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P h yso- Ana I yse? ie Psycho-Analyse hat der modernen Menschheit einige fundamentale D Einsichten und eine gewaltige Befindlichkeits-Krise beschert. Diese ist weder aus- noch durchgestanden: Der Spiegel, den wir da unversehens vor- gehalten bekamen, mag manchen triiben Flecken haben; aber das Bild, das er uns von uns zeigt, ist nachgerade deutlich genug - und nicht beliebig schmei- chelhaft. Nicht allzu viele vermogen darin die Chance zu neuem Aufbruch zu sehen, eine weitere Stufe zur Erfullung des delphischen Aufrufs an Mensch und Menschheit: Erkenne dich selbst! S ,,psychologischen Krankung" des Menschen. Sie folgte, in seiner Sicht, auf die kosmologische (Kopernikus) und die biologische (Darwin). Steht jetzt eine neue biologische Krankung ins Haus? ielleicht. Ein Autorenteam aus zwei Biologen (Thomas Lubjuhn, Man- Vf red Schartl) und einem Mediziner (Jorg Thomas Epplen) behandelt in dieser Ausgabe das ,,DNA Fingerprinting", den genetischen Fingerabdruck. Man kann heute nit vergleichsweise einfachen molekularbiologischen Me- thoden jedes beliebige Individuum im sehr weiten Reich der Eukaryoten, dem bekanntlich auch wir Menschen angehoren, eindeutig identifizieren (einzige Ausnahme: eineiige Mehrlinge). Wohlgemerkt: Es geht hier nicht mehr um Art- oder Rassen- oder Sippenzugehorigkeit, sondern um die posi- tive Identifizierung des einzelnen Individuums. Bleiben wir beim Menschen: Wer bei einem Verbrechen nur Spuren von Blut oder bestimmten Korper- sekreten zuriicklief3, kann damit nachtraglich zweifelsfrei uberfuhrt werden. Und nicht nur das: Stammbaume lassen sich eindeutig rekonstruieren, sofern DNA der Elterngenerationen verfugbar ist. Daher sehen ab jetzt beispiels- weise Vaterschaftsprozesse ganz anders aus als bisher; Lei3 sich friiher alhn- falls eine falschlich behauptete Vaterschaft ausschliefien, so kann jetzt eine zu Recht vermutete positiv bewiesen werden - die neue ,,Physo-Analyse" macht's moglich. o weit, so gut - um so mehr, als sich nun ja keineswegs nur unerfreuliche S Situationen besser klaren lassen und so manche rein biologische Ratselfra- ge einer Beantwortung offen steht. Aber wie sieht die Kehrseite der Medaille aus? Es gibt halt kaum einen methodischen Fortschritt, der nur zum Guten verwendbar ist. Droht etwa der ,,glaserne Mensch", dem schon vor seiner Geburt prophezeit werden kann, ob er gewalttatig, krebsgefahrdet, genial, homosexuell . .. sein wird oder nicht? Die Autoren gehen dankenswerter- weise auch darauf ein und zeigen auf, was getan bzw. unterlassen werden sollte; woraus sich ableiten lafit, wie Gesetzgebung und Rechtsprechung auf diese neue Herausforderung reagieren konnen. A" Mensch eben nicht nur ein Naturwesen ist, sondern zugleich Kulturwe- sen, je einmalig nicht nur in seiner D N A oder seinen Transplantationsantige- nen, sondern auch in seinen Erfahrungen, Schicksalen, Hoffnungen, Angsten, seinen Freuden und Frustrationen - in seinem personliche Erleben dieser Welt. Dort gilt, was Milan Kundera (,,Die Unsterblichkeit") geschrieben hat: ,,In unserer Welt, in der es taglich mehr Gesichter gibt, die sich immer ahnli- cher werden, hat man es schwer, wenn man sich die Originalitat seines Ichs bestatigen und von seiner unwiederholbaren Einzigartigkeit uberzeugen will". Diese - in Abwandlung eines anderen Romantitels von Kundera - ,,ertragliche Schwere des Seins" kann uns niemand und nichts abnehmen - auch die Physoanalyse nicht. igmund Freud ahnte, welche Lawine er lostrat - er selbst sprach von der erdings - wenn irgendwo, dann mui3 sich (auch) hier zeigen, dai3 der I f - /< ; J & Petersitte 21 Neue Erkenntnisse zur Blutenentwicklung ahrend der Bliitenentwick- Wl ung hoherer Pflanzen wer- den zeitlich und raumlich nachein- ander die verschiedenen Bliitenor- gane angelegt. Durch Mutationen kann dabei die Anordnung der Or- gane durcheinandergeraten. Das Studium derartig veranderter Blii- ten bei Antirrhinum majus, dem Lowenmaulchen, und Arabidopsis thaliana, der Ackerschmalwand, hat zu ersten Erkenntnissen der molekulargenetischen Reaktions- mechanismen gefiihrt. 39 Das Experiment: TransparenteWirbeltiere as ,,Spalteholz-Aufhellungs- D verfahren" ist eine wenig auf- wendige Methode, urn juvenile Knochenfische, Kmphibien oder auch andere Wirbeltiere transparent zu machen und so verschiedene Sta- dien der Embryonalentwicklung des Skeletts darzustellen. '

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P h yso- Ana I yse?

ie Psycho-Analyse hat der modernen Menschheit einige fundamentale D Einsichten und eine gewaltige Befindlichkeits-Krise beschert. Diese ist weder aus- noch durchgestanden: Der Spiegel, den wir da unversehens vor- gehalten bekamen, mag manchen triiben Flecken haben; aber das Bild, das er uns von uns zeigt, ist nachgerade deutlich genug - und nicht beliebig schmei- chelhaft. Nicht allzu viele vermogen darin die Chance zu neuem Aufbruch zu sehen, eine weitere Stufe zur Erfullung des delphischen Aufrufs an Mensch und Menschheit: Erkenne dich selbst!

S ,,psychologischen Krankung" des Menschen. Sie folgte, in seiner Sicht, auf die kosmologische (Kopernikus) und die biologische (Darwin). Steht jetzt eine neue biologische Krankung ins Haus?

ielleicht. Ein Autorenteam aus zwei Biologen (Thomas Lubjuhn, Man- Vf red Schartl) und einem Mediziner (Jorg Thomas Epplen) behandelt in dieser Ausgabe das ,,DNA Fingerprinting", den genetischen Fingerabdruck. Man kann heute n i t vergleichsweise einfachen molekularbiologischen Me- thoden jedes beliebige Individuum im sehr weiten Reich der Eukaryoten, dem bekanntlich auch wir Menschen angehoren, eindeutig identifizieren (einzige Ausnahme: eineiige Mehrlinge). Wohlgemerkt: Es geht hier nicht mehr um Art- oder Rassen- oder Sippenzugehorigkeit, sondern um die posi- tive Identifizierung des einzelnen Individuums. Bleiben wir beim Menschen: Wer bei einem Verbrechen nur Spuren von Blut oder bestimmten Korper- sekreten zuriicklief3, kann damit nachtraglich zweifelsfrei uberfuhrt werden. Und nicht nur das: Stammbaume lassen sich eindeutig rekonstruieren, sofern DNA der Elterngenerationen verfugbar ist. Daher sehen ab jetzt beispiels- weise Vaterschaftsprozesse ganz anders aus als bisher; Lei3 sich friiher alhn- falls eine falschlich behauptete Vaterschaft ausschliefien, so kann jetzt eine zu Recht vermutete positiv bewiesen werden - die neue ,,Physo-Analyse" macht's moglich.

o weit, so gut - um so mehr, als sich nun ja keineswegs nur unerfreuliche S Situationen besser klaren lassen und so manche rein biologische Ratselfra- ge einer Beantwortung offen steht. Aber wie sieht die Kehrseite der Medaille aus? Es gibt halt kaum einen methodischen Fortschritt, der nur zum Guten verwendbar ist. Droht etwa der ,,glaserne Mensch", dem schon vor seiner Geburt prophezeit werden kann, ob er gewalttatig, krebsgefahrdet, genial, homosexuell . . . sein wird oder nicht? Die Autoren gehen dankenswerter- weise auch darauf ein und zeigen auf, was getan bzw. unterlassen werden sollte; woraus sich ableiten lafit, wie Gesetzgebung und Rechtsprechung auf diese neue Herausforderung reagieren konnen.

A" Mensch eben nicht nur ein Naturwesen ist, sondern zugleich Kulturwe- sen, je einmalig nicht nur in seiner DNA oder seinen Transplantationsantige- nen, sondern auch in seinen Erfahrungen, Schicksalen, Hoffnungen, Angsten, seinen Freuden und Frustrationen - in seinem personliche Erleben dieser Welt. Dort gilt, was Milan Kundera (,,Die Unsterblichkeit") geschrieben hat: ,,In unserer Welt, in der es taglich mehr Gesichter gibt, die sich immer ahnli- cher werden, hat man es schwer, wenn man sich die Originalitat seines Ichs bestatigen und von seiner unwiederholbaren Einzigartigkeit uberzeugen will". Diese - in Abwandlung eines anderen Romantitels von Kundera - ,,ertragliche Schwere des Seins" kann uns niemand und nichts abnehmen - auch die Physoanalyse nicht.

igmund Freud ahnte, welche Lawine er lostrat - er selbst sprach von der

erdings - wenn irgendwo, dann mui3 sich (auch) hier zeigen, dai3 der

I f - /< ; J & Petersitte

21 Neue Erkenntnisse zur Blutenentwicklung

ahrend der Bliitenentwick- Wl ung hoherer Pflanzen wer- den zeitlich und raumlich nachein- ander die verschiedenen Bliitenor- gane angelegt. Durch Mutationen kann dabei die Anordnung der Or- gane durcheinandergeraten. Das Studium derartig veranderter Blii- ten bei Antirrhinum majus, dem Lowenmaulchen, und Arabidopsis thaliana, der Ackerschmalwand, hat zu ersten Erkenntnissen der molekulargenetischen Reaktions- mechanismen gefiihrt.

39 Das Experiment:

Transparente Wirbeltiere as ,,Spalteholz-Aufhellungs- D verfahren" ist eine wenig auf-

wendige Methode, urn juvenile Knochenfische, Kmphibien oder auch andere Wirbeltiere transparent zu machen und so verschiedene Sta- dien der Embryonalentwicklung des Skeletts darzustellen.

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