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HEFT 55 DEZEMBER 2012 www.perspektive21.de BRANDENBURGISCHE HEFTE FÜR WISSENSCHAFT UND POLITIK ARNE LIETZ: Back to the roots CHRISTIAN NEUSSER: Partnerwahl 2.0 OLIVER GÜNTHER: Vier Cluster MANFRED STOLPE ÜBER ALBRECHT SCHÖNHERR: Ein Brandenburger MAXIMILIAN LEVY: Das Wir-Gefühl fehlt MARTINA MÜNCH: Lebensqualität, Teilhabe und Miteinander TOBIAS SCHICK: Rechtsextremismus und Sport HOLGER RUPPRECHT: „No Sports“ oder „Sport frei“? DAGMAR FREITAG: Keine Leistung um jeden Preis FRANK SCHÖNEMANN: Kommunitarismus in der Kurve SPORTPOLITIK IN BRANDENBURG Sport frei!

perspektive 21 - Heft 55

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Sport frei!

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Page 1: perspektive 21 - Heft 55

HEFT 55 DEZEMBER 2012 www.perspektive21.de

BRANDENBURGISCHE HEFTE FÜR WISSENSCHAFT UND POLITIK

ARNE LIETZ: Back to the roots

CHRISTIAN NEUSSER: Partnerwahl 2.0

OLIVER GÜNTHER: Vier Cluster

MANFRED STOLPE ÜBER ALBRECHT SCHÖNHERR: Ein Brandenburger

MAXIMILIAN LEVY: Das Wir-Gefühl fehlt

MARTINA MÜNCH: Lebensqualität, Teilhabe und Miteinander

TOBIAS SCHICK: Rechtsextremismus und Sport

HOLGER RUPPRECHT: „No Sports“ oder „Sport frei“?

DAGMAR FREITAG: Keine Leistung um jeden Preis

FRANK SCHÖNEMANN: Kommunitarismus in der Kurve

SPORTPOLITIK IN BRANDENBURG

Sport frei!

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| Hoffmann und Campe | Das will ich lesen

20 Jahre nach der friedlichen Revolution von 1989:

Wie viel Einheit haben wir erreicht? Welchen Aufbruch braucht Deutsch-land jetzt?

224 Seiten,gebunden

Eine persönliche Bestandsaufnahme

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Sport frei!

Sport in einer „Zeitschrift für Wissenschaft und Politik“ zu thematisieren, liegt vielleicht nicht für alle Leserinnen und Leser der Perspektive21 sofort auf

der Hand. Ich bin aber überzeugt, dass dies nach der Lektüre dieses Heftes anderssein wird. Denn Sport hat natürlich eine gesellschaftspoltische Dimension. DieFörde rung des Breitensports muss selbstverständlicher Bestandteil einer vorsorgen-den Gesellschafts- und Gesundheitspolitik sein. Und Profi- und Leistungssport alsGemeinschaftserlebnis hat Vorbildcharakter, insbesondere für jungen Menschen.

Sport schafft aber auch Identität in Kommunen, Regionen, sogar in Nationen.Sport kann völkerverständigend wirken, kann Werte wie Fairness, Toleranz undDemokratie vermitteln helfen. Gleichzeitig darf Sport aber nicht „überpolitisiert“und instrumentalisiert werden. Denn Sport soll immer noch in erster Linie Freude,Spaß und Spannung bereiten. Diesem Ziel stehen in einer kapitalistischen Gesell -schaft natürlich Kommerzialisierungsinteressen entgegen. Auswirkung, nicht nurNebenerscheinung übertriebener Kommerzialisierung, ist ein pervertierter Leis -tungsdruck, der seinen Ausdruck in Dopingskandalen wie etwa bei der Tour deFrance findet.

Mit den Beiträgen im Schwerpunkt dieses Heftes greifen wir einige dieser The men auf. Besonders nahelegen möchte ich Ihnen das Interview, das ThomasKralinski mit dem erfolgreichen Brandenburger Olympioniken Maxi millian Levyge führt hat. Der Bahnradsportler Maximillian Levy, der in Cottbus und Frank furt(Oder) trainiert, findet einige offene Worte zum Thema Sport und Medien, aberauch zum Verhältnis von Sportlern und Verbands funktio nären. Sehr lesenswert!

IHR KLAUS NESS

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vorwort

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4 dezember 2012 – heft 55

magazin

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inhalt

Sport frei!SPORTPOLITIK IN BRANDENBURG

MAGAZINARNE LIETZ: Back to the roots .............................................................................. 7Viele abgewanderte Ostdeutsche wollen zurück in ihre Heimat – nur wie?

CHRISTIAN NEUSSER: Partnerwahl 2.0 ................................................................ 11Was der Wandel im Verhältnis von SPD und Gewerkschaften für die Interessenbeziehungen im Fünf-Parteiensystem bedeutet

OLIVER GÜNTHER: Vier Cluster .......................................................................... 19Wie sich die deutschen Hochschulen ausdifferenzieren werden

DAS STRASSENSCHILDMANFRED STOLPE ÜBER ALBRECHT SCHÖNHERR: Ein Brandenburger .............. 29

THEMAMAXIMILIAN LEVY:Das Wir-Gefühl fehlt ............................................................ 33Über die Planbarkeit von Goldmedaillen, die deutsche Sportförderung und den olympischen Geist sprach Thomas Kralinski mit Maximilian Levy

MARTINA MÜNCH: Lebensqualität, Teilhabe und Miteinander ............................ 39Warum der Sport eine enorme gesellschaftspolitische Rolle spielt

TOBIAS SCHICK: Rechtsextremismus und Sport .................................................. 47Möglichkeiten und Grenzen des organisierten Sports

HOLGER RUPPRECHT: „No Sports“ oder „Sport frei“? .......................................... 53Wer in Vereine und Schulsport investiert, wird bei Olympia ernten können

DAGMAR FREITAG: Keine Leistung um jeden Preis .............................................. 59Eine effektive Dopingbekämpfung in Deutschland braucht effektivere Maßnahmen

FRANK SCHÖNEMANN: Kommunitarismus in der Kurve ...................................... 65Ein Versuch über Hybris und Heimat in ostdeutschen Fussballstadien

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Back to the roots VIELE ABGEWANDERTE OSTDEUTSCHE WOLLEN ZURÜCK IN IHRE

HEIMAT – NUR WIE?

VON ARNE LIETZ

D ie meisten meiner ehemaligen Klassenkameraden aus Mecklenburg-Vor pom -mern arbeiten mittlerweile in den alten Bundesländern oder im Ausland.

Für meine „Generation Ost“ – ich bin Jahrgang 1976 – ist das Normalität. Den -noch wird der innerdeutschen Migration bisher nicht genügend Aufmerk samkeitgeschenkt. Dabei kann die Auswanderung junger Ostdeutscher in den Westen ge-stoppt oder zumindest abgemildert werden. Es fehlt nur bislang der po litischeWille dazu.

Die dramatische demografische Entwicklung in Ostdeutschland ist mittlerweilegut bekannt und führt seit Jahren zu administrativ-strukturellen Anpassungs pro -zessen. Schon seit der Wiedervereinigung ist der Gesamtwanderungssaldo für Ost -deutschland negativ. Von 1990 bis heute sind rund 1,1 Million Menschen ausOstdeutschland in den Westen abgewandert. Zu den Hauptgründen für die Ab -wanderung zählen die fehlenden Karrieremöglichkeiten und die geringeren Ein -kommen – ein langfristig belastendes Politikum zwischen Ost und West.

Das Rückkehrpotential ist groß

Doch nun hat die erste Zwischenbilanz einer Studie des Leipziger Leibniz-Insti -tuts für Länderkunde für Aufmerksamkeit gesorgt. Die Forscher befassen sich mitder Bereitschaft und den Beweggründen von Rückkehrwilligen nach Ostdeutsch -land. Demnach erwägen fast drei Viertel aller aus Ostdeutschland Abgewander -ten, in ihre Heimat zurückzukehren, obwohl sie im Westen gute Erfahrungengemacht haben. Jeder Zweite hat sogar schon erste Vorbereitungen für die Rück -kehr getroffen. Sollten sich diese Zahlen bestätigen, wäre das Rückkehrpo tenzialenorm.

Unter den bereits Zurückgekehrten geben zwei Drittel an, für sie sei dieser Schritteinfach oder sogar „sehr einfach“ gewesen. Übrigens besitzen mehr als 71 Prozentvon ihnen einen Hochschulabschluss, rund 12 Prozent haben sogar promoviert. Alszentrale Motive für die Rückkehr nennt der Herausgeber der Studie, Thilo Lang, die

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Verbesserung der Lebensumstände im Allgemeinen sowie die Nähe zu Familie undFreunden. Weitere wichtige Motive sind die verbesserten Möglichkeiten der Kinder -betreuung durch die Familie sowie eine hohe Heimatverbundenheit.

Die Politik muss endlich angemessener und entschiedener auf die erhöhteRück kehrbereitschaft Ostdeutscher reagieren. Bestehende Barrieren müssen soschnell wie möglich aufgehoben werden, wobei die zentrale Hürde in den schlech-ten Bedingungen auf dem ostdeutschen Arbeitsmarkt besteht (auch wenn vieleLohneinbußen hinnehmen würden). Die zentralen Ziele müssen die Einführungeines flächendeckenden Mindestlohns und die Lohngleichsetzung zwischen Ost-und Westdeutschland sein. Gewiss, die Konkurrenz zwischen Ost und Westwürde steigen. Außerdem würden die Rückkehrer, die gut ausgebildet sind undintegriert waren, in den westdeutschen Ländern merkbar fehlen. Schließlich hatauch im Westen der demografische Umbruch begonnen. Dennoch ist es im ge -samt deutschen Interesse, dass der Osten viele seiner motivierten und aktiven Bür -ger weiterhin nicht allein aufgrund des Lohngefälles verliert. Nur so kann derOsten wirtschaftlich, sozial und kulturell aus eigener Kraft erfolgreich sein – undden Zuzug aus Westdeutschland oder aus dem Ausland ermöglichen.

Der Arbeitsmarkt hat sich verändert

Wenn westdeutsche Bundesländer gut ausgebildete Menschen aus dem Osten ab -werben und dann den Bundesfinanzausgleich nicht mehr mittragen wollen, weilandere Bundesländer angeblich ihre Hausaufgaben nicht machen, dann handelnsie höchst unsolidarisch. Sie verringern die Chancengleichheit zwischen den Bun -des ländern und beschleunigen die demografische Entleerung des Ostens – mitschwerwiegenden gesellschaftlichen Folgen, unter denen am Ende das gesamteLand leiden muss.

Eine weitere politische Herausforderung stellen die Pendler dar, die im Ostenwohnen, aber teilweise seit vielen Jahren zur Arbeit in den Westen pendeln. Alleinin Sachsen-Anhalt gibt es 20.000 Fernpendler. Viele von ihnen wünschen sichnichts mehr als eine gleich entlohnte Stelle in der Heimat annehmen zu können.Derzeit wäre der Nettoverdienst infolge des Wegfalls möglicher Zweitwohnungs-oder Pendlerkosten zwar gleich, aber die Betroffenen würden weniger Beiträge indie Rentenversicherung zahlen.

Die Kehrseite der Medaille lautet, dass sich die Arbeitsmarktsituation in Ost -deutschland in den vergangenen Jahren stark verändert hat. Während Ausbil -dungs plätze noch vor wenigen Jahren knapp waren, können heute viele nicht

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besetzt werden. Der Fachkräftemangel hat auch in Ostdeutschland eingesetzt: Sowerden in Mecklenburg-Vorpommern Fachkräfte besonders im Gesundheits- undSozialwesen, im Handel und im verarbeitenden Gewerbe gesucht. In Sachsen-Anhalt suchen viele Unternehmen derzeit dringend Ingenieure, um neue Aufträgeannehmen zu können.

Zudem gibt es für rückkehrende oder zuziehende junge Familien nach Ost -deutsch land eine optimale Kinderbetreuungssituation, die aufrechterhalten werdenmuss. Dagegen muss das Betreuungsgeld mit allen Mitteln verhindert werden,weil es die gute Betreuungsinfrastruktur im Osten torpediert und den Aus bau derKitaplätze in Westdeutschland behindert.

Eine dritte Generation im Osten

Für Fragen rund um das Thema Abwanderung, Rückkehrer und Rückholpro gram - me interessiert sich ein noch junges, aber bereits fest etabliertes offenes Netz werkmit dem Namen „3te Generation Ostdeutschland“. Es existiert seit dem Jahr 2011und setzt sich überwiegend aus Ostdeutschen der Jahrgänge 1975 bis 1985 zusam-men, die in allen Teilen Deutschlands leben. Die Aktiven sind sich ihrer besonde-ren Erfahrung und der erworbenen Kompetenzen bewusst, die aus der miterlebtenpolitischen und gesellschaftlichen Umbruchzeit resultieren. Sie reflektieren selbst-bewusst Fragen zur deutsch-deutschen Vergangenheit und diskutieren darüber,wie zukunftsfähige gesellschaftliche Strukturen in Ostdeutschland und darüberhinaus entstehen können. Es geht ihnen darum, Ideen zu entwickeln und zu ver-breiten, die lokal und national verwirklicht werden können.

Auf Veranstaltungen und bei einer Tour des Netzwerkes durch Ostdeutsch -land im Sommer 2012 standen die Herausforderungen im Fokus, die sich aus derdeutsch-deutschen Migration ergeben. Ferner ging es um die Arbeitsweisen unddie Erfolgsaussichten der Rückholprogramme beziehungsweise die Fachkräfte -portale der ostdeutschen Bundesländer. Im Verlauf der Tour ehrte die Branden -burger Staatskanzlei das Netzwerk als vorbildliche Initiative auf dem Gebiet derDemografie.

Die betreffenden Programme für Rückkehrwillige heißen „PFIFF“ (Sachsen-Anhalt), „MV4you“ (Mecklenburg-Vorpommern), „ThAFF“ (Thürin gen) oder –selbsterklärend – „Fachkräfteportal Brandenburg“. Diese sind ge meinsam mitweiteren lokalen Partnern im „Verbund Rück- und Zuwanderung“ organisiert.Aber gemessen an der Aufgabenbreite und den Möglichkeiten, die alleine dasInternet bietet, haben alle diese Institutionen zu kleine Mitarbeiter stäbe und zu

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arne lietz – back to the roots

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wenig eigene Ressourcen, um adäquat wirksam zu werden. Einige von ihnenmüssen sogar einen Teil ihres Budgets selbst erwirtschaften. Bei allen Institutio -nen ist die Onlinepräsenz von herausragender Bedeutung, wobei die Qualität,Angebote und Übersichten noch sehr unterschiedlich sind.

Da es sich nicht nur um Rückholprogramme, sondern auch um Fachkräfte -por tale handelt, wäre es im Hinblick auf potenzielle Interessenten zum Beispielaus Ost- und Südeuropa sinnvoll, die Internetseiten noch konsequenter auch insEnglische, Polnische oder Spanische zu übersetzen. Einige der Portale habendamit bereits begonnen. Aber häufig haben ausländische Fachkräfte in den altenBundesländern mehr persönliche Netzwerke und nehmen die Chancen undPotenziale in Ostdeutschland nicht ausreichend wahr. Hinzu kommt: Trotz desVerbundes der ostdeutschen Institutionen kämpft jedes Bundesland letztlich fürsich. Eine gemeinsame sichtbare ostdeutsche Initiative, besonders in den europä -ischen Raum hinein, ist bisher noch nicht entstanden. Es ist wichtig, die beste-henden Institutionen zu unterstützen und noch bekannter zu machen, die versu-chen die demografische Situation in Ostdeutschland zu stabilisieren.

Wahlen werden im Osten gewonnen

Die Bundestagswahl im kommenden Jahr schafft die Möglichkeit, mit neuenMehrheiten endlich auch in Deutschland einen flächendeckenden Mindestlohneinzuführen. Da ein großer Teil der ostdeutschen Bevölkerung von einem Min -dest lohn in besonderer Weise profitieren würde, sollte diese Forderung im Wahl -kampf eine zentrale Rolle spielen. Durch die Einführung eines Mindest lohns und– damit einhergehend – bessere Aussichten auf eine auskömmliche Rente, würdeeine ganze Generation und ihre Familien zusätzliche Anreize haben, in ihre alteHeimat zurückzukehren – oder dort zu bleiben. Gerade auch viele noch unent-schlossene Wähler und Nichtwähler sind für das Thema „Rückkehr“ ansprech-bar. Nicht selten wurden die Bundestagswahlen in Ost deutschland entschieden.Dieses Thema könnte durchaus dazu beitragen. n

ARNE LIETZ

ist Mitglied des Netzwerkes „3. Generation Ost“ und Vorsitzender der SPD in der Lutherstadt Wittenberg.

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Partnerwahl 2.0WAS DER WANDEL IM VERHÄLTNIS VON SPD UND GEWERKSCHAFTEN

FÜR DIE INTERESSENBEZIEHUNGEN IM FÜNF-PARTEIENSYSTEM BEDEUTET

VON CHRISTIAN NEUSSER

D ie Beziehungen von Parteien und Gewerkschaften sind im Fünf-Parteien sys temunübersichtlicher geworden. Die traditionellen Partner SPD und Ge werkschaf -

ten haben sich erst über die Agenda 2010 verkracht, dann scheinbar wieder lieb ge-wonnen. Im Windschatten der Agenda hatte sich für Teile der Gewerk schaften mitder Linkspartei ein politischer Ansprechpartner jenseits der Sozialdemokratie eta -bliert. Auch in das Verhältnis von Union und DGB-Gewerkschaften scheint Bewe -gung gekommen zu sein, gehen doch nicht nur in Krisenzeiten Gewerkschaftsbossebei der Christdemokratin Angela Merkel im Kanzleramt ein und aus. Und last butnot least wird die zweitgrößte Einzelgewerkschaft Verdi mit Frank Bsirske von ei-nem Grünen angeführt, was lange als undenkbar galt. Eines bleibt immerhin beimAlten: Gewerkschaften und FDP – das passt nicht recht zueinander. Arbeitnehmer -vertreter können mit der neoliberalen Politik der Freidemokraten nichts anfangen,und so bleiben die Funktionäre hüben wie drüben einander in inniger Zwietrachtzugewandt.

Die Welt steht nicht still

Die Gesamtsituation in den Interessenbeziehungen von Parteien und Gewerk -schaften ist komplizierter als noch in der alten „Bonner Republik“ mit ihren zweigroßen, dominanten Volksparteien. Gewiss, die Welt steht nicht still. Die frühe-ren Industriegesellschaften haben sich zu global vernetzten Dienstleistungs- undWissensgesellschaften gewandelt. Von dieser Entwicklung bleiben Gesellschaft,Wirtschaft, und Sozialstaat nicht unberührt – und ebenso wenig Parteien undVerbände als Vermittler gesellschaftlicher Interessen. Es spricht einiges dafür, dieSPD als einen Schlüsselfaktor in dem komplexer gewordenen Geflecht der Partei -en-Gewerkschafts-Beziehungen zu identifizieren, weshalb die Partei im Folgendenan den Ausgangspunkt der Argumentation gestellt wird. Es geht dabei um dieFrage, ob und inwieweit sich das Verhältnis zwischen beiden Organisationen ge -wandelt hat und welche Folgen sich hieraus für die Beziehungen zwischen Partei en

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und Gewerkschaften ergeben. Folgt in der „Berliner Republik“ die Wahl derBündnispartner neuen Gesetzmäßigkeiten? Von dieser Frage hängt nicht zuletztab, wie zentrale Kräfteverhältnisse im deutschen Sozialstaat bestellt sind.

Alte Liebe rostet nicht (so leicht)

Ein Herz und eine Seele waren SPD und Gewerkschaften in der langen Ge schich -te ihrer Beziehungen selten. Das muss auch nicht verwundern. Schließlich habenParteien und Gewerkschaften generell unterschiedliche Aufgaben. Die einen rin-gen im politischen Wettbewerb um Macht, die anderen vertreten im ökonomi-schen Konflikt zwischen Arbeit und Kapital die Interessen der Arbeit nehmer. Indiesen unterschiedlichen Rollen waren Meinungsver schiedenheiten zwischen So -zialdemokratie und Gewerkschaften immer schon an der Tagesord nung. Und dasvor allem dann, wenn die SPD – wie in den siebziger Jahren unter Bundes kanzlerHelmut Schmidt und unter Rot-Grün – in ökonomisch schwierigen Zeiten in Re -gierungsverantwortung stand und in den Augen ihrer Stammklientel unpopuläreEntscheidungen beim Umbau des Sozialstaats umsetzte.

Gleichwohl ist es zutreffend, von einer besonderen, durchaus innigen Bezie -hung zwischen beiden Akteuren zu sprechen, die ihresgleichen sucht. Der beson-dere Kitt in der Partnerschaft von SPD und Gewerkschaften beruht auf gemein-samen Werten, einer großen Schnittmenge in der Mitglieder- bzw. Wählerschaftsowie vielfältigen personellen Kontakten zwischen den Eliten sowie an der Basisbeider Organisationen. Getrennt marschieren, vereint schlagen – diese alte Lo -sung weist auf viele Gemeinsamkeiten in den politischen Zielen hin, sie verdeut-licht aber auch den eigenständigen Charakter der beiden Organisationen. Injedem Fall ist Bewegung in das Verhältnis geraten, strittig ist die Tragweite derFolgen. Für manchen Beobachter kündete die wohl schwerste Vertrauenskrisezwischen 2003 und 2005 von einem vermeintlichen Niedergang der historischenPartnerschaft. Andere sahen darin lediglich die Episode einer zeitweiligen Bezie -hungskrise, die in den Jahren danach wieder verflogen ist.

In dieser Partnerschaft sind Abnutzungseffekte gewiss nicht neu. Mit demWandel der SPD zur Volkspartei hat sich die Partei seit den sechziger Jahren stärker Wählerschichten jenseits der – anteilsmäßig immer geringer werdenden –Arbeiterschaft zugewandt. Das hat bereits in der alten „Bonner Republik“ dieexklusive Rolle der Gewerkschaften für die SPD geschmälert. Insofern müssendie jüngeren Konflikte als Auswirkung einer längerfristigen Entwicklung einge-ordnet werden. Denn die Zielgruppen beider Organisationen weisen nicht mehr

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die gleiche Schnittmenge wie noch in den Anfängen der Bundesrepublik auf:Während für die SPD die zahlenmäßig gewachsene Mittelschicht aus Ange stel l -ten und Beamten an Bedeutung gewinnt, die Partei sich mithin der gesellschaft -lichen Realität anpasste, vertreten die Gewerkschaften weiterhin schwerpunkt -mäßig die Interessen ihrer Mitglieder aus der industriellen Facharbeiterschaft.Ge werkschaften tun sich zudem schwer, Frauen, Jüngere und Angestellte auskleineren, innovativen Betrieben aus dem Dienstleistungssektor als Mitglieder zugewinnen. Wie unter einem Brennglas hat der Konflikt um die Agenda 2010 ge -zeigt, dass die Vorstellungen beider Organisationen über den Sozialstaat der Zu -kunft nicht deckungsgleich sind. Entscheidend ist, dass diese Erkenntnis je dochnicht zu einer wechselseitigen inhaltlichen Entfremdung führt. Das Ham burgerGrundsatzprogramm der SPD von 2007 macht deutlich, wie eng der program -matische Bezug zwischen Sozialdemokratie und Gewerkschaften nach wie vor ist.Nach dem für die Partei verheerenden Ergebnis bei der Bundestagswahl kündigteder darauf folgende Dresdener Parteitag unter dem neuen Vorsitzenden SigmarGabriel im November 2009 eine inhaltliche Kurskorrektur von der einstigenRegierungslinie an.

Die historische Partnerschaft ist nicht selbstverständlich

Seither beschreitet die Partei in der Arbeitsmarkt- und Rentenpolitik diese Linie.Neben der inhaltlichen Wiederannäherung hat sich seit 2005 auch die atmosphä -rische Zusammenarbeit zwischen den Spitzen von Sozialdemokratie und Gewerk -schaftern mit der Zeit wieder weitgehend normalisiert. Beispielhaft konnte diesetwa am SPD-Gewerkschaftsrat, einem Unikum unter den Parteien, beobachtetwerden. Zu Hochzeiten der Agenda-Krise unter dem Vorsitz Gerhard Schrödersherrschte in diesem Austauschgremium zwischen SPD und Gewerkschaften nochEiseskälte. In der Nach-Schröder-Ära entwickelte sich der Rat unter dem Vorsit -zenden Kurt Beck zu einem Motor für gemeinsame Projekte, wurden doch hier mitden Gewerkschaften bereits frühzeitig Fragen zum Mindestlohn, zur Leihar beit so -wie das Leitbild „Gute Arbeit“ diskutiert und gemeinsame Positionen erarbeitet.

Von einem Niedergang der historischen Partnerschaft kann gewiss keine Redesein. Aber auch an dieser altehrwürdigen Beziehung nagt an mancher Stelle derZahn der Zeit. Es ist heute keineswegs mehr normal, dass unter jüngeren Füh -rungs kräften beider Organisationen eine gemeinsame politische Sozialisation oderähnliche berufliche Erfahrungen vorzufinden sind. Dies war unter früheren Elitenvielfach der Fall und hatte verbindende Wirkung. Ebenso ist es unter gewerk-

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christian neusser – partnerwahl 2.0

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schaftlichen Nachwuchskräften nicht mehr quasi selbstverständlich, Sozial demo -krat zu sein. Generell ist die jüngere Generation von Gewerkschaftsfunktionärenparteioffener und parteiunabhängiger ausgerichtet als früher. TraditionsbewussteVer mittler zwischen beiden Organisationen sind damit zwar keine raren Ge -wächse, sie schießen aber auch nicht mehr wie Pilze aus dem Boden. Unter demStrich haben sich die Beziehungen von SPD und Gewerkschaft über einen längerandauernden Zeitraum hinweg gewandelt. Das Verhältnis ist komplizierter, zu -weilen distanzierter, auch ein stückweit rationaler geworden. Daher ist es zwi-schen beiden Seiten auch notwendig, sich regelmäßig über die Eckpfeiler im Mo -dell deutscher Sozialstaatlichkeit zu vergewissern. Gleichwohl ist bei SPD undGewerkschaften in der Mehrheit die Einsicht vorhanden, dass beide Akteure auf-einander angewiesen bleiben, wenn sie ihre politischen Ziele umsetzen wollen.

Von zwei Volksparteien zu vier Sozialstaatsparteien

Fragt man nun nach den Veränderungen, die sich insgesamt zwischen Parteienund Gewerkschaften im Fünf-Parteiensystem ergeben, so kann zuerst festgehaltenwerden, dass die beiden Volksparteien nicht mehr die alleinigen politischen An -sprechpartner für die Gewerkschaften sind, wie dies noch in der „Bonner Repu -blik“ der Fall war. Mit der Pluralisierung des Parteienwettbewerbs seit den achtzi-ger Jahren sind die vormals großen Volksparteien mittlerweile zu mittelgroßenParteien geschrumpft. Zugleich haben sich zwei neue politische Kräfte etabliert,die ihrerseits bestimmte Arbeitnehmerinteressen repräsentieren. Die Sozialdemo -kratie nimmt auch in dieser Hinsicht eine zentrale Rolle ein, weil die Partei impolitischen Wettbewerb zweimal von links herausgefordert wurde: zunächst An -fang der achtziger Jahre durch die Grünen, seit Mitte der 2000er Jahre verstärktdurch die Linkspartei. In beiden Fällen gelang es der SPD nicht, gesellschaftlicheInte ressen aus dem linken Spektrum zu absorbieren. Beide Fälle unterscheidensich indes, was den Bezug zu den Gewerkschaften betrifft.

GRÜNE: VOM GEWERKSCHAFTSSCHRECK ZUM DIALOGPARTNER. Den Grünen alsÖkologie- und Bewegungspartei ging es in ihrer Gründerzeit weniger um dieGestalt des Sozialstaats. Sie forderten eine Transformation der Industriegesell -schaft und waren in diesem Punkt sowohl den Gewerkschaften als auch der SPDursprünglich spinnefeind. Denn in SPD und Gewerkschaften sahen die GrünenVerteidiger des althergebrachten Industriemodells. In der Sturm- und-Drang-Phase der Grünen kam es nicht selten dazu, dass einzelne ihrer Aktivisten in den

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Betrieben gar aus Gewerkschaften ausgeschlossen wurden. Erst nach ihrer Meta -morphose vom radikalen Systemkritiker hin zur pragmatischen Reformkraft hatsich das Verhältnis der Grünen zu den Gewerkschaften weitgehend normalisiert.Grüne und Gewerkschaften haben mithin eine gemeinsame Gesprächsgrundlage,wenn es um Chancen einer ökologischen Modernisierung der Industriege sell -schaft geht, etwa im Hinblick auf Arbeitsplatzpotenziale in der Energie- oderChemiebranche. Heute sprechen die Grünen Arbeitnehmer aus dem linkslibera-len Spektrum sowie der bürgerlichen Mitte an, die vorwiegend im öffentlichenDienst sowie in kreativen Dienstleistungsberufen tätig sind. Die Grünen habensich mit ihrem bürgerlichen Profil längst als Dialogpartner der Gewerkschaftenetabliert.

DIE LINKE ALS ZWEITE WAHL. Für die zweite Neuerung im Parteiensystem, dieLinkspartei, war wiederum der Konflikt um den Sozialstaat zentral für ihrenAufstieg. Mit ihrem Protest gegen die sozialdemokratische Reformagenda sowieihrem Bekenntnis zu einem starken, intervenierenden Staat fand die Linke seitdemin Teilen der Gewerkschaften Zuspruch. Ihre unveränderte Oppositionsrolle imBund macht sie allerdings für die Gewerkschaften nur bedingt zu einem wichtigenAnsprechpartner. Denn Gewerkschafter denken pragmatisch und wollen in ersterLinie Einfluss auf die Regierungspolitik ausüben. Im Fall der Linken wird deut-lich, dass die Partei für die Gewerkschaften ein optionaler Kooperations part ner ist,dessen Bedeutung stark von der Stellung der SPD abhängt. Die Linke vermochtees, Druck auf die SPD als Regierungspartei auszuüben, indem sie gemeinsam mitden Gewerkschaften den Umbau des Sozialstaats kritisierte. So lange die Gewerk -schaften ihren Einfluss über die SPD geltend machen können, bleibt die Linke fürdie Mehrheit der Gewerkschafter jedoch nur die zweite Wahl im linken Parteien -spektrum. Diese Einschätzung hängt auch damit zusammen, dass die Partei zwarin Teilen der Basis von IG Metall und Verdi Unterstützung findet, ihr Einflussauf die Spitzen der Gewerkschaften insgesamt jedoch gering bleibt.

CDU: SITUATIVE KOOPERATION MÖGLICH. Seitdem im linken ParteienspektrumGrüne und Linkspartei mit ihren Profilen auf dem Wählermarkt spezifische Ar -beitnehmerinteressen vertreten, musste vor allem die SPD dieser KonkurrenzTribut zollen. Dennoch bleibt die Partei für das gewerkschaftsnahe Arbeitneh -mer lager die zentrale Richtgröße. Denn trotz gewisser inhaltlicher Annähe rung s -tendenzen sind für die Wähler die Markenkerne der Volksparteien relevant. Nach wie vor verorten die Wähler die primäre politische Kompetenz der SPD

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christian neusser – partnerwahl 2.0

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in der Sozialpolitik, diejenige der CDU in der Wirtschaftspolitik. Die CDUspricht mit ihrem Arbeitnehmerflügel vor allem christlich-soziale Wähler aus der Arbeitnehmerschaft an. Die Enttäuschungen über die Agenda 2010 habenunter den Spitzen der Gewerkschaften eine größere Offenheit gegenüber anderenParteien befördert. Zudem sind zwischen Gewerkschaftern und Christdemo kra -ten manche ideologischen Scheuklappen abgebaut worden. Im Fall der CDUführt dies dazu, dass auf Elitenebene situative und pragmatische Formen derKooperation an Bedeutung gewinnen. Das wurde vor allem im Krisenmana ge -ment der Bundesregierung während der Weltwirtschaftskrise seit 2008 deutlich.Über Bundeskanzlerin Merkel sagte etwa der DGB-Vorsitzende Michael Sommer2006, sie habe sich „sicherlich nicht zu einer bedingungslosen Gewerk schafts -freundin gewandelt“, aber sie sei „fair, offen, souverän, und sie weiß, wo bei unsdie Grenze der Belastbarkeit ist.“ Diese Art der Kommunikation mit der Bun -des kanzlerin sei neu und habe sich früher auf die Sozialausschüsse der CDU be schränkt (zitiert nach Financial Times Deutschland). Von einer statischen Feind -schaft zwischen Union und DGB zu sprechen, wäre sicherlich falsch. Ge werk -schafts funktionäre sind politische Lobbyisten, sie erkennen und nutzen solcheGelegen heiten zur politischen Einflussnahme.

Gewerkschaften sind offener und flexibler

Insgesamt bestehen im Fünf-Parteiensystem mit den beiden Volksparteien sowieden Grünen und der Linken nunmehr vier Sozialstaatsparteien, die eine starkeprogrammatische Affinität zum deutschen Sozialstaat haben, und in unterschied-licher Art und Weise Arbeitnehmerinteressen repräsentieren. Der Langzeittrendzeigt, dass gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer nicht mehr nur die beidenVolksparteien wählen, sondern ihre Stimmen stärker auf nunmehr vier Parteienaufteilen (siehe Abbildung). Alle vier Sozialstaatsparteien pflegen über ihre Spit -zen sowie über parteieigene Unterorganisationen Kontakte zu den Gewerk schaf -ten. Der politische Austausch zwischen Parteien und Gewerkschaften hat sichdamit ausdifferenziert.

Auch die Gewerkschaften richten sich auf die Bedingungen im Fünf-Partei en -system ein. Deren Einflusspolitik nimmt – in unterschiedlicher Weise – alle vierSozialstaatsparteien in den Blick. Das ist zunächst nichts Ungewöhnliches. Neuist jedoch, dass die Gewerkschaften das Prinzip der Einheitsgewerkschaft – welt-anschaulich neutral und parteipolitisch unabhängig zu sein – anders interpretie-ren. Als Reaktion auf den Wandel der SPD justieren die Gewerkschaften das

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Prinzip der Einheitsgewerkschaften neu: Sie sind parteipolitisch offener und bün d -nispolitisch flexibler als je zuvor. Sie legen größeren Wert darauf, den unterschied -lichen Parteien gegenüber aufgeschlossen zu sein, um gewerkschaftliche Interessendurchzusetzen. Dies geht damit einher, mit allen vier Sozialstaatsparteien unterinhaltlichen Gesichtspunkten Kooperationen einzugehen. Diese Auslegung beför-dert im Fünf-Parteiensystem einen situativen Lobbyismus der Gewerkschaften.

Auf die Sozialdemokratie kommt es an

Wie man es auch dreht und wendet: Die SPD ist und bleibt der Schlüsselfaktorin der Gesamtkonstellation der Parteien-Gewerkschafts-Beziehungen. Die SPDist auch weiterhin der primäre politische Ansprechpartner der Gewerkschaften,diese sind umgekehrt eine zentrale Interessenorganisation, ohne die es keine poli-tische Machtperspektive für die Partei gibt. Die traditionellen Rollenzuweisungenspiegeln die Realität aber nicht mehr hinreichend wider. Paradox ist dabei folgen-der Zusammenhang: Wie wohl noch nie zuvor zeichnet die Gewerkschaftenheute eine offene und flexible Grundhaltung gegenüber den Parteien aus. Eineentscheidende Triebkraft hierfür liegt ausgerechnet in der Sozialdemokratie.Denn ihr langfristiger Wandel hat erst eine größere Distanz zu den Gewerk schaf ten

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christian neusser – partnerwahl 2.0

Wahlentscheidung von Gewerkschaftsmitgliedern bei Bundestagswahlen

Quelle: Schoen 2005, Forschungsgruppe Wahlen

1953 1957 1965 1969 1972 1976 1980 1983 1987 1990 1994 1998 2002 2005 2009

1953 bis 2009

80%

70%

60%

50%

40%

30%

20%

10%

0%

SPD

Grüne

CDU/CSU

Linke

1953 1957 1965 1969 1972 1976 1980 1983 1987 1990 1994 1998 2002 2005 2009

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herbeigeführt. In der Gesamtkonstellation bleibt die SPD gleichwohl die entschei-dende Variable, denn das Verhältnis der anderen Parteien zu den Gewerk schaftenwird maßgeblich von der Stellung der SPD zur organisierten Arbeit nehmerschaftgeprägt. Die zukünftige Gestalt dieser besonderen Partnerschaft hängt maßgeblichdavon ab, ob SPD und Gewerkschaften ein gemeinsames Bild vom Sozialstaat derZukunft entwerfen. n

CHRISTIAN NEUSSER

ist Referent der SPD-Landtagsfraktion Brandenburg.

Der Text basiert auf seiner Dissertation, in der er die Beziehungen von Parteien und Gewerkschaften im deutschen Sozialstaat analysiert.

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Vier Cluster WIE SICH DIE DEUTSCHEN HOCHSCHULEN AUSDIFFERENZIEREN WERDEN

VON OLIVER GÜNTHER

D ie Diskussionen um die Abgrenzung zwischen Fachhochschulen und Uni ver -sitäten halten an. In der Politik herrscht Uneinigkeit darüber, ob eine klar de -

finierte Dichotomie noch zweckmäßig ist. Neuerdings heißen die Fach hoch schu lennicht mehr Fachhochschulen, sondern Hochschulen für Ange wandte Wis sen schaf -ten – auf Englisch Universities of Applied Sciences. Die Finanzierungen der beidenHochschultypen gleichen sich an – in Brandenburg gibt es, was den wichtigenIndikator Euro pro Studienplatz angeht, kaum noch Differenzen. Die Kolleginnenund Kollegen aus den (Fach-)Hochschulen wehren sich gegen die Einstufung als„Underdogs“ oder „2. Bundesliga“ (Die Zeit), während der in vielen Hochschul -fragen progressiv denkende frühere Hoch schulrektorenkonferenz-VorsitzendeGeorge Turner an dem Zweiartensystem festhalten will. Jedenfalls sieht er keineMöglichkeit, die beiden Paradigmen unter einem Dach zu vereinen.

Ein Blick in die Welt

Ungeachtet der tagespolitischen Auseinandersetzungen stellt sich die Frage, ob ein strikt definiertes Zweiartensystem auf Dauer haltbar oder wünschenswert ist.In dem vom amtierenden Vorsitzenden der Hochschulrektorenkonferenz HorstHippler gewählten Bundesliga-Analogien mag dies funktionieren. Aber Hoch - schulen sind keine Fußballvereine. Anstelle eines Blicks in die Bundesliga emp-fiehlt sich vielmehr der Blick in die Welt. Da gibt es schon lange den Unterschiedzwischen promotionsfähigen (doctoral degree granting) und nicht-promotionsfähi-gen Hochschulen. Bei ersteren gibt es oft auch den internen Unterschied zwischenden jenigen Fakultäten oder Fachbereichen, die den begehrten Ritterschlag erhaltenhaben und denen, die dies noch vor sich haben.

Meines Erachtens kann kaum ein Zweifel daran bestehen, dass sich das deut-sche Hochschulsystem in diese Richtung entwickeln wird. Im Endergebnis wer-den wir (hoffentlich, aber dazu gleich noch mehr) eine ungefähre Normalver tei -lung sehen, die sich in vier Cluster aggregieren lässt – zwei große in der Mitteund je einem kleinen oben und unten.

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n Ganz oben wird es einige wenige Spitzenuniversitäten geben, die in allenFachbereichen internationale Sichtbarkeit aufweisen – die Exzellenzinitiativebietet einige Hinweise, wer sich in dieser Spitzengruppe wiederfinden mag.Diese Hochschulen zeichnen sich durch eine klare Forschungsorientierung aus,vergleichbar den oft als Vorbild dienenden nordamerikanischen Spitzenuni ver -sitäten. Um dies zu ermöglichen, wird die Politik über eine nachhaltige Finan -zie rung derartiger Hochschulen nachdenken müssen – zum aktuellen Tarif sindsie schlichtweg nicht zu haben. Zusätzliche Finanzierung ist erforderlich, nichtnur für Labore und Geräte, sondern auch für international wettbewerbsfähigeGehälter, mehr wissenschaftliche Mitarbeiter sowie deutlich unter acht oderneun Semesterwochenstunden liegende Lehrdeputate für Spitzenforscher (wo-bei darauf geachtet werden muss, dass diese sich nicht vollständig aus der Lehreverabschieden, sondern auch weiterhin in Bachelor- und Masterprogrammenlehren). Nicht jedes Bundesland wird sicher derartige Spitzenuniversitäten leis-ten können.

n Ein zweiter, deutlich größerer Cluster von forschungsorientierten Hochschulenwird in einigen, wenn nicht allen, Fachbereichen international sichtbar sein undso eine klar überdurchschnittliche Mittelausstattung rechtfertigen. Viele – wenn-gleich nicht alle – der derzeitigen Universitäten werden sich in diesem zweitenCluster wiederfinden, ebenso wie einige der bisherigen Fachhochschulen, die sichdurch konsistente und exzellente Forschungsleistungen ausgezeichnet haben. DasLehrdeputat in diesem Segment wird durchschnittlich höher liegen als bei denHochschulen im ersten Cluster, und es ist zu wünschen, dass mehr Hochschulendie von Seiten des Gesetzgebers oft bereits gegebene Möglichkeit zur internenFlexibilisierung noch stärker nutzen als bisher. Mehr als acht Semesterwochen -stun den werden es im Durchschnitt nicht sein können, da sonst die internatio -nale Wettbewerbsfähigkeit nicht gegeben ist.

n Der dritte – vielleicht größte – Cluster wird aus einer Vielzahl von Hochschulenbestehen, die sich vornehmlich der Lehre zuwenden. Forschung wird an diesenHochschulen keine zentrale Rolle spielen, ein Promotionsrecht gibt es hiernicht. Das durchschnittliche Lehrdeputat wird sich etwas unterhalb dem der bisherigen Fachhochschulen einpendeln. Aspirierende Nachwuchswissen schaft lerwerden sich diesen Hochschulen nur zuwenden, wenn sie an den Hochschu lendes ersten und zweiten Clusters keine Anstellung finden oder aus persönlichenGründen einer bestimmten Region zuneigen. Das ist aber kein Schaden; dieenorme gesellschaftliche Relevanz dieses dritten Clusters wird sich am Stel -lenmarkt erweisen und selbst perpetuieren. Diesen Hochschulen könnte und

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sollte quantitativ noch ein höherer Anteil am Dienstleistungssektor zuwachsen,da sie auch im Vergleich zu den forschungsorientierten Hochschulen sehr guteLehre anbieten und ihre Absolventen für hochwertige Berufsbilder in der Praxisqualifizieren. Zudem sind sie – in Euro pro Studierendem gemessen – deutlichkostengünstiger als forschungsorientierte Hochschulen. Nicht etwa, weil sieschlechtere Arbeit leisten – daher auch keine zweite oder dritte Liga sind – sondern weil Forschung Geld kostet, hier aber kein, zumindest kein zentralesThe ma ist. Durch Profilierung und Spezialisierung kann es Hochschulen aller-dings gelingen, Forschungskompetenzen aufzubauen und so zumindest in ei nigen Fachbereichen das Promotionsrecht zu erwerben und zum zweitenCluster aufzuschließen – so sie dies denn wollen. Für private Anbieter wird die-ser dritte Cluster das attraktivste Segment darstellen, da Forschung in den we-nigsten Fällen kurz- oder mittelfristig rentabel ist.

n Der vierte Cluster besteht aus Hochschulen, die sich ausschließlich der pra-xisorientierten und berufsnahen Lehre widmen. Diese Hochschulen werdensich insbesondere durch Offenheit gegenüber Bildungsaufsteigern auszeich-nen und es so manchem ermöglichen, auch spät im Leben noch eine Hoch -schul bio gra phie anzugehen. In den Vereinigten Staaten sind derartige Lehr -einrichtungen unter dem Begriff „Community College“ bekannt, viele jungeMenschen erwerben hier ihre ersten akademischen Erfahrungen. Die Kostenpro Studienplatz liegen typischerweise noch einmal unter dem, was im drit-ten Cluster investiert wird. Um zu vermeiden, dass dies auf Kosten der Aus -bildungsqualität geht, werden Regulierungsmaßnahmen der öffentlichenHand geboten sein. Auch in diesem vierten Cluster wird es viel Raum für private Anbieter geben.

Die Grenzen zwischen diesen vier Hochschultypen werden fließend sein, und esist alles andere als klar, ob die Aufteilung in Cluster im Gesetz festgeschriebensein muss, so wie das jetzige Zweiartensystem im Gesetz definiert ist. Vielmehrkönnte man darüber nachdenken, Hochschulen entlang des gesamten Spektrumsregelmäßig anhand ihres Forschungsprofils zu evaluieren und die zu erbringendeLehrleistung, aber insbesondere auch die zuzuwendenden Haushaltsmittel ent-sprechend zu skalieren. Um ein Kaputtsparen des Hochschulsektors zu vermei-den, müssen vorab klare Regelungen getroffen werden, wie viele Mittel insgesamtin die Hochschulen des Landes fließen (gemessen zum Beispiel als Anteil amBruttoinlandsprodukt). Die Aufteilung auf die einzelnen Hochschulen mussdann allerdings in dem genannten Sinne flexibel sein.

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Wenn solche neuen Organisationsmodelle Fuß fassen sollen, muss des Weite -ren über Transitionspfade zwischen den Clustern nachgedacht werden. Die Schlie -ßung und anschließende Neugründung von Hochschulen par ordre du mufti kannhier kein Vorbild sein. Vielmehr muss über Anreize nachgedacht werden, die diefreiwillige Migration von Hochschulen und Hochschullehrern in die neuen Struk -turen belohnen – verbunden mit Qualitätssicherungsmaßnahmen, die Trittbrett -fahrer identifizieren und sanktionieren.

Ich schrieb eingangs, dass die Entwicklung „hoffentlich“ in die obengenannteRichtung geht. Warum „hoffentlich“? Auch hier hilft der Blick über die Grenzen,um zu zeigen, welche Fehlentwicklungen eine solche Ausdifferenzierung – die imGrunde längst stattfindet und meines Erachtens auch langfristig unumkehrbar ist– zeitigen kann. Ganz wichtig ist: Eine Orientierung der zuständigen Souveräne –in Deutschland also vor allem der Landesregierungen – auf den Spitzencluster darfnicht dazu führen, dass gute Hochschulen im Mittelfeld finanziell ausgetrocknetund in eine Abwärtsspirale gedrängt werden. Im Endergebnis hätte man sonst einestark linkslastige Verteilung mit einer kleinen Spitzengruppe von Flaggschiffenund einer großen Gruppe von Community-College-artigen lokalen Ausbildungs -einrichtungen, an denen keine Wissenschaft mehr stattfindet und auch die Lehreleidet. Eine derartige Hochschullandschaft ist einem Hochtechnologieland nichtnur aus kulturell-ethischen Erwägungen heraus nicht angemessen. Sie würde auchnicht ausreichen, um die für das Land notwendigen Personalressourcen zu generie-ren; der Fachkräftemangel würde sich vertiefen und ließe sich auch durch mehrEinwanderung nicht mehr kompensieren.

Mehr Durchlässigkeit nötig

In einer derart ausdifferenzierten Hochschullandschaft sind Kommunikations -maßnahmen wichtig, die die Charakteristika unterschiedlicher Hochschultypendeutlich machen, um so den jungen Menschen die Wahl der passenden Hoch -schule zu erleichtern. Wer eine Forschungsuniversität wählt, sollte intrinsischdaran interessiert sein, Wissenschaft zu betreiben und dafür auch den nötigenzeitlichen Einsatz zu betreiben. Wer hingegen zügig in die berufliche Praxisstrebt, sollte von vornherein die Stärken der anwendungsorientierten Hoch schu -len nutzen – die engen Kontakte zu Unternehmen, die typischerweise intensivereBetreuung und die anwendungsorientierte Darbietung der Studieninhalte. Diesist dann eben kein Studium in der „Zweiten Bundesliga“, sondern eine bewussteEntscheidung gegen eine wissenschaftliche Laufbahn. Dies heißt nicht, dass diese

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Studierenden nicht in den Genuss einer wissenschaftsorientierten Lehre à laHumboldt kommen sollten: „Bildung durch Wissenschaft“, wie die Humboldt-Universität es sich zum Motto erkoren hat, sollte durchweg das Ziel sein. Aberdies heißt nicht, dass 55 Prozent eines Altersjahrgangs – so viele studieren derzeitin Deutschland – an Hochschulen studieren müssen, deren Professorenschaftaktiv Spitzenforschung betreibt. Dies könnte kein Land dieser Welt finanzieren,und das resultierende Ausbildungsprofil wäre auch für viele spätere Arbeitgeber in Wirtschaft und Verwaltung wenig brauchbar.

Wichtig ist des Weiteren eine hohe Durchlässigkeit zwischen den unterschied-lich profilierten Hochschulen. Prioritäten in einem Leben können sich ändern,gerade in den ersten Lebensjahrzehnten. Der natürliche Meilenstein des abge-schlossenen Bachelors eignet sich für eine solche Kurskorrektur in besonderemMaße. Insbesondere ist dies der richtige Zeitpunkt für wissenschaftlich orientierteund interessierte Studierende, den Sprung an eine Forschungsuniversität vorzu-nehmen, so sie denn nicht schon ihren Bachelor an einer solchen abgelegt haben.Erfahrungsgemäß ist die Orientierung in Richtung Promotion wesentlich einfa-cher zu bewerkstelligen, wenn schon der Master an einer forschungsorientiertenHochschule abgelegt wurde.

Auch Fachhochschulen können aufrücken

Danach ist es oft zu spät, wie die leidvollen Erfahrungen vieler Fachhochschul -studierenden zeigen. Trotz guten Willens aller Beteiligten und kräftigem Rücken -wind der Politik ist der Weg zur Promotion für begabte Masterabsolventen einerFachhochschule schwierig: Zwar sind viele universitäre Promotionsordnungeninzwischen offen für die Promotion von FH-Absolventen. Dies löst aber nichtdas Problem für Promotionsinteressierte, einen Betreuer oder eine Betreuerin aneiner Universität zu finden. Fast jeder Universitätsprofessor und jede Universi -tätsprofessorin hat schon Interessenten für eine Promotion zurückgewiesen –wohlgemerkt Interessenten mit universitären Abschlüssen – weil die Qualifi ka -tionen zwar formal ausreichen, nicht aber in der Qualität, das heißt was dieNoten und Schwerpunktsetzung angeht, oder auch weil die eigene Betreuungs -kapazität schlichtweg erschöpft ist. Das Recht, eine solche Auswahl zu treffen,gehört aus gutem Grund zu den ureigenen Privilegien, die mit einer Universi -tätsprofessur verbunden sind.

Umgekehrt hat niemand das Recht darauf, promoviert zu werden – eineZwangszuweisung von Doktoranden zu Professorinnen und Professoren gibt es

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nicht, und auch dies aus gutem Grund. Der resultierende Wettbewerb um – imRegelfall knappe – Promotionsplätze ist für FH-Absolventen besonders hart, teilsaus fachlichen, teils aber auch aus wissenschaftssoziologischen Gründen. DiesesDilemma lässt sich meines Erachtens nur lösen, indem bereits während des Mas -ter studiums die Perspektive Promotion mitverfolgt und im Curriculum reflektiertwird. Freilich müssen solche forschungsorientierten Masterstudiengänge nichtnur an den bisherigen Universitäten angesiedelt sein. Auch bisherige Fachhoch -schulen, die ihre Forschungsstärke nachgewiesen haben, könnten in den obenbeschriebenen zweiten Cluster aufrücken und wenigstens in einigen, wenn nichtin allen Bereichen, entsprechende Studiengänge anbieten. Auch das ist eine Formder Durchlässigkeit, die mittelfristig unbedingt geboten scheint.

Die Promotion ist nicht alles

Dies mag dazu führen, dass in derselben Hochschule Fachbereiche mit Promo -tionsrecht und Fachbereiche ohne Promotionsrecht koexistieren. Eine derartigeHybridstruktur mag für uns noch ungewohnt klingen, ist international aber durch-aus üblich. Die bisherigen deutschen Experimente mit einem solchen Modell, ins-besondere die in den siebziger Jahren gegründeten Gesamthoch schulen, stimmendiesbezüglich allerdings nicht allzu optimistisch. Hier muss über neue Organisa -tionsmodelle nachgedacht werden, die das Nebeneinander von unterschiedlichenprofessoralen Personalkategorien unter einem Dach, verbunden mit unterschied -lichen Kompetenzprofilen, Lehrdeputaten und Besol dungsgruppen konstruktiv ge stalten. Der Titel „Professor“ hätte damit seine klassische Bedeutung und Pres -ti ge trächtigkeit endgültig verloren. Bei näherem Lichte betrachtet bezeichnet er frei-lich aber schon heute nur noch die Lehrtätig keit an irgendeiner Hochschule – eineeffiziente Qualitätskontrolle, die auf international wettbewerbsfähige wissenschaft -liche oder künstlerische Leistungen ab hebt, findet heute de facto in vielen Bundes -ländern nicht mehr statt. Auch hier haben wir uns an die internationalen Usancenangeglichen.

Apropos Dissertation: Wenn die Profilierung einer Hochschule sich maßgeblichauch über ihr Promotionsrecht definiert, stellt sich natürlich die Frage, warum die-sem Punkt, der nur 2,5 Prozent der Studierenden betrifft, eine derart entscheidendeBedeutung eingeräumt werden sollte. Gründe sind die enorme gesellschaftliche Re -levanz von Forschung sowie der Sachverhalt, dass die Anferti gung von Promo tio -nen und wissenschaftlichen Publikationen einer wissenschaftlichen Infrastrukturbedarf, die im wissenschaftlichen Personal und insbesondere auch der öffentlichen

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Finanzierung reflektiert sein muss. Forschung kostet Geld – für die Forschungs -arbeiten per se, aber auch zur Ausfinanzierung eines klar forschungsorientiertenAusbildungsprofils. Deswegen sind Universitäten von jeher finanziell besser ausge-stattet als Fachhochschulen – nicht etwa weil die Fachhoch schulen weniger arbei-ten, bezüglich des Lehrdeputats gilt ja gerade das Gegenteil – sondern weil dort im Regelfall wenig geforscht wird. Deshalb kostet ein Bache lorabschluss an einerFach hochschule den Steuerzahler nur 12.900 Euro, während ein Uni-Bachelor mit 28.200 Euro zu Buche schlägt (Stand 2009). Andere Kenn zahlen sehen ähn-lich aus: Universitäten erhalten bundesweit pro Student 8.540 Euro pro Jahr,Fach hoch schulen 3.890 Euro (Stand 2009). Eine Universi täts pro fessur kostet579.250 Euro pro Jahr, eine FH-Professur 172.740 Euro (Stand 2009).

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Die höheren Mittel zu wei -sungen für forschungsorientierte Hochschulen sind auch fiskalisch gesehen außeror-dentlich gut angelegt: Forschung ist die Grundlage eines jeden nachhaltigen wirt-schaftlichen Erfolges – aus betrieblicher Sicht ebenso wie aus volkswirtschaftlicherSicht. Öffentliche Investitionen in Forschung führen mittelfristig zu einer höherenWettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft, zu mehr Zu- und Ein wan derung qua-lifizierter junger Menschen aus anderen Regionen und Ländern und damit wiede -rum zu mehr Steuereinnahmen. Andererseits kann Forschung nicht jeder, und esist, wie bereits ausgeführt, auch nicht sinnvoll, 55 Prozent eines Altersjahrgangs for-schungsorientiert auszubilden. Forschungsbasiert ja, aber nicht forschungsorientiert.Die Kunst zukünftiger Politik wird darin bestehen, eine wohlfahrtsmaximierendeVerteilung zwischen den genannten vier Clustern zu sichern und jungen Menschendabei zu helfen, die für sie geeignetste Hochschule zu finden.

Forschung kostet Geld

Was nicht geht ist, forschungsorientierte Hochschulen anzulegen und sie dannnicht angemessen auszufinanzieren. Ich schreibe hier durchaus als Betroffener:Meine eigene Universität, die Universität Potsdam, erhält pro Studierendemungefähr 5.000 Euro pro Jahr vom Land Brandenburg. Dies reicht schlichtwegnicht aus, um hochkarätige Forschung und qualitativ hochwertige Lehre aufDauer zu sichern – so gerät dann entweder das eine oder das andere hehre Zielunter die Räder. Forschung kostet Geld, und das muss sich auch in unterschied -lichen Kostensätzen für die oben genannten Cluster widerspiegeln. Bei den Hoch -schulen im ersten Cluster scheinen Kostensätze zwischen 15.000 und 30.000 Europro Stu die rendem im internationalen Vergleich keineswegs unangemessen. So

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liegt die öffentliche University of California in Berkeley trotz extremer Haushalts pro -bleme bei 18.000 Dollar pro Studierendem (Stand 2009), wovon allerdings knappdie Hälfte von Studiengebühren gedeckt wird. Im zweiten Cluster erscheinen we gen der internen Mischfinanzierung mittelfristig Sätze von 10-15.000 Europro Stu dierendem angemessen. Im vierten Cluster hingegen sind möglicherweise2-3.000 Euro pro Studierendem ausreichend, um die Einhaltung von sinnvollenMindests tandards in der Qualität der Lehre einfordern zu können.

Eine vergleichsweise hohe Varianz innerhalb der Cluster darf nicht überra-schen; vor allem die Gewichtung von naturgemäß kostenaufwändigen Fächernwie der Medizin und den Ingenieurwissenschaften einerseits und naturgemäßkostengünstigen Fächern wie den Rechts- oder Wirtschaftswissenschaften ande-rerseits rechtfertigt hier unterschiedliche Ausstattungen von Hochschulen, diebezüglich ihrer Forschungsintensität und -qualität durchaus vergleichbar erschei-nen. Dies ändert aber nichts an den grundsätzlich höheren Mittelbedarfen for-schungsorientierter Hochschulen.

Wie das Land profitiert

Ein letztes Wort zu den in diesem Kontext des Öfteren angesprochenen „Praxis -promotionen“ und „Berufsdoktoraten“. Gemeint ist damit, den Doktorgrad fürbesondere Leistungen bei der Umsetzung von wissenschaftlichen Erkenntnissenin der Praxis zu verleihen. Dies kann man gerne tun, aber von dem ursprüngli-chen Sinn des Doktorgrads ist dies weit entfernt. Ich zitiere aus meinem eigenenArtikel „Warum promovieren wir?“ aus dem Jahre 2009 (Forschung und Lehre7/09): „Ziel einer jeden Dissertation sollte sein, der Menschheit etwas grundle-gend Neues mitzuteilen.“ Dieser Vorsatz gilt für jede forschungsorientierte Pro -motion, während er bei Praxispromotionen und Berufsdoktoraten von vornhereinkeine Zielsetzung darstellen mag.

Insofern bietet es sich an, bei dem zu verleihenden Titel zwischen den unter-schiedlichen Zielsetzungen klar zu unterscheiden. Man sollte einem Grad anse-hen, ob es sich bei der Arbeit um eine Forschungsarbeit mit neuen Erkenntnissenhandelt (bzw. handeln sollte), ob eine interessante Umsetzung von wissenschaft -lichen Erkenntnissen ausgezeichnet wird (Praxispromotion), ob die Arbeit ledig-lich eine Zusammenfassung von vorliegenden Erkenntnissen oder eine empirischeUnterlegung laufender Forschungsarbeiten darstellt (Berufsdoktorat). LetztereFälle gelten für viele medizinische Promotionen und auch für so manche Arbeitaus den Rechtswissenschaften und anderen Bereichen. Für diese sollten dann

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auch andere Titel gelten – die amerikanischen Kolleginnen und Kollegen habenes uns mit dem D. Eng. (Doctor of Engineering), dem M. D. (Medicinae Doctor)und dem J. D. (Juris Doctor) im Gegensatz zu dem klar forschungsorientiertenPh. D. (Philosophiae Doctor, der aber längst nicht nur in der Philosophie verlie-hen wird) seit langem vorgemacht.

Diese Frage ist aber letztlich unabhängig von der Frage der Ausfinanzierungvon Forschung. Der politische Souverän ist aufgerufen, die Rollen von Hoch -schulen und Forschung zu erkennen und zu bewerten. Ausgehend von der kon-kreten Haushaltslage, der aktuellen und zukünftigen demografischen Entwick -lung und der wirtschaftlichen Situation sind Landesregierungen aufgerufen, denfür sie richtigen „Mix“ von Hochschulen unterschiedlichen Typs zu definieren.Forschungsorientierte Hochschulen sind dabei angemessen zu berücksichtigenund den internationalen Maßstäben entsprechend auszufinanzieren – sonst blutetdas (Bundes-)Land sich selber aus. Dass es den außeruniversitären Forschungs -einrichtungen (Helmholtz, Max-Planck-Gesellschaft, Fraunhofer-Gesellschaft,Leibniz-Gemeinschaft) gelang, diesen Gedanken in die Politik hineinzutragen, istschön für die Kolleginnen und Kollegen an diesen Einrichtungen und auch gutfür das Land. Dass es bisher nicht gelang, auch für die forschungsorientiertenHochschulen entsprechende Finanzierungszusagen zu erwirken, ist ausgesprochenbedauerlich. Eine Fortführung der aktuellen systematischen Unterfinanzierungforschungsorientierter Universitäten wäre katastrophal für unser Land. Landes -regierungen müssen insbesondere hier gegensteuern – sei es über höhere direkteZuwendungen oder sei es über eine stärkere Beteiligung des Bundes, die aller-dings auch verfassungsmäßig abgesichert werden müsste. n

PROF. OLIVER GÜNTHER, PH. D.

ist Präsident der Universität Potsdam.

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A lbrecht Schönherr hat fast 100 Jahre in Brandenburg gelebt als Pfarrer, Bischofund Vorsitzender des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR. Aufge -

wachsen in Neuruppin, tätig in Brüssow, Eberswalde, Berlin und Brandenburg ander Havel kannte und liebte er unser Land. Seine Heimat der Seen und Wälder warihm vertraut. Er war in dieser eigenartigen Mischung aus Weltstadt und Bauern -gemeinden verwurzelt. Das war das Feld, auf dem er sich bewähren sollte. Das warseine persönliche Glaubensüberzeugung. Besonders verbunden fühlte er sich mitdem Dom zu Brandenburg, der Mutterkirche unseres Landes. Anlässlich der Tau -send jahrfeier des Bistums Brandenburg 1948 wurde er als Dompfarrer eingeführtund blieb dem Dom als Superintendent, später Dechant und Ehrendechant bis zuseinem Lebensende 2009 verbunden. Hier erlebte er die Wirklichkeit christlicherExistenz vor Ort mit all ihren Benachteiligungen und Hoffnungen direkt mit.

Unerschrocken, frei und offen

Albrecht Schönherr liebte die Menschen. Mit Theodor Fontane war er derMeinung, dass sie das Beste an Brandenburg sind. Er konnte zuhören, lernteselbst viel aus den Begegnungen und Gesprächen. Seine Aufmerksamkeit für deneinzelnen Menschen war ein Markenzeichen seiner Arbeit. Albrecht Schönherrstrahlte Ruhe aus und schuf Vertrauen. Er war ein unerschrockener, freier undoffener Gesprächs partner der politischen Mächte. Von Statur und Auftreten warer eine Respekt sperson mit der Gabe, unbefangen auf Menschen zugehen zu kön-nen, sie freundlich aber unbeugsam zu beeindrucken und zu gewinnen. Viccovon Bülow war beeindruckt von „dem Zauber überraschender Verständigung“mit Albrecht Schönherr.

Albrecht Schönherr hat in seinem Leben fünf politische Systeme und darunterzwei Diktaturen erlebt. Die Auseinandersetzung mit dem mörderischen Nazi-System war für ihn eine tiefgreifende Erfahrung. Er widersprach jeder Verharm -losung dieser blutigen Diktatur und hielt die Gleichsetzung der Diktaturen vonNazis und SED für unzulässig. Schönherrs Einstellung zur nationalsozialistischenDiktatur wurde durch den Theologen und Widerstandskämpfer Dietrich Bon -hoeffer geprägt, den die Nazihenker noch im April 1945 ermordeten. Von Bon -

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d a s s t r a ß e n s c h i l d Albrecht Schönherr

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Ein BrandenburgerVON MANFRED STOLPE

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hoeffer lernte er auch, dass Christen selbst in schwierigsten Situatio nen Hoffnunghaben dürfen. Auch wenn der Weg steiler werde, gelte es, kräftig draufloszu schrei -ten im Blick auf neue weite Horizonte.

Aus der Unzufriedenheit wuchs der Umbruch

Das gab ihm die Kraft und die Hoffnung, im kirchenfeindlichen DDR-Systemnicht das Ende aller Wege Gottes mit seinem Volk zu sehen. Sehr früh erlebteSchönherr, welche Vorstellungen die herrschende kommunistische SED und derStaat DDR von Religion und Kirche hatte. Danach galten Religion und Kircheals Relikte der Vergangenheit, die zum Absterben verurteilt seien. Religion seiunwissenschaftlich und falsch. Opium für das Volk und zu dessen Unter drü -ckung von den früheren Ausbeutern genutzt. Die Kirche sei ein Instrument derfrüher herrschenden Klasse, der Kapitalisten und Großgrundbesitzer und in derDDR demzufolge die Fünfte Kolonne des westdeutschen Klassenfeindes. Kircheund Christen waren so in doppelter Hinsicht Feinde. Sowohl im Kampf deratheistischen Weltanschauung gegen die Religion als auch im Klassenkampf alsVerbündete des westlichen Gegners. Dem erwarteten gesetzmäßigen Untergangvon Religion und Kirche sollte nachgeholfen werden. Ihr Einfluss auf die Jugendbekämpft, kirchliche Aktivitäten in sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen Bereichsollten eingeschränkt und ausgeschaltet werden. Kontakte zu den Kirchen in derBundesrepublik wurden möglichst verhindert. Eine massive Kirchenaustritts kam -pagne führte zu einem erheblichen Rückgang ihrer Mitgliederzahl. Religions -unter richt wurde aus den Schulen verbannt und christliche Eltern wurden ausden Elternbeiräten verdrängt. Christen wurden benachteiligt und in ihrem beruf-lichen Fortkommen behindert. Viele Christen fürchteten der kommunistischenÜbermacht ausgeliefert zu sein und nicht wenige flohen in den Westen.

Damit wollte sich Albrecht Schönherr nicht abfinden. Denn er war überzeugt,dass es falsch ist, nur über böse Entwicklungen zu klagen und sich in eine „Welt-Ängstlichkeit“ zu bewegen. Während für viele christliche Amtsträger der atheis -tische Charakter der SED Grund war, möglichst wenig mit Staat und Gesellschaftder DDR zu tun zu haben, sah Schönherr in der DDR keinen „weißen Fleck inder Landkarte Gottes“. Deshalb sollte man den politisch Verantwortlichen nichtaus dem Wege gehen, sondern sie vielmehr fragen, wo der Platz der Christen inder sozialistischen DDR sei. Kirche und Christen sollen sich vor Resignationhüten. Schönherr warnte vor Berührungsängsten. Im Verhältnis zum Staat DDRwollte Schönherr aus der politischen Verdächtigung als Klassenfeind, Handlanger

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manfred stolpe

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des Westens heraus kommen und so die Angriffsfläche gegen Kirche und Chris tenmindern. Er sah die Gefahren einer totalen Anpassung einerseits und der ständi-gen Verweigerung andererseits. Er wollte kein „Partisan des Westens“ sein, son-dern mit beiden Beinen in der DDR als Christ leben. Die Staats- und Partei funk -tionäre sollten zur Kenntnis nehmen, dass zum Christ sein aber nicht nur dasBeten, sondern das Tun des Gerechten unter den Menschen gehört. Die Kirchesollte nicht Kirche neben, nicht gegen, sondern im Sozialismus sein. Sie sollte beiden Menschen sein, die in dieser sozialistischen Gesellschaft leben mussten. Kircheim Sozialismus bedeutete den Anspruch zur Mitgestaltung der Gesell schaft. Dassah die atheistische Ideologie nicht vor. Duldung der Kirche als gesellschaftlicheRealität sei denkbar, aber nicht deren Ausbreitung und Zu kunfts mitgestaltungsowie die Inanspruchnahme des Begriffes Sozialismus durch die Kirche. Die SEDhat äußerst aggressiv reagiert als von Seiten der Kirche vom verbesserlichen Sozia -lismus gesprochen wurde und sah darin eine Unterwanderung der sozialistischenDDR. Tatsächlich gelang es Albrecht Schön herr, das politische Feindbild der SEDgegenüber der Kirche zu mindern und eine größere Eigenständigkeit mit Freiräu -men auch für gesellschaftskritische Debatten in den Kirchen zu ermöglichen. Sokonnten in den achtziger Jahren in den evangelischen Kirchen weit über eintau-send Gruppen entstehen, die sich mit Fragen der Gerechtigkeit, der Umwelt unddes Friedens befassten. Aus ihnen wuchs dann bei wachsender Unzufriedenheitmit der Reformunfähigkeit der DDR-Führung der Druck zu einem Umbruch derVerhältnisse einer friedlichen Revolution.

Eine Brücke zwischen Ost und West

Auch die Ostpolitik Willy Brandts trug erheblich dazu bei, dass die Haltung desDDR-Staates gegenüber der Kirche flexibler wurde. Albrecht Schönherr hatWilly Brandt mehrfach getroffen. Für beide war die Zusammengehörigkeit derDeutschen eine Selbstverständlichkeit. Nach Kontakten mit Helmut Schmidtergab sich zum Beispiel 1980, dass Schönherr jede Möglichkeit nutzte, um dieDDR-Führung vor einem Einmarsch in Polen zur Unterdrückung der Solidarnosc-Bewegung zu warnen. Schönherr tat dies auch auf dem Hintergrund seiner viel-fältigen Kontakte nach Polen und seiner Wertschätzung für unsere Nachbarn.Schönherr unterstützte die kontinuierlichen Gespräche der Evangelischen Kir -chen der DDR und der BRD, ihrer Leitungen, ihrer Fachgremien und vielerTausend Ost-West-Gemeindetreffen. Die evangelische Kirche war eine Brückezwischen Ost und West.

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Erhard Eppler erlebte Albrecht Schönherr als den Bischof, der seine Kircheführen, zusammenhalten und verteidigen musste in einem Staat, nach dessenDoktrin es gar keine Kirche mehr geben sollte. Ein Bischof, der, wenn er etwassagte, ganz dahinter stand, der verbindlich oder gar nicht redete.

Albrecht Schönherr empfand die DDR-Zeit im Sinne Bonhoeffers nicht alsverlorene Zeit, denn verloren wäre die Zeit, in der wir nicht als Menschen gelebt,Erfahrungen gemacht, gelernt, geschaffen, genossen und gelitten hätten. Verlo -rene Zeit ist unausgefüllte leere Zeit. Das sind die vergangenen Jahre gewiss nichtgewesen.

Nach dem Zusammenbruch der DDR und der Wiedervereinigung forderteSchönherr, die DDR-Vergangenheit umfassend und historisch gerecht zu beur -teilen sowie Pauschalierungen zu unterlassen. Stasi-Aufzeichnungen und Akten -noti zen von Funktionären reichten zur wirklichen Aufarbeitung nicht aus undwürden nur die Kluft zwischen Ost und West vertiefen. Schönherr wollte, dassdie, die in der DDR gelebt haben, nicht an den Pranger gestellt werden.

Schönherrs historisches Verdienst besteht in seinem Eintreten dafür, dassChristen sich in der DDR nicht ängstlich hinter Kirchenmauern zurückzogen,sondern in die Gesellschaft hinein wirkten und sie schließlich veränderten. In derZeit der deutschen Teilung half er entscheidend mit, dass die Evangelische Kircheeine Brücke zwischen den deutschen Staaten blieb. Sie hat Gemeinschaft bewahrtund konnte nach 1990 Mitgestalterin des Zusammenwachsens von Ost und Westwerden. Wir können stolz auf den Brandenburger Albrecht Schönherr sein. n

MANFRED STOLPE

war Konsistorialpräsident der Ostregion der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg und

Ministerpräsident des Landes Brandenburg.

Mit dieser Rubrik stellen wir eine Person vor, deren Lebensleistung größere Beachtung verdient. Zum Beispiel in Gestalt von Straßen- oder Schulnamen.

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d a s s t r a ß e n s c h i l d Albrecht Schönherr

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PERSPEKTIVE 21:Wie sind Sie eigentlichzum Radfahren gekommen? War das Zu -fall oder Absicht? MAXIMILIAN LEVY: Schon ein Stück Zu -fall. Ich habe damals noch in Berlingewohnt und da war es halt spannendmit dem Fahrrad durch die Gegend zu fahren und die Welt zu erkunden.Zum Vereinsradsport bin ich danngekommen, weil mir das Fahrrad ge -klaut wurde und meine Eltern mir keinNeues kaufen wollten. Ich wollte aberunbedingt weiter Rad fahren. Dannbin ich halt zum Berliner TSC gegan-gen und hab dort angefangen Radsportzu betreiben.

Keine Feiertage

Hat man dort Ihr Talent schnell erkanntoder war auch das eher Zufall? LEVY:Was heißt schon Zufall? Sind im Alter von zehn Jahren Talente ana-tomisch? Ich glaube, am Anfang wardas noch nicht zu erkennen, wenn-gleich man sicherlich gesehen hat, dassaus dem Jungen was werden könnte.Entscheidend in dem Alter ist aber,dass man Spaß hat und dabei ist.

Wie wurde denn Ihr sportliches Talenterkannt? LEVY: Ich bin im Alter von 13 auf dieSportschule nach Cottbus gewechselt,weil ich dort bessere Möglichkeitenvorgefunden habe zu trainieren. Davor,auf dem Gymnasium, ging das nicht,auch mit der sportlichen Betreuung hates nicht funktioniert. Hier in Cottbuswurde ich vielseitig ausgebildet undgetestet. Und dabei ist dann herausge-kommen, dass ich wie gemacht bin fürsBahnradfahren. So bin ich auf die Bahngekommen und dann relativ schnelldeutscher Meister und Juniorenmeistergeworden.

Wie sieht so ein Training bei Ihnen aus?Trainieren Sie das ganze Jahr?LEVY: Ja, der Körper erkennt keine Fei - er tage und keine Geburtstage. Nacheiner Weltmeisterschaft kann manschon mal zwei bis drei Wochen Ur -laub machen, aber ansonsten wird hartdurchtrainiert. Zum Training ge hörtenaber auch Physiotherapie, Re ge nera -tion und natürlich der Weg zu denTrainingsstätten. Da hat man von frühbis spät zu tun.

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thema – sport frei!

Das Wir-Gefühl fehltÜBER DIE PLANBARKEIT VON GOLDMEDAILLEN, DIE DEUTSCHE

SPORTFÖRDERUNG UND DEN OLYMPISCHEN GEIST

SPRACH THOMAS KRALINSKI MIT MAXIMILIAN LEVY

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Wodurch zeichnen sich denn die Trai -nings bedingungen in Cottbus undFrankfurt aus? LEVY: Zunächst einmal: Die Bedin gun -gen sind hier wirklich gut. Internat,Schule, Mensa und Radrennbahn sindinnerhalb von zehn Minuten erreich-bar. Das ist ein riesiger Vorteil. Dakann man sich besser auf das Trainingan sich konzentrieren, als wenn manden ganzen Tag noch irgendwohingurken muss.

Welche Rolle spielt denn Geld, damitman seinen Sport betreiben kann?LEVY: Klar ist das wichtig, denn manmuss ja auch seinen Lebensunterhaltfinanzieren. Es ist schon ein Problem,wenn man sieht, wie viel Geld andereLeute damit verdienen, dass sportlicheErfolge errungen werden, die Sportlerselbst aber die letzten in der Kette sind.

Nur Fußball im Fernsehen?

Wer sind denn die ersten in der Kette?LEVY: Die Herren Funktionäre, dieganz oben sitzen – bis hin zumRadsport-Weltverband. Die sichernihre Arbeitsplätze mit Erfolgen underzählen gleichzeitig, man wolle janicht vergangene Erfolge honorierensondern in die Zukunft investieren. Dafrage ich mich schon, wie das gehensoll. Ich habe jetzt das Glück, dass icheine halbe Stelle bei Vattenfall habe.Andere gehen zur Polizei oder zur

Bundeswehr. Als Sportler studierengeht kaum, da man ja ein Auslands -semester machen muss – und das istschlicht nicht drin.

Sie gehen also „nebenbei“ noch beiVatten fall ins Büro? LEVY: Das ist sehr großzügig gestaltet,so dass ich das je nach Trainings um -fang gestalten kann. Zuvor habe ichdort eine Lehre als Industrie kauf -mann gemacht. Dafür habe ich einJahr länger gebraucht, weil das sonstmit den Olympischen Spielen 2008in Peking kollidiert wäre. Für michwar das hier am Olympiastützpunktmit Vattenfall eine Supersache. Esgibt wenige Part ner in Deutschland,die das so großzügig mitgestalten.Eine Alternative wäre natürlich auchbei der Polizei gewesen, aber das istnicht so meine Welt…

Erwartet denn ein solcher Sponsor vonIhnen auch sportliche Erfolge oder guckendie nur interessiert zu, wenn sie Rad -fahren? LEVY: Sowohl als auch. Natürlich gibtes vor allem sportliche Erwartungenan mich, weil ich nun mal einen Son -derstatus habe, um sportlich erfolgreichzu sein. Aber mit dem sportlichen Er -folg ist ja auch ein Werbe effekt für dieRegion und die Partner verbunden. Im Unternehmen selbst habe ich Pro -jekt aufgaben, wo ich auch meine Rollespie len muss.

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thema – sport frei!

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Bei den Olympischen Spielen 1992errang Deutschland noch 33 Gold me -daillen. In London, 20 Jahre später,waren es nur noch elf. Woran liegt das? LEVY: Der Leistungssport in Deutsch -land, der ja eine gewisse Tradition hat,hat nicht mehr den gleichen Stellen wert.Sport ist ganz generell nicht mehr at -traktiv genug, jedenfalls nicht so, dassman sagt: Mein Kind macht jetzt Sport.Es gibt halt andere Mög lichkeiten sichdie Zeit zu vertreiben und sei es vormComputer zu sitzen. Hinzu kommt: DieBedingungen sind schlechter geworden.Es gibt nur noch wenige Standorte fürSportschulen und Trai ningsgruppen.Und das hat am Ende auch Auswir kun -gen auf den Leis tungs sport.

Was müsste sich ändern?LEVY:Wir brauchen eine grundsätzlichandere gesellschaftliche Herangehens -weise. Und die Medienlandschaft müsstebreitflächiger über den Sport be richten.

Das heißt, nicht nur über Fußball?LEVY: Ich will gar nicht auf dem Fuß -ball rumhacken. Die können ja auchnichts dafür. Aber wenn man amSonntagabend den „Sportplatz“ aufRBB guckt, frage ich mich schon, wieder Sender seiner Aufgabe gerecht wird,breit zu informieren und zu be richten.Die stürzen sich dort nur auf die gro-ßen Dinge. Wir brauchen in der Ge -sellschaft wieder ein „Wir-Gefühl“. ZuOlympia funktioniert das natürlich

immer, da schalten die Leute ein undwollen am liebsten Goldmedaillen-Gewinner sehen. Aber so einfach funk-tioniert das nicht. Die Begeisterung fürden Sport ist nicht mehr da. Wenn frü-her jemand Weltmeister geworden ist,wurde die halbe Stadt gesperrt und einAutokorso gemacht.

Wenn es drauf ankommt

Das findet heute nur noch bei Fußball -meisterschaften statt. LEVY: Ja, denn es kann es auch keinerwissen, dass ich Weltmeister gewordenbin, wenn es nirgendwo zu sehen ist. ImNovember haben die Deutschen beimJahresweltcup in Glasgow sechs Siegeeingefahren. Ein absolutes Top-Ergeb -nis – das gab es seit Ewigkeiten nicht.Aber nichts davon war hier zu sehen.Man sollte aus dem „Aktuellen Sport -studio“ eine Fußball-Schau machen unddann noch eine extra Sport-Schau. MitSport aber hat das Sportstudio wenigam Hut. Und beim Radsport geht esimmer nur um Doping – was ich ja einStück weit verstehen kann. Aber dabeigeht unter, dass es auch andere Facettenin dieser Sportart gibt. Aber da werdenimmer nur Berichte über die bösenRad sportler gemacht.

Kann man denn sportlichen Erfolg planen? LEVY: Schwierig. Ganz individuell be -trachtet, kann man natürlich nicht

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maximilian levy – das wir-gefühl fehlt

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sagen: Ich hole hier oder dort jetzt eineGoldmedaille – dafür gibt es zu vieleAndere, die das auch versuchen. Aberman kann so trainieren, dass man seineLeistung am Tag X abrufen kann. DieKunst ist immer, nicht Trainings welt -meister zu sein, sondern zu siegen,wenn es wirklich drauf ankommt.

Das IOC hält die Hand auf

Großbritannien und China haben sichvor 10-15 Jahren dazu entschlossen, imLeistungssport besser zu werden und ha -ben dafür viel Geld investiert. Der Me -daillenspiegel in London scheint ihnenRecht zu geben. LEVY: Natürlich spielt Geld auch eineRolle. Ein Vorteil, den wir früher hat-ten, war, dass wir bei den Sportwissen -schaften ganz vorne waren. Diesen Vor -teil haben wir schon lange nicht mehr.Die anderen haben viel Geld investiert,um wissenschaftlich und technischvoranzukommen. Das fehlt uns. Undinsofern lässt sich Erfolg auch planen.

Aber auch die Konkurrenz ist breiter ge -worden. LEVY: Ja. Und die Leistungsdichte sehreng. Das liegt auch daran, dass mittler-weile viele Nationen dabei sind, dieman früher gar nicht auf dem Schirmhatte. Deutschland ist einfach nichtmehr vorne mit dabei. Das beziehe ichgar nicht nur auf den Radsport, sondernauf den deutschen Sport allgemein.

Der Deutsche Olympische Sportbund hatnach Olympia gefordert, die Wirtschaftmüsse mehr tun. Tut sie das? LEVY: Anscheinend nicht genug. Ichbin froh, dass ich einen Partner wieVatten fall habe. Aber es ist schon sehrschwer, die Wirtschaft zu begeistern,wenn man von dem eigentlichen Sportnichts sieht. Wie soll ich einem großenSponsor erklä ren, dass es ganz toll ist,dass er mich unterstützt. Irgendwannsagt der auch, dass er jetzt aber malden Werbe wert berechnen muss – undwenn ich nirgendwo zu sehen bin, istder relativ gering.

Hat denn nach dem bescheidenen deut-schen Abschneiden bei Olympia inLondon ein Umdenken eingesetzt? LEVY: Ich bin mir nicht sicher. Fürmich geht das auch alles viel zu lang-sam. In den nächsten Monaten verhan-deln der DOSB und die Sportverbändeüber die Mittelverteilung. Ich finde, dasmüsste man schneller lösen. Da ist auchdie Politik gefragt. Wir haben genugGeld, um den Euro zu retten. Im Sportinvestieren wir im Jahr 300 MillionenEuro. Wenn man auf Top-Niveau seinwill, ist das nicht viel.

Sehen Sie keinen Widerspruch zwischender Förderung des Breiten- oder des Spit -zensportes? LEVY: Das muss kein Widerspruch sein,das eine baut auch auf das andere auf,zumal sich auch viele ehemalige Spit zen -

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thema – sport frei!

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sportler häufig in Richtung Brei tensportentwickeln. Aber auch dafür bräuchte esein strategisches Konzept. Gleichzeitigfrage ich mich schon, wie man beiGanz tagsschule und Abitur in zwölfJahren eigentlich noch Sport machenwill. Da bleibt einfach keine Zeit mehr.

Sie haben zweimal an Olympischen Spie -len teilgenommen, in Peking und in Lon -don. Haben Sie den olympischen Geistgetroffen? LEVY: Gerade für einen Sportler ineiner Amateur-Sportart wie dem Bah n -rad sport ist Olympia einfach dasGrößte, wo man sich am besten inSzene setzen kann und worauf maneinfach hinarbeitet. Wenn ich jetztun sere Straßen rad fahrer sehe – dassind richtige Profis. Die verdienendamit kein Geld. Wäh rend wir Bahn -radfahrer ein Stück weit darauf ange-wiesen sind. Aber mittlerweile sind dieOlympi schen Spiele ganz schön kom-merzialisiert, das IOC hält ganz schöndie Hand auf.

Das ist eine Geldmaschine geworden? LEVY: Ja, aber nicht für die Haupt -akteu re. Und das ist der Punkt. Allemöglichen Leute verdienen damit Geldund die Sportler müssen darüber dis-kutieren, ob sie für eine Silber me daille10.000 Euro Prämie bekommen. Ichhabe das „Silberne Lorbeerblatt“ be -kom men, die höchste deutsche Sport -auszeichnung. Die Leute fragen mich –Mensch, was kriegste denn dafür?Nüscht, sage ich dann. – Das ist O.K.,aber es bringt mich auch nicht sehr vielweiter.

Kann man denn als Bahnradfahrer auchauf der Straße fahren? LEVY: Oh, das ist wirklich ganz anders.Früher hat man das gemacht fürs Kraft -training, aber um auf Zeit zu trainierengeht das nicht. Aber ich fahre immer-hin zum Training mit dem Rad auf derStraße.

Vielen Dank für das Gespräch und wei-terhin viel Erfolg!

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maximilian levy – das wir-gefühl fehlt

MAXIMILIAN LEVY

gewann eine Silber- und Bronzemedaille im Bahnradsport bei den Olympischen Spielen 2012

und trainiert in Cottbus und Frankfurt (Oder).

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I.Sport ist ein wichtiger Identitäts -anker für das Land Brandenburg.Sportvereine sind „Orte der Begeg -nung“, und bringen Menschen allerGenerationen, unterschiedlicher Her -kunft und Lebensverhältnisse, Men -schen mit und ohne Behinderung mit-einander in Kontakt. Sport bietet allendie Möglichkeit, Gemeinschaft zu erle-ben und Teamgeist zu entwickeln.

Sport ist Vorsorge

Sport verbindet in den Städten undGemeinden Jüngere und Ältere, Alt -eingesessene und Zugewanderte, sozialBenachteiligte und Normalverdiener,Menschen mit und ohne Behinderun -gen. Sportvereine fördern die Inte gra -tion von Migranten, schaffen mehrMiteinander und stärken die Binde -kräfte in unserer Gesellschaft. Geradein ländlichen Regionen, in denen derdemografische Wandel schon deutlichzu spüren ist, halten Sportvereine dasGemeinwesen lebendig und tragen soentscheidend zur Lebensqualität bei.

Sportvereine entwickeln Angebote,die allen die Teilhabe ermöglichen.Men schen mit Behinderungen gehörenvon Anfang an dazu. Im Sport könnenalle Menschen erfahren, wie man ge -meinsam Hürden überwindet und wieman sich gegenseitig unterstützen kann,um Herausforderungen zu meistern.Die Wertschätzung vor den Stär ken derAnderen, von Vielfalt und Heteroge ni -tät können beim gemeinsamen Sport -treiben vorgelebt werden und strahlenin andere Bereiche der Gesellschaft aus.Sport leistet so einen wichtigen Beitragauf dem Weg zu einer inklusiven Ge -sellschaft.

II.Sportliche Betätigung fördertnicht nur körperliche Fitness,sondern bietet auch hervorragendeMög lich keiten, soziale Kompetenzenzu erweitern und ein Klima der Ver -ständi gung und Toleranz zu schaffen.Damit bietet der Sport ein wichtigesHandlungsfeld für mehr Toleranz undgegen Rechts extre mismus und Frem -denfeindlichkeit.

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Lebensqualität, Teilhabeund MiteinanderWARUM DER SPORT EINE ENORME GESELLSCHAFTSPOLITISCHE

ROLLE SPIELT

VON MARTINA MÜNCH

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Mehr als 317.000 Brandenbur gerin -nen und Brandenburger, sind in unserenSportvereinen organisiert. So viele warenes noch nie. Die Basis für die Arbeit un -serer Vereine ist das bürgerschaftlicheEngagement von ca. 46.000 ehrenamt -lichen Mitarbei tern in unseren über3.000 Sport verei nen. Sie bereichern dasLeben an Or ten, an denen sie gemein-sam mit den Frei wil ligen Feuerwehrenoft die einzigen Anlaufpunkte für ge -meinschaftliches, selbstorganisiertesHan deln der Bür gerin nen und Bürgersind. Neben dem Schwerpunkt derArbeit mit Kin dern und Jugendlichenerweitern Ver eine ihre Angebote fürSeniorinnen und Senioren und tragendamit der demografischen Entwicklungim Land Rech nung. Gerade dieser gene-rationsübergreifende Ansatz stärkt denZu sam menhalt in den Gemeinden.

Zusammenhalt stärken

Mit zahlreichen Projekten im ganzenLand engagieren sich Sportvereine fürdie gleichberechtigte Teilhabe vonMenschen mit Migrationshintergrund.Mit dem Landesprogramm „Integra -tion im Sport“ erreichen wir in jedemJahr 50.000 Jugendliche, die nochnicht im Verein Sport treiben. Unterden institutionalisierten Freizeitakti -vitäten stehen Sportvereine bei Ju -gendlichen an erster Stelle. Sport an -gebote haben den größten Anteil anAngeboten von außerschulischer Bil -

dung und Freizeit für Kinder undJugendliche. Sportvereine stärkenKom pe tenzen wie Lernmotivation,Krea ti vität und Selbstständigkeit. InSport vereinen knüpfen Kinder undJugendliche Kon takte zu Gleichaltrigenund machen soziale Erfahrungen au -ßer halb von Schu le, Elternhaus undsozialem Milieu. Hier begegnen sichKinder und Jugend lichen aus unter-schiedlichen Schulfor men, unterschied-licher Herkunft und aus verschiedenensozialen Milieus und lernen den Um -gang mit Vielfalt und Heteroge nität.So tragen Sportvereine konkret dazubei, den sozialen Zusam menhalt inunserer Gesellschaft zu stärken.

III.Sport bedeutet aber auch Le -bens qualität, denn regelmäßigesSporttreiben stärkt die körperliche undgeistige Fitness, hilft Krankheiten zuvermeiden und erhält die Lebensfreude.Viele Zivilisationskrankheiten habenihre Ursache in Bewegungsmangel undbelasten nicht nur den Einzelnen, son-dern auch unser ganzes Gesundheits-und Sozialsystem. Von lebenslangemSporttreiben profitiert jeder Einzelneund auch unsere Gesellschaft als Gan -zes. Mehr Sport tut allen gut.

Unser Ziel ist, dafür zu werben, dassmöglichst viele Menschen regelmäßigSport treiben und sich in den Sport -vereinen engagieren. Um dieses Ziellangfristig zu erreichen, brauchen wirmehr und besseren Sport in der Bil -

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dung und mehr Bildung im Sport.Wir brauchen Strukturen und Ange -bote der Bewegungsförderung und kör-perlichen Bildung von den Kinder ta -geseinrichtungen über die Schulen,Berufsschulen, Universitäten bis hin zumöglichst vielfältigen und umfangrei-chen Fort- und Weiterbildungs ange -boten im Sport. Bewegungsförderungvon klein auf ist ein unverzichtbarerBestandteil der frühkindlichen Ent -wick lungsförderung. Eine möglichstoptimale motorische Entwicklung istauch eine wichtige Grundlage für dieintellektuelle, sprachliche und sozialeEntwicklung unserer Kinder. Benach -teiligung von Kindern aus bildungs-und bewegungsfernen Milieus könnenwir nicht hinnehmen. Zu gleichberech-tigten Bildungschancen für alle Kindergehört der Sport unbedingt dazu.

Sport in der Schule

Deshalb hat der Schulsport im LandBrandenburg einen hohen politischenStellenwert. In unserem Land gibt esnach der Stundentafel der allgemein-bildenden Schulen in den Jahrgangs -stufen 1 bis 13 je drei Wo chen stun denSport unterricht. Dies ist bundesweiteinmalig. Der Sport unter richt basiertauf zeit gemäßen und zu kunftsfähigenpäda gogischen Grund lagen. Die Schul -träger leisten einen wichtigen Beitragund stellen zunehmend bessere Infra -strukturbe dingun gen für einen qualita-

tiv an spruchs vol len Schulsport zurVerfü gung. Der außerunterrichtlicheSchulsport ist in Brandenburg gut entwickelt. Ein großer Schwerpunktwird auf die Zusam menarbeit vonSchu len und Sport ver einen gelegt. Der Landes sportbund Brandenburgwird im Jahr 2013 seinen Anteil zurFörde rung von Koopera tions maß nah -men von Sport vereinen und Schulendeutlich erhöhen. Die Schulen imLand Branden burg bemühen sich ge -meinsam mit den Sport ve r einen dieBundeswett bewerbe „Jugend trainiertfür Oly mpia“ und „Jugend trainiertfür Pa ralympics“ auf allen Ebe nen aufho hem Niveau zu organisieren. Bezo -gen auf die Beteiligung der Schüler amschulsportlichen Wett be werb gehörtBrandenburg zu den er folg reichstenBundesländern.

Von Beginn an haben wir aktiv amAufbau des Wettbewerbs „Jugend trai-niert für Paralympics“ mitgearbeitet.Gerade für behinderte Schüler bietenSport und schulsportliche Wettkampf -sportangebote eine Möglichkeit, neueKontakte zu knüpfen und durch denEinsatz von Schülerhelfern ohne Be -hin derung die Gemeinschaft von Be -hin derten und nicht Behinderten zuerleben. Gemeinsam mit dem Behin -derten-Sportverband Brandenburg wer-den Möglichkeiten der Erweiterungder sportlichen Angebote für Schü ler -in nen und Schüler mit Behinderungentwickelt.

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martina münch – lebensqualität, teilhabe und miteinander

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In den letzten 20 Jahren haben wir vielerreicht, an das wir anknüpfen können,um die Qualität des Schulsports weiterzu entwickeln. Ein Schwerpunkt anallen Schulen ist die individuelle För -de rung. Im Jahr 2009 haben wir mitder Evaluierung des Schulsports in derSekundarstufe I begonnen. Im Herbst2013 wird von der Universität Pots -dam ein entsprechender Abschluss be -richt vorgelegt, verbunden mit Hand -lungsempfehlungen zur qualitativenWeiterentwicklung. Bereits 2010 ist in Kooperation mit der UniversitätPotsdam ein landesweit einheitlichesTestverfahren in der Jahrgangsstufe 3eingeführt worden. Mit ihm soll ermit-telt werden, inwieweit ein sportlicherFörderbedarf für Schüler mit erkenn-baren sportmotorischen Defiziten oderfür sportlich besonders begabte Schülervorhanden ist. Durch all diese Maß -nah men soll, verbunden mit der Aus -weitung der Kooperation von Sport -vereinen und Schulen, die Vielfalt undAttraktivität der unterrichtlichen undaußerunterrichtlichen Schulsport ange -bote verbessert werden.

IV.Eine wichtige Rahmenbedin -gung für die Entwicklung des

Sports in Brandenburg ist eine ausrei-chende Anzahl von Sportstätten. Dankder Anstrengungen der Kommunenund des Landes, aber auch dank derUnterstützung des Bundes konnte dieSportstätteninfrastruktur in den letzten

20 Jahren erheblich verbessert werden.Im Jahr 1993 gab es bei 34 Prozent derSporthallen schwerwiegende Schäden.Im Jahr 2010 bestand nur noch bei elfProzent der Sporthallen ein grundlegen-der Sanierungsbedarf. Mit Mitteln derKonjunkturpakete I und II wurden inden vergangenen Jahren weitere 109Millionen Euro für 348 Maßnahmenim Sportstättenbau eingesetzt. Nebendem deutlich verbesserten Zustand derSporthallen ist insbesondere die Zu -nahme der Vereinsträgerschaft fürSportanlagen hervorzuheben.

Ein Goldener Plan

1993 wurden nur zwei Prozent derSport plätze und vier Prozent der Sport -platzgebäude von Vereinen betrieben.Im Jahr 2010 waren es bereits 31 Pro -zent der Sportplätze und 46 Prozent derSportplatzgebäude. Die Förderpolitikdes Landes hat Wirkung gezeigt - insbe-sondere das Sonderprogramm „Golde -ner Plan Ost“ (GPO) seit 1999. ImRahmen dieses Programms wurden imLand Brandenburg im Unterschied zuden anderen neuen Bundesländern vor-rangig Neubauten für vereinseigeneoder gepachtete Sportstätten gefördert.Bei einer Gesamtinvestitionssummevon 57 Millionen Euro konnten 213Maßnahmen realisiert werden. VonAnfang an haben wir Anstrengungenunternommen, um die Sportvereine zumotivieren, für eigene Anlagen die

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Ver antwortung zu übernehmen. Mit30,3 Millionen Euro haben die Verei -ne auch erheblich zur Gesamtfinanzie -rung dieser Vorhaben beigetragen.Aufgrund der positiven Erfahrungenmit dem „Goldenen Plan Ost“, der2010 ausgelaufen ist, wurde bereits2008 im Rahmen der integriertenländlichen Entwicklung die Förderungdes Sportstättenbaus im ländlichenRaum verstärkt. Insgesamt konnten14,6 Millionen Euro Förderung für 75 Projekte eingesetzt werden. FürSport vereine, deren Sportstätten außer-halb der Förderkulisse liegen, wurdeder „Goldene Plan Brandenburg –Städte“ (GPB-S) mit 2,4 MillionenEuro aus Mitteln des Vermögens derehemaligen Parteien und Massen orga -nisationen der DDR (PMO-Vermö -gen) finanziert. Mit der Konzentrationder Förderung auf vereinseigene Sport -anlagen haben wir die Übernahme ehe-mals kommunaler Sportstätten durchVereine unterstützt. So wurden Sport -anlagen erhalten, die Kommunen wur-den finanziell entlastet und das bürger-schaftliche Engagement in den Ver einenwurde gestärkt.

Beispielhafte Förderung

Neben den Sporthallen und Sport plät -zen gehören die Bäder zur Sportstät -ten infrastruktur. Ausgehend von derBäderplanung des Landes Brandenburgwurden seit 1998 mehr als 275 Millio -

nen Euro in die Bäderinfrastrukturinvestiert. Wir haben in Brandenburgfür die kommunale Daseinsvorsorgeund für den Tourismus ein ausgewoge-nes Angebot, das auch die demografi-sche Entwicklung berücksichtigt. DieGrundsubstanz der bestehenden Hal -len bäder ist, mit Ausnahme des Badesam Brauhausberg in Potsdam, in ei -nem guten Zustand. Insgesamt könnenwir einschätzen, dass wir in den letzten20 Jahren eine erhebliche Ver besserungder Sportstätteninfra struktur erreichthaben.

V.Sport leistet im Sportland Bran -denburg einen wichtigen Beitrag

zur Identifikation der Brandenburgerin -nen und Brandenburger mit ihremLand. Die Bürger sind stolz auf dieLeistungen ihrer Spitzensportler. Mitdem Olympiastützpunkt Brandenburgund dem BundesleistungszentrumKienbaum verfügt Brandenburg übereinen bedeutenden Anteil an der deut-schen Spitzensportstruktur. Die Ergeb -nisse der Brandenburger Sportler beiden Olympischen Spielen und bei derParalympics in London 2012 haben dieLeistungsfähigkeit der Spitzensport -struk turen in unserem Bundesland er-neut eindrucksvoll bestätigt.

Grundlage für die Erfolge ist einebundesweit beispielhafte Nachwuchs -förderung in Zusammenarbeit mit denSpezialschulen Sport in Cottbus,Frankfurt (Oder) und Potsdam. An

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martina münch – lebensqualität, teilhabe und miteinander

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diesen Schulen werden sportlich begab-te Schülerinnen und Schüler aus demgesamten Land Brandenburg in ihrerindividuellen Entwicklung gefördert.Absolventen der Spezialschulen Sporterrangen bei den Olympischen Som -mer spielen in London 2012 drei Gold -medaillen, zwei Silbermedaillen undeine Bronzemedaille. Insgesamt nah-men 25 Brandenburger Sportler inzehn Sportarten an den OlympischenWettbewerben teil. An den Paralympi -schen Spielen nahmen sechs Sport lerin - nen und Sportler teil, sie gewannenzwei Silber- und eine Bron ze medaille.Die Erweiterung der Angebote desparalympischen Leis tungssports an denSpezialschulen Sport ist ein Vorhabenim behindertenpolitischen Maßnah -men paket der Landesregierung.

Die Demografie schlägt zu

Mit Blick auf die Zukunft des LandesBrandenburg steht auch der Sport vorgroßen Herausforderungen. Unser Zielsind gute Lebenschancen für alle in allenLandesteilen. Auch der Sport ist gefor-dert, Antworten zu geben auf die Fragender demografischen Ent wick lung. Ge -rade im ländlichen Raum bieten dieSport vereine gute Voraus set zun gen da -für, die zivilgesellschaftlichen mit denstaatlichen Strukturen zu verbinden.

Ein Schwerpunkt ist die weitereEntwicklung der Kooperation vonSportverein und Schule, unter den Be -

dingungen der zurückgehenden Schü -lerzahlen, veränderter Schulstrukturenund der Einrichtung weiterer Ganz -tagsschulen. Aber auch die Sportve r e ineund Verbände müssen bei der Organi -sa tion des Kinder- und Ju gend sportsmit neuen Lösungen auf die veränder-ten Bedingungen reagieren. In dennächsten Jahrzehnten wird sich dieAlters zusammensetzung der Bevöl ke -rung deutlich verändern. Es wird we -niger junge und mehr ältere Branden -burger geben. Auf diese Ent wicklungmüs sen auch die Sportvereine reagieren.

Unverzichtbarer Beitrag

Für die älteren Brandenburgerinnenund Brandenburger kann Sport erheb-lich zur Gesundheit und Lebensqua -lität beitragen. Sportvereine wirkensozialer Vereinsamung entgegen. DasEhrenamt im Sport kann Älteren dasGefühl geben, gebraucht zu werden.Lebenslanges Sporttreiben hält lebens-ältere Menschen fit und schenkt Le -bensfreude. Im Rahmen von Sport -entwicklungsplanungen wird in denKommunen die demografische Ent -wicklung, der Bedarf an Sportan ge bo -ten und die erforderliche Sport stät ten -infrastruktur miteinander abge glichen.Dabei ist zu beachten, dass sich dieRegionen des Landes unterschiedlichentwickeln, das bedeutet auch, dass diebestehende Sportstätteninfrastrukturgrundsätzlich ausreichend sein wird.

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Im Einzelfall allerdings, insbesondereim berlinnahen Raum, ergibt sich Er -weiterungsbedarf.

Ich bin zuversichtlich: Der Sport imLand Brandenburg wird all diese He -rausforderungen meistern. Sportve rei -ne, Kommunen, Landesregierung undLandessportbund werden sich gemein-sam den erforderlichen Aufgaben stel-len, damit der Sport auch in den

nächsten Jahrzehnten seinen unver-zichtbaren Beitrag für die gesellschaft -liche Entwicklung des Landes und das Glück der Brandenburgerinnenund Brandenburger leisten kann. Wir ha ben einen breiten Konsens im Land:Sport in Brandenburg bedeutet Le -bens qualität, mehr Teilhabe und mehrMiteinander für alle Bürgerinnen undBürger. n

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martina münch – lebensqualität, teilhabe und miteinander

DR. MARTINA MÜNCH

ist Ministerin für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg sowie

stellvertretende SPD-Landesvorsitzende.

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Sport ist ein Spiegelbild unsererGesellschaft. Und genau deshalb

muss auch er sich mit den Problemenunserer Gesellschaft auseinandersetzen,insbesondere mit Problemlagen wiedem Rechtsextremismus, der allgemeinzunehmenden Gewaltbereitschaft, demProblem von Kindeswohlgefährdung,dem demografischen Wandel und vie-lem mehr. Klar ist aber auch: Der Sportsteht nicht allein vor diesen Problemen,sondern unsere Gesellschaft ist in Gänzebetroffen und kann daher auch nur ge-meinsam zu Lösungen kommen. Daherlassen mich Formulierungen wie „Ihrmüsst jetzt reagieren“, „Der Sport mussdas Problem in den Griff bekommen“oder „Der Sport muss sich erklären!“immer sehr nachdenklich werden.

Der organisierte Sport tut gut daran,sich stets und unmissverständlich zubekennen, dass er sich gegen extremisti-sche, rassistische, fremdenfeindliche oderdiskriminierende Tendenzen en ga giert.Alle unsere Sportler und Mit glieder soll-ten ehrlich unsere demokratischenGrundwerte leben und ver mit teln, sowie dies alle Bürger tun sollten. Sport -

lern oder Vereinsmit glie dern, die eineandere Sichtweise zu diesem demokra -tischen Verständnis haben, sollten mitgezielten Hilfen Werte vermittelt wer-den, die Extremismus, Ras sismus, Frem -denfeindlichkeit und Dis kriminierungausschließen.

Klares Bekenntnis

Konsens in der gesamten Sportfamilieist, dass Toleranz, Fair Play, gegenseiti-ge Achtung und Regelakzeptanz immeran erster Stelle stehen. Persönliche oderfeindliche Auseinandersetzungen we genunterschiedlicher Interessen, Ge dankenoder Einstellungen dürfen keinen Platzim Sport haben. Unsere akti ven Sport -ler, Trainer und Funktio näre müssendabei Ihre Vorbildfunktion erkennbarausfüllen.

Die Verantwortlichen der Vereineund Eigentümer dürfen die Anwesen -heit von Sportlern und Mitgliedern aufund in ihren Sportstätten nicht dulden,wenn von ihnen insbesondere aktiveGewalt, Rassismus, Extremismus injeder Form, Diskriminierung im Allge -

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Rechtsextremismus und SportMÖGLICHKEITEN UND GRENZEN DES ORGANISIERTEN SPORTS

VON TOBIAS SCHICK

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meinen und Diskriminierung vongleichgeschlechtlichen Partnerschaftensowie Diskriminierung von Menschenmit Behinderungen im Besonderenausgeübt wird. Das Hausrecht mussdann engagiert und konsequent ausge-übt werden.

Grenzen des Handelns

In Cottbus haben wir dies durch einegemeinsame Erklärung für Vielfalt, To -le ranz und Demokratie im Sport verab-redet, wobei die Cottbuser Sport ver einesich bereiterklärt haben, diese Erklä -rung alle zwei Jahre durch erneute Rati -fizierung zu bestätigen, um dadurch einkontinuierliches Signal an die CottbuserBevölkerung zu senden.

Schon hier zeigen sich jedoch ersteGrenzen für das Wirken und Handelndes organisierten Sports und der über-wiegenden Mehrheit von ehrenamtli-chen Akteuren. Was machen wir mitMenschen, die nicht unseren Vereinenangehören, die Gäste oder Zuschauersind und sich nicht an unsere demo-kratischen Grundwerte halten? Undwie setzen wir unser Hausrecht gegengewalttätige Bürger um?

Wir sind in Zusammenarbeit mitden beteiligten Sportvereinen in Cott -bus übereingekommen, bei Bedarf Pro -bleme und Aktionen gemeinsam zubesprechen sowie mögliche Aktivitätengemeinsam zu planen und umzusetzen.Von 140 Cottbuser Sportvereinen

haben gerade einmal acht Vereine einenhauptamtlichen Mitarbeiter in der Ge -schäftsstelle, der sich um die Orga ni -sation des Vereins bemüht und sichAufgaben wie dem Kampf um Hallen -zeiten, dem Durchführen von Wett -kämpfen, dem Bewerkstelligen vonWett kampffahrten, der Aus-, Fort-und Weiterbildung von Trainern undÜbungs leitern, dem Einwerben vonSponsoren, der Abrechnung von För -dermitteln, der Öffentlichkeitsarbeitusw. widmet. Der überwiegende Teilunserer Vereine arbeitet ehrenamtlichund hat damit nur ein sehr begrenztesZeit- und Leistungsbudget für seineVereinstätigkeit zur Verfügung.

Bildung und Vernetzung

Unsere Vereine werden daher ohneBeratung, gezielte Schulungen, aktiveUnterstützung und eine gute Vernet -zung zu ihren Kreis- und Stadt sport -bün den, Landesverbänden, dem Lan -des sportbund und vielen Insti tutio nennicht wirksam gegen Rechtsextre mis -mus handeln können.

Beispielsweise kennen unsere Funk -tionäre, Übungsleiter oder Schieds rich -ter – wie die meisten Bundesbürger –keine Zifferncodes, keine beliebtenMar ken oder Musikbands der rechtsex-tremistischen Szene – der Verfassungs -schutzbericht gehört nun mal nicht zurAlltagslektüre unserer Bürger. Umrechtsextremistische Vereinsmitglieder

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oder Sportler beispielsweise des Ver -eins geländes zu verweisen, muss mansie aber zuerst als solche erkennen.Hier hilft nur die frühe und wieder -holte Vermittlung von Wissen, bei der Übungsleiterausbildung oder beiFort bildungen für Übungsleiter undFunk tionäre.

Nicht nur Bomberjacken

Aber auch hier stoßen wir an Gren -zen. Meist geben selbst Verfassungs -schützer und Spezialisten zu, dass essich wie beim Hasen und dem Igelverhält. Die rechte Szene ist nichtmehr einfach an Bomberjacke undSpringerstiefeln zu erkennen. DieNazis machen es der Zivilgesellschaftnicht so leicht, sie wechseln ihre be -vorzugten Marken, ändern Ihre Codesund drücken sich durch verschiedeneMusikrichtungen aus.

Allein in Cottbus wollen wir fast1.000 Übungsleiter schulen. Inner -halb eines Jahr werden wir sowohl ausorganisatorischen als auch finanziellenGrün den allerdings gerade mal dreiim besten Fall vier Fortbildungen mitdurchschnittlich je 25 Teilnehmerndurchführen können. Der gemeinsa-me „Fortbildungsauftrag“ für unsereAkteu re im Sport, muss daher aufDauer aber auch auf Freiwilligkeitangelegt sein.

Ich selbst muss an dieser Stelle ein-gestehen, dass ich als hauptamtlicher

Mitarbeiter im Sport oft mit vielenverschiedenen Dingen beschäftigt bin,die Zeit meist nie reicht und ich nurwenig Leidenschaft entwickelte, michselbstständig zum Thema Rechtsextre -mismus zu informieren oder ausreichendden Kontakt zu Ansprechpart nern auf-zubauen. Wie bei vielen Din gen imLeben ändert sich die Meinung und vielwichtiger, die Bereitschaft, sich intensi-ver mit der Problematik auseinanderzu-setzen erst, wenn man selbst betroffenist. Man mag an dieser Stelle den Kopfschütteln, aber ich bin ehrlich und weiß,dass es den meisten Menschen – ob imSport oder in anderen Bereichen unsererGesellschaft – oftmals so geht.

Mehr Zeit

Wir brauchen daher vor Ort bei denKreis- und Stadtsportbünden ausgebil-dete Ansprechpartner mit ausreichendZeit. Die Hemmschwelle, sich im Be -darfsfall bei seinem zuständigen Kreis-oder Stadtsportbund zu melden, ist ausmeiner Sicht geringer, als den Erstkon -takt zu einem mobilen Beratungsteamaufzunehmen. Aber auch hier sind dieGrenzen erkennbar. Die Kommunenund das Land müssen endlich gemein-sam die Finanzierung der hauptamtli-chen Mitarbeiter in den Kreis- undStadtsportbünden und ihren Jugend -organisationen verlässlich regeln. Invielen Kreisen in Branden burg gibt esnicht mal mehr einen hauptamtlichen

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tobias schick – rechtsextremismus und sport

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Mitarbeiter bei der Sportjugend. An dereKreis- und Stadt sportbünde müssen sichvon Jahr zu Jahr eine Finanzie rung ihrerMitar bei ter in der Auseinan dersetzungmit an deren freien Trägern erkämpfenund warten oft noch Monate auf einenZuwendungsbescheid. Mitarbei ter, diesich qualifiziert und engagiert insbeson-dere bei Themen wie der Jugend arbeitund dem Rechtsextre mis mus einbrin-gen wollen, brauchen jedoch Planungs -sicherheit und das Ge fühl, dass die Ge -sellschaft ihre Arbeit wertschätzt. Tunwir dies?

Internationaler Austausch

Die wenigen hauptamtlichen Mitarbei -ter im Sport erleben leider oft, dass siesich selber und/oder ihren Arbeitsplatzständig im Verteilungskampf der weni-ger werdenden kommunalen Mittelneu erfinden und deren Berechtigungabermals unter Beweis stellen müssen.Ich kenne die Haushaltslage vielerKommunen und will an dieser Stellenicht auf die angespannte Situationmeiner Heimatstadt Cottbus eingehen.Ich bin umso mehr froh, dass wir inCottbus stabile Verhältnisse in derBeschäftigung bei der Cottbuser Sport -jugend haben. Stabile Strukturen unddamit engagierte und verlässliche Part -ner vor Ort sind wichtig. Vor allemsind sie auch effektiver als ständigwechselnde Landes- und Bundespro -gramme zur Bekämpfung des Rechts -

extremismus oder für Toleranz undgegen Gewalt. Wichtig sind Verläss -lich keit und Kompetenz – und zwardort, wo sie direkt gebraucht werden –und nicht die Weiterentwicklung zen-traler Strukturen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist dieInternationalisierung des Sports. InBrandenburg haben nicht einmal fünfProzent unserer Mitbürger einen Migra -tionshintergrund. Wenn man die Zahlder Flüchtlinge und Asylbewerber hin-zurechnet, sprechen wir von ca. zehnProzent der Brandenburger Bevölke -rung. Aber viele Bürger mit Migrations -hintergrund haben es eindrucksvoll indie Fußball-Nationalmannschaft ge -schafft, Ausländer spielen in vielenBundesligamannschaften im Fußball,Handball, Basketball oder Volleyballund genießen ein hohes Ansehen.

Migranten gewinnen

Dennoch sind die Vorurteile undÄngste gegenüber „Fremden“ nach wievor in unserer Gesellschaft vorhanden.Zum einen muss es uns stärker gelin-gen, Migranten für Übungsleitertätig-keiten und Funktionen im Vorstandder Sportvereine zu gewinnen. Inte -gration bedeutet für mich nicht nurdabei zu sein, sondern ein Teil zu sein,sich aktiv einzubringen. Viele Jahrehaben die Migranten zwar Sport imVerein gemacht, sind aber oftmalsunter sich geblieben. Dabei scheinen

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thema – sport frei!

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beide Seiten zu wenig aufeinander zu -gegangen zu sein. Viele Pilotprojekteder brandenburgischen Sportjugendmachen mich jedoch optimistisch, dasswir hier auf einem richtigen Weg sind.

Am Ball bleiben

Zum anderen bemüht sich der organi-sierte Sport verstärkt, junge Sportlermit internationalen Sportlern zusam-menzubringen. Dies geschieht ganzklassisch auf der Ebene von internatio-nalen Wettkämpfen im In- und Aus -land, aber zunehmend auch durch dasOrganisieren von internationalenJugendaustauschen oder durch dasEuropäische Freiwilligenjahr. Es istunumstritten, dass man durch gemein-same Erlebnisse nicht nur Vorurteileabbaut, sondern den Menschen unddie vielen Gemeinsamkeiten erkennt.Hier müssen wir weiterhin als Sportam Ball bleiben und die Rahmen be -dingungen verbessern und die För -dermöglichkeiten bekannter machen.Aber auch hier gilt, dass wir eine lang-fristige Finanzierungs unter stützungund verlässliche Ansprech partner vorOrt zur Realisierung des Jugendaus -tauschs mit und im Sport benötigen.Die zumeist ehrenamtlich geführtenSportvereine können nur mit haupt-amtlicher Unterstützung internationaleProjekte umsetzen und damit einenwichtigen Anteil beim Abbau vonVorurteilen leisten. Meist sind verfes-

tigte Vorurteile der Nährboden fürfremdenfeindliche Einstellungen.

Satzungen anpassen

„Die Cottbuser Sportvereine heißenjeden, unabhängig seiner ethnischenund kulturellen Zugehörigkeit, seinerReligion, seiner politischen Meinungoder seiner gesellschaftlichen Stellungherzlich willkommen“ – so oder soähnlich steht es in vielen Vereinssat -zun gen Brandenburger Sportvereine.Politische Meinungsfreiheit war beson-ders nach der Wiedervereinigung einwichtiges Thema für die Branden bur -ger und so auch für den organisiertenSport und seine Vereine. Dennochglaube ich, müssen wir hier Grenzenziehen:

Unbelehrbare Mitglieder, die sichextremistisch, rassistisch, fremden-feindlich oder diskriminierend äußernoder in einer solchen Weise handeln,sollten von den Vereinen ausgeschlos-sen werden. Aber wie?

Wir haben unsere Mitgliedsvereineauf gerufen, in ihrer Satzung die fol-gende Formulierung aufzunehmen:„Der Ver ein tritt rassistischen, extre-mistischen, fremdenfeindlichen unddiskriminierenden Bestrebungen ent-schieden entgegen. Er fördert diesoziale Inte gra tion und gleichberech-tigte Teilhabe unter Wah rung derkulturellen Viel falt.“ Mit dieser For -mulierung geben wir uns selbst die

51perspektive21

tobias schick – rechtsextremismus und sport

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Möglichkeit, unsere Sportler und Ver einsmitglieder zu konfrontieren.Die Satzungsänderung muss durch die Mitgliederversammlung diskutiertund beschlossen werden. Die Vor -stände müssen diese Mitglieder ver -sammlung gut vorbereiten und sichmit dem Thema ebenfalls auseinan-dersetzen.

Nun muss man kein Jurist sein, umzu wissen, dass jeder Vereinsauschlussoder jede andere Entscheidung mögli-cherweise vor Gericht anfechtbar ist.Kann man aber trotzdem die Unbe -lehr baren ausschließen? Ist das wirklichnoch die Aufgabe des organisiertenSports, des ehrenamtlichen Vorstands -mitgliedes oder des Übungsleiters?Bürger auszuschließen, entsprechendeGerichtsverfahren zu verfolgen und diemögliche Niederlage einzukalkulieren?Ich weiß es nicht.

So ergeben sich viele Fragen: n Was machen wir mit Menschen, die

nicht unserem Verein angehören, dieGäste oder Zuschauer sind und sichnicht an unsere demokratischenGrundwerte halten?

n Wie setzen wir unser Hausrecht ge-gen gewalttätige Bürger um?

n Mitarbeiter, die sich qualifiziert undengagiert insbesondere bei Themenwie der Jugendarbeit und dem Rechts - extremismus einbringen und sensibleProzesse führen wollen, brauchenPlanungssicherheit und das Ge fühl,dass die Gesellschaft ihre Arbeit wert-schätzt. Tun wir dies?

n Kann ich die Unbelehrbaren aus-schließen?

Diese Fragen lassen sich nicht ab -schließend beantworten. Ich weiß, dasses den Verfassungsschutz, das Innen -mi nisterium, das Justizmi ni s teriumund die Polizei in den Län dern und imBund gibt. Ich erwarte, dass wir alle imDialog und mit der ge meinsamen Ab -sicht, Lösungen zu finden, dann auchAntworten auf die Fragen geben kön-nen. Dabei hoffe ich sehr, dass diestaatlichen Institutionen aus tiefsterÜberzeugung den Weg zum Sport unddamit zum Ehrenamt finden. Dennehrenamtliches Engage ment darf nichtmit Erwartungen überfrachtet werden.Die erste wäre zu glauben, dass Ehren -amtliche im Sport auf den Verfassungs -schutz, das Innenministerium oder dasJustiz mi nisterium zugehen. n

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thema – sport frei!

TOBIAS SCHICK

ist Geschäftsführer des Stadtsportbundes Cottbus e.V.

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Spätestens wenn, wie in den letztenMonaten, nach Olympischen Spie -

len das Abschneiden der deutschen Ath -letinnen und Athleten diskutiert wird,landet man bei der Frage: Wie war esmöglich, dass die DDR- Mann schaftenmit den USA oder der Sowjet unionkonkurrieren konnten? Auch die erstegemeinsame deutsche Mannschaft nachder Wiedervereinigung belegte 1992 inBarcelona in der Medaillen wer tung mit33 Goldmedaillen nur knapp hinterden GUS- Staaten und den Amerika -nern Platz 3, während das deutscheTeam in London mit elf Gold medaillenund großem Abstand zu den inzwischengroßen Vier USA, China, GastgeberGroßbritannien und Russ land nochhinter Südkorea nur auf Platz 6 landete.

Neben vielen anderen durchausnachvollziehbaren Gründen hört manhäufig die Meinung, dass es heute un -gleich schwerer geworden ist, Kinderfür eine sportliche Betätigung zu be -geistern und noch schwerer, jungeMenschen für eine leistungssportlicheKarriere mit all ihren Strapazen und

Risiken zu motivieren. Verbunden mitder demografischen Entwicklung, spe-ziell in ländlichen Regionen führt dasdazu, dass das Reservoir an talentiertenund motivierten jungen Sportlerinnenund Sportlern damit extrem einge-schränkt ist.

Viele Alternativen

Natürlich fehlt in unserer heutigenWohlstandsgesellschaft der Anreiz,durch sportlichen Erfolg dem sozialenElend zu entkommen oder – wie in derDDR – sich die ersehnte Reisefreiheitzu erkämpfen. Natürlich gibt es fürunsere Kinder und Jugendlichen nebendem Sport eine Vielzahl von Alterna -tiven für eine interessante und auchsinnvolle Freizeitbeschäftigung. Natür -lich sind die kommerziellen Sportan -bieter als Konkurrenten für die Sport -vereine primär am Geldverdienen undnicht an einer gezielten Talentförde -rung interessiert. Natürlich haben esviele der traditionellen Sportartenschwer, sich neben den von Medien

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„No Sports“ oder „Sport frei“?WER IN VEREINE UND SCHULSPORT INVESTIERT, WIRD BEI OLYMPIA

ERNTEN KÖNNEN

VON HOLGER RUPPRECHT

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und Bekleidungsindustrie hofiertenTrendsportarten zu behaupten.

Und trotzdem ist es zu einfach undnach meiner Meinung auch falsch, sichmit diesen zweifellos vorhandenen Pro -blemen abzufinden und damit nicht nurdie künftige Olympiabilanz zu gefähr-den, sondern auch die unbestrittenenVorzüge einer lebenslangen sportlichenBetätigung nicht ausreichend zu würdi-gen. Was also ist zu tun?

Zunächst ist hier die Politik gefor-dert, dem organisierten Sport durchkluge Entscheidungen die Bedingungenzu schaffen, um attraktive Angebote fürSportinteressierte vorzuhalten. Dazugehört die Bereitstellung einer entspre-chenden Infrastruktur ebenso wie dieUnterstützung der ehrenamtlich oderhauptamtlich im Sport tätigen Übungs -leiter, Trainer und Funktionäre. Dieseaktive Unterstützung beginnt in derKommune und endet bei der Landes-bzw. Bundespolitik. Die Veränderungdes Sportfördergesetzes in Brandenburgist dafür ebenso ein positives Beispiel,wie die kostenlose Bereitstellung vonSportanlagen für den Vereinssport invielen Gemeinden und Städten.

Die Vereine sind gefragt

Weitere wichtige Stellschrauben fürnotwendige Veränderungen findet manin den Sportvereinen und den Schulenunseres Landes. Sie bilden gemeinsamdie Basis für ein erfolgreiches Sport -

system. Auch wenn wir uns in Bran -denburg über einen der demografi-schen Entwicklung widersprechendenZuwachs von organisiert Sporttreiben -den freuen, liegen wir im Vergleich mitden alten Bundesländern noch weitzurück. Der sogenannte Organisations -grad beträgt in Brandenburg aktuell 13 Prozent, im Bundesschnitt jedoch29 Prozent und ist in unserem Bun -desland auch bei Kindern und Jugend -lichen deutlich geringer als in anderenLändern. Hier sind unsere Vereinegefragt!

Starke Sponsoren fehlen

Als seit über 16 Jahren amtierenderVorsitzender eines Sportvereins bin ichmir der Schwierigkeiten bewusst, beieiner überwiegend ehrenamtlichenVereinsstruktur dieser Herausforde -rung gerecht zu werden. Wie überallentscheidet über Erfolg oder Misserfolgauch hier primär die finanzielle Aus -stattung. Nur wenn es gelingt, nebenden beitragszahlenden Vereinsmit glie -dern auch starke Verbündete in derKommune und der Wirtschaft zu fin-den, die bereit sind, sich zu engagieren,wird es möglich sein, einen Verein sozu entwickeln, dass er als Anziehungs -punkt speziell für sportinteressierteKinder und Jugendliche wirkt. Daspositive Image eines Vereins wirdgeprägt durch engagierte und qualifi-zierte Übungsleiter und Trainer, mög-

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thema – sport frei!

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lichst attraktive Sportstätten und einausgeprägtes Vereinsleben als entschei-dender Vorteil gegenüber der kommer-ziellen Konkurrenz. Nur wer in seinemVerein ein ausgeprägtes Wir-Gefühlentwickelt, kann sicher sein, dass derZusammenhalt auch in schwierigenZeiten bestehen bleibt. Eine entschei-dende Rolle spielen hierbei die Elternder Kinder und Jugendlichen. Sie dür-fen nicht nur Konsumenten einerDienstleistung durch den Verein sein,sondern sollten sich aktiv und unter-stützend einbringen, um die Verant -wortlichen zu entlasten.

Typisch für ostdeutsche Sportverei -ne ist die vergleichsweise geringe Zahlvon fördernden Mitgliedern, die ihrenBeitrag entrichten, ohne eine direkteGegenleistung zu erhalten und damitdas finanzielle Fundament des Vereinsstützen. Das spiegelt zweifellos diewirtschaftliche Gesamtsituation derneuen Länder wider, die immer nochdeutlich hinter den alten Ländern zu -rückhinken. Hier liegt auch die Ursa -che für die Probleme vieler Verei ne inBrandenburg, finanzstarke Spon sorenzu finden, die in der Lage sind, denSport tatkräftig zu unterstützen. Wieman am Beispiel der Mann schafts sport -arten ganz deutlich sehen kann, habenwir hier einen klaren Wettbewer bs nach -teil im gesamtdeutschen Vergleich.

Besonders schwierig ist die Situationfür viele Sportvereine in den dünnbe-siedelten Regionen unseres Landes.

Bedingt durch die demografische Ent -wicklung ist die Zahl der Kinder, dieals potenzielle Vereinsmitglieder zurVerfügung stehen inzwischen sehrüberschaubar geworden. Dadurch fälltes den Vereinen zunehmend schwererzum Beispiel in den Spielsportartenwie Hand- oder Fußball wettkampf -fähige Mannschaften zu bilden. Hiersind kreative Lösungen gefragt, denndie Möglichkeit, sich im sportlichenVergleich zu messen, ist für viele jungeSportler unverzichtbar, der Wettkampfist sozusagen das Salz in der sportli-chen Suppe. Spielgemeinschaften undauf die schwierigen Bedingungen abge-stimmte Spielpläne können hier hilf-reich sein.

Schulsport motiviert

Ganz entscheidend für die Erfolge derVereinsarbeit im Nachwuchsbereich ist die notwendige Kooperation zwi-schen Sportvereinen und Schulen.Damit komme ich zur zweiten Säuledes Systems.

Die meisten Kinder werden, wennsie nicht das Glück hatten, eine bewe-gungsorientierte Kita zu besuchen oderdurch ein sportliches Elternhaus vorbe-lastet sind, erstmals in der Grund schu -le mit regelmäßiger sportlicher Betä -tigung konfrontiert. Hier entscheidetsich daher für viele Kinder, welchenStellenwert das Sporttreiben in ihremkünftigen Leben haben wird. Daraus

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holger rupprecht – „no sports“ oder „sport frei“?

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erwächst eine große Verantwortung füralle Pädagogen einer Schule, nicht nurfür die im Sportbereich Tätigen. Alsehemaliger Sportlehrer und Schulleiterweiß ich sehr wohl, wie wichtig einsport freundliches Schulklima für dieBereitschaft der Schüler, aktiv Sport zutreiben ist. Das gilt selbstverständlichnicht nur für Grund- sondern auch füralle weiterführenden Schulen. Die Be -achtung der sportlichen Leistungenund die Würdigung sportlicher Erfolgedurch die Schulleitung und das Kolle -gium motivieren nicht nur Mädchenund Jungen, sondern auch derenSportlehrer.

Als es noch Spartakiade hieß

Denn nur wenn die Sportlehrer bereitsind, sich neben einem guten Unter richtauch außerschulisch zu engagieren, zumBeispiel Arbeitsgemein schaf ten zu lei-ten, oder die Schüler zu Wett kämpfenwie Jugend trainiert für Olympia zubegleiten, wird der sport liche Funkeüberspringen. Wenn es dann auch nochdie Bereitschaft gibt, mit benachbartenSportvereinen zu kooperieren, kann esgelingen, dass manches sonst unerkanntgebliebene Talent entdeckt und geför-dert wird. Ohne pauschal und undiffe-renziert kritisieren zu wollen, scheintmir dieses Engagement heute leiderweniger ausgeprägt zu sein, als zu denZeiten, als Jugend trainiert für Olympianoch Spartakiade hieß.

Wer die, zugegebenermaßen mitdem Alter leider abnehmende, Begeis -te rung beobachtet hat, mit der Grund -schüler an einer gut vorbereiteten unddurchgeführten Sportstunde teilneh-men, oder die Ernsthaftigkeit undLeistungsbereitschaft einer Trainings -gruppe, die sich im Verein auf einenWettkampf vorbereitet, kann ermessen,wie hoch die Arbeit der Verant wort -lichen in Schulen und Vereinen einzu-schätzen ist. Diese engagierten Sport -enthusiasten zu unterstützen sollte eingesamtgesellschaftliches Anliegen sein.

Was hat das nun mit Olympia unddem Hochleistungssport zu tun? DieOlympischen Spiele in London habenganz deutlich gezeigt, dass sich an derweltweiten Aufmerksamkeit für diesesgrößte Sportereignis ebenso wenig ge -ändert hat, wie an der gesellschaftspoli-tischen Bedeutung für die teilnehmen-den Staaten. Das gilt ohne Zweifel auchfür Deutschland und führt zwangsläufigzu der Frage: Was sind uns sportlicheErfolge wert? Oder anders formuliert:Müssen wir denn bei Olympia vornmitmischen?

Stolz und Vorbild

Ich will bei der Beantwortung mit derzweiten Frage beginnen: Ja! Wir müs-sen bei Olympischen Spielen undanderen sportlichen Großereignissenunser Leistungsvermögen unter Beweisstellen. Nicht, damit die Kanzlerin

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thema – sport frei!

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unseren Sportlern zujubeln kann undder Bundespräsident Silberne Lorbeer -blätter verteilen kann, sondern weil dergrößte Teil unserer Bevölkerung mitunseren Athleten mitfiebert und ihnenden Erfolg wünscht. Der Stolz aufunsere Spitzensportler und deren Vor -bildwirkung für unsere Kinder undJugendlichen ist für mich unverzicht-bar. Wenn die Erfolge unserer Athletenviele Menschen in unserem Land nichtnur begeistern, sondern auch zu eige-nem Sporttreiben animieren, hat sichder Aufwand gelohnt.

Damit bin ich bei der ersten Frage:Wie immer wird nach einem sport lichenGroßereignis auch nach dem Vergleich

von Aufwand und Nutzen gefragt. Ichglaube nicht, dass wir in einen finanziel-len Wettstreit mit den Nationen tretensollten, die trotz wirtschaftlicher Pro -bleme aus Prestige grün den Unsummenin den Sport investieren. Wir solltenstattdessen unser För dersystem überden-ken und nach der Devise: Weniger istmanchmal mehr, darüber nachdenken,ob eine Konzentration auf wenigerSport arten, oder Disziplinen mit maxi-maler För derung nicht sinnvoller wäre.Dabei habe ich auch das zu erwartendedemografische Echo im Hinterkopf, dasdie schon beschriebenen Probleme beider Nachwuchsgewinnung nochmalsverschärfen wird. n

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holger rupprecht – „no sports“ oder „sport frei“?

HOLGER RUPPRECHT

ist sportpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Brandenburg sowie Präsident des Handballvereins 1. VfL Potsdam.

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thema – sport frei!

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N icht erst seit der Aufdeckung desDopingsystems um Lance Arm -

strong und der Entmystifizierung desanscheinend bestorganisierten Sport -betrü gers ist die Diskussion um denerfolgver sprechendsten Weg hin zu einer effizienten Bekämpfung des Do -pings neu entfacht. Der tiefe Fall deseinstigen Publikums- und Medien hel -den Armstrong hat international undnational großes Aufsehen erregt. InDeutschland stellen wir uns die Frage,wie es der US-amerikanischen Anti Do -ping Agentur USADA gelungen ist, dasdunkle Doping-Netzwerk von LanceArmstrong und seinem U.S. Postal-Teamzu enttarnen – und welche Instrumentedie USADA offensichtlich hat, um solchumfassende Ermittlungs ergebnisse vor-legen zu können. Es scheint, als sei esder USADA auch dank enger Koope ra -tion mit staatlichen Behörden gelungen,einen mehr als nur plakativen Erfolg inder Dopingbe kämp fung zu erringen.

Die Dopingbekämpfung in Deutsch -land steckt hingegen momentan ineiner strukturellen und finanziellen

Krise. Das 2007 im Deutschen Bun -destag verabschiedete „Gesetz zur Ver -besserung der Bekämpfung des Do pingsim Sport (DBVG)“ hat aufgrund desWiderstandes der CDU nur bedingt zueiner Verbesserung des Kampfes gegenDoping beigetragen.

Kleinster gemeinsamer Nenner

Das Gesetz umfasste beispielsweiseeine Kennzeichnungspflicht für doping -relevante Arzneimittel, eine Zustän dig -keit des Bundeskrimi nalamtes für dieFälle des organisierten Handels mit zuDo pingzwecken geeigneten Arznei -mitteln wie Anabolika, Hormonprä pa -rate oder das von Lance Armstrongunter anderem ausgiebig genutzte Eposowie Straf verschärfungen für banden-oder ge werbsmäßige Dopingstraftaten.Wich tigster – aber leider auch strittigs-ter – Punkt der damaligen Gesetzes ini -tiative hingegen war die Diskussionum eine „Besitzstrafbarkeit“. Die SPD-Bundestagsfraktion war überzeugt, dassnur eine generelle Besitzstrafbarkeit ein

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Keine Leistung um jeden PreisEINE EFFEKTIVE DOPINGBEKÄMPFUNG IN DEUTSCHLAND BRAUCHT

EFFEKTIVERE MASSNAHMEN

VON DAGMAR FREITAG

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ausreichend scharfes Schwert ist, umDopingsünder abzuschrecken. GroßeTeile des deutschen Sports, insbeson-dere der Deutsche Olympische Sport -bund, hatten sich gegen diese Forde -rung ebenso vehement gewehrt wie derdamalige Koalitionspartner CDU/CSU.Am Ende wurde nur die Strafbarkeitdes Besitzes nicht geringer Mengenbestimmter Dopingsubstanzen einge-führt. In der Großen Koalition wardieses Gesetz zu jenem Zeitpunkt alsoder kleinste gemeinsame Nenner. Vonder Forderung nach einer Be stra fungdes Besitzes jeder Menge von Doping -substanzen ist die SPD-Bun destags -fraktion jedoch nie abgerückt.

Ein Aktenzeichen reicht nicht

Dieses Gesetz befindet sich aktuell inder Evaluierung, ein entsprechenderEvaluierungsbericht ist durch Prof.Matthias Jahn (Universität Erlangen-Nürnberg) erstellt worden. Als Ver -besserungen vorgeschlagen werdenunter anderem die Einführung einerweiteren Tathandlung des „Erwerbs“von Dopingmitteln im Arzneimittel -gesetz (AMG), diverse Maßnahmen zueiner Verbesserung und Vereinheit -lichung der Sachbehandlung von Do -pingstraftaten und die Einführungeines eigenen „Aktenzeichens“ für Do pingermittlungsverfahren.

Das wird aber nicht ausreichen, umdie Dopingbekämpfung entscheidend

zu verbessern. Es ist nicht verwunder-lich, dass auch in dieser Evaluation voneiner generellen Besitzstrafbarkeit abge-raten wird. Prof. Jahn hatte sich bereits2007 in einer schriftlichen Stellung -nahme im Rahmen der öffentlichenAnhörung zum Gesetzentwurf zur Ver -besserung der Bekämpfung des Do pingsim Sport ausdrücklich gegen eine gene-relle Besitzstrafbarkeit ausgesprochen.Die im Evaluierungsbericht eben fallsartikulierte Forderung nach Einrichtungweiterer Schwerpunkt staats anwaltschaf -ten hilft wenig, wenn bestehende gesetz-liche Lücken nicht geschlossen werden.Zwar gibt es eine beachtliche Zahl vonErmittlungs ver fahren, allerdings bezie-hen sich diese vor allem auf den Handelvon Arznei mitteln im Kraft- und Fit -ness sport. Betrüger im Spitzensport hatman mit diesen Instrumenten bishernicht überführen können.

Bayern will mehr

Bemerkenswerterweise schlägt diebayerische Justizministerin Beate Merk(CSU) – leider ohne ausreichendeUnter stützung ihrer CSU-Landes grup -pe in Berlin – seit Jahren in dieselbeKerbe und stellt sich damit offen gegendie von der Unionsfraktion propagierteHaltung. Ihre Kernforderung ist nichtnur die Abkoppelung der Strafbarkeitdes unerlaubten Besitzes von Doping -mitteln vom Vorliegen einer nicht ge -ringen Menge – sie plädiert beispiels-

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thema – sport frei!

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weise auch für einen erhöhten Straf rah -men. Merk hat diesen ForderungenTaten folgen lassen und in Bayernbereits im Jahr 2009 die erste Schwer -punktstaatsanwaltschaft eingerichtet –ihre Erfahrung ist jedoch eher ernüch-ternd. Im November 2012 hat FrauMerk in einem Interview im dradioausgeführt, dass ihre Staatsanwaltschaftnur dann ermitteln dürfe, wenn einkonkreter Verdacht auf den Besitzeiner nicht-geringen Menge bestehe.

Der Fall Armstrong zeigt es

Die grün-rote Landesregierung inBaden-Württemberg hat ebenfalls imNovember 2012 ein umfassendes Eck -punktepapier vorgestellt, um Sportlervor Betrügern zu schützen und einenfairen Wettbewerb im Sport zu ge -währleisten. SPD-Justizminister RainerStickelberger will mit seinen darin ent-haltenen Forderungen, unter anderemnach einer Einführung eines neuenStraftatbestands Sportbetrug, einerStrafbarkeit des Handels mit und desErwerbs von Dopingmitteln in nichtgeringer Menge und einer Einführungeiner Kronzeugenregelung, ein deut -liches Zeichen in der anstehendenDiskussion um gesetzliche Verschär -fungen durch den Bund setzen. Dassdie Bundesregierung allerdings aufdiese gleichermaßen konstruktiven wieweitreichenden Vorschläge eingehenwird, dürfte leider illusorisch sein.

Auch die SPD-Bundestagsfraktionwird sich in den parlamentarischenBeratungen mit Kritik an dem Eva -luationsbericht nicht zurückhalten undweiter auf schärfere Gesetze inklusiveder Einführung einer generellen Besitz -strafbarkeit drängen. Auch über einefunktionierende Kronzeugenregelungmuss nachgedacht werden. Es mussmöglich sein, Sportlern, Trainern, Be -treuern oder Ärzten Strafmin de rungenzu gewähren, wenn sie ihr Wissen überDopingpraktiken preisgeben, um demDopingsystem und seinen Akteuren dasHandwerk zu legen. Wie effektiv ein sol-ches Kronzeugenprogramm sein kann,haben die Ermittlungen der USADAgegen Lance Armstrong ge zeigt. DieZusammenarbeit zwischen Sport undStaat scheint hier ziemlich gut funktio-niert zu haben. Grund sätz lich müssenzur effektiven Dopingbe kämpfung auchin unserem Land alle beteiligten Institu -tionen kooperieren und Informationenaustauschen können.

Keiner fühlt sich zuständig

Ein effektiver Kampf gegen das Do -ping erfordert neben verbessertengesetzlichen Regelungen auch dieOpti mierung von Organisationen undStrukturen. Die wichtigste nationaleOrganisation in der Dopingbe kämp -fung ist die Nationale Anti DopingAgentur (NADA). Sie wurde im Jahr2002 als Stiftung des bürgerlichen

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dagmar freitag – keine leistung um jeden preis

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Rechts mit Sitz in Bonn mit dem Zielgegründet, den Kampf gegen Dopingim Sport auf nationaler Ebene zu för-dern und zu koordinieren. Die Kern -aufgabe der NADA ist zuallererst dieUmsetzung eines einheitlichen Do -ping kontrollsystems für Deutschland.

Bei der Gründung war angedacht,die Finanzierung der operativen Arbeitder NADA allein durch die Erträge auseinem ausreichend hohen Stiftungs ka -pital zu bestreiten. Financiers – auchStakeholder genannt – sollten nebender öffentlichen Hand (Bund undLänder) der Sport und die Wirtschaftsein. Dieses Modell stellte sich bald alswenig tragfähig heraus, denn einzig derBund beteiligte sich in nennenswertemUmfang am Aufbau des Stiftungs ka -pitals. In der Folge führte dies dazu,dass die Finanzierung der alltäglichenAufgaben der NADA einzig durchjährliche Zuschüsse gesichert werdenkonnte; auch hier hielten sich bis aufden Bund alle Stakeholder aus denunterschiedlichsten Gründen zurück.Auch der von BundesinnenministerHans-Peter Friedrich im Februar 2012einberufene „Runde Tisch“ zur Fi nan -zierung der NADA hat keine Akqui -rierung von Finanzmitteln bewirkenkönnen, im Gegenteil: Die Länder,Sponsoren aus der Wirtschaft und derSport fühlten sich für eine funktionie-rende Nationale Anti-Doping-Agenturerkennbar nicht zuständig – die gerin-gen finanziellen Beiträge lassen nichts

anderes als diese ernüchternde Schluss -folgerung zu. Einmal mehr musste die Arbeit der NADA auch für daskom men de Jahr 2013 in letzter Minu -te durch Mittel des Bundes gesichertwerden.

Es fehlt Geld und Personal

Die Nationale Anti-Doping-Agentursteht finanziell daher auch weiterhinauf tönernen Füßen. Interesse an derArbeit der NADA scheinen die Stake -holder dennoch zu haben – jedenfallsbestehen insbesondere der Sport unddie Bundesländer auf Mitsprache bzw.Kontrolle durch Sitz und Stimme imAufsichtsrat der NADA. Keine finan-zielle Verant wortung übernehmen,aber Einfluss einfordern, auch an dieserStelle hinkt das Stiftungsmodell. Daherwird dieses Stiftungsmodell sich einergenauen Prüfung unterziehen müssen.Die NADA muss dauerhaft organisato-risch, finanziell und personell abgesi-chert sein, um strategisch, langfristig,effizient und effektiv die Rolle desDopingjägers Nummer 1 übernehmenzu können. Nur eine starke, möglichstunabhängige NADA mit ausreichen-den, verlässlichen Ressourcen undweit gehenden Kompetenzen kann einfunk tionierendes Element in der Be -kämpfung des Dopings sein.

Eine weitere wichtige Säule im Maß -nahmenpaket gegen Doping muss diePrävention sein. Der Missbrauch von

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thema – sport frei!

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Arzneimitteln und die Anwendung verbotener Methoden wie Blut- oderGendoping stellen eine gravierendeGefahr für die Gesundheit der Sportlerdar. Doping ist somit auch unter ge -sundheitlichen Aspekten kein Kava -liersdelikt, massive Schäden bis hin zuTodesfällen drohen. Die Nebenwir -kungen des Dopings unterscheidennicht zwischen Spitzen- und Breiten -sportlern, darum müssen sich Prä ven -tionsinitiativen allen Bereichen zuwen-den. Einem Artikel der Ärzte-Zeitungzufolge, der eine Studie von Prof.Brune und Dr. Küster zitiert, hat eineBefragung von 4.000 Teilnehmerndes Bonn-Marathons ergeben, dassdie Hälfte aller Läufer bereits vordem Start „legale“ Schmerzmittel ein-nahm. Mit scharfen Gesetzen kannund soll hier nicht gesteuert werden,vielmehr muss Aufklärung das Maßaller Dinge sein. Gefordert sind hierdie Veran stalter und Sponsoren vonLaufevents ebenso wie Lauftrainer,Übungsleiter, Coaches in den Fit -nessstudios und Ärzte.

Auch Ärzte sind gefragt

Den Ärzten kommt eine besondereVerantwortung bei der Betreuung undBegleitung von Sportlern im Breiten-und im Spitzensport zu. Dem hippo -kratischen Eid verpflichtet, ist die Ge -sundheit der Patienten ihr höchstesGut. Wer sich als Arzt an Doping -

praktiken beteiligt und damit die Ge -sundheit eines Menschen riskiert, solltemit dem Entzug der Appro bation be -droht sein. Egal ob der Mediziner aktivist und beispielweise Blutmanipulationbetreibt oder „nur“ passiv entsprechen-de Medikamente ohne medizinischeIndikation verschreibt – die Beteili -gung an unerlaubter Leistungs steige -rung muss auch hier empfindlicheStrafen nach sich ziehen (können).

Nur die Spitze des Eisberges

Gefordert sind auch die Pharmakon -zerne. Wären diese grundsätzlich be reit,zur Leistungssteigerung geeignete Sub -stanzen bereits in der Entwicklungdurch von der Welt-Anti-Doping-Agen -tur (WADA) anerkannte Do ping kon -trolllabore begleiten zu lassen, könntenentsprechende Nachweis ver fahren weit-aus früher bei Dopingkon trollen einge-setzt und Dopingsünder verläss licherüberführt werden. Erste Schritte hierzubahnen sich auf internationaler Ebeneerfreulicherweise an.

Die Vielfalt der aufgezeigten Akteu reund Maßnahmen macht deutlich, dassdie Bekämpfung des Dopings eine ge -samtgesellschaftliche Aufgabe ist. Dazugehört auch, dass unsere Gesell schaftihre Definition und ihre Bewer tungvon Leistungen überdenken muss. Inimmer mehr Bereichen des Alltagsstrebt unsere Gesellschaft da nach,Gren zen zu überwinden – Gren zen zu

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dagmar freitag – keine leistung um jeden preis

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akzeptieren, fällt anscheinend zuneh-mend schwer. „The winner takes itall…“ – in der öffentlichen Wahr -nehmung ist eine Platzierung außer-halb der Medaillenränge bei einemSport event häufig schon ein Miss -erfolg. Persönliche Bestleistungen wer-den nur selten gewürdigt, es zählt nurder objektive Vergleich im olympi-schen Streben nach dem Schneller,Höher, Weiter. Auch außerhalb desSports glaubt man, Grenzen beliebigverschieben zu müssen oder zu kön-nen. Schon Kinder und Jugendlichenehmen Mittel zur Kon zentra tions -steigerung. Der Wunsch nach mög-lichst unbeschränkter Leistung amArbeitsplatz führt zu Psycho- undNeuro-Enhancement durch verschrei-bungspflichtige Arzneimittel, die

beruflichen Stress mindern und Leis -tungs potenziale erhöhen sollen.

Das Dopingproblem im Sport istdeshalb nur die Spitze des Eisbergesbeim Streben nach Leistungssteigerungin unserer Gesellschaft. Doping imSport ist aber insbesondere deshalbbesonders verwerflich, da die Spitzen -sportler häufig Vorbilder für den Nach -wuchs sein könn(t)en und soll(t)en. DerSport beruht auf dem Fair-Play-Gedan -ken und dem fairen Mit- bzw. Gegen -ein ander im Wettkampf. Doping trittdiese Grundwerte mit Füßen und mussmit allen Mitteln bekämpft werden, nurdann wird der Sport seine grundlegendwichtige Bedeutung für das Werte sys -tem, für soziales Lernen und faires Mit -einander in unserer Gesell schaft bewah-ren können. n

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thema – sport frei!

DAGMAR FREITAG

ist Bundestagsabgeordnete der SPD und Vorsitzende des Sportausschusses des Deutschen Bundestages.

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W as vom DDR-Serienmeister BFCDynamo heute noch existiert,

macht Sinn: im Gegensatz zum ehemali -gen „Trägerbetrieb“. Wenn und soweitder Fußball in Berlin-Hohen schön hau -sen lokaler Fixpunkt sozialer Integrationist, der mit 30 Mannschaften regelmäßigam Spielbetrieb teilnimmt, dann ist daszunächst so begrüßenswert wie irgend-wo sonst auf der Welt. Ebenso zu gou-tieren sind jene gemeinwohlförderndenEffekte von größeren Vereinen, die inder Stabilisierung und Aktivierung eh-renamtlicher Netzwerke, im generatio-nenübergreifenden Miteinander und natürlich in der pädagogisch kaum zuunterschätzenden Nachwuchsarbeit au-genscheinlich werden. Und außerdem:Sport ist gesund.

Selbstverständlich treffen all dieseAspekte auch auf jeden anderen Fuß -ballverein zu, der mit dem BFC derzeitin der fünften Spielklasse um sportli-che Erfolge konkurriert. Ja, sie könnengrundsätzlich jedem Sportverein zuge-schrieben werden, sofern er eine gewis-se lokale Strahlkraft besitzt. Fußball ist

in Deutschland-Ost und Deutschland-West gleichermaßen unangefochtenerVolkssport Nummer eins. Und wennein Fußballverein bereits in der drittenoder vierten Generation in der Regel -mäßigkeit des Punktspielbetriebes Kol -lektiverlebnisse generiert, dann wird erunweigerlich mehr – nämlich Sinnträ -ger und Heimat.

Was ist Heimat?

Wobei „Heimat“ ein durchaus viel -deutiger Begriff ist. Seine hässlichstenKon notationen traten in den ostdeut-schen Fußballstadien zweifelsohne inden frühen und mittleren neunzigerJahren zutage. Wer erinnert sich nichtmit erheblichem Schauder an jene bür-gerkriegsähnlichen Bilder aus Berlin,Leipzig, Dresden, Cottbus, Chemnitz,Erfurt, Magdeburg oder Rostock?Schwer verletzte, demolierte Sitztribü nen,geplünderte Innenstädte und ramponier-te Züge waren die wochenend lichenFaustrecht-Melodien des jugend lichenAbgesangs auf die alte „Heimat“.

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Kommunitarismus in der KurveEIN VERSUCH ÜBER HYBRIS UND HEIMAT IN OSTDEUTSCHEN

FUSSBALLSTADIEN

VON FRANK SCHÖNEMANN

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Ohnmächtig standen verunsicherteVolkspolizisten, überforderte Elternund Lehrer einer Generation Heran -wachsender gegenüber, für die dieSuche nach dem alterstypischen Pro -vokationsinstrumentarium nichtzwangsläufig, aber doch mit einergewissen Vorhersehbarkeit im Bruchdes letzten verbliebenen gesamtdeut-schen politischen Tabus mündete.Jenes auf Filmdokumenten noch heuteso erschütternde euphorische Schwen -ken von Reichskriegsflaggen und dasungenierte Herausstrecken des rechtenArmes dienten gleichermaßen als will-kommene Kriegserklärung an die altenund neuen Machteliten. Die hem-mungslose Koketterie mit nationalis -tischer Selbstüberhebung, offenem Ras sismus und Antisemitismus, ja mitNazisymbolik in Reinform forderte denlängst in operativer Routine er starrtenoffiziell verordneten Anti fa schismus derentsorgten DDR-Funk tionäre ebensoheraus wie die neuen Demokratie er zie -her aus dem Westen.

Neue Subkultur im Osten

Es war ganz sicher auch dieses zwei -dimensionale Provokationspotential, das jenes verharmlosend so genannte„Rechtssein“ zur am schnellsten wach-senden ostdeutschen Jugendsubkulturnach der Wende werden ließ. Nichtnur, aber doch in besonders verdichte-ter und radikaler Form unter den

Fußballanhängern. Dass alte Nazi-Netz werke in Westdeutschland wederKosten noch Mühen scheuten, umjene menschenverachtenden und ge -schichtsblinden Erzählungen in denKöpfen junger Ostdeutscher ideolo-gisch zu verfestigen, gehört allerdingsauch zur bitteren Realität jener Nach -wendejahre.

Rechtsfreie Räume

Nein, mit der Sehnsucht nach „Hei -mat“ hatte dieses ins Groteske überstei-gerte Konglomerat aus Gewalt, Bruta -lität und xenophobischer Hass ideo logie,dass die ostdeutschen Stadien undBahn höfe Wochenende für Wochen -ende in rechts- und moralfreie Räumeverwandelte, nichts mehr zu tun. Mitdem Tod des erst 18-jährigen BerlinersMike Polley durch Polizeischüsse imRahmen von Ausschreitungen beimSpiel zwischen Sachsen Leipzig (vorherBSG Chemie) und dem FC Berlin(vorher BFC Dynamo) fanden die an -ar chi schen Gewaltexzesse ihren trauri-gen Höhepunkt am 3. November 1990auf dem Bahnhofsgelände in Leipzig-Leutzsch.

Heute, im zweiundzwanzigsten Jahrnach der deutschen Wiederver eini gung,hat sich nicht nur die ostdeutsche Wirt -schaft und Gesellschaft, sondern ebensodie Fußballkultur trans for miert. In denKurven, in denen ihre großen Brüderund Väter (Fußballgewalt ist ein nahe-

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zu ausschließlich männliches Phäno -men) vor gut 20 Jahren vergeblich ver-suchten, die richtungslose Sinnsucheund die manifesten biographischenBrüche mit provozierender Hass-Sym -bolik und entgrenzter Gewalt zu kom-pensieren, choreographieren die „Ultras“nun am Wochenende 30-Meter-Banner,komponieren teilweise erstaunlicheChor stücke und erheben einen selbstbe-wussten kollektiven Ge staltungsanspruchin und gegenüber ihren Vereinen. Na -türlich ist die „Ultra“-Bewegung keineostdeutsche Besonderheit und schon garnicht hat sie hier ihren Ursprung.

Was sind Ostderbys?

Aber dennoch: Die ostdeutsche Fan sze -ne ist anders und sie selbst legt durch-aus Wert darauf! Es gibt kein Duellalter DDR-Oberliga-Konkur renten,das nicht, egal in welcher Liga, vonden be richtenden öffentlich-rechtlichenRegio nalsendern mit dem Attri but„Ostderby“ versehen zum Gegen standüberdurchschnittlicher öffent li cherAufmerksam keit überhöht wird. Wasaber ist im Jahr 2012 das Spezifischean einem Fußball spiel zwischen – nungut, sagen wir: Energie Cottbus undDyna mo Dresden?

Oder besser: Was unterscheidet dasDortmund-Schalke-Derby und dasMünchener Stadtderby zwischen Bay -ern und 1860 vom Berliner Ost derbyzwischen Union und dem BFC und

dem Thüringenderby zwischen Rot-Weiß Erfurt und Carl-Zeiss Jena?

Es geht bestimmt in allen genanntenKonstellationen um gruppensoziolo -gische Prozesse, um lokale Semantik -käm pfe in einem thematischen Raum,um anthropologisch erklärbare männli-che Kampfrituale und um – kein Essayohne Luhmann-Referenz – System-Um -welt-Differenzierungen.

Zentrale Planung, lokaler Vollzug

Trotz alledem: Im kollektiven Bewusst -sein ostdeutscher Fußballfans ist jenegeteilte Erinnerung lebendig, in derenRahmen sich Heim- und Gästeblockunhörbar und doch unüberhörbar zu -flüstern: „Früher! Früher war alles bes-ser...“. Aber was war denn früher? Diesportpolitische Infrastruktur der DDRfolgte den gleichen Imperativen wie die Industrie: Zentrale Planung undlo kaler Vollzug. Wie viel Rivalität undFeind schaft zwischen regionalen oderlokalen Fanszenen hätte vermiedenwerden können, wenn nicht jedes viel-versprechende Talent des DDR-Fuß -balls auf höheres Geheiß hin von sei-nem Heimatclub „delegiert“ wordenwäre, hin zu einem jener zentral amReiß brett nach Bezirks geometrie ent-worfenen „Leistungszentren“?

Indessen: Dieses System war so ef - fek tiv, dass sich zu guter Letzt die bes-ten Fuß baller der DDR tatsäch lichaus nahms los in der höchsten Spiel klas -

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se tummelten. Und das tun und tatensie auch im Westen. Nur die Entschei -dungsparameter waren selbstredendandere.

Im Meer der Ungewissheit

Während der Westen der Republiknach dem Mauerfall jeglicher spürbarenZäsur entbehrte, die BVB-, FCB-, S04-,HSV- und VfB-Fans einfach unbenom-men weiter ihren Hobbies in jenem alt-hergebrachten und gewohnten konsu-mistischen Umfeld frönten und nachdem Millennium maximal ihre engli-schen 200 Euro-Parkas durch italieni-sche 300 Euro-Sportjacken ersetzenmussten, um sich weiterhin stilsicherauf dem Stadion-Parcours bewegen zukönnen, für dessen Betre ten sie, ohnegrundsätzliche Fragen zu stellen, Wochefür Woche 50 Euro und weit mehr be -zahlten, kam den ostdeutschen Fuß - ballanhängern mal eben der Staat ab -handen. Und mit ihm das gesamteplan wirtschaftliche Arsenal nicht nurihres Fußballvereins, sondern ebensoihres Arbeits- und Produkti vi tätsalltages,sämtliche Arrangements der Vereinbar -keit von beruflicher und privater Exis -tenz. Kurzum: Für die Fußballfans derostdeutschen Vereine war ihr Club dasletzte Wrackstück zum Festhalten ineinem Meer der Ungewissheit, nachdemSchiff und Kapitän verloren waren.

Von den Werkshallen und Verwal -tungsgebäuden ist heute vielerorts

kaum noch etwas greifbar, genau wievon jenen Bungalowsiedlungen undKinderferienlagern, die sich so tief eingeprägt haben in das kollektive Ge dächtnis der einstigen Jung- undThälmannpioniere. Im Zweifelsfallbesingt heute irgendein betrogenerwestdeutscher Immobilienanleger dieIdylle der Magdeburger Börde aufIbiza.

Aber der Verein ist geblieben! Undmit ihm die große Hypothek, die Treu - hand anstalt, Helmut Kohl, schmierige„Spielerberater“, Anwälte und DFBjenen ostdeutschen Brigaden und Kom -binatskollektiven als Unterpfand für dieversprochene Freiheit gegeben haben.

So frei wie nie zuvor

Wenn heute Hunderttausende an je -dem Wochenende in deutsche Sta -dien pilgern, um den Verein ihrerKindheit mit Herz und Portemonnaiezu unterstützen, dann sind darunterauch Zehn tausende Ostdeutsche, diein Gedanken sagen: „Früher hattenwir keine Macht und heute fehlt unsdas Eigenkapital. Aber wir glaubenfest an das Finale des Landespokals.Und es wird der Tag kommen, andem 50.000 Fußballfans in einembaufälligen Stadion in Berlin-Hohen -schönhausen ihre Hypothek einfor-dern: Wir sind so frei wie nie zuvor,doch dem Verein fehlt schlicht dasGeld für Gerechtigkeit.“

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Und der eine oder andere wird nachdem Spiel zuhause staubsaugen unddabei vielleicht den vergessenen drittenBand des „Prinzip(s) Hoffnung“ vonErnst Bloch finden, jenes Leipziger undTübinger Apologeten der menschlichenTagträume und auf der letzten Seitelesen: „Die Wurzel der Ge schich te aber

ist der arbeitende, schaffende, die Ge -gebenheiten umbildende und überho-lende Mensch. Hat er sich erfasst unddas Seine ohne Entäuße rung und Ent -fremdung in realer De mokratie begrün-det, so entsteht in der Welt etwas, dasallen in der Kindheit scheint und worinnoch niemand war: Heimat.“ n

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FRANK SCHÖNEMANN

ist Mitarbeiter eines Bundestagsabgeordneten und Fan von FC Rot-Weiß Erfurt.

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70 dezember 2012 – heft 55

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72 dezember 2012 – heft 55

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Heft 23 Kinder? Kinder!Heft 25 Erneuerung aus eigner KraftHeft 26 Ohne Moos nix los?Heft 27 Was nun Deutschland?Heft 28 Die neue SPDHeft 30 Chancen für RegionenHeft 31 Investitionen in KöpfeHeft 32 Auf dem Weg ins 21.JahrhundertHeft 34 Brandenburg in BewegungHeft 35 10 Jahre Perspektive 21Heft 36 Den Rechten keine ChanceHeft 37 Energie und KlimaHeft 38 Das rote PreußenHeft 39 Osteuropa und wirHeft 40 Bildung für alle

Heft 41 Eine neue Wirtschaftsordnung?Heft 42 1989 - 2009Heft 43 20 Jahre SDPHeft 44 Gemeinsinn und ErneuerungHeft 45 Neue ChancenHeft 46 Zwanzig Jahre BrandenburgHeft 47 It’s the economy, stupid?Heft 48 Wie wollen wir leben?Heft 49 Geschichte, die nicht vergehtHeft 50 Engagement wagenHeft 51 Die Zukunft der KommunenHeft 52 Die Zukunft der MedienHeft 53 Welche Hochschulen

braucht das Land?Heft 54 Quo vadis Brandenburg?