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Wilfried Kurth Proportionale und antiproportionale Textaufgaben Eine empirische Untersuchung liber Unterrichtseffekte auf das Losungsverhalten von SchUlern 269 Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Naturwissenschaften des Fachbereichs Mathematik/lnformatik der Universitat OsnabrUck, 27. Juni 1989. Die Dissertation stellt die Frage nach der Wirkung von Unterricht, bezogen auf den im Titel genannten Gegenstand. Damit unterscheidet sie sich von einer Reihe empirischer Arbeiten zum Losen proportio- naler und (seltener) antiproportionaler Aufgaben, in denen der Un- eine weitgehend unkontrollierte Variable bleibt und die Kompetenzsteigerung der SchUler mit zunehmendem Alter als entwicklungsbedingt interpretiert wird. KernstUck der Arbeit ist daher ein Vergleich der Erfolgsstrategien und Fehlermuster von SchUlern vor und nach der Unterrichtseinheit Uber Proportionen und Antiproportionen, der Versuch, die Verande- rungen zu erklaren und vor diesem Hintergrund die Wirkung des Un- terrichts zu beurteilen. Die Hauptuntersuchung aus Tests, Einzelinterviews und Unterrichts- beobachtungen wurde an einer Stichprobe von 114 RealschUlern des siebten Schuljahres durchgefUhrt. FUr die Auswertung konnten die in der Forschungsliteratur verwen- deten Kategoriensysteme fUr Losungsmuster (hier sind vor allem Karplus u. a. 1974, Suarez 1977, vergnaud 1983 zu nennen) geeignet weiterentwickelt werden. Das mangelhafte Bruchzahlverstandnis konnte als wesentliche Ursache fUr Fehlermuster vor der Unter- richtseinheit identifiziert werden. Der Unterricht bewirkt hier keine entscheidende Anderung, da er das Problem nicht themati- siert, sondern das Schwergewicht auf die Erarbeitung schematisier- ter Verfahren legt. (JMD 11 (90) 3, S. 269-270)

Proportionale und antiproportionale Textaufgaben

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Wilfried Kurth

Proportionale und antiproportionale Textaufgaben

Eine empirische Untersuchung liber Unterrichtseffekte auf das Losungsverhalten von SchUlern

269

Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Naturwissenschaften des Fachbereichs Mathematik/lnformatik der Universitat OsnabrUck, 27. Juni 1989.

Die Dissertation stellt die Frage nach der Wirkung von Unterricht,

bezogen auf den im Titel genannten Gegenstand. Damit unterscheidet sie sich von einer Reihe empirischer Arbeiten zum Losen proportio­

naler und (seltener) antiproportionaler Aufgaben, in denen der Un­terrichtseinflu~ eine weitgehend unkontrollierte Variable bleibt

und die Kompetenzsteigerung der SchUler mit zunehmendem Alter als entwicklungsbedingt interpretiert wird.

KernstUck der Arbeit ist daher ein Vergleich der Erfolgsstrategien und Fehlermuster von SchUlern vor und nach der Unterrichtseinheit Uber Proportionen und Antiproportionen, der Versuch, die Verande­

rungen zu erklaren und vor diesem Hintergrund die Wirkung des Un­terrichts zu beurteilen.

Die Hauptuntersuchung aus Tests, Einzelinterviews und Unterrichts­beobachtungen wurde an einer Stichprobe von 114 RealschUlern des siebten Schuljahres durchgefUhrt.

FUr die Auswertung konnten die in der Forschungsliteratur verwen­deten Kategoriensysteme fUr Losungsmuster (hier sind vor allem

Karplus u. a. 1974, Suarez 1977, vergnaud 1983 zu nennen) geeignet

weiterentwickelt werden. Das mangelhafte Bruchzahlverstandnis

konnte als wesentliche Ursache fUr Fehlermuster vor der Unter­

richtseinheit identifiziert werden. Der Unterricht bewirkt hier

keine entscheidende Anderung, da er das Problem nicht themati­

siert, sondern das Schwergewicht auf die Erarbeitung schematisier­

ter Verfahren legt.

(JMD 11 (90) 3, S. 269-270)

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Bei der Erkl§rung von ver§nderungen im Losungsverhalten erwies sich Dorners Theorie des Problemlosens als Informationsver­

arbeitung (Dorner 1979) als geeigneter Rahmen, denn hier werden Probleme in einem Sinne beschrieben, wie proportionale und anti­proportionale Textaufgaben SchUlern vor der Unterrichtseinheit be­gegnen. Die Wirkung von Unterricht konnte vor dem Hintergrund ei­

ner theoretischen Beschreibung der Fortentwicklung der Problem­losef§higkeit beurteilt werden.

Die Arbeit kommt zu dem Ergebnis, da~ es mit den g§ngigen unter­richtsverfahren nicht in einem befriedigenden Ausma~ gelingt, den

SchUlern Einsichten in die Prinzipien der im unterricht behandel­ten Losungsverfahren zu vermitteln, sondern da~ diese vorwiegend instrumentell benutzt werden. Ursache hierfUr ist, da~ diese Ver­fahren aus eigenschaftsbeschreibenden Definitionen proportionaler

und antiproportionaler zuordnungen gewonnen werden, die wenig ge­eignet sind, bei SchUlern Modellvorstellungen von funktionalen zu­

sammenh§ngen aufzubauen.

Die Untersuchungsergebnisse stehen deutlich im Widerspruch zu der

auch ill der Fachdidaktik verbreiteten Annahme, da~ bei schwachen SchUlern durch das Vermitteln und EinUben gewisser Techniken lang­fristig die Beherrschung entsprechender Aufgabentypen gew§hrlei­stet werden kann.

Die Arbeit ist inzwischen In der Reihe "Texte zur mathematisch-na­tUlwissenschaftlich-technischen Forschung und Lehre" im verlag Barbara Franzhecker, Bad Salzdetfurth, 1989, erschienen.

Literatur

DORNER, D.: Problemlosen als Informationsverarbeitung. stuttgart: Kohlhammer 1979 (2. Auflage)

KARPLUS, R .IKARPLUS, E. F .IWOLLMAN, W.: Intellectual development beyond elementary scho~l: Ratio, the influence of cognitive style (Vol. 4). School Science and Mathematics, Jg. 74 (1974), 476-482

SUAREZ, A.: Formales Denken und Funktionsbegriff bei Jugendlichen. Bern: Hans Huber 1977

VERGNAUD, G.: Multiplicative structures. In: Lesh, R. & Landau, M.: ACquisition of Mathematics Concepts and Processes. New York: Academic Press 1983

Dr. Wilfried Kurth Uelzener Str. 22 2800 Bremen 44