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Satt und zufrieden statt steif und starr – ein Loblied auf den Januar Enteignung: Willi Worbers Kampf um sein Daheim im Kreis 5 Bauern global Wie Afrika in die Alpen kommt Nr. 241 | 7. bis 20. Januar 2011 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.

Surprise Strassenmagazin 241/11

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Surprise Strassenmagazin 241/11

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Enteignung: Willi Worbers Kampf um sein Daheim im Kreis 5

Bauern globalWie Afrika in die Alpen kommt

Nr. 241 | 7. bis 20. Januar 2011 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.

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2 SURPRISE 241/11

Musiques Suisses – Das CD-Label für Schweizer Klassik, Neue Volksmusik und Jazz

Mein blaues KlavierSchweizer Lieder

MGB CD 6265

LändlerorchesterDomenic Janett Ländler-Rhapsodie Dani Häusler Waldstätter-Fantasie

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Koproduktion Blindtext

Aufnahmen Blindtext

Aufnahmeleitung und Schnitt Blindtext

Toningenieur und Mischung Blindtext

Assistenz Blindtext

Exekutivproduzent Claudio Danuser

Übersetzungen: Blindtext

Redaktionelle Mitarbeit Blindtext

Foto Blindtext

Gestaltungskonzept comvex gmbh www.comvex.biz

Hersteller Blindtext

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George Gruntz Concert Jazz BandMatterhorn Matters

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Musiques Suisses/Neue Volksmusik wird getragen von Pro Helvetia, Suisa-Stiftung, Gesellschaft für die Volksmusik in der Schweiz, Haus der Volksmusik Altdorf und Migros-Kulturprozent.

www.musiques-suisses.ch Ein Projekt des

Noëmi

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Oliver

Schnyder

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3SURPRISE 241/11

Titelbild: Keystone

Inhalt04 Editorial

Nur Mut04 Leserbriefe

Journalistische Lebenshilfe05 Basteln für eine bessere Welt

Blick durch die Röhren06 Aufgelesen

Mehr Strassenmagazine weltweit06 Zugerichtet

Unschöne Verhältnisse07 Hausmitteilung

Peter Aebersold und Paola Gallo informieren

08 PorträtStarke Frau mit dünner Haut

10 GeschichtenErzähler, keine «Märlionkel»

22 Le mot noirZiele setzen im Tessin

23 RadioProfi-Sender ohne Chefredaktion

24 KulturtippsZarte Musik unter harter Schale

26 AusgehtippsComics auf Chinesisch

28 VerkäuferporträtEin Wandervogel

29 Projekt SurplusEine Chance für alle!

30 In eigener SacheImpressumINSP

Mit der Diskussion über Zölle und Subventionen istder Kampf gegen die Armut in den reichen Ländernangekommen. Trotzdem subventionieren die USAund die EU ihre Agrarindustrien weiterhin massiv –zum Schaden der Bauern in Afrika und Asien. Wäh-rend die einen gleiche Rechte und offene Grenzenfür alle fordern, behaupten die anderen, dass auchFreihandel die Armut in den Entwicklungsländernnicht reduzieren würde.

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Im Beliebtheitsranking belegt der Januar denletzten Platz: Er ist kalt und dunkel, die Partyssind vorbei und erst der Osterhase bringt neueFesttagslaune ins triste Dasein. Unser AutorStephan Pörtner findet, dem ersten Monat imJahr geschieht Unrecht. Dass der Jänner kälterist als der August, kann auch er nicht schön-schreiben – dafür liefert er einleuchtende Argu-mente, weshalb es gut wäre, diesem Monatmehr Beachtung zu schenken.

16 StadtentwicklungIm Schatten des Prime Tower

Zürichs Westen boomt. Unerbittlich treiben dieStadt und private Investoren die Aufwertung der In-dustriebrachen voran. Doch mitten auf der Gross-baustelle trotzen zwei alte Häuser der Veränderung.Seit Jahren wehren sich die Bewohner gegen denAbriss ihres Zuhauses. Die Geschichte eines aus-sichtslosen Kampfes.

13 LandwirtschaftWohlstand durch Freihandel?

20 JahresbeginnDer Unterschätzte

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4 SURPRISE 241/11

Ihre Meinung!Bitte schicken Sie uns Ihre Anregungen oder Kritik: Strassenmagazin Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20,

Postfach, 4003 Basel, T +41 61 564 90 70, [email protected]. Es werden nur Leserbriefe abgedruckt,

die mit vollem Namen unterzeichnet sind. Die Redaktion behält sich vor, Briefe zu kürzen.

Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3

EditorialMutig ins 2011

«Wutbürger» ist das Wort des Jahres 2010.Wutbürger sind Normalos, die aus Entrüstungdarüber auf die Strasse gehen, dass mit ihnengemacht wird, was irgendjemand ausserhalbihres Einflussbereichs entscheidet. In Deutsch-land ist der Protest gegen das geplante Bahn-hofsbauprojekt Stuttgart 21 ein Paradebeispielfür die neue Kraft der Bürgerinitiative.Auch Willi Worber hätte Grund genug, seinenÄrger öffentlich kundzutun: Ihm wird geradesein Lebensraum genommen. Neben seinemHaus im Zürcher Kreis 5 schiessen Wolken-kratzer in die Luft, neue Strassen werden aufGrundstücken noch stehender Häuser geplant,seine Wohnung ist vom Abbruch bedroht. DerPrime Tower und der Mobimo Tower sind diemarkanten Wahrzeichen des «Maagdorfes»,das bald anstelle von Willi Worbers Quartierstehen wird. Noch wehren sich Willi Worberund seine Nachbarn mit juristischen Mittelngegen die Zwangsenteignung ihrer Wohnun-gen und Häuser. Doch man ahnt es: Sie sitzengegenüber den Investoren und der Stadt wohlam zu kurzen Hebel. Lesen Sie die Geschichtevon Willi Worber ab Seite 16.Zunehmend fühlen sich Menschen übergan-gen und fremdbestimmt. Das sollte uns alar-mieren. Dass sie je länger, desto häufiger dieUngerechtigkeiten, die ihnen widerfahren, öf-fentlich machen, kann als Zeichen eines wach-senden Selbstbewusstseins der grossen Massegesehen werden. In Stuttgart wird der neue Bahnhof wohl gebaut – trotz der Bürgerproteste. Doch derWiderstand hat die Verantwortlichen gezwun-gen, sich Gedanken über ihr Projekt und denUmgang mit Betroffenen zu machen. Zum Jahresanfang wünsche ich Ihnen Mut,sich für Ihre Anliegen einzusetzen, auch wennes aussichtslos scheint: Vielleicht reicht derWiderstand nicht für die grosse Kehrtwende,aber er setzt mit Sicherheit auf allen SeitenDenkvorgänge in Gang. Und falls Sie noch mehr Gründe brauchen,dem kalten Januar Gutes abzugewinnen, wün-sche ich Ihnen gute Lektüre mit dem Text vonStephan Pörtner ab Seite 20.

Herzlich,

Julia Konstantinidis

OptimistischWie schnell die Zeit vergeht! Fred Lauener ge-hört doch seit Jahren zum Erscheinungsbildvon Surprise und hat die Erfolgsgeschichte seit2007 mitgestaltet und mitgeschrieben. Aus ge-planten zwei sind vier reichhaltige Jahre ge-worden, und er hat Surprise aus der eigenenKrise mit einem engagierten Team durch dieseitherigen Gesellschaftskrisen geführt – mitbrandaktuellen Themen und hellhörigen Arti-keln. So können wir ihm und auch der ganzenSurprise-Mannschaft mit dem scheidendenPräsidenten Carlo Knöpfel bestens danken fürdie journalistische Lebenshilfe und dürfen,trotz neuer Herausforderungen, optimistisch indie Zukunft blicken. Christian Vontobel, Basel

Nr. 239: «50 Jahre Pille – Was hat sich ver-ändert ausser die Frisur»

Mit HumorFolgendes zum Artikel «Armut – Das Portemon-naie als Portnütmee»: Ich bin alleinerziehendeMutter, verwitwet mit zwei erwachsenen Kindernin Ausbildung, bedingt erwerbsfähig infolgeKrankheit, früher selbstständigerwerbend, keinePensionskasse, ohne IV (in einem zehn Jahre dau-ernden Rechtsstreit abgelehnt). Ich war fünf Jahre Sozialhilfeempfängerin, habe drei Mal mit denKindern Ferien verbringen dürfen und verzichteauf ein Auto – aus ökologischer sowie finanziellerÜberzeugung. Ich war mehrere Jahre politisch tä-tig und habe zwei Prinzipien: «Humor ist, wennFrau trotzdem lacht» und «Was mich nicht um-bringt, macht mich stark.» Und ich glaube an dasSchweizer Sozialsystem.Susanne J. Weyermann, per E-Mail

Nr. 238: «Skihäsli ahoi! – Die Jagdsaisonbeginnt»

Aus AngstMit grossem Interesse habe ich den Artikelüber die Autonome Schule im Heft Nr. 238 ge-lesen. Eine Freundin von mir unterrichtet an

der Schule – besser gesagt, sie hat bis jetztunterrichtet. Vor Kurzem ist vor der Schule diePolizei aufgetaucht, hat viele Leute kontrolliertund verhaftet. Meine Freundin hat die Erleb-nisse mit der Polizei aufgeschrieben:

Der Unterricht wird unmöglich, weil kein Schü-ler sich konzentrieren kann. Alle haben Angstvor Polizeikontrollen; vor der Schule, auf demSchulweg. Es ist 20 Minuten vor Unterrichtsbe-ginn. Ich bereite die Lektionen meiner Klassevor und schaue aus dem Fenster. Zwei Schülerwerden von drei Polizisten umstellt. Ich sehe,dass sie Angst haben. Angst, weil sie so ge-nannten NEE-Status haben – d.h., sie habenein Asylsgesuch gestellt, darauf wurde abernicht eingetreten. Ich gehe zu den Polizistenund bitte sie, mir nicht einen meiner bestenSchüler wegzunehmen. Die Polizistin fragtnach dem Unterrichtsbeginn. Um zwei Uhr, sa-ge ich. Sie antwortet, dass ich meinen Schülerbis dahin zurückhaben werde. Ein anderer Leh-rer informiert die drei Polizisten, dass abge-macht wurde, dass vor der Schule keine Kon-trollen stattfinden. Die Polizisten ignorierenihn. Sie nehmen meinen Schüler mit. Um zweiUhr ist sein Platz leer und bleibt es auch. Es istunmöglich, die Stunde abzuhalten. Alle sindnervös, eine der Schülerinnen hört nicht auf zuzittern. Draussen vor dem Fenster ist immerwieder die Polizei zu sehen. Eigentlich habe ichheute etwas über «Lernblockaden lösen» vorbe-reitet – das haben sich meine Schüler ge-wünscht. Es geht darum, dass man in der Schu-le ohne Angst lernen können soll. Ziemlich ab-surd, diese Situation. Als die Schule zu Endeist, steht noch immer die Polizei vor dem Schul-gebäude. Es wird beschlossen, dass alle ge-meinsam rausgehen. Bei der Tramhaltestellekommen weitere Polizeiautos dazu, und Polizi-sten mit Gummischrot stellen sich auf dieTramschienen. Der Bus und das Tram kommennicht mehr durch. Nochmals werden zwei Schü-ler festgenommen. In den nächsten Tagen blei-ben die Schulzimmer leer. Aus Angst.Patricia Morganti, per E-Mail

Leserbriefe«Kein Schüler kann sich konzentrieren. Alle habenAngst vor Polizeikontrollen.»B

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SJULIA KONSTANTINIDIS,

REDAKTORIN

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Basteln für eine bessere WeltSei es das Januarloch, die verpassten guten Vorsätze oder das Wintergrau – Anfang Jahr tut ein Perspektivenwechsel immer gut. Mitunserer Methode gucken Sie sicher nicht in die Röhre.

Schneiden Sie mehrere Kartonröhren (ca. 4 Stück)

in unterschiedlicher Länge ab.

Kleben Sie die Röhren wie Orgelpfeifen der Grösse

nach aneinander.

Über die Enden, die nicht auf derselben Höhe lie-

gen, können Sie farbige Folie kleben.

Lassen Sie Ihren Blick langsam über die Röhren

gleiten – Sie werden sehen, Ihre Umgebung hält so

manche ungeahnte Perspektive für Sie bereit.

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AufgelesenNews aus den 90 Strassenmagazinen,die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.

Kohle zum Zocken

Stuttgart. Ein ehemaliger Spielsüchtiger er-zählt: «Spielen war für mich Entspannung.Ruhe. Abschalten. Es nervt einen keiner. Esist, wie einen Film zu schauen. Das Geld-glücksspiel hatte meine Gedanken be-herrscht. Am Morgen nach dem Aufstehenwar mein erster Gedanke, wie ich jetzt ambesten an Kohle komme, um zocken zu kön-nen. Ich habe immer mehr Schulden ge-macht. Meiner Freundin habe ich Lügen er-zählt. Irgendwann haben sie und mein Kindmir so leidgetan, dass ich mir in der Spiel-halle freiwillig Hausverbot geben liess.»

Tabu Einsamkeit

Nürnberg. Corinna Drebenstedt, Leiterin derGeriatrischen Tagesklinik am Nürnberger Kli-nikum, über Einsamkeit: «Viele Menschensind gerne alleine und fühlen sich dabei nichteinsam. Wer weiss, dass er viele Leute anru-fen könnte, ist nur alleine. Wer wenig sozialeKontakte hat und niemanden anrufen kann,fühlt sich hingegen einsam. Freunde sindwichtiger als Familie, weil Freunde im Gegen-satz zur Familie ausgewählte Sozialkontaktesind. Die meisten Menschen, die einsamsind, reden nur darüber, wenn man sie ganzgezielt fragt: Fühlst du dich einsam?»

Erfolgsgeschichte

Graz. Entgegen dem Trend rückläufiger Ver-kaufszahlen bei Printmedien sind im letztenJahr weltweit zehn Prozent mehr Strassen-zeitungen und -magazine verkauft wordenals im Vorjahr. In 40 Ländern haben die 115Titel des internationalen Netzwerks derStrassenzeitungen (INSP), zu dem auch Sur-prise gehört, 1,51 Millionen Exemplare ver-kauft. Hauptgrund für den Erfolg: Die spe-zielle Vertriebsform. Seit 1994 bringen rund200 000 Verkäuferinnen und Verkäufer dieMagazine auf der Strasse unter die Leute.

ZugerichtetEine Nummer zu gross

Abgesehen davon, dass der Anzug nachder Mode des verflossenen Jahrhunderts ge-schnitten ist, war er offenbar für eine vielgrössere Gestalt als die des nunmehrigen Be-sitzers bestimmt gewesen. Die Jackenärmelragen ihm bis zu den Fingerspitzen, die Ho-se faltet sich mehrfach über den Schuhen,die Schulterpolster sacken ein, von Hemdund Krawatte ist kaum eine Spur zu sehen.Aber Signor Sassi* trägt seinen ausgetrage-nen Anzug mit Würde, schreitet formvollen-det in den Gerichtssaal als wäre es die Lobbydes «Baur au Lac». Ein fadendünner Schnau-zer schwingt sich im eleganten Bogen überder Oberlippe. Der Scheitel ist perfekt gezo-gen. Auch seine Aussprache ist makellos, miteiner leicht italienischen sowie glarnerischenFärbung: «Ich war bedürftig», sagt er undseufzt und faltet die Hände. «Es geschah ausHunger.»

Signor Sassi kommt aus Süditalien, wo ervor 58 Jahren geboren wurde. Sein Lebens-weg ist sozusagen ein gastronomischer Ab-stieg: Vom Chef de Service eines Edelitalienersüber den Chauffeur eines Gemüsehändlers bishin zum Dieb in der Delikatessenabteilung ei-nes Kaufhauses. Irgendwo dazwischen habenihn eine Scheidung, die Einsamkeit und derAlkohol aus der Bahn geworfen. Er nahm sei-ne Einkaufstasche mit und füllte sie mit Pa-steten und einer Dose Cumberlandsauce, Pilz-terrinen, erstklassiger Salami, Mortadella undteurem Parmaschinken, französischem Edel-käse, Amaretti und einer Flasche Weisswein.Der Wert des Gourmetmenüs betrug 175 Fran-ken und 25 Rappen; er kam nicht dazu, es zugeniessen. Beim Ausgang hat ihn die Hausde-

tektivin geschnappt. Man fand auch ein Stell-messer bei ihm. Er hatte es zwar nicht gezückt,um der Verkäuferin zu drohen «Camembert heroder Leben!», aber das Gesetz bestimmt: Werbei einem Diebstahl eine gefährliche Waffe mit-führt, begeht Raub. Das wird härter bestraft alsein simpler Ladendiebstahl. Das sollte jederDieb bedenken.

Warum er das Küchenmesser mit sich führ-te, wird Signor Sassi gefragt. «Weil ich die Spei-sen im Park einnehmen wollte», sagt er, undman hat die malerische Szenerie eines Pick-nicks im Grünen vor Augen.

De facto war es aber so, dass Signor Sassimit den anderen Bewohnern des Männerheimsder Heilsarmee nichts zu tun haben wollte.«Das soziale Umfeld stimmt dort nicht», sagt erindigniert, «mit denen möchte ich nicht tafeln.Ihre Tischmanieren, tsss …» Den Rest des Sat-zes lässt er in der Luft hängen.

Dem höflichen Signore tut das Geschehenesehr leid: «Abschliessend will ich sagen, dassich mich bei allen Beteiligten für den Ärgerüber das, was ich angerichtet habe, entschul-digen möchte. Ansonsten warte ich ab, waskommt.»

Es kommt eine Strafe von neun Monaten,ohne Bewährung, der Signore hat ein grossesVorstrafenregister. Fahren in angetrunkenemZustand, Körperverletzung, Betrug. Er nimmtdas Urteil kopfnickend, mit starrem, nach-denklichem Blick an. Dann schaut er prüfendseine Fingernägel an; sie scheinen ihm nichtrein genug. «Die Verhältnisse sind da wie dortunschön.»

* Persönliche Angaben geändert.

ISABELLA SEEMANN ([email protected])

ILLUSTRATION: PRISKA WENGER

([email protected])

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Ich bin seit 1999 im Vorstand von Surprise und stand schon zwei-mal in der Verantwortung, eine ernste Krise zu meistern. Nachdem wir2006 fast Konkurs anmelden mussten, ist es unter der Leitung vonCarlo Knöpfel und Fred Lauener gelungen, den Betrieb zu konsolidie-ren und die Qualität des Magazins weiter zu verbessern. Einen erstenEinbruch erlitten wir vor zwei Jahren, weil die AHV nicht mehr ak-zeptierte, dass unsere Verkäuferinnen und Verkäufer wie früher alsSelbständigerwerbende galten, und uns zu Nachzahlungen im Betragvon rund 500 000 Franken zwang. Dennoch schien das Unternehmenvor einem Jahr auf guten Gleisen, und deshalb kündigte ich auf Ende2010 meinen Rücktritt an. Doch seither hat sich die Lage dramatischverschlechtert. Deshalb ist es für mich keine Frage: Ich will alles tun,um Surprise gemeinsam mit meiner Vorstandskollegin und meinenVorstandskollegen, der neuen Geschäftsführerin Paola Gallo und allenMitarbeitenden wieder auf Kurs zu bringen.

Was ist geschehen? Unsere Verkaufszahlen sind 2010 eingebrochen,nicht weil uns die Leserinnen und Leser im Stich gelassen hätten, son-dern weil wir wegen behördlicher Einschränkungen viele Verkaufen-de verloren haben. Einzelne Kantone lassen keine Flüchtlinge mehrzu, verschiedene Sozialhilfen haben strengere Regeln für die Einkom-mensdeklaration eingeführt, oder sie setzen den Freibetrag für einenZusatzverdienst tiefer an als in den SKOS-Richtlinien empfohlen. Sur-prise hat sich deshalb im Netz bürokratischer Restriktionen verfangen.Das hat uns gezwungen, im Betrieb Stellen abzubauen. Ich mussteneun Kündigungen verantworten, es war eine der schlimmsten Erfah-rungen meines Berufslebens.

Wie geht es weiter? Die Mitarbeitenden mussten teilweise Pensen-reduktionen hinnehmen, dennoch sind sie hoch motiviert. Die Redak-tion wird auch mit weniger Stellenprozenten weiterhin ein spannendesMagazin produzieren. Mit Paola Gallo fängt eine Geschäftsführerin neuan, die nicht zum ersten Mal vor der Aufgabe steht, eine Organisationaus einer Krise zu führen. Für sie und den ehrenamtlich tätigen Ver-einsvorstand wird es in nächster Zeit darum gehen, neue Verkaufsfor-men zu erarbeiten und uns mit den sozialen Institutionen besser zuvernetzen, um beispielweise als Beschäftigungsprogramm anerkanntzu werden. Bis diese Neuorientierung greift, sind wir auf zusätzlicheSpenden und Überbrückungsbeiträge angewiesen. Denn wir sind alledavon überzeugt, dass Surprise auch in Zukunft dingend nötig ist.

Peter Aebersold, Präsident Trägerverein Strassenmagazin Surprise

Neues Jahr, neue Aufgaben, viele gute Vorsätze. Surprise hat einJahr voller Turbulenzen hinter sich, die Verkaufende und Belegschaftdurchgeschüttelt haben. Nun starten wir frisch aufgestellt ins Jahr2011. Ich freue mich, die Herausforderungen der kommenden Zeit alsneue Geschäftsleiterin in Angriff zu nehmen. Bestimmt wird auch dasneue Jahr die eine oder andere Überraschung für Surprise bereit-halten. Ich bin überzeugt, diese gemeinsam mit den engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie dem Vereinsvorstand gutbewältigen zu können.

Mit meinem doppelten Migrationshintergrund (als Kind siziliani-scher Eltern im Wallis aufgewachsen, nach der Matur in «d’Üssu-schwiz») habe ich eine Affinität für Andersartigkeit. Immer wieder Unbekanntes zu entdecken, neue Umfelder zu erleben, anzunehmenund mit den eigenen Erfahrungen zu verbinden, gehört zu meinemAlltag – sei es mit meinem Mann und unseren drei Kindern, mit mei-nen FreundInnen oder im Beruf. Migration und Integration, Bildungund Kommunikation beschäftigten mich bereits in meinem bisheri-gen Berufsleben. Diese Erfahrungen werden mir helfen, meine neueAufgabe tatkräftig zu gestalten. Ich freue mich darauf, Menschen, dieum ihren Platz in der Gesellschaft kämpfen müssen, bei ihren täg-lichen Anstrengungen unterstützen zu können.

Meine erste Aufgabe hier im Haus wird es sein, gute Rahmenbe-dingungen für die Strassenverkäuferinnen und Strassenverkäufer zuschaffen. Im Zeitalter der Effizienzsteigerung und der Leistungsver-einbarungen werden unterstützungsbedürftige Menschen allzu oftunter einer Lawine behördlicher Bürokratie begraben. Hier wollenwir Gegensteuer geben. Surprise ist ein Projekt, das der Armut einGesicht verleiht und den Betroffenen ihre Würde zurückgibt. Ichfreue mich, die nächste Etappe meines Lebenswegs zusammen mitdem Surprise-Strassenmagazin zu gehen. Durch den Kauf unsererMagazine und die grosszügigen Spenden ermöglichen Sie, liebe Lese-rin, lieber Leser, unsere Arbeit. Ich danke Ihnen dafür, dass wir auchin Zukunft auf Ihre Unterstützung zählen können.

Paola Gallo, Geschäftsleiterin

Hausmitteilung

Zurück auf Kurs Alles neu

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VON KARIN FREIERMUTH (TEXT) UND ANNETTE BOUTELLIER (BILD)

Es riecht nach Desinfektionsmittel und fetthaltigen Salben; Pflaster,Kompressen und Kosmetiktücher liegen herum. Vorsichtig sticht LisaHuber eine Blase an ihrem Bein auf, tupft die herausquellende Flüssig-keit ab, legt einen Verband. Mit einer Schere entfernt sie verkrusteteHautstücke an ihrem Arm, behandelt offene Wunden, immer wiederwischt sie Blut ab – Lisa Huber macht ihre tägliche Wundpflege. Jeweilszwei Stunden pro Tag kümmert sie sich um ihren versehrten Körper,setzt sich mit ihrer Haut auseinander, welche ausserstande ist, ihrenOrganismus zusammenzuhalten, ihn vielmehr offen legt. Die eigentlichschützende Barriere zwischen Innen- und Aussenwelt ist schutzbe-dürftig.

Lisa Huber leidet an Epidermolysis bullosa (EB), einer seltenen, erb-lich bedingten Hautkrankheit, bei der aufgrund eines Gendefekts einbestimmter Eiweissbaustoff gar nicht oder nur mangelhaft gebildetwird. Dies führt dazu, dass die einzelnen Hautschichten nicht richtigzusammenhalten. Schon eine schwache Reibung oder ein leichterDruck kann zu Blasen, Verletzungen und blutenden Wunden führen.Die Krankheit äussert sich bereits bei der Geburt oder in den ersten Ta-gen danach, eine Heilung ist nicht möglich. In der Regel ist der gesam-te Körper betroffen. Besonders gefährdet sind die Hände und Füsse,weil sie im täglichen Leben am stärksten belastet werden.

Lisa Huber ist nicht die einzige in ihrer Familie, die mit EB geborenwurde. Zwei ihrer insgesamt neun Geschwister litten auch an derKrankheit und sind unterdessen an Hautkrebs gestorben, die Todesur-sache Nummer eins bei EB-Betroffenen. Lisa Huber dagegen hat einaussergewöhnlich hohes Alter erreicht: 45 Jahre. «Ich kann nicht er-klären, warum ich so alt bin. Aber ich schaue gut zu mir. Ausserdemhabe ich gelernt, meinen Körper anzunehmen. Die tägliche Pflege istnicht nur eine Wundversorgung, sondern auch eine Annäherung anmeinen Körper. Es braucht eine grosse Eigenliebe, um mit dieser Hautzu leben und sie gerne zu bekommen. Heute fühle ich mich schön.»

Bis es so weit war, musste Lisa Huber einen langen, schmerzhaftenProzess durchleben. Aufgewachsen in einer ärmlichen Bauernfamilie inder Innerschweiz, wurde ihr der Besuch der normalen Schule verwehrt,weil man damals über EB kaum etwas wusste. Sie wurde in ein Kin-derheim gesteckt, fast zehn Jahre lang, war stets umgeben von Leicht-bis Schwerstbehinderten. «Ich lernte nicht, mit der normalen Welt um-zugehen und meine Bedürfnisse zu äussern.Nie wurde ich gefragt, was ich will. Ich steck-te immer nur ein, und stets wurde über michbestimmt.» Dabei war Lisa Huber eine guteSchülerin und machte einen Sekundarab-schluss. Die letzten drei Jahre ihrer Schulzeit verbrachte sie an einerVolksschule in Zürich – emotional eine desaströse Zeit: Gruppenarbei-ten wollte niemand mit ihr machen; geplagt wurde sie permanent –subtil oder brutal direkt. «Ich war das ideale Opfer.»

Erst im Erwachsenenalter und nur dank einer Psychotherapie lernteLisa Huber, ihre eigenen Wünsche zu äussern und zu ihren Bedürfnis-

PorträtVerletzlich wie ein SchmetterlingsflügelLisa Huber wurde als «Schmetterlingskind» geboren. Sie leidet an einer genetisch bedingten Krankheit, durchdie ihre Haut bei der kleinsten Belastung reisst. Ihr Leben lang kämpfte sie um Selbstbestimmung, heute kannsie zu sich stehen und sagt: «Ich fühle mich schön.»

sen zu stehen. So entschied sie sich beispielsweise, eine Ausbildung inKunst- und Ausdruckstherapie zu absolvieren, als die Situation an ih-rem damaligen Arbeitsplatz unerträglich wurde. Anstelle ihrer ur-sprünglichen kaufmännischen Tätigkeit näht sie heute Kleider, maltund macht zeitgenössischen Tanz. Zwar bekommt sie davon manchmalBlasen, insgesamt tut ihr das Tanzen jedoch gut. «Ich fühle mich frei,wenn ich mich bewege. Das Tanzen ist wie Sauerstoff, ohne den ichnicht leben kann.»

Als elementar betrachtet Lisa Huber auch ihre Eigenständigkeit – imWissen darum, dass diese nicht selbstverständlich ist, denn ihre Hän-de sind permanent versehrt: Sie sind vollständig eingebunden und zusätzlich mit Handschuhen geschützt. Zu erkennen sind nur je einZeigefinger und ein Daumen. Die anderen Finger sind im Verlaufe derJahre zusammengewachsen, eine typische Verwachsung bei Men-schen, die an einer starken EB-Form leiden. Lisa Hubers Finger sindzwar beweglich, aber nicht grifffähig. Wenn sie etwas halten möchte,klemmt sie den Gegenstand zwischen ihre Handgelenke. Beim Auto-fahren steckt sie die Hände in zwei Ringe eines speziell angefertigtenSteuerrads.

Lisa Huber ist froh um ihr Auto, denn sie ist viel unterwegs: «Ich ge-he gerne unter Leute, ich mag Menschen. Aber ich schütze mich vor ih-nen. Ich trage immer lange Kleidung, damit ich ihren Blicken nicht sostark ausgesetzt bin. Denn die Leute schauen – manchmal angewidert.Wenn man mir sagt, dass man sich vor mir ekle, fühlt es sich an, alswürde mir jemand die Luft abdrehen. Man ist so anders als die ande-ren. Man wird stigmatisiert, gerade als Frau, wenn man überhauptnicht dem Bild einer attraktiven, potenziellen Partnerin entspricht. DieChance auf eine Partnerschaft ist gleich null.»

Wenn Lisa Huber dies sagt, hat das nichts mit Selbstmitleid, sondernmit Erfahrung zu tun. Zu oft wurde sie enttäuscht, zu oft wurde blossihr Äusseres taxiert und ihr Inneres übersehen: ihre fröhliche, witzige,interessierte und direkte Art; ihre Eloquenz und ihre Fähigkeit zurSelbstreflexion.

Noch nie hatte sie einen Freund, verliebt war sie allerdings schonmehrmals. «Das geht bei mir sehr schnell. Es ist wie eine Explosion.Aber ich kann meine Sehnsucht nach körperlicher Nähe nicht ausle-ben. Lieben und geliebt zu werden, das ist ein tiefer Wunsch. Berüh-rungen mit einem Menschen zu teilen, der einen bedingungslos annimmt – mit Haut und Haar.»

Die Scheu, EB-Betroffenen zu begegnen, ist gross. Doch Lisa Huberfühlt sich im Zusammensein mit vielen Leuten am wohlsten. «Ichmöchte meine Gedanken hinaustragen, davon erzählen, wie es ist, mitdieser Hypothek zu leben. Möchte teilen und geniessen können, willgefordert werden und mich aufrütteln lassen. Nur so kommt man wei-ter im Leben und kann sich entwickeln.» ■

«Ich verliebe mich sehr schnell. Ausleben kann ich dieSehnsucht nach körperlicher Nähe aber nicht.»

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Vor langer Zeit zogen Geschichtenerzähler durch die Dörfer und erzählten den Menschen die Sagen, Legen-den und Schwänke ihrer Zeit. Doch dann wurden die Geschichten auf Papier gebannt, die Dörfer mit Radiound Fernsehen versorgt und das Erzählen wurde überflüssig. Heute erlebt die mündliche Tradition ein Come-back. Und mit ihr auch die Träger und Bewahrer des gesprochenen Wortes: die Geschichtenerzähler.

GeschichtenWenn die Luft vor Spannung knistert

VON CORINA BOSSHARD (TEXT) UND MARVIN ZILM (BILDER)

Da sitzen sie, die Zürcher, an diesem Herbstabend, auf Kissen undDecken, im Schneidersitz oder aneinander gelehnt, in der Frauenbadiund nippen gedankenversunken an Rotwein und Bier. Den Blick habensie konzentriert auf den Mann im schwarzen Anzug, wildem Haar undweissem Bart gerichtet, der vorne auf dem Podium sitzt. Der Mann, dersich Timmermahn nennt, erzählt ihnen eine Geschichte. Seine sonoreBassstimme füllt das Seebad. Seine krausen Wortschöpfungen und Laut-malereien ziehen das Publikum in ihren Bann. Es ist, als ob die Prota-gonisten seiner Geschichte zum Leben erwachen, vom Papier aufstehenund durch das Publikum spazieren würden.

Das «Märli am See» im Seebad Enge erfreut sich regen Zulaufs. Mär-chen- und Geschichtenerzähler sind angesagter denn je, erleben gera-dezu eine Renaissance. Heute macht man es modern, etwas aufgepeppt,an hippen bis schrägen Orten: in der Frauenbadi eben, in Clubs wie demKaufleuten oder dem Mascotte. Und es zieht. Eine schon fast in Verges-senheit geratene Kunst erlebt ein Comeback.

«Ich kann mir diese Faszination eigentlich nicht so richtig erklären.Wie ich mir auch nicht erklären kann, weshalb die Leute meine Bilderkaufen», gesteht Timmermahn und fährt sich mit der Hand durch denBart. Timmermahn lebt vom Verkauf seiner Bilder. Nicht nur Kunstma-ler, auch Geschichtenerzähler ist er aus Leidenschaft. Er sei eben ein Fa-bulierer, erzähle Geschichten, seit er denken könne. «Wir leben von derSpontaneität, dem Moment und der Unwiederbringlichkeit dessen, waswir erzählen. Ich denke, Geschichtenerzählen berührt die Leute, weil esso etwas Ursprüngliches hat. Die Menschen haben sich schon immerStorys erzählt.»

Wer weiss, an welchem Feuer auf welchem Kontinent die Menschendie Langeweile entdeckten und einen Weg zu ihrer Vertreibung fanden,indem sie ihre Erlebnisse und Erfahrungen re-flektierten, ihnen einen Rahmen gaben, dasLustige, Lehrreiche, Frivole oder Dramatischedaran hervorgehoben und Reales mit ihrer Fan-tasie verflochten hatten. Früher wurde zu je-dem denkbaren Anlass erzählt: an dunklen Winterabenden, währendeintöniger Arbeiten oder auf langen Wegen zur Arbeit. Erzählung undGesang wechselten ab, griffen ineinander. Es waren immer nur einigewenige, die offensichtlich so etwas wie Talent zum Erzählen besassen.Sie hatten je nach Temperament, Begabung und Interesse ihr eigenes Repertoire und waren für ihre Kunst berühmt-berüchtigt. Das gespro-chene Wort kannte damals keinen Besitzer, die Geschichten wurdenweitergegeben, wanderten von Mund zu Mund, befanden sich in einemsteten Wandlungsprozess.

Intim wie auf der BettkanteMit dem technischen Fortschritt fing man an, Geschichten zu kon-

servieren; sie in Bücher, auf Tonträger und Zelluloid zu bannen. Im 18.und 19. Jahrhundert gab es sammelwütige Volkskundler wie die BrüderGrimm, die in den damals überall erzählten Geschichten und Sagen ein

Kulturgut entdeckten. Vor lauter Anstrengung, die Geschichten durchdas Aufschreiben vor dem Vergessen zu bewahren, geriet die ursprüng-liche Situation, in der sie erzählt wurden, zunehmend in Vergessenheit.Im 20. Jahrhundert folgten Film und Radio und bald darauf das Fernse-hen. Mit der «Gilde der Schweizer Geschichtenerzähler» war es damitendgültig vorbei. 1920 legte der letzte Schweizer Meistererzähler – einWanderschuster namens Barba Plasch aus dem Engadin, wo das Erzäh-len eine lange Tradition hatte – seine Kunst nieder und wurde aufs Al-ter hin Bauer.

Jürg Steigmeier steht an einem Abend im Herbst 2010 unter einer Lin-de in Zug. Um ihn hat sich im Kreis ein Grüppchen geschart. Steigmeiersitzt der Schalk nicht nur im Nacken, er funkelt den Zuhörern regelrechtaus seinen dunklen Augen entgegen. Er erzählt ihnen vom Lindwurm,von der Schlangenkönigin und von Vrenelis Gärtli. Vom Glauben derBergvölker, dass die Menschenseelen nach dem Tod in den Gletscherwandern und die Hebammen die Neugeborenen wieder aus den Glet-scherspalten holen. Und von Frau Holle, die in kalten Winternächtenmit ihrer Schar toter und ungeborener Kinderseelen von den Bergen hin-unter in die Täler zieht. Dabei stampft er, dann fuchtelt er mit den Ar-men, reisst eine Fratze, singt wieder ein paar Zeilen, verändert innert Se-kundenbruchteilen seinen Gesichtsausdruck, wird ernst, setzt sich hinund fixiert einen seiner Zuhörer, als spreche er nur zu ihm.

«Geschichten schleifen sich durchs Erzählen ab, sie werden runder,wie Kieselsteine in einem Fluss», sagt Steigmeier. «Bei meinen Ge-schichten glaubt man mir schon fast wieder, dass sie mir einmal münd-lich überliefert wurden.» Der gelernte Kindergärtner ist zurzeit der ein-zige professionelle Geschichtenerzähler der Deutschschweiz. Er erzähltschon seit gut 15 Jahren und hat sich ein Repertoire von über hundertalten, fast vergessenen Schweizer Sagen, Legenden und Märchen erar-beitet. Er betreibt Recherche, wühlt in Büchern aus dem Brockenhaus

nach Material, übersetzt die Geschichten vom Schriftdeutschen insSchweizerdeutsche, übt und repetiert sie mehrere Stunden am Tag. «Icherzähle den Menschen gerne Geschichten, die ihnen ihre Wurzeln auf-zeigen; Wurzeln, die auch der modernste Mensch noch in sich trägt.Diese Geschichten leben in uns drin, über Generationen wurden sieweitergegeben. Ob wir sie kennen oder nicht, wir fühlen sie.» Und nacheiner kurzen Denkpause fügt er hinzu: «Diese Geschichten bringst dueinfach zum Klingen in den Leuten drin. Manchen schlägst du richtig-gehend ein Loch in die Kindheit.»

Geschichten zu hören, ist ganz anders als alle modernen Formen desEntertainments. Für einmal sind da keine Buchstaben und keine Lein-wand, keine Mattscheibe, kein Lautsprecher und kein Touchscreen. Daist ein lebendiges Gegenüber aus Fleisch und Blut, das uns volle Auf-merksamkeit abverlangt, geradezu eine Reaktion von uns fordert unduns eine menschliche Urfähigkeit entfalten lässt, die in der heutigen Me-

Unter den «Märlionkel» sind die Geschichtenerzähler,was die Jazzer unter den klassischen Musikern sind.

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Timmermahn: «Wir leben von der Spontaneität, dem Moment und der Unwiederbringlichkeit dessen, was wir erzählen.»

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dienflut oft wenig Nahrung findet: die Fantasie. Ein durch und durch in-times Medium. Als ob wieder jemand bei uns auf der Bettkante sitzenwürde. Manche Zuhörer seien emotional überfordert, denken «Scheisse,der erzählt mir jetzt wirklich ein Märli» und kämen aus dem verlegenenKichern nicht mehr raus, erzählt Steigmeier.

Eine eigene KunstformAls «Märlionkel» will Steigmeier auf keinen Fall bezeichnet werden.

«Märlionkel oder -tanten sind für mich Leute, die mit Leidenschaft denMärchenschatz der Brüder Grimm pflegen», erklärt er. «Und – jetztkommt es – sie erzählen dabei nicht ‹ihre› Version des Märchens, son-dern lernen die Grimmsche Fassung Wort für Wort auswendig und ge-ben sie genau so wieder.» Nur so kommt ihrer Meinung nach der reineund wahre Gehalt der Märchen zum Tragen. Die Grimm-Anhänger sindüberzeugt, dass Märchen stets einen stark psychologischen Gehalt ha-ben, dass sie Abbilder menschlichen Fühlens und Erlebens sind. Um aufdie «Wahrheit, Weisheit und Schönheit» des Märchengutes aufmerksamzu machen und um die Märchenforschung zu fördern, haben diese Leu-te bereits 1956 ihren Verein gegründet: die Europäische Märchengesell-schaft, 1993 folgte der Schweizer Ableger, die Schweizer Märchen-gesellschaft (SMG). Die SMG hat heute mehr als 400 Mitglieder, vomAkademiker bis zum Praktiker. In diesen Kreisen trifft man sich zu Mär-chen-Tagungen, Märchen-Kongressen und man lässt sich in Seminarenzum professionellen Märchenerzähler ausbilden. Vor allem von Frauenwird dieses Angebot heute rege genutzt. «Die anthroposophische bis mi-litante Grimm-Ecke», spöttelt Steigmeier. Ihr Stil widerspricht dem sei-nen und wohl auch dem historischen Bild des Geschichtenerzählers.Unter den «Märlionkeln» sind die Geschichtenerzähler, was die Jazzerunter den klassischen Musikern sind.

Ein Geschichtenerzähler liest nicht und er rezitiert nicht. Erzählenheisst, eine Geschichte ins Leben rufen, zwar ohne Bühnenbild oder Re-quisiten, dafür mit allen Möglichkeiten von Stimme, Mimik und Gestik.Und es heisst: Auf den Moment und das Gegenüber zugehen, reagieren

können. «Wir sagen immer, wir machen keine Lesung, aber wir machenauch kein Theater, wir proklamieren die dritte Linie, das Erzählen da-zwischen. Dieses wollen wir als eigene Kunstform verstanden wissen.»

In der Deutschschweiz steht Steigmeier mit dieser Kunstform relativeinsam da. Anders sieht es bei seinen Kollegen im Ausland aus: InDeutschland gibt es bereits mehrere professionelle Erzähler und vieleErzählfestivals. In Grossbritannien ist die Storytelling-Szene seit den80er-Jahren eine starke und wachsende Untergrundbewegung. Die grösste Erzählszene in Europa aber besitzt Frankreich. Dort ist das Er-zählen eine vom Staat anerkannte und geförderte Kunstform und erleb-te in den letzten 20 Jahren eine regelrechte Blüte. Das hat vermutlichauch mit den nordafrikanischen Immigranten zu tun, welche ihre Er-zählkultur, die sich in ihrer Heimat noch länger erhalten hat, im Gepäckmit nach Frankreich brachten.

Storytelling als MarketinginstrumentEs verwundert daher nicht, dass auch die Schweizer Erzählszene en-

net dem Röstigraben aktiver ist. Neben verschiedenen Erzählfestivals gibtes in Fribourg seit einigen Jahren sogar ein «Storyteller Museum», dessenMission es ist, das Geschichtenerzählen zu fördern und zu verbreiten.«Ein völlig neues Museumskonzept, ein Museum, das Geschichten er-zählt», erklärt Direktor André Dembinski. Das Museum biete eine multi-disziplinäre Plattform für Wissenschaftler und Forscher – von Ethnologenbis zu Historikern und Sprachforschern –, aber auch für Praktiker, diesich mit dem Erzählen oder der «oralen Tradition», wie Dembinski sichausdrückt, befassen. Ziel des Museums sei es, eine Verbindung zu schaf-fen zwischen der Kunst des Erzählens, den wissenschaftlichen For-schungsansätzen zur oralen Tradition und der breiten Öffentlichkeit. Da-zu organisiert das Museum Ausstellungen in Einkaufspassagen, Ateliersund das grösste Erzählfestival der Schweiz, «Il était une fois».

Nicht nur in den Kulturwissenschaften ist die Wiederentdeckung derErzählkunst ein Thema. In den 80er-Jahren entwickelte sich das Erzäh-len in der pädagogischen Szene zu einem Renner und auch in derPsychotherapie wird auf die Methode zurückgegriffen. Und inzwischenhat selbst die Wirtschaft die Lunte gerochen und entdeckt, dass sich Ge-schichten prima eignen, um in die Köpfe und Herzen der Kundschaft zugelangen. Spannende Geschichten bleiben besser im Gedächtnis alstrockene Zahlen und Fakten. Wer Geschichten über Erfolge und Gewin-ne erzählt, gewinnt Mitarbeiter und Kunden. Storytelling heisst das Zau-berwort heute – im Wissensmanagement, in der Organisationsentwick-lung, im Marketing, im Branding.

Da stehen sie nun, die Geschichtenerzähler, im Angesicht der Füllevon historisch idealisierenden, volkskundlichen oder pseudowissen-schaftlichen Auffassungen ihres Metiers: Bewahrer immateriellen Kul-turgutes, Grenzgänger zwischen Kunst und Alltag, zwischen Lesungund Theater, anthroposophisch angehauchte Märlifreaks, Vorbilder dermodernen Unternehmenskommunikation, Gegenspieler der auf Schrift-lichkeit fixierten Kommunikationsgesellschaft. Vielleicht bringt sie gera-de die Menge dieser unterschiedlichen Auffassungen dazu, das Erzäh-len als das zu beschreiben, was es eigentlich immer nur war und auchin Zukunft bleiben wird: eine kulturelle Tätigkeit zwischen ein paarMenschen, die zu nichts mehr dienen soll als zum Vergnügen.

«Ich finde Lachen ja nach wie vor etwas ungemein Lustiges», gestehtTimmermahn. «Ich erzähle daher einfach gern lustige Geschichten undfinds schön, wenn ich die Leute zum Lachen bringe.» Steigmeier siehtdas ähnlich: «Wenn ich ihnen einen Schauer über den Rücken jage,wenn die Luft vor Spannung knistert, wenn ich sehe, dass die Vorder-sten Tränen in den Augen haben, dann sind das magische Momente.Dann weiss ich: Ich mache meine Arbeit gut.» ■

Weitere Informationen: www.erzaehler.ch,

timmermahn.ch und storytellermuseum.com.

Dieser Artikel erschien ursprünglich im Kinki Magazine.

Jürg Steigmeier versteht das Erzählen als Kunstform.

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Gleiche Rechte und offene Grenzen für alle Landwirtschaftsprodukte klingt besser als dieherrschende Benachteiligung der Entwicklungsländer. Doch würden Agrarproduzenten imSüden wirklich profitieren? Und was hiesse das für die Schweizer Landwirtschaft? Ein Blickin die unsichere Zukunft des Bauernstands.

LandwirtschaftBauern ohne Grenzen

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VON STEFAN MICHEL

Es war einmal die Diskussion über die Ursachen der Armut in Ent-wicklungsländern. Es war eine Diskussion zwischen links und rechts,zwischen Freund und Feind der freien Marktwirtschaft. Der Markt ma-che die Menschen im Süden arm, behaupteten die einen. Zu wenigMarkt sei der Grund für ihre Not, sagten die anderen. Heute hat auchdie Linke – zumindest in der Entwicklungspolitik – den Markt alsGrundlage akzeptiert, auf der sich Menschen im Süden ein besseres Le-ben erarbeiten könnten. Und es streiten sich längst nicht mehr nur zweiLager, welches das richtige Rezept sei.

Die am meisten gehörte Forderung der letzten Jahre ist die der «gleichlangen Spiesse». Gemeint ist, dass alle Menschen zu den gleichen Be-dingungen am Weltmarkt teilnehmen können sollen. Zölle und Subven-tionen sorgen dafür, dass das heute nicht der Fall ist. Mit Zöllen kannein Staat ein ausländisches Produkt teurer machen, als es eigentlich ist – vor allem teurer als das inländische. Umgekehrt verbilligen Sub-ventionen die Güter aus dem eigenen Land gegenüber den importierten.

Mit der Diskussion über Zölle und Subventionen kommt der Kampfgegen die Armut in den reichen Ländern an, denn viele von ihnen sub-ventionieren ihre Industrie und besonders die Landwirtschaft und ver-schaffen ihr so einen Vorteil, den die Konkurrenz aus armen Ländern niewettmachen kann. Sei es, weil sie sich teure Subventionen nicht leistenkann oder weil ihr als Bedingung für überlebenswichtige Kredite vonder Weltbank oder dem Internationalen Währungsfonds verboten wur-de, ihren Markt zu schützen.

SOS: Schweiz ohne SubventionenEs geht in dieser Diskussion nicht nur um die Landwirtschaft, doch

sie steht im Zentrum. In den armen Ländern lebt die Mehrheit vom Be-bauen des Bodens, sei es als Selbstversorger, Kleinproduzentinnen oderPlantagenarbeiter. Die Landwirtschaft trägt zudem zur Ernährung derBevölkerung bei. Zumindest wenn die Erntengut ausfallen, versorgen sich viele arme Län-der noch immer selber. Andere haben sich aufExportgüter spezialisiert, zum Beispiel aufBaumwolle oder Kakao. Das ist ökonomischsinnvoll, wenn sie mit Kakao mehr Geld einnehmen, als der Reis kostet,den sie einführen müssen. Wenn jedoch die Weltmarktpreise für dieGrundnahrungsmittel steigen, während die Exportpreise konstant blei-ben, dann haben sie ein Problem. So geschehen 2008, als in vielen Län-dern Unruhen ausbrachen, weil Lebensmittel knapp wurden. Allerdingsgerieten damals nicht nur Nettoimporteure von Nahrungsmitteln inSchwierigkeiten.

Wie viel ungleiche Handelsregeln zu dieser Situation beigetragen ha-ben, ist umstritten. Doch selbst wenn handelspolitisch Gleichheit zwi-schen Nord und Süd herrschte, hätten arme Staaten grössere Schwierig-keiten als reiche, die nötige Nahrung einzuführen.

Die radikale Lösung zum weltweiten Ausgleich ist: Weder Industrienoch Landwirtschaft werden staatlich subventioniert, Importbeschrän-kungen sind verboten und Zölle dürfen nicht so hoch sein, dass sie sichauf die Marktchancen der verschiedenen Anbieter auswirken. SandraHelfenstein vom Schweizerischen Bauernverband (SBV) weiss, was dasheissen würde: «Dann herrscht knallharter internationaler Wettbe-werb.» Von den aktuell noch rund 60 000 Schweizer Betrieben würdenwenige Tausend übrigbleiben, schätzt die SBV-Sprecherin. «Diese wür-den wahrscheinlich Milch für ein paar Käsefabriken produzieren, mög-lichst in der Nähe der Autobahn, damit sie leicht abtransportiert werdenkann.» Landwirtschaft in Berggebieten gäbe es keine mehr. Auch diewachsende Biolandwirtschaft würde ohne Direktzahlungen auf einenBruchteil schrumpfen. Gemüse und Früchte aus der Schweiz wüchsenentweder in Freizeitgärten oder wären ein reines Luxusprodukt. Helfen-stein: «Was würde aus all den Vorschriften und Normen, welche die

Schweizer Landwirte heute einhalten müssen und die zehn bis 20 Pro-zent des Preises ausmachen?» Es wäre dann schwierig, Schweizer Pro-duzenten Stallgrössen und Düngemittel vorzuschreiben, die für die aus-ländische Konkurrenz nicht gelten, während diese ohne Schranken denSchweizer Markt erobern dürfte. «Unter gelockerten Vorschriften wür-den vielleicht ein paar ins Geschäft zurückkehren.» Zum Wohl von Tie-ren und Umwelt wäre das sicher nicht, genauso wenig wie die nochgrössere Warenmenge, die in die Schweiz transportiert werden müsste.

Zwar hat sich der Schweizer Agrarsektor in den letzten zwei Jahr-zehnten gewandelt. Weg von der subventionierten Überproduktion inRichtung einer nachhaltigeren Landwirtschaft mit mehr Direktzahlun-gen für Nebenleistungen wie Landschaftspflege und Erhaltung der de-zentralen Besiedlung. Auch mehr Wettbewerbsfähigkeit wird denSchweizer Bauern abverlangt, was nichts daran ändert, dass sie zu dengeschütztesten der Welt gehören. Subventionen und Direktzahlungenmachen rund die Hälfte ihres Einkommens aus und auch bei der selbsterwirtschafteten Hälfte profitieren die einheimischen Landwirte davon,dass die ausländische Konkurrenz – vor allem industriell produzierteMassenware – mit Zöllen und Importquoten zurückgebunden wird.

Macht Freihandel frei?«Eine wettbewerbsfähige Schweizer Landwirtschaft mit entspre-

chend tieferen Subventionen ist ein Fernziel. Es braucht viel Zeit, es zuerreichen», erklärt Jan Atteslander von Economiesuisse. Den Kahlschlagwill er nicht riskieren, fordert stattdessen, dass sich die hiesigen Land-wirte auf exportfähige Qualitätsprodukte spezialisieren. «Da gibt es vielmehr als Käse: regionale Spezialitäten, Bio-Weine. Je mehr der Wohl-stand wächst, etwa in China und Indien, desto grösser wird die Nach-frage nach solchen Gütern», ist der Aussenhandelsexperte überzeugt.Dass die stark abgeschirmte und staatlich unterstützte Schweizer Land-wirtschaft international nicht kritisiert wird, wie das etwa den USA undder EU widerfährt, liegt daran, dass sie die Weltmarktpreise nicht merk-

lich beeinflusst. Zu klein sind die Mengen, die sie exportiert, und so-lange Schweizer Produkte keine Preise drücken, sondern eine teure Al-ternative sind, stören sich die Massenproduzenten nicht daran.

«Warum sollen arme Staaten im Süden nicht das gleiche Recht ha-ben, ihre Landwirtschaft zu schützen und ihren Ernährungssektor so zugestalten, wie sie es für richtig halten?», fragt Thomas Braunschweigvon der Erklärung von Bern (EvB) rhetorisch. Gleich lange Spiesse hälter für unerreichbar. «Die Kleinbäuerin aus Mali kann nie mit der indus-triellen Landwirtschaft des Nordens mithalten. Aber für die Ernährungin ihrem Land ist sie wichtig.» Atteslander von Economiesuisse wider-spricht: «In den letzten Jahrhunderten stieg die globale Arbeitsteilungstark und die Versorgung mit Agrargütern verbesserte sich massiv. Dieärmeren Entwicklungsländer müssten die Handelsschranken unterei-nander reduzieren.»

Einig sind sich die Ökonomen darin, dass Exportsubventionen abge-schafft gehören. Und selbst die Bauernvertreterin Sandra Helfensteinpflichtet bei. Auch in den steckengebliebenen Verhandlungen der Doha-Entwicklungsagenda der WTO wurde das Verbot dieser unfairen Politikbeschlossen. Solange aber in anderen Punkten keine Einigkeit herrscht,bleibt das toter Buchstabe und die USA und die EU subventionieren ihre Agrarindustrie weiterhin massiv – zum Schaden von Getreide,Baumwoll- und Geflügelproduzenten in Afrika und Asien, um nur we-nige Beispiele zu nennen.

Dass der Abschluss dieser Vertragsverhandlungen in weite Ferne ge-rückt ist, liegt daran, dass die Entwicklungs- und Schwellenländer ihreZugeständnisse bezüglich der Öffnung ihrer Märkte noch kaum mit

Solange Schweizer Produkte eine teure Alternativesind, stören sich die Massenproduzenten nicht daran.

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zählbaren Gegenleistungen der reichen Staaten belohnt sahen. Braun-schweig von der EvB und Helfenstein vom SBV plädieren denn auch füreine komplette Neuverhandlung des Dossiers, während Atteslander vonEconomiesuisse den raschen Abschluss der Doha-Runde für das Bestehält, was den armen Staaten passieren könnte. «Handel kann in Situa-tionen der Nahrungsknappheit Leben retten», folgert er aus der Ge-schichte von Missernten und Nahrungskrisen.

Freihandel mit Landwirtschaftsgütern werde die Armut in den Ent-wicklungsländern nicht reduzieren, erklärt Matthias Binswanger in seinem Buch «Globalisierung und Landwirtschaft. Mehr Wohlstanddurch weniger Freihandel». Der Professor für Volkswirtschaft der Fach-hochschule Nordwestschweiz und Privatdozent der nicht eben freihan-delsfeindlichen Universität St. Gallen meint, dass von ungeschütztenAgrarmärkten nur wenige Grossbetriebe und internationale Konzerne

profitieren würden, mit denen die Kleinbauern nicht mithalten könnten.In den Ländern des Südens, in denen letztere die Mehrheit stellen, ver-grössere sich so die Armut, denn kein anderer Wirtschaftsbereich kön-ne dort Millionen von Arbeitskräften aufnehmen.

Die Schweizer Landwirtschaft braucht sich vor offenen Grenzennicht allzu sehr zu fürchten. Der Verfassungsartikel 104 verpflichtetden Bund, dafür zu sorgen, dass die Bauern ihre Arbeit tun können. Zu der gehören neben dem Beitrag zur Versorgung der Bevölkerung der Landschaftsschutz und die dezentrale Besiedlung des Landes. So werden sie zwar mehr und mehr zu staatlich entlöhnten Landschafts-gärtnern, die nebenher Milch, Fleisch, Getreide oder Grünzeug produ-zieren. Doch jene Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten, diegerne lokal und saisongerecht einkaufen, sind ihnen dankbar, dass siedas weiterhin tun.

INTERVIEW: STEFAN MICHEL

Geert van Dok, nirgends werden so vieleFairtrade-Produkte gekauft wie in derSchweiz. Welchen Einfluss haben wir da-mit auf die Armut in Entwicklungsländern?Ich antworte zuerst quantitativ: 2009 bedeute-ten die Schweizer Fairtrade-Einkäufe für Klein-bauern einen Mehrwert von neun Millionen

Franken. Weltweit brachte das Fairtrade-System 3,5 Milliarden Euro inden Süden. Davon profitierten rund 1,2 Millio-nen Kleinbauern, ihre Familien eingerechnetsind es etwa sieben Millionen Menschen. Ge-messen an der Anzahl Armer auf der Welt istdas ein Tropfen auf den heissen Stein. Vielwichtiger aber ist die qualitative Verbesserung, die Tatsache, dass sichKleinbauern in Kooperativen organisieren, als Verhandlungspartner auf-treten und in demokratischen Prozessen Entscheidungen fällen. DiesesEmpowerment, dieser Gewinn an Autonomie, hat auch eine Ausstrah-lung auf andere.

Fairtrade-Produkte decken nur einen kleinen Teil der Exporte ausdem Süden ab. Soll man deshalb auch konventionell Produziertesaus dem Süden kaufen, um den Menschen dort zu einem besse-ren Einkommen zu verhelfen?Natürlich sind alle Kleinbauern und Plantagenarbeiter auf Verkäufe an-gewiesen. Aber beispielsweise den Arbeitern auf Kakaoplantagen in Côte d’Ivoire – viele sind Kinder – tut man angesichts ihrer Arbeitsbe-dingungen nichts Gutes, wenn man daraus hergestellte Schokoladekauft. Wichtig ist aber nicht, etwas nicht mehr zu kaufen, sondern dieProduktions- und Handelsbeziehungen zu verbessern. Der faire Handelzeigt, dass es auch anders geht, ohne dass die Preise massiv ansteigen.Das ganze Welthandelsgebilde muss entwicklungsfreundlich gestaltetwerden.

Statt Fairtrade-Früchte und -Gemüse zu kaufen, könnte man sichauch an Schweizer Äpfel und Birnen halten. Was ist sinnvoller?

Es ist legitim, Äpfel und Birnen zu essen statt Bananen. Wenn man nurlokale Produkte kauft, trinkt man aber auch keinen Kaffee und keinenSchwarztee mehr. Für mich sind beide Positionen nachvollziehbar.Wenn man Südprodukte kauft, dann aus fairem Handel. Rein ökologischbetrachtet, sieht die Rechnung allerdings wieder anders aus.

Denken Fairtrade-Importeure auch an Schweizer Produzenten,wenn sie neue Produkte aus dem Süden in die Schweiz einführen?Wir haben immer bereits erhältliche Südprodukte durch solche aus fai-rem Handel ersetzt. Schweizer Produkte werden dadurch kaum kon-

kurrenziert – ausser vielleicht beim Honig. Aber was in der Schweiz anHonig hergestellt wird, lässt sich verkaufen und deckt den gesamten Ho-nigkonsum bei Weitem nicht. Auch der in Europa produzierte Reis wür-de nicht reichen. Vom Bauernverband ist der faire Handel jedenfallsnoch nie kritisiert worden. Würden wir Äpfel aus Westafrika oder an-dere typische Schweizer Produkte aus dem Süden anbieten, wäre daswohl anders.

Wann greifen Sie zu Schweizer Produkten, wann zum Fairtrade-Produkt aus dem Süden?Südprodukte kaufe ich nur aus fairem Handel. Wo es ein Frischproduktaus der Schweiz gibt, nehme ich das. Nur Schweizer Honig übersteigtangesichts unseres Haushalts mit vier Kindern mein Budget. Der Fair-trade-Honig ist günstiger. ■

Lokal und saisongerecht einzukaufen, ist sinnvoll. Produkte aus fairem Handel sind es ebenfalls. Ein Wider-spruch? Fairtrade-Experte und Familienvater Geert van Dok erklärt, zu was er greift.

Landwirtschaft«Fairtrade konkurrenziert keine Schweizer Produkte»

«Das ganze Welthandelsgebilde muss entwick-lungsfreundlich gestaltet werden. »

Zur Person:

Geert van Dok ist Leiter der Fachstelle Entwicklungspolitik bei Caritasund Präsident der Max Havelaar-Stiftung. Co-Autor des Buches «DieZukunft des Fairen Handels» (2008).

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Zürichs Westen boomt. Das einstige Industriequartier wandelt sich zum Trendviertel. Dochzwischen Hochhäusern und Baugruben kämpfen langjährige Anwohner um ihr Zuhause.

StadtentwicklungFortschritt durch Forttritt

Häuser sind übriggeblieben, weil sich deren Eigentümer stets gegen ei-nen Verkauf entschieden hatten. Zusammengemauert kauern sie nun imSchatten des Fortschritts, das baufälligere der beiden wird von einemmassiven Stahlträger auf dem Fundament gehalten.

Zwischen den BaulinienRund um Willi Worbers Zuhause wird eine 110 000 Quadratmeter

grosse Industriebrache in einen modernen Stadtteil mit 280 000 Qua-dratmetern Geschossfläche, 5000 Arbeitsplätzen und 1500 Anwohnernumgenutzt. «Schrittweise und mit Respekt gegenüber seiner Geschich-te», wie die Stadt Zürich auf ihrer Website glaubt. Auch die BauherrenMaag, Coop und Welti-Furrer üben sich in Wohlfühlfloskeln und Fort-schritts-Superlativen. Zusammengefasst: Hier entsteht ein Stadtteil amverkehrstechnisch besten Standort Zürichs, wo Kultur, Vergnügen undKonsum, Geschäftsleben, hochwertige Arbeitsplätze und attraktivesWohnen symbiotisch verschmelzen. Künftig pulsiert hier ein inspirie-rendes Umfeld von urbanem und innovativem Lifestyle, Business- undWohnraum für höchste Ansprüche. Im 81 Meter hohen Mobimo Towerwird nächstes Jahr das Fünf-Sterne-Hotel «Renaissance» eröffnet – wie

VON YVONNE KUNZ (TEXT) UND FLORIAN BACHMANN (BILDER)

Willi Worber geht gerne spazieren in seinem Quartier. Nicht mehrganz so gerne wie früher, denn «schön ist es ja nicht», wie er meint, under schaut ein bisschen ratlos, aber auch leise amüsiert um sich. Das dif-fuse Grau des eisigen Winternachmittags verschmelzt die umliegendeLandschaft aus Schutthügeln, rotweiss gestreiften Bauplanken, schwe-rem Gerät, provisorischen Parkplätzen und glänzenden Neubauten zueinem uninspirierten Panorama des urbanen Umbruchs. In gewissemSinne ist die Turbinenstrasse in Zürichs Westen eine exklusive Wohnla-ge – nicht jeder residiert auf einer Grossbaustelle mit einem Investi-tionsvolumen von rund einer Milliarde Franken. Seit über 40 Jahren lebter hier, in seiner ersten eigenen Wohnung, und es wäre dem 72-Jähri-gen auch ganz recht, wenn es die letzte wäre. Einst standen neun sol-cher ehemaliger Escher-Wyss-Arbeiterhäuser hier im Teilgebiet 7 desEntwicklungsareals; seit Mitte der Achtzigerjahre hat die Stadt dieseaber bis auf zwei sukzessive aufgekauft, als Studentenwohnungen, Not-schlafstellen und AIDS-Beratungsbüros zwischengenutzt und schliess-lich abgerissen, das letzte im Herbst vergangenen Jahres. Zwei der

Schöner neuer Westen: Der Prime Tower (links) und der Mobimo Tower (rechts) werfen ihre Schatten auf die verbliebenen Häuser an der Pfingstweidstrasse (Bildmitte).

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passend, das Quartier erlebt ja nichts weniger als eine Wiedergeburt. Ei-ne noble dazu: Die Appartements über dem Hotel sind zum Verkauf aus-geschrieben: 5,5 Millionen Franken kostet eine 4,5-Zimmer-Wohnung,22 500 Franken pro Quadratmeter.

Dafür, dass das Ganze nicht allzu abgehoben daherkommen wird,sorgt die Maag Holding AG mit ihrem «Maag Village», einem Paradebei-spiel der künstlichen Gemütlichkeit vom Reissbrett der Architekten undStadtplaner. Mit einer wohlbekannten Mixtur aus Ateliers, kleinen Lä-den, Dienstleistern, Gewerbetreibenden, Kulturschaffenden sowie sozi-alen Nutzungen in den Erdgeschossen wird einlebendiges, urbanes Dorf simuliert: Die Fuss-gängerebene des Maagdorfs soll dereinst einen«öffentlichen, publikumsorientierten Charak-ter» aufweisen. Und, als wäre dies ein ausser-gewöhnliches Merkmal einer Stadt, soll das Village auch ein Ort sein,der «Besucher wie Anwohner zum Bummeln, Verweilen und Erkundeneinlädt». Urbanität, Internationalität und vitales Dorfleben aufs Mal. Zürich will noch immer New York sein.

Vielleicht versperrt der Prime Tower den Blick auf das Drama, dassich an der Turbinenstrasse abspielt. Mit 126 Metern ist der Prime To-wer seit dem 7. Juli 2010 das höchste Gebäude der Schweiz, das «neueWahrzeichen von Zürich West», jubelt die Stadt. Weiter noch geht dieEigentümerin Swiss Prime Site, die sich an Superlativen labt, «neueMassstäbe» setze man «punkto Architektur, Transparenz, Ausstrahlungund technischer Perfektion». Wahrscheinlich ist der Prime Tower auchdas erste und einzige Hochhaus der Welt mit einem Untertitel: «A placein space». Und wem all das nicht reicht, dem sei versichert, dass, werhier investiert, wahren Wert wählt, «picking the real value».

Willi Worbers Zuhause ist zwischen die Baulinien geraten, 1998, alsdie Baudirektion des Kantons Zürich das neue Trassee der Turbinen-

strasse auf den Plan der schönen neuen Stadt malte. Und zwar «prak-tisch vollständig», wie das Bundesgericht bei der ersten Beurteilung desFalls festhielt, die Strasse führe durch die Wohnhäuser hindurch. Diebeiden Häuser sind zwar noch fein in Schwarz in die Pläne eingezeich-net, aber von einer dicken roten Linie überstrichen. Man hat nicht mitden Bewohnern geplant, aber auch nicht mit ihnen gerechnet. Sie set-zen sich nämlich hartnäckig zur Wehr, traten unerschrocken einen langen juristischen Leidensweg an und machen der Public-Private-Part-nership der Stadt mit den Investoren ihrerseits einen dicken roten Strich

durch die Rechnung. Nur deshalb stehen die Häuser noch, weshalb die heutige Zufahrtsstrasse s-förmig verläuft statt schnurgerade in die Baugrube von Mobimo.

Nun spielt sich hier eine Technokratenposse rund um die formaljuris-tische Zwangsenteignung ab. Es scheint wie eine bürokratische Macht-demonstration des Staats, um dem Kapitalismus eine Schneise zu schla-gen, ohne Rücksicht auf jene, die seit Jahrzehnten in diesem Quartier leben. Sie stellen sich verzweifelt-korrekt der malmenden Maschine desFortschritts entgegen – und doch scheint es, als hätten sie keine Chance.

Seit zwölf Jahren wird die geplante Turbinenstrasse gerichtlich malein paar Meter nach Osten, dann wieder wenige Meter nach Westen ver-schoben. Der Bund schützte die Häuser zunächst und ging davon aus,die Strasse sei ein Provisorium, der Kanton legte demgegenüber dar,dass «diese Annahme nicht zutrifft». Im September 2005 waren die Häu-ser gerettet, als neue Sonderbauvorschriften in Rechtskraft erwuchsen.Einen Monat später beschloss der Gemeinderat die «Abänderung,

Mal wird die geplante Strasse ein paar Meter nach Ostenverschoben, dann wieder wenige Meter nach Westen.

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Löschung beziehungsweise Neufestsetzung» der Baulinien der Turbi-nenstrasse – um mit den Baubegrenzungslinien derselben Sonderbau-vorschriften übereinzustimmen. Damit waren die Turbinenhäuser zwar«weniger stark, aber immer noch grösstenteils von den Baulinien erfasst», wie das Bundesgericht feststellte.

Willi Worber ist überaus charmant, doch hartnäckig im Verfolgen sei-ner Interessen, und steht den Technokraten diesbezüglich in nichtsnach. «Es gibt kein einziges vernünftiges Argument dafür, dass man dieTurbinenstrasse nicht auch hätte anders planen können», meint er, «um-gekehrt war dem Kanton kein Argument zuspitzfindig, um das Gegenteil zu behaupten.Hier wurde ganz einfach ein Zwang herge-stellt». Die Bewohner der Häuser und derenAnwälte versuchten immer wieder, Alternati-ven vorzuschlagen. Vier Versionen hat der Kanton schliesslich zuhan-den des Bundes ausgearbeitet, aber alle zur Ablehnung empfohlen,ausser die, die er von Anfang an wollte. Eine wurde abgelehnt, weildann die Tramrampe von der Hardbrücke keinen Platz mehr gehabt hät-te, und selbst als das Projekt 2005 gestrichen wurde, hielt der Kanton andem Argument fest. Schliesslich könnte das Rampenprojekt jederzeitwiederkommen. Andere Vorschläge wären angeblich zu teuer gewesenoder die Steigung zu stark, die Stauspur zu kurz, oder das Strassenni-veau so hoch, dass die Angestellten von Welti-Furrer nicht mehr vordem Haus hätten parkieren können.

Nistkasten mit fünf SternenSo wie die Dinge nun stehen, hat Willi Worber bald keinen Platz

mehr, um hier zu leben. Vor Kurzem haben die Raumplaner nahe derHausmauer eine grell-blaue Markierung auf den Boden gesprayt. DieBaulinie. Eine Juristin des Eidgenössischen Departements für Umwelt,

Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK), das derzeit zum zweitenMal öffentliche und private Interessen gegeneinander abwägt, sei auchgerade hier gewesen, für einen «Augenschein». Dabei erklärten ihr Ver-treter des Kantons, dass die Strasse 5000 Fahrten pro Tag zulassen müs-se und die öffentliche Hand verpflichtet sei, Strassen zu bauen, die ge-nügende Kapazität für den künftigen Verkehrsfluss gewährleisten, wasnur mit ihrem Projekt möglich sei. Aber Willi Worber kann man kein Xfür ein U vormachen: «Geht man davon aus, dass es nachts kaum Ver-kehr hat, sind das 400 Personenwagen pro Stunde, oder 100 Lastzügemit Anhänger.» Er zeigt hoch zur Pfingstweidstrasse, zur Kreuzung mitden Ampeln. «Der limitierende Faktor ist die Grünphase, die pro Fahr-spur maximal vier Autos passieren lässt. Da spielt die Kapazität derStrasse gar keine Rolle! »

Niemand nimmt das Wort «Enteignung» gerne in den Mund, denn Ei-gentum wird in diesem Land ja in Artikel 26 verfassungsrechtlich ge-währleistet. «Ultima Ratio» sei es, erklärt auch die zuständige Juristinbeim UVEK, wo der Fall derzeit als Fortsetzungsverfahren hängig ist, dadie Hauseigentümer eine weitere Beschwerdemöglichkeit ausschöpfen.Doch im Grunde genommen geht es genau darum und man wird dieLeute von der Turbinenstrasse um Grund und Boden prozessieren, bisder Enteignungsbann fällt. Denn ihre Häuser stehen im Weg des urba-nen Fortschritts und der Netzvollendung der Nationalstrassen. «Wir haben einfach keinen Platz mehr», konstatiert Willi Worber. Eine Nach-barin kommt vom Einkaufen zurück, eine der Hauseigentümerinnen, inderen gepflegtem Garten in der wärmeren Jahreszeit noch immer dieRosen blühen. Mit der Presse rede sie nicht, sie sei eh schon berüchtigt,«Ah, Sie sind das», sagen die Bauarbeiter manchmal. Mit Nachbar Wor-ber schwatzt sie aber gerne. Sie schmunzelt darüber, dass ihr bei denBegehungen kein Mineralwasser mehr angeboten wird. Und über dengeplanten Park, wo auch die Natur rechtwinklig sein müsse. Besonderslustig findet Worbers Nachbarin, dass sie auf dem Fünf-Sterne-Hotel einen Nistkasten für Vögel einrichten wollen.

Ein Nagelhaus «made in Zurich»Im Herbst letzten Jahres lehnte das Zürcher Stimmvolk die Errichtung

des sogenannten Nagelhauses unter der Hardbrücke ab. Ein «Symbol undDenkmal» hätte es werden sollen, ein «architektonisch-künstlerischesManifest gegen oder für den Wandel», eine «Artikulation von Prozessender urbanen Transformation». Ein Ort, der die «rohen Kräfte der Verän-derung» anmahne. Im boomenden Zürich West hätte das Nagelhaus vonCongqing in China nachgebaut werden sollen, das international viel Be-achtung und Bewunderung ausgelöst hatte. Weil sich dessen Bewohner

zwei Jahre lang weigerten, ihr Zuhause zugunsten eines Einkaufszen-trums aufzugeben, stand es zuletzt einsam inmitten einer gigantischenBaugrube auf einem Erdturm und wurde zum Symbol des Widerstandesdes kleinen Bürgers gegen die Interessen des grossen Kapitals.

Tatsächlich drückte das geplante Nagelhaus in Zürich nicht Wider-stand aus, sondern Kapitulation vor der letzten Ideologie, die des freienMarkts nämlich, der selbst Widerstände als Affirmationen einzuverlei-ben vermag. Ein importiertes Widerstandssymbol «made in China» alsRestaurant, Kiosk, Toilette und Bankomat unter eine Stadtautobahn-brücke zu stellen, wäre keine Kunst gewesen, sondern ein Meilensteinin der Errichtung eines spassigen Funktions-Disneylands.

Das Zürcher Stimmvolk sagte Nein zum chinesischen Nagelhaus.Vielleicht könnte man jetzt mit der Planung einer Kopie des wahren Zür-cher Nagelhauses an der Turbinenstrasse beginnen. An der Hausmauerwürde ein denkwürdiger Satz von Willi Worbers Nachbarin stehen: «Vögel kriegen Sie bei uns umsonst.» ■

Man wird die Leute von der Turbinenstrasse in Grund undBoden prozessieren, bis der Enteignungsbann fällt.

Willi Worber: «Wir haben einfach keinen Platz mehr.»

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CREDIT: BAUGESCHICHTLICHES ARCHIV ZÜRICH

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1946 und 2010: Das Haus rechts im kleinem Bild wurde abgerissen. Das Nachbargebäude stützt ein Stahlträger.

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wohlausgeruht, ausgewogen ernährt und unverkatert in den Januarstarte. Auch wem aus sentimentalen, religiösen oder familiären Grün-den an Weihnachten liegt, ist deshalb ja nicht verpflichtet, zu fressenund zu saufen, bis die Nähte platzen. Oder sich Wochen und Monateim Voraus durch den von der Geschenkindustrie produzierten Müll inden Einkaufstempeln zu kämpfen. Man kann sich schliesslich auf Ge-schenke beschränken, die man im Januar brauchen kann, als da sind:Bücher, Filme und warme Kleidung.

Gerade letztere führt erstaunlicherweise immer noch ein Schatten-dasein, man möchte mitunter meinen, ihre Erfindung sei ein gut gehü-tetes Geheimnis, nur einem kleinen Kreis von Eingeweihten bekannt.Ein Mensch, der im August mit Pelzmütze, Daunenjacke und Lamm-fellstiefeln unterwegs wäre und sich über die Hitze beklagte, würde zu

VON STEPHAN PÖRTNER (TEXT) UND MILENA SCHÄRER (ILLUSTRATION)

Gäbe es so etwas wie ein Monatsranking, wäre klar, wer dasSchlusslicht abbekäme: Der Januar. Kein Monat ist unbeliebter, niewird mehr gejammert. Januarloch und Tristesse überall. Doch hat er eswirklich verdient, der Januar, derart gescholten und verachtet zu wer-den? Ganz und gar nicht. Er kann erstens nichts dafür und ist zweitensbesser als sein Ruf. Ein Teil des Januarblues beruht auf den Aus-schweifungen des beliebten Dezembers, namentlich auf den Weih-nachts- und Sylvesterexzessen, die Jahr für Jahr begangen werden.Nicht, dass ich etwas dagegen hätte, auch wenn ich diese Daten seitJahrzehnten ignoriere und als ganz normale Tage bei Garten- oderSchreibarbeiten im Süden Frankreichs verbringe und deshalb stets

JahresbeginnIm Januarhoch

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Recht nur Unverständnis und Spott ernten. Anders verhält es sich mitLeuten, die im Januar mit Turnschuhen, Sommerjäckchen und weit ge-öffneten Blusen oder Hemden herumlaufen und klagen, es sei ihnenkalt. Sie ernten Mitgefühl, Verständnis und Zustimmung.

Damit es nicht heisst, man hätte es nicht gewusst: Der Januar ist einWintermonat. Die Wintermonate sind in unseren Breitengraden kalt.Gegen Kälte helfen warme Kleidung, warme Getränke und die diversenSegnungen der modernen und traditionellen Heiztechnik.

Die Annahme, dass kalt schlecht und warm gut sei, hat mir nie ein-geleuchtet. Letztes Jahr bin ich um die Welt gereist und habe michmeist in warmen bis heissen Zonen aufgehalten. Das Einzige, was ichvermisste, waren ab und zu mal Schnee und Kälte. Auf Reisen gelangtman mitunter auch dorthin, wo sich die Kältemuffel zusammenrotten:An den Strand. Womit der Januar schon den ersten Punkt holt, dennein Gutteil dieser Sonnenanbeter flieht im Jänner in wärmere Gefildeund kann denen, die hierbleiben, nicht auf den Wecker gehen.

Allen, die sich keine grossen Reisen leisten können, sei versichert:Ob Kalifornien, Florida, Mexiko, Thailand oder gar Südindien – amStrand ist es überall gleich. Gleich öd. Weil es so öd ist, versucht mansich mit in der Hitze schädlicher Körperertüchtigung und gesteigertemPaarungsverhalten die Zeit zu vertreiben. Esbraucht eine Menge Alkohol, Sex und Drogen,um es erträglich zu machen. In diesem My-thos vom tropischen Paradies, der in denAgentenromanen und -filmen der 1950er-Jah-re erfunden wurde, freut man sich dann tagtäglich über die Tempera-tur. Heute: heiss. Gestern: heiss. Vorgestern: heiss. Immer: heiss. Dasberichtet man stolz nach Hause, wo wir, die wir Menschen und keineEchsen sind, so tun, als seien wir neidisch, auf dass diese Tölpel mög-lichst lange in der Ferne bleiben und wir den Januar würdig begehenkönnen.

Gewiss sind die Tage kurz, aber es ist wie mit dem halbvollen Glasreine Ansichtssache. Genaugenommen sind die Nächte lang. Lang undunbeschwert, denn die ganzen Feierlichkeiten sind vorbei, die Kon-zertsäle und Theater bleiben geschlossen. Man hat also endlich einmalZeit. Zeit ist Geld und viele haben im Januar kein Geld, aber werbraucht das schon, wenn er Zeit hat? Zeit, endlich all die guten, dicken Bücher zu lesen, die entweder zu Hause herumliegen oder in Bibliotheken und Brockenhäusern für fast nichts zu haben sind. JedenWinter ein Klassiker. Einer über tausend Seiten. Das Tolstoi-Jahr istzwar gerade vorbei, trotzdem wäre es doch eine gute Gelegenheit, end-lich Krieg und Frieden zu lesen. Wenn man dann aus dem Roman auf-taucht, aus einer fernen Zeit und einem fremden Land, ist der Januarvorbei, man ist ausgeruht, unterhalten und zufrieden. Wer nicht lesenwill, kann hören.

Im Internet findet man auf den Homepages der einschlägigen Radiostationen eine Menge alter und neuer Hörspiele, daneben gibt esPodcasts ohne Ende. Man kann sich zum Beispiel Vorlesungen einesganzen Semesters theoretischer Physik der Universität Berkeley anhö-ren. Oder Sprachkurse herunterladen. So dass man bei der Hausarbeitoder beim Dösen auf dem Sofa mehr Neues lernt als im verflossenenJahr.

Schliesslich gilt es, die Filme oder Serien, die man zu Weihnachtenbekommen hat, hinunterzufräsen, wer bei Anbruch der Dunkelheit be-ginnt, kommt bis Mitternacht ganz schön weit (und zwischendurchkann man die Leute aus der Adressliste löschen, die einem weder Bücher noch Filme oder warme Kleidung schenken).

Gerne trinkt man zum Buch oder zum Film ein heisses Getränk. Da-zu hat man das Jahr über Kräuter angepflanzt, die nun ihre Wirkungentfalten. Wer das verpasst hat, kauft welche. Für den Preis von zweioder drei guten Flaschen Wein kann man sich mit vielen Kräutern ein-decken, eigene Mischungen kreieren und den Bauch wärmen bis imFrühling. Der guten alten Telefonkonversation kann wieder einmal ge-

frönt werden, da das Inlandfestnetztelefonieren ja kaum mehr etwaskostet. Wer hat nicht ein paar Kochbücher, mit Rezepten drin, dieschon lange der Zubereitung harren? Es müssen ja nicht gerade Salateund kalte Suppen sein. Endlich kann man sein Repertoire erweitern,wohlfeile Saisongemüse harren an den Marktständen, um die sich nie-mand drängt, der köstlichen Verfeinerung.

Allerdings ist niemand verpflichtet, in der Stube zu hocken, nur weilder Januar sich so trefflich dazu eignet. Auch draussen ist das Lebenschön. Nichts erfrischt das Gehirn so wie klirrende Kälte. WährendWärme und Hitze träg und tumb machen, durchblutet sich der Kopf inder Kälte ganz von selber und produziert en passant die herrlichstenGedanken und besten Ideen, die dann in den kommenden Monatenumgesetzt werden können.

Ausserdem wird oft vergessen, dass wir das grosse Privileg haben,an einem Ort zu wohnen, an dem das Winterwunderland der Alpen vorder Tür liegt, selbst für Städter. In ein bis zwei Stunden ist man in atem-beraubenden Landschaften, die zu besuchen andere hohe Kosten undlange Wege auf sich nehmen. Wir hingegen brauchen einzig eine Tageskarte der SBB. Damit fährt man günstig nach Arosa, Davos,Gstaad oder in andere, weniger bekannte Winterkurorte, geht spazie-

ren, isst zu Mittag und kehrt abends wieder heim. Ein Ferientag fürzwischendurch. Wobei es ja nicht nur ein Tag sein muss. Wer nicht ge-bunden ist, kann sich in den Bergen ein paar schöne Tage machen, dieüber Weihnacht-Neujahr doppelt so teuer und halb so vergnüglichsind. Wegen der vielen Leute. Niemand kann behaupten, es mangle anmehr oder weniger sinnvollen Beschäftigungsmöglichkeiten in Schneeund Eis. Vom Alternativtrendsport Tourenskifahren bis zum bedächti-gen Curlingspielen ist vieles möglich. Ja selbst in der Stadt gibt es Kunsteisbahnen. Ein Besuch dort versetzt einen garantiert in die Zeitals Kind oder Teenager zurück. Plötzlich weiss man den Namen desSchwarms aus der dritten Klasse wieder. Und vielleicht findet man diePerson ja auf Facebook und schwelgt bald gemeinsam in Erinnerungen.

Selbst wer im Januar gern Turnschuhe trägt, braucht darauf nicht zuverzichten. Wie schön ist es doch, in der Kälte durch den Wald zu jog-gen, an gefrorenen Bächen und verzuckerten Tannen vorbei, über son-nenbeschienene Schneefelder. Oder auch durch den fallenden Schnee.Wenn Ohren und Finger warm werden von der Bewegung, nur wenigLeute unterwegs sind und schon gar keine Mountainbiker. Immer wie-der erstaunlich, wie gut man selbst auf vereisten Wegen vorwärtskommt – und wie heldenhaft fühlt man sich bei der Rückkehr in diewarme Stube. Nach der Körperertüchtigung lockt schliesslich das war-me Bad, das auch nie so wohltut wie im Januar.

Und wer immer noch nicht überzeugt ist, wem alles zu kalt und zuviel ist, der kann ja einfach mal schlafen, so viel schlafen wie noch nie.Unser Körper ist darauf ausgerichtet, bei Dunkelheit in den Schlafmo-dus zu sinken. Wenn man ihn also nimmt, wie er ist, und ihn sich nichtdurch sinnloses Sonnensehen verdirbt, kann der Januar im Monate-ranking weit nach oben schiessen. Wer die Kälte und die Dunkelheitangenommen und genutzt hat, dem wird dann später im Jahr die Wär-me und die Sonne intensiver wohltun, als dem, der diese als utopi-schen Dauerzustand ständig ersehnt und deshalb drei Viertel des Jah-res enttäuscht ist. ■

«Dass kalt schlecht und warm gut sei, hat mirnoch nie eingeleuchtet.»

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«Aber natürlich lange nicht so toll!» «Und wasist mit diesem – wie hiess der Typ noch mal?»,wechselt Marie rasch das Thema. «Wer? Oh,der ähm ich … finde einfach nicht die richtigenKriterien», winde ich mich, so gut es ebengeht. «Dann mach es doch wie dieser Grey-hound. Wenn der losrennt, hat der wenigstensein Ziel. Du ergreifst ja meistens nur dieFlucht.» «Das ist so was von nicht wahr!», binich jetzt beleidigt. «Ich weiss immer genau,wohin ich flüchte!» Aber Marie verliert schondie Geduld: «Der Typ kommt auf die Liste!Oder du springst den Rittberger. Mit meinenKindern im Arm!»

Stunden später, bei Tavernenschluss. «Undwas ist jetzt der letzte Punkt?», tippe ich denBleistift an die Stirn. «Wir könnten versuchen,dieses Jahr würdevoll zu überleben?», schlägtMarie gemächlich vor. «Klar, warum nicht?»,kritzle ich «Überleben» auf den Block. «Undwer verliert», spinne ich den Gedanken weiter,«übernimmt in einem Jahr den Wein!»

DELIA LENOIR

[email protected]

ILLUSTRATION: IRENE MEIER

([email protected])

Letzthin in einer Taverne im Tessin. «FünfPunkte!», zählt meine Busenfreundin Marie ih-re To-dos für 2011 zusammen. «Aha! Und wasist da drauf?», will ich ungeduldig wissen:«Mehr Minarette für das Engadin?» «MehrHausaufgaben mit den Kindern machen.»«Meinst du wirklich, dass aus denen noch waswird?», frage ich so arglos, wie ich kann. «Ichwürde eher auf die Nachbarskinder setzen. Diehaben wirklich Potenzial!» «Wir reden aberhier von meinen Gören», ist Marie jetzt ein bisschen angefressen. «Du wolltest Jahreszie-le, die du auch erreichen kannst!», schmolleich zurück.

«Und was steht denn auf deiner Liste?»«Kann ich nicht so gut entziffern», sage ich.«Dann würd ich «eine Brille» sagen! Du er-kennst ja nicht mal deinen Hund!» «Ich weiss!Ist neuerdings schön ruhig!», halte ich die

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Le mot noirTo-do-Listen

Speisekarte vor die Nase. «Und noch habe ichja keinen Rittberger versaut!» «Wenn das mitder Brille bis Sommer nicht erledigt ist …»«Was?» «Abzug in der B-Note!», malt Marie auf ihrem Block ein grosses Kreuz. «NächsterPunkt?», weiche ich aus. «Ein neuer Tisch?»,wirft Marie ein. «Das ist aber kein Jahresziel»,blocke ich wie ein russischer Preisrichter ab.«Gib dir mal ein bisschen Mühe!» «Okay dann… zurück nach Afrika!» «Du willst zurück?Und wieder für drei Jahre?», frage ich jetzttraurig. «Mhm!» «Gut», gebe ich auf: «Dann er-setzen wir den ersten Punkt.» «Du könntestdoch ein Stückchen Irland retten?», überlegtMarie. «Und wie soll ich das machen? Ohnedass es einer merkt?» «Du holst so einen Renn-hund aus dem Heim und setzt ihn auf dein So-fa», überlegt Marie, weil ihr die Idee gefällt.«Mein Sofa, das hast aber du», erinnere ich sie.«Oh, okay … dann setz ‹irgend ein Sofa!› aufmeine Liste!» «Rosshaar und bezogen mit rup-pig gewordenem Samt!» «Das finden wir inTimbuktu sicher leicht», murrt Marie vor sichhin. Und laut: «Aber ich bin sicher, dass ausdem armen Windhund dann was wird!»

«Nächster Punkt!», ignoriere ich mit vollemMund ihre Bemerkung. «Wir könnten ein neu-es Projekt ausarbeiten?», stochert Marie in ih-rem Risotto herum. «Schon wieder?», angle icheinen Champignon in meinem Teller. «Verste-he. Du arbeitest lieber mit den Nachbarskin-dern!» «Wäre billiger», wiege ich den Kopf.

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RadioClubkultur am Küchentisch

VON DIANA FREI

Strickt man Software wie iTunes, Wikipedia, Facebook und einenGoogle-Kalender ineinander und vernetzt Kulturschaffende mit Wissen-schaftlern und Musikern damit, entsteht eine Community-Radiostation.Oder ein Experiment, das zum Radio werden soll.

OpenBroadcast heisst das Projekt, und es handelt sich dabei um daserste Radio, das nicht von einer herkömmlichen Redaktion gemachtwird. Radio als offener Kanal ist nichts Neues. OpenBroadcast verzich-tet aber gleich ganz auf eine Chefredaktion und überlässt auch die redaktionelle Arbeit der Fach-Community. «Wir haben den Begriff derÖffentlichkeit intern kontrovers diskutiert», erklärt OpenBroadcast-Gründer Thomas Gilgen. «Mit der jetzigen Lösung hat bei uns jeder ei-ne Chance. Wenn er aber bei Radio DRS seine eigene Sendung machenwill, wird er bereits an der Rezeption abgewiesen. Das ist ein Unter-schied.» Gilgen will mit seinem Projekt die Möglichkeiten des Bürger-journalismus aktualisieren. Allerdings können bei OpenBroadcast neueMitglieder nur auf Einladung eines bereits aktiven Mitglieds zur Com-munity hinzustossen, denn das Einladungssystem funktioniert als Qua-litätsfilter: Es gibt immer jemanden, der für die Arbeit des andern bürgen kann und muss. Entstehen soll ein Netzwerk an Sendungsma-chern – zurzeit sind es vor allem Musiker, DJs, Radiojournalisten, Me-dienwissenschaftler –, das von zu Hause oder einem beliebigen anderenOrt aus sendet: Vom Küchentisch aus kann ein Autor Hörspiele senden,Clubbetreiber können Konzerte übertragen. Man kann aus dem Zug sen-den, aus dem Fussballstadion, aus dem Uni-Hörsaal. Ein DJ kann onli-ne einen Sendeplatz reservieren, zur angegebenen Uhrzeit den Faderhochfahren, und er ist on air.

OpenBroadcast ist vor allem das, was von der Dachkantine übrig-blieb: Thomas Gilgen war Mitbegründer des legendären Zürcher Clubs,und hier entstand die Idee für eine Radioplattform. Als die Dachkantine2006 geschlossen wurde, haben die Betreiber das Abschlussfestival ei-nen Monat lang mit einem Radioprogramm begleitet und erklärt. Da-mals wurde klar, dass ein Netzwerk von Leuten vorhanden ist, die nichtnur Lust auf das Medium Radio haben, sondern auch wissen, wie dieDramaturgie einer Musikstrecke funktioniert oder wie man Tonstreckenschneidet. «Eine wichtige Ressource, die man anzapfen sollte», findetGilgen. Entgegen dem derzeitigen Trend des «hyperaktiven Morgenra-dios» will er fundierte Information auf den Sender bringen. Die Dach-kantine war eine Plattform für Ideen, und dazu soll auch das Radio werden. Der Programmauftrag von OpenBroadcast umfasst gemäss Kon-zession denn auch Kultur, Wissen und Kunst.

Seit einem halben Jahr sendet das Radio auf der digitalen «DAB+»-Frequenz, finanziert wird es durch eine private Stiftung. Die Hörerzahl

liegt je nach Tageszeit zwischen 10 000 und 30 000. Zurzeit ist nochhauptsächlich Musik zu hören, von einem vollständigen Programm mitregelmässigen Wortbeiträgen sind die Sendungsmacher noch weit ent-fernt, die Community ist zu klein. Das soll sich in den nächsten Mona-ten aber ändern: «Damit das Netzwerk wächst, wollen wir mit anderenProjekten zusammenarbeiten. OpenBroadcast stösst auf grosses Interes-se bei Medienschaffenden, und die Idee wird von Universitäten und derETH unterstützt.» Eine Zusammenarbeit mit der Zürcher Hochschuleder Künste hat bereits stattgefunden, und eine Idee wäre, Wissenschaftund NGOs zu Sendungen über gemeinsame Themen zusammenzufüh-ren. Zurzeit bereitet die langjährige DRS-Radiojournalistin und Filmspe-zialistin Franziska Oliver eine Pilotsendung über TV-Serien vor. Solcheaufwendigen, professionell produzierten Beiträge werden Stiftungen zurweiteren Finanzierung angeboten. Über virale Möglichkeiten wie dieVernetzung mit Facebook hoffen die Betreiber, sowohl aktive User wieauch Hörer zu gewinnen. «Wenn man unser Radio mit den bestehendenvergleicht, dann ist es noch kein Radio. Aber wir haben nun mit der nötigen Software das Werkzeug geschaffen, damit OpenBroadcast einArbeitsinstrument für Medien-, Musik- und Kulturschaffende werdenkann», so Gilgen. ■

www.openbroadcast.ch

Wenn alle Radio hören können, sollen auch alle Radio machen dürfen.

OpenBroadcast – das klingt nach Radio von allen für alle und damit nach einer etwas lottrigen Sache. Doch daserste Radio ohne Chefredaktion setzt seine Ansprüche hoch: Kultur, Kunst und Wissen – alles vom eigenenHerd –, soll bald auf professionellem Niveau zu hören sein.

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Kulturtipps

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BuchSichtbare Armut«Mein Reichtum ist meine Lebenserfahrung», sagt Surprise-Ver-käuferin Margot Steiner im Buch «Vom Traum, reich zu sein». WasReichtum und Glück für sie und 20 weitere Porträtierte bedeutet,haben Walter Däpp und Hansueli Trachsel festgehalten.

VON ISABEL MOSIMANN

Das Wirtschaftsmagazin Bilanz veröffentlichte im Dezember die Listeder 300 Reichsten der Schweiz und rechnete aus, dass sie gemeinsamüber ein Gesamtvermögen von 470 Milliarden Franken verfügen; 21Milliarden mehr als im Jahr zuvor. Berichte und Bilder von Leuten mitklingenden Namen wie Oeri, Bertarelli, Blocher oder Federer finden sichzur Genüge. Über Menschen, die jeden Tag den Fünfliber zweimal um-drehen, bevor sie ihn ausgeben, wird hingegen nicht oft geschrieben.Der Journalist Walter Däpp und der Fotograf Hansueli Trachsel haben inihrem Buch «Vom Traum, reich zu sein. Armutszeugnisse aus derSchweiz» 21 Armutsbetroffene porträtiert.«Armut ist in der Schweiz nicht sichtbar», sagt Walter Däpp, «deshalbwollten wir ihr ein Gesicht geben und zugleich Vorurteile abbauen.» Inden Medien werde meist nur über Sozialschmarotzer, Kostenexplosionund Sozialhilfemissbrauch berichtet. «Wir haben ausnahmslos Leute ge-troffen, die gerne arbeiten würden», berichtet Däpp, der mit Trachsel be-reits zahlreiche Reportagen und mehrere Bücher veröffentlicht hat. EineArbeitsstelle zu haben, ist mit sozialen Kontakten verbunden, mit An-erkennung und Erlebnissen. Das alles fehlt vielen Porträtierten, nebeneinem geregelten Einkommen, am meisten.Die 59-jährige Surprise-Verkäuferin Margot Steiner verlor ihre Arbeit2002: «Seither habe ich mich erfolglos um etwa 300 Stellen beworben.»Von unzähligen Bewerbungen berichten auch andere Porträtierte – of-fensichtlich sind sie auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr gefragt.Manchmal reicht ein «Knick» im Lebenslauf, eine abgebrochene Lehre,ein Rückenleiden oder eine Scheidung, und schon dreht sich die Spira-le abwärts. Der Verlust des Jobs kann den Verlust der Anerkennung, desSelbstwertgefühls, des Platzes in der Gesellschaft nach sich ziehen. Dar-auf zielt im Nachwort auch Hugo Fasel ab, Direktor Caritas Schweiz,wenn er aus der Präambel der Bundesverfassung zitiert: «... dass dieStärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen.» Ziel jeder Ar-mutspolitik muss für ihn – neben der materiellen Absicherung – sein,die Würde der betroffenen Menschen zu wahren und ihnen einen Platzin der Gesellschaft einzuräumen.Walter Däpp, Hansueli Trachsel: Vom Traum, reich zu sein. Stämpfli Verlag AG Bern,

CHF 29.–.

KinoGefragte Geduld

Camilla und Silvestro haben den Liebesmoment verpasst. Wes-halb die beiden Hauptfiguren im Film «Dieci Inverni» erst diverseUmwege einschlagen müssen, bevor sich wieder eine Chance fürsie ergibt. Eine Geschichte des Reifens.

VON MICHAEL GASSER

Gut Liebe will Weile haben. Das ist die Kernaussage von «Dieci Inverni»(Zehn Winter). Der Film des italienischen Regisseurs Valerio Mieli be-gleitet seine beiden Protagonisten zehn lange Jahre. Die 18-jährige Ca-milla (Isabella Ragonese), ein Landei, macht sich auf, um in Venedigrussische Literatur zu studieren. Kaum angekommen, fällt ihr dergleichaltrige Silvestro (Michele Riondino) auf. Sie ist mit einer Stehlam-pe unterwegs, er mit einem Bäumchen. Sie nähern sich an und verbrin-gen gar eine gemeinsame Nacht in ihrem Bett, ganz unschuldig. Manspürt: Die zwei begehren sich, getrauen sich aber nicht. Silvestro ver-steckt sich zwar hinter einer grossen Klappe, ist jedoch fast genausoschüchtern wie Camilla. Dann ist der Moment verflogen, man zieht sei-ner Wege. Und trifft doch immer wieder an der Uni, an Partys oder inMoskau aufeinander. Der Funke zwischen ihnen keimt stets neu auf,doch mal ist er und mal ist sie anderweitig liiert. Als Camilla von einemanderen ein Kind erwartet, scheint die Tür für eine gemeinsame Zukunftendgültig geschlossen. «Was hast du erwartet?», fragt sie Silvestro, derdem werdenden Vater aus Frust einen Kinnhaken verpasst und von dan-nen stapft. Doch noch ist nicht aller Tage Abend und Jahre später er-halten die beiden nun Gefestigten eine erneute Chance.«Dieci Inverni» ist eine fragmentarisch und betont ruhig erzählte Ge-schichte des Reifens. Ein Liebesfilm, der es versteht, ohne Kitsch aus-zukommen. Basierend auf Erlebnissen des Regisseurs, der über seineArbeit sagt: «Ich habe eine Form der Romantik gesucht, die wahr undzugleich märchenhaft ist.» Dementsprechend leicht entrückt ist das Ku-lissenbild Venedigs, das zwar dessen hässliche Seiten nicht versteckt,sie jedoch häufig leicht verklärt. Die Realität ist in «Dieci Inverni» spür-bar, bleibt aber Nebensache. Im Vordergrund stehen die Poesie, die Gefühle und die Geduld, die es in der Liebe zu bewahren gilt. Ein char-manter Streifen ohne Firlefanz, dafür mit melancholisch-stimmiger Musik von Vinicio Capossela. «Dieci Inverni», Regie: Valerio Mieli, Italien (2009), 99 Minuten, ab 6. Januar in

Deutschweizer Kinos.

Bei Camilla und Silvestro springt der Funke, der nicht mehr erlöscht.

Dieses Buch gibt der Armut ein Gesicht.

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MusikPolierte Revolution

The Decemberists legen mit ihrem sechsten Album falsche Fähr-ten: Wer zünftig Zunder erwartet hat, wird von Mundharmonika undLagerfeuergitarre überrascht.

VON OLIVIER JOLIAT

45 Jahre nach Bob Dylans Auftritt beim New Port Festival sind verzerr-te Gitarren im Folk kein Tabubruch mehr. Trotzdem war das Erstaunengross, als The Decemberists auf ihrem letzten Album die Gitarren auf-heulen liessen. «The Hazards of Love» war nicht nur ihr bislang laute-stes Album, sondern auch das erfolgreichste. Band-Vordenker Colin Me-loy beschwingte das anscheinend: Kein Jahr ist vergangen, schon klopftder Nachfolger an. Das Album heisst «The King is Dead».So wurde früher ein Regentenwechsel verkündet. Allerdings mit demAnhang «… Long live the King!». Ohne diesen war es eine Parole der Re-volutionäre. Etwa der Dezembristen, die 1825 versuchten, den russi-schen Zaren zu stürzen. Das gelang nicht, doch immerhin inspiriertensie eine Band aus Portland, Oregon.Mit diesen Vorzeichen durfte man ein Album mit zünftig Zunder erwar-ten. Und dann eröffnen Mundharmonika, Lagerfeuergitarre und Schun-kelbeat: «Don’t carry it all» – lad dir bloss nicht zu viel auf die Schul-tern, schon gar nicht Verantwortung – beschwichtigt Meloy im Opener.Sanft, friedlich und reduziert instrumentiert geht es weiter. Das ganzeAlbum lang: harte Schale, weicher Kern.Die Band erklärt, man wollte weg vom teilweise pompös arrangiertenSound der Vorgängeralben, zurück zu organisch klingender Musik undamerikanischer Songwriter-Tradition. Als Studio wählte man eineScheune mit Ausblick ins Grüne, als Vorbild Neil Youngs «Harvest». Sei-nen Geist hört man denn auch in Songs wie «Down by the Water». Hierfunktioniert das Wechselspiel von Meloy und Sängerin Gillian Welchperfekt. Sie ist in Europa erst mit dem Soundtrack zum Coen-Epos «OBrother, where Art Thou?» bekannt geworden. In den USA ist Welch je-doch längst ein Star der Alternative-Country-Szene. Gemeinsam mitR.E.M.-Gitarrist Peter Buck bildet sie die zwar kurze, aber sehr illustreGästeliste auf dem Album. Haucht Welch panflötenartig «Hu-hu» wie in«January Hymns», begeistert das wohl vor allem Freunde von Simon &Garfunkel.Nicht nur hier klingt «The King Is Dead» etwas arg poliert. Ein paar Ecken und Kanten stünden der Musik ganz gut. Wenn schon Scheuneund Natur im Infoblatt steht, will man das auch spüren. So wirkt die Mu-sik oft wie ein funkenfreies Cheminée-Feuer ab DVD: Ganz nett fürs Am-biente, wärmen kann es aber nicht. Und eine Revolution wird erst rechtnicht entzündet. Zum Hängen auf dem Sofa taugt das Album aber prima.The Decemberists «The King Is Dead» (Beggars Banquet/MV).

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Folgen der Songwriter-Tradition: The Decemberists.

Die 25 positiven FirmenDiese Rubrik ruft Firmen und Institutionenauf, soziale Verantwortung zu übernehmen.Einige haben dies schon getan, in dem siedem Strassenmagazin Surprise mindestens500 Franken gespendet haben. Damit helfensie, Menschen in pre kären Lebensumstän-den eine Arbeitsmöglichkeit zu geben undsie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zube g leiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? DieSpielregeln sind einfach: 25 Firmen werdenjeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jenerBetrieb heraus, der am längsten dabei ist.

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet

werden?

Mit einer Spende von mindestens 500 Franken

sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3,

Verein Strassenmagazin Surprise, 4051 Basel

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commilfo Isabelle Wanner, Baden

atelier111.ch, Basel

Zürcher Kantonalbank, Zürich

Philip Maloney, Privatdetektiv

Brother (Schweiz) AG, Baden

Druckerei Hürzeler AG, Regensdorf

IBZ Industrie AG, Adliswil

Alfacel AG, Cham

Thommen ASIC-Design, Zürich

Coop Genossenschaft, Basel

AnyWeb AG, Zürich

Velo-Oase Bestgen, Baar

Schweizerisches Tropen- und Public Health-

Institut, Basel

Niederer, Kraft & Frey, Zürich

Stoll Immobilientreuhand AG, Winterthur

Kaiser Software GmbH, Bern

Responsability Social Investments AG, Zürich

chefs on fire GmbH, Basel

Ingenieurbüro BEVBE, Bonstetten

Gemeinnütziger Frauenverein Nidau

VXL gestaltung und werbung ag, Binningen

Scherrer & Partner GmbH, Basel

TYDAC AG, Bern

KIBAG Strassen- und Tiefbau

OTTO’S AG, Sursee

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ZürichBouquet aus GegensätzenBerechenbar seien die Zuordnungen im Zürcher Kunstsystem. Meinenzumindest Simon Maurer, Leiter des Helmhauses, und der freie KuratorMichael Hiltbrunner. Und so gestalteten sie die Ausstellung «Wenn dieNacht am dunkelsten ist, kommt der Tag» auf abenteuerliche Weise:Künstler aus ganz verschiedenen Umfeldern stellen aus – vom blutjun-gen Gestalter, der noch in Ausbildung ist, bis zum vergessenen Artisten,von dem lange nichts mehr zu hören war. Und selbst einige geläufigeNamen aus der mittleren Generation zeigen für einmal kaum bekannteWerkgruppen. Auch inhaltlich prallen Gegensätze aufeinander: Expres-siver Trash trifft akribische Geometrie, Handwerk auf Intellekt. Das Kon-zept mag chaotisch wirken, vor Ort aber zeigt sich ein sorgfältig ausge-wähltes Bouquet voll wundersamer Blüten. Und: Am 7. Januar spielendie Weltraumforscher zum 30-jährigen Bandjubiläum eines ihrer raren Konzerte. (ash)Helmhaus, Zürich, Dienstag bis Sonntag, 10 bis 18 Uhr, Donnerstag, 10 bis 20 Uhr,

die Ausstellung läuft bis 23. Januar. www.helmhaus.org

Besucher im Helmhaus: Petits Hommes des Étoiles von Karin Clairsinvil (2010).

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Das Ensemble Neue Horizonte Bern setzt sich mit dem Werk Pousseurs auseinander.

Auf TourneeHommage und Zwiesprache

Der im März 2009 verstorbene belgische Komponist Henri Pousseur isteine der prägenden Figuren der Musik nach 1950. So war er einer derErsten, der in den 60er-Jahren ein streng strukturbezogenes Denken aufviele musikalische Sprachen hin öffnete. Das Ensemble Neue HorizonteBern hat mehrfach mit Henri Pousser zusammengearbeitet und standüber Jahre mit ihm in Verbindung. Nun setzten sich die Musiker in zweirund 70-minutigen Konzertprogrammen komponierend und interpretie-rend mit dem Werk Pousseurs auseinander. Singen wird zu diesem An-lass die Tochter des Komponisten, Mezzosopranistin Marianne Pousser.(mek)Das Ensemble Neue Horizonte Bern interpretiert Henri Pousser. Marianne Pousser:

Sopran. Urs Peter Schneider: Leitung. Samstag, 8. Januar, 18 Uhr, ZHdK Musik-

hochschule, Zürich. Sonntag, 9. Januar, 17 Uhr, Dampfzentrale, Bern. Sonntag,

16. Januar, 17.30 Uhr, Gare du Nord, Basel. Montag, 7. März (ohne Marianne

Pousseur), 19 Uhr, Atelier Piamaria, Biel.

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Urbanes Südafrika

20 Jahre nach dem Ende der Apartheid und ein halbes Jahr nach derFussballweltmeisterschaft holt uns eine Fotoausstellung in die Realitätvon Südafrika zurück. Die Arbeiten von vier Schweizer Fotografen –darunter Christian Flierl, der regelmässig für Surprise arbeitet – thema-tisieren Phänomene im urbanen Raum des afrikanischen Landes. DieBilder zeigen teilweise überraschende Seiten des städtischen Alltags inJohannesburg, Soweto und Kapstadt. Die Fotokünstler hinterfragen mitdem Blick Aussenstehender die Befindlichkeit der südafrikanischen Ge-sellschaft, ihre Werke umkreisen Spannungsfelder wie sozialer Statusund Architektur, Privatsphäre und Öffentlichkeit, Sicherheit und Gewaltoder Zentrum und Peripherie. (juk)Fragments – Urban Realities in South Africa, Vernissage: Samstag, 15. Januar,

17 Uhr, Ausstellung vom 16. Januar bis zum 13. März, PhotoforumPasquArt, Biel.

www.photoforumpasquart.ch

Ausgehtipps

Sieht amerikanisch aus, ist aber südafrikanisch – Einfamilienhaus in Soweto.

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— www.theater-basel.ch, Tel. +41/(0)61-295 11 33 —

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Zürich Beatbox-Literatur

Melinda Nadj Abonji ist der Shooting Star derSchweizer Literaturszene. Für ihren Roman«Tauben fliegen auf» erhielt sie 2010 sowohlden deutschen wie auch den Schweizer Buch-preis. Als Performerin ist sie nach wie vor einGeheimtipp. Dabei tritt sie seit über zehn Jahren gemeinsam mit dem Rapp-Poeten und Human Beatboxer Jurczok 1001 auf die Bühne.Gemeinsam entwickelten sie einen eigenen Stilaus kurzen Erzählungen, Spoken Word, Beat-boxing und elektrischer Geige. Die einzelnenElemente werden über ein Loopgerät in End-losschlaufen geschickt. Dadurch entsteht trotzZweierbesetzung ein orchestraler Sound, derdank prägnanter Sprache direkt und eindring-lich bleibt. Nach Auftritten an Sprechbühnenund Literaturfestivals im In- und Ausland sindMelinda Nadj Abonji & Jurczok 1001 nun imMoods zu erleben. (ash)Samstag, 15. Januar, 20.30 Uhr, Moods, Zürich.Poesie in Endlosschlaufen: Nadj Abonji & Jurczok 1001.

Chinesische Comics zeigen den Gesellschaftswandel.

BaselPolit-Comics

Tuschzeichnungen, Aquarelle oder animierteBilder – in Zusammenarbeit mit dem National-museum in Peking ist in der Schweiz erstmalsComic-Kunst aus China zu sehen: Millionen-fach gedruckt und bis in die hintersten Winkelder Volksrepublik gelesen, waren die Lianhu-anhua (Kettenbilder) ab 1950 wichtiger Be-standteil der Politikvermittlung oder interpre-tierten die klassische chinesische Literatur.Heute werden hauptsächlich Manhua gelesen,deren Themen- und Stilmix in den 1990er-Jah-ren den sozialistischen Einheitslook abgelösthat: Manhua sind ein farbiger Ausdruck der im Wandel begriffenen, auseinanderdriftendenGesellschaft Chinas. (mek)«Wortbilder. Comics aus China», noch bis zum

13. März zu sehen im Cartoonmuseum Basel.

www.cartoonmuseum.chB

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28 SURPRISE 241/11

Verkäuferporträt«Mein tägliches Brot verdienen»

AUFGEZEICHNET VON ISABEL MOSIMANN

«Ursprünglich habe ich in Rümlang Metallbauschlosser gelernt. Auf-gewachsen bin ich mit meinen Eltern und drei Brüdern im NachbardorfOberhasli. Über zwölf Jahre habe ich geschlossert und geschweisst, aufMontage und in der Werkstatt. Irgendwann merkte ich, dass es Zeit warfür eine berufliche Veränderung. Zunächst arbeitete ich im Liegen-schaftsdienst als ‹fliegender Hauswart›, liess mich aber nach einem Jahrzum Storenmonteur umschulen. Nach vier Jahren in einer grossen Sto-ren-Firma beschloss ich 1994, mich im Bereich Rollladen und Storenselbstständig zu machen.

Ich war 26 Jahre verheiratet. Nach fünf Jahren Ehe eröffnete mir mei-ne damalige Frau, sie wolle keine Kinder. Ihr war die berufliche Karrie-re wichtiger. Ich war enttäuscht, denn ich hatte mir immer Familie ge-wünscht. Aber so war es halt. Eifersüchtig war ich nie, vertraute meinerFrau stets. Deshalb schenkte ich den Hinweisen aus meinem Umfeld,dass meine Frau Herrenbesuche hätte, während ich im Ski-Weekendwar, keinen Glauben. Doch dann flog alles auf. Wie ein Bombe. Und ichbin einfach weggegangen, wollte nichts mehr wissen von den Men-schen. Im Geschäft habe ich alles so gelassen, wie es war.

Während zwei Jahren war ich unterwegs. Mal habe ich auf der Rigiübernachtet, mal habe ich Bauern geholfen und dafür Kost und Logisgekriegt, eine Zeitlang habe ich ‹Guschti› gehütet auf einer Alp beiSchönried. Ich habe nie aufgegeben, und irgendwie kam ich immer überdie Runden. Eigentlich war ich einfach ein Wandervogel.

2006 ging ich nach Thun, wohnte dort vier Monate im Passanten-heim der Heilsarmee und fing an, eine Stelle zu suchen. Das dortige RAVvermittelte mich relativ rasch an eine Käserei in der Nähe von Thun, woich für die nächsten vier Jahre Emmentaler putzte, Mutschli machte undim Keller die grossen Käselaibe drehte. Doch dann breitete sich bei mirim Daumen plötzlich ein Ekzem aus. Ich musste ihn operieren lassenund fiel drei Monate aus. Während meines Ausfalls merkte ich, dass mirdie Arbeit in der Käserei nicht mehr zusagte und kündigte. Mit der Stel-le kündigte ich auch meine Studiowohnung und zog wieder los.

Seit gut zwei Monaten bin ich nun in Bern. Für die Hans Leuteneg-ger AG hatte ich hier kürzlich – aber auch schon in früheren Jahren – ei-nen Temporäreinsatz. Im Februar, wenn die Saison für Storenmonteurewieder beginnt, könnte sich dort möglicherweise etwas ergeben. Bisdorthin ist mir jede Arbeit recht. Ich will etwas tun. Es kann auch Einkaufen für ältere Leute sein.

Hier in Bern wohne ich im Passantenheim der Heilsarmee oder in ei-nem Haus von ‹WOhnenbern›. Ich habe auch schon im Bed and Break-fast übernachtet – wobei, das ist meist zu teuer. Damit ich meine Über-nachtungen und das Nötigste zum Leben berappen kann, verkaufe ichseit Anfang Dezember in der Christoffelunterführung Surprise. Manch-

Nach einer gescheiterten Ehe ging Ruedi Hirschi (57) auf Wanderschaft quer durch die Schweiz. Zurzeit ver-kauft er Surprise in der Christoffelunterführung im Berner Hauptbahnhof, sucht eine Anstellung und hofft, baldwieder eine eigene Wohnung beziehen zu können.

mal staune ich über die Leute, die mit sturem Blick an mir vorbeieilen.Gerade in der Weihnachtszeit hatte ich das Gefühl, die rennen alle ‹wiegstört› den Geschenken nach. Die Leute, die das Heft kaufen, sind fastimmer freundlich, lächeln und manche runden den Betrag noch auf. Ichfinde Surprise ganz grundsätzlich eine gute Sache, und für mich per-sönlich ist es momentan eine sehr gute Möglichkeit, mein tägliches Brotzu verdienen. Finanzielle Unterstützung erhalte ich keine. Ich könntevielleicht einen Antrag stellen, aber das will ich nicht. Ich sorge für michselber.

Für das neue Jahr wünsche ich mir wieder eine geregelte Arbeit, amliebsten als Storenmonteur, weil ich dort am meisten Wissen und Er-fahrung habe. Und dann hoffe ich, dass ich bald ein Zimmer oder einStudio finde, wo ich für mich gemütlich kochen und auch einmal in Ru-he einen Film schauen kann. Denn das ist natürlich in diesen Passan-tenheimen nicht möglich.» ■

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Surprise kümmert sich um Menschen, die we-niger Glück im Leben hatten als andere. Men-schen, die sich aber wieder aufgerappelt habenund ihr Leben in die eigenen Hände nehmenwollen. Mit dem Verkauf des Strassenma-gazins Surprise überwinden sie ihre soziale Isolation. Ihr Alltag bekommt Struktur und wieder einen Sinn. Sie gewinnen neue Selbst-achtung und erarbeiten sich aus eigener Krafteinen kleinen Verdienst. Die Surprise-Strassen-

verkäuferinnen und –verkäufer helfen sich sel-ber. Das verdient Respekt und Unterstützung.Regelmässige Verkaufende werden von Surpri-se gezielt unterstützt. Die Teilnehmer am Pro-gramm SurPlus sind sozial abgesichert (Ferien,Krankheit). Mit der Programmteilnahme über-nehmen die Surprise-Verkaufenden mehr Ver-antwortung; eine wesentliche Voraussetzungdafür, wieder fit für die Welt und den Arbeits-markt zu werden.

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1 Jahr: 6000 Franken 1/2 Jahr: 3000 Franken 1/4 Jahr: 1500 Franken 1 Monat: 500 Franken

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Talon bitte senden oder faxen an: Strassenmagazin Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, [email protected], PC-Konto 12-551455-3

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Kurt Brügger Basel

Eine Chance für alle!Werden Sie Surprise-Götti oder -Gotte

Ausserdem im Förderprogramm SurPlus: Anja Uehlinger, Baden

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24 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.– )(Verpackung und Versand bietenStrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen.)

Gönner-Abo für CHF 260.–

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Impressum

HerausgeberStrassenmagazin Surprise GmbH, Postfach, 4003 Basel,www.strassenmagazin.chGeschäftsführung T +41 61 564 90 90Paola Gallo, Agnes Weidkuhn (Assistenz GF) Öffnungszeiten SekretariatMo–Do 9–12 Uhr, T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 [email protected] T +41 61 564 90 70Reto Aschwanden (verantwortlich), Julia Konstantinidis,Mena Kost, Thomas Oehler (Sekretariat)[email protected] MitarbeitFlorian Bachmann, Corina Bosshard, Annette Boutellier,Karin Freiermuth, Diana Frei, Michael Gasser, Olivier Joliat, Yvonne Kunz, Delia Lenoir, Irene Meier, Stefan Michel, Isabel Mosimann, Stephan Pörtner, Milena Schärer, Isabella Seemann, Priska Wenger, Marvin ZilmGestaltungWOMM Werbeagentur AG, BaselDruckAVD GoldachAuflage29 400, Abonnemente CHF 189.–, 24 Ex./JahrAnzeigenverkauf T +41 76 325 10 [email protected]

Marketing T +41 61 564 90 61Theres BurgdorferVertrieb Basel T +41 61 564 90 81Markus Hurschler, Zoë KamermansVertrieb Zürich T +41 44 242 72 11Reto Bommer, Engelstrasse 64, 8004 Zürich, Mobile +41 79 636 46 12 [email protected] Bern T +41 31 332 53 93Andrea Blaser, Alfred Maurer, Pappelweg 21, 3013 Bern, Mobile +41 79 389 78 [email protected] und Förderung T +41 61 564 90 51Rita Erni Chor/Kultur T +41 61 564 90 40Paloma SelmaStrassensport T +41 61 564 90 10Lavinia Biert Trägerverein Strassen magazin Surprise Präsident: Peter Aebersold

Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugs weiseoder in Ausschnitten, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird vonder Redaktion und dem Verlag jede Haftung abgelehnt.

Surprise behält sich vor, an Verkaufende gerichtete Post-sendungen zu öffnen. Barspenden an namentlich bezeich-nete Verkaufende können nur bis zu einem Betrag vonCHF 100.– weitergeleitet werden. Darüber hinausgehendeBeträge sollen – im Einverständnis mit der Spenderin oderdem Spender – allen Verkaufenden zugute kommen.

Surprise ist:

Hilfe zur Selbsthilfe Surprise hilft seit 1997 Menschen in sozialenSchwierigkeiten. Mit Programmen in den Bereichen Beschäftigung, Sport und Kultur fördert Surprise die soziale Selbständigkeit.Surprise hilft bei der Integration in den Ar-beitsmarkt, bei der Klärung der Wohnsitua-tion, bei den ersten Schritten raus aus derSchuldenfalle und entlastet so die SchweizerSozialwerke.

Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht von Armut und sozialer Be-nachteiligung betroffenen Menschen eineStimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit für ihre Anliegen. Surprise beteiligt sich am Wandel der Gesellschaft und bezieht Stellungfür soziale Gerechtigkeit.

Strassenmagazin und Strassenverkauf Surprise gibt das vierzehntäglich erscheinen-de Strassenmagazin Surprise heraus. Dieseswird von einer professionellen Redaktion pro-duziert, die auf ein Netz von qualifizierten Berufsjournalistinnen, Fotografen und Illu-stratorinnen zählen kann. Das Magazin wird fast ausschliesslich auf der Strasse verkauft.Rund dreihundert Menschen in der deutschenSchweiz, denen der Arbeitsmarkt verschlos-sen bleibt, erhalten damit eine Tagesstruktur,verdienen eigenes Geld und gewinnen neuesSelbstvertrauen.

Sport und Kultur Surprise fördert die Integration auch mit Sport.In der Surprise Strassenfussball-Liga trainierenund spielen Teams aus der ganzen deutschenSchweiz regelmässig Fussball und kämpfenum den Schweizermeister-Titel sowie um dieTeilnahme an den Weltmeisterschaften für so-zial benachteiligte Menschen. Seit 2009 hatSurprise einen eigenen Chor. GemeinsamesSingen und öffentliche Auftritte ermöglichenKontakte, Glücksmomente und Erfolgserleb-nisse für Menschen, denen der gesellschaft-liche Anschluss sonst erschwert ist.

Finanzierung, Organisation und internatio-nale VernetzungSurprise ist unabhängig und erhält keine staat-lichen Gelder. Das Strassenmagazin wird mitdem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inse-raten finanziert. Für alle anderen Angebotewie die Betreuung der Verkaufenden, die Sport-und Kulturprogramme ist Surprise auf Spen-den, auf Sponsoren und Zuwendungen vonStiftungen angewiesen. Surprise ist eine nicht gewinnorientierte sozi-ale Institution. Die Geschäfte werden von derStrassenmagazin Surprise GmbH geführt, dievom gemeinnützigen Verein StrassenmagazinSurprise kontrolliert wird. Surprise ist führen-des Mitglied des Internationalen Netzwerkesder Strassenzeitungen (INSP) mit Sitz in Glas-gow, Schottland. Derzeit gehören dem Ver-band über 100 Strassenzeitungen in 40 Län-dern an.

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*gemäss MACH Basic 2008-2.

Vorname, Name

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PLZ, Ort

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Datum, Unterschrift

Seite bitte heraustrennen und schicken oder faxen an: Strassenmagazin Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, [email protected]

Gut betucht.Grosses Badetuch 100 x 180 cm aus sehr langlebigem Zwirngarn, 100% handgepflückte Baumwolle. Mit Surprise-Logo eingewebt und vonA bis Z in der Schweiz hergestellt. Vorder- und Rückseite verschieden-farbig: vorne kühles Aquablau, hinten heisses Rot.

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HerrenCHF 25.–

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(auch für Kinder)

Alle Preise exkl. Versandkosten.

Strandtuch (100 x 180 cm) CHF 65.–

50 Prozent des Verkaufspreises kommt Surprise zugute.

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Ist gut. Kaufen!Wer etwas verkauft, braucht Geld. Schlichte Wahrheit – gute Sache.Denn 50 Prozent des Verkaufspreises kommt Surprise zugute.Alle Preise exkl. Versandkosten.

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Surprise Zeitungs-Taschen (34 x 36 cm); CHF 37.50

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Surprise Rucksäcke(32 x 40 cm); CHF 89.–

schwarz rot

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Von Aarbergbis Zuoz.

www.strassenmagazin.ch, www.strassensport.ch, Spendenkonto PC 12-551455-3Strassenmagazin Surprise, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99

Surprise gibt es beim Strassenhändler Ihres Vertrauens. Oder im Abo per Post.

24 Ausgaben für 189 Franken oder als Gönner-Abo für 260 Franken.Gutes lesen, Gutes tun und gleich bestellen!