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Schon einmal sollte ein „Studen- tenberg untertunnelt“ werden. Mit ihrem „Öffnungsbeschluss“ von 1977 erklärten die Minister- präsidenten der damaligen Bundesrepublik den drastischen Anstieg der Studierendenzahlen zu einem demografischen Über- gangsproblem. Bekanntlich kam es anders: Dem Gipfel folgte ein Hochplateau. Statistisch gesehen teilen sich seitdem zwei Studie- rende einen Studienplatz. 35 Jahre später kommt es noch dicker. Die gebur- tenstarken Jahrgänge der neunziger Jahre strömen an die Hochschulen. Hinzu kommen die Auswirkungen der Verkürzung der Schulzeit auf zwölf Jahre: In fast allen Bundesländern strömen dop- pelte Abi-Jahrgänge an die Hoch- schulen. Unerwartet sorgt außer- dem die Aussetzung der Wehr- pflicht dafür, dass bis zu 70.000 Studienberechtigte vorzeitig ein Studium aufnehmen möchten. Inzwischen versuchen Bund und Länder zwar mit dem „Hochschul- pakt 2020“ gegenzusteuern. Unter Experten gilt es aber als ausge- macht, dass der Hochschulpakt unterfinanziert ist. Die Hochschul- rektorenkonferenz geht davon aus, dass allein im Wintersemester 2011/12 Studienplätze für 50.000 Studienanfängerinnen und Studi- enanfänger fehlen werden. Die Folge: In vielen Studienfächern haben die Hochschulen flächen- deckend einen Numerus Clausus verhängt. Viele Studienberechtigte müssen lange Wartezeiten in Kauf nehmen oder weichen gleich in die berufliche Bildung oder ins Aus- land aus. Organisierte Verantwortungslosigkeit Doch damit nicht genug: Auch in diesem Wintersemester werden an vielen Hochschulen in zulassungs- beschränkten Studiengängen tau- sende Studienplätze unbesetzt blei- ben – Folge des nicht enden wol- lenden Zulassungs-Chaos, für das die Länder und die Hochschulrek- toren verantwortlich sind. Nur noch in den Studiengängen Phar- mazie, Medizin, Zahnmedizin und Tiermedizin werden die Studien- gänge zentral vergeben, für alle anderen Studiengänge müssen sich die Studienberechtigten direkt bei der jeweiligen Hochschule bewer- ben – und tun dies häufig zur Sicherheit gleich mehrfach – wer wollte es ihnen verdenken? Erhal- ten sie dann auch einen mehrfa- chen Zuschlag, bleiben begehrte Studienplätze unbesetzt. Nadelöhr Masterzugang Wer einen Studienplatz ergattert hat, muss mit unzumutbaren Stu- dienbedingungen rechnen: über- füllte Hörsäle, fehlende Labor- und Praktikumsplätze, unzureichende Betreuung durch Dozentinnen und Dozenten. An Universitäten liegt das Betreuungsverhältnis zwischen Profs und Studis heute bei 1:60 – selbst das offizielle Bund-Länder- Beratungsgremium Wissenschafts- rat empfiehlt 1:40. Statt in die Lehre fließen die Milliarden über die Exzellenzinitiative in die För- derung der Spitzenforschung an wenigen Elite-Universitäten. Wenn im Rahmen des Hochschul- pakts doch Lehrende eingestellt werden, dann in der Regel nach dem Hire-and-Fire-Prinzip. Sie erhalten Zeitverträge, deren Lauf- zeit häufig nur wenige Monate beträgt. Zusätzlich müssen Lehrbe- auftragte einspringen, die stunden- weise bezahlt werden oder gar kein Honorar bekommen – gegen das Versprechen, vielleicht später eine Stelle zu bekommen. Das ist ist nicht nur schlecht für die Lehren- den – auch die Kontinuität und Qualität von Lehre und Studium bleibt auf der Strecke. Wer sein Bachelorstudium erfolg- reich abschließt, steht wiederum vor einem Nadelöhr. In etlichen Studiengängen gibt es viel weniger Master-Studienplätze als Bachelor- Absolventinnen und Absolventen, die weiter studieren möchten. Schlagzeilen machte vor Kurzem die Nachricht aus der Uni Frankfurt am Main, wo selbst die Bachelor Note 1 nicht für den Masterplatz reichte. Selbst wenn es genügend Studienplätze gibt, können die Hochschulen den Zugang zum Masterstudium beschränken und zum Beispiel eine „besondere Eig- nung“ verlangen – das erlauben die Strukturvorgaben der Kultusminis- terkonferenz ausdrücklich. Studienplatzmangel, Zulassungs- chaos, miese Betreuungsverhältnis- se, Hire-and-Fire-Prinzip beim Per- sonal Hürden beim Masterzugang – die deutsche Bildungspolitik scheint nichts unversucht zu lassen, studierwilligen Menschen Steine in den Weg zu legen. Dabei ist heute nicht mehr zu bestreiten, dass Deutschland nicht etwa zu viele Akademikerinnen und Akademiker hat, sondern in Zukunft deutlich mehr Studierende und Hochschul- absolventen braucht. In den in der OECD zusammengeschlossenen Industrieländern nehmen im Durch- schnitt 59,3 Prozent eines Alters- jahrgangs ein Hochschulstudium auf, in Deutschland sind es gerade 39,7 Prozent. „Deutschlands Bei- trag zum weltweiten Pool an Talen- ten schrumpft rapide“, warnte daher die OECD in ihrem jüngsten Bericht „Bildung auf einen Blick“. Heraus zum heißen Herbst! Eine ganze Generation droht ihrer Zukunftschancen beraubt zu wer- den. Dagegen setzen sich junge Menschen in Großbritannien, Spa- nien, Chile und vielen anderen Ländern zur Wehr. Und in Deutschland? Vor zwei Jahren sorg- te der Bologna-Frust zu Recht für bundesweite Bildungsproteste. Wenn die Hochschulen jetzt auch noch ihre Tore schließen und die Studienbedingungen verschlech- tern – sind das nicht erst viele gute Gründe für einen heißen Herbst? Die bildungspolitischen Alternati- ven liegen auf der Hand: Wir brau- chen einen wirklich bedarfs- und nachfragegerechten Ausbau der Hochschulen, die uneingeschränk- te Gewährleistung des Rechts auf freie Hochschulzulassung, eine spürbare Verbesserung des Betreu- ungsverhältnisses durch mehr Dozentinnen und Dozenten mit fairen Arbeits- und Beschäftigungs- bedingungen und den freien Mas- terzugang für alle! Von alleine wer- den sich die Kultusministerien und Hochschulleitungen nicht bewe- gen. Deshalb haben die Studieren- den, Schülerinnen und Schüler recht, die dafür auf die Straße gehen möchten. Die Lage ist prekär. Doch der Herbst wird heiß. Dr. Andreas Keller, Leiter des Vorstandsbereichs Hochschule und Forschung beim GEW-Haupt- vorstand read.me Seite 1 Der Herbst wird heiß Seite 2 Seite 3 Seite 4 www.gew-bass.de Zeitung für Studierende Wintersemester 2011 Vierzig Jahre Bundesausbildungsförderungsgesetz Die wichtigsten Fragen zum BAföG-Antrag Seite 5 Seite 6 Seite 8 Hochschulautonomie nach den Gesetzen des Marktes Überlegungen zu einem Bildungsgeld Seite 7 Vitamin Braun GEW-Seminare für Studentinnen und Studenten Ein Denkmal für die unbekannte Promovendin Der Herbst wird heiß Studienplatzmangel, Zulassungschaos und miese Betreuungsverhältnisse www.gew.de Foto: picture alliance / dpa

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GEW-Zeitung für Studierende Wintersemester 2011

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Schon einmal sollte ein „Studen-tenberg untertunnelt“ werden.Mit ihrem „Öffnungsbeschluss“von 1977 erklärten die Minister-präsidenten der damaligen Bundesrepublik den drastischenAnstieg der Studierendenzahlenzu einem demografischen Über-gangsproblem. Bekanntlich kames anders: Dem Gipfel folgte einHochplateau. Statistisch gesehenteilen sich seitdem zwei Studie-rende einen Studienplatz.

35Jahre später kommt esnoch dicker. Die gebur-tenstarken Jahrgänge der

neunziger Jahre strömen an dieHochschulen. Hinzu kommen dieAuswirkungen der Verkürzung derSchulzeit auf zwölf Jahre: In fastallen Bundesländern strömen dop-pelte Abi-Jahrgänge an die Hoch-schulen. Unerwartet sorgt außer-dem die Aussetzung der Wehr-pflicht dafür, dass bis zu 70.000Studienberechtigte vorzeitig einStudium aufnehmen möchten.Inzwischen versuchen Bund undLänder zwar mit dem „Hochschul-pakt 2020“ gegenzusteuern. UnterExperten gilt es aber als ausge-

macht, dass der Hochschulpaktunterfinanziert ist. Die Hochschul-rektorenkonferenz geht davon aus,dass allein im Wintersemester2011/12 Studienplätze für 50.000Studienanfängerinnen und Studi-enanfänger fehlen werden. DieFolge: In vielen Studienfächernhaben die Hochschulen flächen-deckend einen Numerus Claususverhängt. Viele Studienberechtigtemüssen lange Wartezeiten in Kaufnehmen oder weichen gleich in dieberufliche Bildung oder ins Aus-land aus.

Organisierte VerantwortungslosigkeitDoch damit nicht genug: Auch indiesem Wintersemester werden anvielen Hochschulen in zulassungs-beschränkten Studiengängen tau-sende Studienplätze unbesetzt blei-ben – Folge des nicht enden wol-lenden Zulassungs-Chaos, für dasdie Länder und die Hochschulrek-toren verantwortlich sind. Nurnoch in den Studiengängen Phar-mazie, Medizin, Zahnmedizin undTiermedizin werden die Studien -gänge zentral vergeben, für alleanderen Studiengänge müssen sich

die Studienberechtigten direkt beider jeweiligen Hochschule bewer-ben – und tun dies häufig zurSicherheit gleich mehrfach – werwollte es ihnen verdenken? Erhal-ten sie dann auch einen mehrfa-chen Zuschlag, bleiben begehrteStudienplätze unbesetzt.

Nadelöhr MasterzugangWer einen Studienplatz ergatterthat, muss mit unzumutbaren Stu-dienbedingungen rechnen: über-füllte Hörsäle, fehlende Labor- undPraktikumsplätze, unzureichendeBetreuung durch Dozentinnen undDozenten. An Universitäten liegtdas Betreuungsverhältnis zwischenProfs und Studis heute bei 1:60 –selbst das offizielle Bund-Länder-Beratungsgremium Wissenschafts-rat empfiehlt 1:40. Statt in dieLehre fließen die Milliarden überdie Exzellenzinitiative in die För-derung der Spitzenforschung anwenigen Elite-Universitäten.Wenn im Rahmen des Hochschul-pakts doch Lehrende eingestelltwerden, dann in der Regel nachdem Hire-and-Fire-Prinzip. Sieerhalten Zeitverträge, deren Lauf-zeit häufig nur wenige Monate

beträgt. Zusätzlich müssen Lehrbe-auftragte einspringen, die stunden-weise bezahlt werden oder gar keinHonorar bekommen – gegen dasVersprechen, vielleicht später eineStelle zu bekommen. Das ist istnicht nur schlecht für die Lehren-den – auch die Kontinuität undQualität von Lehre und Studiumbleibt auf der Strecke.Wer sein Bachelorstudium erfolg-reich abschließt, steht wiederumvor einem Nadelöhr. In etlichenStudiengängen gibt es viel wenigerMaster-Studienplätze als Bachelor-Absolventinnen und Absolventen,die weiter studieren möchten.Schlagzeilen machte vor Kurzemdie Nachricht aus der Uni Frankfurtam Main, wo selbst die BachelorNote 1 nicht für den Masterplatzreichte. Selbst wenn es genügendStudienplätze gibt, können dieHochschulen den Zu gang zumMasterstudium be schränken undzum Beispiel eine „be son de re Eig-nung“ verlangen – das erlauben dieStrukturvorgaben der Kultusminis -terkonferenz ausdrücklich.Studienplatzmangel, Zulassungs -chaos, miese Betreuungsverhältnis-se, Hire-and-Fire-Prinzip beim Per-

sonal Hürden beim Masterzugang– die deutsche Bildungspolitikscheint nichts unversucht zu lassen,studierwilligen Menschen Steine inden Weg zu legen. Dabei ist heutenicht mehr zu bestreiten, dassDeutschland nicht etwa zu vieleAkademikerinnen und Akademikerhat, sondern in Zukunft deutlichmehr Studierende und Hochschul-absolventen braucht. In den in derOECD zusammengeschlossenenIndustrie ländern nehmen im Durch -schnitt 59,3 Prozent eines Alters-jahrgangs ein Hoch schulstudiumauf, in Deutschland sind es gerade39,7 Prozent. „Deutschlands Bei-trag zum weltweiten Pool an Talen-ten schrumpft rapide“, warntedaher die OECD in ihrem jüngstenBericht „Bildung auf einen Blick“.

Heraus zum heißen Herbst!Eine ganze Generation droht ihrerZukunftschancen beraubt zu wer-den. Dagegen setzen sich jungeMenschen in Großbritannien, Spa-nien, Chile und vielen anderenLändern zur Wehr. Und inDeutschland? Vor zwei Jahren sorg-te der Bologna-Frust zu Recht fürbundesweite Bildungsproteste.Wenn die Hochschulen jetzt auchnoch ihre Tore schließen und dieStudienbedingungen verschlech-tern – sind das nicht erst viele guteGründe für einen heißen Herbst?Die bildungspolitischen Alternati-ven liegen auf der Hand: Wir brau-chen einen wirklich bedarfs- undnachfragegerechten Ausbau derHochschulen, die uneingeschränk-te Gewährleistung des Rechts auffreie Hochschulzulassung, einespürbare Verbesserung des Betreu-ungsverhältnisses durch mehrDozentinnen und Dozenten mitfairen Arbeits- und Beschäftigungs-bedingungen und den freien Mas -terzugang für alle! Von alleine wer-den sich die Kultusministerien undHochschulleitungen nicht bewe-gen. Deshalb haben die Studieren-den, Schülerinnen und Schülerrecht, die dafür auf die Straßegehen möchten. Die Lage istprekär. Doch der Herbst wird heiß.

Dr. Andreas Keller, Leiter des Vorstandsbereichs

Hochschule und Forschung beim GEW-Haupt-

vorstand

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Der Herbst wird heiß

Seite 2 Seite 3 Seite 4

www.gew-bass.deZeitung für Studierende Wintersemester 2011

Vierzig Jahre Bundesausbildungsförderungsgesetz Die wichtigsten Fragen zum BAföG-Antrag

Seite 5 Seite 6 Seite 8Hochschulautonomie nach den Gesetzen des Marktes

Überlegungen zu einem Bildungsgeld

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BAföG jetzt fit für die Zukunft machen

Vierzig Jahre BundesausbildungsförderungsgesetzAusbildungsförderung – keinGnadenakt, sondern ein Rechts-anspruch. Für diesen Paradig-menwechsel steht die Verabschie-dung des Bundesausbildungsför-derungsgesetzes (BAföG) vor 40Jahren.

Vor 1971 sorgte zwar bereitsdas so genannte „HonneferModell“ für eine Förderung.

Anders als der Vorläufer des BA föG,das 1957 geschaffene „HonneferModell“, das „begabten“ Studie-renden eine Ausbildungsförderunggewährte, gab es aber von nun aneinen einklagbaren, gesetzlichenRechtsanspruch auf Ausbildungs-förderung. In den ersten Jahren ent-faltete das BAföG eine enormeWirkung. 1972 wurde mit 45 Pro-zent annähernd jede zweite Stu-dentin beziehungsweise jeder zwei-te Student gefördert. Die Geförder-tenquote fiel danach jedoch inner-halb von nur zehn Jahren von 45Prozent (1972) auf 30 Prozent(1982) ab. Nach einem vereini-gungsbedingten Zwischenhoch(1991: 26 Prozent) ging die Geför-dertenquote erneut zu rück, um 1998bei einem Allzeit-Tief von nur noch13 Prozent anzukommen. Heute(2008) liegt die Gefördertenquotebei 17 Prozent (Angaben für 2008).

BAföG kommt nach Elternund NebenjobVon dieser Minderheit der BAföG-EmpfängerInnen bezieht die Hälf-

te Förderbeträge von bis zu 350Euro monatlich, rund ein Viertelerhält sogar nur bis zu 200 Euro.Studierende, die BAföG-Leistun-gen beziehen, erhalten im Durch-schnitt 321 Euro. Die durchschnitt-lichen Lebenshaltungs- und Studi-enkosten liegen aber nach denErgebnissen der jüngsten Sozialer-hebung des Deutschen Studenten-werks bei 762 Euro monatlich. ImDurchschnitt decken Studierendenur noch 15 Prozent ihrer Lebens-haltungskosten mit dem BAföG, zu48 Prozent stammen die Mittel vonden Eltern, weitere 26 Prozent wer-den durch eigene Verdienste aufge-bracht.Diese Entwicklung ist Folge einessystematischen Ausverkaufs derstaatlichen Ausbildungsförderung.Einer der gravierendsten Einschnit-te erfolgte 1983 durch die Regie-rung Kohl. Zum einen wurde dieAusbildungsförderung für Schüle-rinnen und Schüler an allgemein-bildenden Schulen praktisch abge-schafft. Zum anderen wurde diestudentische Ausbildungsförderungauf ein Volldarlehen umgestellt,das nach dem Studium zu 100 Pro-zent zurückgezahlt werden musste.

Seit 1990: Fifty-fiftyDieser harte Einschnitt wurde zwar1990 teilweise korrigiert: Die För-derung wird seitdem zu 50 Prozentals Zuschuss und zu 50 Prozent alsDarlehen gewährt. Die Studieren-den der Jahre 1983 bis 1990 blieben

gleichwohl auf ihren Schuldenber-gen sitzen, die auf bis zu 60.000 D-Mark pro Kopf angewachsenwaren. Permanent ausgehöhlt wurde dasBAföG darüber hinaus durch dieäußerst schleppende Anpassungder Freibeträge und Bedarfssätze anPreissteigerungen und Lebenshal-tungskosten. Unter Verweis auf dieungünstige finanzwirtschaftlicheEntwicklung wich der Gesetzgeberwiederholt von den Empfehlungender von der Bundesregierung vor-gelegten BAföG-Berichte ab. Von2002 bis 2008 gab es keinerleiAnpassung der Freibeträge undBedarfssätze.

Immer noch keine ChancengleichheitIn Folge dessen sind die Bildungs -chancen in Deutschland nach wievor sehr unterschiedlich verteilt.Während von 100 Akademikerkin-dern 71 ein Hochschulstudium auf-nehmen, sind es bei Familien ohneakademischen Hintergrund nur 24von 100 Kindern (nach Angabender Sozialerhebung des DeutschenStudentenwerks). Kinder aus Selbst -ständigen- und Beamtenfamilienmit akademischem Hintergrundhaben eine fünf Mal so großeChance auf ein Hochschulstudiumwie Kinder aus Arbeiterfamilien.Chancengleichheit im demokrati-schen Sozialstaat ist ohne ein star-kes BAföG gar nicht denkbar. DieBildungsgewerkschaft GEW for-

dert daher die Sicherung, den Aus-bau und die Weiterentwicklungder staatlichen Ausbildungsförde-rung.

Forderungen für ein starkesBAföGDazu gehört erstens eine regel-mäßige Anpassung der Fördersätzean Lebenshaltungskosten und Ein-kommensentwicklung. Es kannnicht sein, dass die BAföG-Sätzenach Kassenlage der Finanzminis -ter nur alle paar Jahre und ein paarProzentpunkte erhöht werden. Werauf das BAföG angewiesen ist,muss davon auch wirklich lebenkönnen.Zweitens müssen endlich wiederSchülerinnen und Schüler derSekundarstufe II an allgemein bil-denden Schulen gefördert werden.Nur 45 Kinder von Nichtakademi-kerfamilien besuchen nach derzehnten Klasse eine weiterführendeallgemeinbildende Schule, die zumAbitur oder zur Fachhochschulrei-fe führt. Bei Akademikerkindernsind es 81 von 100 Kindern (nachder Sozialerhebung des DeutschenStudentenwerks). Wer Chancen-gleichheit beim Hochschulzugangmöchte, muss schon beim Über-gang von der Sekundarstufe I zurSekundarstufe II ansetzen.Drittens sollte der Darlehensanteilim BaföG zurückgeführt, der nichtrückzahlungspflichtige Zuschussaufgebaut werden – mit der Per-spektive eines elternunabhängigen

Studienhonorars. Warum solltenicht auch für Studierende gelten,was bei Auszubildenden in der dua-len Berufsbildung selbstverständ-lich ist: dass man, statt Lehrgeld zubezahlen, eine Ausbildungsvergü-tung bezieht?Diese Reformen sind finanzierbar,wenn im Gegenzug die ausbil-dungsbezogenen Leistungen wieKindergeld oder steuerliche Freibe-träge, die heute den Eltern von Stu-dierenden zugute kommen, in dieAusbildungsförderung integriertund an alle Studierenden direktausgezahlt werden. Und wenn dieBundesregierung die über 400 Mil-lionen Euro, die künftig Jahr fürJahr ins „Deutschland-Stipendium“fließen wollen, in eine BAföG-Reform investieren würde. Diesekäme allen Studierenden zu Gute –nicht nur einer von privaten Spon-soren ausgewählten Elite.Vierzig Jahre BAföG sind also einGrund zum Feiern, aber nicht, sichentspannt zurückzulehnen. Wer esernst meint mit der von Bundes-kanzlerin Angela Merkel beschwo-renen „Bildungsrepublik Deutsch-land“, muss das BAföG jetzt fit fürdie Zukunft machen und die staat-liche Ausbildungsförderung si -chern, ausbauen und weiterent-wickeln.

Dr. Andreas Keller ist Mitglied des

Geschäftsführenden Vorstands der GEW

Er leitet den Vorstandsbereich

Hochschule und Forschung

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Wer hat Anspruch aufBAföG?Anspruch auf BAföG haben Schü-lerInnen von Schulen der berufli-chen Bildung und Studierende anstaatlich anerkannten Hochschu-len, in Ausnahmefällen auch Schü-lerInnen von allgemeinbildendenSchulen. Es setzt voraus, dass dieAuszubildenden keine hinreichen-den eigenen Mittel haben, die Aus-bildungs- und Lebenshaltungskos -ten zu tragen. Daher wird BAföGgezahlt, solange Einkommen undVermögen der Auszubildendenund das Einkommen der Ehegattinoder des Ehegatten beziehungswei-se der Eltern die jeweiligen Freibe-träge nicht übersteigen. In Ausnah-mefällen wird BAföG „elternunab-hängig gezahlt“.

Welche Ausbildungen werden gefördert?Durch BAföG können alle Ausbil-dungen an berufsbildenden Schu-len, Fach- und Fachoberschulen,Kollegs, Akademien und Hoch-schulen gefördert werden. Ausbil-dungen an allgemeinbildendenSchulen (z. B. Gymnasium) werdennur in besonderen Ausnahmefällengefördert.Folgt ein Masterstudium einemabgeschlossenen Bachelorstudium,wird dieses gefördert, sofern beiBeginn die Altersgrenze von 35 Jah-ren noch nicht überschrittenwurde.

Wird auch der zweite Bildungsweg gefördert?Weil betriebliche Ausbildungendurch BAföG nicht gefördert wer-den, werden Auszubildende desklassischen zweiten Bildungswegesin besonderem Maße durch BAföGgefördert. Wer also z. B. nach einerdrei Jahre dauernden berufsqualifi-zierenden Ausbildung an einerBerufsfachschule noch die Fach-hochschulreife an einer Fachober-schule nachholt und anschließendstudiert, bekommt u. U. alle Aus-bildungsabschnitte durch BAföGgefördert

Wo und wie stelle ich denAntrag?Für die Förderung von Studieren-den ist i.d.R. das BAföG Amt beimStudentenwerk zuständig. Beiunverheirateten kinderlosen Schü-lerInnen ist es vorwiegend das Amtdes Kreises oder der kreisfreienStädte am Wohnsitz der Eltern. Beider Antragstellung sind auf jedenFall die amtlichen Formblätter zubenutzen. Eigene „Formblätter“ –und seien sie noch so kreativ –führen letztlich zur Ablehnung desAntrags wegen „fehlenderMitwirkung“. ZurFristwah-

rung kann der Antrag auch formlosgestellt werden. Dies kann wichtigsein, da BAföG frühestens vomAntragsmonat an gezahlt wird.Man kann dann später die Unter-lagen vervollständigen.

Wo bekomme ich dieAntragsunterlagen?Die notwendigen Antragsunterlagenfindet Ihr auf der Seite des BMBFunter www.das-neue-bafoeg.de.

Wann muss ich den Antragstellen?Wenn möglich ca. zwei bis dreiMonate vor Ausbildungsbeginn.Spätestens im ersten Monat derAusbildung, denn der BAföG-An -spruch entsteht frühestens imMonat der Antragstellung.

Kann ich auch nach Semester-/Ausbildungsbe-ginn den Antrag stellen?Ja, man kann dies jederzeit nach-holen. Das BAföG wird aber nichtrückwirkend, sondern erst ab demMonat der Antragstellung gezahlt.

Gibt es Überbrückungs-geld, bis das BAföG erst-malig ausbezahlt wird?Wurde der Antrag rechtzeitiggestellt, alle Unterlagen vollständigeingereicht und hat die Verzöge-rung lediglich amtsinterne Gründe,kann ein Überbrückungsdarlehender Bundesagentur für Arbeit oderdes jeweiligen Studentenwerks hel-fen. Bei Erstantragstellung mussdas BAföG Amt von sich aus zehnKalenderwochen nach Vorliegendes vollständigen Antrags eineAbschlagzahlung in Höhe vonmax. 360 Euro leisten. Gelegentlichmuss man die Ämter an diesePflicht erinnern.

Wie viel darf ich dazu verdienen?SchülerInnen und Studierende dür-fen als ledige, kinderlose Erwerbs -tätige in unselbstständiger Arbeit ineinem 12-monatigen Bewilligungs-zeitraum insgesamt 4.800 Eurobrutto verdienen. Ob dies in gleich-mäßigen Monatsbeträgen (also 400Euro/brutto pro Monat) geschiehtoder in wenigen Wochen (z. B. inden Semesterferien) ist für dasBAföG belanglos.

Ich habe ein Kind, bekom-me ich dann mehr BAföG?Ja, über den Kinderbetreuungszu-schlag im BAföG. Für daserste Kind beträgt er113 Europro

Monat, für jedes weitere Kind 85Euro pro Monat.

Wie lange bekomme ichBAföG?Bei Hochschulausbildungen be -stimmt die Regelstudienzeit dieFörderungshöchstdauer, sonst dieAusbildungsverordnung der Schu-le. Studierende können über dieFörderungshöchstdauer hinaus ge -fördert werden, wenn sich das Stu-dium aus „schwerwiegenden Grün-den“ verzögert hat. Dazu zählenunter anderem: Krankheit, Kinder-erziehungszeiten, Behinderung,Schwangerschaft, Gremientätigkeit,erstmaliges Nichtbestehen derAbschlussprüfung

Bis zu welchemAlter werde ich gefördert?Wer vor Beginn des Ausbildungs-abschnittes (Studium/Schule) das30. Lebensjahr vollendet, bekommtnur noch in wenigen Ausnahmefäl-len BAföG. Ausschließlich beimMaster-Studium gilt eine Alters-grenze von 35 Jahren. Wird manwährend der Ausbildung 30, hatdies keine Auswirkungen.

Wird auch ein Masterstu-dium gefördert?Ja, folgt einem Bachelor-Abschluss ein Masterstudium, istauch dieses förderungsfähig. Einfachlicher Zusammenhang zwi-schen Bachelor- und Masterstu-dium ist für die BAföG-Förde-rung nicht erforderlich. Die Aus-bildungsabschnitte müssen nichtunmittelbar aufeinanderfolgen,es kann durchaus eine Phase derBerufstätigkeit dazwischen lie-gen. Zur Altersgrenzes.o.

Gibt es auch für Ausbildun-gen im Ausland BAföG?Studierende können an ausländi-schen Hochschulen innerhalb derEU (einschließlich der Schweiz) vomersten Semester an gefördert werden.Sie können jederzeit das Studium ineinem EU-Land fortsetzen. EinWechsel der Hochschulen innerhalbder EU wird dabei nicht andersbehandelt als ein Wechsel der Hoch-schulen in Deutschland. Sie könnenauch im Rahmen eines Studiums imInland oder in einem Land der EU,für die Dauer eines Jahres ihr Studi-um in einem anderen Land betrei-ben.

Udo Gödersmann, Mitglied der GEW-Projekt-

gruppe „Soziale Öffnung der Hochschule“

Service

Die wichtigsten Fragen zum BAföG-Antrag

read.me – Zeitung für Studierende 3

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BAFöG? Studienhonorar?

Oder spendable Eltern?

read.me – Zeitung für Studierende4

Der 40. Geburtstag des BAföG istein guter Zeitpunkt, das Erreichtezu feiern, war das BAföG undseine konkrete Ausgestaltungdoch stets umkämpft. DerGeburtstag ist jedoch auch einguter Zeitpunkt, Anforderungenfür die Weiterentwicklung derStudienfinanzierung zu formulie-ren. Hierbei ist von Seiten derStudierenden immer wieder dieProblematik der Elternabhängig-keit des BAföG kritisiert worden.

Eine hierzu bereits länger dis-kutierte Alternative ist dasStudienhonorar, wobei sich

die Argumente seit der 1961 verfas-sten Denkschrift ›Hochschule inder Demokratie‹ des SozialistischenDeutschen Studentenbundes (SDS)bis heute partiell verschobenhaben. Insoweit das Studienhono-rar als Entgelt für das Studium alsgesellschaftlich wertvolle Arbeitbeschrieben wird, ist es meist mitder Vorstellung verknüpft, dass esallen Studierenden zustehen soll.Gleichwohl gehen andere Forde-rungen davon aus, dass die Förde-rung zwar nicht mehr von denEltern, wohl aber weiterhin vomEinkommen und Vermögen der

Studierenden selbst abhängen soll– grundsätzlich also eine nachran-gige Sozialleistung bleibt.Gemeinsam ist den Modellenjedoch der Wunsch, die Elternun-abhängigkeit der Studienfinanzie-rung sicherzustellen. Dieses Anlie-gen ist zu unterstützen, allerdingsgreift es zu kurz, wenn nur auf dieStudienfinanzierung geschaut wird.Es sind bei der Einführung minde-stens drei Problemkreise zu beach-ten. Erstens würde die Einführungdes Studienhonorars ohne weitereMaßnahmen zu einer falschenUmverteilung führen, zweitensstellt sich die Frage, was mit erwach-senen Menschen in anderen Aus-bildungszweigen geschieht unddrittens stellt sich die Frage desUnterhaltsanspruchs der Honorar-empfangenden gegen die Eltern.

Umverteilen – aber richtig!Zusätzliche staatliche Mittel kön-nen eingesetzt werden, um Bil-dungsbenachteiligung zu überwin-den. Dann profitieren hiervon vorallem die Kinder aus sogenanntenbildungsfernen Schichten. So könn-te etwa der Darlehensanteil desBAföG in einen Zuschuss umge-wandelt oder das sogenannte Mit-

telstandsloch überwunden werden.Sie können aber auch eingesetztwerden, um allen Studierenden einStudienhonorar zu finanzieren –dann profitieren genau diejenigen,die heute BAföG erhalten, amwenigsten. Im Gegenteil: Elternmit ausreichenden Einkünften spa-ren sich die Zahlungen an ihre Kin-der, da diese ja ein Studienhonorarerhalten, und vererben das Gespar-te später an diese Kinder. Dabeigeht es um erhebliche Summen:Der Lebensunterhalt eines Studie-renden liegt laut Deutschem Stu-dentenwerk bei 762 Euro imMonat. Rechnet man die heutigenstaatlichen Ausgaben für dasBAföG und die Leistungen desFamilienleistungsausgleichs dage-gen verbleiben zusätzliche Kostenin Höhe von gut 15 MilliardenEuro für ein Studienhonorar an alleStudierenden!Dieses Geld würde nur Studieren-den zu Gute kommen – und nichterwachsenen Menschen in berufli-chen und vollzeitschulischen Bil-dungsgängen. Dies ist kaum zubegründen – und da die 15 Milliar-den Euro aus dem allgemeinenSteueraufkommen zu finanzierensind: Eine falsche Umverteilung.

Daher müssten eigentlich alleErwachsenen in Ausbildung einbe-zogen werden. Wenn alle über 18-Jährigen in Ausbildung oder Studi-um, die keine Ausbildungsvergü-tung in Höhe der genannten 762Euro erhalten, ein Erwachsenen-Bildungsgeld bekämen, dann sum-mieren sich die Kosten auf etwa 24Milliarden Euro.Um dies zu finanzieren ist ein lang-fristiger Umbau des Sozialstaatsnotwendig. Erstens ist die Unter-haltspflicht der Eltern auf minder-jährige Kinder zu begrenzen. ImGegenzug erhalten die Eltern dannauch kein Kindergeld bzw. keinekindbezogenen Freibeträge mehr.Nun kann es aber nicht sein, dassKinder aus finanzstarken Eltern-häusern das Studium vom Staat –also von der Allgemeinheit – finan-ziert bekommen, und später dasGeld, das die Eltern hierdurchgespart haben, auch noch erben.Daher müssen die Kosten des Bil-dungsgelds über massive erhöhteSteuern – sachlogisch wäre eineErhöhung der Erbschafts- und Ver-mögenssteuer – eingezogen wer-den. Damit würde die Familien-bindung des deutschen Sozialsys -tems beidseitig gelöst: es gäbe eine

eltern unabhängige Studienfinan-zierung – und eine erhebliche Einschränkung bei der Vermö-gensübertragung innerhalb einerFamilie.Es muss klar sein: Die Elternunab-hängigkeit der Studienfinanzierungist ein richtiges Ziel. Die Forderun-gen nach einem Studienhonorarsind ein wichtiger Impuls, da dieDebatte erst hierdurch wieder ange-stoßen wurde. Diese Debatte gilt esweiterzuentwickeln zu einem trag-fähigen Gesamtkonzept, indem dasStudienhonorar als ein Bestandteilaufgegriffen und durch Reformendes Steuer- und Sozialsystemsergänzt sowie um andere Bildungs-gänge erweitert wird. Dies ist kurz-fristig nicht umzusetzen, langfristigist ein solches Modell jedoch anzu-streben. Da es bereits heute erheb-liche Probleme gibt muss es kurz-fristig darum gehen, das BAföGschrittweise auszubauen.

Klemens Himpele,

Referent beim GEW-Hauptvorstand

1Eine detailliertere Ausführung hierzu findet sich

in Forum Wissenschaft 3/2011, herausgegeben

vom Bund demokratischer WissenschaftlerInnen

und der GEW.

Bildungsfinanzierung als Verteilungsfrage

Überlegungen zu einem Bildungsgeld

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read.me – Zeitung für Studierende 5

Zu Guttenberg, Koch-Mehrin –ein Artikel, der mit diesen Wor-ten anfängt, hat eigentlich seinenThemenkreis schon gänzlichabgesteckt: Plagiat als Spektakel.In diesem Jahr übertrumpfensich der SPIEGEL, eigensgeschaffene Internetportale undsogar die gute alte Tante ZEIT imneuen Sport Dissertationenver-senken. Die Digitalisierungmacht es möglich, und allemachen mit. Zunächst einmal istdas dann Parteipolitik („ver-senkst Du meinen, versenk ichDeinen“) oder Mediendynamik(schnelle zehn Minuten Ruhm,die kein Hinterbänkler sich jegewünscht hätte), aber dann hates auch doch noch etwas mit denVerhältnissen im Wissenschafts-system zu tun, mit denen sichnicht nur die Projektgruppe Dok-torandInnen seit zehn Jahrenbeschäftigt. Und, sagt ‚die Wis-senschaft‘ auch etwas dazu?

Ja, es gab einen Protest gegen dielaxe Beurteilung des wissen-schaftlichen Fehlverhaltens.

Vielleicht war der „offene Briefvon DoktorandInnen an die Bun-deskanzlerin“ letztlich sogar aus-schlaggebend, um die entscheiden-de Wucht in die Causa Guttenbergund diese weg vom ‚Kavaliersdelikt‘zu bringen. Am Ende hatte dieserBrief knapp 64.000 Unterschriftenmotiviert. Und dieses Vorbild hatvielleicht die etablierten wissen-schaftspolitischen Akteure vonDeutscher Forschungsgemeinschaft(DFG) bis Hochschulrektorenkon-ferenz (HRK) zum Jagen getragen,die dann auch im Fall Koch-Meh-rin betont haben, durch eine Pla-giatorin fühlten sie das Thema For-schung im Europäischen Parlamentnicht gut vertreten. Die HRK hateinige Maßnahmen empfohlen,und einige Universitäten wie Bay-reuth, Heidelberg oder Bonnhaben schon üben können, wieman vor laufenden Kameras Dok-tortitel einkassiert. Es bewegt sichalso auch etwas in der Wissen-schaft?

Problem ÜberbelastungDas wäre zumindest zu wünschen.Es gilt, die Impulse aus der eherwissenschaftsfernen Diskussionüber Prominente hinüberzurettenin die Diskussion über die Arbeits-verhältnisse in der Wissenschaft,und auch über die ‚unbekanntePromovendin‘ zu reden. Ansatz-punkte sind durchaus vorhanden: Die Arbeitsbelastung als Fehler-quelle: nicht nur Herr zu Gutten-berg hat seine Dissertation (ihmzufolge) in mühevoller Kleinarbeit,nachts und am Wochenende, in derDauerbelastung von ‚promotions-fremden Aufgaben‘ als Abgeordne-ter und als Familienvater, angefer-tigt. Auch an den Universitätenund in den Forschungseinrichtun-gen sind in den letzten Jahren vieleBelastungen in der Befehlskettenach unten gegeben worden, und

die DoktorandInnen schwitzen inKettenverträgen eher dabei, Dritt-mittelprojekte fertigzustellen oderzusätzliche Studierendenschübe zubewältigen, als an ihrer Dissertati-on. Die Promotion wird schnell alsFreizeitvergnügen an den Randgeschoben und die Problemeoftmals im Bewusstsein allerBeteiligten an den Randge drückt. Von einerQualifizierungs-phase wie sie derGEW vorschwebt,in der die Qualifi-zierung genauso im Mittelpunktsteht wie eine angemessene Absi-cherung, ist die Realität weit ent-fernt – aber wäre dies nicht Voraus-setzung für eine ehrliche Diskussi-on über die Produktionsverhältnis-se, unter denen Dissertationen ent-stehen?

Abschied von der TonnenideologieDie Verantwortung der Universitä-ten: Wenn die Debatte dazuführen könnte, dass sich dieUniversitäten auf ihre Ver-antwortung für die Dokto-randInnen besinnen würden,wäre dies auch eine positiveFolge. Unis, die heutzutagenoch nicht einmal wissen, weraktuell wo promoviert, sollten sichin die Lage versetzen, Doktorand-Innen aktiv anzusprechen und vonden BetreuerInnen eine echte Qua-lifizierungsleistung zu verlangen.Dass zu einer Betreuung ein Kon-takt zwischen Doktoreltern undDoktorandInnen gehört, der ein-mal jährlich zu wenig ist, könntesich dabei herumsprechen unddazu beitragen, dass sich klare Stan-dards etablieren. Aber die Uni darfauch den Kontakt nicht allein denDoktoreltern überlassen, und mussdie Beratungsangebote von Gradu-iertenkoordinatorInnen, die Men-torInnensysteme und auch denAustausch unter den DoktorandIn-nen fördern. Weg von der Tonnenideologie: Inder Wissenschaft muss heute alleszählbar sein, um zu zählen – dassind Drittmittel, Publikationenund Dissertationen. Bei den Publi-kationen gibt es Versuche, aus die-sem Hamsterrad wieder auszustei-gen und mehr auf Qualität als aufQuantität zu achten. Wie kannman das für Dissertationen errei-chen? In anderen Ländern ist eineTrennung von Betreuung derArbeit und Bewertung völlig nor-mal, und vielleicht sollte auch inDeutschland eine Arbeit, die vonfach- und universitätsexternen Gut-achterInnen hervorgehoben wird,mehr Punkte bringen. Titeljagd abbauen: In Deutschlandist mittlerweile in vielen außerwis-senschaftlichen Bereichen ein Dok-tortitel förderlich oder sogar indi-rekt verlangt. In der Folge versu-chen viele HochschulabsolventIn-nen die Promotion unter widrig-sten Bedingungen anzufertigen,um am Ende damit den Posten zu

besetzen, den siezehn Jahre früher

auch ohne Titel bekom-men hätten. Aus der Wis-

senschaft heraus lässt sichnicht einfach gegensteuern,aber eine intensive Beratungder Promovierenden, ob derTitel denn wirklich nötigist, und ob die Be las -tungen durch die Dok-torarbeit realistisch ein-geschätzt werden, und

letztlich auch klareAnforderungen an

Fortschritte derPromotion –

all das könnte helfen dieQualifizierungsspirale zustoppen. Auch das ThemaPromotionsabbruch wäre

damit weniger tabuisiert–auch wenn schon heute ein

hoher Prozentsatz der hoff-nungsvoll startenden Promovie-renden nie am Ziel ankommt,wird doch darüber bislang kaumdiskutiert.

Fehlverhalten ahndenFehlverhalten ahnden – überall:Auch die auf Einzelpersonenbezogene Skandalisierung in derdiesjährigen Debatte kann ge -nutzt werden. Schließlich führtdas Bestehen auf ‚guter wissen-schaftlicher Praxis‘ immer wiederauf die dahinter stehendenMachtverhältnisse zurück undkann nicht so einfach auf denDoktorandInnen abgeladen wer-den. Wenn die Uni geklaute Zita-te in Dissertationen ahndet wirdsie auch aktiv werden müssen,wenn Doktorväter ihren Promo-vierenden Ideen oder Ergebnissestehlen oder sich am Ende allerMühen schnell noch als Koautorauf die Publikation setzen. Insofern bleibt zu hoffen, dassaus der ‚Plagiatsdiskussion‘ mög-lichst bald eine Diskussion überdie Arbeitsverhältnisse in derWissenschaft wird. Vielleicht er -heben ja die Zehntausenden Dok-torandInnen demnächst auch ineigener Sache das Wort. Treff-punkt der Demonstration: dasDenkmal der unbekannten Pro-movendin.

Johannes Moes für die GEW-Projektgruppe

DoktorandInnen

Mehr Informationen über die Projektgruppe,

unsere Positionen, Publikationen und Veran-

staltungen sowie Möglichkeiten zum eigenen

Engagement unter

gew.de/ProG_DoktorandInnen.html

Alles nur geklaut!

Ein Denkmal für die unbekannte Promovendin

Ein Mahnmal

für alle

Promovierenden

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U NI

read.me – Zeitung für Studierende6

Hochschulfinanzierung

Hochschulautonomie nach den Gesetzendes MarktesWie es um die Finanzierung derHochschulen bestellt ist, zeigtsich an einigen brisanten Koope-rationsabkommen, in denenHochschulen Unternehmen einalarmierendes Maß an Einflusszugestanden haben.

Wenn es den Zusammen-hang zwischen Hoch-schulen und Ökonomie

auch immer gegeben hat, so wardieses Verhältnis doch recht unter-schiedlich gestaltet. Das Modell fürgegenwärtige Kooperationen fin-den wir dabei weniger in der Floskelgewordenen „Hochschulautono-mie“, sondern in Bertolt Brechts„Galileo Galilei“ trefflich auf denPunkt gebracht: „Ich verstehe: frei-er Handel, freie Forschung. FreierHandel mit Forschung, wie?“ for-muliert hier der „Lehrer der Mathe-matik“, der sein Fach noch als poli-tische Wissenschaft verstand.Eine Erkenntnis, die sich auch demverdankt, dass Galilei sich zwischenzwei Modellen befindet. Es sind dieModelle von Florenz einerseits undVenedig andererseits, die hier mitihren Universitäten pars pro totofür eine Gesellschaftsordnung ne -beneinandergestellt werden. Mitihnen sieht sich Brechts Galileikonfrontiert – und dies in missli-cher Lage: In der frühbürgerlichenHandelsstadt Venedig kann er zwarfrei forschen, ohne ideologisch aufein kirchliches Weltbild verpflichtetzu sein oder Abhängigkeitsverhält-nisse legitimieren zu müssen wieim Feudalstaat Florenz. Zugleichaber wird die Wissenschaft injenem anderen Modell, für welcheshier Venedig steht, nicht ohne Wei-teres großzügig bedacht, sondernauf Rentabilität verpflichtet.

Von der Markusrepublikzum Matthäusprinzip?Was für Galilei eine forschungs-ethische Zwickmühle darstellt,scheinen viele Hochschulen heutenicht mehr als Problem zu begrei-fen. 2011 kam ein 2006 von derDeutschen Bank mit der HumboldtUniversität und der TU in Berlingeschlossener Vertrag an dieÖffentlichkeit. Für die finanzielleund personelle Unterstützung von„Quantitative Projects Labratory“,

einer 2007 gegrün-deten Forschungs-einrichtung imBereich derFinanzmathema-tik, hatte die Bankeine Summe vonjährlich drei Mil-lionen Euro bereitgestellt. Offenbarerhoffte man sichdabei nicht nurindirekte Vorteileaus Forschungsergebnissen, sondernließ sich in einem „Sponsor- undKooperationsvertrag“ unmittelbareEinflussmöglichkeiten auf For-schung und Lehre selbst zusichern.Nachdem der Vertrag öffentlichgemacht wurde, kursierte eine Viel-zahl der darin enthaltenen Zusagenalsbald in der Presse. Neben derMöglichkeit von Lehraufträgen fürMitarbeitende der Deutschen Bank,Mitspracherechte bei der Besetzungvon zwei Professuren sowie Werbe-möglichkeiten an der Hochschulehatte sich die Deutsche Bank lautVertrag obendrein auch ein Veto-Recht bei der Veröffentlichung vonForschungsergebnissen zusichernlassen: „Alle Arbeitsergebnisse derUniversitäten oder ihrer Mitarbei-ter, die im Rahmen dieses Koopera-tionsvertrages entstehen, sind derDeutschen Bank […] zur Freigabevorzulegen“. Dass dies der grundgesetzlich ver-ankerten Freiheit von Forschungund Lehre Hohn sprach, erkanntenicht nur der PolitikwissenschaftlerPeter Grottian, der den Vertrag alsein „Dokument ungeschminkterDreistigkeit“ bezeichnete. „Mankann sich des Eindrucks nicht er -wehren, dass hier Wissenschaft ein-gekauft werden sollte“ erklärte auchMichael Hartmer, Geschäftsführerdes Deutschen Hochschulverban-des und merkte an: „Beim bestenWillen: Das ist keine normale Dritt-mittelvereinbarung“. In zwischen

nahmen sowohl Deutsche Bank wieauch die Humboldt Uni versitätvom Vertrag Abstand und lassenihn in der Form auslaufen.Auch der Stifterverband für diedeutsche Wissenschaft, die Interes-senorganisation der deutschenUnternehmerschaft, hat derweil aufdie schlechte Presse reagiert. Ersprach sich gegen Geheimverträgeaus und hat im August einen„Kodex“ für entsprechende Koope-rationen vorgelegt. Zu lauteren Ver-trägen sollen sich die Unternehmendemnach auf Basis des von der wirt-schaftlichen Interessenorganisationfestgelegten Katalogs verpflichten –auf freiwilliger Basis. Auch an der Universität Bremenspitzte sich jüngst die Situation zu.An die Weiterführung einer dorteingerichteten Stiftungsprofessurim Bereich der Raumfahrttechno-logie knüpfte der Vorsitzende desBremer Konzerns OHB die Bedin-gung, dass die Hochschule die soge-nannte Zivilklausel fallen lasse, mitder die Hochschule ihre Forschungauf friedliche Zwecken verpflichtet. Während die Studierenden in Bre-men mobil machen und Unter-schriften für die Zivilklausel sam-meln, läuft an der Uni Köln einRechtsstreit. Er hat einen Koopera-tionsvertrag mit dem Pharmakon-zern Bayer AG zum Gegenstand.Was hier alles vereinbart wurde, lässtsich indessen so genau nicht sagen,denn die Hochschule verweigert bis-

lang dessen Veröffentlichung.

Hochschulautonomieheute: Politik der leeren Kassen...Die Geschehnisse in Berlin, Bre-men und Köln kommen nicht vonungefähr, sondern haben ihre Vor-geschichte. Seit der Bildungsexpan-sion in den 1970er Jahren hat eszwar kleinere Sonderprogramme,aber keinen Ausbau der grundstän-digen Finanzierung der Hochschu-len mehr gegeben. Finanzielltrocken gelegt suchen die Hoch-schulen nach Finanzierungsquellenund lassen sich dabei auch auf win-dige Bedingungen ein. Es sindnicht nur Einzelfälle, in denen diegrundgesetzlich verbriefte Freiheitvon Forschung und Lehre amMarkt feilgeboten wird.

...und smoothe RegierungstechnikenDie beschriebenen Fälle von„Kooperationen“ sind nur ein Teilgegenwärtiger Ökonomisierungs -tendenzen im Hochschulbereich.Neben der Reduktion von Praxis -orientierung auf employabilitywurde im Bologna-Prozess dieFrage nach der Qualität von Studi-um nicht als Aufgabe einer demo-kratischen Beteiligung gestellt. DasAkkreditierungsgeschäft, Evaluati-onsmaschinerie und sogenannteQualitätsmanagementsysteme stel-len Instrumente der Scheinbeteili-

gung an einer postdemokratischenHochschule dar, in denen dieBetroffenen als Beteiligte mitma-chen, ohne wirklich etwas ändernzu können. Die damit verbundeneQualitätsindustrie ist hierbei nichtnur geschmeidige Regierungstech-nik, sondern mitunter auch einlukratives Geschäft.

Commons statt Kotau!Brechts Galilei stand noch amBeginn der Gründung modernerUniversitäten, also noch bevordiese sich als eigene Interessenbe-reiche institutionalisierten und imZuge der Herausbildung einerSphäre des Sozialen in der bürger-lichen Gesellschaft so etwas wie einStück Autonomie herausbildeten.So gesehen stand er am Beginneiner Entwicklung, mit deren Endewir heute konfrontiert sind: Ingegenwärtigen Ökonomisierungs -tendenzen wird die öffentliche Bil-dung nämlich ebenso wie Bereicheder medizinischen Versorgung, derAltersvorsorge und des Sozialenüberhaupt unter den Standpunktder ökonomischen Verwertbarkeitsubsumiert. Das sind eben just dieBereiche, die ehedem die sozialeInfrastruktur einer Gesellschaftgarantieren sollten und jene Sphä-re von Öffentlichkeit schufen, wel-che die Bedingung bürgerlicherDemokratie war. Neben den restaurativen Erschei-nungen um Patente und Public-Pri-vate-Partnerships, die sich gegen-wärtig an den Grenzen von Wis-sensproduktion und Ökonomieabspielen, gibt es indessen auchProjekte der Commons und OpenSource. Bei Lichte betrachtetmögen sich diese als Keimformenfür nachhaltigere Modelle erwei-sen – insofern sie gesellschaftlichproduktiver sind.

Sven Lehmann, Bundessprecher der GEW-Stu-

dierenden

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read.me – Zeitung für Studierende 7

Für Außenstehende ist die Viel-falt der Studentenverbindungenverwirrend. Dabei gibt es nebenUnterschieden auch viele Ge -meinsamkeiten, auf die sich alleVerbindungen berufen. Sie pfle-gen das Lebensbundprinzip, dasdie Bildung von Seilschaftenermöglicht. Fast alle Verbindun-gen schließen Frauen aus. Auchteilen sie ihre verhängnisvolleGeschichte, die durch Nationalis-mus, Militarismus und Antisemi-tismus geprägt ist. Dem entsprichteine lokal wie überregional insti-tutionalisierte Zusammenarbeitzwischen den Verbänden. Ver-schiedene Studentenverbindun-gen berufen sich auf völkischeGrundsätze. Insbesondere bei derDeutschen Burschenschaft sindpersonelle Überschneidungenmit neofaschistischen Organisa-tionen anzutreffen. Großdeut-sche Politik findet sich jedochauch in anderen Dachverbänden.Und mittlerweile hat der extremeFlügel der studentischen Verbin-dungen auch ein entsprechendorganisiertes Pendant unter denSchülerverbindungen. (mitfreundlicher Genehmigung desUnrast Verlages)

Wie schätzen Sie die aktu-elle Entwicklung in derDeutschen Burschenschaftein, besonders im Hinblickauf die Ereignisse beimjüngsten Burschentag?In der Deutschen Burschenschaft(DB) hat weiterhin der Rechts-außen-Flügel die Mehrheit und dasSagen. Zwar wurde auf dem Bur-schentag der Antrag zurück gezogen,Männern mit nichtdeutschen Vor-fahren ausdrücklich den Beitritt zueiner DB-Burschenschaft zu verbie-ten. Die Ursache war allerdings reintaktischer Natur: Nachdem SpiegelOnline den Antrag als „Arierpara-graphen“ bezeichnet hat te, hätteman ihn nicht verabschieden kön-nen, ohne ein komplettes PR-Des-aster anzurichten. Das ändert garnichts daran, dass in der DB unge-brochen de facto das Abstam-mungsprinzip gilt. Es wird nur vonsehr wenigen Burschenschaftenvom liberaleren Rand des Dachver-bandes in Frage gestellt. Auch dieVersuche des Rechtsaußen-Flügels,die gesamte DB weiter nach rechtszu rücken, dauern an. Dies zeigtsich zum Beispiel an der Verbands-zeitschrift, den Burschenschaftli-chen Blättern, die in zwischen sogar

NPD-Funktionsträgern Raum ge -ben, um ihre Ansichten zu vertre-ten. Entwarnung kann da nichtgegeben werden.

Gibt es seit dem Eklat umden dies jährigen Burschen-tag in der Öffentlichkeiteine intensivere kritischeAuseinandersetzung mitden Burschenschaften?Im Moment gibt es durchausAnsätze für eine kritische Ausein-andersetzung in etwas größeremAusmaß als zuvor. Der Eklat hatein breites Medienecho hervorge-rufen, auch über die MünchenerFeiern der BurschenschaftlichenGemeinschaft zu ihrem 50-jährigenBestehen Mitte Juli wurde durchauskritisch berichtet, es gab Proteste.Ob das aber mehr ist als nur einStrohfeuer, das muss man abwarten.

Wie verhalten sich Burschenschaften denngegenüber studentischenGremien? Treten sie selbstbei Wahlen zum Studieren-denparlament an?Gelegentlich schon. Manchmalgründen sie eigene Listen, in allerRegel nicht unter ihrem eigenen,

sondern unter völlig unverdächtigklingenden Namen wie etwa „ListeUnabhängiger Studierender“. Nichtselten kandidieren Burschenschaf-ter auch für Hochschulgruppengroßer Parteien, vor allem für denRCDS. In den letzten Jahren hatder RCDS gelegentlich Burschen-schafter ausgeschlossen, weil sieallzu rechte Positionen vertretenhaben. Burschenschafter waren ge -wöhnlich dabei, wenn Parteien derextremen Rechten, in den 1990erJahren etwa die REP, vorher dieNPD, über Hochschullisten beiWahlen zum Studierendenparla-

ment kandidierten. Mitglieder an -derer Studentenverbindungen sindauch schon für Hochschulgruppenanderer Parteien angetreten, etwafür die Jusos.

Wie werben Burschen-schaften um neue Mitglie-der? Welche Rolle spielenWohnungsangebote aufZimmervermittlungseitenim Internet?Burschenschaften haben schonimmer unbedarfte Studenten mitbilligen Wohngelegenheiten inihren Häusern angelockt. Wer dorteinzieht, sieht sich in aller Regelmehr oder weniger deutlichenAnwerbeversuchen ausgesetzt. Da -neben spielen weiterhin Familient-raditionen eine gewisse Rolle: Bur-schenschafter legen es ihren Söh-nen nicht selten nahe, sich dochauch für den Beitritt zu einer Stu-dentenverbindung zu entscheiden.Manche Burschenschaften be -mühen sich gezielt, Mitgliederganz rechtsaußen zu rekrutieren.Immer wieder schalten Burschen-schaften etwa Werbeanzeigen ineinschlägigen Zeitungen und Zeit-schriften, etwa in der Wochenzei-tung Junge Freiheit, um derenLeserschaft auf sich aufmerksam zumachen.

Wie stehen die Burschen-schaften zu dem Rechts-ruck der Mitte, deranhand des Bucherfolgesvon Sarrazin deutlichgeworden ist?Tatsächlich finden die Thesen vonSarrazin durchaus bei einer ganzenReihe von Burschenschaften Zu stimmung. Insgesamt kommt denBurschenschaften der Rechtsruckder deutschen Gesellschaft, der sichauch am Erfolg des Sarrazin-Buches zeigt, durchaus zugute –schließlich bewegt sich damit dergesellschaftliche Mainstream näheran die Positionen heran, die auchdie Burschenschaften vertreten.Das erhöht die Akzeptanz der Bur-schenschaften auch unter den Stu-dierenden, die ja nicht von dergesellschaftlichen Entwicklung ab -ge trennt sind.

Das Interview führte Anne-Maika Krüger.

Sie studiert in Rostock Geschichte und Philosophie

auf Lehramt

Jörg Kronauer ist Sozialwissenschaftler und frei-

er Journalist aus Köln. Es schreibt unter anderem

für die Jungle World und die Konkret, hält Vor-

träge über Themen wie z.B. Burschenschaften und

andere Studentenverbindungen aus antifaschisti-

scher Sicht.

Interview über Studentenverbindungen

Vitamin Braun

Felix Krebs / Jörg Kronauer

„Studentenverbindungen in

Deutschland – Ein kritischer

Überblick aus antifaschistischer

Sicht“ unrast transparent –

rechter rand Bd. 6

Die Publikation ist direkt beim

Unrast-Verlag (unrast-verlag.de)

oder im Buchhandel

ISBN: 978-3-89771-107-5

80 Seiten 7,80 Euro

erhältlich.

Page 8: read.me 11/2011

read.me – Zeitung für Studierende8

LASS Baden-Wü[email protected]/Studium_4.html

LASS [email protected]

LASS [email protected]/lass.htm

LASS Brandenburglass@studiberatung-potsdam.dewww.studiberatung-potsdam.de

LASS Bremengewstudishb.blogspot.com

LASS [email protected]

LASS [email protected]

LASS Mecklenburg-Vorpommern(über den Landesvorstand)[email protected]

LASS [email protected]/lass

LASS [email protected]

LASS [email protected]

LASS [email protected]

LASS [email protected]

LASS [email protected]

LASS Schleswig-Holsteininfo@gew-hsg.uni-kiel.dewww.gew-hsg.uni-kiel.de

LASS Thü[email protected]/ Studierende_LASS.html

Herausgeber:Gewerkschaft Erziehung und WissenschaftHauptvorstand, Postfach 90040960444 Frankfurt/M. Tel.: 069/78973-0 Fax.: 069/78973-201 [email protected] www.gew.de

Redaktion:Dr. Andreas Keller (verantwortlich),Brigitte Eschenbach, Ana OriasBalderas, Sven Lehmann, Marco Unger

Gestaltung:Werbeagentur Zimmermann, Heddernheimer Landstraße 144, 60439 Frankfurt

Druck: apm AG, Darmstadt

November 2011

Impressum

GEW-Seminare für Studentinnen und Studenten

Kontakt zu den GEW-Studis in deinem Bundesland

11/395* 21.–23.10.2011SteinbachProfessionell beraten – Ein so -zialpolitisches Schulungsseminarfür erfahrene BAföG-BeraterIn-nen und SozialrefentInnenEs werden solche Problembereichebehandelt, welche die Teilnehme-rInnen aus ihrer Arbeit selbst mit-bringen. Darüber hinaus wird auffolgende Themen eingegangen:Erfahrungen mit der Hartz-IV-Ge -setzgebung, Umsetzungsproblemeder 23. BAföG Novelle, Vorausleis -tungsverfahren, Bildungspaket, Än -derungen im SGB II und Wohn-geld. In Kleingruppen werden kon-krete Fragestellungen gelöst.

11/396* 17.–20.11.2011SteinbachDen Anspruch auf BAföG nutzenEin sozialpolitisches Grundsemi-nar für BAföG-BeraterInnen undSozialreferentInnenDas Seminar informiert zur Ausbil-dungsförderung/Sozialrecht undihren gesetzlichen Grundlagen. An -hand konkreter Fälle werden fol-gende Fragen behandelt: Fachrich-tungswechsel, Förderungsproblemebei Bachelor-Master, Eignungs-nachweis, Förderungsdauer, mitBAföG im Ausland, elternunab-hängige Förderung, Vermögensan-rechnung sowie ALG I, Elterngeld,GEZ, Kredite, Mieten, sonstigeFinanzierungsmodelle, Sozialversi-cherung usw. Eingegangen wirdebenfalls auf die Anforderungen andas Beratungsgespräch.

12/398* 3.–5.2.2012MarktbreitVon A wie Arbeitserlaubnis bis Zwie Zulassung – Zur Beratungausländischer StudierenderDas Seminar befasst sich mit denRegelungen des Aufenthaltsrechtsund deren Auswirkungen auf dasStudium von Ausländerinnen undAusländern. Darüber hinaus gehtes um die Integration ausländischer

Studierender und ihre Aktivitätenan den Hochschulen. Schwerpunktdes Seminars ist die Schulung, dieden AusländerreferentInnen beider Beratung ausländischer Studie-renden helfen soll. So wird intensiveingegangen auf die aktuellen auf-enthalts- und arbeitserlaubnisrecht-lichen Bestimmungen für ausländi-sche Studierende.

12/399* 24.–26.2.2012SteinbachProfessionell beraten IEin sozialpolitisches Schulungs-Seminar für erfahrene BAföG-BeraterInnen und Sozialreferent -InnenDas Schulungsseminar der GEWwendet sich an Studierende, diebereits in der BAföG- oder Sozial-beratung aktiv sind und Erfahrun-gen mitbringen. Es werden Pro-blembereiche aus der BAföG- undSozialberatung behandelt, welchedie TeilnehmerInnen aus ihrerArbeit selbst mitbringen. Einge-gangen wird auf folgende Themen:Erfahrungen mit der Hartz-IV-Gesetzgebung; Umsetzungsproble-me beim BAföG und Vorausleis -tungsverfahren, Änderungen imSGB II und Wohngeld.

Für die mit * gekennzeichnetenSeminare erheben wir 75.- € Teil-nahmegebühr.

Informationen bei Brigitte Eschenbach, GEW-Hauptvorstand, Tel.: 069/78973-313,[email protected]

Oktober 2011 bis Juni 2012