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Palliative Care:Haltung und Kompetenz
Dr. med. Roland Kunz
Chefarzt universitäre Klinik für Akutgeriatrie
Was ist Palliative Care?
1. Eine Haltung
2. Ein Versorgungskonzept
3. Ein interdisziplinärer Behandlungsansatz
4. Spezifische Fachkompetenz
Med.-ethische Richtlinien (SAMW 2006/12)
„ Ihr Ziel ist es nicht, eine neue medizinische Spezialität zu begründen, sondern vor allem zu einer Haltung zu ermutigen, welche die Grenzen der Medizin anerkennt und sich dem Sterben des Patienten und dem häufig anklingenden Gefühl der Hilflosigkeit stellt.“
Palliative CareNationale Leitlinien BAG 2010 (CH)
Die Palliative Care umfasst die Betreuung und die Behandlung von Menschen mit unheilbaren, akut lebensbedrohlichen oder chronisch-fortschreitenden Krankheiten. Sie wird vorausschauend miteinbezogen, ihr Schwerpunkt liegt aber in der Zeit, in der die Kuration der Krankheit als nicht mehr möglich erachtet wird und kein primäres Ziel mehr darstellt.
Behandlungs-team?
Patient?
Angehörige?
Definition Palliative CareNationale Leitlinien BAG 2010
Patientinnen und Patienten wird eine ihrer Situation angepasste optimale Lebensqualität bis zum Tode gewährleistet und die nahestehenden Bezugspersonen werden angemessen unterstützt. Die Palliative Care beugt Leiden und Komplikationen vor.
Sie schliesst medizinische Behandlungen, pflegerische Interventionen sowie psychologische, soziale und spirituelle Unterstützung mit ein.
Was ist Lebensqualität?
„Lebensqualität kann nicht primär medizinisch definiert werden, sondern ist im lebensgeschichtlichen Kontext zu verstehen; das heisst die Sicht des Patienten ist entscheidend…“
SAMW-RL Palliative Care, 2006
LQ = Realität - Erwartungen
Calman Gap
(K.C. Calman 1984)
Helfen, mit /trotz der Krankheit möglichst gut zu leben (statt aussichtslosem Kampf dagegen) realistische Ziele defi-
nieren, Lebensinhalte stärken + Leiden lindern
= Palliative Care
Lebensqualität verbessern
Was bedeutet Leiden?
kein medizinischer Begriff, es leidet nicht primär der Körper, sondern der ganze Menschen.
«Was die Krankheit mit dem betroffenen Menschen macht»
«Körper, Seele und Geist sind eine Einheit, sie lassen sich weder beim gesunden noch beim kranken Menschen trennen.»
Das Lebensende verschiebt sich immer mehr ins höhere Alter…
Und ist Folge der Multimorbidität…
Multimorbide, ältere Patienten: PC beginnt nicht erst am Lebensende
Erste Symptome, Einschränkungen
Neue Diagnosen…
Hilfe zum Leben mit der Krankheit =PC statt Kampf gegen Krankheit: Haltung
End-of-life-care
PC i.e.S.
= Fachwissen
Entscheidungen
= Weiterführung der für den Patienten optimalen Therapie mit geändertem Therapieziel (Goal of Care?)
Kernkompetenzen in Palliative Care
An den Bedürfnissen des Patienten orientieren
Bedürfnisse des Palliativpatienten:
4 „S“
Symptombehandlung
Selbstbestimmung
Sicherheit
Support
1. Symptombehandlung
15N Engl J Med 2015
Fachwissen:
Symptomtherapie
Haltung:
Ernst nehmen, nicht nur auf Somatik und Befunde fokussiert „total pain“
2. Selbstbestimmung
Selbstbestimmung ermöglichen (≠ „das muss man operieren“, „ich muss Sie ins Spital einweisen“)
„eine verständliche und wiederholte, stufenweise Aufklärung versetzt den Patienten in die Lage, realistische Erwartungen zu entwickeln und ermöglicht eine eigenständige Willensbildung und Entscheidung. Grundvoraussetzung ist (…) die Bereitschaft, Möglichkeiten und Grenzen der kurativen wie der palliativen Behandlung offen zu legen.“ SAMW-RL palliative care
Fachwissen: Prognose Entscheidungsprozesse Therapiealternativen
Haltung: Kommunikation, Ehrlichkeit, Respekt vor Patientenwille
Selbstbestimmung
Autonomie in der Planung der letzten Lebensphase: was möchte ich, was nicht? Wo möchte ich sterben? aktualisierte Patientenverfügung /
ACP, die Bezug nimmt auf die aktuelle Krankheitssituation und mögliche Verläufe ( Hospitalisation? Beatmung?
Palliative Sedation?...)
Reden über letzte Dinge (u.a. PV): braucht Haltung und Fachwissen
3. Sicherheit
Vertrauen, dass mein Wille bis zuletzt geachtet wird, dass ich ehrliche Antworten erhalte
Abrufbares Unterstützungsnetz, Notfall-Tel.
Notfallplanung, um unerwünschte (Re-)Hospitalisationen zu vermeiden
Informationsfluss an Schnittstellen
Information über Behandlungsmöglichkeiten bei Verschlechterung der Symptome (u.a. Reserve-Verordnungen bei Austritt)
Fachwissen:
Wer / wo / was / wie, Möglichkeiten der Symptomkontrolle
Haltung:
Das Schwierigere möglich machen…
4. Support
Selbständigkeit erhalten
Unterstützung und Begleitung der Angehörigen, auch nach dem Tod
Support in finanziellen Sorgen, Regelung offener Fragen
Psychologische und seelsorgerliche Unterstützung, soweit gewünscht
Fachwissen:
Wie, Wer, Angebote
Haltung:
Behandlungsauftrag erlöscht mit dem Tod?
Versorgungskonzept
Wo, Wer, für wen?
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Spez.
PC
PC
Grundversorgung
PC als Haltung
Anzahl Betroffene abnehmend
Komplexität und Instabilität zunehmend
Palliative Care als Stufenmodell
Gesellschaft, MA Gesundheitswesen, Auseinandersetzung mit Endlichkeit (Pat. und Arzt)
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Spez.
PC
PC
Grundversorgung
PC als Haltung
HausarztSpitexApothekeSpitalPflegeheim
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Spez.
PC
PC
Grundversorgung
PC als Haltung
Spezialisierte stationäre Palliative Care
Spezialisierte ambulante Palliative Care
Palliative Care: wann?
Nicht nur End-of-Life Care, sondern schon begleitend zu kurativen Interventionen
LQ, auch bei fortschreitender Demenz: was wir annehmen dürfen
Selbstwertgefühl: ein zentrales menschliches Bedürfnis der Bestätigung. Auch der demente Mensch möchte das Gefühl erleben, nützlich und akzeptiert zu sein.
Sicherheit: Gewohnheiten, Rituale aus dem bisherigen Leben können Geborgenheit und Sicherheit vermitteln.
Positive Emotionen: Humor, Freude, Lachen, Zufriedenheit sind wichtige Trigger für aktuelles Wohlbefinden.
Zugehörigkeit: Teil des Familienlebens, des Freundeskreises und letztlich der Gesellschaft zu sein, nicht ausgegrenzt, sondern akzeptiert zu sein ist ein menschliches Grundbedürfnis. Wenn die Heimat in Raum und Zeit verlorengegangen ist, wird die Heimat in vertrauten Beziehungen umso wichtiger.
Lieben und geliebt werden: Nähe erleben zu anderen Menschen, Zuneigung erfahren und anderen Zuneigung zeigen können ist ein elementares Bedürfnis menschlichen Seins und gibt Lebenssinn.
Lust und Genuss, Sinnlichkeit: Wenn wir uns etwas Gutes tun wollen, haben wir individuelle Vorlieben wie gutes Essen, Zärtlichkeit, Musik usw. Demenzkranken geht es nicht anders: Ein schöner Anblick, ein betörender Geruch, ein geliebtes Mahl, ein tolles Musikstück oder eine Umarmung bedeuten Lebensqualität.
Vermeidung negativer Emotionen: Kein Mensch schätzt es, blossgestellt zu werden. Angst, Scham, Versagensgefühle und Überforderung des dementen Menschen sind unbedingt zu vermeiden. Das ist in der Betreuung und Pflege zu berücksichtigen.
Vermeidung von Zwängen: Niemand schätzt es, zu einer Handlung gezwungen zu werden. Bei Dementen ist dies in den Aktivitäten des täglichen Lebens wie Essen, Duschen, Toilettengang unbedingt zu beachten.
Körperliches Wohlbefinden: Palliative Care strebt eine möglichst gute Linderung aller Symptome an, unter denen der Patient leidet.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!