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SCHRIFTENREIHE SCHIFFBAU Festschrift anlässlich des 100. Geburtstages von Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Otto Grim März 2012

Otto Grim – Wissenschaftler und Ingenieur€¦ · Otto Grim in sich alle Eigenschaften, die man „preußische Tugenden“ nennt. Nach dem Besuch der Technisch-gewerblichen Bundesanstalt

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SCHRIFTENREIHE SCHIFFBAU

Festschrift anlässlich des 100. Geburtstages von Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Otto Grim

März 2012

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Festschrift anlässlich des 100. Geburtstages von Prof. Dr.-Ing. E.h. Otto Grim

© Technische Universität Hamburg-Harburg Schriftenreihe Schiffbau Schwarzenbergstraße 95c D-21073 Hamburg

http://www.tuhh.de/vss

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Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Otto Grim22. Dezember 1911 – 21. Juni 1994

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Otto Grim – Wissenschaftler und IngenieurProf. Dr.-Ing. Harald Keil

Seite 3

Otto Grim und die Festigkeit der SchiffeProf. Dr.-Ing. Dr.-Ing.E.h. Dr.h.c. Eike Lehmann

Seite 8

Otto Grim und die VibrationenProf. Dr.-Ing. Heinrich Söding

Seite 24

Dynamik des Seeverhaltens und statische Stabilitätsbetrachtungen -Versuch einer Synthese

Prof. Dr.-Ing. Stefan KrügerSeite 37

Voraussage des Seeverhaltens von Schiffen in schwerer See mit RANSEProf. Dr.-Ing. Ould el Moctar

Seite 52

Das Grimsche Leitrad – Chronik einer InnovationDipl.-Ing. Michael vom Baur, Dr.-Ing. Klaus Meyne

Seite 69

Otto Grim und das ManövrierenProf. Dr.-Ing. Andrés Cura Hochbaum

Seite 81

Nicht verzagen, Otto fragen!Otto Grim und das Verhältnis von Theorie und Praxis

Dipl.-Ing. Peter SchenzleSeite 83

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Otto Grim – Wissenschaftler und Ingenieurvon Harald Keil

Wir wollen heute das Leben von Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing.E.h. Otto Grim kurz skizzieren und einen Einblick in die wesentlichen Gebiete seines Schaffens geben.Otto Grim wurde am 22. Dezember 1911 in Groißenbrunn in Niederösterreich geboren. Um es vorweg zu sagen: Obwohl der Geburtsort mitten im damals mächtigen k.u.k.-Reich lag, vereinte Otto Grim in sich alle Eigenschaften, die man „preußische Tugenden“ nennt.Nach dem Besuch der Technisch-gewerblichen Bundesanstalt in Mödling bei Wien ab 1925 und der Reifeprüfung 1929 studierte er Schiffbau und Schiffsmaschinenbau an der Technischen Hochschule Wien. Das Studium schloß er im Dezember 1934 mit der zweiten Staatsprüfung ab und erhielt den Titel „Ingenieur“, was ihm später Probleme bereitete, da in Deutschland der entsprechende Titel „Diplom-Ingenieur“ hieß. Anschließend war er arbeitslos, bis er 1936 eine Anstellung bei der Kriegsmarinewerft Wilhelms-haven in der Abteilung für Messungen und wissenschaftliche Untersuchungen fand. 1937 wechsel-te er als Sachbearbeiter für Schwingungen und Vibrationen in das Oberkommando der Kriegs-marine in Berlin, wo er 1939 die Baumeister-Prüfung ablegte. 1940 wurde er Marinebaurat und Referent für den Entwurf kleiner Uboote.Das Kriegsende erlebte er unter Wasser in einem Uboot, kam nach dem Auftauchen in norwegi-sche und ab Oktober 1945 in französische Kriegsgefangenschaft. Von 1947 bis 1949 arbeitete er als Konstrukteur in einem Ingenieurbüro in Kressbronn am Bodensee für die französische Marine.1950 trat er als Leiter der Forschungsabteilung und später stellvertretender Direktor in die Ham-burgische Schiffbau-Versuchsanstalt HSVA ein. Am 24. Juni 1953 promovierte er mit einer Arbeit über die „Berechnung der durch Tauchbewegungen eines prismatischen Körpers erzeugten hydro-dynamischen Kräfte“ als erster Schiffbauer in Deutschland nach dem Krieg mit Auszeichnung zum Doktor-Ingenieur. Prof. Weinblum sagte dazu: „Ich betrachte es als eines der besten Auspizien unse-rer neuen Schiffbau-Abteilung Hannover-Hamburg, daß sie mit einer so glanzvollen Arbeit ihr Le-ben begonnen hat.“ Mit dieser Arbeit wurden nicht nur in Deutschland Maßstäbe gesetzt; sie stand am Beginn einer weltweiten sprunghaften Entwiclung der Kenntnis über Bewegungen und Belastun-gen von Schiffen im Seegang.Am 16. Januar 1957 habilitierte er sich an der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Hamburg und lehrte von da ab als Privatdozent am Institut für Schiffbau. 1962 wurde er nach einer Tätigkeit am Stevens Institute of Technology in Hoboken/USA als Nachfolger von Prof. Weinblum auf den Lehrstuhl für Schiffstheorie am Institut für Schiffbau berufen. Prof. We-hausen von der University of California in Berkley schrieb dabei in seinem Gutachten: „Ohne Zweifel ist Grim der geeigneteste Kandidat in Deutschland, wahrscheinlich auch in der ganzen Welt.“Von 1969 bis 1974 übernahm er in wirtschaftlich sehr schwerer Zeit zusätzlich die Leitung der HSVA. Manche meinten, es wäre immer sein Traum gewesen, Direktor der HSVA zu sein. Dies halte ich für einen Irrtum. Es war pures Pflichtbewußtsein, das ihn dazu veranlaßte. Als ich ihn in der HSVA besuchte, um ihm meine Dissertation zu erklären und ihn zu bitten, sie in der Fakultät zu vertreten – eine intensive Betreuung, wie sie heute gefordert und praktiziert wird, gab es da-mals nicht; schließlich war ja eine selbständige Leistung verlangt. -, sagte er, nachdem wir zwei Stunden zusammen gesessen hatten: „Sehen Sie, das macht mir Spaß!“

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So hat er eine ganze Generation von Schiffbauern als Studenten begabt und an die Schiffstheorie herangeführt und als junge Wissenschaftler zur Blüte gebracht. Die von ihm verkörperte Verbin-dung von tiefen theoretischen Kenntnissen mit einem ausgeprägten Gefühl für die praktische Mach-barkeit, ja einer intuitiven Sicherheit für das Ergebnis machten ihn zum unerreichbaren Vorbild sei-ner Schüler. Dazu kam ein hohes Maß an Kreativität und Beharrlichkeit in der Umsetzung seiner Ideen.Überall waren sein Rat und seine Mitarbeit gefragt, nie hat er sich verweigert. So war er zwölf Jahre Mitglied des Forschungsrates der Freien und Hansestadt Hamburg, davon fünf Jahre als Prä-sident oder Vizepräsident. Sechs Jahre hat er als stellvertretender Sprecher den Sonderforschungs-bereich „Schiffstechnik und Schiffbau“ geleitet. 45 Jahre gehörte er der Schiffbautechnischen Ge-sellschaft an, zehn Jahre als Leiter eines Fachausschusses und sechzehn Jahre als Mitglied des Vorstandsrates.In keinem Verhältnis zu seinen Leistungen stand sein Habitus. Extreme Zurückhaltung und Be-scheidenheit zeichneten ihn aus. Nichts war ihm mehr zuwider als die erste Reihe und das Rampen-licht. Und dennoch hat er alle Auszeichnungen erhalten, die für einen Schiffbauer denkbar sind. Im November 1959 erhielt er die Silberne und 1986 die Goldene Denkmünze der Schiffbautechnischen Gesellschaft "Für Verdienste um den Deutschen Schiffbau". 1979 verlieh ihm die Hannoversche Hochschulgemeinschaft die Karmarsch-Gedenkmünze, die alle zwei Jahre für außerordentliche Ingenieurleistungen vergeben wird, und am 19. Dezember 1986 das Deutsche Institut für Erfin-dungswesen in Nürnberg die Diesel-Medaille in Silber. Dabei stand er in Hannover neben Prof. Wal-ter Bruch, dem Erfinder des PAL-Farbfernsehens, und in Nürnberg neben Dr. Felix Wankel und Prof. Artur Fischer. Ihm schien das zuviel der Ehre. Er schrieb an das Deutsche Institut für Erfin-dungswesen, als dies ihm die Ehrung ankündigte: „Natürlich würde ich mich über die Verleihung der Diesel-Medaille freuen und mich sehr geehrt fühlen; jedoch kenne ich viele Kollegen, die ebensoviel geleistet haben wie ich und nicht so hoch geehrt wurden.“Die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen hatte bereits am 29. Oktober 1982 das wissenschaftliche Gesamtwerk durch die Verleihung des Doktor-Ingenieurs Ehren halber gewür-digt. Die Gutachter in dem Verfahren waren die Professoren Wehausen in Berkley, Gerritsma in Delft und Pestel in Hannover, der zu der Zeit auch in Kalifornien weilte. Und der Bundespräsident hatte ihm im gleichen Jahr das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen, eine für einen hamburgischen Beamten außergewöhnliche Auszeichnung.Ende des Wintersemesters 1977/78 ließ er sich emeritieren, nicht weil er keine Lust mehr hatte, sondern aus Konsequenz. Er hielt den damals von uns betriebenen Hochschulübergreifenden Studiengang nicht für richtig und wollte ihn nicht mittragen.1992 hat er angefangen, Gedanken über sein Leben und sein Verhältnis zur Moderne aufzu-schreiben. Leider hat ihn die Ende 1993 aufgetretene schwere Krankheit, gegen die er mit eiser-nem Willen angekämpft hat, auch hieran gehindert. Am 21. Juni 1994 verstarb er in seinem Haus in Meiendorf."Sie sind ein Vertreter des Teiles unserer Gesellschaft, der durch Begabung sowie harte und aber-mals harte Arbeit und ewiges Lernen in Freiheit schöpferisch zum Fortschritt beigetragen hat." Diese Worte des Laudators Ludwig Bölkows bei der Übergabe der Diesel-Medaille charakterisieren den Wissenschaftler Grim. Vielen von uns bedeutete Otto Grim jedoch viel mehr. Seine Offenheit, sein Verständnis, seine Geduld und seine menschliche Wärme haben ihm einen festen Platz in un-seren Herzen gesichert.

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Veröffentlichungen von Prof. Otto Grim

1951 Das Schiff in von achtern auflaufender See HSVA-Bericht 972Jahrb. STG 45

Sept. 1952 Rollschwingungen, Stabilität und HSVA-Bericht 1002Sicherheit im Seegang Schiffstechnik 1952

1952/53 Berechnung der Festigkeit eines Schiff + Hafen 1952Schalenschiffes Schiff + Hafen 1953

Jan. 1953 Berechnung der durch Tauchschwingungen Dissertation TH Hannovereines prismatischen Körpers erzeugtenhydrdynamischen Kräfte

1953 Über den Einfluß der mitschwingenden Wasser- Schiff + Hafen 1953masse auf die Schwingungseigenschaftenlokaler schwingungsfähiger Systeme

1953 Berechnung der durch Schwingungen eines Jahrb. STG 47Schiffskörpers erzeugten hydrodynamischenKräfte

1954 Zur Stabilität der periodischen erzwungenen Ing.-Archiv 1954, Heft 1Rollschwingungen eines Schiffes

1955 Das Schiff und der Dalben Schiff+Hafen 1955

1956 Die hydrodynamischen Kräfte beim Rollversuch Schiffstechnik 1956

1956 Über das Eisbrechen HSVA-Bericht 1089

1956 Die Schwingungen von schwimmenden HSVA-Bericht 1090zweidimensionalen Körpern

Dez. 1956 Durch eine Oberflächenwelle erregte HSVA-Mitt. 298Tauchbewegung Schiffstechnik 1957

Jan. 1957 Die Schwingungen von schwimmenden HSVA-Bericht 1117zweidimensionalen KörpernBerechnung der hydrodynamischen Kräfte

1957 Durch Wellen an einem Schiffskörper Proc. Symposium onerregte Kräfte Behavior of Ships in a

Seaway, Wageningen

Sept. 1958 Erzwungene Querschwingungen des Jahrb. STG 52, Hansa 51/52

Schiffskörpers Schiff + Hafen, Heft 12

Jan. 1959 Die Berechnung von hydrodynamischen HSVA-Bericht 1122

Kräften an dreidimensionalen Schiffskörpern

Sept. 1959 Die Schwingungen von schwimmenden zwei- HSVA-Bericht 1171dimensionalen Körpern. Berechnung derhydrodynamischen Kräfte

1959 Untersuchung der Wasserbewegung in einem HSVA-Bericht 1119Kesselwagen

Okt. 1959 The Influence of Speed on Heaving and HSVA-Bericht 1197Pitching Motions in Smooth Water and onthe Forces Generated in Head Waves

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1960 Eisbrechen in Helsinki HSVA-Bericht 1213

Febr. 1960 Elastische Querschwingungen des Schiffskörpers Schiffstechnik 35

Juni 1960 Eine Methode für eine genauere Berechnung der HSVA-Bericht 1217Tauch- und Stampfbewegungen in glattemWasser und in Wellen

1960 Reduktionsfaktor für die Berücksichtigung der Schiffstechnik 7räumlichen Strömung bei der Berechnung derhydrodynamischen Masse

Sept. 1960 A Method for a More Precise Computation of Third Symposium on NavalHeaving and Pitching Motions Both in Smooth Hydrodynamics, Water and in Waves Scheveningen

1960 Lagerung der Propellerwelle in einem Jahrb. STG 54elastischen Stevenrohr

1961 Beitrag zum Problem der Sicherheit des Schiffes Schiff + Hafen Nr. 6im Seegang

1961 The Influence of the Main Parameters of the Ship HSVA-Bericht 1253Form on the Heaving and Putching Motions in Waves

1962 Die Deformation eines regelmäßigen, in Längs- IfS-Bericht 109,richtung laufenden Seegangs durch ein fahrendes Schiffstechnik 9, Nr. 46Schiff

1963 Surging Motion and Broaching Tendencies in a Dt. Hydrogr. Zeitschrift,Severe Irregular Sea Heft 5

März 1965 Hydrdynamische Kräfte bei Quer- und Roll- IfS-Schrift 2054bewegungen

Juli 1965 Das Rollmoment in schräglaufenden Wellen IfS-Bericht 148,(gemeinsam mit Y. Takaishi) Schiffstechnik 10

Okt. 1965 Gutachterliche Stellungnahme zur Frage der IfS-Schrift 1074Beeinträchtigung der Schiffahrt durch eineDoppel-S-Schlag-Ausbiegung einer „geraden“Kanalstrecke (gemeinsam mit H. Thieme)

Juli 1966 Propeller und Leitrad IfS-Bericht 164,Jahrb. STG 60

1967 Propeller und Leitrad – Weitere Ergebnisse Schiffstechnik 70

1967 Der Einfluß der hydrdynamischen Größen beim Schiff + Hafen 12Rollversuch (gemeinsam mit H. Keil)

1967 Die Bewegungen und Belastungen des Schiffes IfS-Bericht 182,im Seegang Jahrb. STG 61

1968 Berechnung der Torsionsbelastung eines FDS-Bericht 5,Schiffes im Seegang (gemeinsam mit P. Schenzle) IfS-Bericht 236

1969 The Prediction of Torsional Moment, Horizontal IMAS 69, LondonBending Moment, and Horizontal Shear Forceson a Ship in Waves (gemeinsam mit P. Schenzle)

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1969 Der Einfluß der Fahrgeschwindigkeit auf die FDS-Bericht 7,Torsionsbelastung eines Schiffes im Seegang IfS-Bericht 237(gemeinsam mit P. Schenzle)

1969 Untersuchung eines Vortriebsorgans Propeller FDS-Bericht 10und Leitrad auf einer Barkasse (gemeinsam mit J.V. Chirila)

1970 Das Schiff im Seegang Interocean 70, Düsseldorf

1971 Schiffsschraubenanordnung Auslegeschrift 1756 889

1971 Propeller und Leitrad – Propulsionsversuche FDS-Bericht 22mit einem völligen Modell

1971 Propeller und Leitrad – Einfluß und Flügelzahl HSVA-Bericht 1465und Reynolds-Zahl

1971 Forces on a Two-Dimensional Body JubiläumsschriftExcited ba an Oblique Wave W.P.A. van Lammeren,

Wageningen

1975 Resistance Tests of Two Models with the 14. ITTC, Ottawa 1975same Area Curve

1975 A Second Order Effect on Wave Bending Moment 14. ITTC Ottowa 1975(gemeinsam mit P. Schenzle)

März 1975 Elastische Schwingungen des Schiffes erregt durch IfS-Bericht 325nichtlineare Kräfte des natürlichen unregelmäßigenSeegangs

Sept. 1975 Hydrodynamische Masse bei lokalen Schwingun- Wiss. Zeitung dergen, insbesondere bei Schwingungen im Bereich Universität Rostock,des Maschinenraums Schiff + Hafen 11

Okt. 1975 Hydrodynamische Trägheits- und Dämpfungs- VIII. Kontaktstudiumkräfte. Hydrodynamische schwingungserregende IfS – STG, HamburgKräfte

Juni 1977 „Sea Troll“ – Grenzbedingungen eines Kran- IfS-Bericht 355schiffs im Seegang

Jan. 1978 Tauch- und Stampfbewegung 2: Bewegungen, IfS-Bericht 363Kräfte und Druckverteilungen

Juli 1978 Berechnung der hydrodynamischen Kräfte, die auf IfS-Bericht 372einen eine Rollbewegung mit großer Amplitudeausführenden schwimmenden Körper wirken

Juli 1978 Belastungen und Beanspruchungen der tragenden Sonderforschungsbereich 98Schiffskonstruktion Abschlußbericht

1979 Propeller und Leitrad als mögliches Antriebsorgan 2. Georg-Weinblum-für Schiffe Gedächtnisvorleung,

IfS-Bericht 388

1980 Ship Structure Loads and Stresses Ocean Engineering vol. 7,(gemeinsam mit anderen) Pergamon Press

1980 Forschungsschiff Gauss – Erprobung des Antriebs- BMFT-Statusseminar 1980,organs Propeller und Leitrad Hamburg

1980 Propeller and Vane Wheel Journal of Ship Research 24

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Prof. Grim und die Festigkeit der SchiffeVortrag zum Festkolloquium anlässlich des 100. Geburtstages von

Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E. h. Otto GrimEike Lehmann

VorwortOtto Grim gehört mit Recht zu der kleinen elitären Gruppe von exzellenten deutschen Schiffs-theoretikern, die nach dem Zweiten Weltkrieg mit wesentlichen Beiträgen zur Schiffshydro-dynamik den Anschluss Deutschlands an die internationale Entwicklung der Schiffstheorie wieder ermöglicht hat. Es ist aber weitestgehend unbekannt, das Grim als junger Ingenieur sich nicht mit hydrodynamischen, sondern vorzugsweise mit Festigkeitsproblemen, vorzugs-weise mit Festigkeitsfragen des Ubootbaus, beschäftigt hat. So erklärt sich vielleicht, dass eine Reihe von späteren Arbeiten Grims eine auffallende Nähe zu Fragen der Fluid/Struk-tur-Interaktion besitzen. Ein Beispiel sind die Modellversuche Grims zum Verhalten von Stahldalben und sonstigen Hafenbauwerken bei Kollision mit Schiffen 1955 in der HSVA. Ich darf auch an die Grimsche Welle, deren Entwicklung eine vertiefte Kenntnis des Vibrations-verhaltens von Strukturen im Wasser voraussetzt, erinnern. Auch die Arbeiten zum Torsions-verhalten von Schiffen im Seegang mit Peter Schenzle gehören dazu.

Otto Grim als Uboot-KonstrukteurOtto Grim war nach Studium an der TH Wien und vergeblicher Suche nach geeigneter Arbeit in das Amt für Kriegsschiffbau der Deutschen Kriegsmarine eingetreten, wo er etwa ab 1942 Referatsleiter KIUe geworden war. Das Referat war für die Entwicklung von Klein- und Kleinst- Ubooten sowie für allgemeine wissenschaftliche Fragen zuständig. Unter den wissen-schaftlichen Fragestellungen waren naturgemäß auch vorzugsweise solche die die Festigkeit der Boote betrafen. So war die gewünschte Erhöhung der Tauchtiefe des Typ VIIC durch Verwendung höherfes-ter Stähle und bestimmter struktureller Maßnahmen aber auch die Festigkeit der ungewöhnli-chen Rumpfform des Typs XXI mit schwierigen Fragen der Festigkeit verbunden, die Grim mit Hilfe der Schalentheorie bearbeitet hat1.

Achtförmiger Druckkörpersektion des Ubootes vom Typ XXI

1 Über die Einzelheiten des Baues von Ubooten während des Zweiten Weltkrieges, insbesondere der Sektionsbauweise haben Kurt Arendt und Heinrich Oelfken unter dem Titel Die Baumethoden der deutschen U-Boote 1935-1945 in 100 Jahre Verbandsgeschichte des Verbandes der Deutschen Schiffbauindustrie 1984 berichtet.

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Grim war an Bord der berühmten Testfahrt vor Hela mit dem Walter Uboot V 80, welches dem Großadmiral Reader 1941 vorgeführt worden war und 26 kn unter Wasser erreichte2. Grim hat noch 1993 davon berichtet und dass er fasziniert von der Idee (des Unterwasser-schnellbootes von Walter) war und es immer bedauert hätte, das es nicht schneller reali-siert werden konnte, schrieb Grim Eberhard Rössler in einem Brief vom 11.9.19933.

Walter Uboot vom Typ V80 auf der Testfahrt vor Hela 1941

Wie sorgfältig Grim bei allen seinen Berechnungen vorgegangen ist zeigt eine weitere Äuße-rung aus obigem Brief, in dem er berichtet, dass man die mittragende Breite der Haut, durch die das Trägheitsmoment des Spantprofiles verstärkt wird, erst ab 1942 zu Rs ⋅⋅55,1 einge-setzt hat. Vorher wurde s⋅5 eingesetzt. Grim schreibt weiter: Dieser Änderung lagen eine (offenbar eigene) wissenschaftliche Arbeit und Druckversuche bei den Deutschen Werken in Kiel mit Modellen von 2 m Durchmesser und 2,5 m Länge zugrunde.Die Formel Grims erschien mir nicht sehr zuverlässig, denn der Grenzwert der mittragenden Breite be zum Spantabstand b zu einem ungekrümmten Gurt wird 1, und nicht wie bei Grims Formel unendlich. Da ich in meinem Kolleg auch Ausdrücke für gekrümmte Gurte abgeleitet habe, erlaube ich mir einen Vergleich.Es stellt sich heraus, dass in dem für U Boote geltendem Bereich beide Formeln nahezu iden-tische Ergebnisse liefern. Mit

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Rsbb⋅

erhält man

bbbb

bbbe

αααα

α sinsinhcoscosh2

+−=

be/b

2 Grim hat zumindest auch einmal an einer Kriegsfahrt 1942 eines U-Tankers, U 459 vom Typ XIV, Kommandant Korv. Kpt von Wilamowitz-Möllendorf, südlich von Neufundland teilgenommen. Siehe Geschichte der U-Boote von E. Rößler.3 Brief vom 11.9.1993 an E. Rößler

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0

0,1

0,2

0,3

0,4

0,5

0,6

0,7

0,8

0,9

1

0 5 10 15 20 25 30 35

1)

2)

Rsb⋅

2

Von einer weiteren Aktion hat Grim mir selbst erzählt. Grims Berechnungen der ungewöhnli-chen achtförmigen Rumpfform des Typs XXI traute man nicht, zumal es für die Berechnung solcher Rumpfformen, insbesondere der unteren Rumpfschale, keine gesicherten Berech-nungsgrundlagen gab, und so führte man Tauchversuche vor der norwegischen Küste noch kurz vor Kriegsende durch4, denn es waren Zweifel aufgekommen, ob die Boote die erforder-liche Konstruktionstauchtiefe erreichen können. Als Konstruktionstauchtiefe waren 135 m vorgesehen; damit ergab sich eine Zerstörungstauchtiefe bei einer Sicherheit von 2,5 von 330 m und eine Prüftauchtiefe mit einer Sicherheit von 1,5 von 200 m5.Den letzten solcher Versuche hat Grim als Versuchsleiter am 8. Mai 1945 vor Christiansand mit U 2529 vom Typ XXI, Kommandant Olt. z. See Fritz Kallipke, durchgeführt. Nach meh-reren Tauchversuchen, bei denen zunächst 210 m erreicht wurden, hat Grim bei einem erneu-ten Tauchversuch 220 m erreicht, dann war der Krieg vorbei.

In dem erwähnten Brief an Eberhard Rössler erinnert sich Grim: Es macht mich betroffen, zu lesen und erinnert zu werden, was sich 1945 abgespielt hat. Erstens, weil die Druckfestigkeit nicht ausreichend war6, und zweitens, weil ich vermutlich nicht vollständig informiert war, als ich den Tieftauchversuch am 8.5.1945 mitmachte. Hierzu:1. Für die Berechnung war eine Streckgrenze von 3500 kg/cm2 sowie eine Zerstörungs-tauchtiefe von 135x2,5=337,5 m vorgegeben. In Ihrem Buch steht 330 m. Ich bin sicher, dass ich mich hier nicht irre und auch nichts vergessen habe.2. Für die Berechnung der Zweikreisform lagen keine Unterlagen vor. Haut und insbe-sondere die Spanten konnten nicht wie für einen zylindrischen Druckkörper bestimmt werden; sie wurden zusätzlich auf Biegung berechnet. Zusätzlich waren da noch die Stütze zwischen den beiden Kreisschalen, die eine Druckkraft von rd. 9 000 kg/cm standhalten musste. Natür-lich wäre rechtzeitig ein Druckversuch notwendig gewesen. Der Versuch im Februar kam zu spät. Die erreichten 30 kg/cm2 (entsprechend 300 m Zerstörungstauchtiefe) waren um 9,4 % zu wenig. Was der KIU ( Min. Rat. Christof Aschmoneit) bei den folgenden Besprechungen Dönitz und dem K-Chef (Adm. Friedrich Ruge) erklärte, ist mir damals nicht bekannte gewor-den.

4 Das für solche Versuche von der Kriegsmarine betriebene Druckdock war für die XXI U-Boote zu klein.5 Rößler, E.: Geschichte des deutschen U-Bootbaus, Bd.2, S. 432. Bernhard & Graefe Verlag, 1996.6 Der Druckversuch mit einem Modell einer Sektion bei der Germaniawerft in Kiel im Feb. 1945 hatte gezeigt, das bei einem Druck von 30 kg/cm2, entsprechend 300 m Tauchtiefe, im Bereich der Schotte im unteren Schalenbereich Einbeulungen entstanden, die bei 31,5 kg/cm2 zu Rissen führten, was eine Reduktion des Konstruktionstauchtiefe von 135 auf 120 bedeutet.

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3. Über die Tieftauchversuche von Herrn Diestelmeier7 und über seine Ergebnisse war ich in etwa unterrichtet, ebenso über die sehr schweren Vorwürfe, die KIU gemacht wurden.4. Als Herr Aschmoneit von seinem Tieftauchversuch zurückkehrte, war ich schon unter-wegs nach Kristiansand8. Ich wußte daher am 8. 5. nicht, dass Herr Aschmoneit 220 m er-reichte und daß Oberdecksbehälter implodierten. Die Oberdecksbehälter wurden nicht von mir und wahrscheinlich auch von keinem anderen in KIU dimensioniert.

Die Schwierigkeiten beim Bau des Typs XXI, die geforderte Druckfestigkeit zu erreichen, ist aus heutiger Sicht nicht durch fehlerhafte Berechnung, sondern durch die Wirren am Ende des Krieges zu erklären. Änderungen während des Baus, wegen Zeitmangel unterlassene Festig-keitsteste sowie sehr begrenzte Möglichkeiten der numerischen Berechnung und mangelhafte Informationen sowie die ständige Bedrohung durch Bomben sind die Ursachen gewesen. Dennoch ist es fast unglaublich, dass es unter diesen Bedingungen innerhalb von wenigen Monaten gelungen ist, ein neues und zukunftweisendes Boot in größeren Serien zu bauen.

Grims Referat war zuständig für Klein- und Kleinst-Uboote, die bis 1943 wenig Beachtung in der Kriegsmarine gefunden hatten, obwohl z. B. Heinrich Dräger in Lübeck bereits 1942 ge-naue Vorstellungen zum serienmäßigen Bau solcher Boote entwickelt hatte. Am 23. Sept. 1943 war es den zwei britischen Klein- Ubooten X6 und X7 in Norwegen gelungen, am Bo-den des Schlachtschiffes Tirpitz Sprengladungen anzubringen, die das Schiff schwer beschä-digten. Bei einem Angriff auf Bergen war dann wenig später der Kriegsmarine ein britisches Klein-U-Boot vom Typ WELMANcraft in die Hände gefallen.

Beide Ereignisse bewogen nun das K- Amt, beschleunigt ebenfalls Klein-Uboote zu entwi-ckeln, und zwar unter der Leitung von Grim zunächst den Typ XXVII (Hecht) und 1944 mit der Bezeichnung Seehund9 den Typ XXVII B 5, von denen immerhin dann 285 Boote gebaut worden sind.

Kleinst-Uboot XXVII B 5 später 127 Seehund

Die Boote waren klassische Tauchboote mit einer Besatzung von 2 Mann und hatten eine Konstruktionstauchtiefe von 30 m. Mit dem Seehund wurde ein Druckversuch im Druckdock

7 Der MOBR Diestelmeyer hatte im März 1945 die ersten Tauchversuche durchgeführt und nach ver-schiedenen Verstärkungen Anfang April einen zweiten Versuch durchgeführt, der bei 170 m abgebro-chen werden musste. Daraufhin hat Aschmoneit selbst, offensichtlich nach erheblichen Vorwürfen von Dönitz und Ruge, am 14. April Tauchversuche mit einem weiter verstärken Boot durchgeführt, bei dem er bis auf 220m tauchte. Grim hatte dann den Auftrag von Aschmoneit, den Dönitz offensichtlich gefordert hatte, mit jedem Boot, welches in den Fronteinsatz gehen sollte, Tieftauchversuche durchzu-führen. Hierzu Einzelheiten in Wenzel, E.: U 2540 , S. 105, 143,199, Karl Müller Verlag, Erlangen 1996.8 Grim war mit einem U-Boot von Kiel nach Kristiansand gelangt.9 Mattes, K.: Die Seehunde, Klein-U-Boote, Verlag E. S. Mittler & Sohn, Hamburg, 1995.

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durchgeführt. Der Versuch zeigte, dass das Versagen des Druckkörpers im mittleren Bereich mit dem Turm seinen Ausgang genommen hat. Bei welchem Druck, ist mir nicht bekannt. Er müsste bei etwa 8 bar gelegen haben.

Druckversuch mit einem Seehund im Druckdock

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Kleinst-Uboot XXVII B 5 später 127 Seehund

Wie weit Grim bei der Entwicklung der zahlreichen anderen Kleinst-Uboote beteiligt gewesen ist, konnte nicht festgestellt werden.

Grim kam nach dem Ende des Krieges zunächst in britische Gefangenschaft und ist von den Engländern als „belasteter“ Kriegsgefangener dem französischen Heer übergeben worden und zu Zwangsarbeit in Kohlengruben gezwungen worden. Eberhard Rößler schrieb mir, dass der Marinebaudirektor Heinrich Oelfken, von dem die Idee stammte, kurzfristig aus dem Walter Uboot Typ XVIII ein Elektroboot zu entwickeln, seit 1946 für die französische Marine in Kressbronn gearbeitet hat und den schwer erkrankten Grim aus der Gefangenschaft nach Kressbronn geholt hat. Dort hat Grim umfangreiche theoretische Berechnungen für Druckkör-per mit unterschiedlichen Aussteifungen durchgeführt. Das Beispiel der Berechnung der Beullast der Kreisplatte möge zeigen, wie ernsthaft Grim sich theoretisch beschäftigt hat. Für die genaue Berechnung des elastischen Beulversagens der ebenen, frei aufgelegten oder auch eingespannten Kreisplatte, und zwar nicht nur unter radia-ler, sondern auch tangentialer Belastung, hat Grim 1948 eine geschlossene Lösung erarbeitet und in dem Buch Drang und Zwang Bd. II von Prof. Ludwig Föppl - berühmter Ordinarius für Mechanik an der TU München - eine Formel entdeckt, die zu anderen Ergebnissen führt. Grim hat dann Föppl auf diesen Unterschied hingewiesen, nicht ohne eine umfangreiche theo-retische Ableitung seiner Formel zu geben. Föppl hat Grim dann umgehend geantwortet und seinen Fehler unumwunden auch eingeräumt, nicht ohne zu erwähnen, dass eine geschlossene analytische Lösung bereits von Bryan 189110 publiziert worden ist und auch von Nádai 191511

und von Timoshenko 1940. Es war nun reizvoll, die Ergebnisse von Föppl und Grim und die analytische Lösung mit modernen Mitteln der Numerik, sprich FE- Methode, zu überprüfen. Man kann die teilweise sehr anspruchsvollen Berechnungen, die auf die Lösung einer Bessel-schen Differenzialgleichung hinausläuft, in einfacher Weise vergleichen, da die kritische Beulspannung kip außer vom E-Modul und der Querkontraktionszahl ν letztlich nur vom Quadrat des Verhältnisses der Plattendicke zum Radius der Platte abhängig ist. Die kritische Beulspannung ist dann für 3,0=ν

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⋅⋅=RtECpki

Die unterschiedlichen Lösungen zeigen sich nur in den Konstanten C10 Bryan: Proc. Math. Soc. Vol. 22, S. 45, London 189111 Nádai, A.: Das Ausbeulen von kreisförmigen Platten, Zeitschrift des VDI, 1915, S. 169

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C frei gelagert fest eingespannt

Föppl 0,222 0,778Grim 0,316 1,42analytisch 0,389 1,34FE 0,389 1,35

Als grundsätzlicher Mangel haftet allen diesen Lösungen natürlich an, dass ein lineares Werk-stoffverhalten vorausgesetzt wird, denn mit der kritischen elastischen Beulspannung kann die Tragfähigkeit der Platte schon lange überschritten sein, beziehungsweise in einer realen Kon-struktion durch Lastumlagerungen bzw. bestimmte Konstruktive Randbedingungen der Un-verschieblichkeit noch lange nicht erreicht sein. Analytische Berechnungen, die ein nichtli-neares Werkstoffverhalten berücksichtigen, sind wegen unüberwindbarer mathematischer Schwierigkeiten damals und auch heute unmöglich. Hier helfen heute aber die Numerik und das in atemberaubender Vollkommenheit.

Erstaunlich ist eigentlich, dass Grim die Lösungen von Bryan, Nádai und Timoshenko offen-sichtlich nicht gekannt hat. Ein Grund könnte gewesen sein, dass man im K- Amt nur geringes Interesse an theoretischen Arbeiten der Festigkeit besaß und demgemäß nicht über entspre-chende Literatur verfügte. Nach dem Krieg könnte der Grund die schlechte Zugangsmöglich-keit zu einschlägigen Lehrbüchern gewesen sein.

Dennoch hat Grim sehr interessante Arbeiten z. B. über den Einfluss der Formänderung der Spanten auf den Einbeuldruck der Haut nach von Mises 1947 in Kressbronn angefertigt. Ver-anlassung war die Suche nach dem Grund, warum die Versuche der Kriegsmarine kleinere Beuldrücke, als nach von Mises zu erwarten gewesen sind, ergeben hatten. So untersucht Grim das Stabilitätsverhalten der Spanten und weist darauf hin, dass außer dem bekannten Kreisringbeulen auch ein Kippen der Spanten entstehen kann, insbesondere wenn das Spant-profil ein sehr kleines Flächenträgheitsmoment in Bezug auf die radial gerichtete Schwerach-se besitzt, was bei den Wulstprofilen der Spanten der Weltkriegs-Uboote gegeben war.

Auch den meist nie untersuchten Fall des Dockens von Ubooten, bei dem unzulässige lokale Verformungen des Druckkörpers auf jeden Fall verhindert werden müssen, war Gegenstand einer Untersuchung von Grim 1949.

Eine umfangreiche Arbeit hat Grim ebenfalls 1949 in Kressbronn zu der Frage einer Längs-versteifung des Druckkörpers durch Längsträger (Ballastkiel), Decks oder Aufbauten angefer-tigt. Er belegt mit umfangreichen Berechnungen die schädliche Wirkung auf das Beulen ei-nes Druckkörpers, der durch Längsträger oder ebene Decks und Aufbauten, beabsichtigt oder auch unbeabsichtigt, versteift ist. Hier werden die Erfahrungen beim UBoot Typ XXI Pate ge-standen haben.Insgesamt hat Grim mit Berechnungsmodellen auf der Basis der klassischen Elastizitätstheo-rie gekrümmter Strukturen wichtige Erkenntnisse zu sehr praktischen Problem, vorzugsweise des Ubootbaus, behandelt. Bewundern kann man nur Grims Fähigkeit, für geometrisch schwierige Festigkeitsprobleme entsprechende Gleichgewichtsdifferenzialgleichungssysteme aufzustellen, mit praktischem Sachverstand die relevanten Randbedingungen zu formulieren und das Ganze dann mathematisch glänzend zu lösen und - ganz wichtig - aus den Lösungen die prinzipiellen, ingenieurmäßigen Konsequenzen zu ziehen.

In den Jahren der Vorbereitung der Wiederbewaffnung zwischen 1950 und 1955 war das Amt Blank für den ministeriellen Aufbau eines Verteidigungsministeriums tätig. Da dieses Interes-

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se an U-Booten zum schnellen Aufbau einer akustischen Überwachung der westlichen Ostsee zeigte, schlugen die Atlas-Werke dem Amt Blank vor, ein kleines Jäger- und Aufklärungs- Uboot zu entwickeln, was in den Jahren 1955/56 dann auch geschah. Unter der Leitung des Torpedofachmannes Dipl.-Ing. Werner Thomsen12 und der Mitarbeit des erfahrenen Ortungs-spezialisten Dr. Howey und Sonarspezialist Dr. Maaß, sowie den schiff- und schiffsmaschen-baulichen Mitarbeitern des ehemaligen K-Amts des OKM Dipl.-Ing. Heinrich Waas und Dr.-Ing. Otto Grim und den erfahrenen U-Bootkommandanten wie Freg. Kpt. a. D. Reinhard Suh-ren und Kptl. a. D. Helmut Manseck wurde ein ↑ 50 t 58↓ t Boot für eine max. Tauchtiefe von 100 m und entworfen. Das 14,3 m lange und 2,35 m breite Boot sollte mit 2 Torpedos und einer dieselelektrische Antriebsanlage von 85 PS eine Geschwindigkeit von ↓ 10,5 kn er-reichen. Die Besatzung sollte sechs Mann betragen.Die eigentliche baureife Durcharbeitung war dann für das Ingenieurkontor Lübeck von Ulrich Gabler der erste Auftrag 1957 und wurde unter der internen Bezeichnung IK 6 in Lübeck be-arbeitet.

Studie von Otto Grim für ein Jäger- U Boot für die Bundesmarine 1956

Dieses Boot sollte wesentlich kleiner als der Typ XXIII (kleines Walter UBoot), aber deutlich größer als der Typ XXVII B 5 (127, Seehund) werden.So wie beim Seehund sollte es aus dem Wasser gehoben werden, um das Boot mit Torpedos zu beladen. Durch die Anordnung außerhalb des Druckkörpers, dessen Berechnung wegen der nicht kreisförmigen Gestaltung ein besonderer Leckerbissen ist, war eine optimale Anordnung der Horchanlagen im Bug möglich. Die Gestaltung des Hinterschiffes sollte nach dem Ge-sichtspunkt möglichster Geräuschlosigkeit erfolgen. Der Antrieb des Propellers sollte über ein Keilriemengetriebe erfolgen, damit ein großer (1,4m Durchmesser), möglichst langsam dre-hender Verstellpropeller (200 Upm) verwendet werden kann. Das Sehrohr und der Schnorchel sind fest installiert, was eine strömungsgünstige Ausführung ermöglicht. Ein besonderer Turm ist nicht vorgesehen, da keine ↑ Fahrt vorgesehen ist. Auch ein vorderes Tiefenruder ist nicht vorgesehen, da das Fahrprofil ein solches entbehrlich macht. Interessant ist, dass man an den Einsatz einer Grimschen Welle dachte, um Geräusche erzeugende Vibrationen damit zu ver-meiden. Damit das Nachstromfeld möglichst gleichmäßig wird, ist keine Ruderhacke vorgese-hen, sondern ein an einem Arm befestigtes Ruder.12 Rössler, E.: Die Torpedos der deutschen U-Boote, Koehler Verlagsgeselschaft, Herfort, 1984

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Das IKL hat dann detaillierte Pläne angefertigt. Durch die Veränderung der politischen Ver-hältnisse des Eintritts der Bundesrepublik Deutschland in die Nato veränderte sich die Situati-on, so dass die junge Bundesmarine kein Interesse mehr an einer solchen Waffe hatte.

Otto Grims Behandlung von Festigkeitsfragen des zivilen SchiffbausAnfang der 50er Jahre kam Grim nach Hamburg zur HSVA, wo er sich mit verschiedenen Problemen des zivilen Schiffbaus beschäftigte. Bekannt wurde Grim damals mit der sog. Grimschen Welle. Heinrich Waas, den Grim gut aus der Zeit im K-Amt kannte und der im Bundesverkehrsministerium zuständig für die Vielzahl von Behördenfahrzeugen war, ermög-lichte eine Reihe von technischen Neuerungen in diesen Behördenfahrzeugen zu erproben, die später dann in größerem Umfang auch in den allgemein Schiffbau Eingang gefunden haben. So ließ er das kleine Messschiff Kugelbake auf der Teltow-Werft in Berlin bauen und zur Dämpfung von propellererregtem Drücken mit einer elastisch gelagerten Welle nach der Idee von Grim bauen. Waas, der selbst sich intensiv mit Vibrationen an Bord von Schiffen be-schäftigt hat, erkannte die weitreichende Idee von Grim und propagierte diese schon 195213. Die Funktionsweise der Grimschen Welle hat dieser dann selbst erst 1960 publiziert14.

Elastische Propellerlagerung nach der Idee von Otto Grim 1952

Waas hat sich des Sachverstandes Grims auf dem Gebiet der Festigkeit noch bei einem ande-ren Neubau der Wasserstraßenverwaltung bedient15. Diese wünschte einen Prahm für Massen-gut, den man leicht mit einem Greifer entladen könne. Man erinnerte sich der Erfindung von Eberhard Westphal1617, dessen Lastrohrfloß ganz ohne Spanten auskam. Auf der Grundlage dieses Westpfahlrohres wurde ein 32 m langer und 4,50 breiter Prahm zum Transport von 200 13 Waas, H.: Technischer Fortschritt bei den Schiffsneubauten der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung, J. STG. Bd. 46, Springer-Verlag, Berlin 1952.14 Grim, O.: Die Lagerung der Propellerwellen in einem elastischen Rohr, J. STG. Bd. 54, Springer-Verlag, Berlin 1960.15 Heinrich Waas schreibt dazu im J. STG, 46. Bd. 1952 sinngemäß: In der Zeit nach diesem Krieg, als es bei uns keinen nennenswerten Schiffbau gab, konnten wir, weil es keine Verbote für die Fahrzeu-ge der Wasserschiffahrtsverwaltung gab, bei unseren zahlreichen Fahrzeugen neuartige Ideen ver-wirklichen, um so den technischen Fortschritt und somit technische Fachkräfte zu fördern.16 Westphal, E.: Das Westphal - Floss, Ferd. Dümmlers Verlag, Bonn,1947.17 Wessel. H.A.: Das Lastrohrfloss - Die Wurzel der Schub- und Containerschiffahrt, Deutsches Schif-fahrtsarchiv, Bd. 12, Kabel, 1989

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t Massengütern entwickelt. Hierfür hat Grim dann mit der Schalentheorie die Festigkeitsrech-nung durchgeführt, die durch die Eleganz der Berechnung auch heute noch besticht.

Schalenförmiger Prahm der Wasserschifffahrtsverwaltung des Bundes, gebaut bei der Hilger A.G. Rheinbroel

Die Schalenkonstruktion war gewählt worden, damit ein bequemes Entladen mit dem Greifer ohne Trimmarbeit ermöglicht wird und der 39 t schwere Prahm mit einem Kran bewegt wer-den kann.

Ohne in die Einzelheiten der Grimschen Berechnung einzusteigen, möchte ich aber doch seine Vorgehensweise skizzieren. Zunächst berechnet Grim ganz konventionell durch Integration der Belastung die Querkraft und die Biegemomente. Mit Hilfe der Widerstandsmomente un-ten und am Dennebaum erhält er die klassischen Längsfestigkeitsspannungen, wenn man den Schiffskörper als Bernoullibalken ansieht.

Konventionelle Berechnung der Querkräfte und Biegemomente als Bernoulli-BalkenÜblich ist nun eine Querfestigkeitsrechnung, die üblicherweise entkoppelt von der Längsfes-tigkeitsrechnung zweidimensional ausgeführt wird.

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Belastung des Schalenschiffes durch Schüttgut und den Wasserdruck

In dem vorliegenden Fall wird man aber der Natur des Schalenschiffes nur gerecht, wenn man ein räumliches Schalenmodell zugrunde legt. Damit gilt es, sowohl tangentiale als auch Längsspannungen, und bei der Art der nicht mehr rotationssymmetrischen Geometrie und Be-lastung durch Schüttgut und Wasserdruck, auch Schubspannungen zu berechnen. Hier orien-tiert sich Grim an der Vorgehensweise von Vater und Sohn Föppl in ihrem Lehrbuch Drang und Zwang Bd. II. Dort wird ein beidseitig eingespanntes Rohr mit einer Teilfüllung Wasser mit Hilfe der Membrantheorie der rotationssymmetrischen Schale behandelt.Der Ladungsdruck und Wasserdruck erzeugt eine tangentiale Umfangsspannung, die sich leicht berechnen lässt.

sRp

T⋅=σ

Dieser Zusammenhang zwischen Druck auf die Schale und Tangentialspannung gilt auch in guter Nährung für das hier vorliegende Problem. Mit den beiden Gleichgewichts-Differenzial-gleichungen eines differenziellen Schalenelements

0=∂∂+

∂∂

ztT τσ

und 0=∂∂+

∂∂

tzz τσ

erhält man sofort( ) )()( zftRp

szzf

tz T +

∂⋅∂−=+

∂∂⋅−= στ bzw. )()()(

2

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tfzfztRp

sz

z +⋅+∂

⋅∂=σ

Die Konstante f(z) setzt Grim mit der Bedingung z=0 auf Mitte Laderaum zu Null. Die zweite Konstante f(t) wird so bestimmt, dass die aus der Längsfestigkeit ermittelten Momente mit einbezogen werden. Für die Schubspannung erhält Grim im Bereich der Unstetigkeiten des Drucks p und der Hautdicke s natürlich keine brauchbaren Ergebnisse, da die Tangentialspan-nung Tσ unstetig wird. Um die Tangentialspannungen dennoch zu bestimmen, nimmt er in diesen Bereichen stetige Verläufe der Schubspannungen an, ohne diese in diesen Bereichen zu quantifizieren. Dennoch kann das Ergebnis sich sehen lassen, auch wenn die Spitzenwerte auf Mitte Schiff und an der unstetigen Stelle der Außenhaut, wo die Hautdicke bzw. der Druck sich ändert, nicht zuverlässig sind.

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Ergebnisse der Berechnung als Membranschale

Dieses unbefriedigende Ergebnis an den Störstellen lässt Grim nun nicht ruhen. Aus einer, wie er schreibt, ausführlichen Arbeit, die nicht veröffentlicht ist, zitiert er die Ergebnisse für rotationssymmetrische Schalen unter Berücksichtigung der Biegung der Haut. Da es sich nur um lokale Effekte handelt, verwendet Grim die Ergebnisse, um das vorliegende Problem zu lösen, wobei er die Geometriewerte am Kiel des Schalenschiffes und an der unstetigen Stelle der Außenhaut, wo die Hautdicke bzw. der Druck sich ändert, als rotationssymmetrische Schale annimmt.

Durch die Biegetheorie der Schale korrigierte Normalspannungsverteilung

Wir haben uns den Spaß gemacht und einmal diesen Prahm mit Hilfe der FE - Methode be-rechnet18. Natürlich kann man bequem die Randbedingungen am Schott durch Einmodellie-rung in das FE-Modell berücksichtigen. Auch kann man ohne Schwierigkeiten die exakte 18 Gäbler,H: Berechnung eines Schalenschiffes, Studienarbeit TUHH, 2012.

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Schalengeometrie, einschließlich der unterschiedlichen Plattenstärken der Außenhaut, berück-sichtigen. Die ermittelten Spannungen lassen sich bequem als reine Normalspannungen ein-schließlich oder auch ohne Biegeanteil ermitteln. Die Ergebnisse bestätigen im Prinzip die Er-gebnisse von Grim qualitativ recht gut. Quantitativ erhielten wir durch die genauere Modellie-rung etwas abweichende Ergebnisse, die die prinzipiellen Aussagen von Grim aber durchaus bestätigen, so dass die höchsten Spannungen Unterkante Kielpunkt mit folgenden Ergebnissen entstehen.

Spannungen auf der Innenseite der Schale

Spannungen auf der Außenseite der Schale

Z=0 Grim FE-Rechnung Längsfestigkeit

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Normalspannungen N/mm2 +65 +80 +20Biegespannungen N/mm2 ± 35 ± 40 -

Max. Summe N/mm2 +100 +120 +20

Spannungen am Kielpunkt der Schale

Es ist sofort festzustellen, dass die moderne Numerik die Ermittlung der Spannungen nicht nur wesentlich genauer ermöglicht, sondern dass es heutzutage wesentlich weniger Kenntnis-se der Elastizitätstheorie bedarf. Mit den klassischen Methoden war man gezwungen, sehr ge-naue Überlegungen anzustellen, um mit Hilfe der Mathematik auch mit sehr idealisierten Mo-dellen ein tiefes Verständnis für die Dinge zu erlangen. Dagegen hat man heute mit den Fini-ten Elementen ein Handwerkzeug zur Verfügung, welches zwar ermöglicht, leicht - um nicht zu sagen leichtsinnige - Ergebnisse zu erzeugen, der Mangel an mechanischer Durchdrin-gungsmöglichkeit der Ergebnisse aber eine große Gefahr für die Gewährleistung der Zuver-lässigkeit der Ergebnisse ist.

Ich hatte selbst die Gelegenheit, bei der Diskussion einer Doktorarbeit Grims echte Verzweif-lung mitzuerleben, als der Doktorand eine nichtlineare FE - Rechnung einer Kabelschwin-gung im Wasser darlegte:" Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, ob das richtig ist, was Sie da gerechnet haben, es ist gar kein mathematisch-mechanisches Modell zu erkennen. Wenn Sie schon nur Numerik betreiben, dann müssen Sie auch ein Experiment machen, damit Sie erkennen können, ob das, was Sie da gerechnet haben, der Wirklichkeit nahe kommt oder nicht."

Grim war immer besorgt, dass die Ergebnisse theoretischer Überlegungen auch die Wirklich-keit treffen oder nicht. Das hat mir damals an Grim sehr imponiert.

Zum Schluss, gewissermaßen als Übergang zu der eigentlichen Würdigung Grims als Hydro-dynamiker, darf ich Grims Arbeit zum Verhalten von Stahldalben und sonstigen Hafenbau-werken bei Kollision mit Schiffen in der HSVA aus dem Jahr 1955 erwähnen.

Die Bemessung der nunmehr stählernen Dalben und Leitwerke im Rahmen des Wiederauf-baus des Hamburger Hafens machten es notwendig die Beanspruchung durch Anlegestöße von Schiffen zu untersuchen.

Da die Mannesmann Röhrenwerke A. G. ihre nahtlosen Rohre in Hamburg in Einsatz bringen wollte, erteilte diese der HSVA einen entsprechenden Untersuchungsauftrag zur Wechselwir-kung zwischen Dalben bzw. Leitwerken und Schiffen, den Grim als Projektleiter durchführ-te19.

Die bodenmechanischen Einflüsse sollten dabei außerhalb der Betrachtung bleiben, weil diese modellversuchsseitig kaum realistisch durchzuführen waren. Auf der Grundlage des Froude-schen Gesetzes ergeben sich die Maßstäbe für die Längen mit λ , für die Kräfte 3λ und für die Zeit und die Geschwindigkeit λ . Damit ergibt sich für die Federkonstante c ein Umrech-nungsmaßstab von 2λ . Mit diesen Maßstäben wurden von Grim Modellversuche durchge-führt.

19 Grim, O.: Das Schiff und der Dalben, Schiff und Hafen, Jg. 7, 1955, S. 535

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Modellversuch zur Ermittlung der Kollisionskräfte zwischen einem Schiff und einem Dalben

Modellversuch zur Ermittlung der Kollisionskräfte zwischen einem Schiff und einem Leitwerk

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Linien eines bei den Versuchen verwendeten Binnenschiffes

Grim hat aber nicht nur Modellversuche durchgeführt, sondern auch theoretische Berechnun-gen der Kollisionskräfte unter Berücksichtigung der Formgebung von Schiffen angestellt und mit den Versuchsergebnissen verglichen. Eine auch heute noch anspruchsvolle Arbeit, die ich jedem empfehle, der sich mit solchen Problemen vertieft beschäftigen will.

Jetzt werden Sie vielleicht auch verstehen, dass Grim so hohes Ansehen genoss und die Erin-nerung an ihn so lebhaft ist und mich zu dieser kleinen Würdigung bewegt hat.

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Otto Grim und die Schiffsvibrationen

von Heinrich Soding

1 Personliches

Ich gehorte zu den ersten Studenten, die bei Professor Grim Vorlesungen horten, ja genossen.Deshalb lag es fur mich nahe, Prof. Grim um Rat zu fragen, als ich wahrend meiner Tatigkeitbeim Germanischen Lloyd die Druckbelastung auf Schiffe im Seegang berechnen sollte. Grimhatte kurz zuvor eine Sondervorlesung uber Schiffe im Seegang gehalten, die vor allem furIngenieure aus der Praxis bestimmt war und zu der mir mein Studienfreund Hans Gutzke, derdie Vorlesung besucht hatte, eine Mitschrift uberließ. Sie hat mir sehr geholfen, mich in dasGebiet einzuarbeiten.

Als ich Grim um Rat und Literatur zu dem Thema Druckbelastung im Seegang fragte,sagte er gleich ungefragt zu, sein Programm zur Berechnung der Bewegungen von Schiffen imSeegang, zusammen mit seiner Assistentin Dr. Maria Kirsch, entsprechend zu erweitern. Mitdiesem Programm (und spateren Nachfolgeprogrammen) wurden die Querverbande etlicherGroßtanker dimensioniert (Abb. 1).

Wenig spater wandte ich mich wieder an Grim, diesmal wegen der im Seegang auftretendenTorsionsmomente, die zuvor an etlichen der neu aufgekommenen Containerschiffe zu Rissen imBereich der Lukenecken gefuhrt hatten. Auch hier erstellte Grim, diesmal zusammen mit PeterSchenzle, in kurzer Zeit ein Programm [8,9], das dann viele Jahre lang zur Dimensionierung vonContainerschiffen benutzt wurde. Wichtigstes Ergebnis dieser Arbeit war: Die Torsionsmomentewaren zwischen 3 und 5 mal so groß, wie bis dahin angenommen worden war, und bildeten furContainerschiffe die wichtigste Belastungsart (Abb. 2).

Fur beide Probleme waren die von Grim ausgearbeiteten Berechnungsmethoden seinerzeiteinmalig. Die heute besonders starke Position des Germanischen Lloyd bei der Klassifikation vonContainerschiffen durfte zum großen Teil auf Grims Arbeiten und Hilfestellung zuruckzufuhrensein.

2 Hydrodynamische Masse bei Plattenschwingungen

Bei elastischen Platten, die Biegeschwingungen ausfuhren und von einer oder auch beidenSeiten mit Flussigkeit benetzt sind, wirkt die erzwungene Bewegung der Flussigkeit wie einezusatzliche Masse. Zunachst behandelt Grim in [1] den Fall einer unendlich ausgedehnten ebenenPlatte, deren Schwingungsform Knotenlinien in gleichmaßigem Abstand a in x-Richtung undb in y-Richtung hat (Abb. 3). Z.B. lassen sich ebene Boden- oder Seitenplatten von Schiffendurch diesen Fall gut approximieren; auch leichte Krummungen der Platte haben kaum Einfluss,solange die Platte abwickeltbar bleibt. Grim schreibt in [1]: “Es ist mir nicht bekannt, dass indiesem Zusammenhang der Einfluss der mitschwingenden Wassermasse, der, wie gleich gezeigtwird, außerordentlich groß ist, beachtet wird.”

Die Aussage erstaunt, denn das Problem ist praktisch relevant und leicht geschlossen losbar.Grim schreibt: “Die entstehende Stromung besitzt ein Potenzial, das leicht angeschrieben wer-den kann.” Er schreibt es dann tatsachlich ohne Herleitung an, da – wenn man die Losung sieht– die Richtigkeit leicht gezeigt werden kann. Ich habe versucht, fruhere Arbeiten zu dem Themazu finden; aber es scheint, dass Grim auch dies Problem als erster gelost hat. Da Grims Arbei-ten zu Plattenschwingungen alle in deutscher Sprache veroffentlicht sind, werden seine Arbeiten

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Abb. 1. Maximale dynamische Druckhohen hi und ha fur einen Tanker in Ballast (106

Amplituden im Nordatlantik; Fn = 0.1). Aus 1.

Abb. 2. Verteilung des Torsionsmoments MT uber die Schiffslange fur ein 200m-Containerschiff(Regelmaßiger Seegang unter 60 von vorn; λ = 100m, h = 12m, Fn = 0.2. Nach de Wilde:Maximalwerte in naturlichem Seegang Aus 1.

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a

b

x

y

Abb. 3. Rechteckiges Feld in einer unendlich ausgedehnten schwingenden Platte

außerhalb von Deutschland kaum wahrgenommen. Statt dessen wird international meist eineUntersuchung von Lamb 2 zitiert, die eine schwingende kreisformige Platte (ein Hydrophon)in einer starren ebenen Wand behandelt. Dies ergibt ganz andere, komplizierte Ausdrucke.Grim kommt fur den beschriebenen Fall zu einer einfachen Kennzeichnung des Masseneffektsder Flussigkeit: Sie wirkt so, als ob die Massenbelegung der Platte vergroßert wurde um dieMasse in einer Flussigkeitsschicht der Dicke d. Fur den beschriebenen Fall findet Grim:

d =1

π√

1/a2 + 1/b2. (1)

Fur den haufig vorliegenden Fall, dass ein Knotenlinienabstand (z.B. b) wesentlich großer istals der andere, ergibt sich die unubertrefflich elegante Formel

d = a/π. (2)

In [1] wendet Grim die Losung auch an auf den Fall eines Motors, der infolge von Drehmo-mentschwankungen an der Propellerwelle Kippschwingungen macht und dabei den Doppelbo-den und die Seitenplatten mit ihren Steifen verformt. Zur damaligen Zeit waren die Motorenmeist im Mittelschiff angeordnet, so dass der Schiffsboden uber die volle Schiffsbreite mit ver-formt wurde. Offensichtlich spielt dabei die unter dem Boden mitbewegte Wassermasse einewichtige Rolle. In Resonanz kam bei dem untersuchten Fall aber die Seitenbeplattung. Auchfur diesen Fall, also fur Schwingungen von versteiften Plattenfeldern, ist (1) geeignet.

3 Reduktion hydrodynamischer Massen bei Schwingungen von Schiffsrumpfen

Fur Analysen des Schwingverhaltens ganzer Schiffe wurde seinerzeit – und wird manchmalauch heute noch – das von Lewis 3 entwickelte Verfahren angewendet: Die hydrodynami-schen Massen von Schiffsquerschnitten bei zweidimensionaler Umstromung werden mit einemReduktionsfaktor J fur dreidimensionale Umstromung (zwischen Halbwellen nach oben undnach unten sowie um Bug und Heck) multipliziert. Wahrend Lewis diesen Reduktionsfaktorfur zwei spezielle Biegeformen von Rotationsellipsoiden bestimmt und komplizierte Ausdruckeerhalt, fand Grim ein elegantes Verfahren, indem er einen unendlich langen Kreiszylinder vomDurchmesser B untersuchte, der Querschwingungen der Wellenlange λ ausfuhrt. Dafur ergibtsich ein ganz einfacher Ausdruck fur den Reduktionsfaktor, der – im Gegensatz zu dem von

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Lewis berechneten Ergebnis – fur beliebig hohe Schwingungsgrade gilt:

J =1

1 − αH(1)0 (α)/H

(1)1 (α)

(3)

mitα = iπB/λ. (4)

Dabei sind H(1)0 und H

(1)1 die Hankelfunktionen (1. Gattung) nullter bzw. 1. Ordnung. Auch

dies Ergebnis scheint international unbekannt zu sein.

4 Hydrodynamische Massen; andere Falle

In der Schrift [6] fur einen ‘Kontakt-Kurs’ fur Ingenieure aus der Praxis hat Grim die hy-drodynamische Massenwirkung fur eine Vielzahl von Fallen untersucht und fur weitere FalleArbeiten anderer Autoren zusammengefasst. Auch heute noch durfte diese Schrift hilfreich sein,zumindest um abzuschatzen, ob aufwandige numerische Analysen notwendig sind. Die folgendenFalle werden dort behandelt:

• Eine Platte in seitlich begrenztem Flussigkeitsraum (z.B. schwingendes Schott zwischenstarren Seitenwanden)

• Ein rechteckiges elastisches Feld umgeben von einer starren Platte (der von Lamb behan-delte Fall, jedoch fur ein Rechteckfeld)

• Der Einfluss endlicher Wassertiefe fur Schwingungen des Schiffsbodens• Schwingungen (einschließlich Starrkorper-Verschiebungen) von zylindrisch gebogenen

Platten (Abb. 4)• Wie oben, jedoch wenn nur einzelne Plattenfelder schwingen und der Rest starr bleibt• Verschiebungen von Kreiszylindern in Rohren (Welle im Stevenrohr). An diesem Bei-

spiel zeigt sich ein allgemeines Prinzip in besonders krasser Weise: Je enger begrenzt derFlussigkeitsraum ist, der einen schwingenden Korper umgibt, desto großer ist die Mas-senwirkung der Flussigkeit. Der Grund ist, dass die Flussigkeit, im Stevenrohr das dieWelle umgebende Ol, weite Wege zurucklegen muss, um der schwingenden Welle Platz zumachen, wenn das Stevenrohr nicht mitschwingt.

• Einfluss einer uberlagerten konstanten Stromung (Fahrt voraus) auf ebene oder zylindri-sche Platten

• Translation (vertikal und horizontal) und Rotation von Lewis-Spanten• Reduktionsfaktor fur 3-dimensionale Umstromung• Schwingungen von starren, elastisch in einer Flussigkeit gelagerten Platten und Trag-

flugeln (Rudern), auch mit uberlagerter konstanter Stromung• Schwingungen von Propellern und einzelnen Propellerflugeln

5 Schwingungserregung durch den Propeller

Die Schrift [6] behandelt außerdem hydrodynamische Schwingungserregungen durch

• Periodische Propellerkrafte, erregt durch ungleichformigen Nachstrom• Druckschwankungen an der Außenhaut verursacht durch den Propeller, insbesondere

durch Kavitation• Schwingungserregung durch den Seegang

Ungewohnt konnte der von Grim haufig benutzte Ausdruck ‘Querschwingungen’ sein: Grimbezeichnet damit sowohl vertikale als auch horizontale Schwingungen z.B. eines Rumpfes odereiner Propellerwelle.

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Abb. 4. Rechteckige Schwingungs-Felder in einer endlosen zylindrischen Platte

Durch den Propeller erregte Schiffskorperschwingungen untersucht Grim in [2] in originellerWeise. Damals kam nur ein Balkenmodell fur den Schiffskorper in Frage. Grim hat dazu einProgramm fur die erzwungenen Schwingungen eines gedampften Timoshenko-Balkens erstellt.Dies benutzte er, um die grundlegenden Erkenntnisse zu uberprufen, die er analytisch amBeispiel eines homogenen Schubstabs gewonnenen hatte. Er kommt zu folgenden, vielleichtauch heute noch nutzlichen Erkenntnissen:

• Der Propeller sollte so weit vorn wie moglich angeordnet werden. Der Grund dafur ist,dass er dann naher am hintersten Knotenpunkten der sich einstellenden Schwingungsformliegt und damit eine kleinere Erregerleistung in das System einleitet. (Bei Zweischraubernhat man ja eventuell etwas Freiheit in der Langs-Position der Propeller.)

• Die Massenbelegung zwischen hinterem Schiffsende und hinterstem Schwingungsknotensollte so groß wie moglich sein. Durch Fullen von Tanks moglichst weit hinten im Schiffkann man also die propeller-erregten Schwingungen verringern.

• Wenn man Anderungen der Stahlstruktur zulasst: Die Schubsteifigkeit des Rumpfes solltehinter dem Propeller so klein wie moglich sein, und zwischen dem Propeller und demhintersten Knoten der relevanten Eigenformen sollte sie moglichst groß sein.

Allerdings sind die mit diesen Maßnahmen erzielbaren Anderungen der Schwingungsamplitudengering: In einem von Grim untersuchten Beispiel (etwa 1% der Schiffsmasse wurde um etwa20%L verschoben; zusatzlich geringe Anderungen der Schubsteifigkeit) betrug die Verringerungder Amplituden im Hinterschiff etwa 20%, davor viel weniger. (Bei Frachtschiffen interessierendie Schwingungen hauptsachlich hinten, weil dort das Deckshaus steht.)

6 Grimsche Welle

Viel starkere Verringerungen der propeller-erregten Schwingungen lassen sich durch die‘Grimsche Welle’ [3] erzielen. Wegen des ungleichformigen Nachstroms erfahrt ein Propeller-blatt etwa in der 12-Uhr-Stellung einen großeren Widerstand gegen die Drehrichtung als inanderen Stellungen. Dadurch entstehen an einem Propeller mit z Flugeln periodische horizon-tale Krafte, die mit der Frequenz z mal Drehzahl schwanken (Erregerordnung z) und die beistarrer Lagerung des Propellers uber das hinterste Wellenlager in den Rumpf eingeleitet wer-den. Lagert man den Propeller dagegen elastisch, entweder an einem hinter dem Rumpfaustrittfrei kragenden Stuck der Schwanzwelle oder in einer frei kragenden Wellenhose (Abb. 5), so

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Abb. 5. Grimsche Welle bei dem Seebaderschiff “Hein Godenwind”. Aus Jahrb. STG 1960.

Abb. 6. Propellerwelle und Stevenrohr bei “Hein Godenwind”. Aus Jahrb. STG 1960

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Abb. 7. Grimsche Welle auf dem Forschungsschiff “Meteor”

bewirken die Wechselkrafte am Propeller im Wesentlichen eine Beschleunigung des Propellersund der ihn umgebenden festen und hydrodynamischen Massen, und nur ein kleiner Teil derErregerkraft wird uber das Schwanzwellenlager in den Rumpf eingeleitet. Auch Einschrauberlassen sich mit Grimscher Welle bauen (Abb. 7).

In Grims Veroffentlichung [3] von 1960 wird berichtet, dass 13 Schiffe mit elastisch gelager-tem Propeller gebaut worden sind und sich 6 weitere im Bau befinden. Uber das verbleiben-de Vibrations-Niveau schreibt Grim, dass die benutzten mechanischen Messaufnehmer wegender extrem kleinen Schwinungsamplituden “kaum messbare Ergebnisse” lieferten. Auch beiHartruder-Manovern sowie beim Umsteuern blieben die Schwingungen sehr klein. Und zurBetriebs-Sicherheit schreibt er, “dass bislang in keinem Fall durch diese elastische Lagerungbedingte Schaden oder Schwierigkeiten bekannt geworden sind. Es kann sogar erwahnt wer-den, dass die elastische Lagerung mehrfach Grundberuhrungen, bei denen die Propellerflugelbeschadigt wurden, ohne Schaden zu nehmen widerstanden hat.” Etwa 40 Jahre spater schreibtSiebeneicher 4: “Die Ergebnisse waren so ausgezeichnet, dass inzwischen viele Schiffe derWSV mit der sogenannten Grimschen Welle gebaut wurden.”

Die Auslegung des Systems nimmt Grim so vor, dass die unterste Eigenfrequenz zwischen derFrequenz der ersten und der z-ten Ordnung (bezogen auf die Propellerdrehzahl) liegt. Die ersteOrdnung ist wichtig fur den von Grim benutzten Bemessungs-Lastfall, fur den angenommenwird, dass ein Propellerflugel fehlt. Die Anlage muss die dadurch verursachte Unwucht, die mitder ersten Ordnung oszilliert, ohne Schaden ertragen konnen.

Man fragt sich, warum die Grimsche Welle nicht viel haufiger angewendet wird. Bei Ein-schraubern zeigt Abb. 7 einen Grund: Bei gegebener Form des Unterwasserschiffs wird dasSchiff mit Grimscher Welle einige Meter langer. Das ist bei einem Forschungsschiff, bei demVibrationsarmut eine entscheidende Rolle spielt und bei dem – bezogen auf die Decks- undAufbauflache – eine kleine Verdrangung ausreicht, eher vertretbar als bei vielen anderen Schiffs-typen. Bei Zweischraubern durfte dies aber kein Gegengrund gegen die Grimsche Welle sein. ImGegenteil: Wenn man bei Zweischraubern die Wellenbocke ganz weglassen kann, oder – falls sieerforderlich sind – wenn man sie weiter vorn anordnet, so wird (bei korrekter Auslegung) nicht

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Abb. 8. Heckbereich eines Schiffes wie ublich (gestrichtelte Hinterstevenkontur) und wievorgeschlagen (ausgezogen). Gepunktet: Unverformte und durch Heckwelle verformte

Wasserlinie.

nur die Propellerlagerung verbessert, sondern auch der Nachstrom, was zu kleineren erregendenKraften am Propeller fuhrt.

7 Propeller-erregte Druckschwankungen

Ein Grund dafur, dass Grimsche Wellen heute selten (oder vielleicht gar nicht mehr?) ge-baut werden, durfte sein, dass man heute durchweg Propeller mit großer Rucklage (‘high-skew-propeller’) benutzt, bei denen die oszillierenden Propellerkrafte kleiner sind. Vermutllichnoch wichtiger ist aber, dass sich das Hauptinteresse verlagert hat: Nicht die Krafte am Pro-peller stehen heute fur Vibrationsprognosen im Vordergrund, sondern die vom Propeller ander Schiffsaußenhaut, vor allem uber dem Propeller, erzeugten Druckschwankungen. Von Aus-nahmen abgesehen, werden diese Druckschwankungen uberwiegend durch die Kavitation amPropeller verursacht. Und die Kavitation am Propeller durfte zugenommen haben, weil dieMehrzahl der Schiffe heute schneller fahrt als 1960.

Um die propellererregten Druckschwankungen klein zu halten, bemuht man sich einerseits,den Zustrom zum Propeller so gleichmaßig wie moglich zu machen. Das erfordert schlankeHinterschiffe, geht also zu Lasten der Tragfahigkeit. Eine andere Maßnahme besteht darin,die Propeller-Flugelspitzen zu entlasten, was aber den Propellerwirkungsgrad verringert. Einedritte Moglichkeit wird manchmal darin gesehen, den ‘Freischlag’, also den Abstand der Au-ßenhaut vom oberen Rand des Propellerkreises, zu vergroßern. Diese Maßnahme verringert denMaximaldruck der Druckschwankungen an der Außenhaut genau uber dem Propeller; sie hataber auf die gesamte Erregerkraft nur geringen Einfluss, denn der Hauptteil der Erregerkraftentsteht nicht im Bereich des Druckmaximums uber dem Propeller, sondern in der weiterenUmgebung um diesen Punkt. (Eine Vergroßerung des ‘Freischlages’ hinter dem Propeller hatfast keine Wirkung, und eine Vergroßerung vor dem Propeller bringt nur dann eine merklicheWirkung, wenn sie den Zustrom zum Propeller gleichmaßiger macht.)

Abb. 8 zeigt eine andere, bisher uberhaupt nicht genutzte Moglichkeit, um die Vibrationser-regung durch propeller-erregte Druckschwankkungen auf der Außenhaut fast vollstandig auszu-schalten: Wenn man die Heckkontur uber die Wasserlinie anhebt, erreichen die Druckschwan-kungen nicht die Außenhaut; vielmehr werden die Druckwellen an der freien Wasseroberflachereflektiert. Das Ruder, die Flosse oberhalb des Ruders und der Hintersteven werden zwar noch

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durch Druckschwankungen beaufschlagt, aber dort heben sich die an Backbordseite erzeugtenKrafte mit den an der Steuerbordseite erzeugten fast vollstandig auf. (Die vom Propeller erreg-ten Druckwellen haben eine Wellenlange im Bereich von 100m, sind also wesentlich langer alsdie hier maßgebenden Abmessungen von Ruder, Flosse und Hintersteven.Es gibt daher kaum‘Druckwellenschatten’, selbst wenn das schwankende Kavitationsvolumen uberwiegend auf einerSeite der Mittschiffsebene liegt.)

8 Durch Seegang erregte Rumpfschwingungen

1975 hat Grim vom Seegang erregte vertikale Schiffsbiegeschwingungen behandelt [7]. DasThema ist bis heute aktuell. Vorhersagen sind heute moglich mit hilfe von Finite-Volumen-Verfahren und der Volume-of-fluid-Methode fur die freie Wasseroberflache, z.B. 5. Die dortberechneten Ergebnisse scheinen recht gut zu sein, aber leider ist die Rechenzeit so lang, dassdies Verfahren nur fur ausgewahlte Kurzzeit-Untersuchungen anwendbar ist, nicht als Methodefur die Dimensionierung auf grund der Langzeit-Schwingbelastung. Fur den Teil der seegangser-regten Biegeschwingungen, der durch lineare Seegangswirkungen entsteht, gibt es ausreichendschnelle und vermutlich ebenfalls genaue Rechenverfahren, z.B. 6. Aber es scheint, dass –zumindest bei vielen Schiffen – die lineare Schwingungserregung relativ klein im Vergleich zurErregung zweiter und vielleicht dritter Ordnung in der Wellenamplitude ist.

Die Arbeit [7] von Grim widmet sich der Erregung zweiter und dritter Ordnung. Das Haupt-Augenmerk liegt auf der Statistik der Schwingamplituden in einem stationaren Seegang. DieSchiffsstruktur verhalt sich hierbei wie ein lineares System mit schwacher Dampfung. Fur lineareErregung ergeben sich deshalb normalverteilte Schwingungsausschlage und mit guter NaherungRayleigh-verteile Amplituden. Fur nichtlineare Erregungen konnte man den Vorgang simulieren.Da das seinerzeit viel aufwandiger war als heute, versucht Grim, die Verteilung direkt, ohneSimulation, zu approximieren.

Grim betrachtet dazu die Relativbewegung s(t) zwischen Wasseroberflache und Schiffsrumpfan irgendeiner Stelle der Wasserlinie. In naturlichem Seegang, der als Uberlagerung vieler har-monischer Wellen aufgefasst wird, ist s mit guter Naherung ein Gauß-Prozess, also eine lineareWellenwirkung. Grim leitet zunachst aus dem Spektrum Ss(ω) das Spektrum der Große s2 ab.Er erhalt dafur ein einfaches Faltungsintegral:

Ss2(Ω) = 2∫ Ω/2

0Ss(ω) · Ss(Ω − ω)dω + ... (5)

Die Punkte deuten einen weiteren Term an, der bei dem vorliegenden Problem zahlenmaßigkeine Rolle spielt. Auch fur das Spektrum von s3 leitet Grim eine entsprechende, allerdings vielkompliziertere Formel her.

Fur die Schwingungserregerkraft erster bis dritter Ordnung, die an einem Schiffsspant an-greift, benutzt Grim einfache Ansatze, welche die Kraft abhangig von der Relativbewegungs sowie abhangig von s2 und s3 angeben. Grim schreibt dazu, die Ansatze mussten “nochuberpruft und gegebenenfalls ersetzt werden”. Ich habe die Ansatze mit meinen heutigen Kennt-nissen uberpruft und gefunden, dass sie nicht zutreffen und tatsachlich ersetzt werden mussenund wohl auch konnen.

Wenn man die Kraft abhangig von s, s2 und s3 kennt, und wenn man außerdem das Spektrumvon s, s2 und s3 kennt, konnte man nach den Regeln fur Gauß-Prozesse die Verteilung derSchwingamplituden berechnen. Grim tut dies, aber mit großen Vorbehalten. In einem Nachtragzu der Arbeit schreibt er: “Die fur die nichtlinearen Großen berechneten Spektren konnen nichtso behandelt werden wie die Spektren linearer stochastischer Prozesse.” Und etwas spater fahrt

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er fort: “Vielleicht spielt das keine Rolle fur die sehr schmalen Spektren der erregten, elastischenSchwingungen. Der Beweis hierfur musste jedoch erbracht werden.”

Dies habe ich uberpruft, indem ich das Quadrat eines Gauß-Prozesses s auf ein schwach (3%)gedampftes lineares Ein-Freiheitsgrad-Schwingsystem habe wirken lassen:

kz + dz + mz = s2 − s2 (6)

(der Uberstrich bezeichnet das Zeitmittel). In einer Simulation von etwa 40 000 Schwingperi-oden habe ich die in Abb. 9 gezeichneten Verteilungen fur die Maxima und Minima ausgezahlt.Gestrichelt sind die Rayleigh-Verteilungen eingezeichnet, die man bei einem schmalbandigenGaußprozess mit demselben Spektrum erwarten wurde. Man sieht deutliche Unterschiede zwi-schen den Verteilungen der Maxima und der Minima. Ursache dafur ist die Unsymmetrieder Verteilung der Erregergroße: s2 − s2 kann beliebig groß werden, aber der Kleinstwert ist−s2. Außerdem weichen die tatsachlichen Verteilungen deutlich von den Rayleigh-Verteilungenab; insbesondere treten betragsgroße Extremwerte deutlich haufiger auf als in der Rayleigh-Verteilung. Letztere ist also nicht geeignet, um Extremwerte z.B. fur Maximalspannungen inden Langsverbanden abzuleiten. Fur die Untersuchung der Betriebsfestigkeit durften die Unter-schiede zwischen beiden Verteilungen aber wenig ausmachen. Wenn auch die von Grim in seinemBeispiel abgeschatzten, von ihm selbst als unsicher bezeichneten Zahlenwerte nicht zutreffen, sohat er doch, meines Wissens erstmalig, eine fur viele Anwendungen ausreichende Methode zurdirekten Abschatzung der Statistik nichtlinear erregter Rumpf-Biegeschwingungen angegeben.

-2.5 -2.0 -1.5 -1.0 -0.5 0 0.5 1.0 1.5 2.0 2.5

Abb. 9. Rayleigh-Verteilung (gestrichelt) und simulierte Verteilung der Maxima (rechts) undder Minima (links) von z

9 Heutiger Stand

Grim hat stets betont, um Schwingungen klein zu halten, musse man die Erregerkrafte kleinhalten. Vielfach wird dagegen empfohlen, zumindest zusatzlich Resonanz zu vermeiden, d.h.die Ubereinstimmung der Erregerfrequenz mit einer Eigenfrequenz des schwingenden Systems.

Bei lokalen Schwingungen, etwa von Masten oder noch leichteren Teilen, ist es erfolgreich undwirtschaftlich vertretbar, das schwingende System steifer zu machen, wenn große Amplituden

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auftreten. Solche Kleinteile werden oft mit der untersten (oder einer der untersten) Eigenfre-quenzen angeregt. In dem Fall treten im Resonanzfall erheblich großere Schwingungsamplitudenauf als außerhalb der Resonanzfrequenz. Eine Vergroßerung der Steifigkeit ist nicht sehr teuerund bringt die unterste Eigenfrequenz uber die Erregerfrequenz, womit Resonanz verhindertund das Problem behoben ist.

Ganz anders liegt der Fall jedoch bei Schwingungen des gesamten Schiffskorpers. Der See-gang erregt den Schiffsrumpf hauptsachlich mit der untersten Eigenfrequenz, aber die Erregungumfasst einen weiten Frequenzbereich, so dass man Resonanz, also das Ubereinstimmen vonErregerfrequenz und Eigenfrequenz, fur seegangserregte Schwingungen nicht vermeiden kann.

Erregungen durch einen langsamlaufenden Motor haben dagegen ein Vielfaches (oft das 6-bis 8-fache) der untersten Rumpf-Eigenfrequenz. Noch hoher liegen die Erregerfrequenzen durchden Propeller. In diesem Bereich gibt es keine ausgepragten Resonanzspitzen, wie Abb. 10 amBeispiel eines Containerschiffs von etwa 200m Lange zeigt (entnommen aus 7). Wichtig istin diesem Zusammenhang auch:

• Die Erregerfrequenz durch Propeller und Motor ist wegen der veranderlichen Motor- undPropellerdrehzahl nicht konstant.

• Die Rumpf-Eigenfrequenzen sind, zumindest bei Frachtschiffen, wegen wechselnder La-defalle veranderlich.

• Maxima und Minima konnen in diesem Frequenzbereich nicht zuverlassig vorhergesagtwerden, selbst wenn man großen Aufwand fur die Modellierung der Struktur und derMassenverteilung treibt.

Abb. 10 wurde mit etwa 30 000 Freiheitsgraden berechnet; in 7 werden aber auch Modelle mituber 300 000 Freiheitsgraden untersucht, ohne dass sich eine eindeutig bessere Ubereinstimmungmit den Messergebnissen gezeigt hatte.

Neben Resonanzspitzen gibt es (in Abb. 10 nur bei der berechneten Kurve, in anderenFallen aber ebenso bei Messkurven) ausgepragte Minima der erzwungenen Schwingungen. De-ren Nutzung ist aber aus denselben Grunden nicht praktikabel. Trotz großer Fortschritte in derschwingungstechnischen Modellierung von Schiffsrumpfen bestehen daher immer noch großeUnsicherheiten bei der Prognose von Schwingungsamplituden. Ob sich die schwingungstechni-sche Modellierung von Schiffsrumpfen uberhaupt lohnt, scheint mir deshalb zweifelhaft.

Es gilt daher immer noch das, was Grim vor etwa 50 Jahren schrieb [2]: Klein halten las-sen sich Schiffsschwingungen fast ausschließlich durch eine Verringerung der Erregerkraft. Eineerhohte Dampfung wurde sich ebenfalls positiv auswirken, aber bisher sind keine wirksamen undausreichend praktikablen Maßnahmen zur Erhohung der Dampfung von Schiffsrumpfschwingun-gen bekannt. Vielleicht lohnte es sich, hieruber nachzudenken.

10 Literatur

Eckige Klammern bezeichnen Publikationen von Grim, geschweifte Klammern die anderer Au-toren.

[1] Grim, O. (1953), Uber den Einfluss der mitschwingenden Wassermasse auf die Schwingungs-eigenschaften lokaler schwingungsfahiger Systeme. Schiff und Hafen 1953, Heft 11.

[2] Grim, O. (1958), Erzwungene Querschwingungen des Schiffskorpers. Jahrbuch STG Band52, 203-219

[3] Grim, O. (1960), Lagerung der Propellerwelle in einem elastischen Stevenrohr. Jahrbuch

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Abb. 10. Amplitude der vertikalen Schwinggeschwindigkeits seitlich an Vorderkante Aufbaubei horizontaler Erregung abhangig von der Erregerfrequenz. Entnommen aus 7.

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STG Band 54, 106-116

[4] Grim, O. (1960), Elastische Querschwingungen des Schiffskrorpers. Reduktionsfaktor fur dieBerucksichtigung der raumlichen Stromung bei der Berechnung der hydrodynamischen Masse.Schiffstechnik 7,1-3 (Die Arbeit behandelt vertikale Biegeschwingungen.)

[5] Grim, O. (1972), Vibrationen auf Schiffen, Vorlesungsskript Nr. 4

[6] Grim, O. (1975), Hydrodynamische Tragheits- und Dampfungskrafte; hydrodynamischeschwingungserregende Krafte. 8. Fortbildungskurs im Institut fur Schiffbau

[7] Grim, O. (1975), Elastische Schwingungen des Schiffes, erregt durch nichtlineare Krafte desnaturlichen, unregelmaßigen Seegangs. Bericht Nr. 325 des Instituts fur Schiffbau

[8] Grim, O. und Schenzle, P. (1968), Berechnung der Torsionsbelastung eines Schiffes im See-gang. Bericht 5 des Forschungszentrums des Deutschen Schiffbaus

[9] Grim, O. und Schenzle, P. (1969), Der Einfluss der Fahrgeschwindigkeit auf die Torsionsbe-lastung eines Schiffes im Seegang. Bericht 7 des Forschungszentrums des Deutschen Schiffbaus

1 Schultz, H.-G. (1969), Festigkeitsprobleme im Großschiffbau. Jahrbuch STG 63, 171-190

2 Lamb, H. (1921), On the vibrations of an elastic plate in contact with water, Proc. RoyalSociety A98, 205-216

3 Lewis, F.M. (1929), The inertia of the water surrounding a vibrating ship, Tr.SNAME

4 Siebeneicher, “Entwicklungen in der Schiffstechnik und ihre Anwendung in der Wasser-und Schiffahrtsverwaltung”, Mitteilungsblatt der Bundesanstalt fur Wasserbau Nr. 78 (1998)

5 Moctar, O.el, Oberhagemann, J., Schellin, T.E., “Free surface RANSE method for hullgirder springing and whipping”, Proc. SNAME Transactions 2011, 286-300

6 Soding, H., “Computation of springing transfer functions”, Proc. IMechE Vol. 223 Part M,291-304

7 Behrens,U., Cabos,C., Eisen,H., Ihlenburg,F., Kreinath,H., Mumm,H. (1999), Verbesserungder Dampfungsansatze fur die Berechnung von Schiffsschwingungen. Teilvorhaben A5.1 desVerbundvorhabens Life Cycle Design, Germanischer Lloyd

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Dynamik des Seeverhaltens und statische Stabilitatsbetrachtun-gen - Versuch einer Synthese

S. Kruger, TU- Hamburg- Harburg

Einleitung

Es gibt wohl kein Gebiet der Schiffstechnik, auf dem Prof. Grim nicht Grundlegendes gelei-stet und gleichzeitig Nachhaltiges hinterlassen hat. Selbst das Thema, mit dem ich mich indiesem Aufsatz beschaftigen mochte, ist doppelt von Prof. Grim bearbeitet worden: Wennman den Begriff Grim’sche Welle hort, dann denken die meisten sicherlich zunachst anein Verbindungselement zwischen Propeller und Maschine, welches Gegenstand Grim’scherVerbesserungen war. Nein, hier soll es um die vielleicht nicht so bekannte Ersatzwelle nachGrim gehen. Bezuglich der Schiffssicherheit, welches das Generalthema meines Aufsat-zes sein sollte, fiel mir als herausragender Beitrag von Prof. Grim eben seine Ersatzwelleein. Diese hat uns ermoglicht, heute praktische Seegangsberechnungen zu Fragestellungendurchfuhren zu konnen, die ohne das brilliante Modell der Ersatzwelle nach Grim trotzaufwandigster Numerik so nicht moglich waren. Dabei handelt es sich um eine extrem in-telligente Konzeption, die Aufrichthebel des Schiffes im naturlichen Seegang berechnen zukonnen. Heute mag das vielen angesichts numerischer Methoden trivial erscheinen, gleich-wohl ist bis heute der Engpass in der numerischen Seegangsberechnung - egal ob viskosoder nicht - die Berechnung des Aufrichtmomentes aus der Integration uber den Rumpfin der Welle. Diese kostet sehr viel Rechenzeit, und erst Recht dann, wenn wir naturli-che Seegange mit sehr vielen Komponenten betrachten wollen (und in der Schiffssicherheitwollen wir das) und man die eben genannte Druckintegration noch fur jede Komponentedurchfuhren muss. Leider kennt auf internationaler Ebene kaum jemand die Ersatzwellenach Grim, und deshalb stoßen wir auf große Schwierigkeiten, wenn wir vor internationalemPublikum uber praktsiche Anwendungen des Grim’schen Modelles referieren. Liest man diegrundlegende Arbeit von Grim dazu, und auch die Diskussion, dann findet man exakt dieFragestellungen, uber die wir heute auch noch diskutieren, obwohl Grim schon damals allesWesentliche klar erkannt hatte. Leider beschrankt sich die Schiffssicherheit heute fast nurauf relativ triviale hydrostatische Grundprobleme, obwohl heute Einiges mehr berechenbarist. Ich mochte daher zunachst einen historischen Aufriss der Entwicklung in Deutschlandaufzeigen, um dann die Grim’sche Welle und deren Bedeutung aufzuzeigen. Dann versucheich einen Ansatz, der die hydrostatische Stabilitatswelt und die dynamische Seegangsweltzusammenbringt. Daher habe ich bewusst in der Uberschrift das Wort Synthese verwendet.

Historischer Uberblick

Unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg kam es in Deutschland zu einer Haufung von Ken-terunfallen. Diese fanden meist im nachlaufenden Seegang statt, und es waren nicht nurSchiffe aller Großen davon betroffen, sondern vor allem auch praktisch werftneue Schiffe.Als Grund wurde spater angegeben, dass die deutschen Werften wegen der durch das Pots-damer Abkommen auferlegten Schiffbaubeschrankungen ihre Entwurfe bis an die Grenzeder Vorschriften ausgereizt haben, um trotz Beschrankungen noch eine gewisse Wirtschaft-lichkeit zu gewahrleisten. Die Unfalle wurden immer durch die zustandigen Seeamter un-tersucht, die sich wiederum auf technischen Gutachtern abstutzten. So war gewahrleistet,dass Wissenschaft und Praxis in ausreichend enger Abstimmung die Unfalle bearbeiteten.Nach meinen Recherchen hat sich Grim zum ersten Mal um 1950 mit einem seegangs-bedigten Stabilitatsproblem beschaftigt. Grim war damals noch in der HSVA, und 1949kenterte der Dampfer FIDAMUS mit einer Ladung Kali vor Langeoog. Kempf (HSVA)

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hatte ein Stabilitatsgutachten zu dem Fall angefertigt, und festgestellt, dass das Schiff na-he der 1:1 Rollresonanz unterwegs war. Man konnte das Kentern damals aber nicht restlosaufklaren, vor allem nicht den starken vorlastigen Trimm, der wahrend des Kenterns auf-getreten war.1 Vermutlich war man damals der der Auffassung, dass die FIDAMUS nichtaus Stabilitatsgrunden gekentert, sondern quergeschlagen und dann gekentert war. Grimuntersuchte daraufhin 1950/51 mittels einer brillianten Versuchstechnik ein Schiff im nach-laufenden Seegang so, dass er mittels eines vom Schleppwagen gezogenen Brettchens einestehende Welle erzeugte und dann die Kursstabilitat des Schiffes in der dadurch entste-henden stehenden Welle untersuchte. Auch wenn die eigentliche Kenterursache von Grimdamals nicht als Stabilitatsversagen auf dem Wellenberg erkannt wurde, loste er dabei -nebenbei - das Problem der Kursstabilitat des Schiffes im nachlaufenden Seegang.

Abbildung 1: Untersuchung der Kursstabilitat des Schiffes im langslaufenden Seegang, Grim 1951

Man ging spater davon aus - und hier ist zunachst unbedingt der Name Wendel zu erwahnen- dass es sich beim Kentern im Seegang um ein Stabilitatsproblem handelte, und man ver-suchte, dies mit den damals ublichen hydrostatischen Mitteln zu bearbeiten. Spatestens seitdem Unfall der SS IRENE OLDENDORF war durch Wendels Arbeiten bekannt, dass dieStabilitat eines Schiffes in der Wellenbergsituation erheblich herabgesetzt werden kann. Inder Folge fanden sehr viele Forschungsarbeiten statt (Abels, Wendel, Grim, Kastner), diedurch Berechnungen und Modellversuche nachwiesen, dass der Aufrichthebel eines Schiffesin der Wellenberg- oder Talsituation mit sehr guter Naherung durch einfache Hydrosta-tik mit der entsprechend verformten Wasseroberflache berechnet werden kann. Dies wurdedurch Großausfuhrungsmessungen auf SSS Gorch Fock bestatigt. Gleichzeitig hatte manerkannt, dass auch eine gewisse Dynamik eine Rolle spielen musste, weswegen systemati-sche Kenterversuche mit ferngesteuerten Modellen im naturlichen Seegang des Ploner Sees2 durchgefuhrt wurden. Daraus wurden statistikbasierte Kenterkriterien entwickelt undbei Unfalluntersuchungen angewendet (MV LOHENGRIN 1963). Gleichzeitig entwickeltenGrim und Wendel mit den Konzepten fur hydrodynamische Massen und Streifenmethodendie Grundlagen moderner Seegangsrechnungen.

Aus diesen Grundlagenarbeiten entstanden nun in Deutschland ab Mitte der sechzigerJahre zwei verschiedene Denkrichtungen: Die einen fassten das Kentern eher als statischesStabilitatsproblem (Wendel, Kastner, Roden, Arndt) auf, welches am ehesten durch einegenaue Erfassung und Gegenuberstellung der krangenden und aufrichtenden Momente zulosen sei. Der Effekt des Seegangs wurde dabei durch Hebelarmkurven fur Wellenberg undWellental erfasst. Dies fuhrte zur Stabilitatsvorschrift der deutschen Bundesmarine, dieauf der Auswertung von Modellversuchen im naturlichen Seegang beruht. Eine weitereEntwicklung dieser Denkrichtung stellte der von Blume, Wagner und Hormann entwickelteC- Faktor dar, der heute noch im Intaktstabilitatscode empfohlen wird. Man hatte beider Entwicklung der Containerschiffe erkannt, dass wegen neuer Abmessungen der Schiffezusatzliche Stabilitatskriterien benotigt wurden, und aufgrund von Modellversuchen imunregelmaßigen, langkammigen Seegang wurden statische Kenterkriterien entwickelt, die

1Heute wissen wir, dass sich der Trimm nach vorne durch die Gleichgewichtslagen bei geneigtem Schiff ergibt.2Spater wurden solche Versuche auch in der Eckernforder Bucht und in den USA von Kastner und Paulling in

der San Francisco und Cheasapeake Bay durchgefuhrt.

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sich an der Glattwasserhebelarmkurve festmachen.

Die andere Denkrichtung sah die Losung der Probleme eher in der besseren Erfassung dy-namischer Effekte im Seegang (Grim, Soding). Grim erkannte bereits 1961 die fundamen-tale Bedeutung parametrisch erregter Rollschwingungen im langslaufenden unregelmaßi-gen Seegang. Im Gegensatz zur damals ublichen Ansicht vertrat Grim von vornehereindie Auffassung, dass der unregelmaßige Seegang fur das Schiff der kritischste Fall seinmusse. Liest man die beruhmte Arbeit ’Beitrag zum Problem der Sicherheit des Schiffesim Seegang’ aufmerksam, dann stellt man fest, dass Grim schon damals alle wesentlichenDinge klar erkannte. Im Gegensatz dazu haben sich vor allem in der angelsachsischenWelt bis heute hartnackig Berechnungsverfahren fur das Kentern von Schiffen mit der Ma-thieu’schen Diffrentialgleichung gehalten, obwohl diese eine Linearierung des Stabilitats-monmentes bezuglich des Anfangs- GMs voraussetzt. Dabei hatte Grim 1961 glasklar auf-geschrieben: ’ Die Bewegungsgleichungen ... sind rheolinear und die Gesetzmaßigkeit, diezwischen ∆MG und der Wellenform entsteht, ist nicht linear. Es ist daher nicht moglich,die Bewegungsgleichung anzuwenden, um die durch die Stabilitatsanderung erzeugte Bewe-gung des Schiffes im naturlichen, unregelmaßigen Seegang zu studieren.’ Mit der letztenAußerung musste Grim sich damals zwangslaufig mit Kerwin anlegen. Dieser hatte eben-falls die Bewegung des Schiffes im Seegang studiert, aber in einer regelmaßigen Welle: Inseiner beruhmten Arbeit ’Notes on rolling in longitudinal waves’ heißt es: ’However, thesea is never completely regular, and for this application this is probably a very fortunatefact. While conducting the experiments, three important properties were noted: First, thatthe resonance regions were extremely narrow, second, that the motion took several hundredswings to build up, and third, that if the phase of the motion was disturbed, it would dampout to zero and then build up again in the correct phase. It certainly does not seem possiblethat in an actual seaway a ship could encounter 200 waves whose period and phase did notvary more than 2 or 3 per cent. This would indicate that the solution for a regular seais not of practical interest.’ Grim bemerkte dazu dagegen folgendes: ’Es ist von Kerwinim Modellversuch festgestellt worden, dass die durch eine periodische Stabilitatsanderungerzeugte Rollschwingung sehr rasch kleiner wird, wenn eine Storung in der Erregung ein-tritt, d. h. wenn der harmonische Verlauf der Stabilitatsanderung unterbrochen wird. Daim naturlichen Seegang die Stabilitatsanderung nicht harmonisch verlauft, konnte gedachtwerden, dass keine nennenswerte Rollbewegung hierdurch erzeugt werden kann und eineUntersuchung dieser Moglichkeit daher ohne Interesse ist. Es konnen aber zwei Argumentevorgebracht werden, die dagegen sprechen:a) Das Spektrum der Amplitude ηeff .. [gemeint ist die Amplitude der Ersatzwelle, Annm.d. Autors] ist schmal, d. h. der Verlauf der Stabilitatsanderung ist auch im naturlichenSeegang nicht weit vom harmonischen entfernt.b) Wenn eine periodische Stabilitatsanderung zusammentrifft mit einem konstanten Krang-ungsmoment (etwa durch den Winddruck erzeugt) oder mit einem durch schrag laufendeWellen erzeugtem Moment, kann schon nach sehr kurzer Zeit eine starke Rollbewegung auf-geschaukelt werden.’ Heute wissen wir nach vielen Modellversuchen und Berechnungen,dass Grim mit seinen Vorstellungen uneingeschrankt Recht hatte, und dass in a) und b)schon eine brilliante Beobachtungsgabe steckt. Grim mag dabei zu Gute gekommen sein,dass er aufgrund seines Arbeitsumfeldes in die Bearbeitung praktischer Probleme eingebun-den war, denn es war (und ist) eine unbestreitbare Tatsache, dass Schiffe im achterlichenSeegang kentern konnen, auch wenn (oder gerade weil) der Seegang ein naturlicher ist.Weil die Schiffe alle mit sehr wenig Stabilitat fuhren, war von vorneherein klar, dass spe-ziell auf dem Wellenberg die Stabilitat vollkommen abgebaut werden konnte, dann konnteman naturlich keine linearisierte Rollschwingung mehr ansetzen, das war Grim vollkommenklar. Aus praktischer Sicht spielte es fur eine Rollschwingung - bei gegebener Amplitude -schon eine wichtige Rolle, ob man 50 Rollzyklen braucht oder nur 5, um diese Amplitude zuerreichen. Weiterhin erkennt man nach dem Studium von entsprechenden Modellversuchensofort, dass man in regelmaßigen Wellen auch deswegen viel schwerer kentern kann als in

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unrelgelmaßigen Wellen, weil bei großer Neigung immer ein Wellenberg an den Schiffsendenvorhanden ist, der das Schiff wieder aufrichtet. Erst wenn dieser aufrichtende Berg einmalnicht mehr (in der Hohe) da ist, kentert das Schiff, wie wir heute wissen. Ein weitererPunkt, den Grim damals nicht erwahnte ist die heute nach vielen Rechnungen bekannteTatsache, dass das Schiff im Seegang seine Rolleingenfrequenz massiv andert, und dass auchdadurch Spektrum scheinbar schmal wird. Summa summarum kommt heraus, dass Grimalle wesentlichen Fakten in seiner Arbeit von 1961 schon klar formuliert und vorausgesehenhat.

Abbildung 2: Messungen zum Aufrichthebel in der Welle durch Wendel et al.

Um auf das Modell der Ersatzwelle zu kommen, war es einmal - wie Grim klar formulierthat - notig, eine Gesetzmaßigkeit fur das sich periodisch andernde Stabilitatsmoment zufinden. Dabei war Grim nicht entgangen, dass Wendel an vergleichbaren Fragestellungengeforscht hatte, denn es war spatestens nach dem Kentern der SS IRENE OLDENDORFF1950 in der Deutschen Bucht in Deutschland bekannt, dass achterlicher Seegang die Stabi-litat des Schiffes signifikant herabsetzen kann. Wendel, Abels, Kastner, Roden und Arndthaben nun durch Modellversuche (basierend auf der Technik von Grim) nachgewiesen,dass das Stabilitatsmoment in einer bekannten Welle mit ausreichender Genauigkeit aufdie Berechnung eines hydrostatischen Aufrichthebels in dieser Welle zuruckgefuhrt werdenkonnte. Dies erscheint uns heute trivial, denn wir sind mit der Berechnung von Wellenberg-und Wellentalhebeln groß geworden. Selbstverstandlich ist das aber nicht, und es ist ausSicht der Schiffssicherheit eine sehr wesentliche Entwicklung, die vielleicht nicht ausreichendgewurdigt worden ist.

Nun hatte die Stabilitatsgruppe um Wendel aus dieser Erkenntnis aber den Schluss gezogen,dass allein die statische Berechnung von Aufrichthebeln - auch im Seegang - das Kenterpro-blem losen wurde, und man sah folgerichtig eher die statische Erfassung der krangendenund aufrichtenden Momente als Schlussel zum Erfolg an. Die eigentliche Dynamik desKenterns wurde eher vernachlassigt, auch wenn Wendel et. al. mit den Modellversuchenzum Kentern der Lohengrin (1963) eine Art dynamische Losung fur das Kenterproblemvorgelegt hatten. Inzwischen war namlich durch die die Arbeiten von Pierson und St. De-nis eine mathematische Beschreibung des naturlichen Seegangs als Zufallsereignis moglichgeworden. Dabei wurde der naturliche Seegang aus vielen (deterministischen) Einzelkom-

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ponenten beschrieben, die aber mittels einer rein zufalligen Phasenlage uberlagert werden.Dies machten sich Wendel et. al zunuzte, um aus Modellversuchen im naturlichen SeegangKenterwahrscheinlichkeiten zu berechnen.

Diese Entwicklungen bildeten nun den Rahmen fur die von Grim entwickelte Ersatzwel-le: Auf der einen Seite stand die mathematische Beschreibung der Wasseroberflache desnaturlichen Seegangs. Am Ende stand die Tatsache, dass das Stabilitatsmoment in einerbekannten Welle aus dem hydrostatischen Aufrichthebel in dieser Welle berechnet werdenkonnte. Nun stellt die Ersatzwelle nach Grim genau die Verbindung zwischen diesen beidenPolen dar: Grim gelang es, die mathematische Darstellung des naturlichen Seegangs in derUmgebung des Schiffes (etwa von 0 bis L) in eine regelmaßige Ersatzwelle zu uberfuhren,die mit guter Genauigkeit zum gleichen Stabilitatsmoment fuhrt wie der naturliche See-gang. Diese Ersatzwelle ist durch ihre Lange, Amplitude und Phasenlage gekennzeichet.Hat man diese Ersatzwelle einmal gefunden, ergibt sich durch eine einfache hydrostatischeRechnung in dieser Welle sofort das Stabilitatsmoment. Das ist derartig einleuchtend, dasses uns heute nahezu trivial erscheint. Aus heutiger Sicht ermoglicht uns aber die Ersatz-welle nach Grim auf extrem effiziente (das heißt schnelle) Weise, das Stabilitatsmoment imSeegang fur nahezu beliebig komplizierte Seegange (diese bestehen dann aus beliebig vie-len Einzelkomponenten) berechnen zu konnen. Alle Verfahren, die nicht auf die Ersatzwellenach Grim zuruckgreifen, verbrauchen bei dieser Fragestellung enorme Mengen an Rechen-zeit, was entweder auf die Rechenzeit des Problems oder auf eine starke Vereinfachung desSeegangs hinauslauft.

Abbildung 3: Prinzip der Ersatzwelle nach Grim, Grim 1961

Trotz ihrer bestechenden Konsequenz wurde nach Auffassung des Autors die Bedeutungdieser Entwicklung zunachst nicht erkannt, und vermutlich auch von Grim nicht. Das magdaran gelegen haben, dass es ohne geeignte rechnergestutzte Verfahren nicht moglich ge-wesen ist, die Entwicklung nutzbringend anzuwenden. Es war ja schon extrem aufwandig,uberhaupt Pantokareren zu berechnen, und das Grimsche Verfahren eignete sich praktischnicht fur eine Handrechnung. Gleichzeitig schien der praktische Nutzen zunachst nicht be-sonders groß, und auch Grim erwahnt in seinem Schlusswort lediglich Folgendes: ’Schließ-lich sollte diese Arbeit zeigen, wie wertvoll die Kenntnis des naturlichen Seegangs auch furdie Beurteilung der Sicherheit des Schiffes ist und dass es notwendig ist, moglichst um-fangreiches statistisches Material uber diesen naturlichen Seegang zu sammeln.’Und so wurde diese Entwicklung zunachst nicht weiterverfolgt. Nachdem auch mit der Ent-wicklung der BV 1033 fur die Deutsche Bundesmarine das Wendelsche Konzept der Stabi-litatsbilanzen einen Eingang in die Stabilitatswelt gefinden hatte, wurde an Stabilitatsfra-gen eine zeitlang deutlich weniger geforscht. Das anderte sich erst mit dem Aufkommen derersten Containerschiffe, als man den Verdacht hatte, dass die bisherigen Stabilitatsregelnnicht ausreichend waren. Das Stabilitatsproblem im Seegang ruckte erneut in den Fokus,

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es wurden viele grundlegende Untersuchungen angestellt, die letztlich zur Verabschiedungdes C- Faktors fuhrten, allerdings nur als Empfehlung innerhalb des Intaktstabilitatscodes.Diese Untersuchungen basierten auf Kenterversuchen der HSVA, und hier sind die NamenBlume, Hattendorff, Wagner und Horrmann zu nennen. Modellversuche hielt man damalsfur das Mittel der Wahl, weil man numerische Berechnungen fur nicht ausreichend zu-verlassig hielt. 3 Es wurden aus diesen Entwicklungen aber ganz wesentliche Erkenntnissegeneriert, die uns bei der unten geschilderten Entwicklung helfen werden.

Fur die weitere Entwicklung ist wiederum ein realer Stabilitatsunfall entscheidend: 1986kenterte das Containerschiff E.L.M.A. TRES vor der Kuste Brasiliens. Alle Besatzungs-mitglieder bis auf den Ladungsoffizier kamen dabei ums Leben. Zur Untersuchung desUnfallhergangs wurde Prof. Soding mit einem Gutachten beauftragt. Dazu entwickeltenSoding und Kroger ein Rechenprogramm - ROLLS - welches die Idee der Grimschen Er-satzwelle aufgriff. ROLLS verwirklicht dabei die ursprunglich von Grim entwickelte Idee,die Rollerregung im Seegang in ein Stabilitatsmoment aufzuteilen (das mit Hilfe der Ersatz-welle berechnet wird) und einem direkten Rollmoment (entspricht der schrag verlaufendenKomponente nach Grim), welches mittels der Streifenmethode berechnet wird. Weiterhinwerden alle fur die Rollbewegung relevanten Kopplungsterme berechnet. ROLLS ist alsodie konsequente numerische Umsetzung der Grim’schen Ideen nebst einigen wesentlichenVerbesserungen, die Soding angebracht hat. Die Entwicklung dieser Methode war fur dieEntwicklung der Schiffssicherheit ein richtig großer Wurf, wie ich schon in meinem Beitragzum Festkolloquium 75 Jahre Prof. Soding ausgefuhrt habe. Es gelang damit nicht nur, dieGrim’schen Annahmen in allen Punkten zu validieren, sondern es war damit uberhaupterst moglich, sicherheitstechnische Untersuchungen im großen Stil durchzufuhren. Um denUmfang dieses Aufsatzes nicht uber Gebuhr anschwellen zu lassen, verweise ich auf meinenBeitrag zur Festschrift 75 Jahre Prof. Soding, in dem ich eine auf den Entwicklungen vonGrim und Soding basierende Methode angegeben habe, aufgrund von numerischen Berech-nungen mit ROLLS einen Kenterindex fur Schiffe angeben zu konnen, mittels dessen maneine Bestimmung der notigen Stabilitat vornehmen kann. Diesen mochte ich im folgendenfur den praktischen Gebrauch weiter vereinfachen.

Ein praktisches Versagenskriterium im langslaufenden Seegang

sign. Wellenhöhe H1/3HLim

Ken

terr

ate

Definitiv Sicher Definitiv Unsicher

Abbildung 4: Prinzip des Versagenskriteriums als Sprungfunktion

Betrachtet werde ein Schiff im naturlichen (unregelmaßigen und kurzkammigen) Seegang.Dieser komme etwa von achtern und sei beschrieben durch die kennzeichnende PeriodeT1 und die signifikante Wellenhohe H1/3. Betreibt man nun in diesem Seegang ein Schiffoder Modell etwa an seiner Stabilitatsgrenze, dann ist es wahrscheinlich, dass dieses Schiff(oder Modell) in diesem Seegang kentert. Fur das Modell ware es moglich, diesen Ver-such beliebig oft zu wiederholen, und jeweils die Zeit zu messen, bis das Kentern eintritt.

3Heute wissen wir, dass es genau umgekehrt ist: Wegen der Ersatzwelle nach Grim konnen wir heute mit Leich-tigkeit beliebige naturliche Seegange rechnen, was wir im Modellversuch eben versuchtechnisch nicht hinbekommen.

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Daraus kann man eine mittlere Kenterrate bestimmen, die man in Kenterungen je Begeg-nungsperiode angeben kann. Das haben Kastner und Roden in den sechziger Jahren so mitModellen durchgefuhrt. Heute kann man solche Modellversuche durch numerische Simula-tionen ersetzen und die wahrend der Simulationen aufgetretenen Kenterungen zahlen, umdie Kenterrate ermitteln zu konnen. 4 Wenn man nun die signifikante Wellenhohe bei sonstgleichem T1 herabsetzt, dann findet man heraus, dass dieses auch die Kenterrate redu-ziert. 5 Unterhalb einer bestimmten (signifikanten) Wellenhohe wird man irgendwann keinKentern mehr feststellen konnen. Das liegt daran, dass Modellversuchszeiten endlich sindund dass auch in Simulationen nicht beliebig lange gerechnet werden kann. In der Theoriewurde das Schiff aber irgendwann kentern, wenn nur der Betrachtungszeitraum ausrei-chend lang ware. Daher kann man mit dem Verfahren von Soding in kunstlich uberhohtenWellen noch Kenterraten in geringen Wellenhohen bestimmen, wenn man diese durch Ex-trapolation aus Simulationen in hoheren Wellen gewinnt. Bei sehr geringen Wellenhohengeht die Kenterrate dann praktisch gegen 0. Umgekehrt geht die Kenterrate irgendwanngegen 1, namlich dann, wenn das Schiff in jeder Welle des Seeganges kentern wurde. Aussolchen Berechnungen erhalt man den in Abb. 1 gezeigten prinzipiellen Verlauf der Ken-terrate uber der signifikanten Wellenhohe H1/3 (durchgezogene dicke Linie). Nun habenmehrere Autorengruppen unabhangig voneinander gefunden (Kastner und Roden 1963,Kastner und Paulling 1971, Kruger und Billerbeck 2003), dass der Verlauf der Kenterra-te ausgehend von geringen Wellenhohen zunachst nur ganz gering ansteigt, dann aber abeiner bestimmten Wellenhohe sprunghaft sehr große Werte annimmt. 6 Dieser sprunghaf-te Anstieg der Kenterrate existiert nicht nur dann, wenn man die Wellenhohe vergroßert,sondern auch dann, wenn man bei gegebener Wellenhohe systematisch die Stabilitat redu-ziert. Nimmt man nun in Kauf, dass ein gewisses Restrisiko beim Kentern unvermeidlichist, weil es sich um statistisches Problem handelt, dann erscheint es aus technischer Sichtzulassig, dass sich ein Schiff immer ausreichend weit links des sprunghaften Anstieges derKenterrate befinden muss. Aus Abb. 4 wird ersichtlich, dass es zulassig ist, den Verlauf derKenterrate grundsatzlich durch eine Sprungfunktion zu ersetzen (dick gestrichelte Kurve),wobei es aus technischer Sicht auch legitim ist, eine gewisse Sicherheitsreserve vorzusehen(dunn gestrichelte Kurve). 7 Dagegen mag man nun einwenden, dass ein Schiff auch inGrenzsituationen noch eine ausreichende Sicherheit haben muss, und dass es sehr schwie-rig ist, eben diese Grenzsituation zu ermitteln. Diesem Argument steht aus praktischerSicht entgegen, dass wir keinen einzigen realen Kenterunfall haben finden konnen, der sichtatsachlich in einer solchen Grenzsituation 8 ereignet hat. Alle von uns untersuchten Ken-terunfalle lagen bezuglich der Kenterraten (bis auf SS IRENE OLDENDORFF) tatsachlichim stark aufsteigenden Ast derselben. Bei SS IRENE OLDENDORFF lag der Auslaufzu-stand des Schiffes tatsachlich in einer Grenzsituation leicht links des steilen Anstieges, estraten wahrend der Reise aber eine Reihe von Umstanden ein, welche die Stabilitat so-weit vermindert haben, dass der eigentliche Unfall dann wieder im deutlich aufsteigendenAst der Kurve stattfand. Daher zeigt auch dieser Unfall, dass es aus praktischer Sichtnicht sinnvoll ist, solchen Grenzzustanden eine ubermaßige Bedeutung beizumessen, dennder eigentliche Kenterunfall wird mit hoher Wahrscheinlichkeit in diesem Ast des steilenAnstieges stattfinden. Setzt man dies prinzipiell voraus, dann ist es aus praktischer Sichtzulassig, den Verlauf der Kenterrate durch eine Sprungfunktion zu idealisieren, die dann

4Es ist in mehreren offentlich geforderten Vorhaben durch Billerbeck und Hennig eindeutig nachgewiesen worden,dass die Simulation mit ROLLS im langslaufenden Seegang mindestens so gut ist wie ein Modellversuch.

5Dazu muss vorausgesetzt werden, dass sowohl die Modellversuche als auch die Berechnungen so vernunftiggemacht werden, dass die Ergebnisse nicht von der zufalligen Anfangsbedingung abhangen. Das ist im naturlichenSeegang erheblich einfacher als in kunstlichen Seegangen wie regelmaßigen oder rein langkammigen Wellen.

6Dabei setzen wir voraus, dass der Versagensmodus im wesentlichen durch Stabilitatsversagen kombiniert mitHebelarmschwankungen determiniert wird, so wie es fur achterlichen Seegang etwa an der Stabilitatsgrenze desSchiffes bekannt ist.

7Der Ordinatenwert des idealisierten Anstiegs der Kenterrate lasst sich durch die Auswertung realer Unfallesowie durch die Auswertung akzeptierter Stabilitatsstandards gewinnen, siehe dazu auch unten.

8Das ware der Bereich von Kenterraten (oder Wellenhohen) in Abb. 1, der zwischen sicher und unsicher liegt.

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nur noch zwischen den Zustanden sicher und unsicher unterscheidet. Dadurch wird das Pro-blem erheblich vereinfacht, weil die Sprungfunktion jetzt nur noch durch die limitierendesignifikante Wellenhohe Hlim determiniert wird. Unterhalb von Hlim gilt das Schiff als si-cher, oberhalb davon als unsicher. Damit kommt es im Folgenden nur noch darauf an, dieselimitierende Wellenhohe Hlim zu bestimmen. Dies ist prinzipiell leicht durch numerische Si-mulationen moglich, wie mehrere Autoren (Soding, Kruger, Billerbeck, Pereira, Kluwe oderShigunov) gezeigt haben. Dabei konnen verschiedene Ansatze Verwendung finden: MancheAutorengruppen (Soding, Shigunov, Pereira) berechnen direkt die Kenterraten und ermit-teln daraus die Grenze, ohne explizit auf eine limitierende Wellenhohe einzugehen. Anderebenutzen das von Blume aufgestellte Restflachenkriterium, um die Rechenzeit abzukurzenoder nehmen direkt einen bestimmten Rollwinkel in langen Simulationszeiten (Billerbeck,Kluwe, Kruger). Unabhangig von der gewahlten Methode kommen aber alle Autorengrup-pen im Prinzip zu den gleichen Grundergebnissen. Damit ist spatestens seit 2005/6 einkonsolidierter Stand erreicht, so dass die Losung des Kenterproblems auf numerischemWege zweifelsfrei gelingt und auch Anwendung findet.

Das Prinzip des Insufficient Stability Event Index - ISEI

In der derzeitigen Konzeption der Schiffssicherheit steht weniger die Frage der Bewertungeiner bestimmten Seegangssituation im Vordergrund, sondern wir mochten eine Grenzkurvefur die Stabilitat des Schiffes angeben, die mit den Kurven der bekannten Kriterien inEinklang zu bringen ist und die diese ggf. um einen weiteren Versagensmodus erganzt.Dabei mochten wir das bereits fur altere Schiffe bewahrte Sicherheitsniveau der derzeitigenRegeln fortschreiben. Dazu reicht es nicht mehr aus, eine einzelne Seegangssituation zubetrachten, sondern es muss sozusagen das gesamte Potential an gefahrlichen Situationenbewertet werden. Um dies zu erreichen, hat Kluwe den sogenannten Insufficient StabilityEvent Index (kurz ISEI) eingefuhrt, der wie folgt definiert ist:

ISEI =

∫ ∞T1=0

∫ ∞H1/3=0

∫ π

µ=−π

∫ vmax

vs=0

psea(H1/3, T1) · pµ(µ) · pv(vs |H1/3, T1, µ)·

Cfail(H1/3, T1, µ, vs) · dvs · dµ · dH1/3 · dT1

(1)

cfail entspricht dabei der Verteilungsfunktion des Versagens im Seegang mit H1/3, T1, die

nach obigen Uberlegungen wie folgt definiert ist:

Cfail(H1/3, Hlim |T1, µ, vs) =

0 if H1/3 < Hlim

1 if H1/3 ≥ Hlim(2)

CFail konnte aus einer numerischen Bestimmung von Kenterraten gewonnen werden, eskann aber auch die oben beschriebene Sprungfunktion sein, die Ergebnisse sind im Prinzipbezuglich ihrer Aussage fur unsere Zwecke vergleichbar. Alle anderen Großen sind Auf-tretenswahrscheinlichkeiten der wichtigsten Parameter. Nun kommt es im wesentlichendarauf an, die sogenannte limitierende Wellenhohe fur die charakteristische Sprungstelleder Sprungfunktion zu finden. Das kann man - wie ich bereits im Aufsatz zu 75 JahreProf. Soding ausgefuhrt habe, durch numerische Simlationen mit der Methode ROLLS (al-so Ersatzwelle nach Grim plus direkte Rollmomente) machen. Man erhalt als Ergebnuis furjeden Kurs und jede Geschwindigkeit eine solche limitierende Wellenhohe H1/3 fur jedenaus T1 angenommenen Seegang. Die daraus entstehende Grenzflache kann man in Formvon sogenannten Polardiagrammen darstellen und dannn auswerten. Daraus gewinnt manden ISEI- Wert fur einen bestimmten Beladungszustand, und nach Vergleich mit einemGrenzwert lasst sich daraus das notige KG (oder GM) ermitteln, welches das Schiff fahrenmuss. Damit ware das Problem im Prinzip gelost, aber das Verfahren ware aus klassi-fikatorischer Sicht nicht akzeptabel, weil es allein auf numerischen Simulationen beruht.

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Daher wird im folgenden ein deutlich vereinfachter Ansatz fur den VersagenskoeffizientenCFail aufgezeigt, der sozusagen einen Ersatz fur die mit der Ersatzwelle durchgefuhrtenBerechnungen darstellt (hier schließt sich der Kreis wieder).

Vereinfachter Berechnungsansatz

Abbildung 5: Prinzip der Bestimmung von Hlim aus den Hebelarmkurven fur Wellenberg undWellental (links) sowie aus einer direkten Berechnung (rechts)

Nun ist es fur die allgemeine Anwendung unerlaßlich, ein alternatives Versagenskriteriumanzugeben, welches ohne Simulationen auskommt, aber trotzdem die relevanten Effektebrauchbar abbildet. Dazu muss ein Zusammenhang zwischen den wichtigsten Stabilitats-großen des Schiffes und der limitierenden Wellenhohe Hlim hergestellt werden. Als diewichtigsten Großen wurden in der Vergangenheit die seegangsbedingten Schwankungender Aufrichthebel sowie das Verhaltnis der Rolleigenperiode im Seegang 9 zur Begegnungs-periode identifiziert. Es werden im Folgenden Aufrichthebel in einer Sinus- Ersatzwelle derWellenlange λ betrachtet, und zwar auf frei trimmender Basis. Der Zusammenhang zwi-schen der Wellenlange der Ersatzwelle λ und der kennzeichnenden Periode des SeegangesT1 ergibt sich aus folgender Beziehung fur Tiefwasserwellen:

λ =g

2πT 2

1 (3)

Betrachtet werden die Wellenbergsituation (Wellenberg bei x = Lpp/2) sowie die Wellen-talsituation 10 (Wellenberg bei x = Lpp/2 + λ/2 ). Ein eventuelles Tauchen von Offnungenwird bewusst nicht betrachtet, um die Physik nicht zu verfalschen. 11 Die Ersatzwelle ha-be die Wellenhohe H. Eine Formulierung fur die sogenannte limitierende BasiswellenhoheHlim,mean erhalt man zunachst aus der in Abb. 5 dargestellten Energiebetrachtung, dieim folgenden erlautert wird: Alle uns zuganglichen Modellversuche (Kastner und Roden1963, Kastner und Paulling 1971, Blume 1986, Billerbeck und Hennig 2006/2009) sowiealle von uns untersuchten Unfalle (siehe unten) haben eindeutig gezeigt, dass das Schiffimmer auf dem Wellenberg kentert. Das muss nicht bedeuten, dass es sich dabei immerum reine Falle von pure loss of stability handelt, sondern auch in jedem anderen Versa-gensmodus (parametrisches oder synchrones Rollen etc.) kentert das Schiff nach vorherangefachter Rollbewegung immer auf dem Wellenberg. Daher ist es zulassig, anzunehmen,dass das Kentern immer in der Wellenbergsituation eintritt, wenn dort ein bestimmter

9Es muss in diesem Zusammenhang unbedingt beachtet werden, dass das Schiff seine Rolleigenperiode im See-gang massiv andert und dass daher die linearisierte Glattwasserrolleigenperiode auf keinen Fall verwendet werdendarf.

10Es sei hierzu bemerkt, dass bewusst keine anderen Passierphasen der Welle betrachtet werden. Fruhere Unter-suchungen haben gezeigt, dass die Dynamik des Stampfens am besten abgebildet wird, wenn man Berg und Talgenau an die genannten Stellen legt und dann das Schiff frei trimmen lasst.

11Hier ist die dynamische Betrachtung im Widerspruch zur Hydrostatik, denn auch nicht wetterdichte Aufbautenbringen kurzfristig Aufrichthebel, wie alle untersuchten Unfalle gezeigt haben. Nicht geklart ist noch, wie z. B.Decksladungen berucksichtgt werden mussen.

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kritischer Winkel uberschritten wird. Als sinnvolle Große haben wir hierfur einen Winkelvon 40 Grad festgelegt 12. Die Energie, die notig ist, um diesen Winkel auf dem Wel-lenberg zu erreichen, entspricht der Flache (einschließlich der eventuell negativen Anteile)unter der Wellenberghebelarmkurve bis dahin. Diese Flache wird eindeutig bestimmt durchdie Rumpfform des Schiffes sowie durch dessen Massenschwerpunkt. Durch den standigenWechsel zwischen Wellenberg- und Wellentalsituation wird dem Schiff periodisch Energiezugefuhrt. Diese dem Schiff zugefuhrte Energie kann als Differenzflache der Hebelarmkur-ven Tal- Berg gedeutet werden. Alle ausgewerteten Modellversuche oder Simulationen vonUnfallsituationen haben nun eindeutig gezeigt, dass der Kentervorgang durch genanntenEnergieeintrag in das Schiff bei etwa aufrechter Lage beginnt, wobei dieser Energieeintragdurch die Differenzflache Tal- Berg bis zu maßigen Krangungswinkeln beschrieben werdenkann. Als maßigen Krangungswinkel haben wir 15 Grad 13 festgelegt. Dabei hangt dieseDifferenzflache ausschließlich von der Rumpfform an und ist von der Stabilitat an sich na-hezu unabhangig. 14 Um nach unserer Modellvorstellung das Kentern zu verhindern, mussder Energieeintrag durch die periodisch wechselnde Stabilitat bei maßigen Winkeln kleinersein als die Energie, die notig ist, um auf dem Wellenberg den kritischen Winkel zu errei-chen. Danach ergibt unsere Energiebilanz, dass die Differenzflache zwischen Tal und Bergbis 15 Grad geringer sein muss als die auf dem Wellenberg vorhandene Flache bis 40 Grad.Damit wird die auf dem Wellenberg benotige Stabilitat bilanzartig mit dem in das Schiffdurch die Hebelarmschwankungen eingetragenen Moment gleichgesetzt.

CL

ϕe

Abbildung 6: Prinzip der Erfassung der schrag laufenden Seegangskomponente(n).

Nun wird die Seegangsenergie nicht nur durch den langslaufenden Seegang in das Schiffeingetragen, sondern auch durch etwaige Querkomponenten. Diese konnen durch einenBegegnungswinkel ungleich 0 oder einfach durch die Winkelstreuung der Welleneinfalls-richtung des naturlichen Seegangs erfolgen. Dieser Energiebeitrag kann naherungsweisedadurch erfasst werden, dass man zunachst den sich durch die Wellenschrage ergebenden(virtuellen) Krangungswinkel ϕe berechnet (vgl. Abb. 6: Dazu muss die gerade betrachteteWellenhohe H angesetzt werden, die Wellenlange ergibt sich aus dem Begegnungswinkel furdie entstehende Querkomponente. Dieser Energiebeitrag ergibt sich dann naherungsweiseals Flache unter der Mittelwertkurve aus Wellenberg und Wellental bis zu diesem (virtuel-len) Krangungswinkel ϕe. Daraus ergibt sich nun unsere vereinfachte Energiebilanz:

A40Berg(H) = (A15Tal(H)− A15Berg(H)) + AMittel(H,ϕe) (4)

Dies ist eine eindeutige Bestimmungsgleichung fur die limitierende BasiswellenhoheHlim,mean,denn die Gleichung kann fur H = Hlim,mean eindeutig erfullt werden. 15 Nun ist in dieserBetrachtungsweise noch keine Dynamik enthalten. Daher muss die limitierende Basiswel-lenhohe noch fur dynamische Effekte korrigiert werden. Aus allen Modellversuchen undmanchen Unfallen ist bekannt, dass die Resonanzen (1:1 und 2:1) besonders gefahrlich sind,

12Dieser Wert ergab sich aus allen von uns untersuchten Unfallen.13Dieser Winkel ergab die beste Korrelation mit den Ergebnissen der direkten numerischen Simulation.14Wenn man den Einfluss des Hohenschwerpunktes auf den Trimm vernachlassigt.15Man kann gegen diese Energiebilanz einwenden, dass die Rolldampfung nicht berucksichtigt wird. Unsere

Simulationen haben aber gezeigt, dass die limitierende Wellenhohe einigermaßen unabhangig von der Rolldampfungist, solange diese einen bestimmten Mindestwert nicht unterschreitet und keine zusatzlichen Maßnahmen wie Tanksoder Flossen verwendet werden. Deren Effekte konnten dadurch erfasst werden, dass man anstelle des vereinfachtenVersagenskriteriums auf direkte Berechnungen zuruckgreift. Es erscheint aber fragwurdig, ob es generell zulassigist, Stabilitat gegen Rolldampfung tauschen zu durfen.

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weil wegen der Resonanz der Energieeintrag in das Schiff viel leichter in Bewegung umge-setzt wird. Es ist daher offensichtlich, dass die ertragbare Wellenhohe Hlim vom Verhaltnisder Rolleigenperiode zur Begegnungsperiode abhangen muss. Daher muss die limitieren-de Basiswellenhohe Hlim,mean noch um einen Dynamikfaktor korrigiert werden, um dieendgultige limitierende Wellenhohe Hlim zu erhalten. Um diesen Zusammenhang herstel-len zu konnen, ist es nutzlich, die Verhaltnisse weiter zu vereinfachen: Sowohl aufgrundtheoretischer Uberlegungen als auch aufgrund der Auswertungen der Kenterunfalle ergibtsich eindeutig, dass der nachlaufende Seegang die bestimmende Situation ist, wenn es umdie Frage der Mindeststabilitat im Seegang geht. Das liegt an zwei wesentlichen Grunden:Zum einen sind die Begegnungsperioden lang, so dass das Schiff ausreichend lange auf demBerg verbleiben kann. Zum anderen fallen die kritischen Resonanzen genau dann in denachterlichen Seegang, wenn die Stabilitat des Schiffes relativ gering ist. Daher beschrankenwir uns fur den vereinfachten ISEI genau auf den achterlichen Seegang. 16

Aus dem Vergleich der durch numerische Simulationen gewonnenen limitierenden Wel-lenhohe Hlim im achterlichen Seegang und der nach Gleichung 4 gewonnenen limitierendenBasiswellenhohe Hlim,mean lasst sich durch Korrelation mit Simulationsergebnissen folgendeRegressionsformel fur die Periodenabhangigkeit der limitierenden Wellenhohe gewinnen:

Hlim −Hlim,mean

Hlim,mean

= C1 · sin(2πωeωs− C2π) +

C3 · sin(πωeωs− C4π) +

C5 · sin(C6πωeωs− C7π) + C8 (5)

Die Gleichung gilt fur ωe/ωs < 2.8. Fur ωe/ωs > 2.8 ist der Wert von 2.8 zu nehmen undum das lineare Glied C9 · ωe

ωszu erganzen. Weitere Einzelheiten konnen der Originalarbeit

von Kluwe entnommen werden. Die Koeffizienten lauten wie folgt:

C1 −4.257E − 01C2 9.311E − 01C3 −1.807E − 01C4 1.511E + 00C5 4.578E − 01C6 1.912E + 00C7 7.773E − 01C8 −6.200E − 02C9 2.318E − 02

In Gleichung bedeuten ωe die Begegnungskreisfrequenz und ωs die effektive Rolleigenfre-quenz des Schiffes im gerade betrachteten Seegang. Diese ist nach folgender Formel zubestimmen:

ωs =

√gGMeff

i(6)

Dabei bedeuten i der Rolltragheitsradius und GMeff das im gerade betrachteten Seegangeffektive GM, bezuglich dessen das Ruckstellmoment der Rollschwingung linearisiert wer-den muss: Als Hebelarmkurve wird das Mittel aus Wellenberg und Wellental verwendet,und dann wird nicht die Anfangssteigung der Kurve verwendet, sondern es wird bezuglichdes Energieaquivalentes bis zu der Rollamplitude linearisiert, die betrachtet wird, also 40Grad (vgl. dazu auch Abb. 7, links). Kluwe und Kruger haben gezeigt, dass man mit diesem

16Mittels der alternativ durchfuhrbaren direkten Berechnungen kann naturlich der volle Umfang aller Kursebetrachtet werden.

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Verfahren die kritischen Resonanzen im Seegang recht gut trifft. Damit sind nun alle furdie Berechnung der limitierenden Wellenhohe notigen Schritte erlautert.

Abbildung 7: Prinzip der Bestimmung von GMeff nach dem Flachengleicheitsprinzip der Berg-Tal- Mittelwertkurve (links) sowie Abgleich der Simulationen mit dem vereinfachten Verfahren(rechts) durch Regression. Kluwe 2009

Die Berechnung des ISEI (Insufficient Stability Event Index)

Es wird nicht nur eine einzige Situation betrachtet, sondern es werden alle fur das Schiffrelevanten Situationen erfasst. Weil der Seegang durch die Angabe der Großen T1 undH1/3 eindeutig definiert ist, muss lediglich deren statistische Verteilung bekannt sein. Wirverwenden hierzu die Global Seayway Statistics von Soding, in denen die Wahrscheinlich-keitsdichtefunktion dieser Großen fur verschiedene Seegebiete tabelliert ist. Benutzt werdendie Werte fur den Nordatlantik, diese sind unten angegeben. Als Wahrscheinlichkeitsdichte-funktion pv fur die Geschwindigkeitsverteilung verwenden wir eine lineare Funktion, derenFunktionswert 0 ist bei der Geschwindigkeit 0 und 2 bei der Entwurfsgeschwindigkeit desSchiffes vdes:

pv(vs) =2

vdesvs (7)

Das tragt der Tatsache Rechnung, dass das Schiff am wahrscheinlichsten mit seiner Ent-wurfsgeschwindigkeit betrieben wird, und dass es mit einer bestimmten Mindestgeschwin-digkeit betrieben werden muss, um steuerfahig zu bleiben. Wir beschranken uns auf denachterlichen Seegang mit Begegnungswinkeln zwischen -60 und 60 Grad. Damit ergibt sichfur die Berechnung des ISEI folgende einfache Rechenvorschrift:

• Man bearbeitet jede relevante Periode T1 und ermittelt nach Gl. 3 die dazu gehorigeErsatzwellenlange. Fur diese berechnet man fur verschiedene Wellenhohen die Hebe-larmkurven fur die Berg- und - Talbedingung.

• Daraus berechnet man die Flache unter der Wellenbergkurve bis 40 Grad, die Dif-ferenzflache Berg- Tal bis 15 Grad, die Flache unter der Mittelwertkurve bis zuraktuellen Wellenschrage sowie das effektive GM der Mittelwertkurve bis 40 GradGMeff .

• Man wertet damit Gl. 4 aus und ermittelt die limitierende Basiswellenhohe, fur diedie Gl. 4 erfullt ist. Diese Basiswellenhohe Hlim,mean gilt jetzt fur alle Seegange derkennzeichnenden Periode T1.

• Nun berechnet man fur jede Wellenhohe aus dem vorher berechneten effektivenGMeff

die zugehorige Rolleigenkreisfrequenz. Dazu wird fur jede Geschwindigkeit die Begeg-nungskreisfrequenz berechnet und mit Gl. 5 wird aus der limitierenden Basiswel-lenhohe Hlim,mean die individuelle limitierende Wellenhohe Hlim berechnet.

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• Liegt die gerade betrachtete Wellenhohe unterhalb der limitierenden Wellenhohe,dann ist das Schiff in dieser Situation sicher, und dieser Zustand liefert keinen Teil-beitrag zum ISEI.

• Liegt die betrachtete Wellenhohe uber der limitierenden Wellenhohe, dann ist dasSchiff gefahrdet und es wird die Wahrscheinlichkeitsdichte der Geschwindigkeit ausGl. 7 sowie die des Seegangs aus Tabelle 1 ermittelt. Das Produkt aus pv und pseeund pµ wird dann entsprechend zum ISEI aufintegriert. Dabei ist pµ durchgehend mit1/3 anzusetzen 17.

• Die Berechnung des ISEI mittels numerischer Simulationen erfolgt praktisch genauso: Man berechnet zuerst mittels numerischer Simulationen die Hullflache der limi-tierenden Wellenhohen 18 und wertet diese dann nach dem gleichen Verfahren aus,man kann dann aber verschiedene Kurse berucksichtigen. Das Verfahren ist bewusstso angelegt, dass es im Normalfall kaum einen Unterschied zwischen der direktenBerechnung und der Naherungsformel geben sollte.

Grenzwerte fur den ISEI

1E-06

1E-05

1E-04

1E-03

1E-02

1E-01

1E+00

0 0.2 0.4 0.6 0.8 1 1.2 1.4 1.6 1.8 2

ISE

I- V

alu

e [lo

g10]

GM

Fidamus

Full Scale Accidents Model Test Capsizings

OPEN TOP

ONR Flare

Lohengrin Irene Old.TOR MAG. Cougar Ace

FINNBIRCH

ONR Tumble

ARATERE

Definitively Unsafe

Definitively Safe

SINBAD

HohenlindenWilhelm

HoheneichenHalstenbekMarianne Wehr

Abbildung 8: ISEI- Werte als Funktion der Stabilitat (ausgedruckt durch GM) fur alle unter-suchten Schiffe und Modelle.

Der ISEI stellt definitionsgemass einen Indexwert dar, welcher die Wahrscheinlichkeit be-wertet, dass ein Schiff in dem untersuchten Stabilitatszustand voraussichtlich einen Stabi-litatsunfall erleiden wird. Nun kommt es darauf an, festzulegen, welche Indexwerte mannoch als zulassig festlegen kann. Bei unseren Uberlegungen sind wir zunachst davon aus-gegangen, dass die Rahola- Kriterien ein vernunftiges Sicherheitsniveau gegen Stabilitats-unfalle fur solche Schiffe beeinhalten, auf die diese Kriterien zweifelsfrei anwendbar waren.Das sind auf jeden Fall alle die Schiffe, fur die in Deutschland zwischen 1950 und 1965

17Weil der betrachtete Kurssektor in den Simulationen von -60 bis +60 Grad geht, und der vereinfachte Ansatzdas Gleiche liefern soll wie die direkte Berechnung.

18Diese entspricht etwa dem Inhalt der Polardiagramme, die wir in verschiedenen Veroffentlichungen gezeigthaben.

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vermehrt Kenterunfalle aufgetreten sind. Wir haben daher zunachst eine Reihe solcherKenterunfalle untersucht und fur diese Kenterunfalle systematisch die ISEI- Werte berech-net. Danach stellte sich heraus, dass alle Unfalle - bis auf SS IRENE OLDENDORFF 19

- mit Stabilitatswerten erfolgt sind, die nicht den Anforderungen der Rahola- Kriteriengenugt haben. Dann haben wir gepruft, ob sich die Unfalle auch in der spezifischen Unfall-situation ereignet hatten, wenn die Schiffe die Rahola- Kriterien erfullt hatten. Auch furdiese Stabilitatszustande haben wir die ISEI- Werte berechnet.

Nun sind gerade in den sechziger und achtziger Jahren in Deutschland einige Kenterkri-terien entwickelt worden, und diese empirischen Erfahrungen wollten wir auf jeden Fallnutzen. Daher haben wir fur jeden Unfall gepruft, welche Stabilitatsanforderungen dieseKenterkriterien an das Schiff gestellt hatten. Fur diesen Stabilitatszustand haben wir eben-falls uberpruft, ob sich der Unfall dann in der spezifischen Situation noch ereignet hatte.Aus diesen Untersuchungen gewinnt man zwei wesentliche Erkenntnisse:

• Man erhalt zunachst fur die Unfallzustande ISEI- Werte, die auf jeden Fall zu einemStabilitatsunfall gefuhrt haben. Wendet man diese Erkenntnis auf moderne Schiffs-formen an, 20 dann kann man feststellen, ob ein bestimmter Stabilitatszustand, derggf. nach den geltenden Regeln noch zulassig ist, nicht vermutlich doch zu einemStabilitatsunfall fuhren wird.

• Man erhalt eine Aussage uber das quantitative Sicherheitsniveau der Rahola- Krite-rien. Geht man davon aus, dass dieses Sicherheitsniveau fur die Schiffe ausreichendwar, fur welche die Kriterien entwickelt worden sind, dann laßt sich auf diese Weisedas ursprungliche Sicherheitsniveau der Rahola- Kriterien fur moderne Schiffe fort-schreiben.

Danach haben wir auch neuere Kenterunfalle untersucht, fur die die Rahola- Kriterieneingehalten worden waren. Mit Hilfe der zusatzlichen Kenterkritrien, deren Wirkung anden alteren Schiffen erprobt worden war, war es auch hier moglich, Stabilitatszustande zufinden, welche von allen Kriterien als sicher bewertet wurden. Fur diese Stabilitatszustandekonnte nun ermittelt werden, ob der Unfall dann noch stattgefunden hatte, und auch furdiese als sicher erachteten Zustande konnten dann wieder die ISEI- Werte errechnet werden.

Unsere Untersuchungen haben wir grafisch in Abb. 8 zusammengestellt. Dort ist fur je-den Unfall (oder Modellversuch) 21 der berechnete ISEI- Wert in Abhangigkeit des Stabi-litatszustandes dargestellt. Jeweils der Zustand mit der geringsten Stabilitat hat zu einemUnfall (oder Kentern im Modellversuch) gefuhrt. Diese ISEI- Werte liegen in der Großen-ordnung von 0.1. Der Zustand mit der jeweils hochsten Stabilitat ist derjenige, der nachden anwendbaren Stabilitatskriterien ubereinstimmend als sicher angesehen wurde. Furdiese Stabilitatszustande werden ISEI- Werte von 1.E-03 errechnet. Dazwischen findet sichein Ubergangsbereich, in dem ein Stabilitatsunfall immer noch relativ wahrscheinlich ist.Dabei kann ein Unfallzustand wie der von SS IRENE OLDENDORFF, die ein halbesJahr nach Ablieferung gekentert ist, den gleichen ISEI- Wert erhalten wie der von MVFINNBIRCH, die 15 Jahre nach Ablieferung gekentert ist. Unser Kriterium macht ja -wie alle anderen Stabilitatskriterien auch - keine zeitliche Aussage, sondern wir bewertennur die Wahrscheinlichkeit, mit der der untersuchte Beladungszustand voraussichtlich zueinem Stabilitatsunfall wegen mangelnder Stabilitat fuhrt. Denn die zentrale Aussage aller

19Das besondere an dem Unfall der SS IRENE OLDENDORFF lag darin, dass das Schiff gerade 0.2m Hebel bei30 Grad hatte, und dass gleichzeitig das Maximum des Hebels auch bei 30 Grad lag. Das Schiff erfullte also dieKriterien gerade eben ohne Reserven, und eine Anderung dieses Stabilitatszustandes auf der Reise hat dann denUnfall ausgelost.

20Weil zumindest das mit Hilfe von Simulationen direkt berechnete ISEI- Kriterium die relevante Physik korrektwiedergibt, ist dieser Schluss zulassig. Das hier angegebene vereinfachte ISEI- Kriterium stellt ja lediglich eineVereinfachung der numerischen Simulationen dar, die prinzipielle Aussage ist aber die gleiche.

21Wir haben die Untersuchungen erganzt um die Modellversuche, welche wir im Rahmen offentlicher Forschungdurchgefuhrt haben, um die Bandbreite fur moderne Schiffsformen zu erweitern.

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Berechnungen ist folgende: Eine Erhohung der Stabilitat fuhrt in jedem Falle zu einer Ver-besserung der Sicherheit im betrachteten Versagensmodus (die Graphen in der Abbildungzeigen alle einen abnehmenden ISEI mit zunehmender Stabilitat). Daher ist genau derbetrachtete Versagensmodus geeignet, um minimale Stabilitatswerte festlegen zu konnen.Zusammenfassend kommen wir zu folgenden Erkenntnissen:

• Ein ISEI- Wert von etwa 0.1 ist absolut unzulassig, weil das einem Nichteinhalten derRahola- Kriterien entspricht.

• Ein ISEI- Wert von 1.E-3 entspricht dem Sicherheitsniveau der Rahola- Kriterien fursolche Schiffe, auf die diese Kriterien anwendbar waren und schreibt das Sicherheits-niveau der Rahola- Kriterien fur moderne Schiffe fort.

• ISEI- Werte zwischen 0.1 und 1.E-3 kennzeichnen Zustande, in denen Unfalle auftretenkonnen, obwohl bei modernen Schiffen die Rahola- Kriterien erfullt sind.

Bei der praktischen Implementation des Stabilitatskriteriums haben wir einen ISEI- Wert1.E-3 als zu erreichendes Limit angesetzt. Daraus lasst sich leicht ein Algorithmus ent-wickeln, der eine eindeutige GMREQ oder KGMAX- Kurve unter der Bedingung errechnet,dass ISEI=1.E-03 gilt.

Zusammenfassung

Aufbauend auf dem Konzept der Ersatzwelle nach Grim ist es gelungen, mittels numeri-scher Simulationen des Bewegungsverhaltens von Schiffen im nachlaufenden Seegang einenIndex zu berechnen, der die Sicherheit des betrachteten Beladungszustandes beschreibt. Eswurde dafur ein Ersatzmodell entwickelt, welches das dynamische Versagen im Seegang mit-tels einer einfachen, auf Wellenberg- und Talhebeln beruhenden Energiebilanz beschreibt.Durch Vergleich mit Stabilitatsunfallen konnte ein Grenzwert dieses Indexes so gefundenwerden, dass im Prinzip das Sicherheitsniveau der Rahola- Kriterien fortgeschrieben wird.

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Prediction of Ship Response Statistics in SevereSea Conditions using RANSE

Jan Oberhagemann, Jens Ley, Bettar Ould el Moctar ∗

Abstract

The International Association of Classification Societies (IACS) promotes the paradigm shiftin structural design rules for ships towards risk based approaches. This requires improvementsin the assessment of structural design loads and new methods for estimation of wave loads andresponses, amongst others with respect to extreme value distributions. In this paper we presenta numerical method based on the solution of RANS equations to deal with large wave-inducedship motions and corresponding loads for different ship types. Nonlinearities of wave excitationand ship response are included. Short-term ship response distributions from time domain simu-lations are compared with model test data. Significant deviations from Rayleigh distribution ofamplitudes are observed, especially for hull girder loads including effects of structural elasticity.

INTRODUCTION

The International Association of Classification Societies (IACS) promotes the paradigmshift in structural design rules for ships towards risk based approaches. This encouragesclassification societies to revise their rules and establish new procedures for ship struc-tural reliability assessments. One of the key issues is the structural ultimate strength,i.e. of primary members of the hull structure or local structures. Corresponding loads aretypically experienced in severe sea states, where full scale measurement data are scarce.Rational assessment of design loads for ultimate strength thus requires appropriate nu-merical tools to deal with such severe environmental conditions. Model tests become themethod of choice for validation.The seakeeping analyses presented here are based on the solution of the RANS (Reynolds-Averaged Navier-Stokes) equations. The flow solver is coupled with a nonlinear motionsolver for six degrees of freedom and a linear Finite Element (FE) solver to compute themotion response including structural elasticity. The fluid dynamics method provides agood means to capture nonlinear flow features relevant for time domain simulation ofships in severe or extreme environments. E.g., wave-wave interaction and wave break-ing are implicitly accounted for. The coupled method allows to include nonlinearities ofwave-structure interaction as well, which is essential for realistic simulations of slammingand green water effects on the structural response. Wave induced vibrations are found toremarkably amplify structural stresses.

∗University of Duisburg-Essen, Duisburg, Germany

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Time domain simulations are the method of choice, but they imply a high computationaleffort. Thus, prerequisite screening of relevant environmental conditions in terms of shipresponses and their probability distributions is very important to keep the computationalcosts as low as possible. Various respective approaches have been discussed in the liter-ature, see e.g. [1, 2, 3]. Once representative sea states are identified, corresponding shipresponses can be computed with more involved numerical methods to obtain improvedextreme ship response distributions.This paper addresses specific aspects of obtaining short-term ship response distributionsfrom RANSE simulations in severe and extreme sea states; numerical approaches typicallyintroduce large errors when the discretisation accuracy is insufficient. Fine grid and timestep resolution, on the other hand, strongly increase the computational effort in terms ofCPU and memory requirements. It is therefore mandatory to gain experience about suf-ficient and efficient spatial and temporal discretisations through grid sensitivity studies.Sectional loads for different ship types were computed and statistically analysed in extremesea states. Comparisons between simulation results and model test data are presented,where available. Numerical approaches for rigid and elastic hull girder were applied toassess the relevance of structural dynamic amplifications. Respective experiments withflexible models used steel backbones to replicate the global structural behaviour of theship.Measurements and simulations of relatively long time intervals allowed to assess shortterm statistical properties of the ship responses. Statistics of numerical results are ingood agreement with model test data, both showing significant deviations from Rayleigh-distributed response amplitudes, especially for hull girder loads including effects of struc-tural elasticity.

NUMERICAL METHOD

We use the solver COMET for the solution of the RANS or Euler equations in an integralfinite volume formulation. COMET implements the SIMPLE (Semi-Implicit Pressure-Linked Equations) coupling scheme for incompressible fluids and a Volume of Fluid (VOF)approach for free-surface flows [4]. The fluid equations solver is coupled with a nonlinearsolver of the ship motions in six degrees of freedom (6DoF solver) [5]. Additionally, basiceffects of ship hull girder elasticity can be included with a Timoshenko beam model. Thecoupled algorithm is described in [6], while representative code validation examples arepublished in [7].

WAVE MODELLING

Ship motions and hull girder loads in a seaway are a consequence of the fluctuating waveloads acting on the ship. Appropriate simulation of the wave process is hence necessaryto obtain realistic wave-induced loads. It is therefore advisable to start with studying theability of the applied method to reproduce severe irregular sea states including high andsteep wave groups.Table 1 lists the investigated sea states, characterised by significant wave height Hs,peak period, Tp (or mean zero up-crossing period, Tz), peak enhancement factor γ, and

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characteristic steepness s = HsT 2z ·1.56

.

Tab. 1. Definition of sea state parameters

Sea state Hs [m] Tp [s] γ [−] s [−]

A 12.0 12.0 3.3 0.065B 9.0 10.0 3.0 0.096C 3.5 10.0 3.0 0.033D 10.5 13.2 3.3 0.075E 12.5 13.2 3.3 0.089F 14.5 13.2 3.3 0.103G 9.0 14.3 3.3 0.067H 14.5 16.2 1.0 0.070I 14.0 16.2 1.0 0.068

Irregular wave processes are usually described by the spectral energy density distribu-tion S as a function of wave frequency ω. Several theoretical models provide semi-empiricalformulae for S(ω), the most common of these are the Pierson-Moskowitz spectrum onlydepending on wind speed [8] and the JONSWAP spectrum for limited fetch and wind du-ration [9]. The International Association of Classification Societies (IACS) recommendsthe application of Pierson-Moskowitz spectra for wave load predictions of ships, whichcorresponds to a JONSWAP spectrum with a reduced peak enhancement factor, γ = 1.Ocean waves are not unidirectional but have a directional spreading of wave energy aroundthe main direction of wind action. Often a cosine square distribution of wave energy overwave encounter angle is assumed, but the actual spreading strongly depends on wind con-ditions.In our studies we consider only unidirectional waves for the sake of simplicity.For field methods, gravity waves are generated by providing wave elevation, velocity fieldand pressure field at the fluid domain boundaries. The wave process is here representedby the commonly used superposition of n linear harmonic component waves according toAiry theory. The surface elevation of unidirectional waves reads

ζ(x, t) =n∑i=1

Ai cos(kix− ωit), (1)

with the surface elevation ζ(x, t), complex component wave amplitudes Ai, wave frequen-

cies ωi and corresponding wave numbers ki =ω2i

g. Velocity and pressure field are composed

accordingly from component waves.

NONLINEAR WAVE PROPAGATION

Linear super-positioning of component waves with random amplitudes disregards wave-wave interaction and is exact only for infinitely small wave amplitudes. However, gener-ated waves propagate inside the fluid domain according to the discretised Navier-Stokesequations. Wave evolution and nonlinear wave-wave interaction are thus implicitly ac-counted for as well as trough-crest asymmetries, wave skewness and even wave breaking,see e.g. [10], provided the discretisation is sufficient. To exemplify the nonlinear evolution

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of a wave process as the waves propagate through the fluid domain, component wavesaccording to sea state B with high steepness, s = 0.096, were linearly imposed at the inletboundary. Sample skewness, γ1, and sample kurtosis, γ2, were then calculated from thesurface elevation process using

γ2 =1N·∑Nts

j=1(ζj − ζ)3(1N·∑Nts

j=1(ζj − ζ)2)3/2

(2)

and

γ2 =1N·∑Nts

j=1(ζj − ζ)4(1N·∑Nts

j=1(ζj − ζ)2)2 , (3)

respectively, at different distances d from the inlet. Here, Nts is the number of time stepsin the sample, ζj is the surface elevation at position d and time step j, and ζ is the samplemean elevation.

γ1 and γ2 are given as functions of d in Fig. 1. For growing distance from the inletboundary, the kurtosis tends to increase. This is an indicator of wave group formationand an increased probability of occurrence of rogue waves [11]. The average level of theskewness, γ1 ≈ 0.18, indicates an asymmetry between wave troughs and crests, which isreasonable for the investigated sea state steepness. Fluctuations of kurtosis and skewnessmay be attributed to the sensitivity of higher order terms to post-processing and roundingerrors. γ2 should, for example, theoretically equal 3.0 at the inlet boundary. Neverthe-less, the trends of kurtosis and skewness are less sensitive and random variations shouldcancel.

The example demonstrates that a long

Fig. 1. Kurtosis/Skewness;evolution in solution domain; sea

state B

distance from the inlet boundary to thetarget location (here: the ship’s position)is required to let the wave process fully de-velop. Onorato et al. suggested a mini-mum of 30 wave lengths corresponding tothe peak period [12]. This would cause atremendously increased computational ef-fort in RANS simulations compared to thetypical grid dimensions used in such com-putations, where the ship is typically placedtwo characteristic wave lengths downstreamof the inlet boundary. Thus, the error in-troduced by this disregard of wave evolu-tion is a model error.

On the other hand, the numerical dif-fusion of wave energy becomes even more

important when simulating longer sequences and larger distances. Figure 2 (left) showsthe spectral energy density S(ω) at different locations in the numerical wave tank, re-vealing a significant decrease of the spectral peak with growing distance. High frequencywave components (ω > 0.8 s−1) with small amplitudes are numerically dampened out. To

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Fig. 2. Spectral density distribution, sea state B (left) and C (right)

quantify the relative energy loss, we introduce the spectral energy

E = ρg∫ ∞0

S(ω)dω = ρgm0, (4)

where m0 is the zeroth spectral moment of S,

mk =∫ ∞0

ωk S(ω) dω. (5)

The relative energy loss ε can then be calculated as

ε = 1− E

E?= 1− m0

m?0

. (6)

The asterisk indicates either the corresponding theoretical (theor.) or experimental (EFD)energy, depending on what we are comparing with. For a steep and high sea state like seastate B, it is difficult to distinguish the energy loss related to wave-breaking from the lossdue to numerical diffusion. A comparison for the less steep sea state C, see Fig. 2 (right),is probably more conclusive. The energy loss can here mostly be attributed to numericaldiffusion. For a small distance of dC = 250 m, the energy already decreases by 5%.To better quantify the discretisation error, comparisons with experimental data wereperformed for several sea state. Table 2 lists energy losses for these sea states, togetherwith the distance d from the inlet boundary and the time interval T used for evaluation.The energy loss at the inlet boundary was negligible (ε(d = 0) 1%).For sea state A, we investigated three different discretisation levels (coarse, medium, fine),see Tab. 3. The number of cells was varied simultaneously in the direction of propagationand in vertical direction. Also, the number of time steps per wave period was adjusted toobtain comparable Courant numbers. The cell lengths, ∆x, and heights, ∆z, describe thedegree of discretisation. All values given relate to specific sea state parameters (Hs, λ(Tp)and Tp). The wave process was discretised with 800 super-positioned wave harmonics.The surface elevation was evaluated at two sample locations A1 and A2, dA1 = 800 m anddA2 = 1600 m.

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Tab. 2. Relative energy loss ε for different sea states anddiscretisation levels

ε = 1− m0

m?0[%]

Sea State d [m] T [s] Coarse Medium Fine

A (?=EFD) 800 1260 14.5 12.6 12.71600 22.3 20.7 18.9

B (?=theo.) 250 1410 19.2 - -2000 30.1 - -

C (?=theo.) 250 1410 4.9 - -2000 22.7 - -

D (?=EFD) 300 1600 11.3 - -E (?=EFD) 300 1600 10.7 - -F (?=EFD) 300 1600 9.5 - -

Tab. 3. Discretisation parameters

Grid Hs/∆z [−] λ(Tp)/∆x [−] Tp/∆t [−]

Coarse 10− 20 70− 160 800− 950Medium 30− 40 160− 220 950− 1260Fine 40− 50 220− 320 1260− 1900

The overall simulation time for all grids was T = 1260 s. Figure 3 shows numericaland experimental results for a time interval of 700 s ≤ t ≤ 900 s. All computationsyielded satisfactory agreement with experiments. The trend in phasing and amplitudes isfairly reproduced even for the distant wave probe (located at dA2 = 1600 m). Due to the

Fig. 3. Surface elevation at two different locations, dA1 = 800 m (left),dA2 = 1600 m (right), sea state A

nonlinearity of sea states (wave-wave interaction, wave breaking), no monotonous increaseof amplitudes was observed on the three grids. However, the overall relative energy loss,ε, decreases for finer discretisation, see Tab. 2. The energy loss generally differs not thatmuch for all grids.Wave-wave interaction not only significantly influences the wave process characteristics,

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resulting ship responses are affected by the changes in the excitation process as well. Atleast for steep sea states, wave-wave interaction should therefore be accounted for. Toavoid RANS simulations with large fluid domains and long simulation times, the waveprocess could be evolved in advance with less expensive numerical methods. The RANSsimulation itself then uses the pre-simulated wave process as inlet boundary conditions.See [13] for more details and application examples.The wave data from model tests in the next section was all measured with wave probesahead of the ship model. For the RANS simulation, we simply used the measured dataand hence there was no need for evolving the wave process.

SHIP RESPONSES

Results presented here comprise computations for three merchant vessels of various types,sizes, hull forms and ship speeds, see Tab. 4. Except for vessel III, experimental datawas available for all ships. Model tests for vessel II used a model equipped with an elasticbackbone to account for the fundamental vibratory modes of the ships. Correspondingcomputations were performed for the flexible hull as well.The ship speeds applied in the simulations and corresponding model tests, vSim, may inpart be unrealistically high for the investigated sea states, but this does not impair thegenerality of the conclusions drawn from the numerical and experimental results.We will focus on a single ship response r, namely, the vertical bending moment (denotedMy here1). Hull girder loads are the sum of external fluid forces and inertia forces result-ing from ship motions and accelerations. Hence, accurate numerical prediction involvesthe replication of the wave process and hydrodynamic loading of the hull as well as theprediction of the ship’s reactions in terms of motions.

Tab. 4. Main Particulars of the investigated ships

Vessel I Vessel II Vessel IIIType Pax Container Container

Lpp [m] 216.80 321.00 352.00B [m] 32.20 48.40 51.20T [m] 7.20 15.00 13.70cB [−] 0.65 0.60 0.69

vDesign [kts] 22.50 25.00 26.00vSim [kts] 6.00 10.00 10.00

Computations rigid elastic elasticExperiments rigid elastic -

1 and made dimensionless with water density, ρ, gravity acceleration, g, ship’s breadth and length, Band LPP , and significant wave height HS

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RESPONSE STATISTICS

Linear ship responses are characterised by a proportionality of the spectral energy densitiesof the wave excitation, Sζ , and the corresponding ship responses, Sr:

Sr(ω, µ) = [Yr(ω, µ)]2 Sζ(ω, µ), , (7)

where Yr(ω, µ) is the so-called Response Amplitude Operator (RAO). For a wave spectrumwith small bandwidth δ 1,

δ =

√1− m2

2

m0m4

, 0 ≤ δ ≤ 1, (8)

and a correspondingly narrow ship response spectrum, the resulting ship response is aGaussian process with zero mean, and the probability density function of response am-plitudes follows a Rayleigh distribution. The probability of any random amplitude rexceeding a certain level rC is

P (r > rC) = e−

r2C

2m0r , (9)

where m0r is the 0th spectral moment of Sr. Assuming that Tzr, the zero up-crossingperiod of the process, is also the mean period of amplitudes due to the narrow-bandednessof the process, the rate of amplitudes out-crossing rC becomes

χ(r > rC) =P (r > rC)

Tzr=

1

√m2r

m0r

· e−r2C

2m0r = χrC . (10)

χ(r > rC) determines the expected number of amplitudes larger than rC during a timeinterval T :

N(r > rC) = T · χrC . (11)

In return, the expected maximum value r∗ of r during T corresponds to

N(r > r∗) = 1 ⇐⇒ r∗ =√

2m0r ln (Tχr∗). (12)

Nonlinearities of the response process make the correlation between excitation and re-sponse statistics more complicated. Several approaches exist for numerical methods thatinclude certain higher-order effects, e.g. [14, 15, 16], but they are limited to frequencydomain methods.For the statistical evaluation of time domain simulation results, usually rainflow countingtechniques [17, 18] or the determination of local maxima and minima in each responsecycle (peak to peak or trough to trough) are the methods of choice. The rainflow countingalgorithm accounts for all local maxima and minima of the response process, eliminatingthe dependency on the bandwidth of the response frequency spectrum. Further on, in-formation on class mean values can be obtained. It is also commonly used in full-scalemeasurement analyses and structural reliability and fatigue analysis, see e.g. [19, 20].Including hull girder flexibility in the numerical model allows to account for wave-inducedvibrations and gives a more realistic picture of the ship responses. However, the response

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becomes broad-banded. A major consequence is the occurrence of multiple response peaksper period, i.e., vibrations modulate the wave-induced ship response and cause additionalload cycles. These are important for structural dimensioning.Figure 4 compares normalised range-pair (rainflow) counted cycle spectra of longitudinalmain deck stresses, σx, computed for vessel II and measured on board a container ship ofcomparable size. Full scale and computed stresses were each normalised with an arbitrar-ily chosen value σ0 to emphasise the similarity of the spectral slopes. Although the shipsand sea conditions are somewhat different, the general agreement of the measured dataand the computation for the flexible hull indicate the relevance of hull girder elasticity,when compared to the computation for the rigid hull. There is a remarkable gap in thenumbers of load cycles at corresponding levels between the numerical results for the rigidhull and the flexible hull.Another observation from Fig. 4 is the change in the slope of the load cycle spectra ob-tained from full scale measurement and flexible ship at around 200 < n(σx > σxC) < 300out-crossings. This is related to the differences in numbers of load cycles due to low fre-quency wave excitation (approximately 220) and vibration (approximately 1, 250). Thecombined load cycle spectrum is not a simple sum of both contributions, but shows com-bined characteristics of both low frequency and high frequency responses.Approximation of response cycle spectra containing significant vibratory contributionswith probability distribution functions should account for this change of slope.

A straightforward procedure is to omit

Fig. 4. Example of normalisedrange-pair counted spectra of

longitudinal stress cycles σx fromfull-scale measurements and

computations for 1, 800 s recordings

response cycles below a certain thresholdrmin and fit a 2-parameter Weibull distri-bution to the data: The simulated (or mea-sured) time record of duration T is evalu-ated according to range-pair counting, andall load cycles r > rmin are assigned toclasses Ci, r ∈ Ci ⇔ r ≥ rCi. Finally,regression yields

rT (n) = β ·(lnN0

n

) 1k

, (13)

where N0 is the total number of cycles dur-ing T , n the number of cycles exceedingr, and β and k are the parameters to fit.In case of Rayleigh-distributed amplitudes

and a Gaussian response process, β = (2m0r)1k

and k = 2.More elaborate probability distribution func-

tions could be used, see e.g. [21] for a more generalised formulation, but eq. 13 alreadysuffices to reasonably fit the presented data.Since the simulated time T will have to exceed the expected duration time TS of the seastate to reach satisfactory statistical convergence, rT needs to be scaled down to rTS . Thisis achieved by using

N = n · TST. (14)

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While the actually counted numbers of cycles, n, are integer values, N in general arerational numbers. The out-crossing rate according to the data fit becomes

χ(r > rC) =NrC

TS=N0

T· e−( rCβ )

k

. (15)

Fig. 5. Vessel I, comparison of numerical and experimental My time seriesin head seas (condition F)

Fig. 6. Deviation of computed My cycles from correspondingexperimental data; sea condition F

Rigid Hull Girder

The exemplary comparison of response spectra with and without accounting for hull girderflexibility in the previous section emphasised the importance of hull girder vibration, espe-cially in severe sea conditions. However, including hull girder vibrations in the computa-tional model increases the numerical effort with respect to fluid dynamic grid requirements.The relatively high frequencies of hull girder vibrations make small time steps and gridspacings necessary. It seems advisable to test the ability of a RANS based approach to

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Fig. 7. Range-pair counted My cycles of vessel I, sea condition F (left)and reduced wave height (D (right); The solid line refers to linear

numerics

reliably obtain short-term statistics of ship responses for rigid hulls first.For vessel I, we compared numerical and experimental results in several severe sea states.Experimental data were available for almost half an hour (full scale) in each sea state.The inlet boundary was positioned in a way that we could use experimental wave probedata ahead of the model for the inlet boundary conditions. Figure 5 compares numericallyand experimentally determined My time series in sea state F. The computation used arelatively coarse grid with 3.5 · 105 cells, nevertheless showing good agreement with ex-periments.A direct correlation of numerical and experimental response cycles, Fig. 6, evaluatedfor a time record of 1, 600 s, indicates a fair agreement as well. The plot shows therelative deviation

(MyNum −MyExp

)/MyExp of numerically determined load cycles from

their corresponding experimental counterparts as a function of the response magnitudefrom experiments. Corresponding cycles were identified by coincidence of response zeroup-crossings. Despite a good visual matching of time series data, direct correlations of re-sponse cycle magnitudes indicate at least a significant variance of numerically determinedresponse cycles from corresponding experimental results. As a trend, the mean value,µ, and the standard deviation, σ, of the relative deviation decrease with the responseamplitude. For small amplitudes, there is a bias of the mean value, µ, towards largernumerical response cycles compared to experiments. This deviation can be attributed tothe search algorithm for matching experimental and numerical response cycles. Keepingin mind that replication of single events can be affected by random but small differencesbetween numerics and experiments, one should look at statistical trends as well.For this purpose, we compared range-pair counted My cycles of both computation andexperiment, see Fig. 7. To assess nonlinearities in the response, the load cycle distributionaccording to linear statistics is given for reference (the solid line marks the linear seakeep-ing results). Linear RAOs were obtained from a seakeeping analysis with a 3D boundaryelement method. For a significant wave height of HS = 10.5m (D), experiments and com-putations do not deviate from linear statistics for peaks that were out-crossed at least 30times. However, the figure is quite different for HS = 14.5m (F). Throughout the wholerange of response amplitude, linear results overpredict the actual load spectra of numerics

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and experiments. Besides nonlinearities found in the ship response, wave breaking in thesteeper sea state may introduce additional nonlinearities in the exciting wave process.

Flexible Hull Girder

For the comparisons in the previous subsection, we applied the wave surface elevationmeasured ahead of the vessel as wave inlet boundary conditions. Hence, wave-wave inter-actions and wave breaking on the way from the wave maker to the model that occurredin the experiments are included in the computations. All computations presented in thissection used analytically prescribed wave boundary conditions that are a superposition ofregular waves. Here, the wave excitation itself can be regarded as a narrow-banded Gaus-sian process, while the ship responses may not. This is - to some extent - a shortcoming,but helps to assess changes in the probability distribution towards rare events mainly dueto nonlinearities in the response process.Two fundamental questions will be investigated in the following to conclude on the ap-plicability of our RANS based approach to determine short-term statistics of flexible hullgirder responses:

1. What are the discretisation requirements to obtain sufficiently accurate results?

2. What is the minimum duration of time simulations for reliable statistical conclusionsabout, e.g., the out-crossing rate of a hull girder load r > rC or the expectedmaximum r∗ during time TS?

Fig. 8. Vessel II, comparison of time series (left), correlation of peakson three grids with model tests (right)

For vessel II, we performed a grid study on three different grids. We used a constantrefinement ratio ηR = 3

√1.86 for all space dimensions and time step, yielding three grids

with 3.0 · 105, 5.8 · 105 and 1.0 · 106 cells, respectively. The discretisation ratio RD,

RD =∆xi∆x1

· ∆ti∆t1

= η2(i−1)R , (16)

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between coarsest and finest grid was thus 0.4366. The grid density of the coarsest grid wascharacterised by HS/∆z ≈ 10, λP/∆x ≈ 100 and TP/∆t ≈ 800, which corresponds to thecoarse grids according to table 3. Results were compared with a 250 s time record frommodel tests in sea condition G, see Fig. 8. The time series were all in good agreementwith model tests and the correlation of response peaks fairly matches as well. Further on,the trend lines of correlation improve with grid and time step refinement.The correlation was established in a way that minima and maxima in measurements andcomputations did not necessarily have to occur during same vibration cycles, but in be-tween two consecutive zero up-crossings of My. In addition, the zero up-crossings inexperiments and computation had to coincide with a tolerance of ±1 s. Therefore, not allload cycles were matched, see 8 (left). Matched peaks are marked with dots.

Further grid sensitivity studies in sea

Fig. 9. Vessel II, extrapolation ofspectra on three grids towards

infinite grid spacing

state H intended to give more conclusivefindings on discretisation requirements. Thegrids used a refinement ratio of ηR = 3

√2.0,

resulting in grids with 2.6·105, 5.2·105 and1.04 · 106 cells and a discretisation ratioRD = 0.3969 from coarsest to finest grid.Simulations were evaluated for a prolongedtime interval T = 2, 500 s. Figure 9 showsa comparison of load cycles according torainflow counting. Significant differencesare found in the numbers of load cycles forall load levels, indicating an almost con-stant ratio between n(r > rC) obtained ondifferent grids. This encouraged us to tryto extrapolate results for infinitely small

discretisation ratio (grid spacing ∆x → 0 and time step size ∆t → 0). For this purpose,results on the coarsest grid 1 were approximated with a Weibull fit according to eq. 13,omitting all response cycles smaller than MyCmin . The data were weighted during regres-sion, assuming higher confidence in out-crossing rates of load cycles that were encounteredmore often.Afterwards, we extrapolated over the ratios n(r > rCi) obtained on all gridsfor all values of rCi in the range MyCmin < rCi < MyCmax . The resulting offset in N wasthen added on the regression curve that approximated the load cycle spectrum of grid 1.The ratio of the numbers of load cycles on the coarsest grid to the extrapolated solutionis N1

N∞= 0.60, while it is N3

N∞= 0.87 for the finest grid.

For vessel III, we performed simulations for the flexible hull in the severe sea condition I.According to the DNV World-Wide scatter table and equally distributed wave headings,the expected duration time during 20 years of operational life in this sea condition2 isTS = 0.146hrs. The grid discretisation was similar to that of the coarse grid for vesselII. The simulated time record comprised almost T = 13, 500 s, which is probably not suf-ficient for reliable statistics of rare events, but still a challenge for Finite Volume methods.To assess the reliability of statistical conclusions, we investigated the out-crossing rates of

2 Assuming head waves are representative for a wave variation of ±15

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Fig. 10. Expected numbers of outcrossings during TS, evaluated forseveral simulation lengths

load cycle levels as a function of simulation length. Here, we looked at both χ(r > rC) =n(r>rC)

T(directly obtained from simulations) and χ(r > rC) (resulting from data regression

according to eq. 15).

Fig. 11. Non-dimensional exceedancerate as a function of the number of

exceedances, combined plot forseveral load levels

Fig. 12. Non-dimensional exceedancerate as a function of the number ofexceedances, plotted for three load

levels

Figure 10 shows the load cycle spectrum for TS in terms of the numbers of out-crossingsfor four different simulation times. Therefore, the actually evaluated spectra for T werescaled to TS according to eq. 14. Already for T = 0.5 · TS, the load cycle spectrum fairlyresembles the shape that results after T = 25 · TS.We will now have a look at the minimum number of out-crossings n(r > rC) that has to beencountered in a simulation to yield confidence in χ(r > rC). Figure 11 shows χ(r > rC)as a function of the numbers of out-crossings used for calculating χ(r > rC), plotted for15 different rC , while Fig. 12 shows a reduced plot for only three response levels. One ofthese levels is r∗, the expected maximum value of r during TS according to χT∞(r > rC)based on the data of the maximum simulation length T .

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DISCUSSION

To validate and quantify the ability of a numerical method to accurately predict short-term statistical distributions of ship responses, full-scale measurements seem to be thebest choice. Unfortunately, reliable short-term statistics of ship responses in a dedicatedsea state are difficult to obtain from full-scale measurements, especially when one is in-terested in extremes. This is not only related to the fact that full-scale time records inexceptionally severe sea conditions are scarce, probably due to bad weather avoidance.Onboard measurements of the spectral wave energy distributions under such conditionsbear a large uncertainty, and spray or breaking waves may bias the data. Moreover, it isdifficult to sample representative time records, since the existence of secondary wave sys-tems and operational changes of course and speed further reduce the number and lengthof comparable recordings. Model tests provide a better means for validation; they takeplace in a controlled environment, and they offer the possibility for repetitions.Presented comparisons for a rigid hull girder show reasonable agreement of numericalresults with model tests even on very coarse grids. Accounting for hull girder elasticityrequires finer discretisations with respect to time step size and grid spacing, but coarsegrids already yield useful results. Grid refinement increases the number of experiencedload cycles due to better replication of vibrations, but does not change the characteristicsof the resulting load spectra. Grid extrapolation gives an optimistic picture. However,there is a strong need for more experience in further grid studies.One could argue that the grid resolution of the coarsest grid might not suffice to resolveslamming impacts to initiate vibrations. [22] showed that, already on coarse grids, im-pacts can be resolved with satisfactory accuracy. Local pressures will be underpredicted,but the impulse load relevant for hull girder vibration excitation can still be obtained.Coarse grids can help to significantly reduce computation times, while still providing anindication of the severity of vibration responses. Probably it might be possible to establishamplification factors to account for coarse discretisations, enabling to use coarse grids andlarge time steps to reduce computational turn-around times.Simulations of very long time durations indicated that the ship response in case of a flexiblehull girder seems to follow a probability distribution somewhere in between Rayleigh andexponentially distributed load cycles amplitudes, which can be well approximated with aWeibull distribution. No indications of a change of slope of the probability distributionsfor rare events could be observed.

Acknowledgment

Model tests presented in this paper were all carried out at CEHIPAR and MOERI.The research was supported by the European Community’s Seventh Framework Pro-gramme FP7-SST-2008-RTD-1 under grant agreement No. 234175. This paper is to bepublished in Proc. of the 31st Int. Conference of Ocean, Offshore and Arctic Engineering,OMAE 2012. Copyright c©2012 by ASME.

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Das Grimsche Leitrad – Chronik einer Innovation von Dipl.-Ing. Michael vom Baur und Dr.-Ing. Klaus J. Meyne

Einführung

Nur wenige Ingenieure haben den Erfolg, dass eine Innovation unter ihrem Namen in der

Welt bekannt wird. Rudolf Diesel gelang das zum Beispiel, dessen Namen Milliarden von

Autofahrern mindestens einmal in der Woche an der Tankstelle begegnet. Auch Otto Grims

Name ist in der (zugegeben etwas kleineren) Schifffahrtswelt untrennbar verbunden mit einer

seiner Erfindungen, Grim's Vane Wheel, Grim Wheel oder Grimsches Leitrad.

Abb. 1: Prinzipskizze Propeller und Leitrad

Die Idee zu diesem, wie manche es

bezeichneten, "hydrodynamischen

Untersetzungsgetriebe für den

Propellerantrieb" entwickelte er aus

theoretischen Überlegungen, motiviert

durch frühe Veröffentlichungen über

Leitapparate zur Reduzierung von

Drall- und damit Wirkungsgradver-

lusten. Sie begleitete ihn fast 15 Jahre

von ersten Berechnungen, Vorträgen,

Versuchen im Modell und an einer

Barkasse bis zum ersten regulären

Einsatz eines Leitrades, der

Nachrüstung auf dem deutschen

Forschungsschiff "Gauss" im Jahre 1980.

Es war eine lange Zeit der wissenschaftlichen Überzeugungsarbeit sowie der Schaffung und

Verfeinerung der Berechnungsverfahren, ohne dass in den 1960er und 70er Jahren ein großes

Interesse oder eine schnelle Möglichkeit für die Demonstration der Wirksamkeit der

innovativen Idee bestand. Treibstoff war billig, viele Kollegen waren skeptisch, numerische

Methoden und Computerleistung für anschauliche Simulation gab es damals noch nicht in

ausreichendem Maße. Umso bemerkenswerter ist die leise, redliche Hartnäckigkeit, mit der

Otto Grim seine Idee weiterverfolgte und mit der er letztlich einige Partner überzeugte, sie in

der realen Schifffahrt umzusetzen.

Mit der ingenieurmäßigen Realisierung und späteren kommerziellen Einführung der

Innovation "Grimsches Leitrad", vor allem mit den zunehmenden Größen und Gewichten der

Leiträder, wuchs bald die Erkenntnis, dass die verblüffend elegante und einfache Idee doch

erhebliche Herausforderungen an maschinenbauliche Konstruktion, Produktions- (Guß-)

verfahren sowie Integration in den Antriebsstrang eines Schiffes bedeutete, der hinsichtlich

Ausrichtung und Schwingungsverhalten recht sensibel ist. Da gleichzeitig der Markt,

aufgrund der Anfang der 1980er Jahre für einige Zeit um das mehrfache gestiegenen

Brennstoffpreise, dringend nach Hilfen zur Einsparung von Bunkerkosten verlangte, wurden

innerhalb kurzer Zeit viele Leiträder geordert.

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Abb 2: Rohölpreise seit 1861 (Bildquelle: BP Statistical Review 2011, bearbeitet MvB)

Die Möglichkeit für eine umfassende Langzeitbeobachtung der ersten Konstruktionen vor

breiterer Vermarktung bestand de facto nicht. Es ist bekannt. dass dieses "Development by

Doing", mit Hilfe von aus heutiger Sicht fast rudimentär zu nennenden Berechnungshilfen,

trotz sorgfältigster Überlegungen der Hersteller und aller beteiligten Experten (z.B. der

Klassifikationsgesellschaften) letztlich nicht ohne eine erhebliche Anzahl teilweise

schlagzeilenträchtiger Leitraddefekte und gar Verluste abging. Wir lernten, dass das Leitrad in

komplexen Verhältnissen hinter einem rotierenden Propulsor in der Hinterschiffsumströmung

arbeitet, über die wir übrigens auch heute, trotz aller Forschung und CFD-Berechnungs-

verfahren, längst nicht genug wissen. Später haben sich viele Versagensgründe aufgeklärt,

zum Teil haben die Ergebnisse von Rechtsstreitigkeiten um die Verantwortlichkeit und die

Kosten für die Verluste Eingang in die höchste Rechtsprechung gefunden und die

Konstrukteure eindrucksvoll rehabilitiert. Allerdings erlahmte um 1990 mit dem baldigen

Rückgang der Bunkerkosten fast wieder auf das alte Niveau auch das allgemeine Interesse an

einer Weiterentwicklung der Leitradkonstruktion. Auch wenn durch die Verluste zu keinem

Zeitpunkt Schiffe und Besatzung gefährdet waren, hat Otto Grim diese Entwicklung doch tief

getroffen und bis zu seinem Tode im Jahre 1994 keine Ruhe gelassen. Eine ungetrübte Freude

an der unzweifelhaft nachgewiesenen exzellenten hydrodynamischen Wirkung seiner

Leitradidee blieb Otto Grim somit verwehrt.

Wir hatten das Privileg, zusammen mit Prof. Grim am Leitrad arbeiten und seine Ideen

umsetzen zu können. Die Arbeit mit ihm, aber auch die bitteren Momente der

Schadensmeldungen, haben unser weiteres Berufsleben entscheidend mitgeprägt. Wir wollen

aus dieser Sicht heute versuchen, eine Chronik der Innovation "Grimsches Leitrad"

nachzuzeichnen.

Bereits seit 2005 überstiegen die Brennstoffpreise US$ 300,-/ t HFO und lagen damit schon

erheblich höher als zu besten Leitradzeiten. Derzeit (im März 2012) sind sie mit ca. US$ 700,-

/ t HFO mehr als viermal so hoch. Daher ist das Interesse an den sogenannten "Propulsion

Grim Wheel Era

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Improving Devices" (PID) heute wieder groß. Wir sind überzeugt davon, dass das eine

Propeller / Leitrad-Kombination künftig, konstruiert unter Einbeziehung aller schmerzlichen

Erfahrungen der Pionierphase, wieder eine hoch interessante Antriebsalternative für etliche

Schiffstypen sein könnte.

1966 – 1980: Die langen Jahre bis zur ersten Leitrad-Installation

Otto Grim stellte seine Idee parallel mit einer ersten Patentanmeldung 1966 in einem

vielbeachteten Vortrag auf der Hauptversammlung der Schiffbautechnischen Gesellschaft

(STG) vor. Dabei ging er von positiven Berichten über feste Leitapparate aus, die auf das Jahr

1905 zurückgehen. Er beschrieb die Wirkungsweise eines hinter dem Propeller frei drehbar

angeordneten Rades mit größerem Durchmesser, mehr Flügeln und niedrigerer Drehzahl als

der Propeller, dessen Blätter im inneren Teil als Turbine geformt und durch den

Schraubenstrahl angetrieben werden und im äußeren Teil als Propeller zusätzlichen Schub

abgeben.

Der Vortrag beschrieb den Rechenweg mit Hilfe der Traglinientheorie zur Auslegung und

Optimierung des Leitrades bei gegebenen Randbedingungen sowie umfangreiche

Rechenergebnisse, die damals noch quasi mit dem Rechenschieber ermittelt werden mussten.

Es wird auch über Modellversuche (Freifahrtversuche im kleinen Tank der HSVA) berichtet,

die allerdings wegen der zu geringen Reynoldszahl an den zierlichen Flügelschnitten der

Leitradmodells quantitativ nur von begrenzter Aussagefähigkeit sein konnten. Die

prognostizierten Wirkungsgradverbesserungen gegenüber dem Propeller allein lagen in der

Größenordnung um 5%, was wegen der erwähnten Überzeichnung der Reibungsanteile von

Prof. Grim für eher konservativ gehalten wurde. Diese Vermutung bestätigte sich bald

eindrucksvoll.

1969 wurde die Tauglichkeit der Innovation erfolgreich durch Versuche auf einer Barkasse

der HDW bestätigt. In den Folgejahren wurden dann einige weitere Modellversuche in der

HSVA durchgeführt.

In der 2.Georg-Weinblum-Gedächtnis-Vorlesung im Jahr 1979, 13 Jahre nach seinem ersten

Vortrag, präsentierte Otto Grim dann weitere Überlegungen zur Berechnung sowie jüngste

Versuchsergebnisse aus dem großen Kavitationstunnel der HSVA, bei denen die

Kavitationsbilder studiert wurden und bei denen sich die durch das Leitrad erzeugten

Druckpulse an der Außenhaut als klein erwiesen.

Inzwischen war die sogenannte "zweite Ölkrise" eingetreten, und die Bunkerpreise

verdoppelten sich innerhalb weniger Wochen. Auf dem 1979 von der Schlichting-Werft in

Travemünde gebauten Forschungsschiff "Gauss" wurde 1980 ein Leitrad mit einem

Durchmesser von 3,20 m nachgerüstet, das von der Lübecker Firma Schaffran hergestellt

worden war. Das Leitrad saß auf Rollenlagern auf einem Wellenzapfen, der an der

Propellernabe angeschraubt wurde. Die Schmierung der Lager erfolgte durch

seewasserbeständiges Naßbaggerfett (die Schmierung soll in der weiteren Leitradgeschichte

noch eine große Rolle spielen).

Damit konnten zum ersten Male Ergebnisse aus dem realen Schiffsbetrieb gewonnen werden.

Die Einsparungen waren ermutigend, das Leitrad erwies sich als "gutmütiges"

Propulsionselement, das den Maschinenbetrieb und die Manövriereigenschaften nicht negativ

beeinflusste.

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Abb 3 Propeller und Leitrad auf FS"Gauss" (Bildquelle FUGRO)

1981 -1984: Die kommerzielle Phase wird vorbereitet und beginnt mit fliegendem Start

Nach den positiven Erfahrungen auf der "Gauss" und angesichts der steigenden Ölpreise

wurde Prof. Grim von zwei Seiten hinsichtlich einer kommerziellen Verwertung der Leitrad-

Idee angesprochen: zum einen vom technischen Vorstand der damals gerade neu entstandenen

Harmstorf-Werftengruppe (Flensburg, Travemünde, Büsum, Hamburg), Dr. Heinrich Kerlen,

zum anderen von den Ostermann Metallwerken, Köln-Ehrenfeld, einem damals führenden

Propellerhersteller, bei dem Dr. Meyne das Potential der Innovation erkannte. Die Harmstorf

Gruppe, zu der auch eine Reederei gehörte, meldete für Prof. Grim ein weiteres Patent an und

rüstete ihr kleines 78m-Kühlschiff "Grootsand" im April 1983 mit einem 9-flügligen Leitrad

von Ostermann (D = 3,20 m) nach. Die Probefahrten vor und nach Montage des Leitrades

mussten im Tidenrevier vor Büsum stattfinden, daher wurde eine Messcrew der HSVA mit

ihrem speziellen Log zur Ermittlung der Geschwindigkeit durchs Wasser engagiert, um alle

Strömungseinflüsse für den Vergleich zu eliminieren. Nach Rückkehr von der zweiten Fahrt

(mit Leitrad) waren wir von der Leistung des Leitrades überzeugt, obwohl die schlanke

"Grootsand" mit ihrem relativ schwach belasteten Propeller wahrlich keine vielversprechende

Kandidatin für eine Leitradanwendung war.

In den folgenden Monaten explodierte die Nachfrage. Harmstorf und Ostermann einigten sich

über die Bildung einer ARGE zur Vermarktung des Leitrades, die später, auf der Basis des

angemeldeten europäischen Patentes, Lizenzverträge mit den Herstellern Schaffran (D), LIPS

(NL), Stone Manganese (UK) und Kobe Steel (JAP) abschloss. Diese "Lizenzfamilie" wurde

von der Harmstorf AG betreut, mit den notwendigen Informationen versorgt und gesteuert.

Ostermann konstruierte die Lagerungen und entwickelte Lösungen für den herausfordernden

Guss der recht filigranen Flügel. Otto Grim lieferte nach wie vor die grundlegenden

hydrodynamischen Berechnungen, seit 1983 nun allerdings nicht mehr mittels eines besseren

Texas Instruments-Taschenrechners, sondern mit einem brandneuen IBM-PC mit (damals)

"gewaltigen" 256 Kilobyte Hauptspeicher.

Harmstorf rüstete im Dezember 1983 erstmals ein Verstellpropellerschiff mit dem Leitrad aus

(D = 4,30m, z=9), den 6.000 tdw / 377 TEU- Neubau "Ostesun" der Büsumer Werft. Im

Rahmen eines von Michael vom Baur koordinierten BMFT-Forschungsvorhabens wurden

umfangreiche Messfahrten mit hervorragenden Ergebnissen für alle Propellersteigungen

durchgeführt, die auch bestätigten, dass die Manövriereigenschaften nicht negativ beeinflusst

wurden.

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Fast parallel im Dezember 1983 ging der 75.000 tdw OBO-Neubau "Pharos" des Bremer

Vulkan für die Reederei Laeisz in Fahrt, der ein Leitrad mit 7,50m Durchmesser und 9

Flügeln bekam. Mit einem Leitradgewicht von über 16 t, im Vergleich zur den bisherigen 1

bis 3 t- Rädern, war das der Einstieg in eine neue Liga, die neue Anforderungen an die

Konstruktion und Integration in den Wellenstrang stellte. Für die Ausrichtung der

Wellenlager musste eine Lösung gefunden werden, die auch für die durch das "angehängte"

Leitrad veränderte Biegelinie funktionierte; das war wichtig vor allem für die geplanten

Nachrüstungen an größeren Schiffen.

Diese Herausforderung wurde erfolgreich gemeistert, wie auch später für noch größere

Leitradgewichte. Der Bremer Vulkan, hier insbesondere die Ingenieure A. Nolte und H.

Sendner, engagierte sich sehr in der Untersuchung der Leitrad-Integration, auch im Rahmen

eines BMFT-Vorhabens zu Messungen an der Großausführung.

Ebenfalls im Dezember 1983 wurde bei HDW der 25.000 tdw / 1.300 TEU

Containerschiffsneubau "NORASIA Rebecca" der Reederei Wesch noch nachträglich mit

einem 6,70 m (9 Flügel) Leitrad ausgerüstet, wie später auch 8 Schwesterschiffe. Insgesamt

gingen von Dezember 1983 bis Juni 1984 10 Leiträder, bis Jahresende 1984 8 weitere

Leiträder in Betrieb, für insgesamt 6 verschiedene Schiffsdesigns von Bremer Vulkan, HDW,

Sietas, Harmstorf Werften und der Neptun Werft in Rostock. Unter den überzeugten Reedern

waren bekannte Namen wie Laeisz, Ahrenkiel, Wesch, Döhle, Heyo Janssen, Tamke, Ritscher

und Columbia Shipmanagement. Das Heft 8/1984 der Zeitschrift HANSA dokumentiert diese

rasante Entwicklung und die positiven Resultate.

Die kurze Zeitspanne, in der die ersten 20 Leiträder geliefert wurden (fast alle von Ostermann,

eines von Schaffran), lässt Kenner den enormen Zeitdruck erahnen, unter dem die

Konstrukteure ebenso wie die Geschäftsführer der beteiligten Hersteller im Jahre 1983

standen, als der Markt unter dem Eindruck der teuren Bunkerpreise und der erfreulichen

Berichte über die ersten Probefahrten förmlich nach Leiträdern zu "schreien" begann. Es gab

praktisch keine Möglichkeit, die Konstruktionen einige Monate im Betrieb zu beobachten und

vor größerer Verbreitung evolutionär zu entwickeln. Die Lagerhersteller hielten die

Anwendung eher für eine exotische Nische und belegten ihre Prüfstände lieber mit Projekten,

die größere Stückzahlen versprachen. Umfangreiche Messfahrten wurden erst 1984 im

Rahmen von BMFT-Vorhaben durchgeführt, z.B. vom Bremer Vulkan und vom

Germanischen Lloyd. Inzwischen wurden pragmatische Lösungen für die Lagerung, die zwar

mit vielen Experten

sorgfältig diskutiert,

aber bisher nur in

kleinerem Maßstab

bewährt waren (de

facto nur auf der

"Gauss"), hoch skaliert

und in größerer

Stückzahl realisiert.

Das Risiko schien

allen Beteiligten

jedoch vertretbar.

Abb.4: Leitrad und HDF

"Skrim" (Bildquelle: Michael

vom Baur)

Das bis dahin größte

Leitrad mit einem

Durchmesser von 9,70 m und einem Gewicht von 36 t wurde von Ostermann gefertigt und

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unter Bureau Veritas-Klasse für den Bulker "Skrim" der norwegischen Reederei Einar Lange

bei Hyundai in Ulsan nachgerüstet.

Im November 1984 kam dann die Schreckensmeldung, mit der niemand gerechnet hatte:

"Pharos" hatte während einer Fahrt im Mittelmeer ihr Leitrad verloren. In der Zeit bis Juni

1986 gingen auch die Leiträder von "Norasia Karsten" (HDW) und "Skrim" verloren. Die

ersten Verluste waren offenbar auf ein Lösen der Standard-Schraubverbindungen an

Elementen der SIMPLEX-Abdichtung der Leitrad-Lagerung zurückzuführen, infolge dessen

größere Mengen Seewasser in die Lagerung eindrangen und die Schmierung unterbrachen.

Darauf wurde dann später mit diversen konstruktiven Maßnahmen reagiert, z.B. der

Ausführung als Dehnschrauben und Klebesicherung der Schrauben.

Die Leitrad Lagerung: Rollenlager unter Wasser oder Schmierung im Seewasser

Die Lagerung der ersten Leiträder wurde von der auf der "Gauss" bewährten Konstruktion

abgeleitet, die auf einem Pendelrollenlager als Schublager und einem kleineren

Zylinderrollenlager als Loslager basierte.

Abb 5: Prinzipbild Leitrad Lagerung, erste Generation

(Bildquelle: Ostermann)

In den Diskussionen mit den

Lagerherstellern waren diese überzeugt,

dass es sich hier um einen relativ einfachen

Fall handele, da die Lager im Verhältnis zu

den erwarteten Lasten stark dimensioniert

seien, eine Überhitzung durch die "Seewasserkühlung" ausgeschlossen werden könne und das

Leitrad durch den Leichtlauf selbst an der Pier immer in leichter Bewegung sei, so dass keine

Setzungen zu befürchten seien. Spätere Lager für die größeren und erheblich schwereren

Leiträder wurden mit zwei Pendelrollenlagern konstruiert.

Für die Schmierung war auf der "Gauss" ein Nassbaggerfett verwendet worden, das auch die

geringen Mengen an Seewasser verarbeiten konnte, die durch die Simplex-Dichtungen

eintreten. Ostermann hatte sich zunächst für das Produkt Shell Avania EP 2 entschieden. Da

jedoch während einiger Inspektionen immer wieder eingedrungenes Seewasser und

Korrosionsspuren an der Lagerung festgestellt wurde, verkürzte der Germanische Lloyd die

Besichtigungszeiten auf 2 Jahre. Um die Inspektionsintervalle auf die Dauer der vollen

Klasseperiode zu bringen, kontaktierte Ostermann andere Fetthersteller und wählte schließlich,

nach eingehenden technischen Beratungsgesprächen mit dem Hersteller, das Fett "K.ST.NBU

12K", das als Spezialfett für die Schifffahrt mit Einsatztemperatur von -30°C bis +150°C

vermarktet wurde. Wie sich später herausstellte, brachte dieses Fett bei der Leitradlagerung

bei Lagertemperaturen unter + 35°C, wie sie durch die gute Kühlung von Bronze in

Seewasser eigentlich die Regel sind, nicht die notwendige Schmierwirkung, was in kurzer

Zeit zur Zerstörung der Lager und in der Folge zum Verlust des Leitrades führte. Fatalerweise

war das neue Fett durch Austausch anfangs auch in völlig intakte Lagerungen eingeführt

worden, die nun ebenfalls versagten. Ostermann sah sich bald mit erheblichen Garantie- und

Versicherungsansprüchen konfrontiert und versuchte seinerseits den Fetthersteller in Regress

zu nehmen. Der daraus resultierende Rechtsstreit wurde erst 1996 in letzter Instanz vom

Bundesgerichtshof (Urteil No VI ZR 158/95) zugunsten von Ostermann entschieden,

nachdem das Unternehmen schon geschlossen worden war. Dieses Urteil ist als Musterfall für

die Beratungspflichten technischer Verkäufer nach BGB § 823 in die Rechtsprechung

eingegangen.

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Allerdings wurden auch

Leiträder mit intakter

Lagerung so beschädigt, dass

Sie demontiert wurden, z.B.

durch Kollision mit schwerem

Treibgut oder im Eis.

Insgesamt gingen 20 von 60

Leiträdern verloren oder

wurden demontiert.

Abb.6: Otto Grim bei der Besichtigung eines beschädigten Leitrades von MV "Ville de Venus" in Hamburg Mai 1989

(Bildquelle: Jörg Blaurock)

Eine gewisse Anzahl von Leiträdern waren Nachrüstungen. Die Platzverhältnisse zwischen

Propeller und Ruder waren teilweise beschränkt und ließen nur geringe Lagerabstände zu.

Manchmal konnte deswegen auch nur ein geringer Übergangs-Radius an der Wurzel der

Leitradwelle vorgesehen werden. In zwei Fällen ist die Leitrad-Welle an der Wurzel

abgebrochen, und das Leitrad ging verloren. An allen späteren Wellen ist der Geometrie des

Wurzelbereiches und dessen Oberflächengüte größte Sorgfalt gewidmet worden (teilweise

Shot Peening). Obgleich der Raum um die und über der Leitrad-Abdichtung mit einem

zweigeteilten Schutzblech nach außen hin abgedeckt war, wurden bei verschiedenen

Besichtigungen immer wieder Netz- und Tauwerksreste an der Leitrad-Abdichtung gefunden,

beginnende Schädigungen der Schrauben waren zu erkennen. Daraufhin wurden alle

Schraubenköpfe für den Simplex-Hauptflansch und -liner versenkt konstruiert. Zusätzlich

wurden am Trennungsschlitz zwischen Propeller- und Leitrad-Nabe Netzmesser angebracht.

QE2: Das ungewollte Leitrad-Flaggschiff

Das langjährige Flaggschiff der Cunard Line, die "Queen Elizabeth 2", wurde von Oktober

1986 bis Mai 1987 nach 17 Jahren Betrieb für US$ 162 Mill. (davon allein US$ 53 Mill. für

den Maschinenteil) auf der Bremerhavener Lloyd Werft von einem Dampfer zu einem

modernen diesel-elektrischen Passagierschiff umgebaut.

Für die "Jagd" über den Atlantik bei einer Geschwindigkeit von bis zu 30 kn verschlangen die

bisherigen Turbinen rund 800 t Brennstoff am Tag. Bei Bunkerkosten, die zu dieser Zeit auf

US$ 185,-/t angestiegen waren, entsprach das einem Geldwert von rund US$ 150.000,-/Tag.

Ein Dieselmotor-Antrieb versprach Einsparungen von ca. 250 t pro Tag, eine diesel-

elektrische Anlage mit Verstellpropellern bot mehr Flexibilität für zunehmende Einsatzzeiten

als Kreuzfahrtschiff. Nach der Auswertung von 15 Vorschlägen von 7 verschiedenen

Herstellern wurden schließlich 9 M.A.N. B&W 9L58/64 Dieselgeneratorensätze mit jeweils

10,6 MW bei 400 rpm ausgewählt, die über je einen elektrischen GEC Fahrmotor zwei fünf-

flügelige LIPS High-Skew-Verstellpropeller in 2 Drehzahlstufen (144 oder 72 rpm) antreiben

sollten, effektiv arbeiteten also fast 45 MW pro Welle.

Cunard begleitete den geplanten Umbau mit einer intensiven Kampagne in den Medien, in der

die QE2 als der künftige Stand der Technik propagiert wurde. Irgendwie war man dabei auch

auf das Grimsche Leitrad aufmerksam geworden, und so wurden Otto Grim und Michael vom

Baur eines Tages im Frühjahr 1985 gemeinsam mit LIPS zu einer Präsentation in ein

Frankfurter Hotel eingeladen, wo es vor Lieferanten für das Umbauprojekt wimmelte. Wegen

der vielen Termine der Cunard-Manager fand die Präsentation der Wirkungsweise des

Leitrades schließlich auf Servietten bei einem Arbeitsfrühstück im Hotelrestaurant statt: man

war begeistert!

Bei Otto Grim wuchs allerdings bald die Skepsis, ob die QE2 eine gute Leitrad-Anwendung

würde. Seine berechneten Prognosen lagen bei im Vergleich zu den anderen Fällen geringen

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ca 1-2% Einsparung, was seiner Meinung nach innerhalb der Rechengenauigkeit lag und sich

vor allem durch den relativ geringen Schubbelastungsgrad des schnellen Zweischraubers

erklärte.

Eingedenk der geringen berechneten Wirkung, der hohen Geschwindigkeit und der enormen

Leistung pro Welle hatte Otto Grim kein gutes Gefühl und riet in mehreren Besprechungen

von der Verwendung des Leitrades für die QE2 ab. Aber die Sache hatte längst eine eigene

Dynamik bekommen. Cunard wollte die neue Technik, trotz der geringen Einsparungs-

prognosen (Zitat: „ . . .und wenn wir es aus dem Werbeetat bezahlen … "), und dachte über

Fernübertragung von Live-Videoaufnahmen der arbeitenden Propeller-Leitrad-Kombination

in den Passagierbereich nach. Der Lizenznehmer LIPS war natürlich sehr an dieser

spektakulären ersten Referenz interessiert und hielt die Konstruktion trotz der schon

bekannten Leitradverluste für beherrschbar. So wurde die QE2 dann doch das Flaggschiff des

Grimschen Leitrades. Es wurden umfangreiche Modellversuche in Wageningen durchgeführt,

die Leiträder mit einem Durchmesser von 6,70 m und 7 Flügeln wurden in Drunen gegossen,

gefertigt und auf der Lloyd-Werft an den Verstellpropellern (D = 5,80 m) montiert.

Abb 7: Propeller und Leitrad

QE2 (Bildquelle: LIPS)

Vom 9. bis 21.April

1987 war die QE2 von

Bremerhaven aus zu

ersten Probefahrten nach

dem Umbau unterwegs,

am 17. April wurden

Geschwindigkeitsversuche bei Höchstfahrt (fast 33 kn) und auch Crash Stop Manöver

durchgeführt. Danach verholte die QE2 nach Southampton. Dort wurde bei einer Inspektion

festgestellt, dass beide Leiträder nur noch 2 nebeneinander liegende Flügel hatten, die anderen

waren, möglicherweise schon bei den Probefahrten, abgebrochen. Da vor der ersten Reise mit

Passagieren keine Zeit zur Demontage blieb, überquerten die beschädigten Leiträder noch

zweimal den Atlantik, wobei bei beiden je ein Flügel auf der Überfahrt nach New York

abbrach, an einem der letzte auf der Rückreise nach England. Der verbleibende Flügel wurde

am 9. Mai in Southampton abgeschnitten und untersucht. Eine spätere Inspektion der

Bruchstellen an den noch an den Propellern sitzenden Naben ergab, dass die Brüche bei

einigen Flügeln auf der Vorderseite, bei anderen auf der Rückseite begonnen hatten, jeweils

bei ca. 0,27R (im Turbinenteil, knapp über der Nabe). 8 von 14 Flügeln waren nach achtern

abgebrochen, obwohl der resultierende Schub bei Vorausfahrt eine Biegung in Fahrtrichtung

(nach vorn) verursacht. Die relativ großen Restbruchzonen wiesen auf Ermüdungsbrüche hin,

Guss- und Materialqualität schienen allerdings einwandfrei. Am 10. Juli wurden dann auch

die Leitrad-Naben demontiert. Bei ihrer Untersuchung wurde festgestellt, dass einer der

Lagerringe des Steuerbord-Leitrades gebrochen war. Für die Konstruktion der Lagerung war

jeder Lizenznehmer (hier LIPS) selbst verantwortlich.

In den darauffolgenden Monaten wurde intensiv über die möglichen Gründe für die Schäden

diskutiert, was durch das Wettbewerbsverhältnis des QE2-Leitrad-Herstellers und

Lizenznehmers LIPS und des Lizenzgebers Ostermann nicht gerade vereinfacht wurde.

Spekulationen über die Ursachen reichten über Grundberührung in Bremerhaven, Kontakt mit

(damals noch regulär) während der Probefahrt über Bord geworfenen großen Abfallteilen bis

zur Überlastung durch grobe und in kürzester Zeit durchgeführte Crash-Stop-Manöver aus

voller Geschwindigkeit (möglich durch die diesel-elektrischen Antriebsanlage). Eine

einvernehmliche öffentliche Schlussfolgerung ist uns nicht bekannt geworden.

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Die Firma LIPS führte nach der Havarie umfangreiche hydrodynamische Analysen durch.

Dabei wurden besonders die instationären Effekte im Nachstrom sowie durch die aktuelle

relative Stellung eines Leitradflügels zum Propellerblatt betrachtet, unter Berücksichtigung

der vom Propeller induzierten Geschwindigkeiten und seines Spitzenwirbels. In den

Ergebnissen wurde deutlich, dass der Propeller die durch Nachstromspitzen verursachten

Schwankungen der Zustromgeschwindigkeit in das Leitrad zwar stark glättet, dass aber bei

bestimmten relativen Stellungen der Leitrad- und Propellerflügel zueinander für die inneren

Leitrad-Radien große Bandbreiten der Spannungsmaxima auftreten, die für die Dauer-

festigkeit der Flügel relevant sind.

Abb.8: Schwankungen der Axialgeschwindigkeit

im Propellerstrahl für den Propeller in Freifahrt

(oben) und im Nachstromfeld (unten)

(Bildquelle de Cock, LIPS Propellerseminar)

Abb. 10: Leitrad beim Durchgang durch den Spitzenwirbel, MV"Pharos" /

Großausführung (Bildquelle: Bremer Vulkan / Ostermann)

LIPS zog daraus die Schlussfolgerung, dass die Leitradwurzeln

generell, trotz der von Ostermann bereits bewusst konservativ

vorgegebenen Mittelspannung von max. 40 N/mm², zu schwach

dimensioniert seien, und änderte seine internen Design-Richtlinien

entsprechend.

Im speziellen Fall QE2, bei dem trotz des niedrigen Schubbelas-

tungsgrades "cT" mehr als doppelt so viel Schub bzw. Leistung pro

m² Propellerfläche konzentriert war (Schub ca. 2.300 kN pro

Propeller) als bei allen anderen Leiträdern, mag das tatsächlich von

ausschlaggebender Bedeutung für die aufgetretenen Schäden

gewesen sein.

Der Schaden an den QE2-Leiträdern war Titelmeldung in Lloyds List am 1.Mai 1987 und

fand daher weltweite Beachtung, die natürlich auch die 18 weiteren Leitraddefekte bzw. –ver-

luste im Zeitraum von Mitte 1986 bis Frühjahr 1990 stärker ins Bewusstsein rief. In der

Schifffahrtswelt verfestigte sich der Eindruck, dass das Leitrad dem Schiffsbetrieb nicht

gewachsen sei. In einem Umfeld mit wieder stark verbilligtem Treibstoff ging so das breite

Interesse an dieser Innovation verloren. Das Leitrad schien ein Fall für das Museum zu sein.

Abb. 9: Spannungsniveau in den Leitradflügel unter

Berücksichtigung der vom Propeller induzierten

Geschwindigkeiten und seines Spitzenwirbels

(Bildquelle: de Cock, LIPS Propellerseminar)

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Für die Kölner Firma Ostermann Metallwerke GmbH & Co als Hersteller der meisten

Leiträder bedeutete die Vielzahl von Garantiefällen den Anfang vom Ende.

Die mitten in der Kölner Innenstadt gelegene und zunehmend mit immer strengeren

Emissionsauflagen beaufschlagte

Gießerei, für die die Auslieferung

von großen Leiträdern schon immer

eine transporttechnische

Herausforderung darstellte, hatte

durch die Leitradverluste ihre Mittel

für notwendige Investitionen in

einen neuen Fertigungsstandort

verbraucht und entschloss sich,

auch angesichts der neuen

Konkurrenz nach der deutschen

Wiedervereinigung, im Jahre 1992

zur Schließung des traditions-

reichen Betriebes in Köln-Ehrenfeld.

Abb 11: Transport eines großen Leitrades in Köln-Ehrenfeld (Bildquelle: Rheinische Industriekultur e.V.)

Ein neuer Anlauf in Japan: VLCC "Draco", Modellprojekt der Internationalen

Energieagentur

Die japanische Werft IHI bezog das Leitrad, trotz der vielen bekannt gewordenen Defekte,

nach umfangreichen Studien als überzeugendste Lösung in ihr Entwurfskonzept für eine neue

Generation von 16,5 kn schnellen, energieeffizienten VLCCs mit 240.000 tdw und 20 MW

Antriebsleistung ein. Gemeinsam mit LIPS wurden die bisherigen Probleme analysiert und

neue Lösungen gesucht. Neben der Verstärkung der Leitradflügel im Wurzelbereich war das

vor allem die Abkopplung der Lagerung des hier mehr als 60 t schweren Leitrades (11,64 m

Durchmesser, 9 Flügel) vom Propellerwellenstrang und deren Anordnung am Ruderhorn.

Abb 12 : "Draco" Leitrad-Anordnung am Ruderhorn (Bildquelle IEA-CADDET Result No.116 July 1992)

Für diese Konfiguration wurden umfangreiche Finite-Elemente-Berechnungen und

Schwingungsanalysen des Ruderhorns ausgeführt, dessen Longitudinalschwingungen neben

den Tiefgangsunterschieden (hydrostatischer Druck) zu Druckschwankungen innerhalb der

Lagerung beitragen.

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Für die beiden Pendelrollenlager

wurde eine Ölschmierung mit

externer Nachfüllung und einem

Monitoring-System für Abrieb

gewählt.

Auch wurde ein Sensor für die

Drehzahl des Leitrades installiert,

der bei den Probefahrten

interessante Informationen über

die Abläufe beim Crash Stop-

Manöver lieferte.

Abb. 13: MT "Draco"- Drehzahlen während

eines Crash Stop Manövers

(Bildquelle: Papier Tanaka et.al. IHI, LIPS

Propellerseminar)

MV "Draco" wurde im September

1988 an eine Reederei in Singapore ausgeliefert und bestätigte in den folgenden Jahren die

hervorragenden Probefahrtergebnisse (mittlere Brennstoffeinsparung von 8%). Eine

Inspektion des Leitrades nach 2.500 Betriebsstunden ergab keinerlei negative Befunde. Im

Juli 1992 wurde das Projekt als Energieeinsparvorbild durch die Internationale

Energieagentur IEA (CADDET-Service) propagiert. Leider wurde nach Angaben von LIPS

(heute Teil von Wärtsilä) auch dieses erfolgreiche Leitrad einige Zeit später demontiert,

nachdem man bei einer regulären Dockung Spuren von Korrosion an der Lagerung festgestellt

hatte. Die niedrigen Bunkerpreise der späteren 1990er Jahre und die mittlerweile geringeren

Service-Geschwindigkeiten waren keine Motivation für eine Instandhaltung mehr.

Wären Leiträder heute wieder interessant?

Trotz aller schlechten Nachrichten wurden weiter Leiträder projektiert und gebaut, wenn auch

einige Reeder, wie z.B. Hapag Lloyd, gegen Ende der 1980er Jahre bereits georderte Leiträder

zurückgaben. Insgesamt sind weltweit 60

Leiträder installiert worden, von denen ein

Drittel von Problemen unterschiedlicher Art

betroffen waren. Abb 14: Bunkerpreise für Schweröl (Quelle: Alphaliner)

In der Blütezeit des Leitrades während und

nach der zweiten Ölkrise (1983-1988) wurden

für ein Leitrad bei US$ 150-190,-./t

Amortisationszeiten durch Brennstoff-

einsparung von 2-3 Jahren errechnet. Im

Vergleich mit dieser Zeit sind die Bunkerpreise

für Schweröl heute mit über US$ 700,- fast viermal so hoch (US$-Basis).

Zusätzlich wird es künftig immer mehr Seegebiete geben, in denen das preisgünstigste

schwefelhaltige Schweröl nicht mehr oder nur noch mit kostspieliger Abgasreinigung

verwendet werden darf. Einsparung von Brennstoff und CO2 ist heute wieder ein Top-Thema.

Der Preis eines Leitrades wird wesentlich vom Kupferpreis sowie von den Energiekosten für

den Gussvorgang beeinflusst, beide Parameter sind heute, wie auch die Fertigungslöhne, im

Vergleich zu den 1980er Jahren deutlich höher. Der Preis für ein Leitrad dürfte nach

überschlägigen Abschätzungen heute auf Euro-Basis nicht mehr als das Dreifache des

damaligen Preises betragen. Angesichts der oben genannten Brennstoffpreise (ca. viermal so

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hoch wie zur Blütezeit des Leitrades) wäre in jedem Falle eine kurzfristige Amortisation

gegeben.

Es wäre jedoch mit Sicherheit eine Überarbeitung der Blattdimensionierung notwendig, um

die schlanken Leitradflügel fest genug für den Kontakt mit großem Treibgut und Eisschollen

zu machen. Weiterhin müsste eine gründliche konstruktive Aktualisierung der Leitrad-

lagerung erfolgen, um diese "resistent" gegen das Eindringen von Seewasser zu machen und

so einen sicheren Betrieb mit langen Inspektionsintervallen zu gewährleisten.

Wir sind überzeugt, dass das Grimsche Leitrad auch heute für etliche Anwendungen in der

Handelsschifffahrt eine sehr effiziente Lösung bieten könnte, wenn man die gesammelten

Erkenntnisse aus den Schadensfällen bei künftigen Konstruktionen berücksichtigen würde.

Dafür stehen heute ganz andere Analysewerkzeuge zur Verfügung als in der Pionierzeit vor

fast 30 Jahren. Vom früheren Vorstand des Germanischen Lloyd, Prof. Gütschow stammt die

Aussage während der Zeit der Leitradverluste, es sei eine Schande für den deutschen Schiffs-

maschinenbau, dass man die technischen Probleme noch nicht gelöst habe.

Aktuelle Herausforderungen an den mechanischen Elementen der riesigen Offshore-

Windkraftwerke (Durchmesser über 100 m) zeigen, dass keine Innovation je ohne

Anfangsschwierigkeiten eingeführt worden ist, aber auch, dass man notwendige Analyse- und

Entwicklungsarbeit gern investiert und dadurch maschinenbauliche Probleme schnell lösen

kann, wenn nur das wirtschaftliche Interesse groß genug ist. Beim Demonstrationsprojekt

GROWIAN, das mit 3 MW bereits die Größe heutiger Offshore-Windkraftanlagen aufwies,

hatte man 1987 wegen der vielen Probleme mangels wirtschaftlicher Perspektive noch

aufgegeben.

Dass Otto Grims innovatives Leitrad tatsächlich über Jahrzehnte zuverlässig seinen Dienst im

rauen Schiffsbetrieb versehen kann, zeigt eine kürzlich erhaltene Nachricht vom neuen

Betreiber der "Gauss", der Seismik-Firma FUGRO: bei der letzten Dockung in 2010 habe

man das Leitrad inspiziert und alles in guter Ordnung und Funktion gefunden, und das 30

Jahre nach der Installation!

Diese Nachricht hätte Otto Grim für viele schlaflose Nächte entschädigt.

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Otto Grim und das ManövrierenA. Cura Hochbaum, Technische Universität Berlin

Um es vorweg zu sagen, Grim hat sich relativ wenig mit Manövrieren beschäftigt. Dafür hat er sich aber gleich in seinem ersten Paper [1] mit einer der schwierigsten Fragestellungen in diesem Zusammenhang befasst, nämlich mit der Gierstabilität und dem Kurshaltevermögen in von achtern auflaufenden Wellen. Er hat sich also schon im Jahr 1951 mit Manövrierproblemen im Seegang befasst, die heute noch brandaktuell sind. Wegen der Komplexität beider Themen haben die Wissenschaftler jahrzehntelang das Manövrierverhalten und das Seeverhalten von Schiffen getrennt voneinander behandelt. Erst in den letzten Jahren vermehrten sich die Bemühungen, das Manövrieren im Seegang und somit beide Themen gemeinsam mit modernen Berechnungsmethoden vorherzusagen.Das Beeindruckende bei dem erwähnten Paper ist, wie Grim trotz der simplen Mittel, oder gerade wegen der eingeschränkten Möglichkeiten, was die Berechnungsverfahren und die zur Verfügung stehenden Versuchstechniken betrifft, mit einfallsreichen Ideen und begründeten Annahmen das Problem so darstellen konnte, dass er nutzvolle Ergebnisse erzielen konnte. Auch im Modellversuch verstand er sich damals zu helfen, beispielweise um die Situation des Schiffes an verschiedenen Positionen in der mitlaufenden Welle genau zu untersuchen und dabei die Kräfte zu messen. Seine Schlussfolgerungen waren qualitativ sehr zutreffend und die Fragen, die er wegen seines stark vereinfachten mathematischen Modells quantitativ nicht genau lösen konnte, gelten heute noch als nicht ganz geklärt. In seiner von Grim stark geprägtem Dissertation hat Boese weiter manövrierrelevante Aspekte im Seegang behandelt und bspw. eine lineare Stabilitätsanalyse der Gierbewegung in von hinten auflaufenden Wellen durchgeführt, sowie ein numerisches Verfahren zur Lösung der Bewegungsgleichungen entwickelt [2].Ein weiterer Verdienst von Grim in Sachen Manövrieren war es, als Sprecher des Sonderforschungsbereichs 98 die Arbeiten von Sharma, Oltmann und Wolff zur Realisierung des CPMC der HSVA im Jahr 1975 zu unterstützen [3]. Die Möglichkeit, sowohl Kraftmessungen während dynamischer Versuche durchzuführen, als auch die Bewegungen eines freimanövrierenden Modells damit genau zu messen, war zu diesem Zeitpunkt einmalig. Diese Anlage hat sich mit den Jahren als eine herausragende Vorrichtung erwiesen und wurde in mehreren Versuchsanstalten der Welt nachgebaut. Ende der 90er Jahre wurden die Programme zur Durchführung und Auswertung der CPMC Kraftmessungen, d.h. zur Bestimmung von hydrodynamischen Koeffizienten zur Manövriervorhersage, voll auf Numerik umgestellt, wodurch neue und präzisere Bewegungen möglich waren. Mitte des letzten Jahrzehnts wurde dann die Steuerung des CPMC rundum erneuert und somit die Anlage komplett auf Vordermann gebracht. Die Hardware musste man dabei nicht betrachten, da die Versuchseinrichtung so robust war, dass sie meines Wissens nie eine bedeutendere Reparatur verlangte.Nachdem einige Ergebnisse aus Grims Arbeit vorgestellt werden, wird in diesem Vortrag der jetzige Stand der Technik im Bereich Manövrieren von Schiffen kurz beschrieben und die Stärken und Schwächen der heutigen empirischen, numerischen und experimentellen Vorhersageverfahren anhand der Ergebnisse des ersten internationalen Workshops über Manövriervorhersage SIMMAN 2008 [4] diskutiert. Anders als die erhoffte Klärung der Genauigkeit der jeweiligen Verfahren brachte der Workshop viele Fragen bezüglich der Zuverlässigkeit vieler Vorgehensweisen, aber auch der zur Verifikation herangezogenen Versuchsdaten.Des Weiteren werden im Vortrag auch die aktuellen Bestrebungen in der Forschung besprochen, um die Vorhersagetechniken zu verbessern und für kompliziertere Fälle weiterzuentwickeln, sowie zur Beantwortung von Fragen betreffend der Maßstabseffekte

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während Manövrierversuchen, oder zur Vorhersage des Manövrierverhaltens in Wellen, also auch zu Themen denen sich O. Grim schon vor 60 Jahren gestellt hat.Man könnte z.B. denken, dass nach nun über 36 Jahren Dienst, das CPMC ausgedient haben dürfte, weil es durch numerische Simulationen ersetzt wird. Tatsächlich ist jedoch das Gegenteil der Fall, zum einen weil einige Versuche noch schwer zu simulieren sind, zum anderen, weil gerade zur Validierung der neuen Verfahren genaue Versuchsdaten gebraucht werden. Im Rahmen des gerade angelaufenen BMWi-Forschungsprojekts PREMAN soll nun das CPMC weiter verbessert werden und damit wieder ein Alleinstellungsmerkmal erzielen. Um Maßstabseffekte wegen der Nichteinhaltung der Reynoldszahl während des Manövrierversuchs und der damit einhergehenden Überzeichnung der zähigkeitsbedingten Effekte zu lindern, soll das freifahrende Modell entsprechend des Reibungsabzugs beim Propulsionsversuch entlastet werden. Die Aufgabe ist hier aber schwieriger, weil das Modell während des Versuchs stets seine Position und seine Vorausgeschwindigkeit ändert, so dass die Größe der Zugkraft geregelt werden muss und für ihre korrekte Anbringung zu sorgen ist. Wenn dies gelingt, wird das CPMC weltweit die erste Anlage sein, die dazu in der Lage ist.Aber auch was die Vorhersage der Manövrierbarkeit des Schiffes mit numerischen Mitteln betrifft, soll in diesem Projekt ein wichtiger Fortschritt erzielt werden. So soll das Verfahren, das bereits bei SIMMAN gute Ergebnisse für einen Tanker (ohne Rollen) erzielt hat, für kleine metazentrische Höhen (mit Rollen) und um die Berücksichtigung der freien Wasseroberfläche und der dynamischen Schwimmlagenänderung ergänzt werden. Im Verbundvorhaben ist sogar die Verbesserung eines RANS-Codes vorgesehen, um die direkte Simulation verschiedener Manöver zu ermöglichen. Dabei soll auf ein mathematisches Modell für die hydrodynamischen Kräfte und Momente komplett verzichtet werden und diese Kräfte stattdessen während der Simulation laufend berechnet werden.In einem weiteren Forschungsvorhaben, das gerade in diesen Tagen zusammen mit anderen Partnern beantragt wird, sollen u.a. numerische Techniken zur Vorhersage des Manövrierverhaltens im Seegang mit Hilfe von RANS-Berechnungen weiterentwickelt werden und mit gezielten Modellversuchen validiert werden. Also, wie Sie sehen, sind wir 60 Jahre nach dem ersten Paper von Grim immer noch dabei, seine Fragen bezüglich der quantitativen Abweichungen zwischen Versuch und Berechnung zu beantworten. Wir haben dafür sowohl erheblich bessere numerische Verfahren zur Verfügung, als auch bessere Versuchsmöglichkeiten zur Validierung der Verfahren. Dies haben wir natürlich der rasanten Entwicklung der Rechner zu verdanken, aber parallel dazu haben wir selbst in den letzten 20 Jahren leistungsstarke und genaue numerische Verfahren entwickelt. Bei aller Rechnerpower sollten wir jedoch nicht aufhören mitzudenken, in der Annahme, der Rechner könnte uns alles abnehmen. Man braucht nur Grims Papers zu betrachten, um zu erkennen, wie weit einen das selbständige Denken bringen kann.[1] O. Grim, “Das Schiff in von achtern auflaufender See“, HSVA-Bericht 972, JSTG 45, S.

264, 1951[2] P. Boese, “Die Längs- und Gierbewegung im achterlichen Seegang“, IfS-Bericht 179,

Hamburg, 1966[3] O. Grim, P. Oltmann, S.D. Sharma and K. Wolff, “CPMC - A Novel Facility for Planar

Motion Testing of Ship Models, 11th Symposium on Naval Hydrodynamics, London, 1976

[4] F. Stern und K. Agdrup, “Proceedings of the Workshop SIMMAN 2008“, Copenhagen, 2008

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Nicht verzagen – Otto fragen!

Otto Grim und das Verhältnis von Theorie und Praxis

Peter Schenzle

„Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie“ –

sagte Georg Weinblum - als Theoretiker? – Und schon wären beide Bereiche wieder in ihre Kästchen einsortiert.Otto Grim war ja fast 20 Jahre eine geistige Vaterfigur für mich, und ich beobachtete immer wieder, dass er von der Praxis als Theoretiker und von der Theorie als Praktiker gesehen (oder einsortiert) wurde. Auf den Hinweis, dass Grims Berechnungen zum Seeverhalten von einem Ingenieurbüro schon beim Schiffsentwurf genutzt würden, meinte ein gestandener Werft-Vertreter: „Das sind auch alles junge Leute – wir brauchen das nicht, wir haben ja die Erfahrung!“

Der Seegang galt ja traditionell als chaotische Urgewalt, nur künstlerisch zu beschreiben und in seiner Wirkung auf Schiffe nur der seemännischen Erfahrung zugänglich. Schon im Buch der Sprüche gilt der Weg des Schiffes auf hoher See als ‚wunderbar‘, und noch Lord Rayleigh wird so zitiert: “The basic law of the seaway is the apparent lack of any law.”

Als Landratte kannte ich das nur vom Bodensee aus der Ruderboot-Perspektive. Später als Student und ‚akademischer Reiniger‘ an Bord eines ‚Bananen-Jägers‘ hatte ich dann vor der Biskaya einen Orkan erlebt, in dem sich das 120m-Schiff genau so extrem bewegte wie das 6m-Boot auf dem See. Das beeindruckte mich so, dass ich meine Diplomarbeit über ‚Slamming‘ schrieb, jene

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Otto Grim (1911 – 1994)

Kurzkämmiger unregelmäßiger Seegang

Seegangs-Richtungsspektrum

BEOBACHTUNG: MODELL:

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beängstigende Begleiterscheinung extremen Seeverhaltens, die ich tagelang (auch im Schlaf) beim Abreiten des Sturms erlebt hatte.

Georg Weinblum hatte schon 1950 in USA mit Manley St.Denis grundlegende Vorarbeiten zur Schiffsbewegung in regelmäßigen Wellen gemacht und auf die notwendige Erweiterung auf den unregelmäßigen Seegang verwiesen. Das dafür passende mathematische Modell des stationären stochastischen Vorgangs war in der Kommunikationstheorie von Rice, Tukey, Hamming und Wiener entwickelt und vom Ozeanographen Willard J. Pierson auf gemessene Seegangsdaten angewandt worden. Dessen Vortrag soll St. Denis gehört haben, ohne ihm folgen zu können. Er sprach ihn aber an, und es kam zu einer sehr fruchtbaren Zusammenarbeit von Wissenschaft und Technik mit der klassischen Arbeit 1953 zur Schiffsbewegung in unregelmäßigem Seegang. Als Weinblum dann in Hamburg das Institut für Schiffbau (IfS) aufbaute, fand er in Otto Grim seinen Nachfolger und die Verbindung von Theorie und Praxis, um hier diese Entwicklung weiter voranzutreiben.

Bei Grim lernte ich, dass man vor komplexen Problemen nicht aufgeben muss, sondern durchaus quantitative Aussagen machen kann, wenn man ein Problem auf seine Handvoll signifikanter Parameter reduziert und für ihre Beziehungen physikalisch begründete analytische Ansätze benutzt. Solche überschaubaren Rechenmodelle ermöglichen eine einfache Darstellung und Zuordnung von Ursachen und Wirkungen, sie erleichtern das Verständnis der Zusammenhänge in der Analyse von Systemen und damit auch die Optimierung in der kreativen Synthese neuer Konfigurationen (also im praktischen Entwurf).

Einfache und komplexe Theorien und Rechenmodelle

Nach Wendel und seinen Schülern waren wir ~1965 bei Grim unter den ersten am IfS, die die neue Computer-Technik als Werkzeug nutzten, um mit den neuen theoretischen Ansätzen die Bewegungen und Belastungen von Schiffen im Seegang zu berechnen und darüber statistische Aussagen über zu erwartende Häufigkeiten und Maximalwerte zu machen.

Unsere Programme nach analytischen Rechenmodellen waren noch übersichtlich und selbst geschrieben, und damit war die selbstkritische Fehlersuche obligatorisch. Zuerst glaubt man zu gerne an die ersten Ergebnisse, und dann runzelt der Professor die Stirn. Otto Grim hatte den sagenhaften Ruf, gleich zu sehen, wenn etwas nicht sein konnte. Der Trick war ‚Plausibilität abschätzen‘. Das musste man lernen, und es war gar nicht so schwer, wenn man sich den praktischen Blick auf das Wesentliche nicht abtrainiert hatte. (Der moderne Ausdruck heißt: ‚back of an envelope calculation‘ oder einfach Überschlagsrechnung‘ aber mit den signifikanten Parametern und Beziehungen.) Natürlich war es besser, wenn man selbst bemerkte, ob das Ergebnis stimmen konnte. Dann fielen einem häufig schon in der U-Bahn zum oder vom Uni-Rechenzentrum seine Sünden ein. Wenn nicht, dann hieß es: „Nicht verzagen, Otto fragen!“ Grim rückte dann seine Brille etwas schief, taxierte die Zahlen und arbeitete heraus, ob und was falsch gelaufen war.

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Von heute aus betrachtet waren die Rechenmodelle in den 1960er Jahren noch denkbar simpel:

zweidimensional, linearisiert, zähigkeitsfrei, gerechnet im Frequenzbereich mit Statistik für schmalbandige Prozesse. Man war sich der Grenzen und Einschränkungen der Modelle bewusst, was Fehlersuche, -Diagnose und Plausibilitäts-Checks erleichterte.Die Fortschritte in der Rechentechnik erlauben heute, die damaligen Einschränkungen Schritt für Schritt aufzuheben: Man kann dreidimensional, nichtlinear und sogar viskos im Zeitbereich simulieren! Meistens bedeutet das den Übergang von der analytischen zur numerischen Modellierung – und damit von einer übersichtlichen Zahl von Parametern (oder Stellschrauben) zu tausenden von Paneelen für Potential-Modelle oder Millionen von Zellen für Viscous-Flow-Solver. Natürlich werden diese nicht mehr einzeln vom Benutzer definiert, haben aber prinzipiell alle ihren Einfluss auf das Ergebnis der Berechnung.

Der Trend geht potentiell wieder zurück vom kompetenten (verstehenden) Programmierer zum empirischen ‚user‘ fertiger (käuflicher) ‚software‘. Die ‚Autorität‘ solcher hochentwickelten Programmsysteme kann zur unkritischen Akzeptanz von Ergebnissen verleiten. Ebenso wie materielle Modelle im Labor bleiben auch analytische und numerische Modelle im Computer immer nur in Grenzen ähnlich und nie identisch mit dem natürlichen Vorbild. Da die Qualität der Antworten immer auch von der Qualität der Fragen abhängt, wird der Plausibilitäts-Test bei komplexen Modellen eher noch wichtiger als bei einfachen.„Wer Computer-Programme benutzt, muss schätzen können!“, sagte mir ein Software-Entwickler. Und einer der Väter der Mathematik stochastischer Prozesse, Richard W. Hamming, warnte mit ‚Hamming’s motto‘: „The purpose of computing is insight, not numbers!“Diese Einsicht in den Kern komplexer Probleme und damit auch die Übersicht über die Zusammenhänge war Otto Grim und seiner Generation noch selbstverständlich. Dass solche kritische Einsicht und Übersicht sich nicht selbstverständlich auch auf kommende Generationen überträgt, zeigt der heute oft unkritische Umgang junger Kollegen mit komplexen Programm-systemen und ihren Ergebnissen.

SEEGANG > >BEWEGUNG

BELASTUNG > >BEANSPRUCHG.

INPUT SIGNAL> > OUTPUT

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Streifenmethode (Slender Body)

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„Die technische Entwicklung geht vom Primitiven über das Komplizierte zum Einfachen“,soll Antoine de Saint-Exupéry gesagt haben.Dieses Muster scheint sehr allgemein für unser Denken und Handeln zu gelten: Der Weg von der Beobachtung zum Verständnis führt normalerweise über den ‚Umweg‘ der Analyse, mit der Gefahr in der Komplexität des Problems stecken zu bleiben, aber mit der Chance, es auf seinen einfachen Kern zu reduzieren. Ähnlich wird man häufig eine primitive Technik zunächst unnötig kompliziert ‚verschlimmbessern‘, bevor man sie zu einer einfachen, ‚eleganten Lösung‘ reduziert, die genau dem angestrebten Ziel angemessen ist.

Das kann man sehr schön an einem Diagramm veranschaulichen, das H. Duddeck 1977 veröffent-licht hat. Aufgetragen über der Zeit ist der relative Aufwand bezogen auf den erforderlichen Aufwand zur Lösung eines technischen Problems.

I. In der ersten primitiven Phase ist das Problem noch kaum erkannt. Entsprechend ist der Aufwand ungenügend und die Leistung unbefriedigend.

II. In der zweiten komplexen Phase wird ein Forschungsprogramm eingeworben und mit großem Elan angepackt. Es werden hochkomplexe Rechenmodelle entwickelt. Der getriebene Forschungsaufwand schießt (notwendigerweise) weit über das erforderliche Niveau zur technischen Lösung hinaus. Es setzt ein Lernprozess ein mit Gelegenheiten zu Dissertationen. Und irgendwann lernt man auch, die Modelle und den Aufwand auf die wesentlichen Parameter zu konzentrieren und zu reduzieren.

III. Das geschieht dann in der dritten Phase der Einfachheit. Der Aufwand schwingt asymptotisch auf das erforderliche Niveau ein. Die ausgereifte technisch robuste Lösung wird angestrebt und schließlich erreicht.

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H.Duddeck 1977

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Aber es gibt auch Ausnahmen und Abweichungen vom ‚normalen‘ Pfad:

- Pannen und Rückschläge können auch in der abschließenden Phase der Reduktion noch vorübergehend für steigenden Aufwand zur Aufklärung und Behebung der Schwierigkeiten sorgen.

- Um das hohe Niveau auf dem Gipfel der Forschungsanstrengungen zu halten, kann man nach neuen Problemen suchen, die diesen Aufwand rechtfertigen.

- In ganz seltenen Fällen kann ein erfahrener ‚Alter Hase‘ frühzeitig erkennen, was überflüssig ist, und mit geringem Mehraufwand gleich die Abkürzung zum angemessenen Niveau der ausgereiften Lösung finden. Das wäre der seltene, elegante und geniale Weg!

Otto Grims seltene Fähigkeit, in der wissenschaftlichen Analyse immer den Weg zum praktischen Ziel zu sehen und ihn kreativ und pragmatisch zu verfolgen, hat wohl alle seiner Mitarbeiter nachhaltig geprägt.

Empirisches Wissen-wie? → Rationales Wissen-warum? → Verantwortliches Wissen-wozu?

Plinius, der römische Weltbeschreiber, soll in einem der 37 Bände seiner Naturgeschichte als eines der Wunder der Welt erwähnt haben, dass zwei Schiffe im gleichen Wind auf entgegen-gesetzten Kursen segeln könnten. Das ist wohl ein Beispiel für die Gründlichkeit und Vollständigkeit seiner enzyklopädischen Arbeit und für das Wissen seiner Zeit, das überwiegend aus Beobachtung und Beschreibung bestand und die Vielzahl der Tatsachen sammelte, weitgehend ohne sie zu hinterfragen.

EXPERIMENT > THEORIE > PROGNOSE

MODELL

REZEPT

PLINIUS >

vergangene ERFAHRUNG > ESELS-BRÜCKE > künftige ANWENDUNG

Knapp 1500 Jahre später entdeckt die Renaissance das klassische Wissen wieder und beginnt nach den Ursachen zu fragen. Der Universalgelehrte Gerolamo Cardano verfasst das zehnbändige Werk ‚Opera Omnia‘ und zitiert Plinius‘ Beobachtung der beiden Segelschiffe auf Gegenkurs mit dem bemerkenswerten Kommentar, man wisse zwar wie es geschehe, aber nicht warum.Die Zeit war reif, (endlich wieder, nach Archimedes & Co.) das (handwerklich) gesammelte ‚Wissen-wie?‘ zu ordnen und die Zusammenhänge gedanklich abzubilden. Dieser wissenschaftliche Prozess von Beobachtung, Analyse und theoretischer Modellierung wurde in fast 500 Jahren immer mehr ausgeweitet und perfektioniert. Man könnte stellvertretend dabei an Pioniere von Galilei über Newton, Einstein und Planck denken. Das ‚Wissen-warum?‘ haben wir in ‚unserem‘ letzten Jahrhundert der ‚Freiheit‘ förmlich explodieren sehen.

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Das gesammelte ‚Wissen wie?‘ brauchen wir uns nicht mehr zu merken, dafür nutzen wir das Internet. Das erforschte ‚Wissen warum?‘ haben wir als Rechenmodelle in Software-Pakete gepackt. Wir hätten damit die besten Voraussetzungen, unsere Welt klug und glücklich zu organisieren, aber wir sind dabei, unseren einzigartigen Blauen Planeten ins Chaos zu stürzen:

- Das Artensterben eskaliert im Pflanzen- und Tierreich, im Meer und an Land.- Wir verschwenden Rohstoffe und verschmutzen damit Land, Wasser und Luft.- Wir scheinen machtlos gegen Hunger, Gewalt und Kriege.- Und die Basis unserer Lebensgemeinschaft, das Weltklima und die Weltmeere drohen aus

dem Gleichgewicht zu kippen!Was läuft falsch? Vielleicht passt das Muster der Entwicklung eines technischen Projekts ja auch auf die globale historische Entwicklung: Danach stecken wir immer noch in der zweiten komplexen Phase des rationalen ‚Wissens warum?‘ und müssten uns dringend um das ethische ‚Wissen wofür?‘ für die dritte Phase bemühen. Wissen und Freiheit sind eigentlich wertfrei. Es kommt entscheidend darauf an, was man daraus macht. Und das ist eine Frage der Verantwortung!Otto Grim glaubte wie seine Generation noch an das ‚Freie Spiel der Kräfte‘. Ihnen war dabei noch die Verantwortung als Voraussetzung der Freiheit selbstverständlich. Unsere Generation scheint wohl den Wert der Freiheit (des Marktes) übernommen, aber den Wert der Verantwortung vergessen (oder ignoriert) zu haben. Was dabei herausgekommen ist, erleben wir gerade: Die Politik rennt verzweifelt hinter den virtuellen Problemen der ‚freien Finanz-Märkte‘ her, anstatt sich um die ‚himmelschreienden‘ realen Probleme unseres Planeten zu kümmern.

Um aus dem Dickicht der komplexen Fragen zur Einfachheit verantwortlicher Entscheidungen zu kommen, müssen wir unser Wissen sortieren und unser Weltbild vom Kopf auf die Füße stellen. Dazu sollten wir Techniker und Naturwissenschaftler unseren Kaufleuten, Journalisten und Juristen einige einfache Grundwahrheiten vermitteln, z.B.:

- Die Natur ist kein Objekt der Wirtschaft, sondern die Basis des Lebens, der Menschen und ihrer künstlichen Wirtschaft.

- Geld ist kein Wert an sich, sondern ein Hilfsmittel zur vergleichenden Bewertung von Größen unterschiedlicher Dimension.

- Die Natur besteht aus Kreisläufen: Aus nichts kommt nichts, weder Materie, noch Energie, noch Geld.

- Energie können wir weder erzeugen, noch vernichten. Wir können sie nur sammeln, umwandeln, nutzen und verlieren.

- Exponentielles Wachstum ist im Kreislauf der Natur nur eine embryonale Phase. Im reifen Alter führt es als Krebs zum Tode.

Eine Gesellschaft und Wirtschaft, die nur mit stetigem exponentiellem Wachstum funktioniert, lebt ständig über ihre Verhältnisse und strebt im Zustand der ‚Konkurs-Verschleppung‘ als ‚Kriminelle Vereinigung‘ auf den Kollaps zu.Auch Adam Smith, der Vater der Theorie des ‚Freien Marktes‘, schrieb vorher seine ‚Theorie der moralischen Gefühle‘ und sah das Vertrauen unter den Teilnehmern als Voraussetzung für das Entstehen von Gemeinwohl aus Eigennutz. Und wieder hat die Nachwelt nur das halbe Modell weitergegeben und als ‚Prinzip Habgier‘ zur Quelle des allgemeinen Glücks erklärt – mit fatalen Folgen. Sogar die ‚Verantwortung‘ wird (elitär) auf das ‚Prinzip Eigenverantwortung‘ reduziert.

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Wir wissen alle, dass wir nicht so weitermachen können wie bisher. Trotzdem re-agieren wir bisher auf unsere alarmierenden Beobachtungen und Analysen nur mit kurzfristiger Kosmetik und dem Prinzip Hoffnung: ‚Et hätt noch immer jut jegange!‘

Die Natur arbeitet langfristig, in Kreisläufen und mit Partnerschaften

Nach Jahrtausenden von handwerklicher und Jahrhunderten von wissenschaftlicher Entwicklung hat unsere menschliche und technische Explosion zu einer seither nie erreichten Geschwindigkeit der Veränderung im Lebensraum unseres Planeten geführt. Zum Beispiel läuft unsere menschen-gemachte Erhöhung des Treibhaus-Effekts der Atmosphäre mehr als hundert mal so schnell ab, wie die bisherigen natürlichen Schwankungen, die der Kohlenstoff-Kreislauf als globaler Thermostat in vier Eiszeit-Zyklen von je hunderttausend Jahren immer wieder ausgleichen konnte.Die heutige Herausforderung und unsere einzige Chance ist doch, nicht auf die Natur zu warten, sondern endlich von ihr zu lernen: ‚Die Natur braucht uns nicht, aber wir brauchen die Natur!‘Die einzige Macht, die auf unseren fatalen Angriff schnell genug reagieren kann ist unser eigenes Gehirn – wenn wir endlich lernen langfristig und in Kreisläufen zu denken! (Die Natur kennt keine Abfälle.) Albert Einstein hat gesagt: ‚Wir könnten unsere Probleme nicht lösen mit dem gleichen Denken, das diese Probleme hervorgerufen hat.‘ Für dieses Umdenken brauchen wir viele Gehirne: aus Wissenschaft und Technik, aus Wirtschaft und Politik, aus Kunst und Kultur, aus allen Ländern und Schichten und nicht zuletzt von Männern und Frauen.

Das Letztere ist vielleicht die größte Chance und die wichtigste Lektion der Natur:Die Evolution setzte schon frühzeitig auf gemischt-geschlechtliche Teams bei der Entwicklung des Lebens. Nur der Mensch hat das Patriarchat erfunden und scheint damit in eine Sackgasse zu laufen. Herbert Grönemeyer singt: „Männer machen alles ganz genau -“, (ob konstruktiv oder destruktiv), aber man möchte ergänzen: „- und Frauen denken auch an die Folgen!“, denn sie mussten schon immer ihre Familien über den Winter bringen.Wenn wir den Ausweg aus der Sackgasse schaffen wollen, dass alles, was geht, auch gierig umgesetzt werden muss, ohne Rücksicht auf die Folgen, dann brauchen wir nicht nur mehr naturwissenschaftlichen und technischen Sachverstand, mehr Mut und Verantwortung, sondern auch mehr kreative Phantasie und partnerschaftliche Ergänzung von weiblichem und männlichem Denken.

Ich bin nicht sicher, ob mir Otto Grim damals zugestimmt hätte. Heute würde er es vielleicht tun.

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EVOLUTION >

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Literatur

Weinblum, G.P. & M. St.Denis: ‘On the Motions of Ships at Sea’, Trans. SNAME Vol. 58, 1950.

St.Denis, M. & W.J. Pierson: ‘On the Motions of Ships in Confused Seas’, Trans. SNAME Vol. 61, 1953.

Grim, O.: ‘Berechnung der durch Schwingungen eines Schiffskörpers erzeugten hydrodynamischen Kräfte‘, Jahrb. STG 47, 1953.

Duddeck, H.: ‚On the Role of Research Models and Technical Models in Engineering Sciences’,ICOSSAR ’77, München 1977.

Plinius Secundus, G. (d. Ältere): ‚Naturalis Historia’, 37 Bände, ab 0077. (Auf Plinius soll die Metapher der ‚Eselsbrücke’ zur Überwindung gedanklicher Hindernisse zurückgehen.)

Cardano, G.: ‚Opera Omnia‘, 10 Bände, Lyon 1663.

Smith, A.: ‘The Theory of Moral Sentiments’, 1759, and ‘An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations’, 1776.

Bücher zu den Themen

Fromm, E.: ‚Haben oder Sein‘, DVA, 1976.

Schumacher, E.F.: ‚Die Rückkehr zum menschlichen Maß‘ (Small is beautiful), Rohwolt, 1977.‚Das Ende unserer Epoche‘ (Good Work), Rohwolt, 1980.

Weizenbaum, J.: ‘Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft‘, Suhrkamp, 1977.

Jonas, H.: ‚Das Prinzip Verantwortung‘, Suhrkamp, 1979.

Weizsäcker, E.U. v. et al.: ‚Faktor Fünf: die Formel für nachhaltiges Wachstum‘, Droemer, 2010

Leggewie, C. & H. Welzer: ‚Das Ende der Welt, wie wir sie kannten‘, Fischer, 2011.

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