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HöCHSTE ZEIT FüR ANERKENNUNG UND KLARE STANDARDS! „Ich wollte einen Beruf, bei dem ich mit dem Gefühl nach Hause gehe, einem Menschen geholfen zu haben“, sagt Anke Schmitz. Sie hat ihn gefunden. Als Altenpflegerin - aber für einen hohen Preis: Schlechte Arbeitsbedingungen, große Verantwortung, hohe Arbeitsverdichtung und eine Bezahlung, die dem Job nicht gerecht wird - das ist es, was ihre Arbeit gegenwärtig ausmacht. „Statt um die Menschen, dreht sich alles um Pflegesätze, Fallpauschalen, Personalbe- messungen. Das Bedürfnis nach menschlicher Zuneigung der Pflegebedürftigen ist dabei allzuoft nur noch ein Störfaktor im System“, sagt Schmitz. Und sie ist kein Einzelfall: „Pflege am Limit“ – unter diesem Motto machten Bremer Pflegekräfte jüngst einen ganzen Monat lang auf ihre Situation auf- merksam. Insgesamt etwa 19.000 Frauen und Männer arbeiten in Bremen und Bremerhaven in diesem Bereich – immer mehr von ihnen beklagen zunehmend schlechtere Arbeitsbedingungen und den steigenden Zeitdruck, unter dem sie arbeiten müssen. Viel mehr als „satt und sauber“, sei dabei häufig nicht drin, stattdessen gibt es Pflege im Minutentakt - und für die hohen psychischen und physischen Belastungen, die der Job mit sich bringt, erhalten viele dann auch noch einen unterdurchschnittlichen Lohn. Aber die Ungerechtigkeit beginnt schon in der Ausbildung: Statt - wie in anderen Berufen üblich - erhalten nicht alle „Pflege-Azubis“ von Anfang an eine Ausbildungsvergütung, sondern müssen stattdessen oft sogar noch Schulgeld bezahlen. Fachkräftemangel? Kein Wunder! „Angesichts dieser Bedingungen, ist es kein Wunder, dass wir im Pflegebe- reich mit einem extremen Fachkräftemangel zu kämpfen haben. Um das zu ändern, brauchen Pflegerinnen und Pfleger in ihrem Job endlich die Anerken- nung und Bezahlung, die sie verdienen“, betont der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dieter Reinken. „Als SPD treten wir deshalb für eine schulgeldfreie Ausbildung und eine Ausbildungsvergütung vom ersten Tag an ein. Darüber hinaus müssen alle für das Arbeitsverhältnis wesentlichen Fragen von Gewerkschaften und Arbeitgebern in Tarifverträgen geregelt werden. Ziel muss es sein, über einen Branchentarifvertrag einheitliche Mindeststandards zu definieren. Ein solcher Tarifvertrag kann auf Landesebene für allgemeinver- bindlich erklärt werden und so Mindeststandards für alle Pflegekräfte gesetzlich festschreiben. Lohndumping wäre dann in der Pflege legal jedenfalls nicht mehr möglich“, so Reinken. Ebenso wichtig wie die Festlegung von Mindestentgelten und Arbeitsbedingungen sei darüber hinaus die Definition von Mindestperso- nalstandards durch die Bundesregierung. Mindeststandards festlegen „Eine angemessene Personalausstattung ist Voraussetzung für gute Pflege und zumutbare Arbeitsbedingungen. Die Bremer Fachkräftequoten greifen nicht, so lange diese Mindeststandards für die Personalausstattung nicht geregelt sind. Die Festlegung dieser Standards sollte einer mit Gewerkschaften, Pflegeverbän- den, Krankenkassen und Krankenhäusern besetzten Kommission übertragen werden, die dabei auch strukturelle Unterschiede und regionale Besonderhei- ten berücksichtigen muss“, so der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Frak- tion, Winfried Brumma.Die Verbesserung der Rahmenbedingungen in der Pflege ist aber nicht nur ein Anliegen der Beschäftigten. Eine gute Pflege liegt im Interesse aller und braucht eine ausreichende Finan- zierung. Eine Anhebung der Pflegeversicherung und die angestrebte Bürgerversicherung würden die aktuelle Notlage spürbar entschärfen. „SOZI FREI HAUS“ SIE BESTIMMEN ORT UND ZEIT – WIR LIEFERN ! „Sozi frei Haus“ geht in die nächste Runde. Ab Anfang Oktober bis kurz vor Weihnach- ten ist die SPD-Fraktion wieder mit über 50.000, von Til Mette gestalteten Postkarten in 260 Kneipen, Restaurants und anderen öffentlichen Einrichtungen in Bremen und Bremerhaven präsent – und „liefert“ ihre 35 Abgeordneten als Gesprächpartner ins heimi- sche Wohnzimmer oder wohin Sie wollen ... Und so funktioniert „Sozi frei Haus“: Wer ein Thema mit einem oder einer SPD-Ab- geordnete/n diskutieren möchte, schickt einfach die ausgefüllte Postkarte an das Fraktionsbüro. Voraussetzung ist, dass sich fünf KollegInnen, Freunde oder Bekannte zusammenfinden, sich auf Ort und Zeitpunkt einigen – und schon liefert die SPD-Fraktion eines ihrer Mitglieder. NÄHERE INFORMATIONEN „SOZI FREI HAUS!“ WWW.SPD-FRAKTION- BREMEN.DE/SOZI-FREI-HAUS THEMEN SEITE 02: ARBEIT Arbeitnehmerrechte sind keine Glaubensfrage! | SEITE 03: SOZIALES & INTEGRATION Flüchtlingspolitik | Betreuung für unter Dreijährige | SEITE 04: BILDUNG Sozialarbeit gehört zur guten Schule | Mobbing aus dem Internet | SEITE 05: FRAUENPOLITIK Schwanger ... und raus? | Werbung und Sexismus | SEITE 06: WIRTSCHAFT Internet statt Innenstadt? Konkurrenz für die Bremer City | SEITE 07: UMWELT & INFOFREIHEIT Energiewende nicht verstolpern! | Im Kommen: Creative Commons | SEITE 08: HAUSHALT & FINANZEN Schutz fürs Tafelsilber: Privatisierungs- bremse angezogen | SEITE 09: KULTUR & INNERES Veranstaltungsreihe Kulturblüten | Draußen feiern muss drin sein! | SEITE 10: STADTENTWICKLUNG Zukunftsperspektive der Hafenreviere | Keine Parallelwelt in der Überseestadt | SEITE 11: BREMERHAVEN Die Karlsburg wird zum Campus | Auf zu neuen Ufern | SEITE 12: VERKEHR Ein Schiff wird kommen: Neue Fährverbindungen für die Weser? | SCHLUSS MIT SCHNELL UND BILLIG! FÜR EINE MENSCHENWÜRDIGE PFLEGE AUSGABE NR. 2 | SEPTEMBER 2013 WWW.SPD-FRAKTION-BREMEN.DE ARBEITNEHMERRECHTE UNTERM KIRCHENDACH SEITE 02 Foto: jmg / pixelio.de

Rotheute September 2013

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Zeitung der SPD Bürgerschaftsfraktion Land Bremen Ausgabe 02/2013

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Page 1: Rotheute September 2013

HöcHste Zeit für Anerkennung und klAre stAndArds! „Ich wollte einen Beruf, bei dem ich mit dem Gefühl nach Hause gehe, einem Menschen geholfen zu haben“, sagt Anke Schmitz. Sie hat ihn gefunden. Als Altenpflegerin - aber für einen hohen Preis: Schlechte Arbeitsbedingungen, große Verantwortung, hohe Arbeitsverdichtung und eine Bezahlung, die dem Job nicht gerecht wird - das ist es, was ihre Arbeit gegenwärtig ausmacht. „Statt um die Menschen, dreht sich alles um Pflegesätze, Fallpauschalen, Personalbe-messungen. Das Bedürfnis nach menschlicher Zuneigung der Pflegebedürftigen ist dabei allzuoft nur noch ein Störfaktor im System“, sagt Schmitz. Und sie ist kein Einzelfall: „Pflege am Limit“ – unter diesem Motto machten Bremer Pflegekräfte jüngst einen ganzen Monat lang auf ihre Situation auf-merksam. Insgesamt etwa 19.000 Frauen und Männer arbeiten in Bremen und Bremerhaven in diesem Bereich – immer mehr von ihnen beklagen zunehmend schlechtere Arbeitsbedingungen und den steigenden Zeitdruck, unter dem sie arbeiten müssen. Viel mehr als „satt und sauber“, sei dabei häufig nicht drin, stattdessen gibt es Pflege im Minutentakt - und für die hohen psychischen und physischen Belastungen, die der Job mit sich bringt, erhalten viele dann auch noch einen unterdurchschnittlichen Lohn. Aber die Ungerechtigkeit beginnt schon in der Ausbildung: Statt - wie in anderen Berufen üblich - erhalten nicht alle „Pflege-Azubis“ von Anfang an eine Ausbildungsvergütung, sondern müssen stattdessen oft sogar noch Schulgeld bezahlen.

Fachkräftemangel? Kein Wunder! „Angesichts dieser Bedingungen, ist es kein Wunder, dass wir im Pflegebe-reich mit einem extremen Fachkräftemangel zu kämpfen haben. Um das zu ändern, brauchen Pflegerinnen und Pfleger in ihrem Job endlich die Anerken-

nung und Bezahlung, die sie verdienen“, betont der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dieter Reinken. „Als SPD treten wir deshalb für eine schulgeldfreie Ausbildung und eine Ausbildungsvergütung vom ersten Tag an ein. Darüber hinaus müssen alle für das Arbeitsverhältnis wesentlichen Fragen von Gewerkschaften und Arbeitgebern in Tarifverträgen geregelt werden. Ziel muss es sein, über einen Branchentarifvertrag einheitliche Mindeststandards zu definieren. Ein solcher Tarifvertrag kann auf Landesebene für allgemeinver-bindlich erklärt werden und so Mindeststandards für alle Pflegekräfte gesetzlich festschreiben. Lohndumping wäre dann in der Pflege legal jedenfalls nicht mehr möglich“, so Reinken. Ebenso wichtig wie die Festlegung von Mindestentgelten und Arbeitsbedingungen sei darüber hinaus die Definition von Mindestperso-nalstandards durch die Bundesregierung.

Mindeststandards festlegen

„Eine angemessene Personalausstattung ist Voraussetzung für gute Pflege und zumutbare Arbeitsbedingungen. Die Bremer Fachkräftequoten greifen nicht, so lange diese Mindeststandards für die Personalausstattung nicht geregelt sind. Die Festlegung dieser Standards sollte einer mit Gewerkschaften, Pflegeverbän-den, Krankenkassen und Krankenhäusern besetzten Kommission übertragen werden, die dabei auch strukturelle Unterschiede und regionale Besonderhei-ten berücksichtigen muss“, so der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Frak-tion, Winfried Brumma.Die Verbesserung der Rahmenbedingungen in der Pflege ist aber nicht nur ein Anliegen der Beschäftigten. Eine gute Pflege liegt im Interesse aller und braucht eine ausreichende Finan-zierung. Eine Anhebung der Pflegeversicherung und die angestrebte Bürgerversicherung würden die aktuelle Notlage spürbar entschärfen.

„soZi frei HAus“ sie bestimmen ort und Zeit – Wir liefern !„Sozi frei Haus“ geht in die nächste Runde. Ab Anfang Oktober bis kurz vor Weihnach-ten ist die SPD-Fraktion wieder mit über 50.000, von Til Mette gestalteten Postkarten in 260 Kneipen, Restaurants und anderen öffentlichen Einrichtungen in Bremen und Bremerhaven präsent – und „liefert“ ihre 35 Abgeordneten als Gesprächpartner ins heimi-sche Wohnzimmer oder wohin Sie wollen ...

Und so funktioniert „Sozi frei Haus“:

Wer ein Thema mit einem oder einer SPD-Ab-geordnete/n diskutieren möchte, schickt einfach die ausgefüllte Postkarte an das Fraktionsbüro. Voraussetzung ist, dass sich fünf KollegInnen, Freunde oder Bekannte zusammenfinden, sich auf Ort und Zeitpunkt einigen – und schon liefert die SPD-Fraktion eines ihrer Mitglieder.

nÄHERE inFORMATiOnEn „SOZi FREi HAUS!“ www.Spd-FRAkTiOn- bREMEn.dE/SOZi-FREi-HAUS

tHemenSEiTE 02: ARbEiTArbeitnehmerrechte sind keine Glaubensfrage! |

SEiTE 03: SOZiAlES & inTEGRATiOnFlüchtlingspolitik | betreuung für unter dreijährige |

SEiTE 04: bildUnGSozialarbeit gehört zur guten Schule | Mobbing aus dem internet |

SEiTE 05: FRAUEnpOliTikSchwanger ... und raus? | werbung und Sexismus |

SEiTE 06: wiRTScHAFTinternet statt innenstadt? konkurrenz für die bremer city |

SEiTE 07: UMwElT & inFOFREiHEiTEnergiewende nicht verstolpern! | im kommen: creative commons |

SEiTE 08: HAUSHAlT & FinAnZEnSchutz fürs Tafelsilber: privatisierungs-bremse angezogen | SEiTE 09: kUlTUR & innERES Veranstaltungsreihe kulturblüten |draußen feiern muss drin sein! |

SEiTE 10: STAdTEnTwicklUnGZukunftsperspektive der Hafenreviere | keine parallelwelt in der Überseestadt |

SEiTE 11: bREMERHAVEndie karlsburg wird zum campus | Auf zu neuen Ufern |

SEiTE 12: VERkEHREin Schiff wird kommen: neue Fährverbindungen für die weser? |

scHluss mit scHnell und billig!FÜR EinE MEnScHEnwÜRdiGE pFlEGE

AusgAbe Nr. 2 | september 2013 www.spd-frAktioN-bremeN.de

ArbeitneHmerrecHte unterm kircHendAcH SEiTE 02

Foto: jmg / pixelio.de

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RotHeute im GespRäcH | „GleicHes RecHt füR Alle und VeRHAndlunGen Auf AuGenHöHe“ Als „bescheidener Arbeiter im Weinberg des Herrn“ hat sich Papst Benedikt XVI. einst bezeichnet. Aber wie sieht die Situation der Kirchen-Beschäftigten in den Altenpflegeein-richtungen, Kindergärten oder Krankenhäusern tatsächlich aus? Ein Gespräch mit Karin Janneck aus der Gesamtmitarbeitervertretung des Vereins für Innere Mission.

Frau Janneck, man möchte meinen, gerade die Kirchen seien gute Arbeitgeber, denen das Drücken von Personal-kosten, Leiharbeit, Outsourcing und befristete Verträge fremd sind…... die Realität sieht allerdings oft anders aus. Gerade im Pflege- oder Gesundheitsbereich stehen die kirchlichen Ar-beitgeber, genau wie alle anderen, unter dem Druck der Kran-ken- und Pflegekassen – und sie verhalten sich entsprechend. Das heißt: Wie in der Privatwirtschaft, werden immer häufiger Tochtergesellschaften gegründet, um durch Outsourcing Personalkosten zu senken. Genau wie in der Privatwirtschaft kommen zunehmend billigere Leiharbeitnehmer zum Einsatz

und genau wie in der Privatwirtschaft werden Sonderleistungen - wie etwa das Weihnachts-geld - in wirtschaftlich schwierigen Zeiten nicht gezahlt oder Abmahnungen ausge-sprochen. Der einzige Unterschied: Anders als in der Privatwirtschaft steht den kirchlichen Arbeitgebern keine wirkungsvolle Arbeit-nehmervertretung gegenüber. Aber dafür gibt es doch den sogenann-

ten „dritten Weg“, der eine einvernehmliche Gestaltung der Arbeitsvertragsregelungen und der Vergütung in paritätisch besetzten Kommissionen vorsieht? Ja, das ist die Idee – und manche Arbeitgeber halten sich auch an das, was da in vielen schönen Worten aufgeschrieben wur-de. Was die Vorstellung der Arbeitgeber von „einvernehmli-cher Gestaltung“ angeht, haben wir aber in der Diakonie ganz andere Erfahrungen. Dort hieß es von der Arbeitgeberseite irgendwann schlicht: Da das Geld immer knapper wird, können keine Entgelterhöhungen vorgenommen werden. Es gebe also schlicht nichts zu verhandeln, Punkt. Die Mitar-beitervertreter/innen haben daraufhin lange überlegt, wie sie mit dieser Ansage umgehen. Das Problem ist nur: die Beschäftigten der Kirchen haben keinerlei Druckmittel in der Hand. Im Gegenteil: Als einige der Mitarbeitervertreter/innen daraufhin ordentliche Verhandlungen und Tarifverträge gefor-dert haben, wurden sie aus der Kommission ausgeschlossen.

Aber letztlich hat die Arbeitnehmerseite doch die Mög-lichkeit ein Kirchengerichtsverfahren anzustreben? Das ist richtig – und oft ziemlich wirkungslos: Werden beispielsweise die Rechte der Mitarbeitervertretung von den Arbeitgebern beschnitten, und es fällt tatsächlich ein entsprechendes Urteil, dann sagt der Arbeitgeber „Tut uns leid“ – und das war es dann. Konkrete Folgen, wie etwa bei Auseinandersetzungen vor normalen Arbeitgerichten, gibt es selten. Selbst wenn das Diakonische Werk beispielsweise Buß-gelder verhängen kann, geschieht das fast nie – und auch die Kirchen als sozusagen letzte Instanz stellen sich nicht vor die Mitarbeiter/innen. Kurzum: Wir haben kaum Möglichkeiten, unsere Interessen wirklich umzusetzen.

Die Arbeitgeberseite betont indes die besondere Zusam-menarbeit in der „christlichen Dienstgemeinschaft“, die Arbeitskampfmaßnahmen überflüssig mache ... Das eine hat doch nichts mit dem anderen zu tun: In unse-rem(diakonischen) Arbeitsalltag verhalten sich kirchliche genau wie normale Arbeitgeber, die weltlichen Möglichkeiten der arbeitsrechtlichen Konsequenzen werden auch in den diakonischen Betrieben angewandt – da beruft sich auch niemand auf die christliche Moralethik. Letztere wird von uns übrigens gar nicht in Frage gestellt: Für viele meiner Kollegin-nen und Kollegen ist ihre Arbeit sehr wohl eine Angelegenheit des Glaubens. Aber das hat doch nichts damit zu tun, dass wir auf der anderen Seite auch für uns die allgemeingültigen Arbeitsrechtsregelungen einfordern.

Zumindest die evangelische Kirche scheint sich doch auf die Beschäftigten zuzubewegen. Für die Synode im November ist eine Überarbeitung des sogenannten Ar-beitsrechtsregelungsgrundsätzegesetzes vorgesehen... Ja, aber was dabei angedacht ist, bleibt äußerst schwammig, sowohl was das Streikrecht als auch, was die konkrete Beteili-gung der Gewerkschaften angeht. In diesem Zusammenhang setzt übrigens schon die Diskussion über die geplanten Änderungen Zeichen: Die Mitarbeitervertretungen saßen dabei nicht etwa mit am Tisch, sondern wurden lediglich „angehört“. Daher bleibt es für uns dabei: Wir wollen nicht mehr und nicht weniger als gleiches Recht für alle. Und damit verweigern wir uns keineswegs dem christlichen Auftrag der Kirchen, sondern es geht uns schlicht darum, endlich auf Augenhöhe mit den Arbeitgebern verhandeln zu können. KARin JAnnecK

GesAmtmitARbeiteRVeRtRetunG VeRein füR inneRe mission bRemen

2 RotHeute ARbeit | ARbeitneHmeRRecHte & KiRcHen

Dieter Reinken: „Es geht uns um die berechtig-ten Interessen der Beschäftigten - nicht etwa um einen Kulturkampf gegen die Kirchen. Im Gegenteil: Wir sind uns bewusst, dass das En-gagement der Kirchen unverzichtbar ist. Damit lässt sich allerdings nicht begründen, dass die Beschäftigten nicht das gleiche Recht, wie alle anderen haben.“

Bei Arbeiten am Dach gelten die allgemeinen Arbeitnehmerrechte - aber wie sieht es mit den Arbeitsplätzen unter dem Dach der Kirchen aus?

„Die Rechte von Beschäftigten in kirchlichen Einrichtungen wei-chen in wesentlichen Punkten von den in allen anderen Berei-chen selbstverständlichen Arbeitnehmerrechten ab“, erklärte der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Dieter Reinken. „Das muss ein Ende haben!“ Genau das ist die Zielsetzung der politischen Initiative, die vor kurzem von den sozialdemokratischen Bürgerschaftsabge-ordneten ergriffen wurde. Die konkrete Forderung dabei: Auf Grundlage der bestehenden staatskirchenrechtlichen Verträge sollen Gespräche mit den Kirchen aufgenommen werden, um eine Vereinbarung zum besseren Schutz von kirchlichen Arbeit-nehmerinnen und Arbeitnehmern zu schließen. „Wir wollen nicht mehr und nicht weniger, als das die bislang unzureichenden Mitbestimmungsregeln der kirchlichen Mit-arbeiter endlich modernisiert werden. Allein das hat bei den Arbeitgebern schon für reichlich Nervosität gesorgt“, so Reinkens Eindruck nach den ersten Gesprächen mit der Arbeitgeberseite. „Uns wurde dabei versichert, dass es zu einer umfassenden Neu-regelung eigentlich gar keinen Bedarf gibt – das allerdings sehen die Arbeitnehmer, wie wir danach erfahren haben, eindeutig anders“.

Kaum Unterschied zur Privatwirtschaft So schilderten beispielsweise Beschäftigte der Stiftung Frie-dehorst und der Egestorff-Stiftung mit deutlichen Worten ihre Erfahrungen: Es wurden dort beispielsweise Tochtergesellschaf-ten gegründet, die nur ein Ziel - geringere Personalkosten - verfolgten, und zudem seien die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Mitarbeitervertretungen schlicht ausgehebelt worden. Auch Urteile des Kirchengerichts hätten dabei kaum Wert - weil sich manche kirchlichen Arbeitgeber schlicht nicht darum kümmer-ten. Auch was die Bezahlung angeht, haben kirchliche Mitarbei-ter nicht selten das Nachsehen im Vergleich zu ihren „weltlichen“ Kollegen: „Dort wird zwar immer wieder betont, man zahle doch über Tarif - aber leider hält das der faktischen Überprüfung nicht stand“, berichtet auch der Bremer Ver.di Gewerkschaftssekretär Uwe Schmidt: „Zwar zahlt beispielsweise die Caritas tatsächlich ein Einstiegsgehalt, das über den tarifvertraglichen Regelungen des öffentlichen Dienstes liegt. Später allerdings bleiben die Beschäftigten der Caritas unter dem Tarif der Kollegen in der Privatwirtschaft deutlich zurück, da es weniger Steigerungsstufen gibt. Selbst die Caritas bleibt auf diese Weise bei der Bezahlung - wenn man sie auf die Lebensarbeitszeit hochrechnet - weit zurück.“

Als positives Signal wertet Reinken in diesem Zusammenhang die jüngst in Niedersachsen zwischen den diakonischen Arbeit-gebern und den Gewerkschaften Ver.di und Marburger Bund ausgehandelte Tarifeinigung. Rund 30.000 Beschäftigte im Sozial- und Gesundheitswesen erhalten dadurch künftig mehr Lohn. Reinken geht davon aus, dass sich auch die Kirchenvertre-ter in der Hansestadt derartigen Regelungen nicht verschließen werden: „Was in Niedersachsen funktioniert, kann auch in Bre-men klappen“, zeigt sich der Sozialdemokrat zuversichtlich.

Kirchliches Arbeitsrecht muss sich wandeln!

Sollte sich in Bremen allerdings keine Verbesserung für die kirch-lich Beschäftigten erreichen lassen, wird die SPD-Fraktion eine Änderung der Landesverfassung vorschlagen. Bremen soll in diesem Fall an Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemein-schaften nur noch dann Zuwendungen gewähren, wenn diese die allgemeingültigen arbeitsrechtlichen Regelungen anwenden. „Ausnahmen davon würde es dann nur geben, sofern Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften bundesgesetz-lich Sonderregelungen eingeräumt wurden oder seelsorgerisch und unmittelbar liturgisch Tätige betroffen sind“, betont Reinken. „Letztlich bleibt es dabei, wir brauchen eine gerechte tarifliche Bezahlung in Caritas und Diakonie, ein Streikrecht, das seinen Namen verdient, gleiche Mitbestimmungsrechte wie für Be-triebsräte - und auch die Gewerkschaften müssen bei den Tarifverhandlun-gen endlich mit an den Tisch. >Antrag: Gute Arbeit und gleiche Arbeitnehmer-rechte für Beschäftigte von Kirchen und Religi-onsgesellschaften http://tinyurl.com/arbeit-kirche

ARbeitneHmeRRecHte sind Keine GlAubensfRAGe - GleicHe ReGeln füR bescHäftiGte deR KiRcHen! Ob Kita-Erzieherin, Altenpfleger oder Sozialarbeiterin: Beschäftigte, deren Arbeitgeber Kirche heißt, unterliegen einer Vielzahl arbeitsrechtlicher Sonderregelungen. Sie haben kein Streikrecht, weil dies als unvereinbar mit dem religiös fundierten Auftrag am Nächsten gilt, und statt eines Betriebsrats gibt es bei kirchlichen Arbeitgebern eine sogenannte Mitarbeiter-vertretung. Diese allerdings hat bei weitem nicht dieselben Rechte wie ein Betriebsrat.

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Benötigt werden Strategien für eine integration von anfang an!Die Nachrichten sind erschreckend: Sy-rien, Tschetschenien, Afghanistan oder jetzt Ägypten - die Zahl der Krisenherde wächst und parallel dazu steigt die Zahl derjenigen, die sich aufgrund der Zu-stände in ihren Heimatländern zum oft letzten Ausweg entschließen: Sie lassen alles zurück und versuchen sich in ein besseres, sicheres Leben zu flüchten.

Für die integrationspolitische Spre-cherin der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Valentina Tuchel, steht fest: „Es ist un-sere humanitäre Verpflichtung, diesen Menschen zu helfen. Auch wenn das unsere Hansestadt unbestritten vor Herausforderungen stellt.“ Tatsächlich geht der Senat allein bis Ende 2013 von 500 Flüchtlingen aus, die in Bre-men um Hilfe suchen werden. „Diese Menschen benötigen unbüro-kratische Unterstützung – und dafür gilt es, eine Strategie zu entwickeln“, betont auch der sozialpolitische Spre-cher der SPD-Fraktion, Klaus Möhle. Besonders die Debatte über die Einrichtung von entsprechenden Flüchtlingsunterkünften hat anfäng-lich für heftige Reaktionen in der Stadt gesorgt: „Da sind unzweifelhaft Fehler

in der Kommunikation seitens des Sozialressorts gemacht worden. Die Menschen vor Ort, die Beiräte und Ortsämter dürfen nicht einfach vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Die jüngsten Diskussionen auf den In-foveranstaltungen haben gezeigt: Die Beiräte beteiligen sich sehr konstruk-tiv an der Standortsuche und daraus muss man lernen: Wir müssen schnell für zusätzliche Plätze sorgen – aber

auch die Bedenken und Vorschläge der Bürger vor Ort ernst nehmen“, sagt Möhle und betont: „Es hilft nichts, an die Menschen zu appellieren, die Flüchtlinge als Bereicherung ihres Stadtteils zu verstehen, wenn wir dafür nicht die Basis schaffen.“ Deshalb könne es auch nicht nur dar-um gehen, in großer Eile Mobilbauten mit möglichst vielen Plätzen auf grü-nen Wiesen entstehen zu lassen. „Was wir jetzt brauchen, ist eine Strategie,

wie wir den Menschen vom ersten Tag an eine Integration in unsere Gesell-schaft ermöglichen“, erklärt Valentina Tuchel den Hintergrund eines jüngst auf Initiative der SPD-Fraktion einge-brachten Dringlichkeitsantrags, der einen Neustart im Umgang mit dem Thema fordert: „Alle möglichen Flä-chen und Gebäude für die dringend benötigten Flüchtlingsunterkünfte müssen auf den Tisch – und darüber

wird mit den Menschen vor Ort offen zu sprechen sein. Dabei muss es vor allem auch darum gehen, ob beispielsweise die Kitas und Schulen in der näheren Umgebung genug Kapazitäten bieten, um wirklich eine ,Integration von Anfang an‘ zu gewähr-leisten“, sagt Möhle und betont: „Auch deshalb haben wir eine ganz klare Verabredung, dass wir keine Zeltstadt für Flüchtlinge wollen. Uns geht es um eine menschenwürdige, adäquate

Unterbringung der hilfesuchenden Menschen – und ich sage ganz deut-lich: Zelte passen für uns definitiv nicht dazu.“ Statt daher Flächen für diese poli-tisch nicht gewollte Unterbringung auszuloten, müsse vordringlich mit aller Kraft nach geeigneten Gebäuden gesucht werden. Wichtig sei zudem, dass mit Integrationsangeboten und unterstützender Begleitung der Flüchtlinge tatsächlich eine aktive Willkommenskultur ermöglicht wird, ergänzt Tuchel. „Viele der Flücht-linge werden dauerhaft in Bremen bleiben - es geht daher nicht nur um Unterkünfte, sondern darum, ihnen schnellstmöglich Wege in die eigenständige Existenzsicherung zu ermöglichen”, betont die integrati-onspolitische Sprecherin und stellt sich damit klar hinter entsprechende Vorschläge der SPD-Beiräte: „Ja, wir brauchen zügige Entscheidungen – aber nicht zu Lasten von Sorgfalt und Transparenz.“

> Dringlichkeitsantrag: Gute Integration und Unterbringung von Flüchtlingen http://tinyurl.com/flucht-unterkunft

„1000 Betreuungsplätze zusätzlich!“ - diese Forderung hat die SPD-Fraktion vor ziemlich genau einem Jahr auf die Tagesordnung gesetzt. Die Planungen im Sozialressort sahen damals zunächst eine weitaus geringere Zahl neuer Betreu-ungsplätze für unter dreijährige Kinder vor. „Unser Einsatz hat sich gelohnt“, lautet das Fazit des sozialpolitischen Sprechers der SPD-Fraktion Klaus Möhle, heute: „Wir konnten das Sozialressort überzeugen, sind mittlerweile bei etwa 900 neu geschaffenen Plätzen und stehen bei der Betreuung von unter dreijäh-rigen Kindern nicht schlecht da.“ Dennoch betont der SPD-Sozialexperte: „Sich auf diesen Lorbeeren auszuruhen, ist nicht drin!“ Absehbar sei bereits jetzt, das weitere Angebote benötigt werden. Gleichzeitig macht Möhle aber auch deutlich: „Es reicht nicht, nur neue Plätze zu schaffen – auch das ‚Wo‘ ist entscheidend.“ Die Forderung der SPD-Fraktion dabei: Bei der Planung von weiteren Betreuungsplätzen und -einrichtungen darf es nicht darum gehen, in welchen Nachbarschaften die Wahrscheinlichkeit von Klagen der Eltern auf einen Betreuungsplatz am größten ist. „Wir müssen sicherstellen, dass auch dort neue Plätze entstehen, wo der soziale Bedarf am größten ist. Letztlich müssen wir aus Sicht der Kinder denken“, betont Möhle. Konkret: Besonders in Stadtteilen, in denen viele Bewohner nicht auf der Son-nenseite des Lebens stehen, müssen Kinder durch ausreichende Betreuungs-angebote Entwicklungschancen erhalten. „Häufig nehmen gerade Elternhäuser, die mit finanziellen oder anderen Problemen zu kämpfen haben oder auch Migranten, denen die Regelungen nicht klar sind, ihr Recht auf einen Betreuung gar nicht erst in Anspruch“, sagt Möhle. Dabei könnten insbesondere Kinder aus sozial benachteiligten Milieus von einer guten und verlässlichen Betreuung profitieren. „So wird ihnen ermöglicht, Erfahrungen auch außerhalb der Familie zu sammeln und Bildungsanregungen zu bekommen. Gerade für Familien und

Alleinerziehende mit geringem oder keinem eigenen Einkommen, ist Kinderta-gesbetreuung auch daher ein notwendiges und wichtiges Angebot,“ so der Sozi-alexperte. Dasselbe gelte für Kinder von Eltern mit ausländischen Wurzeln: „In unseren Kitas ist Integration gelebter Alltag – und gerade, wenn der Nachwuchs noch Probleme mit der deutschen Sprache hat, kann der Kita-Besuch zu einer deutlichen Verbesserung der Sprachkenntnisse führen“. Zentrale Aufgabe ist es, durch eine gezielte Förderung allen Kindern eine Chance zu geben: „Wir müssen uns der Tatsache stellen, dass der Bildungserfolg nach wie vor in erheblichem Maß von der sozialen Herkunft abhängt – diese Unge-rechtigkeit dürfen wir nicht hinnehmen. Gerade deshalb ist es wichtig, dass Kinder in sogenannten sozial benachteiligten Quartieren die gleichen Startchan-cen erhalten wie anderswo“, sagt Möhle und ergänzt: „Das heißt: Wir müssen gerade dort, wo Eltern ihre Kinder aus vielerlei Gründen bislang weniger häufig in die Kita schicken, Betreuungsplätze schaffen. Dafür werden wir weiterhin auch bei unserem Koalitionspartner werben. Denn auch im Bereich der Kinder-tagesbetreuung gilt das Prinzip: Angebot schafft Nachfrage.“ „Ein echter Schlag ins Gesicht“ sei in diesem Zusammenhang das Betreuungsgeld der schwarz-gelben Bundesregierung, betont Möhle: „Die gegen alle Ratschläge von Experten und gegen die Mehrheitsmeinung der Bürgerinnen und Bürger eingeführte Herdprämie, ist an Widersinnigkeit kaum zu toppen: Während wir in den Bundesländern um die Finanzierung jedes Betreuungsplatzes ringen, um die Bildungschancen aller Kinder zu erhöhen, verteilt die Bundesregierung auf der anderen Seite gezielt Geld, damit diese Angebote nicht in Anspruch genommen werden. Das hat mit verantwortungsvoller Politik und gesundem Menschenver-stand nichts mehr zu tun.“

flucht alS letzter notauSgangEs gEht um mEhr als nur untErkünftE

klaus möhle, sozialpolitischer sprecher der sPD-fraktion: „kita-Plätze dürfen nicht nur dort entstehen, wo engagierte Eltern danach verlangen. gerade die kinder, deren Eltern aus verschiedensten gründen nicht auf der sonnenseite unserer gesellschaft leben und weniger in der lage sind, sich gehör zu verschaffen , haben ein recht darauf, durch eine gezielte förderung in den kitas ihre Bildungschancen zu erhöhen. Deshalb brauchen wir – insbesondere auch in den sogenannten sozial benachteiligten stadtteilen – mehr Plätze für die Betreuung von unter Dreijährigen!“

Valentina tuchel, integrationspolitische sprecherin der sPD-fraktion: „Wir sind in der Verpflichtung, die flüchtlinge beim ankommen in unserer gesellschaft zu unterstützen. Viele der flüchtlinge werden dauerhaft in Bremen bleiben - es geht daher nicht nur um unterkünfte, sondern darum, ihnen schnellstmöglich Wege in die eigenständige Existenzsicherung zu ermöglichen. Das muss selbstverständliches Ziel einer humanen flüchtlingspolitik sein.“

Betreuung von Kindern unter drei Jahren: waS lange währt, wird endlich gut?

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Klaus Möhle: „Wir wollen eine menschenwür-dige, adäquate Unterbringung der Flüchtlinge. Zeltstädte passen definitiv nicht dazu.“

3September 2013 soZialEs & intEgration | flüchtlingsPolitik / u3-BEtrEuung

Page 4: Rotheute September 2013

Unsere Arbeit für bessere bildUng Alle sPd-initiAtiven zUm themA

www.sPd-frAktion-bremen.de/ Unsere-Politik/bildUng

Ja, es war eine Hängepartie: Nachdem die Bundesre-gierung aus der Finanzierung der Schulsozialarbeiter im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepakets zum Ende des Jahres aussteigt, blieb zunächst unklar, ob und wie diese wichtige Arbeit in Bremen fortgesetzt werden kann. Bereits auf ihrer Klausurtagung im Mai hatte die SPD-Fraktion daher eine Weiterbeschäf-tigung der betroffenen Schul-sozialarbeiter gefordert – jetzt ist der Senat dieser Forderung gefolgt.

„Zu unserer Vorstellung von ,guter Schule‘ gehört auch eine gute Schulsozialarbeit. Sie kann durch die Förderung der individuellen und sozialen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen gezielt Benach-teiligungen abbauen“, betont der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Mustafa Güngör. Die jetzt getroffene Senatsentscheidung bewertet er dabei als einen ersten Teilerfolg. Trotz der begrenzten finanziellen Möglichkeiten Bremens sollen 30 der 46 Schulsozialarbeiter, die bislang aus den Mitteln des Bildungs- und Teilhabepakets finanziert werden, zumindest bis zum Ende des Schuljahres 2013/2014 weiterbeschäftigt werden. „Das ist ein wichtiges Signal sowohl für die Schu-len als auch für die betroffenen Schulsozialarbeiter und sorgt für Planungssicherheit“, sagt Güngör. Die Botschaft bleibe allerdings eindeutig: „Wir finden

uns keineswegs damit ab, dass der Bund sich zurückzieht – sorgen aber gleichzeitig dafür, dass die Arbeit an den Schulstandorten, wo der dringendste Bedarf besteht, auch über das Jahr 2013 hinaus fortgesetzt wird.“ Das Thema sei damit allerdings längst nicht vom Tisch: „Letztlich verschaffen wir uns nur Luft, um unsere ursprünglichen Forderungen durchzusetzen.“ Die Zielset-

zung: „Sowohl der Ganztags-schulausbau als auch die Inklu-sion und die Schulsozialarbeit sind nationale Aufgaben, die von den Ländern allein nicht zu stemmen sind. Auch der Bund muss dabei Verantwortung über-nehmen und darf sich künftig nicht mehr wegducken“, so der SPD-Bildungspolitiker. Denn Voraussetzung für eine Verste-tigung der Schulsozialarbeit sei, dass sich auch der Bund an der Finanzierung beteiligt. „Allein aus unseren Haushaltsmitteln ist

das – genauso wie in vielen anderen Bundesländern – dau-erhaft schlicht nicht möglich.“ Güngör begrüßt daher, dass Bremen mittlerweile auch bundespolitisch aktiv geworden und einer Bundesratsinitiative beigetreten ist, die klare Re-geln für ein größeres finanzielles Engagement des Bundes im Bildungs- und Hochschulbereich zum Ziel hat.

> Fraktionsbeschluss zum Thema Schulsozialarbeit http://tinyurl.com/schulsozialarbeit

sozialarbeit gehört in bremen weiterhin zur guten schule

„geh sterben du opfer!“ strategien gegen cyberbullyingGefälschte Fotos werden ins Internet gestellt, peinliche Situationen gefilmt und im Netz verbreitet, in Chats wird gepöbelt und beleidigt, es werden Ge-heimnisse ausgeplaudert oder Gerüchte in Umlauf gebracht. Cyberbullying – so der neudeutsche Begriff für Mobbing via Internet und Smartphone - ist mittlerweile auf vielen Schulhöfen ein Thema. Nach aktuellen Studien ist davon auszugehen, dass ein Drittel aller Schülerinnen und Schüler in Deutschland bereits entsprechende Erfahrungen gemacht hat.

Mobbing geht mit massiven Folgen für die Opfer einher. Sie stehen unter ei-nem hohen psychischem Druck und reagieren oft mit merklichen Verhalten-sänderungen: Alarmsignale können eine plötzliche Verschlossenheit sein, ein Leistungsabfall und häufiges Fehlen in der Schule, oder der Rückzug in andere Welten, wie z. B. in Online-Spiele- oder Fantasiewelten. Auch Gewalt-handlungen als Folge von Mobbing sind mittlerweile keine Seltenheit mehr. Für Schlagzeilen sorgte erst kürzlich ein auch in Deutschland verfügbares Online-Netzwerk, das sich insbesondere an junge Nutzerinnen und Nutzer richtet. Fünf Teenager aus dem englischsprachigen Raum nahmen sich nach demütigenden Mobbing-Attacken auf ask.fm das Leben.

„Ein Hauptproblem ist, dass die Opfer meist überhaupt nicht in der Lage sind, sich in der Anonymität des Internets gegen persönliche Angriffe zur Wehr zu setzen. Sie fühlen sich aufgrund der für sie hoffnungslos erschei-nenden Situation oft völlig ausgeliefert, ausgegrenzt und gedemütigt “, sagt der SPD-Abgeordnete Aydin Gürlevik. Gerade deshalb sieht er Handlungs-bedarf: „Naja, das ist das Internet, da können wir sowieso nichts machen, heißt oft die hilflose Reaktion. Damit wollen wir uns nicht abfinden.“

Das Problem dabei: Wenn es erst einmal zu Cyberbullying gekommen ist, gibt es keine einfachen Lösungen – denn die Inhalte sind oft über Jahre im Inter-net auffindbar. „Daher ist es wichtig, dem Online-Terror rechtzeitig vorzubeu-gen – und auf der anderen Seite wirksame Handlungsstrategien im Umgang mit akuten Vorkommnissen zu entwickeln.“ Wichtig sei dabei vor allem ein öffentliches Problembewusstsein zu schaffen. Gürlevik: „Cyberbullying ist we-der ein Spiel, noch ein Kavaliersdelikt – wir müssen den Tätern ganz klar die „rote Karte“ zeigen und deutlich machen, dass wir es nicht hinnehmen, wenn insbesondere junge Menschen im Internet an den Pranger gestellt werden.“

Gürlevik sieht daher Handlungsbedarf, die in Bremen bereits bestehenden Maßnahmen und Projekte gegen Mobbing weiter auszubauen und deren Vernetzung zu intensivieren. „Wir müssen insbesondere die Kooperation von Schulen stärken, um den Erfahrungsaustausch zu verbessern und regel-mäßige Präventionsmaßnahmen zu ermöglichen. Darüber hinaus müssten insbesondere in Schulen regelmäßig Antimobbing-Projekte unterstützt werden. „Die Auslöser für ,virtuelle‘ Beschimpfungen, Demütigungen oder Beleidigungen sind letztlich oft auf den Schulhöfen zu finden. Deshalb muss die Lösung des Problems auch dort ansetzen“, so der SPD-Abgeordnete. Um in konkreten Fällen besser und zielgerichteter zu reagieren, wäre auch zu prüfen, ob eine unabhängige Anlaufstelle für Opfer von Cybermobbing sinnvoll ist. Gürlevik: „Die Opfer und auch Eltern von betroffenen Jugendli-chen brauchen klare Hilfsangebote und dürfen mit ihren Sorgen nicht allein gelassen werden“.

mobbing aus dem netz hilfsAngebote verstärken Und AUsbAUen!

Aydin gürlevik, mdbb: „immer wieder sorgen brutale fälle von Cybermobbing für entsetzen. Aber entsetzen allein reicht eben nicht: wir müssen die betroffenen unterstützen, aus ihrer Angst und isolation herauszukommen. Und wir müssen den mobbern klar die rote karte zeigen.“

mustafa güngör, bildungspolitischer sprecher der sPd-fraktion: „ganztagsschulausbau, inklusion, schul- sozialarbeit: bildungspolitik bleibt unser schwerpunkt und dazu gehört auch, immer wie-der deutlich zu machen, dass sich der bund bei diesen themen nicht vor seiner verantwortung drücken darf.“

hintergrundEine repräsentative Studie der Universität Münster lieferte bereits 2011 erschreckende Zahlen: 32 Prozent der Jugend-lichen und jungen Erwachse-nen waren selbst bereits Opfer von Attacken über das Inter-net. Noch erschreckender: 21 Prozent der Befragten konnten sich vorstellen, auch als Täter im Internet aktiv zu werden. „Tatorte“ für Cybermobbing sind in 80 Prozent der Fälle so-ziale Netzwerke wie Facebook oder SchülerVZ. Die häufigsten Opfer – und auch Täter – sind 14- bis 16-jährige Jugendliche aus allen Bildungsschichten.

ganztagsschul- ausbauFast 70 Prozent der Eltern wünschen sich, dass ihr Kind eine Ganztagsschule besuchen kann - das hat die Bertels-man-Stiftung in ihrer aktuellen Bildungsstudie ermittelt und gleichzeitig darauf hingewie-sen, dass das tatsächliche Angebot hinter dem Eltern-wunsch zurückbleibt. „Das bestätigt: Statt den Ganztags-schulausbau zu verlangsamen, müssen wir im Gegenteil noch aktiver werden“, betont der bil-dungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Mustafa Güngör. Er will sich daher nun gemein-sam mit der SPD-Fraktion in den Haushaltsberatungen für die Einrichtung weiterer Ganz-tagsschulen einsetzen. Der Senat hat in seinen Vorschlägen für die Haus-haltseckwerte 2014/2015 demgegenüber bislang nur die Umwandlung der Schule Am Pfälzer Weg in eine Ganztags-schule vorgesehen.

4 RotHeute Bildung | ScHulSozialaRBeit & cyBeRmoBBing

Page 5: Rotheute September 2013

bESCHÄFTIGUNGSVERbOT – EINE EINFaCHE lÖSUNG MIT NEbENWIRKUNGEN Schwangerschaft – ein freudiges Ereignis? Für viele Betriebe und berufstätige Frauen offenbar nicht. Für eine deutlich gestiegene Zahl von Arbeitnehmerinnen bedeutet die Anzeige einer Schwangerschaft schon Monate vor der sechswöchigen gesetzlichen Mutterschutzfrist das berufliche Aus. Denn nach Einschätzung von Betroffenen und Fachleuten bemühen sich immer weniger Arbeitgeber, schwangerenge-rechte Arbeitsplätze bereitzustellen. Stattdessen wird den Schwangeren immer häufiger nahegelegt, sich ein ärztliches Be-schäftigungsverbot ausstellen zu lassen – und zu Hause zu bleiben. Diese Entwicklung hat sich spürbar verstärkt, seit alle Unternehmen eine Umlage zahlen, aus der Schwangere bei Beschäftigungsverboten ihren Lohn in voller Höhe weiter erhalten, ohne dass ihre Betriebe dadurch belastet werden.

Arbeitgeber sparen durch Beschäftigungsverbot Die frauenpolitische Sprecherin der SPD-Frak-tion, Sybille Böschen, ist sich sicher: „Immer häufiger wird diese Regelung von Firmen und Betrieben genutzt, um Kosten und Aufwand für die Bereitstellung schwangerengerechter Arbeitsplätze zu vermeiden oder schlicht Lohn-ausgaben einzusparen.“ Einige Arbeitgeber - das zeigt die Praxis - stellen Frauen sogar völlig ohne Einzelfallprüfung so-fort nach Bekanntwerden einer Schwangerschaft

von der Arbeit frei. „Um das zu vermeiden, verschweigen manche werdende Mütter, die weiterhin im Job aktiv sein möchten, so lang wie möglich, dass sie ein Kind erwarten“, berichtet Böschen. Die Sozial-demokratin stellt dabei klar: „Natürlich sind die Regelungen zum ärztlichen Beschäftigungsver-bot sinnvoll. Gerade in körperlich belastenden Berufen ist es aus Arbeitsschutzsicht und im Sin-ne der Frauen richtig, wenn sie ihren Job nicht bis zur Mutterschutzfrist ausüben müssen.“ Problematisch seien aber die „Nebenwirkungen“

der Regelungen, die keineswegs immer dem Interesse der Schwangeren entsprächen. „Nach wie vor ist eine Schwangerschaft für viele Frauen ein beruflicher Einschnitt: Durch Mutter-schutz und / oder Elternzeit werden sie oft für lange Zeit aus dem Job gerissen. Und je länger die Zeit wird, in der sie – etwa durch ein Beschäf-tigungsverbot – nicht arbeiten können, desto schwieriger ist es, anschließend wieder Fuß zu fassen und beispielsweise auf der Karriereleiter mit den Kolleginnen und Kollegen mitzuhalten.“

Berufsrisiko Schwangerschaft? Böschen macht sich deshalb für einen bewuss-teren Umgang mit dem Thema stark: „Auch Gynäkologen berichten immer häufiger, dass Frauen zu ihnen kommen und sagen: ‚Mein Chef will, dass ich ein komplettes Beschäfti-gungsverbot erhalte.‘ Das hat dann herzlich wenig mit dem Anspruch der Schwangeren auf Schutz ihrer Gesundheit zu tun.“ Böschens Forderung: „Frauen, die trotz Schwangerschaft bis zum Mutterschutz arbeiten wollen, muss das ermöglicht werden! Deswegen geht es jetzt darum, die Arbeitgeber in aller Deutlichkeit daran zu erinnern, schwangerengerechte Ar-beitsplätze einzurichten.“ In den Firmen, Unter-nehmen und Betrieben müsse daher zunächst eine Arbeitsplatzüberprüfung stattfinden. „Und sollte der bisherige Job für die Schwangere tatsächlich nicht mehr geeignet sein, müssen andere Tätigkeiten angeboten werden – das ist

in vielen Betrieben möglich“, ist sich Böschen sicher und ergänzt: „Natürlich soll keine Frau gezwungen werden, zu arbeiten, wenn sie sich um ihre und die Gesundheit des ungeborenen Kindes aufgrund der Beschaffenheit ihres Ar-beitsplatzes Sorgen macht – aber wenn Frauen weiterarbeiten wollen, sind die Arbeitgeber in der Pflicht, diesem Wunsch, wenn es irgendwie möglich ist, nachzukommen!“ Letztere würden es sich dabei aber oft zu einfach machen: „Statt nach Lösungen zu suchen, bringen sie ein Be-schäftigungsverbot ins Spiel und verlagern die Verantwortung an die Frauenärztinnen.“

Arbeitgeber sind in der Pflicht Tatsächlich aber können den gesetzlichen Regelungen nach auch die Unternehmen selbst Beschäftigungsverbote aussprechen. Das allerdings scheuen die meisten, weil sie dann nachweisen müssten, dass sie tatsächlich keinen Arbeitsplatz anbieten können, der die werdende Mutter und ihr Kind nicht gefährdet.“ Mit einer Anfrage in der Bürgerschaft hat Böschen jetzt bereits den ersten Schritt unternommen, um auf die Problematik aufmerksam zu machen. Und dabei soll es nicht bleiben: „Sollte die Sensibilität bei den Arbeitgebern nicht deutlich wachsen, ist die Politik gefragt, dafür zu sorgen.“ > Anfrage: Beschäftigungsbedingungen für schwangere Mitarbeiterinnen http://tinyurl.com/schwanger-beschaeftigt

SCHWaNGER ... UNd RaUS bIST dU!wERDENDE mÜTTER - NICHT FIT FÜR DEN jOB?

FRauENpOlITIk | SCHwaNgERSCHaFT & DISkRImINIERENDE wERBuNg

SCHlUSS MIT aNGEblICH lUSTIG: SExISTISCHE WERbUNG HaT IM ÖFFENTlICHEN RaUM NICHTS zU SUCHEN! „Glänzen Sie doch mal mit ihrer Brille – falls ihnen tatsächlich mal jemand in die Augen schaut!“ empfiehlt ein Augenoptiker – und hat diesen Spruch dazu auf seinen Werbeplakaten direkt über das Dekolleté einer leichtbekleideten jungen Frau schreiben lassen. Gleiches Thema, anderes Plakat: Abgebildet dieses Mal eine Frau mit Loch im Rock, das den Blick auf ihren Genitalbereich freigibt. Mit diesem Motiv und dem Spruch „Wenn etwas fehlt...“ lockte ein Bremer Möbelhändler Kunden. Alles nur harmlose Scherze? Immer wieder und immer häufiger bedient sich die Werbewirt-schaft sexistischer, diskriminierender und frauenfeindlicher Motive, anzüglicher Sprüche oder zweideutiger Witze. „Mir bleibt dabei das Lachen im Hals stecken“, betont die frau-enpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Sybille Böschen. „Wir werden im öffentlichen Raum mit Werbung konfrontiert, die Menschen auf überkommene Normen und diskriminierende Rollenvorstellungen reduziert. Da werden nicht nur Geschlechter-klischees verfestitgt, sondern gerade Frauen werden regelmäßig als sexuell jederzeit verfügbare Objekte dargestellt.“ Dabei gibt es längst klare Regelungen: Sexistische, diskriminie-rende und frauenfeindliche Werbung hat negative Auswirkungen für die gesamte Gesellschaft und ist in Deutschland verboten.

Bei Beanstandungen wird daher - wie im Fall des Bremer Mö-belhändlers - der deutsche Werberat tätig. Letztlich kann dieses Gremium allerdings nur eine Rüge erteilen und die Entfernung der beanstandeten Werbung verlangen. Mit einem entsprechenden Bürgerschaftsantrag der Koalition soll Bremen nun auf Initiative der SPD-Fraktion einen Schritt weiter-gehen: „Uns geht es darum, dass sexistische Werbung gar nicht erst öffentlich wird. Anstatt im Nachhinein etwas zu beanstanden, wollen wir dafür sorgen, dass Werbung und Darstellungen, die die Grenzen zu sexistischer oder diskriminierender Werbung überschreiten, in öffentlichen oder öffentlich mitfinanzierten Pub-likationen, auf öffentlichen Flächen und an öffentlichen Gebäuden von vornherein unterbleiben“, erklärt Böschen. Auch bei bestehenden Verträgen, etwa mit den Firmen, die die Plakatwände gepachtet haben, soll auf entsprechende Verände-rungen gedrängt werden. „Zudem wollen wir prüfen, ob beispiels-weise Institutionen, Verbände oder Vereine, die öffentliche Mittel erhalten, verpflichtet werden können, bei Verträgen mit Dritten – etwa was Werbeanzeigen in Vereinszeitschriften oder in Broschü-ren angeht – sexistische Motive und Darstellungen von vornherein auszuschließen. Sybille Böschen: „Wir wollen dafür sensibilisieren,

dass Werbung mit leichtbekleideten Frauen und anzüglichen Sprüchen kein Spaß ist, über den man hinwegsehen kann. Im Gegenteil: Gerade derartige Motive sind es, die insbesondere bei jungen Betrachterinnen und Betrachtern entspre-chende Rollenklischees erst entstehen lassen oder zu deren Verfesti-gung beitragen.“

> Antrag: Sexistische und diskriminierende Werbung vermeiden http://tinyurl.com/ sexistische-reklame Sybille Böschen, frauenpolitische Sprecherin

der SpD-Fraktion: „uns geht es nicht um prüde-rie, aber Bilder schaffen eben auch Realität und sorgen beispielsweise dafür, dass Frauen als stets verfügbare Sexualobjekte wahrgenommen werden. und das ist kein harmloser Spaß, sondern schlicht entwürdigend.“

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positiver Schwangerschaftstest: Nicht selten werden Frauen daraufhin aus dem job gedrängt.

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EinzElhandEl: WEttbEWErbsfähigkEit fördErn!Es hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan in der Bremer Innenstadt: Die Geschäftsleute selbst und auch die öffentliche Hand haben investiert, um Bremens City attraktiver zu machen. Aber die Konkurrenz schläft nicht: So hat das Einkaufszentrum Dodenhof direkt vor den Toren der Hansestadt mittlerweile fast so viel Einzelhandelsfläche wie die gesamte Bremer Innenstadt – gleichzeitig spüren viele Geschäftsleute deut-lich den zunehmenden Wettbewerb mit dem Online-Handel.

„Die Leute kommen her, lassen sich ausführlich beraten – und kaufen ihren neuen Fernseher dann online, weil das ja so bequem ist“, schildert ein Verkäu-fer eines Bremer Elektronik-Geschäfts eine Erfahrung, die er in den vergange-nen Jahren immer häufiger macht. Fakt ist: „Nur“ ein Geschäft in der Obernstraße aufzumachen, reicht heute oft nicht mehr: Durch den rasant wachsenden Onlinehandel geraten die Kaufleu-te in der City zunehmend unter Druck – und das vom Buchhandel über Beklei-dung, Haushaltswaren und Elektronikartikel in so gut wie allen Branchen. Sind reale Geschäfte und Kaufhäuser der virtuellen Internet-Konkurrenz also hilflos ausgeliefert? „Keineswegs“, sagt der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Andreas Kottisch. „Dass klassische Ladengeschäfte im Wettbewerb mit den Internetanbie-tern durchaus bestehen können, beweisen vielfältige Ansätze, die beide Vertriebsformen vereinen.“ Letztlich gehe es darum, auf ein Zusammenspiel zwischen On- und Offline-Handel zu setzen. Kottisch: „Multichannelfähigkeit heißt der neudeutsche Begriff dafür – und die Idee dahinter ist einleuchtend: Traditionelle Einzelhändler präsentieren sich auch im Internet mit Informationen über ihre Waren – und auf der anderen Seite eröffnen Internethändler Shops, damit potenzielle Kunden die Ware anschau-en, anfassen oder anprobieren können, bevor sie das Gewünschte online bestellen.“

Um auf die neue Wettbewerbssituation zu reagieren, soll die Förderung derartiger Ideen jetzt auf Vorschlag der SPD-Fraktion in das Konzept „Bremer Innenstadt 2020“ aufgenommen werden. Genau das ist der Hintergrund eines jetzt gemeinsam mit den Grünen eingebrachten Bürgerschaftsantrags.„Die Zielsetzung dabei: Wir wollen die Cityhändler unterstützen, ihre Inno-vationskraft zu steigern und die Umsetzung erfolgversprechender Konzepte möglich machen“, sagt Kottisch. Dazu gehöre auch, neue Ideen für die Koope-rationen zwischen Einzelhandel, Industrie und Wissenschaft anzustoßen und zu fördern. Darüber hinaus könnten - etwa durch die Einbindung der in Bremen exzel-lenten Kreativwirtschaft – die Geschäftsleute vor Ort die Einrichtung einer regionalen Online-Community erwägen. „Auf diese Weise könnten sich

s die Bremer Einzelhändler mit ihren Produkten und Besonderheiten darstellen und im Dialog mit den Kundinnen und Kunden noch besser auf deren Wün-sche – etwa was die Sortimentsausstattung angeht – reagieren.“

„Es ist richtig, dass wir etwa bei der Entwicklung des Ansgariquartiers auch mit einer Erweiterung der bestehenden Einzelhandelsflächen die Angebotsvielfalt und die Erlebnismöglichkeiten in der Innenstadt verbessern. Aber damit dür-fen unsere Bemühungen nicht enden. Denn eine zeitgemäße Innenstadtent-wicklung ist längst mehr, als nur entsprechende Flächen zur Verfügung zu stel-len oder Kulturevents in die City zu holen. Gerade aufgrund des wachsenden Wettbewerbs sind wir gefordert, die Erprobung, Gründung und Finanzierung

innovativer Einzelhandelskonzepte möglich zu machen“, betont Kottisch und setzt dabei vor allem auf die Besonderheiten der Bremer City. „Viele Innenstädte sind mittlerweile kaum noch zu unterscheiden: Bun-desweit finden sich die bekannten Ladengeschäfte der großen Ein-

zelhandelsketten und die Einkaufsmeilen sind beinahe austauschbar“, sagt Kottisch. Auch deshalb müsse man die Geschäftsinhaber dabei unterstützen, Akzente zu setzen. Kottisch: „Gerade die Potenziale unserer regionalen eta-blierten Händler und Existenzgründer mit ihren oft besonderen und neuen Angeboten lassen sich für ein innovatives Standortmarketing nutzen, um Bremen mit ganz individuellen Angeboten aus der Masse der Einkaufsstädte hervorzuheben.“

>Antrag: Wettbewerbsfähigkeit des Einzelhandels fördernhttp://tinyurl.com/einzelhandel-foerdern

„Innenstadtentwicklung ist längst mehr, als ,nur‘ entsprechende Flächen zur Verfügung zu stellen oder Kulturveranstaltungen in die City zu holen“

Andreas Kottisch, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion: „Nicht nur, weil unsere Innenstadt durch Rathaus, Schütting und Roland einzigartig ist, sondern vor allem durch die individuellen Angebote unseres Einzelhandels hat Bremen gute Chancen, sich von den uniformierten Fuß-gängerzonen anderer Städte ab- und gegen die Online-Konkurrenz durchzusetzen. Genau das wollen wir mit der Förderung, neuer, innovativer Ideen unterstützen.“

WIRtSChAFt AllE SPD-INItIAtIvEN zum thEmA

WWW.SPD-FRAKtION-BREmEN.DE/ uNSERE-POlItIK/WIRtSChAFt-hAEFEN

intErnEt statt innEnstadt? ONlINE-KONKuRRENz: NEuE IDEEN FüR DIE CIty

6 RotHeuteWiRtscHaft | einzelHandel föRdeRn

Page 7: Rotheute September 2013

Umwelt & InformatIonsfreIheIt | energIewende & CreatIve Commons

EnErgiEwEndE nicht vErstolpErn!eeg-aUsnahmen besChneIden - verbraUCher entlasten

Creative Commons? Hinter dem Begriff, der sich am Besten mit „schöpferisches Gemein-gut“ übersetzen lässt, verbirgt sich die Idee, Informationen wie Texte, Bilder oder Videos zur vollkommen freien oder eingeschränkt freien Verwendung zur Verfügung zu stellen. Die Autoren können dabei festlegen, ob ihre Werke beispielsweise ohne jede Bedingung oder beispielsweise nur zu nichtkommerziellen Zwecken weiterverwendet werden dürfen. Künftig sollen nun so weit wie möglich auch die Publikationen bremischer Behörden und Gesellschaften unter entsprechende Lizenzen gestellt werden . Ge-nau das hat der Landtag jüngst auf Initiative der SPD-Fraktion beschlossen.

Hintergrund: Bilder, Texte, Videos und andere kreative Werke sind im Normalfall urheberrechtlich geschützt. Die Folge: Gerade im Internet werden

oft Urheberrechtsverletzungen begangen, ohne dass die Nutzerinnen und Nutzer dies ahnen. Ein Foto, das „mal eben“ auf die eigene Internetseite gestellt wird, kann juristische Abmahnungen und teils beträchtliche Forderungen der eigentlichen Autoren zur Folge haben.

„Die Publikationen der Behörden sind letztlich aus Steuermit-

teln – also dem Geld der Bürgerinnen und Bürger – finanziert. Sie sollten schon allein daher für alle Menschen zugänglich und zur freien Weiterverbrei-tung zur Verfügung stehen“, betont Rainer Hamann. Der Sprecher der SPD-Fraktion für Datenschutz und Informationsfreiheit macht dabei auch auf einen weiteren positiven Effekt aufmerksam: „Die Verwen-

dung von CC-Symbolen und Lizenzen bei Veröffent-lichungen der Behörden erleichtert nicht nur die Verwendung und Verbreitung der Inhalte, sondern sensibilisiert und informiert anschaulich über die Thematik.“ Zudem passe die CC-Lizensierung zur Open-Data-Strategie Bremens: „Wir haben uns entschieden, dass öffentliche Informationen wei-testmöglich frei zugänglich sein sollen - der nächste Schritt ist, dass sie auch frei weiterverbreitet und verarbeitet werden können“, so Hamann. Auf Initiative der SPD-Fraktion hat die Bürgerschaft den Senat daher jetzt in einem entsprechenden Beschluss aufgefordert, sowohl die eigenen Inhalte von Behörden und Gesellschaften unter „Creati-ve-Commons“-Lizenzen zu stellen als auch so weit wie möglich bei der Erstellung von Broschüren und anderen Inhalten auf Material zurückzugreifen, das unter CC-Lizenz steht oder gestellt werden kann. > Publikationen unter „Creative Commons“ stellen http://tinyurl.com/pxqmrt7

FalschE politik vErtEuErt dEn strom nicht diE ErnEuErbarE EnErgiE Sind es tatsächlich vor allem die erneuerbaren Energien, die die Strompreise steigen lassen? „Genau das versuchen diejenigen zu vermitteln, denen das Gesetz zur Förderung der erneuerbaren Energiegen (EEG) schon immer ein Dorn im Auge war. Die Bürger sollen glauben, dass es die erneu-erbaren Energien sind, die die Strompreise in die Höhe treiben. Und sie sollen überzeugt werden, dass dagegen nur ein Rezept helfen kann: die Re-duzierung der Förderung – bis hin zur Abschaffung des EEG“, betont Arno Gottschalk“, betont der umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Arno Gottschalk. „Die Rösler-FDP und Teile der CDU/CSU fordern markig: weniger Planwirtschaft und mehr Markt-wirtschaft für den Energiebereich! Und damit tun sie vor allem eines: Sie versuchen, die Bevölkerung für dumm zu verkaufen.“ Denn tatsächlich habe erst die EEG-Umlage einen echten Wettbewerb ge-schaffen: „Vor ein paar Jahren war das doch noch eine Branche, die von vier mächtigen, milliarden- schweren Großkonzernen beherrscht wurde. In diesem verkrusteten Markt hätten weder erneu-erbare Energien noch neue Anbieter, die statt auf Großkraftwerke auf dezentrale Energieerzeugung setzen, eine Chance gehabt.“ Verantwortlich für den Preisanstieg sei in Wahrheit nicht das EEG, sondern die schwarz-gelbe Klientel-politik, sagt Arno Gottschalk. „Die erneuerbaren Energien haben mit dazu beigetragen, dass der Börsenpreis für Strom allein in den letzten 12 Monaten um 25 Prozent gesunken ist. Diese Preis-senkungen werden aber nicht an die Verbraucher weiter gegeben. Sie haben widersinniger Weise sogar einen Verteuerungseffekt zur Folge.“ Ursache dafür sei, dass der Börsenpreis den Bezugspunkt

für die Ausgleichszahlung an die Stromversorger darstellt. „Sinkt der Börsenpreis, steigt aufgrund der fest vereinbarten Einspeisevergütung die EEG-Umlage. Erste Berechnungen zeigen: Allein dieser Effekt wird im kommenden Jahr mit mehr als drei Milliarden Euro bei den Verbrauchern zu Buche schlagen – und zwar ohne, dass sie auf der anderen Seite in nennenswertem Umfang von den gesunkenen Strom-Börsenpreisen profitieren“, so der Sozialdemokrat.

Ausnahmen belasten Verbraucher

Als größten Fehler im System macht er indes die sprunghaft wachsende Zunahme von Ausnahme-genehmigungen aus. „Die Subventionspolitik der schwarz-gelben Koalition läuft mittlerweile völlig aus dem Ruder“, so Gottschalk. Konkret: Immer mehr Unternehmen nutzen von der Bundesre-gierung geschaffene Schlupflöcher, um sich als „energieintensive Unternehmen“ von der EEG-Um-lage befreien zu lassen und wälzen so die Kosten auf die Verbraucher ab. Die Zahlen sind eindeutig: Summierten sich die „Einsparungen“ von Unter-nehmen, die sich von der Umlage befreien ließen, im Jahr 2009 noch auf 740 Millionen Euro, werden es in diesem Jahr voraussichtlich bereits fünf Milliarden sein. Und die Tendenz zur Befreiung steigt, was letztlich den Privatverbrauchern immer höhere Kosten aufbürdet.

Klare Forderungen In einem ersten Schritt müssen daher die Ausnahmetatbestände für eine Befreiung zurück-geschnitten werden, meint der Sozialdemokrat „Befreiungen darf es nur für einen kleinen Kreis energieintensiver Unternehmen, die im internati-onalen Wettbewerb stehen, geben.“ Parallel dazu müssten die betreffenden Unternehmen dazu

verpflichtet werden, die Reduzierung ihres Energie-verbrauchs voranzutreiben. Darüber hinaus müssen gerade die Haushalte mit niedrigen Einkommen, denen durch die steigen-den Strompreise am spürbarsten in die Tasche gegriffen wird, entlastet werden: Auf Initiative der SPD-Fraktion hat die rot-grüne Koalition daher im Landtag eine gerechtere Verteilung der EEG-Umla-ge und die Prüfung eines gestaffelten Stromtarifs gefordert. „Die Stromanbieter sollten verpflichtet werden, ein Grundbedarfspaket von 500 kWh zum jeweils güns-tigsten Tarif anzubieten, statt vor allem diejenigen durch Rabatte zu belohnen, die viel verbrauchen“, sagt Gottschalk und wirbt für weitere Maßnahmen: „Geprüft werden muss auch, ob es sinnvoll ist, für den Grundstrombedarf die Energiesteuer auszusetzen. Und wir müssen über Förderpro-gramme nachdenken, die einkommensschwachen Haushalten die Anschaffung energiesparenderer Geräte ermöglichen. Denn das wirksamste Mittel um Energiekosten zu senken, ist nach wie vor das Stromsparen.“

Außerdem fordert der Energie-Politiker: „Gesun-kene Strombörsenpreise müssen endlich auch weitergegeben werden.“ Bislang würden davon nur diejenigen profitieren, die ihren Versorger gezielt wechseln. „Damit allerdings kennen sich beileibe nicht alle Verbraucher aus.“ Besonders betroffen seien Kunden im Grundversorgungstarif, bei dem sich Preisdifferenzen von über 4 Cent pro Kilowatt-stunde ergeben. „Nach wie vor stecken rund 40 Prozent der privaten Verbraucher in diesem Tarif“, sagt Arno Gottschalk. Seine Forderung: „Die nächs-te Bundesregierung muss endlich die Grundversor-gungstarife nach unten regulieren - die rechtlichen Grundlagen dafür gibt es längst.“

EEg: diE FaktEnVorfahrt für Erneuerbare Energien – das ist das eigentliche Ziel des Erneu-erbare-Energien-Gesetzes (EEG). Durch eine bevorzugte Einspeisung von Energie aus erneuerbaren Quellen in das Stromnetz und eine feste Vergütung für deren Erzeuger, soll der Anteil „sau-berer“ Energie im bundes-deutschen Strommix erhöht werden. Zur Finanzierung der Stromerzeugung aus erneu-erbaren Energiequellen sieht das Gesetz die sogenannte EEG-Umlage vor, die auf die Endverbraucher verteilt wird. Letztlich tragen auf diese Weise alle - also sowohl die Bürgerinnen und Bürger als auch die Unternehmen die finanziellen Lasten mit derzeit 5,277 Cent pro Kilowatt-stunde mit. So jedenfalls die Idee. Allerdings ermöglicht die Subventionspolitik der schwarz-gelben Regierung im-mer mehr Unternehmen, sich von der Umlage zu befreien – auf Kosten der Privatver-braucher, des Handwerks und kleinerer Unternehmen.

arno gottschalk: „die bundesregierung verkauft die bürgerinnen und bürger für dumm: nicht das erneuerbare-energien-gesetz ist das Prob-lem, sondern die ausufernde subventionspolitik des bundes durch ausnahmen von der eeg-Um-lage treibt die stromkosten in die höhe.“

energIewende: ChanCen nUtzen!www.sPd-fraktIon-bremen.de/

In-der-dIskUssIon/energIewende

rainer hamann: „mit der Creative-Com-mons-lizensierung von Publikationen, die mit steuergeld finanziert wurden, setzen wir ein signal für den freien zugang zu öffentlichen Informationen und sensibilisieren gleichzeitig für die Problematik von Urheberrechten.“

ÖFFEntlichE inFormationEn sollEn FrEi sEin auch zur wEitErvErbrEitung

7September 2013

Page 8: Rotheute September 2013

DAs TAfelsilber schüTzen: PrivATisierungsbremse Angezogen!Die Leistungen öffentlicher Unternehmen müssen für alle Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen zugänglich sein. Es ist daher nur folgerichtig, dass die Bremerinnen und Bremer als ideelle politische Eigentümer ihrer Unternehmen die Möglichkeit haben, über derart grundlegende Ent-scheidungen wie einen Verkauf selbst abzustimmen.

Schimmel im Bad, kaputte Fenster, verzweifelte Mieter – wer eine Vorstellung davon bekommen möchte, was man den Bürgern einer Stadt antut, wenn man den kommunalen Wohnungsbestand Hals über Kopf an den Meistbie-tenden verkauft, der muss nur nach Dresden schauen. Dort wurde 2006 die städtische Wohnungsbaugesellschaft WOBA für über 981 Millionen Euro an die Gagfah verkauft. Damit war jede fünfte Mietwohnung der sächsischen Landeshauptstadt betroffen. Auf diese Weise war Dresden auf einen Schlag schuldenfrei. Was auf den ers-ten Blick so verführerisch einfach alle Haushaltsprobleme zu lösen schien, erwies sich schon nach kurzer Zeit als schwerer Fehler. Zuletzt machte die Stadt damit Schlagzeilen, dass sie gegen die Gagfah einen Prozess anstrengen musste, weil das Unternehmen seinen Verpflichtungen aus dem damaligen Privatisierungsvertrag nicht nachgekommen war. Betroffen waren 450 Häuser mit hunderten Wohnungen und Mietern.

Keine vorschnellen Entscheidungen

Der Dresdner SPD-Stadtratsfraktionschef Peter Lames machte schließlich keinen Hehl daraus, was für die Stadt und die Mieterinnen und Mieter das Beste ist: „Am besten wäre es, wenn am Ende wieder ein städtisches Woh-nungsunternehmen entsteht.“ Die Privatisierung öffentlicher Unternehmen ist allerdings eine Maßnahme, die anders, als viele andere politische Entschei-dungen, in der Regel nicht mehr umkehrbar. Denn die Zurückerlangung der politischen Gestaltungsmacht wird deutlich mehr kosten, als die Veräußerung erbracht hat. „Eine Entscheidung, etwa über den Verkauf der GEWOBA mit gut 80.000 Mietern und 500 Beschäftigten, darf deshalb weder schnell, noch ohne wirklich nachhaltigen Rückhalt in der Bevölkerung fallen“, mit diesen Worten begründete der Vorsitzende der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Björn Tschöpe, die Festschreibung der sog. Privatisierungsbremse in der Bremischen Landesver-fassung, die die Bürgerschaft in ihrer Augustsitzung mit den Stimmen der SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der Linken beschlossen hatte.

Mehrheit der Bevölkerung muss zustimmen

Viele Gemeinden haben seit Mitte der 90er Jahre ihre kommunalen Woh-nungsbaugesellschaften leichtfertig verkauft. Auch in Bremen hat es immer wieder politische Antritte gegeben, beispielsweise die GEWOBA zu verkaufen. Jüngst hat der Vorsitzende der Bremer FDP in diesem Zusammenhang erneut die GEWOBA sowie die BREPARK ins Spiel gebracht, um den Erlös in die Schuldentilgung zu stecken. „Sollte sich in Zukunft jemals in Bremen eine parlamentarische Mehrheit für einen solchen Schritt finden, würde eine

entsprechende Privatisierung nur dann durchgeführt werden können, wenn dieses auch eine Mehrheit in der Wahlbevölkerung so will.“ Gleiches gilt für die BSAG, die GENO und alle anderen wichtigen Kapitalgesellschaften, auf die Bremen einen beherrschenden Einfluss hat, wie die BLG Logistic Group, die BREPARK oder bremenports. Mit der Einführung der Privatisierungsbremse

werden Privatisierungen zwar nicht grundsätzlich verhindert, aber die Legitimation für Privatisierungen wird auf breitere Füße gestellt. Die vorgelegte Vorschrift ermöglicht weiterhin Zwischengeschäfte, wie bei der swb und sie ermöglicht notwen-dige Kapitalerhöhungen. Gleichzeitig bewahrt sie die Flexibilität bei öffent-lichen Unternehmen und trägt gesell-schaftsrechtlichen Notwendigkeiten

Rechnung. „Wichtig ist: Nicht finanzielle Zwänge oder ideologischer Zeitgeist dürfen entscheiden; maßgeblich ist künftig eine langfristige Gestaltung öffent-licher Aufgaben der Daseinsvorsorge“, so der SPD-Fraktionsvorsitzende. Das gewählte Verfahren stellt schließlich sicher, dass die Bürgerinnen und Bürger mit dem üblichen Quorum für einfachgesetzliche Volksentscheide einen Volks-entscheid über eine vom Parlament beschlossene Veräußerung erzwingen können. Ebenso kann eine qualifizierte parlamentarische Minderheit einen solchen Volksentscheid erzwingen. Obligatorisch ist dieser immer dann, wenn die Bürgerschaft nicht mit einer 2/3 Mehrheit eine Veräußerung beschließt, da in solchen Fällen regelmäßig auch von kontroversen Auffassungen unter den Bürgerinnen und Bürgern ausgegangen werden kann.

Gutes Stück sozialer Demokratie

Darüber hinaus schützt die Privatisierungsbremse aber auch vor ungewollten Nebenfolgen der Schuldenbremse. Denn nach deren geltenden Regelungen dürfen auch notwendige Investitionen in die Daseinsvorsorge und in die Infrastruktur künftig nur aus den Einnahmen der Länder finanziert werden. „Der Druck, dass Tafelsilber zu verschleudern wird dadurch größer. Die Priva-tisierungsbremse ist deshalb auch ein Rückschlagventil und ein notwendiges Korrektiv zur Schuldenbremse“, so Tschöpe, der in der entsprechenden Verfassungsänderung ein „gutes Stück sozialer Demokratie“ sieht. Diese Hal-tung teilen andere Länder offenbar, denn auch in Berlin wird aktuell an einer Privatisierungsbremse nach Bremer Vorbild gearbeitet.

„Die GEWOBA soll auch in Zukunft bezahlbare und gleichzeitig qualitativ hochwertige Wohnungen anbieten können. Unternehmen mit öffentlichem Charakter dienen dem Gemeinwohl der Stadt und nicht privaten Gewinninteressen.“

kein verkAuf mehr ohne volksenTscheiD!Parlament beschliesst Änderung der landesverfassung

björn tschöpe: „die veräußerung von anteilen der öffentlichen unternehmen ist ein sehr weitreichender und folgenschwerer eingriff in die politischen handlungsmöglichkeiten, dessen auswirkungen weit über die dauer einer legislaturperiode hinausreichen. “

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Page 9: Rotheute September 2013

Gleich mehrmals hat die Polizei in diesem Sommer nicht angemeldete Partys unter freiem Himmel beendet. Keine Frage: Beschweren sich Anwohner über eine zu große Lärmbelästigungen oder bleibt am Ende viel Müll zurück, muss auch weiterhin eingeschritten werden. Darüber hinaus allerdings gilt für die SPD-Fraktion: „Es darf nicht sein, dass sich Menschen, die unter freiem Himmel feiern, kriminalisiert fühlen. Denn letztlich gilt: Der öffentliche Raum gehört allen Bremerinnen und Bremern – auch wenn sie sich zum gemeinsamen Feiern treffen!“, betont der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion Sükrü Senkal.

Um zu klaren Regelungen für Freiluftpartys zu kommen, hat er bereits Anfang August Behördenvertreter und Leu-te aus der der Party- und Musikszene im SPD-Fraktions-büro an einen Tisch gebracht. „Mein Eindruck aus diesen Gesprächen: Beide Seiten sind sich nähergekommen – und es gab erste Vorschläge für einen möglichst un-bürokratischen Umgang mit dem Thema.“ Nun erwartet Senkal, dass zeitnah und im Dialog mit allen Beteiligten ein Kriterienkatalog erarbeitet wird, um für alle ein Min-destmaß an Klarheit zu schaffen, was erlaubt ist und was nicht. Dabei soll es nicht etwa darum gehen, dass Open-Air- Feiern schon Wochen vorher auf seitenlangen Formula-ren beantragt, bis ins kleinste Detail reguliert und amtlich genehmigt werden müssen. „Wir setzen stattdessen auf eine Lösung mit Augenmaß“, betont Senkal. In der Dis-kussion ist beispielsweise, dass Partyveranstalter lediglich eine Telefonnummer mitteilen, damit die Polizei – wenn es denn doch einmal zu Beschwerden von Anwohnern kommt – kurz durchrufen kann, um das Problem zu lösen, statt gleich mit dem Streifwagen vorzufahren und die Veranstaltung zu sprengen. „Solange sich die Lärmbelastung von Anwohnern in Gren-zen hält und geklärt ist, dass am Ende einer Freiluftparty kein Müll zurückbleibt, spricht überhaupt nichts dagegen, dass unter freiem Himmel gefeiert wird.“, sagt auch

die kulturpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Karin Garling und ergänzt: „Im Gegenteil: Wir finden es wichtig, dass die kulturelle und subkulturelle Szene Bremens die Freiräume, die unsere Stadt bietet, für unkommerzielle Veranstaltungen nutzen kann – und zwar ohne überbor-dende Auflagen.“

Zunächst wollen die Behörden nun konkrete Mindestan-forderungen entwickeln, unter denen das draußen feiern legal werden kann. „Über die Ergebnisse werden wir dann noch im September in einem weiteren – für alle Interes-sierten offenen Gespräch zwischen Behördenvertretern und der Party- und Musikszene weiter beraten“, sagt Karin Garling und macht deutlich, worum es geht: „Wir wollen die Freiluftpartys aus der Illegalität holen, die Hür-den zum gemeinsamen Feiern möglichst niedrig halten.“ Zudem gelte es, nicht alle „Crews“, die in Bremen Frei-luftfeten organiseren, über einen Kamm zu schweren: „Ja, es hat vereinzelt Beschwerden über zu viel Lärm und zurückgelassenen Müll gegeben – dennoch muss man feststellen: Die überwiegende Mehrheit der Besucher und Veranstalter sind sehr verantwortungsbewusst und nicht selten ist auf den Flächen nach den Partys weniger Müll als vorher zu finden.“

Was blüht denn da in bRemens KultuRlandschaft? VeRanstaltungsReihe deR sPd-fRaKtion geht in die VieRte RundeWie viel Kultur braucht unsere Stadt - welche Angebote soll, kann und muss sich unsere Gesellschaft leisten? Nicht nur diesen Fragen ist die seit Mai laufende Veranstaltungsreihe der SPD-Fraktion auf der Spur. Denn gleichzeitig geht es bei den „Kulturblüten“ darum, sowohl die großen als auch die kleinen Protagonisten der Bremer Kulturszene an einen Tisch zu bringen, um einerseits politische Forderungen zu formulieren, anderer-seits aber auch selbstkritisch auf die eigene Arbeit zu blicken.

Worauf die „Kulturblüten“ abzielen machte bei der Auftaktveranstaltung Arie Hartog in seinem Im-pulsreferat deutlich: „Es geht hier nicht um Lob“, betonte der Direktor des Gerhard Marcks Hauses und startete mit einer rhetorischen Frage: „Die Bremer Kulturszene ist spannend, es geschieht viel - aber warum interessiert das nur uns?“

Kurzum: Auch wenn der Titel „Kulturblüten“ nach Friede, Freude und Harmonie klingt: „Das Ganze ist keine Wohlfühlveranstaltung, in der wir uns gegenseitig auf die Schulter klopfen. Es geht letzt-lich um Kritik und Selbstkritik. Denn - und genau das gehört zur Kategorie Selbstkritik - sowohl in der Politik als auch in der Kultur dürfen wir nicht im eigenen Saft schmoren“, betont Karin Garling, die die Reihe als kulturpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion ins Leben gerufen hat.

Drei Veranstaltungen, in denen offen sowohl über die Qualitäten aber auch Defizite von Politik und Kultur diskutiert wurde, sind mittlerweile ins Land gegangen - und das Konzept hat sich in Garlings Augen bewährt: „Wir stellen bei den Diskussions-abenden ganz bewusst jeweils eine Kultursparte in den Mittelpunkt, um dann sowohl mit Vertretern der großen Etablierten der Kulturszene als auch mit den Aktiven kleinerer Initiativen aus den verschie-denen Bereichen zu diskutieren.“ Die Idee dahinter: „Die Bremer Kulturschaffenden sollen erfahren können, was abseits ihres Genres in der Stadt pas-siert, um sich ein Bild über die verschiedenen – oft auch gemeinsamen Herausforderungen – machen zu können.“ Ein Thema das dabei immer wieder hochkommt: „Vernetzung. Wie können wir zu einer besseren Zusammenarbeit innerhalb der einzelnen Genres und auch spartenübergreifend kommen?

Das ist eine Frage, die viele in der Kulturszene aber auch in der Politik bewegt und Chancen bietet. Denn wir haben in Bremen tatsächlich zahlreiche ,Kulturblüten‘ und sollten die Chance nutzen, diese kulturelle Kraft unserer Stadt zu bündeln, um sie in der Außenwirkung noch sichtbarer zu machen“, sagt Garling. „Im Rahmen unserer Veranstaltungsreihe haben wir die Erfahrung gemacht, dass gerade scheinbare Gegensätze sich sehr wohl ergänzen können: Für viele mag es ein langer Weg zwischen Punk-Bands, Elektro-DJs und der Bremer Philhar-moniker bis hin zum Theater sein. Bringt man die Protagonisten erst einmal an einen Tisch, stellt, sich dann heraus: Ja, wir haben sehr wohl gemeinsame Interessen.“ Kulturblüten – weitere Infos und nächste Termine: www.spd-fraktion-bremen.de/Kultur

dRaussen feieRn muss dRin sein FreiluFtpartys aus der illegalität holen

Karin garling, kulturpolitische sprecherin der spd-Fraktion: „in Bremen hat sich insbesonde-re im elektro- und techno-Bereich mittlerweile eine ,outdoor‘-szene entwickelt, die für eine Bereicherung unserer kulturellen landschaft sorgt. gemeinsam wollen wir nun dafür sorgen, diese Freiluft-party-Kultur aus der illegalität zu holen.“

sükrü senkal, innenpolitischer sprecher der spd-Fraktion: „solange niemand gestört wird, spricht nichts gegen Feiern im Freien, denn der öffentliche raum gehört allen. egal, ob sie dort nun spazieren gehen oder tanzen wollen - nie-mand soll sich bei seiner Freizeitbeschäftigung kriminalisiert fühlen.“

KultuRblüte iV: alles nuR theateR? Wie ist die Situation auf, vor und hinter den Theaterbühnen unserer Stadt? Welche Synergien und Konkurrenzen gibt es zwischen der Freien und der „insti-tutionalisier-ten“ Theatersze-ne? Und: Wie lassen sich trotz schwieriger Haushaltsbedingun-gen Wege finden, Bremens Theaterlandschaft durch eine verstärkte Zusammenarbeit noch breiter aufstellen? Über diese und weitere Fragen wollen wir gemeinsam mit Kulturschaffenden, Theaterleuten und Interessierten reden. Und zwar am . . . 14. November 2013, 19 Uhr Ort: Wilde Bühne im Volkshaus Referent: Prof. Michael Börgerding, Generalintendant Theater Bremen

9September 2013 Kultur & inneres | KulturBlüten & FreiluFtpartys

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Überseestadt: Wohin geht die reise?Zukunftsperspektiven der alten Hafenreviere

an der Wasserkante Wohnen und arbeiten verbindenDie Entwicklung der Überseestadt ist eines der größten und erfolgreichsten Stadtentwicklungsprojekte Bremens. Innerhalb weniger Jahre wurde aus den Hafenrevieren ein nachgefragter Standort, an dem zusammenwächst, was zusammen gehört: Wohnen und Arbeiten. Mehr als 450 Unter-nehmen sind dort mittlerweile zu finden. Rund 9000 Menschen arbeiten dort sowohl in traditionsreichen, lang ansässigen Betrieben aber auch in neuangesiedelten Firmen und Unternehmen - und gleichzeitig entsteht quasi direkt daneben neuer Wohnraum. „Genau diese Nachbarschaft ist uns wichtig: Ohne die Betriebe zu verdrängen, soll ein sozial gemischter, lebendiger und bunter Mix aus Wohnen, Arbeiten, Freizeit, Konsum und alltäglichem Leben in der Überseestadt entstehen“, betont der baupolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Jürgen Pohlmann.

Um dieses Ziel zu erreichen, setzt sich die SPD-Fraktion für klare Vorgaben ein: „Was den Wohnungsbau betrifft, müssen wir darauf achten, künftig mehr Angebote auch für Menschen mit kleineren und mittleren Einkommen anzubieten, indem wir Miet- und Einkommensbindungen für einen Teil der Neubauten zur Bedingung machen“, sagt Pohlmann. Gleichzeitig sollen die gewachsenen Strukturen der alten Hafenreviere nicht vergessen werden: „Gerade, dass dort nach wie vor alteingesessene Firmen verschiedener Branchen aktiv sind, macht den besonderen Reiz des neuen Quartiers aus. Auch deshalb müssen wir sicherstellen, dass ‚Arbeit‘ auch in Zu-kunft ein fester Bestandteil der Überseestadt bleibt.“ Das gleiche gilt für ihn in Sachen Hafenkultur: „Dass wir beispielsweise die Anbiethalle – und damit ein gutes Stück Hafentradition – erhalten konnten, ist ein gutes Beispiel dafür.“ Dort nämlich haben einst nicht nur die Hafenarbeiter ihren „Anbiet“ (Platt für „Anbeißen/Anbiss“), also die erste Frühstückspause nach Schichtbeginn ver-

bracht, sondern auch bei Familien und Nachbarn stand die Hausmannskost der Anbiethallen hoch im Kurs. „Damals hat das Konzept von Wohnen und Arbeiten bereits funktioniert – und diese Idee wollen wir in Zukunft weiter-spinnen“, sagt Pohlmann und ergänzt: „Schon heute ist die Überseestadt ein wichtiger Standort für Dienstleitung, produzierendes Gewerbe, für die Kultur- und Kreativwirtschaft sowie ein bedeutender Veranstaltungsort. Und nicht zuletzt ist die Überseestadt ein Ortsteil, in dem schon in einigen Jahren bis zu 3000 Menschen wohnen werden.“

Aber bei allem Bauboom und Erfolg sieht der Sozialdemokrat auch Verbesse-rungsbedarf: „Wir müssen die Überseestadt noch besser mit ihrem ‚Mutter-stadtteil‘“ Walle aber auch mit Gröpelingen verknüpfen – das neue Quartier soll schließlich kein Fremdkörper, sondern eine Ergänzung der gewachsenen Quartiere sein.“

Zukunft der Überseestadt Die „Entwicklungskonzeption zur Umstrukturierung der Alten Hafenreviere in Bremen“ gibt seit 13 Jahren die städtebauliche Entwicklung der Überseestadt vor. Aber welche Perspektiven und kulturellen Impulse gibt es darüber hinaus? Wie sieht die heutige Situation und wie die Anbindung an die Nachbarquar-tiere aus? Darüber wollen wir sowohl mit den Projektentwick-lern als auch Anwohnern und Interessierten sprechen. Und zwar am Donnerstag 14. November 2013 ab 18.30 Uhr im Schuppen II (Eventloft) Hoernecke- straße 23, 28217 Bremen

JÜrgen Pohlmann bauPolitischer sPrecher der sPd-fraktion

„die Überseestadt darf keine ParallelWelt Werden“ Am Rand der Überseestadt hat jemand mit einem Edding „Hier beginnt das Tenever für Reiche“ an eine Hauswand ge-schrieben. Sehen Sie auch die Gefahr, dass dort sozusagen ein eigenes Quartier für die privilegierte Oberschicht entsteht?

„Ja, die Gefahr gibt es - und ich sehe es als einen unserer Auf-träge an, genau das zu verhindern. Allerdings eher mit klugen Entscheidungen als mit dem Edding in der Hand... Fakt ist: Wir haben in der Überseestadt die Chance, nicht nur architektonisch neue Wege zu gehen, sondern eben auch, was das Angebot des neuen Quartiers für die Menschen angeht. Gerade deshalb setze ich mich dafür ein, dass wir den vom ‚Bündnis für Wohnen‘ für ganz Bremen geforderten 25 Prozent-Anteil von Sozialwohnun-gen – insbesondere in der Überseestadt – einhalten. Stadtteile, in denen hauptsächlich Arme und Stadtteile, in denen vor allem

die besser Betuchten zusammenleben, gibt es schon genug. Sorgen machen uns dabei übrigens nicht nur die Quartiere, in denen die Menschen nicht auf Rosen gebettet sind. Denn auch in den ‚besseren Lagen‘ ist eine Art Abschottung zu erleben: Zunehmend mehr besser verdienende Leute leben in ihren Pri-vathäusern, haben private Renten- und Krankenversicherungen, schicken ihre Kinder in Privatschulen. Es besteht die Gefahr, dass sie sich auf diese Weise zunehmend aus der Gesellschaft zurückziehen und keine Notwendigkeit mehr darin sehen, ihren Teil zu unserem Gemeinwesen beizutragen.“

.Aber wie sieht Ihre Vision der Überseestadt aus?

„Ich werbe dafür, dort ein Quartier entstehen zu lassen, das verbindet: Wohnen und Arbeiten, Familie und Beruf, Arm und Reich, Jung und Alt, Kulturschaffende und ganz normale Arbeiter. Um das zu erreichen, müssen wir allerdings die Basis schaffen - und dazu gehört jetzt vor allem, dass wir auch in der Überseestadt bezahlbaren Wohnraum und etwa mit Kitas und Spielplätzen auch die nötige Infrastruktur für Familien anbieten.

Um es auf den Punkt zu bringen: Wenn sich Abnehmer für Wohnungen finden, deren besonderes Gimmick es ist, dass man mit seinem Auto im Fahrstuhl bis vor die eigene Tür fahren kann, dann ist das für mich erst einmal in Ordnung. Aber wir müssen eben gleichzeitig aufpassen, dass dort keine Parallelwelt entsteht, die mit dem Rest der Stadt und dem Nachbarstadtteil Walle nichts mehr zu tun hat. “

10 RotHeute Stadtentwicklung | die ÜbeRSeeStadt

Page 11: Rotheute September 2013

die Karlsburg wird zum Campus für ganz bremerhaven

Zentral aber unscheinbar. So in etwa präsentiert sich die Karlsburg heute - und das soll sich ändern: Mit einer Investition von 1,2 Millionen Euro wird die Straße in einen Campus der benachbarten Hochschule umgewandelt und soll dadurch nicht nur für die Studenten, sondern für alle Bremerhavenerinnen und Bremerhavener aufgewertet werden.

Frank Schildt, hafenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion: „Es hat sich in den vergangenen Jahren viel getan in der Seestadt – jetzt ist es wichtig, dass wir den begonnenen Weg weitergehen. Die bald beginnende Kajensanierung samt Herrich-tung von Teilen der Promenade ist ein weiterer guter Schritt, Bremerhaven noch attraktiver zu machen.“

Kajensanierung am handelshafen besChlossenBremerhaven bleibt spannend: Mit dem Projekt „Geestemünde geht zum Wasser“ ist der erste Schritt zur Anbin-dung des Stadtteils an die Forschungs- und Entwicklungsmeile (F & E Meile) gemacht. Nun beginnt die nächste Phase: Die Bremerhavener SPD-Abgeordneten haben sich unter anderem in der Häfendeputation für die Instand-setzung der teilweise sanierungsbedürftigen Kajen im Bereich des Handelshafens sowie die Herrichtung von weiteren Uferpromenaden eingesetzt. Noch in diesem Jahr soll mit den Bauarbeiten begonnen werden.

Insgesamt 3,4 Millionen Euro sollen in das Vorhaben fließen – etwas mehr als die Hälfte davon stammen aus dem Euro-päischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE). Die restli-chen Mittel bringen Bremerhaven mit einer Million und das Land Bremen (530.000 Euro) in einer Kofinanzierung auf. „Wir setzen damit das Signal, dass die Entwicklung der F & E Meile weitergeht – denn besonders vor dem Hintergrund der weiteren Anbindung der Forschungs- und Entwicklungsmeile an das Stadtgebiet und den Stadtteil Geestemünde ist die Kajensanierung unumgänglich. Zudem ist dieser Schritt im Rahmen der laufenden Umwandlung des Areals zu einem attraktiven Wohngebiet sinnvoll“, betont der Bremerhavener SPD-Ab-geordnete und hafenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Frank Schildt. Nach diesem weiteren Schritt gelte es nun den Weg buch-stäblich auch zu Ende zu gehen: „Letztlich soll das Gelände samt der Uferpromenaden zu einem attraktiven Anknüp-fungspunkt zwischen der Innenstadt, unseren Forschungs-einrichtungen und dem Stadtteil Geestemünde werden.“

Gestartet wird mit der Kajensanierung am Yachthafen, am Kai der Wissenschaft und beim Alfred-Wegener-Institut. Für den Bereich Köperstraße ist zusätzlich die Herrichtung der Promenade samt Beleuchtung und Bänken vorgesehen. „Zudem sollen Holzstege im Bereich des Yachthafens und auch Teile der Ufereinfassung erneuert werden“, betont Schildt und ergänzt: „Es war höchste Zeit das Thema anzuge-hen - denn ansonsten hätten die maroden Kajen dauerhaft mit Bauzäunen gesichert werden müssen, weil zu befürch-ten war, dass sie irgendwann ins Hafenbecken abbrechen.“ Nachdem diese Kuh jetzt vom Eis sei, kann nun weiter nach vorn geschaut werden: „Die weiteren Maßnahmen zum Promenadenausbau sind für die EFRE-Förderphase 2015 geplant - wir müssen also auch nachdem die jetzt beschlos-senen Bauarbeiten Mitte nächsten Jahres beendet sind, weiterhin am Ball bleiben und uns für eine ausreichende Kofinanzierung durch Bremen für die weiteren Maßnahmen stark machen.“

Elias Tsartilidis, wissenschaftspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion: „Mit der Umwandlung der Karlsburg in einen Campus rückt die Hochschule noch mehr in die Mitte der Stadt – und gleichzeitig sorgen wir für eine attraktive Weiterentwicklung des Südzipfels der bisherigen Fußgängerzone.“

Nachdem der Bremerhavener Magistrat bereits im April grünes Licht für die Planungen gegeben hatte, konnte nun Mitte August in der Deputation für Wirtschaft und Häfen mit den Stimmen der SPD-Deputierten die nächste Hür-de genommen werden: Rund 660.000 Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) wurden für die Idee bewilligt - zum Ende dieses Jahres sollen die Bauarbeiten beginnen. „Wir erobern damit sozusagen ein vergessenes Stückchen Stadt zurück“, betont der wissenschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Elias Tsartilidis und erklärt den Hintergrund der Planungen: „Dort werden künftig nicht nur Passanten bummeln und Studierende ihre Pausen verbringen können, son-dern darüber hinaus kann die Hochschule den neuen Campus nutzen, um auf ihre Arbeit aufmerksam zu machen.“ Auch in Sachen Stadtentwicklung sei das Vorhaben ein echter Gewinn für Bre-merhaven: „Die SPD-Abgeordneten aus Bremen und Bremerhaven haben sich

auch deshalb für das Projekt eingesetzt, weil damit gleichzeitig das südliche Ende der Fußgängerzone attraktiver gestaltet werden soll“, so Tsartilidis. Bislang sei das Teilstück aus allen Planungen ausgeklammert worden, da der Hochschulausbau noch nicht abgeschlossen war. „Jetzt können wir die Planungslücke zwischen Stadttheater und Deichstraße endlich schließen“, betont der Hochschulexperte. Die konkreten Planungen sehen dabei vor, dass der Autoverkehr endgültig aus der Karlsburg verbannt wird und der Straßen-belag an den der Fußgängerzone angeglichen wird. „Gleichzeitig stellen wir sicher, dass beispielsweise die Feuerwehr oder Lieferverkehre weiterhin eine Zufahrtsmöglichkeit erhalten.“ Durch die neue Gestaltung werde aber vor allem ein Ziel erreicht: „Auch op-tisch zeigen wir damit, dass die Hochschule sich eben nicht von Bremerhaven abschottet, sondern ein fester Bestandteil unserer Stadt ist!“

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auf zu neuen ufernES TUT SiCH ETWaS an DEr WaTErKanT

11September 2013 BrEMErHavEn | nEUE ProJEKTE

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www.spd-fraktion-bremen.de

Ich bIn der MeInung, dass…

„ ... neue Fährverbindungen über die Weser nicht nur

die stadtteile, sondern ganz bremen noch mehr

zusammenwachsen lassen.“

IMPRESSUM SPD-Bürgerschaftsfraktion Land BremenGeschäftsführer: Frank Pietrzok Wachtstraße 27/2928219 BremenT. 0421.336770 / F. [email protected].:André StädlerRedaktion:Matthias KochFotos:M. Koch, S. Skiba, F. StrangmannDruck:Berlin Druck / AchimAuflage: 7.000 Exemplare

www.spd-fraktion-bremen.de

Ein Schiff wird kommen .... nach dem großen Erfolg im vergangenen Jahr pendelt die Pusdorp nun nicht mehr nur sonntags, sondern auch sonnabends zwischen rechtem und linkem Weserufer.

Fraktion auf Fährfahrt: (v.l.) Helmut Weigelt, Valentina Tuchel, Elombo Bolayela, Andreas Kottisch und Björn Tschöpe.

dIe Weser-bus-IdeeBis zum Herbst wird der Se-nat auf Grundlage einer Ini-tiative der SPD-Fraktion ein entsprechendes Konzept mit möglichen „Haltestellen“ für „Weser-Busse“ an der Water-front, in der Überseestadt, am Lankenauer Höft und am Wes-terdeich sowie an Schlachte, Sielwall und Weserstadion vorlegen. Auch eine Erweite-rung des Fährsystems nach Hemelingen und Bremen -Nord soll geprüft werden.

>Antrag: Stadtteile verbinden http://tinyurl.com/ weser-faehren

neue VerbIndung: dIe Weser – nIcht nur geograFIsch IM MIttelpunktIndustrie, Hafenumschlag, Liefer- und Durchgangsverkehr an den Ufern - und auf dem Fluss Binnenschiffe mit Kohle, Holz und anderen Gütern beladen. Lange Zeit bestimmte all das das Bild der Weser. Mittlerweile aber hat sich Bremens Lebensader grundlegend gewandelt: Der Fluss ist nicht mehr nur geografischer Mit-telpunkt der Stadt, sondern die Weser und ihre Uferbereiche dienen heute zudem als Flaniermeile, attraktives Ausflugsziel und naturnahes Erholungsgebiet. Die Stadt ist sozusagen an den Fluss herangerückt - auch durch Projekte, wie die neue Fährverbindung zwischen Woltmershausen, Gröpelingen und der Überseestadt.

„Stadt am Fluss“ heißt das Entwicklungskonzept, dass hinter dem Wandel an der Weser steht. Und der Fluss stellt sich dabei als eine Art Erfolgsgarant heraus: Angefangen von der Schlachte mit ihrer viel frequentierten Gastro-Meile bis hin zum boomenden neuen Stadtquartier ein paar Meter weiter in der Überseestadt. „Lange Zeit wurde das Entwicklungspotenzial der Weser nicht wahrgenom-men - das hat sich grundlegend geändert“, betont der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Andreas Kottisch.

Neue Verbindung - voller Erfolg

Und auch das jüngste Projekt in dieser Richtung stellt sich als äußerst erfolgreich heraus: 2012 wur-de erstmals die „Pusdorf“ eingesetzt, um sonntags Passagiere und ihre Fahrräder zwischen Lankenauer Höft (Woltmershausen) dem Pier II Anleger (Gröpe-lingen) und der Mole (Überseestadt) hin und her zu schippern. Die außerordentlich gute Resonanz auf die neue Verbindung hat nun - weitaus früher als ur-sprünglich erhofft - bewirkt, dass die „Pusdorp“ nun nicht mehr nur Sonntags sondern auch Sonnabends in See sticht. Mittlerweile ist auch die BSAG auf das Erfolgsprojekt aufgesprungen und bietet neuerdings sonntags im 20-Minuten-Takt eine Busverbindung von der Endhaltestelle Rablinghausen zum Anleger am Lankenauer Höft an. „Die Beiräte Gröpelingen, Walle und Woltmershau-sen haben lange für die neue Fährverbindung ge-kämpft. Der Einsatz hat sich gelohnt. Man kann Bre-men hier von einer ganz neuen und wunderschönen Seite erleben“, betonte der Bürgerschaftsabgeord-nete Elombo Bolayela, der jüngst gemeinsam mit

weiteren Kollegen bei einer „Fährfahrt mit Fraktion“ erstmals die neue Verbindung nutzte.

„Fährfahrt mit Fraktion“ Aber es war mehr als ein maritimer Ausflug, der die Abgeordneten über die Weser nach Woltmershau-sen führte. „Uns geht es darum, auszuloten, wie wir das bestehende Fährangebot verstetigen und weiter ausbauen können“, betonte der SPD-Abgeordnete Helmut Weigelt.

Dieter Stratmann, Geschäftsführer der Reederei Hal Över, die die Fähre betreibt, zeigte sich dabei zuversichtlich: „Momentan hat die Pusdorp nur ein vorläufiges Zeugnis bis Oktober - wenn wir eine dauerhafte Fährzulassung für das Schiff bekommen, werden wir die Verbindung auf jeden Fall weiter anbieten. Und zwar nicht nur aus Liebe zu Bremen, sondern weil sich dieses Angebot rechnet.“

Weitere Verbindungen prüfen

Das allerdings soll erst der Anfang sein. „Unser Idee ist, dass die Fährverbindungen nicht nur ausgebaut, sondern - wie etwa in Hamburg – zu einem selbst-verständlichen Bestandteil des ÖPNV werden“, erläuterte Andreas Kottisch (siehe Kasten rechts). „Weitere Routen und die Integration der Fähren in das ÖPNV-Netz sind nicht nur für Ausflügler und Fahrradtouristen attraktiv, sondern könnten auch Berufspendlern kürzere Wege über die Weser ermöglichen“, so Kottisch. Das alles mag noch Zukunftsmusik sein, aber: „Wir haben dafür ein offenes Ohr“, betonte Dieter Strat-mann von Hal Över. Wichtig sei allerdings, dass am Ende eine „vernünftige Taktung“ möglich werde - die Entfernungen zwischen den einzelnen Anle-gestellen also nicht zu groß sei. Generell habe die Weserbus-Idee aber gute Chancen: „Nach den gu-ten Erfahrungen, die wir mit der Pusdorp gemacht haben, kann ich mir sehr wohl vorstellen, dass sich auch eine derartige Verbindung rechnet und von den Bremerinnen und Bremern angenommen wird“, sagt Stratmann und setzt dabei vor allem auf einen Vorteil gegenüber allen Verkehrsmittel an Land: „Auf der Weser gibt‘s keinen Stau.“