Kantonen gibt es zum Beispiel grosse Unterschiede bei der Berechnung der Durchschnittsmieten zur Festlegung des Anspruchs auf So-zialhilfebeiträge, oder der Grundbedarf der SKOS wird nicht überall in gleicher Höhe ausbezahlt. Auch die nötigen Massnahmen zur sozialen und beruf-lichen Integration sind nicht einheit-lich geregelt. Die kantonale Zustän-digkeit in der Sozialhilfe führt daher zu grossen Ermessens- und Beurteilungs-spielräumen.

Will man Armut in Zahlen ausdrücken, kommt man um das Festlegen einer numerisch fassbaren Armutsgrenze nicht herum. Diese Grenze zu bestim-men, ist eine politische Aufgabe, die in der Schweiz, im Gegensatz zu an-deren Ländern, nie in Angriff genom-men wurde. Sowohl der Blick in die Geschichte wie auch die Analyse der Gegenwart zeigen, dass eine der wich-tigsten Aufgaben im Zusammenhang mit der Verminderung der Armut in ei-ner koordinierten Armutspolitik be-steht. Das Gelingen einer solchen Poli-tik hängt nicht nur vom Willen einzelner Akteure, sondern auch von der öffent-lichen Bewertung der Armutsproble-matik ab.

Um die gesteckten Ziele zu erreichen, wird Caritas ihr Engagement in der Armutsbekämpfung in der Schweiz intensivieren. Sie will dies in vier Handlungsfeldern tun.

Das tut die Caritas bis 2020

Kommentar

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Armut halbieren

6 Caritas Nachbarn 1/10

«Meine Ehe zerbrach, als mein Sohn ein-jährig war. Das traf mich doppelt hart, weil ich kurz zuvor die Kündigung erhal-ten hatte. Damals landete ich das erste Mal beim RAV. Ich liess mich davon aber nicht entmutigen, sondern holte mit finanzi-

eller Unterstützung durch Stiftungen die Sekundarschule nach und absolvierte an-schliessend noch Weiterbildungen. Dann fand ich wieder eine Stelle – aber wegen der Krise bin ich nun erneut arbeitslos. Mit dem Geld vom RAV und einem 20-Prozent-

Zwischenverdienst komme ich auf rund 3000 Franken im Monat. Mir ist wichtig, dass mein Sohn unter den knappen Ver-hältnissen nicht leiden muss. Ich lege re-gelmässig Geld auf die Seite, damit ich ihm weiterhin die Mitgliedschaft im Fussball-club finanzieren kann, und ich achte da-rauf, dass er gleich gekleidet ist wie seine Schulkollegen. Auf den Gameboy, den er sich sehnlichst wünscht, muss er allerdings verzichten. Ich selber träume manchmal davon, später ein kleines Nähatelier zu er-öffnen und schöne Abendkleider zu kreie-ren.»

Als Alleinerziehende den Spagat zwischen Familie und Beruf zu schaffen, ist anspruchsvoll. Der 39-Jährigen ist es wichtig, dass ihr Sohn sich dennoch geborgen fühlen kann. Deshalb ermöglicht sie ihm trotz knappem Budget den Besuch des Schülerhorts.

«Ich möchte, dass mein Sohn kein Schlüsselkind wird»

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71/10 Nachbarn Caritas

«Wenn ich wählen könnte, würde ich Hausabwart, denn ich bin handwerklich geschickt, kenne mich mit Reinigungsar-beiten aus und habe Freude am Gärtnern. Leider bin ich schon lange am Stempeln. Der letzte Zwischenverdienst dauerte bis

Ende 2009. Seither verbringe ich viel Zeit zuhause, setze Puzzles zusammen, mache mit Kollegen Musik – und bewerbe mich, wo ich nur kann. Ich bewohne ein Zim-mer im Personalhaus eines Altersheims. Es ist sehr klein, hat aber ein eigenes WC und

eine eigene Dusche. Damit bin ich zufrie-den. Denn ich weiss, wie es ist, obdachlos zu sein. Als ich meinen letzten richtigen Job verlor, kündigte man mir die Wohnung, weil ich die Miete schuldig blieb, und ich stand auf der Strasse. Nun muss ich erneut schauen, wie’s weitergeht, denn das Per-sonalhaus wird diesen Sommer abgeris-sen und ich muss mir etwas Neues suchen, was nicht einfach ist ohne Arbeit. Meiner Mutter habe ich kürzlich zum Geburts-tag die Küche geputzt – ein Geschenk, das nichts kostete und beiden von uns Freude machte.»

«Ich möchte einen Job, bei dem ich richtig zupacken kann»

Mit einer Anlehre als Automonteur und vielen Jahren als Hilfsarbeiter auf dem Bau ist es nicht einfach, den Weg aus der Arbeitslosigkeit zu finden, auch wenn der 40-Jährige bereit ist für alle möglichen Jobs. Man könne bei jeder Arbeit etwas lernen, sagt er.

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Armut halbieren

8 Caritas Nachbarn 1/10

«Als Kind verbrachte ich viel Zeit im Spi-tal – am Krankenbett meiner Mutter, die an Multipler Sklerose litt. Dass ich mich als junges Mädchen für den Beruf der Pfle-geassistentin entschied, ist deshalb sicher kein Zufall. Nach der Heirat, als die Kin-

der kamen, habe ich dann allerdings im Service gearbeitet und als Putzfrau. Das war hart. Als nach der ersten Ehe auch die zweite Partnerschaft scheiterte, stand ich alleine mit der Verantwortung für drei Kinder da, ohne rechten Job. Via RAV

habe ich dann einen Pflegekurs absolvie-ren können. Heute habe ich einen Teilzeit-job in einem Altersheim, der mir sehr ge-fällt. Zum Lohn kommt noch die Alimente dazu; damit kommen wir gerade so über die Runden. Ausserordentliche Ausgaben sind stets ein Problem. Einmal in der Wo-che besuche ich eine Abendschule, weil ich Fachfrau Gesundheit werden möchte. All das zusammen – Familie, Haushalt, Beruf, Ausbildung – ist sehr viel. Ich muss immer aufpassen, dass ich mich nicht überfordere. Freizeit habe ich so gut wie keine.»

Mit 44 Jahren nochmals eine Ausbildung anzupacken, braucht Energie. Wenn auch noch Kinder da sind, die es ohne Partner grosszuziehen gilt, wird der Alltag erst recht zur Herausforderung. Die Mutter dreier Teenager fühlt sich oft ziemlich alleine.

«Ich möchte wieder einmal Zeit für

mich selber haben»

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9Texte: Ursula Binggeli; Fotos: Urs Siegenthaler 1/10 Nachbarn Caritas

«Als Kind habe ich oft meinem Vater in der Küche geholfen. Das hat mir gefallen. Ich habe damals viel Zeit im Restaurant ver-bracht, das meine Eltern zusammen ge-führt haben. Die Hausaufgaben habe ich meistens bei einem Handwerker in der

Nachbarschaft gemacht, in dessen Werk-statt ich mich wohl fühlte. Er unterstützt mich auch jetzt noch, er hat mir zum Bei-spiel den Zugang zum Rudersport ermög-licht. Dieser ist mir sehr wichtig, speziell jetzt, wo ich arbeitslos bin. Meine Koch-

lehre habe ich nach dem ersten Jahr wie-der abgebrochen, weil mir alles über den Kopf gewachsen ist: die Erwartungen des Lehrbetriebs, der Stoff der Berufsschule, einfach alles. Jetzt suche ich einen neuen Lehrbetrieb und hoffe, dass es klappt. Ich will es durchziehen dieses Mal, unbedingt. Schliesslich möchte ich später einmal auf eigenen Beinen stehen, und Kochen macht mir nach wie vor Spass. Essen übrigens auch! Obwohl meine Eltern beide aus dem Mittelmeerraum stammen, ist mein Lieb-lingsgericht ‹Ghackets mit Hörnli›.»

«Ich möchte Koch werden

wie mein Vater»

Der Wechsel von der Volksschule in die Lehre ist anspruchs-voll. Beim ersten Anlauf ist der 17-Jährige nach einem Jahr wieder ausgestiegen. Nun sucht er motiviert eine neue Lehr-stelle. Er weiss jetzt, dass er nicht aufgeben darf – auch bei Schwierigkeiten nicht.

CALU.indb 9 12.3.2010 14:24:59 Uhr

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Armut halbieren – Caritas Luzern

10 Caritas Nachbarn 1/10

Gibt es eine Luzerner Armutspolitik oder stellt schon dieser Begriff eine Übertrei-bung dar? Monica Budowski, Professorin für Sozialpolitik der Universität Fribourg, bezeichnet es «als helvetische Eigenheit, dass in der Schweiz weder eine nationale Armutsforschung noch eine nationale Ar-mutspolitik existiert». Auch die Kantone kennen keine Armutspolitik. Sucht man auf den kantonalen Websites nach dem Begriff «Armutspolitik», so resultiert oft kein ein-ziger Treffer.

Armutspolitik ist punktuell und nicht koordiniert …Die kantonale Politik der Armutsbekämp-fung ist weder einem Departement zuge-ordnet noch in einem übergeordneten Stra-tegiepapier definiert. Vielmehr findet sie in verschiedenen Bereichen statt. Armutspoli-tisch relevant sind nicht nur die Familien- und die Bildungspolitik, sondern auch Be-reiche der Wohnungs-, der Gesundheits-, der Steuer- und der Arbeitsmarktpolitik. Dennoch wird Armutspolitik allzu oft als

reine Sozialhilfepolitik verstanden: Man assoziiert damit eher das Verteilen von Hilfsgeldern als bildungs- oder gesund-heitspolitische Massnahmen.

… weder verbindlich definiert …Doch was meinen wir, wenn wir von Armut sprechen? Es existieren unzählige Defini-tionen des Armutsbegriffs – und diese wi-derspiegeln in ihrer Vielfalt auch die unter-schiedlichen Wahrnehmungen der Armut in der Schweiz. Armut ist schwer fassbar,

Wir fordern eine kantonale ArmutspolitikLuzern braucht eine Strategie gegen die Armut, die sich an den Vorgaben der sozialen Existenzsicherung, der sozialen und beruflichen Integration sowie an der Vermeidung von Armut orientiert.

Wir sind arm: Auch im Kanton Luzern kommen Menschen nicht ohne staatliche Hilfe über die Runden.

CALU.indb 10 12.3.2010 14:25:14 Uhr

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11Text: Thomas Thali; Bild: Urs Siegenthaler 1/10 Nachbarn Caritas

denn sie stellt ein mehrdimensionales und mehrschichtiges Phänomen dar: Armut be-zeichnet nicht nur den Mangel an materi-ellen Gütern, sondern auch den fehlenden Zugang zu gesunder Ernährung, qualifizie-render Bildung, lohnender Erwerbsarbeit, medizinischer Versorgung und sozialer Teilhabe. Meist wird zwischen absoluter und relativer Armut unterschieden, wobei die absolute Armut ein «zeitunabhängiges und weitgehend physiologisch bestimmtes Existenzminimum» darstellt. Absolut arm ist, wer Hunger leidet. Absolute Armut fin-det man in Luzern praktisch keine, sind die Hilfseinrichtungen doch genügend gut ausgebaut, um alle mit einer Mahlzeit und einem Dach über dem Kopf zu versorgen. Die relative Armut ist im Gegensatz dazu orts-, zeit- und kontextabhängig. Relative Armut bemisst sich darum immer am Le-bensstandard der Mehrheit einer Gesell-schaft.

… noch klar gemessenWill man Armut in Zahlen ausdrücken, kommt man um das Festlegen einer nume-risch fassbaren Armutsgrenze nicht herum. Diese Grenze zu bestimmen, ist eine poli-tische Aufgabe, die in der Schweiz, im Ge-gensatz zu anderen Ländern, nie in Angriff genommen wurde. Als inoffizielle Grenz-ziehung werden in der Praxis meist die Sozialhilferichtlinien der SKOS (Schwei-zerische Konferenz für Sozialhilfe) verwen-

det, auf die in der einen oder anderen Form in den kantonalen Sozialhilfegesetzen ver-wiesen wird. Diese beinhalten jedoch ledig-lich einen fixierten Grundbedarf; alle ande-ren Elemente wie beispielsweise die Miete, die Krankenkassenprämien oder situati-onsbedingte Leistungen sind aufgrund der ungleich hohen Lebenskosten variabel. Da-mit können die örtlichen Gegebenheiten zwar besser berücksichtigt werden, zu-gleich öffnet sich hier aber auch ein gros-ser Spielraum für die Behörden.

Unsere Forderung:Armut sehen und bekämpfen.Damit mit einer gezielten Armutspolitik die Situation der Betroffenen verbessert und die Armut in der Schweiz halbiert werden kann, müssen Behörden und Institutionen sowie die breite Öffentlichkeit das Phäno-men als solches erkennen. Armut darf kein Tabu mehr sein! Politikerinnen und Politi-ker sowie die Verwaltungen auf der Ebene der Gemeinden, der Kantone und des Bundes sowie die verschiedensten Fachge-biete sind aufgefordert, sich für dieses Ziel einzusetzen und zu handeln. Zurzeit exis-tieren weder klar formulierte Ziele noch überprüfbare Indikatoren, die zeigen wür-den, wie sich die Armutssituation verän-dert. Caritas Luzern fordert den Kanton und die Gemeinden dazu auf, in Armuts-berichten die vorhandenen Probleme zu be-nennen, Strategien der Armutsbekämpfung

zu entwickeln und umzusetzen sowie Fort- und Rückschritte zu evaluieren.

Die Bekämpfung von Armut in der Schweiz tangiert verschiedenste Politik-bereiche. Neben der Sozialpolitik sind ins-besondere Arbeitsmarkt-, Steuer-, Migra-tions-, Bildungs- und Gesundheitspolitik gefordert. Ziel der Armutspolitik muss es sein, Armut zu vermeiden, die Würde der armutsbetroffenen Menschen zu wahren, deren soziale Existenz zu sichern sowie Wege aus der Armut zu weisen.

Deshalb fordert Caritas Luzern, dass der Kanton Luzern Armut überdepartemental wahrnimmt und dokumentiert. Der Kan-ton soll kontinuierlich über die Wirkung seiner Armutspolitik Bericht erstatten. Die-ser Bericht bietet die Grundlage, um mit den Gemeinden verbindliche Ziele in der Armutspolitik auszuhandeln und mit In-dikatoren den Zielerreichungsgrad zu mes-sen.

Links

Kantonsrat Luzern: www.lu.ch >Behörden >Kantonsrat

Bundesamt für Statistik: www.bfs.admin.ch

Bundesamt für Sozialversicherungen: www.bsv.admin.ch

Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe: www.skos.ch

Schweizerische Sozialversicherungsstatistik: www.bsv.admin.ch

Armut soll als Querschnittthema be-handelt werden. Auf der Basis von er-hobenen Zahlen sollen überdeparte-mental Ziele gesetzt werden, und die Zielerreichung ist in einem Bericht fest-zuhalten. Caritas Luzern unterstützt diese Forde-rung auf parlamentarischer Ebene.

Armut in der Politik

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tenschaft entlastet die betroffenen Eltern-teile und ermöglicht zugleich den Kindern Erlebnisse und Freundschaften ausserhalb ihres sozialen Umfeldes. Durch den Kon-takt mit der Gotte oder dem Götti lernen sie andere Familienstrukturen, Umgangs-formen und Werte kennen. Nicht selten be-kommen auch die Eltern der Kinder neue Impulse. Zudem macht es schlicht und ein-fach Spass, gemeinsam Kuchen zu backen, Ausflüge zu machen oder einfach zusam-men zu spielen.

Zusammen mit der Gotte oder dem Götti Zeit verbringen – das ist eine Bereicherung für Kinder, Eltern(teile) sowie Patinnen und Paten.

Beidseitiges BedürfnisDas Patenschaftsprojekt wurde vor 2003 in verschiedenen Caritas-Regionalstellen lanciert, seit Januar 2008 auch bei Caritas Luzern. «Vom ersten Moment an war ‹mit mir› ein Erfolg», erzählt Maria Willimann, Leiterin des Projektes. «Ganz offensichtlich

bieten wir damit ein Projekt an, das auf bei-den Seiten ein grosses Bedürfnis ist: sowohl bei den betroffenen Familien als auch bei Freiwilligen, die sich in einer Patenschaft engagieren möchten.»

Im Mittelpunkt stehen Kinder, die aus einem belasteten Umfeld kommen. Krank-heit von Mutter oder Vater, familiäre Pro-bleme oder finanziell knappe Verhältnisse – das sind schwierige Situationen, die sich auch auf die Kinder auswirken. Eine Pa-

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Caritas Luzern

Mit einer Gotte Freizeit verbringen und Neues erleben. Das Patenschaftsprojekt «mit mir» macht dies auch für Kinder aus benachteiligten Familien möglich.

Vor knapp zwei Jahren wurde das Projekt lanciert und läuft seither zur Freude aller Beteiligten: Caritas Luzern konnte bisher 48 Patenschaften an Kinder vermitteln, die aus belasteten Familien kommen.

«mit mir» – eine Erfolgsgeschichte

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13Text: Christine Weber; Bilder: Jutta Vogel, Brendan Rühli 1/10 Nachbarn Caritas

Vertrauensverhältnis aufbauenOb jung oder älter, alleinstehend oder ver-heiratet: Freiwillige, die eine Patenschaft übernehmen, haben unterschiedliche Moti-vationen für ihr Engagement. Etwa weil die eigenen Kinder ausgeflogen sind, weil sie Lust und Zeit haben oder Kinder im glei-chen Alter. «Wichtig ist in jedem Fall das Bewusstsein, dass eine Patenschaft mit Ver-antwortung und Zeitinvestition verbunden ist: Bis ein Vertrauensverhältnis aufgebaut ist, dauert es eine Weile. Daher sollte das Engagement längerfristig sein.»

Interessierte Patinnen und Paten werden sorgfältig ausgewählt und gut informiert, und Willimann versucht in Gesprächen he-rauszufinden, welches Patenkind zu wem passt. Ist eine Zuteilung erfolgt, begleitet die Caritas die Patenschaft weiterhin in-tensiv: Regelmässig wird evaluiert, ob die Patenschaft für Kinder, Eltern(teile) und Gotte oder Götti den Bedürfnissen und Er-wartungen entspricht. Erfahrungsgemäss funke es mit jüngeren Kindern schneller und unkomplizierter als bei Kindern über 10, 12 Jahre. «Ab diesem Alter sind wir mit der Vermittlung zurückhaltender. Die se Kinder brauchen oft eher eine Art Mentor zur Unterstützung in der Schule oder für die Lehrstellensuche.»

Nachhaltigkeit trotz Ressourcen-mangelDie Caritas Luzern rechnet mit einer zu-nehmenden Nachfrage bei dem Paten-schaftsprojekt, stösst jedoch schon jetzt an die Grenzen ihrer Kapazitäten: Die sorgfäl-tige Information, Auswahl und Betreuung der Familien und der Patinnen und Paten erfordert Zeit, die finanziellen und perso-nellen Mittel sind beschränkt. «Um das Projekt regional noch besser zu verankern und allenfalls sogar auf weitere Regionen auszuweiten, müssten wir mehr Ressour-

cen haben», sagt Willimann. «Im Netzwerk mit anderen Caritas-Stellen prüfen wir mo-mentan, ob und wie das Projekt nachhal-tig ausgeweitet werden kann. Eine Idee ist, freiwillige Vermittlerinnen einzuarbeiten, die in ihrer Region Patenschaften vermit-teln und betreuen. Das Controlling würde hingegen bei der Caritas bleiben.»

Noch ist das erst in Vorbereitung – momentan hat Maria Willimann alle Hände voll damit zu tun, die anstehenden Patenschaften zu vermitteln.

www.caritas-luzern.ch/mit-mir

Die freiwillige Gotte oder der Götti verbringt mit den Kindern ein- bis zweimal im Monat einen halben oder einen ganzen Tag. Das Projekt ist für Kinder zwischen drei und zwölf Jah-ren ausgelegt und soll auch deren El-tern entlasten.

Kontakt für Interessierte: Caritas LuzernMaria WillimannTel. 041 368 52 74 E-Mail [email protected]

Patenschafts-projekt «mit mir»

Am ersten Jahrestag von «mit mir» trafen sich Paten, Patinnen und Patenkinder zu einem Suppenznacht im Sentitreff.

CALU.indb 13 12.3.2010 14:25:25 Uhr

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Einkaufen kann aber nicht jeder-mann und jede Frau: Hier kommen nur Leute zum Zuge, die ein kleines Budget haben. Ein Schweizer Ei: 45 Rappen, 5 kg Wasch-pulver: 4.95 Franken oder ein Pfünderli Brot: 50 Rappen. Das sind günstige Preise für einwandfreie Produkte. Der Caritas-Markt Sursee ist einer von 19 Märkten schweizweit, in dem auch Leute mit kleinem Budget zu qualitativ guten Produkten kom-men. Die Warenakquisition und -verteilung wird zentral über Rothenburg organisiert, Zulieferer sind Migros, Coop, Denner und andere Grossunternehmen: Überschüssige Produkte werden gratis oder sehr günstig an die Caritas abgegeben und kommen bei den Regionalstellen in die Regale.

Wer in einem Caritas-Markt einkauft, ist im Besitz einer Einkaufskarte. Abgege-ben wird diese von sozialen Fachstellen an

Personen, die unter dem Existenzminimum leben. «Das Angebot hat sich im Städtchen Sursee schnell herumgesprochen. Wir sind sehr zufrieden, wie das Projekt gestartet ist», erzählt die Ladenleiterin Sonja Köchli. «Die Leute haben keine Hemmschwelle, bei uns einzukaufen. Warum auch? Eigentlich sind wir ein ganz normales Quartierlädeli.» Nur die Caritas-Einkaufstüte, die wollen nicht alle mit sich herumtragen, lacht sie, die gerne auch einen Schwatz mit der Kund-schaft macht – man kennt sich im Lädeli. Es sei auch schon vorgekommen, dass je-mand mit gefülltem Einkaufskorb an der Kasse stand und über keine Einkaufskarte verfügte. «Dann erkläre ich die Idee des La-dens und das stösst auf viel Sympathie – auch wenn der Korb halt wieder ausgepackt werden muss.»

Eine wichtige Unterstützung bekommt Sonja Köchli von momentan 23 Freiwilli-

Günstige Preise für Qualitäts-produkte

14 Caritas Nachbarn 1/10 Text: Christine Weber; Bild: Georg Anderhub

Caritas Luzern

gen, die im Laden mitarbeiten. «Die Frauen – und auch einige Männer –, die hier ehren-amtlich mitarbeiten, sind super motiviert und engagiert. Ohne sie wäre der Caritas-Markt in dieser Form nicht realisierbar.»

Zur Trägerschaft gehören nebst der Ca-ritas auch die reformierte und die katho-lische Kirchgemeinde Sursee sowie das Soziale Beratungszentrum Sursee. «Durch diese Partnerschaft wurde der Aufbau in so kurzer Zeit erst möglich», sagt Tom Giger, Koordinator Caritas-Markt, «über unsere Partner konnte das Projekt auch kommu-niziert werden und es hat geholfen, Freiwil-lige zu finden.» Die finanzielle Starthilfe der Partner ist auf fünf Jahre hin angelegt. Da-nach sollte der Caritas-Markt Sursee selbst-tragend sein – ein mittelfristiges Ziel, das gemäss Tom Giger durchaus Chancen hat, erreicht zu werden.

Letzten November wurde im Städtchen Sursee der zweite Caritas-Markt im Kanton Luzern eröffnet. Nahrungsmittel, Haushaltswaren und Frischprodukte: Der kleine, charmante Laden bietet Ware für die Grundversorgung.

Die Auswahl an Lebensmitteln für den täglichen Bedarf ist auch im kleinen Caritas-Markt in Sursee gross. Neben importierten gibt es auch Schweizer Eier aus der Nachbarschaft.

Unterstützen Sie das Projekt «Caritas-Markt» mit einer Spende auf PC 60-4141-0, Vermerk «Lebensmittelladen».

Herzlichen Dank!

Möchten Sie, dass armutsbetrof-fene Menschen jeden Tag ver-günstigte Lebensmittel einkaufen können? Dann übernehmen Sie einfach eine Projektpatenschaft «Lebensmittelhilfe».

Mehr Informationen dazu finden Sie auf www.caritas-luzern.ch/projekt patenschaften.

Unterstützung

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Sich endlich wieder einmal gut unterhalten können: zum Beispiel in der Lesebühne von Satz & Pfeffer in Zug. Die KulturLegi Zentralschweiz macht es möglich.

Auf der Lesebühne in Zug wird mit humorvoll präsentierten Texten Erholung vom Alltag geboten, die auch fürs kleine Budget erschwinglich ist. Das Programm ist eines der Angebote der KulturLegi.

15Text: Pirmin Bossart; Bild: © Christof Borner-Keller / Neue Luzerner Zeitung 1/10 Nachbarn Caritas

Dichter mit Pepp

Das kleine Lokal an der Oswaldgasse 11 ist an diesem Februar-Abend dicht besetzt. Im «Oswald Eleven» veranstalten Michael von Orsouw und Judith Stadlin jeden Monat die «Satz & Pfeffer Lesebühne»: ein Angebot, das in Zug voll eingeschlagen hat. Das Pu-blikum lernt Autorinnen und Dichter ken-nen, die nicht einfach uninspiriert vor sich hin lesen, sondern ihre Texte frisch und hu-morvoll performen. Hier entsteht: Bühnen-literatur.

Lesungen, wie sie bei Satz & Pfeffer zu erleben sind, bieten geistreiche Unterhal-tung, vermitteln Emotionen, setzen Refle-xionen in Gang. So lässt sich Energie tan-ken, den Alltag mit neuem Schwung zu meistern und sich nicht unterkriegen zu lassen. Eine Motivation, die gerade Men-schen brauchen können, die sich mit sehr wenig Geld durch das Leben kämpfen müs-sen. Nur: Längst nicht alle Menschen kön-

nen es sich leisten, kulturelle Veranstal-tungen zu besuchen.

10 statt 15 FrankenDie KulturLegi hilft, diesen Teufelskreis ein wenig zu durchbrechen. Sie ermöglicht es, dass Menschen, die wirtschaftliche Sozial-hilfe beanspruchen oder sich sonstwie am Existenzminimum bewegen, ab und zu ein Konzert, ein Museum, eine Theatervorstel-lung oder eben eine Lesung besuchen kön-nen. Betroffene äussern immer wieder, dass solche geistige Nahrung nicht zu unterschät-zen ist, wenn es darum geht, wieder Licht in einen beschwerlichen Alltag zu bringen.

Seit kurzem gilt die KulturLegi auch für die Lesebühne Satz & Pfeffer. Michael von Orsouw musste sich dieses Engage-ment nicht lange überlegen. «Wir wollen mit unserer Lesebühne in Zug nicht nur den Rechtsanwalt und die Zahnarztgat-tin ansprechen. Kultur soll bei uns für alle

erschwinglich sein. Das ist unser Grund-credo. Also haben wir den Eintrittspreis auf lediglich 15 Franken festgesetzt.»

Für Personen mit der KulturLegi senkt die Lesebühne den Eintrittspreis nochmals um einen Drittel auf zehn Franken. Sie er-weitert damit ihre kulturpolitische Hal-tung zu einem sozialpolitischen Statement. Von Orsouw: «Für uns ist klar, dass sich auch jene Leute kulturell bereichern kön-nen sollten, die sonst jeden Franken zwei-mal umdrehen müssen, bevor sie ihn aus-geben.»

Gut angelaufenDie 2007 lancierte KulturLegi Luzern wurde Ende September 2009 auf die ganze Zen-tralschweiz ausgeweitet. «Wir haben über 180 Angebote und es kommen laufend neue dazu», sagt die Verantwortliche Lili Kaelin von der Caritas Luzern. Neben Kulturver-anstaltungen im engeren Sinne können mit der KulturLegi auch Angebote in den Be-reichen Sport, Bildung und Freizeit besucht werden.

Im Januar 2010 wurde begonnen, die bestehenden KulturLegi-Regionen natio-nal zu vernetzen. Damit werden die Kul-turLegi-Ausweise über den angestammten Raum hinaus gültig.

Weitere Informationen: www.kulturlegi.ch/zentralschweiz

CALU.indb 15 12.3.2010 14:25:27 Uhr

Page 16: Nachbarn 1/2010

16 Caritas Nachbarn 1/10 Interview & Bild: Urs Odermatt

Caritas Luzern

Nachgefragtbei Heidi Ittig, Sozialarbeiterin in der Sozialberatung der Caritas Luzern.

Das neue Ausländergesetz räumt der Integration einen hohen Stellen-wert ein und fördert Sprachkurse für Flüchtlinge. Ein Sprachkurs bedingt aber Übung und Anwenden des Ge-lernten im Alltag. Freiwillige sind dabei eine wertvolle Hilfe, sie unterstützen bei den Hausaufgaben oder machen Konversationsübungen.

Deutsch für EritreerZurzeit suchen wir mehr als 40 Freiwil-lige für Menschen aus Eritrea, die in Luzern, in der Agglomeration, im Ent-lebuch und bei Willisau wohnen.Untenstehend zwei Beispiele:

WolhusenIn Wolhusen sucht ein 26-jähriger Mann eine freiwillige Person, um seine Deutschkenntnisse zu verbessern. Er lebt mit anderen eritreischen Per-sonen in einer WG. Er möchte mög-lichst schnell eine Arbeit finden. Seit einem halben Jahr besucht er einen Deutschkurs und möchte das Ge-lernte auch anwenden können.

EbikonHerr A. lebt mit seiner Partnerin und seinem zweijährigen Sohn zusam-men. Er besucht einen Deutsch-In-tensivkurs in Luzern und lernt gut, hat aber keine Möglichkeit, in der Freizeit die Sprache anzuwenden. Um seine mündlichen Kenntnisse zu trainieren, wünscht er sich eine freiwillige Per-son. Schön wäre für ihn, wenn diese auch Familie hätte, um hin und wieder gemeinsam etwas zu unternehmen.

Ihr Einsatz?Als freiwillige Mitarbeiterin oder frei-williger Mitarbeiter bei Caritas Lu-zern lernen Sie Menschen mit ande-ren Perspektiven kennen und helfen ihnen bei der sozialen Integration. Je nach Einsatzgebiet erhalten Sie be-darfsgerechte Weiterbildung und auf Wunsch einen Sozialzeitausweis.

Unter www.caritas-luzern.ch/frei-willige finden Sie weitere Informati-onen.

Freiwilligenarbeit

Heidi Ittig, wie hoch ist der Anteil der Ratsuchenden mit Schulden?

Die Hälfte der Leute, die zu uns kom-men, haben Schulden.

Welche Personen melden sich für eine Schuldensanierung?

Es sind vorwiegend Personen und Fami-lien mit kleinem Einkommen. Viele leben seit Jahren mit Schulden, haben also bereits eine längere Leidenszeit hinter sich.

Was sind die häufigsten Ursachen?Man lebt über die finanziellen Verhält-

nisse, häufig mittels Kreditkarten. Man konsumiert auf Pump und hofft, dass es hintenan wieder aufgeht. Fallen dann auch noch die Einnahmen tiefer aus wegen Ar-beitslosigkeit, Trennung etc., entstehen sehr schnell Schulden. Reserven gibt es in der Regel keine. Viele Leute haben zudem nie gelernt, mit den Lebenskosten umzugehen, Rechnungen regelmässig zu bezahlen. Da werden zum Beispiel Arztrechnungen auf-geschoben und mit der Rückerstattung von der Krankenkasse wird etwas anderes be-zahlt.

Ist es denn für Personen mit gerin-gem Einkommen überhaupt mög-lich, Schulden zu sanieren?

Es kann gerade für Einzelpersonen möglich sein, wenn sie sich einschränken. Aber für Familien mit kleinem Einkom-men ist es sehr schwierig, da gibt es kaum Reserven.

Viele reden auch von einem Privatkon-kurs und meinen, danach seien die Schul-den vom Tisch. Doch braucht es zuerst einmal 5000 Franken, um das Konkurs-verfahren einzuleiten. Und auch danach können die Gläubiger jederzeit wieder mit Verlustscheinen kommen und sogar erneut betreiben.

Was gilt es bei einer Sanierung zu beachten?

Das Wichtigste ist, keine neuen Schul-den zu machen. Die Existenz, das Bezah-len der laufenden Lebenskosten, muss ge-sichert sein. Wir können dann von unserer Stelle aus versuchen, mit den Gläubigern Ratenzahlungen oder einen Nachlassver-trag auszumachen, um so nach und nach eine Sanierung zu ermöglichen.

Was, wenn eine Sanierung nicht möglich ist?

Dann bleibt oft nichts anderes, als lang-fristig mit dem Existenzminimum leben zu lernen und sich so einzurichten, dass mit dem wenigen Geld trotzdem eine gewisse Lebensqualität möglich ist.

CALU.indb 16 12.3.2010 14:25:33 Uhr

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«Jeder braucht vielleicht mal Hilfe»Die in Hildisrieden wohnhafte Heidi Krieger ist auch nach ihrer Pensionierung als «Lohnfee» der Caritas Luzern dem Hilfswerk verbunden.

17Text: Daniela Mathis; Bild: Urs Odermatt 1/10 Nachbarn Caritas

«Selbst studierte Architekten kann es treffen, die Caritas um Hilfe zu fragen.»

«Am Schalter der Sozialberatung trifft man auf die unterschiedlichsten Menschen. Und es sind nicht, wie viele meinen, vor allem Ausländer. Es sind sehr viele Schweizer da-runter. Und dann nicht etwa nur Leute mit Drogenproblemen oder Sozialhilfebezüger. Es sind beispielsweise Alleinerziehende wie auch Selbständige, die Ende Monat einen Engpass haben. Eines Tages stand da ein Architekt an der Morgartenstrasse und bat um Überbrückungshilfe!»

So erzählt Heidi Krieger, die zehn Jahre lang für die Caritas Luzern die Lohnbuch-haltung führte und anfangs auch einen Tag am Sozialberatungsschalter der Caritas Lu-zern an der Morgartenstrasse stand. «Es kann halt wirklich jeden mal treffen, dass er Hilfe braucht: Die Alleinerziehende hat vielleicht kein Geld für den dringend be-nötigten Zahnarztbesuch ihres Kindes, der Architekt hat vielleicht grad nicht genug Flüssiges, weil sein nächstes Bauprojekt erst

in einem halben Jahr wieder Geld einbringt und das letzte schon eine Weile her ist», meint Heidi Krieger.

Beeindruckt habe sie, wie gut die Sozial-beratung und damit auch die Not- und Überbrückungshilfe bei der Caritas Lu-zern organisiert sei und wie sie vorgehe, wenn jemand um finanzielle Hilfe bittet. Es werde genau geprüft, wer welche Un-terstützung braucht. «Caritas drückt den Menschen nicht einfach Geld in die Hand», erklärt Heidi Krieger, zuerst würden sämt-liche notwendigen Unterlagen geprüft. Und selbst dann fliesse nicht unbedingt Bares. Meistens wird die Originalrechnung mit dem Einzahlungsschein verlangt und die Caritas zahle die Rechnung dann inner-halb der gewährleisteten Not- bzw. Über-brückungshilfe selber. «So ist sichergestellt, dass die Hilfe für das verwendet wird, wo-für sie bestimmt wurde.»

Die heute pensionierte Grossmutter von sechs Enkeln ist der Caritas Luzern treu ge-blieben. Nicht nur spendet sie jedes Jahr et-was für die Not- und Überbrückungshilfe und hat gar zu ihrem sechzigsten Geburts-tag, statt sich Geschenke zu wünschen, ih-ren Freunden und Bekannten gesagt, dass sie lieber für die Caritas Luzern sammle. Die gebürtige Luzernerin ist seit einiger Zeit auch als Freiwillige für die Caritas Lu-zern tätig. Sie betreut einmal in der Wo-che eine Eritreerin mit ihrem vierjährigen Sohn, die seit zwei Jahren in Nottwil le-ben. Mit ihr übt sie Deutsch; schriftlich sei sie schon sehr gut, auch was die Gram-matik angehe, «aber das Sprechen bereitet ihr noch einige Mühe. Vor allem am Te-lefon, da weiss ich nie, ob sie verstanden hat, was ich gemeint habe. Wenn ich zu ihr nach Nottwil gehe und wir uns gegenüber-sitzen, ist es dann viel einfacher.»

Kürzlich habe sie ihr sogar einen richtig feinen eritreischen Kaffee gemacht. Das sei fast schon eine Zeremonie, die Bohnen wer-den erst frisch geröstet, alles dauere. Aber das sei ein Kaffee gewesen – unvergesslich, schwärmt Heidi Krieger noch heute.

Den Menschen so zu helfen, dass sie sich selber wieder helfen können, ist für Heidi Krieger zentral. So, wie es die Hilfe der Caritas Luzern ebenfalls zum Ziel hat.

Mit Ihrer Spende helfen Sie uns dabei. Herzlichen Dank!

Caritas Luzern – Spendenkonto 60-4141-0

Hilfe zur Selbsthilfe

CALU.indb 17 12.3.2010 14:25:35 Uhr

Page 18: Nachbarn 1/2010

Caritas Nachbarn 1/10 Bild: zvg

Floriana Frassetto ist Gründungsmitglied der Th eatergruppe Mummenschanz. Für Caritas beantwortet sie zehn Fragen.

«Wir Menschen fühlen gleich, unabhängig von Nationalitäten»

Floriana Frassetto Die gebürtige Italienerin studierte an der Th eater-Akademie in Rom. Als sie Andrès Bossard und Bernie Schürch kennenlernte, gründete sie mit ihnen 1972 die Th eatergruppe Mummen-schanz. Seither hat sie das weltweit er-folgreiche Repertoire von Mummen-schanz miterfunden, mitgestaltet und in allen Produktionen mitgespielt.

Persönlich

18

Was würden Ihre Nachbarn über Sie sagen? Man sieht sie wenig. Sie ist auf der ganzen Welt zuhause.

Wann sind Sie glücklich? Wenn ich je-weils meine Familie wiedersehe und wenn ich aus dem Publikum ein spontanes, herz-liches Lachen höre, das übrigens auf allen Kontinenten gleich tönt. Das zeigt mir, dass wir Menschen unabhängig von Nationali-täten gleich fühlen.

Wie haben Sie das letzte Mal jeman-dem geholfen? Ich führe nicht Buch da-rüber, aber ich helfe gerne, wann immer ich kann.

Welches Erlebnis hat Sie besonders geprägt? Die Krebserkrankung meines Lebenspartners.

Warum braucht es Caritas? Um Spen-den zu organisieren und damit Menschen in Not helfen zu können.

Wofür lohnt es sich, zu streiten? Für Toleranz und gegenseitiges Verständnis.

Was stimmt Sie zuversichtlich? Das zunehmende Bewusstsein, dass wir un-serer Natur Sorge tragen und mit unseren Ressourcen verantwortungsvoll umgehen müssen.

Eine für Sie bedeutende Person in Ihrem Umfeld? Bertrand Piccard.

Woher stammen Ihre Werte? Aus mei-ner Erziehung, der Religion, der Literatur und der Kunst.

Welche Sünde begehen Sie mit Freude? Rauchen.

Informationen zur Th eatergruppe unterwww.mummenschanz.com

CALU.indb 18 12.3.2010 14:26:36 Uhr

Page 19: Nachbarn 1/2010

Rund 700 000 Liter Milch, gegen 240 000 Kilogramm Mehl, etwa 100 000 Kilogramm Teigwaren, rund eine Million Joghurts – in diesen Dimensionen bewegt sich der jähr-liche Bedarf der 19 Caritas-Märkte in der Schweiz. In diesen Märkten können Ar-mutsbetroffene Lebensmittel und andere wichtige Produkte zu einem besonders günstigen Preis einkaufen.

Um solche Mengen zu bewältigen, braucht es eine Drehscheibe: die Caritas-Warenzentrale in Rothenburg. Hier arbei-tet, gemeinsam mit rund zehn Personen, Rolf Maurer, Geschäftsleiter der Genos-senschaft Caritas-Markt. Der langjäh-rige Coop-Kadermann kennt die Branche: «Die Caritas-Warenzentrale funktioniert eigentlich genau gleich wie diejenige eines normalen Detailhändlers. Wir müssen je-doch nicht Margen erwirtschaften, sondern

möglichst günstige oder kostenlose Ware beschaffen.»

Dabei handelt es sich etwa um Produkte mit Fehlverpackung, Ware, von der zu viel produziert wurde, oder Lebensmittel mit kurzem Ablaufdatum. Im Moment beschäf-tigt sich Maurer zum Beispiel mit 240 Ki-logramm Hefe, die ihm ein Lieferant gratis angeboten hat, weil sie ihr Ablaufdatum in

drei Wochen erreichen wird: «Wir können ihm sicher nicht die ganze Menge abneh-men und müssen sehr schnell handeln, da-mit die Hefe, wie alle Angebote in den Cari-tas-Läden, noch verkaufsfrisch ist.»

Die Zusammenarbeit zwischen Lie-feranten und Caritas-Warenzentrale hat sich über die Jahre eingespielt. Heute wer-den die Caritas-Märkte von Detailhänd-lern und Produzenten nicht mehr als po-tenzielle Konkurrenten betrachtet: «Geben

«Wir brauchen noch mehr Ware»

Drehscheibe Caritas-Warenzentrale: Im luzernischen Rothenburg werden die Produkte, die in den Caritas-Märkten verkauft werden, akquiriert, bestellt, gelagert und in Zusammen-arbeit mit einem Transportunternehmen in die ganze Schweiz verteilt.

sie uns ihre Produkte, helfen sie Armutsbe-troffenen, die sich diese in einem anderen Laden sowieso nicht leisten könnten. Aus-serdem spart sich der Lieferant die Entsor-gung der Ware, die er nicht mehr verkau-fen kann – pro Palette kostet sie 300 bis 500 Franken», erzählt Maurer.

Um bei potenziellen Lieferanten nicht in Vergessenheit zu geraten, setzt die Wa-renzentrale einen Mitarbeiter ein, der sie laut Maurer «aktiv bearbeitet». Er hat auch diejenigen Unternehmen im Auge, die nach wie vor Lebensmittel wegwerfen, die für die Caritas-Märkte geeignet wären: «Eigentlich eine Schande», sagt Maurer, «aber wir dür-fen sie nicht anprangern, sondern müssen sie überzeugen. Wir brauchen noch mehr Ware.»

Denn die Nachfrage nach den Ange-boten der Caritas-Märkte steigt: 2008 er-reichten sie einen Umsatz von 6,5 Millionen Franken, 2009 waren es bereits 7,2 Millio-nen Franken. Und für 2010 rechnet Maurer mit einer weiteren Zunahme. Er befürchtet, dass sich 2010 die Krise weiter auswirkt, «wenn diejenigen, die ihre Arbeit verloren haben, beim Sozial amt landen».

Mit dem steigenden Bedarf in den Märkten wurde das Prinzip, nur Ware zu verkaufen, welche die Warenzentrale gratis erhalten hat, aufgegeben. «Vor etwas mehr als zwei Jahren waren 70 Prozent unseres Angebots Gratisware, heute sind es nur noch 40 Prozent», weiss Maurer. Deshalb kauft die Warenzentrale heute beispiels-weise Grundnahrungsmittel möglichst günstig ein – verkauft werden sie dann un-ter dem Einstandspreis. Damit das möglich ist, hat man neben den Lieferanten von Gra-tisware auch Firmen gesucht, die Produkte sehr billig abgeben oder den Einkauf spon-sern. «Wir mussten und müssen neue Wege suchen», sagt Maurer.

Die Warenzentrale des Caritas-Markts beliefert 19 Caritas-Märkte in der ganzen Schweiz.

Caritas-Netz

Text: Bettina Büsser; Bild: Heinz Dahinden 1/10 Nachbarn Caritas 19

«Früher waren 70 Prozent unseres Angebotes Gratisware, heute sind es nur noch 40 Prozent.»

CALU.indb 19 12.3.2010 14:26:45 Uhr

Page 20: Nachbarn 1/2010

Ausgesteuert und auf Sozialhilfe angewie-sen zu sein heisst, in äusserst prekären Ver-hältnissen zu leben, oft über Jahre hinweg. Der Integrationsbetrieb «Haushalts-Fee» der Caritas Thurgau bietet Menschen in sol-chen Verhältnissen eine Beschäftigung und dadurch Stabilität.

In der Küche wird eifrig der Glaskera-mikherd geputzt und hinten im Bad rauscht die Duschbrause. Ein angenehmer Geruch von Sauberkeit zieht durch die Maisonette-Wohnung. Meistens ist niemand zuhause, wenn geputzt wird. Das kommt den bei-den Mitarbeitenden nicht ungelegen, denn Anonymität ist ihnen wegen ihrer desola-ten Situation wichtig.

«Ich gehe an jeden Einsatz mit, leite an und kontrolliere am Schluss die Arbeit», sagt die Einsatzleiterin und lässt ihren Blick prüfend über die Abzugshaube gleiten. Sie führt auch die Kundengespräche und er-stellt die Einsatzpläne. Das Coaching der Mitarbeitenden wird durch einen Sozial-arbeiter gewährleistet, der mit den zuwei-senden Gemeinden den Kontakt pflegt.

www.caritas-thurgau.ch/Haushalts-Fee

20 Caritas Nachbarn 1/10 Texte: Adrian Wismann; Bilder: Restau-Verso, Caritas Thurgau; Collage rechts: Martin Blaser

Caritas-Netz

Haushaltsfee im Einsatz

«Restau-Verso» – Restaurant und Sozialfirma

Im September 2009 öffnete «Restau-Verso» in der Industriezone des Kantonshaupt-ortes seine Tore. Neben dem einladenden Restaurant gehören ein Self-Service, ein Take-away und ein Traiteur zum Angebot. Mit der kostenlosen Ausleihe von Velos an Kunden wird zusätzlich die gesunde Mo-bilität gefördert. Die von Caritas Jura ins Leben gerufene Sozialfirma (siehe Kasten) eröffnet 16 IV-Bezügern und 3 Küchenpro-fis mit Führungskompetenzen neue beruf-liche Perspektiven.

Sechs Monate nach der Eröffnung hat sich das «Restau-Verso» mit rund 70 Mahl-zeiten pro Tag bereits eine treue Kundschaft geschaffen. Mitarbeitende aus den Betrie-ben in der Umgebung, aber auch aus der Stadt selber nutzen diese Angebote gerne. Ein Beweis dafür, dass sich wirtschaftliche und soziale Ansätze durchaus ergänzen können.

Weitere Informationen unter www.restau-verso.ch

Eine Sozialfirma ist ein Unternehmen mit doppelter Zielsetzung: Es schafft erstens Arbeit für Personen mit Be-hinderungen oder Benachteiligungen auf dem Arbeitsmarkt. Zweitens stellt das Unternehmen marktgerechte Pro-dukte und Dienstleistungen her und deckt so nach der Aufbauphase min-destens 50 Prozent seiner Ausgaben durch Einnahmen aus dem Verkauf die-ser Produkte. Mindestens 30 Prozent der Belegschaft sind Personen mit Be-hinderungen oder Benachteiligungen. Alle Arbeitnehmerinnen und Angestell-ten haben einen unbefris teten Arbeits-vertrag und erhalten in der Regel einen Lohn nach orts- und branchenüblichen Ansätzen. Weitere Informationen bei der Arbeitsgemeinschaft Schweizer Sozialfirmen (ASSOF): www.swisssocialfirms.ch

Was ist eine Sozialfirma?

Mit der Gründung von Sozialfirmen soll die Armut in der Schweiz wirksam bekämpft werden. Ein Beispiel ist «Restau-Verso» im jurassischen Délemont.

Vorbereitungsarbeiten in der Küche des Restau-Verso. Bald treffen die ersten Gäste ein.

Eine Arbeitsmöglichkeit für Menschen in prekären Ver-hältnissen

CALU.indb 20 12.3.2010 14:27:03 Uhr

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19Collage: Martin Blaser 1/10 Nachbarn Caritas

Armut bedeutet Ausgrenzung und soziale Isolation

CALU.indb 21 12.3.2010 14:27:11 Uhr

Page 22: Nachbarn 1/2010

Kiosk

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Veranstaltungen

Luzerner Stadtlauf – Solidaritätslauf

Samstag, 24. April 2010

ab 17.30 Uhr Im Rahmen des nationalen Aktions-tags zur Bekämpfung der Armut tre-ten Caritas-Mitarbeitende, Dol-metschende und Freiwillige zum Solidaritätslauf an. Als «Happy Run-ners» und als «Crazy Runners» rennen sie in roten T-Shirts mit dem Logo «Armut halbieren» am Stadtlauf mit. Vereinsversammlung der Caritas Luzern Dienstag, 8. Juni 2010

Paulusheim Luzern 16 Uhr Statuarischer Teil 17.30 Uhr Armut im Kanton Luzern – Wie reagiert die Politik? Podiumsgespräch mit Politikerinnen und Politikern 18.30 Uhr Apéro Weitere Informationen auf www.caritas-luzern.ch

Flüchtlingstag 2010 Das Thema des diesjährigen Flücht-lingstags ist «Tandem». In Luzern fin-det der Tag eine Woche früher als an-dernorts statt. Wie gewohnt gibt es ein vielseitiges Musikpro gramm sowie ein Kinderpro-gramm während des ganzen Tages. Stände mit kulinarischen Spezialitäten aus allen Ländern laden zum Verwei-len ein. Samstag, 12. Juni 2010

10.30–19.00 Uhr Kapellplatz Luzern Weitere Informationen auf www.caritas-luzern.ch

Mit dieser Ausstellung, die in ver-schiedenen Orten der Schweiz ge-zeigt wird, macht die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) Ar-mut und Sozialhilfe zum öffentlichen Thema. Die Bevölkerung erfährt da-bei, welchen Auftrag die Sozialhilfe hat und was sie leistet, um Menschen, die sich in prekären Lebenslagen befin-den, zu unterstützen. 5.–10. Mai 2010

Horw, Foyer Gemeindeverwaltung 12.–26. Mai 2010

Luzern , Heiliggeistkapelle Stadt-hauspark, Hirschengraben 17 28. Mai bis 6. Juni 2010

Sursee, SoBZ, Haselmatte 2A 8.–13. Juni 2010

Hochdorf, SoBZ, Hinter dem Bank-weg 1

Caritas Nachbarn 1/10

HitzkirchFrau G. ist 22 und im sechsten Monat schwanger. Sie wohnt in Hitzkirch in einer Frauen-WG und möchte sobald wie möglich nach Luzern oder Umge-bung ziehen. Sie hat Deutschkurse der Grundstufe 1 besucht und abgeschlos-sen und ist sehr motiviert, ihre Deutsch-kenntnisse weiterhin zu vertiefen. Sie sucht eine Person, die ihr dabei hilft.

Flühli Die asylsuchende Familie aus Afgha-nistan lebt seit einem Jahr in Flühli, aus-serhalb des Dorfes und ziemlich abge-legen. Drei Kinder gehen zur Schule. Die Frau kann einen Deutschkurs be-suchen, der Ehemann und der erwach-sene Sohn müssen noch warten. Sie haben keinerlei Deutschkenntnisse. Aufgabe und Ziel des Freiwilligenein-satzes ist die Vermittlung von Grund-kenntnissen in Deutsch für die drei Er-wachsenen. Dies kann im Rahmen gemeinsamer Aktivitäten wie gemein-sam einkaufen, zusammen kochen etc. erfolgen.

LuzernDer Iraker ist alleinstehend. Sein ange-borenes Rückenleiden verursacht ihm oft starke Schmerzen. Durch gemein-same Besuche kultureller Veranstal-tungen erhofft er sich, vermehrt Deutsch sprechen zu können. Die freiwillige Per-son sollte Erfahrung oder Eignung im Umgang mit behinderten Menschen mitbringen und bereit sein, eine Bezie-hung über längere Zeit zu pflegen.

LuzernDie fünfköpfige Familie kommt aus Af-ghanistan, die Kinder gehen teilweise schon in die Schule. Der Vater ist lang-zeitarbeitslos und auf Stellensuche. Seine Frau spricht besser Deutsch. Beides belastet ihn sehr. Mit regelmäs-siger Konversation über Alltagsthemen möchte er seine Deutschkenntnisse verbessern.

Unter www.caritas-luzern.ch/freiwil-lige finden Sie weitere Informationen.

Freiwilligenarbeit

Jahresbericht 2009

Der Jahresbericht 2009 der Caritas Luzern erscheint Mitte Mai. Er kann bestellt werden unter Telefon 041 368 52 00 oderper E-Mail [email protected].

Er kann, wie auch der ausführliche Finanzbericht 2009, heruntergeladen werden auf www.caritas-luzern.ch.

CALU.indb 22 12.3.2010 14:27:13 Uhr

Page 23: Nachbarn 1/2010

Illustration: Melk Th almann; Bild: zvg 1/10 Nachbarn Caritas 23

Gedankenstrich Charles Clerc.

machen muss, ist arm, kann nicht am heu-tigen Leben teilnehmen, wird an den Rand gedrängt, fällt raus.

700 000 bis 900 000 sollen es in der Schweiz sein. Immerhin ungefähr ein Zehntel! Und diese Zahl will Caritas bis 2020 halbieren.

Halbieren hat mit teilen zu tun. Dass, wer hat, teilen sollte mit denen, die da nicht haben, ist in jeder halbwegs anständigen Zivilisation guter Brauch.

Nur, barmherzig teilen, wie einst St. Martin seinen Mantel, ist recht und gut, aber in heutigem Sinn nicht wirklich ge-recht.

Wirklich gerecht teilen heisst Regeln aufstellen, die das Recht an der Teilhabe sichern. Man (das heisst die Politik, letzt-lich wir alle) sollte sich mal richtig drum kümmern. Auch das ist einfach – eigent-lich. Natürlich kostet es etwas: «Vo nüüt chunnt nüüt.» Aber leisten könnten wir es uns allemal.

Drum gibt es eigentlich keinen Grund, nicht zu probieren, die Armut zu halbie-ren.

Wir sollten es tun. Tun wir es?

Charles Clerc,ehemaliger Redaktor

und Moderator Tagesschau16 Jahre war Charles Clerc als Redaktor und Moderator der

Tagesschau beim Schweizer Fern-sehen tätig. Sein Markenzeichen

war jeweils sein Schlusssatz «Und zum Schluss noch dies ...».

Nein, ich bin nicht arm. Ich esse gut und gern (und zu viel), wohne behaglich, kleide mich anständig (lieber Schurwolle als Po-lyester); es reicht für Th eater und Konzert, für Griechenlandferien und Reisen nach Afrika; für Kino, Bücher und CDs. Die Steuern sind bezahlt und die Krankenkas-senprämien gehen jeden Monat automa-tisch vom Konto ab. Sogar die, obwohl von Räubern abgekartet, vermögen nicht, mich in grosse Not zu stürzen.

Mir geht’s gut. Vergleiche ich mich al-lerdings mit denen, die am Monatsende nicht nur gutes Geld bekommen, sondern auch noch Boni, bin ich wohl ziemlich arm dran.

Also alles nur relativ? Ist arm, wer sich nicht so viel leisten kann wie andere?

Etwas komplizierter ist das schon – und doch wieder ganz einfach: Wer Monat für Monat die Miete mühsam zusammenkrat-zen muss, sich viermal überlegen muss, ob es für eine neue Hose reicht, von Ferien zwar träumen darf, aber zuhause bleiben muss, wem Kino, Bücher, Th eater uner-schwinglich sind und wen die Kranken-kassenprämien in den Ruin stürzen, kurz, wer es mit knapp mehr als 2000 Franken

Armut halbieren

CALU.indb 23 12.3.2010 14:27:18 Uhr

Page 24: Nachbarn 1/2010

Samstag, 24. April 2010

LuzernDetailliertes Programm unter: www.caritas-luzern.ch

Armut in der reichen Schweiz ist ein Tabu. Armut kann jeden und jede tref-fen: Von Armut bedroht ist, wer arbeits-los oder krank wird, wer ungenügend ausgebildet ist, wer drei oder mehr Kin-der hat, wer eine Scheidung durch-macht oder Opfer einer Wirtschafts-krise wird.

Vier Bereiche sind im Kampf gegen die Armut zentral:

Armut erkennen und dokumentieren;• die Grundsicherung in der Sozialhilfe • landesweit verbindlich regeln;Sozial� rmen fördern;• allen eine Ausbildung ermöglichen.•

Am 24. April macht Caritas deshalb in der ganzen Schweiz auf diese An-liegen aufmerksam.

Erfahren Sie mehr über die Aktionen in unserer Region auf Seite 22 und unter www.caritas-luzern.ch.

Nationaler Aktionstagam 24. April 2010

CALU.indb 24 12.3.2010 14:28:12 Uhr