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Nr. 231 | 13. bis 26. August 2010 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass. Durchbeissen! Im Landdienst lernen Jugendliche fürs Leben Datenschutz im Web: Missbrauch ist oft selbstverschuldet Abenteuerpfad Der Schulweg als Entdeckungsreise

Surprise Strassenmagazin 231/10

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Surprise Strassenmagazin 231/10

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Page 1: Surprise Strassenmagazin 231/10

Nr. 231 | 13. bis 26. August 2010 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.

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Datenschutz im Web: Missbrauch ist oft selbstverschuldet

AbenteuerpfadDer Schulweg als Entdeckungsreise

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2 SURPRISE 231/10

*gemäss MACH Basic 2008-2.

Vorname, Name

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PLZ, Ort

Telefon

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Datum, Unterschrift

Seite bitte heraustrennen und schicken oder faxen an: Strassenmagazin Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, [email protected]

Der Sommer ist da. Grosses Strandtuch 100 x 180 cm aus sehr langlebigem Zwirngarn, 100%handgepflückte Baumwolle. Mit Surprise-Logo eingewebt und von A bis Zin der Schweiz hergestellt. Vorder- und Rückseite verschiedenfarbig:vorne kühles Aquablau, hinten heisses Rot.

231/10

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50 Prozent des Verkaufspreises kommt Surprise zugute.

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Ist gut. Kaufen!Wer etwas verkauft, braucht Geld. Schlichte Wahrheit – gute Sache.Denn 50 Prozent des Verkaufspreises kommt Surprise zugute. Alle Preise exkl. Versandkosten.

231/10

Surprise Zeitungs-Taschen (34 x 36 cm); CHF 37.50

neon-orange schwarz

Surprise City-Taschen (24,5 x 35,5 cm); CHF 40.–

rot blau schwarz

Surprise Rucksäcke(32 x 40 cm); CHF 89.–

schwarz rot

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Titelbild: Christian Flierl

Inhalt04 Editorial

Lebensschule04 Leserbriefe

Wie «Ewigi Liebi»04 Gewinner Bilderrätsel

Drei Frauen machten das Rennen05 Basteln für eine bessere Welt

Engel für alle06 Aufgelesen

Mit Emigranten im LKW06 Zugerichtet

Auf den Hund gekommen07 Strassenfussball

Der letzte Test07 Erwin

… und der Schulbeginn08 Porträt

Ein Mann für alle Fälle14 Künstliche Intelligenz

Von der Natur abgeschaut22 Wörter von Pörtner

Verschwörerische Gleichschaltung 23 Musik als Therapie

Saiten statt Spritzen 24 Kulturtipps

Grosser Fisch, kleines Mädchen26 Ausgehtipps

Farbenlehre mit Goethe28 Verkäuferporträt

Kämpfer für die Meinungsfreiheit29 Projekt Surplus

Chance für alle!Starverkäufer

30 In eigener SacheImpressumINSP

Wenn Unternehmen Daten ihrer Kundschaftsammeln und vermarkten, ist die Empörunggross. Dabei geben die meisten Menschenbereitwillig persönliche Daten preis. Aus Geizund Faulheit liefern wir uns Geschäftema-chern aus – und unser Umfeld gleich dazu.

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Das grosse Geld ist im Landdienst nichtzu machen. Doch der traditionellsteSchweizer Ferienjob ist Gold wert: Erbringt Jugendliche dazu, selbst zu den-ken und durchzubeissen, auch wennsschwer fällt.

17 SchulwegAuf dem Abenteuerpfad

Schade, dass so viele Kinder von ihren Elternmit dem Auto vor die Schule gekarrt werden.Denn wer zu Fuss unterwegs ist, erlebt die un-glaublichsten Dinge. Auf wenigen Metern, inkurzer Zeit – und erst noch gratis: Surprise warmit zwei Drittklässlern auf dem Schulweg.

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10 LanddienstFerienjob für Idealisten

20 DatenschutzBig Brother bedien dich

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Ihre Meinung!Bitte schicken Sie uns Ihre Anregungen oder Kritik: Strassenmagazin Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20,

Postfach, 4003 Basel, T +41 61 564 90 70, [email protected]. Es werden nur Leserbriefe abgedruckt,

die mit vollem Namen unterzeichnet sind. Die Redaktion behält sich vor, Briefe zu kürzen.

Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3

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JULIA KONSTANTINIDIS,

REDAKTORIN

EditorialVom Leben lernen

In meinem ersten Ferienjob als Verkäuferin inder Manor-Kinderkleiderabteilung musste ichals 16-Jährige plötzlich viel Geld verwaltenund werdende Mütter beraten. Das Geld, dasich verdiente, ist schon längst verpulvert. Aber die Erfahrungen, jeden Tag acht Stunden in einem Kaufhaus zu stehen und zu arbeiten,Verantwortung für mir anvertrautes Geld zuübernehmen oder die verschiedensten Men-schen zu bedienen, sind mir damals «ein-gefahren» und beeinflussen mich wohl nochimmer.Dieselben Lebenserfahrungen machen Jugend-liche, wenn sie in den Ferien Landdienst leis-ten: Sie müssen Verantwortung übernehmenfür ihr Handeln, müssen Arbeiten machen, dievielleicht eintönig oder anstrengend sind. Sielernen sich dabei in einer neuen Umgebungkennen und bekommen einen Einblick in einzukünftiges Berufsleben. Anders als in der Ma-nor ist ihr Lohn vor allem idealistischer Art: Erbesteht aus Kost und Logis sowie einem Sack-geld. Surprise hat drei Landdienstler auf ihrenGastbauernhöfen besucht. Ab Seite 10.Roboter können nicht vom Leben lernen. Wieaber bringt man einer Maschine menschlichesVerhalten bei? Rolf Pfeifer erforscht die künst-liche Intelligenz und erklärt es ab Seite 14. In der Schule lernen sie das ABC, auf dem Wegdorthin lernen Kinder allerdings auch was fürsLeben. Lesen Sie ab Seite 17, was zwei Pri-marschüler auf ihrem Schulweg erleben. DieReportage von Janine Kern liefert die bestenArgumente dafür, warum man darauf verzich-ten sollte, den Nachwuchs mit dem Auto in dieSchule zu karren. Auch Erwachsene können noch vom Lebenlernen: Zum Beispiel den Umgang mit per-sönlichen Daten und deren Verbreitung imInternet. Ab Seite 20 schreibt Redaktor RetoAschwanden darüber, wie leichtfertig vieleMenschen im Internet private Daten preis-geben.

Ich wünsche Ihnen eine gute Lektüre,

Julia Konstantinidis

Herzlichen DankIch möchte der Redaktion und dem Heer derfreien Mitarbeiter herzlich für die interessan-ten Artikel danken, die ich (keine typischeHeftleserin) gerne lese. Gerda Koller, Zürich

Nr. 228 «Der Fremde»BeeindruckendIch hatte wieder einmal Zeit, Surprise zu lesen. Der Artikel von Valerie Segler hat mich beein-druckt. Es wäre interessant, auch die Seitevom Ehemann und dessen Freundin zu hören.Jutta Morger, per E-Mail

Nr. 229 «Späte Liebe» NachdenklichBei der Liebe ist Surprise immer für eine Über-raschung gut. Jeder Artikel stellt für sich einLiebes-Special dar – eine tolle Leistung deshöchst motivierten Autorenkollektivs! Es mussgar nicht immer sentimental und romantisch-

Die Einsendungen mit der Auflösung des Bilderrätsels überfluteten die Surprise-Redak-tion beinahe. Fast alle Wettbewerbsteilnehmer haben die fünf Unterschiede richtig ent-deckt. Doch gewinnen konnten nur drei. Die Surprise-Glücksfee ermittelte drei Frauenals glückliche Siegerinnen: Der erste Preis, eine Surprise-Tasche gefüllt mit Überra-schungen, geht an Liliane Beck-Staedeli in Basel. Monika Fawer aus Sarnen kann sichschon bald mit dem zweiten Preis, dem Surprise-Strandtuch, in der Badi sonnen undGreta Wolff aus Oberglatt kann als dritte Gewinnerin die Surprise-Tasche in Empfangnehmen. Herzlichen Glückwunsch!

endgültig sein, auch grobe Gerichtsfälle, kom-plizierte Trennungen und gespielte Liebessze-nen verraten viel über den unergründlichenSeelenzustand von uns verliebten Zeitgenos-sen. Besonders nachdenklich stimmte michaber das köstliche Zwiegespräch der beiden alten, aber nicht zu spät Verliebten im nurscheinbar lammfrommen Altersheim. Dasklingt ja wie «Ewigi Liebi», alle jungen Liebes-geschichten dürfen wieder lebendig werden,auch der vergangene Schmerz ist nicht verges-sen und die trauernde Katze hilft schliesslich,die neue Heimat und das glückbringende Al-tersheim zu finden. Und wer weiss, vielleichtgibt es nach einem Jahr wieder einen Heirats-antrag!Christian Vontobel, Basel

Leserbriefe«Bei der Liebe ist Surprise immer für eineÜberraschung gut.»

Gewinner Bilderrätsel

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Basteln für eine bessere WeltMotorboote, die Badende zu Tode fahren, ein Grossevent, der in der Katastrophe endet, Jugendliche, die prügeln und morden, eine Naturkatastrophe mit ungewissen Langzeitfolgen: Die Welt scheint in letzter Zeit ein gefährliches Pflaster zu sein. Deshalb brauchenwir tüchtige Schutzengel, jeder von uns.

Nehmen Sie schönes Geschenkpapier.

Schneiden Sie daraus ein 14 x 12 Zentimeter

grosses Rechteck aus.

Legen sie das Rechteck vor sich hin.

Falten Sie eine Diagonale.

Öffnen Sie das Papier wieder und schlagen

Sie es über den Mittelpunkt der Diagonalen

nach hinten um.

Jetzt falten Sie die vorderen seitlichen

Ränder zur senkrechten Mittellinie.

Schneiden Sie dabei eine ganz

leichte Rundung in das Kleid. Als Haare können Sie ein paar Wollfäden

zusammenbinden und am Kopf Ankleben.

Kleben Sie den Kopf zum Schluss am

Körper fest.

Schneiden Sie einen kleinen Kreis

aus Karton und malen Sie dem

Schutzengel ein Gesicht.

Schlagen Sie die Ränder wie

auf dem Bild nach hinten.

Schneiden Sie die unteren Zipfel ab.

Falten Sie es dann wieder zurück und

drehen Sie das Papier um.

Jetzt falten Sie das Papier so zu einem

Dreieck, wie es die Faltlinien vorgeben

(vorne steht der Rand über).

Öffnen Sie das Papier wieder und

falten Sie die andere Diagonale.

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AufgelesenNews aus den 90 Strassenmagazinen,die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.

Biopiraterie per Gesetz

Nürnberg. Früher hoben die Bauern einenTeil ihrer Ernte als Saat fürs nächste Jahr auf.Sie konnten frei darüber verfügen. Heute ge-hört das Saatgut zunehmend multinationa-len Konzernen, die dafür kräftig kassieren.So durfte die Speisekartoffel «Linda» nichtmehr angebaut werden, weil ihr Besitzernicht mehr an ihr verdienen konnte. Der Sor-tenschutz war ausgelaufen: Die Saatgutfirmakonnte daher nebst dem Verkaufspreis keineLizenzgebühr mehr erheben.

Weltweit (fast) gratis urlauben

Freiburg. Als Globetrotter preiswert reisen,abseits von überfüllten Hotels oder Cam-pingplätzen übernachten und erst nochLand, Leute und Kultur hautnah erleben:Der Hospitality Club, eine unkommerzielleInternetplattform, verbindet Menschen aufder ganzen Welt miteinander. Das Netzwerkvon Reisenden und Gastgebern, die ei-nander kostenfreie Übernachtungsmöglich-keiten anbieten, hat weltweit über 320 000Mitglieder in 207 Ländern: www.hospitalityclub.org

Illegal nach Europa

Wien. Fabrizio Gatti reiste für sein Buch «Bilal» mit Auswanderungswilligen durchAfrika ans Mittelmeer – im LKW tagelangdurch die Wüste, ständig Plünderern ausge-setzt: Haben die Reisenden nichts, werdensie ausgesetzt. Während sie alles verkaufen,um Europa zu erreichen, verdienen dieSchlepper prächtig: Ist der LKW voll, machtdas 150 Tickets oder 6000 Euro. Am Endewarten die gefährliche Überfahrt nach Lam-pedusa und das Auffanglager, das an die NS-Zeit erinnert.

ZugerichtetVerbissene Hundedamen

Herr Wächter* gibt Wilma einen Ab-schiedskuss auf die feuchte Nase und mahntden Hundesitter, gut auf sie aufzupassen.Dann geht er durch die Glastüre des Bezirks-gerichts, winkt ihr von drinnen nochmals zu.Auf die Frage der Richterin nach seinen fa-miliären Verhältnissen antwortet er: «Wilma begleitet mich Tag und Nacht.» Berufshalbersind die beiden allabendlich in einem Indus-triegebiet unterwegs, um nach dem Rechtenzu schauen. In einer Herbstnacht vor einemJahr kreuzten sich ihre Wege mit jenem vonHerrn Brand und seiner Hündin Nora. Diebeiden Hundedamen gingen aufeinander los.Beide bluteten, Wilmas Ohr war angerissenund musste genäht werden. Herr Wächterhatte sich in den Kampf der Bestien gestürzt,um sie zu trennen, und wurde selber ge-bissen – die Narbe an der Hand ist noch zusehen. Im Eifer des Gefechts hieb er aller-dings dem anderen Hundehalter die Leinemit dem Karabinerhaken an die Schläfe, sodass der danach im Gitterzaun hing wie einnasser Sack.

Vor Gericht beruft sich Herr Wächter aufden Notwehrparagrafen, er habe die Hundeunter Einsatz seines Lebens getrennt, aberdamit kommt er nicht durch. Der Paragraf giltnur für Menschen, nicht für Tiere, belehrt ihndie Richterin. Und da die Hundeleine mit Kar-abinerhaken in dieser Situation als gefährli-ches Werkzeug gilt, wird der Schlag ins Ge-sicht als nicht mehr leichte Körperverletzunggewertet. Die Staatsanwältin forderte nebeneiner Geldbusse von 300 Franken auch eineunbedingte Geldstrafe von 60 Tagessätzen à30 Franken. Weil Herr Wächter schon eine

Körperverletzung mit Bewährung auf seinemStrafkonto hat.

Der Sicherheitsangestellte hatte dann undwann schon mit dem Gericht zu tun. Es fing2001 nach dem Verlust seines Jobs als Inge-nieur mit Fahren in angetrunkenem Zustandan, und ging weiter mit Nötigung. Geschiedenist Herr Wächter auch, seine Kinder sieht ernur sporadisch. Man könnte nun spötteln, jetztsei er vollends auf den Hund gekommen, aberdas wäre verkehrt. Der Hund gibt Herrn Wäch-ters Leben Halt und Inhalt. Wilma, ein weisserSchweizer Schäferhund, sei «intelligent, treu,wachsam, arbeitswillig und gut ausgebildet».

Anders die Mischlingshündin Nora. HerrBrand hatte das herrenlose Tier in Südspaniengefunden, der Hund reagiert unberechenbarund aggressiv auf andere Hunde. Als er ihn aus-führte, riss er sich von der Leine und verbisssich in Wilmas Schenkel und dann in HerrnWächters Hand. «Solche Leute», sagt der 57-jährige Wachmann mit verächtlichem Tonfall,«beherrschen ihren Hund nicht.» Es geht abernicht um Hundeerziehung. Es geht um den Kar-abinerhaken. Herr Wächter gibt den Schlag mitder Leine zu, aber ohne den Haken, der sowie-so keiner ist, sondern ein Klickverschluss,wenn auch aus Edelstahl. Der Geschädigte seiihm in den Rücken gefallen und habe ihn ange-schrieen. «Mein Adrenalin war auf hundert-achtzig», sagt Herr Wächter, «wegen Wilma, dapassierte es irgendwie.» Die Richterin senkt denTagessatz auf 25 Franken. «Danke», sagt HerrWächter erleichtert. «Ich brauche nämlich je-den Rappen für das Spezial-Hundefutter.»

* Persönliche Angaben geändert.

ISABELLA SEEMANN ([email protected])

ILLUSTRATION: PRISKA WENGER

([email protected])

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Surprise StrassensportFussballfest zum Saisonabschluss

ERWIN …und der Schulbeginn VON THEISS

VON OLIVIER JOLIAT

Die Surprise Strassensport-Liga steuert auf dasFinale zu. Das wird gefeiert! So locken zumSaisonabschluss, nebst dem Fussballspektakelder Liga-Teams, weitere Attraktionen auf denHof der Kaserne Basel.Fussball-Künstler Rafael Spajic zeigt, dass dasRunde nicht immer ins Eckige muss, um Fuss-ballfans zu entzücken: Der in Zürich geboreneBallvirtuose lebt mittlerweile in Kroatien undspielt dort auf höchstem Niveau Futsal – einedem bei uns gespielten Street Soccer sehr ähn-liche Fussballvariation. Mit seinen Tricks ent-zückt er das Publikum bei Turnieren von Za-greb bis London.Rafael spielt zudem auch im All-Star Team,welches die Surprise Nationalmannschaft zumletzten Testspiel vor dem Homeless World Cupin Rio de Janeiro fordert. Angeführt werden dieAll-Stars von Massimo Ceccaroni. Mittlerweilevor allem als Trainer der 1. Mannschaft desBSC Old Boys aktiv, schnürt der Kultspieler desFC Basel für Surprise wieder selbst die Fuss-ballschuhe. Weiter im Team sind NationalratBeat Jans, die Basler Grossrätin Mirjam Ball-mer, Brandhärd DJ Johny Holiday und AmberUnit Sänger Victor Hofstetter. ■

Sonntag, 22. August, 11 bis 17 Uhr, Kaserne Basel.

13 Uhr Freestyle Show und Testspiel Surprise Nati

gegen das All-Stars Team.

In Bern kickten die Surprise Nati-Spieler noch gegen Schauspieler Leonardo Nigro, in Basel wartet unter anderem

Massimo Ceccaroni auf die Strassenfussballer.

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VON CLAUDIA BOSSHARDT (TEXT) UND LUCIAN HUNZIKER (BILD)

Im leuchtend gelben, blitzblanken Pannenwagen braust Hans-PeterGerber zu seinen Einsätzen und begrüsst mit festem Händedruck seinGegenüber. Braungebrannt und mit Bürstenschnitt steht er da, ein Cha-rakterkopf. Er ist die Ruhe selbst und die Seriosität in Person. Die ge-stressten Autofahrerinnen und Autofahrer spüren sofort: Jetzt kann ih-nen nichts mehr passieren. Hans-Peter Gerber wird die Panne behebenoder das Auto abschleppen. Er weiss, was zu tun ist.

Bei einem Einsatz sei der erste Eindruck entscheidend, erzählt der59-Jährige. Deshalb muss das Auto sauber, der Mechaniker proper an-gezogen und der Tonfall freundlich sein. «Wir müssen Vertrauen we-cken, denn der Kunde fällt sein Urteil in den ersten Sekunden, bevor esüberhaupt zur Sache geht», erklärt der Inhaber des grössten Pannen-und Unfallservices der Nordwestschweiz. Nicht selten kommt es vor,dass die Leute ihren Frust über die Panne an seinen Mitarbeitern aus-lassen, «als wären wir schuld daran». Oder dass sie den Pannenhelfermit der Versicherung verwechseln, die nur einen bestimmten Teil derLeistungen bezahlt. Dabei möchte Hans-Peter Gerber doch nur, dass derKunde oder die Kundin dort ankommt, wo er oder sie hin will. Und amSchluss zufrieden ist.

Seine Leidenschaft ist die Strasse. Obwohl er mittlerweile 36 Mitar-beitende beschäftigt, teilt er sich selber genau gleich in die Zwölf-Stun-den-Schichten ein wie seine Angestellten. Ausserdem rückt er dann aus,wenn kein anderer mehr da ist. «Mir ist es enorm wichtig, dass ich je-den Tag auf die Strasse kann – sei es bei kleinen Pannen oder bei gros-sen Bergungen», sagt er mit ungebrochener Begeisterung. Warum? «Ichmag die Menschen», antwortet er schlicht. «Sie sind unsere tägliche Her-ausforderung. Dem Auto ist es ja egal, ob es kaputt ist oder nicht.»

Hans-Peter Gerber ist Unternehmer mit Leib und Seele. Und doch istes für den gestandenen Mann überhaupt nicht selbstverständlich, dasser dort angekommen ist, wo er heute steht. «Ich hatte eine schlechteAusgangslage. Riesiges Glück und riesige Zufälle waren im Spiel.» Undman darf wohl ergänzen: ein aussergewöhn-lich starker Wille. Prägend war eine Ungerech-tigkeitserfahrung in seiner Kindheit. Schon alsZwölfjähriger musste er beim Bauer in der Nä-he arbeiten gehen und durfte dafür dort dieMahlzeiten einnehmen. Seine Schulkollegen hingegen, die in den Feriendemselben Bauer beim Dreschen halfen, erhielten dafür einen Lohn –ganze 15 Franken pro Stunde. Der Jugendliche fasste einen Entschluss:«Wenn ich es später einmal irgendwo hinbringe, dann mache ich es an-ders.» Heute hat er für seine Angestellten einen Mahlzeitendienst orga-nisiert, Gerechtigkeit ist ein wichtiges Führungsprinzip, und die Atmo-sphäre im Betrieb ist familiär.

Als 26-Jähriger übernahm der gelernte Maschinenmechaniker mitseiner heutigen Frau Maria eine Tankstelle. Aus dem Bernbiet verschluges ihn nach Pratteln. «Es war uns egal wohin, wir wollten einfach zu-sammen etwas Eigenes beginnen», erzählt er. Seine Frau arbeitet heute

PorträtDer AbschlepperHans-Peter Gerber ist die Ruhe selbst und die Seriosität in Person. Kein Wunder, wird er zu komplizierten Ber-gungen in der ganzen Schweiz gerufen. Mit gleicher Leidenschaft kümmert er sich um kleine Autopannen.

noch im Betrieb, in der Buchhaltung und in der Zentrale. Schon damalszeigte sich Hans-Peter Gerbers Innovationsfreude: Er bediente die Tank-stelle auch am Wochenende – in den 70er-Jahren eine Novität. «Neben-her begann ich, Fahrzeuge abzuschleppen.» Aber er war naiv, hatte denfalschen Partner, verschuldete sich. Trotzdem machte er weiter, denn:«Ich spürte, dass hier etwas drinliegt.» Er informierte sich in den Nach-barländern und kaufte 1982 als erster in der Schweiz ein professionellesBergungsfahrzeug mit Kran und Seilwinde. Damit erschloss er sich ei-nen neuen Markt. Sechs Jahre später stand eine weitere Investition an,denn Gerber wurde vermehrt zu Lastwagenunfällen gerufen. Aus-schlaggebend war ein Unfall im Arisdorf-Tunnel: «Wir versuchten, denLastwagen mit einem selbst konstruierten Fahrzeug hochzuheben – undbefanden uns plötzlich in der Luft, denn wir waren zu leicht. Da wus-ste ich, die nächste Grösse muss her.» Die nächste Grösse war ein vierachsiges Bergungsfahrzeug mit einem Schwerlastkran und Unter-fahrlifter – das erste seiner Art und Grösse in Europa.

Bergungen sind Hans-Peter Gerbers Spezialgebiet. Er wird zu Unfäl-len in der ganzen Schweiz gerufen, etwa als im Juni ein Reisecar imWallis von der Strasse abkam und umstürzte. Oder wenn ein Betonmi-scher von 25 Tonnen ein ungeteertes Strässchen abrutscht. Dannbraucht es Berechnungen, einen Geologen und einen kühlen Kopf.Hans-Peter Gerber hat schon alles geborgen, was in eine Havarie ver-wickelt werden kann: Flugzeuge, Züge, Trams, Lastwagen, Reisebusse.Neuste Anschaffung ist ein Luftkissensystem, mit dem man umgekipp-te Fahrzeuge wieder aufrichten kann. Aber Gerber wird vorsichtiger: «Je älter ich werde, desto mehr Gespenster sehe ich. Früher war Sicher-heit viel weniger Thema, weil man die technischen Mittel nicht hatte.Ich liebte das Risiko und legte mich unter manchen Lastwagen. Heuteist mir das Leben mehr Wert. Jeder Fehlzug kann tödlich sein.» Auchdeshalb mag er die ganz normale Pannenhilfe immer mehr.

Geändert hat sich auch sein Vorgehen bei Bergungen: «Früher bauteman mehr auf Erfahrung und Intuition. Heute macht man Zeichnungen,Berechnungen und ein Briefing zum Vorgehen.» Es braucht seriöse

Kenntnisse in Statik und Kräftelehre. Seine ernorme Erfahrung in die-sem Fachgebiet will er nutzbar machen. Bei der Entwicklung des neuenBerufsbildes «Strassenhelfer/Strassenhelferin» setzt er sich deshalb da-für ein, dass mehr als nur Basiswissen in der Bergung zur Ausbildunggehört.

Und was macht der arbeitsfreudige Mann in der raren Freizeit? Ergeht zum Beispiel an die Thuner Festspiele und schaut sich das Musical«Dällebach Kari» an. Überhaupt, die Musik hat es ihm angetan, vor allem die klassische: «Es gibt nichts Schöneres, als mit 200 Stunden-kilometer über eine deutsche Autobahn zu fahren und dabei WienerKlassik zu hören.» ■

«Heute ist mir das Leben mehr Wert. JederFehlzug kann tödlich sein.»

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Sie könnten bei McDonald’s Hamburger braten oder am Fliessband ihr Sackgeld aufbessern. Doch Jugend-lichen, die in den Ferien auf dem Bauernhof arbeiten, gehts nicht ums schnelle Geld: Sie möchten Neues sehen und fürs Leben lernen.

LanddienstReifeprüfung auf dem Hof

zen mit acht Jungen. Und die haben Silvanas Zimmer und vor allem ih-ren Koffer zu ihrem Hauptquartier ernannt. Am Landdienst gefällt derJugendlichen, dass selbstständiges Arbeiten gefragt ist: «In der Schulewird einem gesagt, was man tun muss, hier muss man die Arbeit selbersehen.» Stall ausmisten, Mirabellen pflücken, Kochen, Rasen mähen,den Hofladen bedienen – Silvana geht die Arbeit auf dem Tempelhof jedenfalls nie aus. Besonders jetzt nicht, da die Bäuerin mitsamt denKindern in den Ferien ist und sie für den Bauern und die Angestelltenkochen muss. «Ich habe das meiste, was ich hier mache, schon einmalgekocht», erzählt sie. Und der Bauer, Martin Meier, meint gutmütig:«Hier sind immer alle sehr hungrig.» Für ihn sollen die Landdienstler eine Unterstützung im Betrieb sein, Leute mit zwei linken Händen sindihm keine Hilfe. Mit Silvana ist er zufrieden, ihn beeindruckt die Längeihres Aufenthalts: «Normalerweise kommen die Jugendlichen für ein,zwei Wochen. Wir wussten nicht, ob Silvana die vier Wochen durch-halten würde, aber sie beisst sich durch.» Silvana hat in den ersten drei Wochen Bekanntschaft mit allerlei Beerensorten gemacht und dasSammeln in der prallen Sonne ist etwas, auf das sie nach dem Land-dienst wirklich locker verzichten kann. Die jungen Katzen wird sie aller-dings – obwohl sie ihr in den Nächten den Schlaf rauben – vermissen,wenn sie wieder daheim ist. Bauer Meier möchte den Jugendlichen seine Grundeinstellung zur Arbeit mitgeben: «Es gibt Dinge, die manmachen muss, auch wenn sie nicht so toll sind.» Gleichzeitig will er aber

auch Landwirtschafts-Vorurteile abbauen. Sein Hof ist nicht der klassi-sche mit Kühen und Milchwirtschaft, sondern er betreibt auch eine Be-senbeiz und einen Hofladen.

Ob sie all das, was sie während ihres Landdienstes tut, jemals wiedergebrauchen wird, weiss Silvana nicht. Wohl eher nicht, denn ihre Zu-kunftspläne sehen keine Beschäftigung auf einem Bauernhof vor: Matu-ra machen, Auslandaufenthalt, Studium. «Auf die Erfahrung, einfach malzu machen, etwas auszuprobieren, so wie beim Kochen, werde ich aberbestimmt wieder zurückgreifen können», ist Silvana überzeugt.

Matias, Riedenholzhof«Ich musste mich an die Beeren gewöhnen», beschreibt Matias takt-

voll seine Erfahrungen mit der Beerenernte. Der 14-Jährige ist tapfer,sagt, er mache das, was man ihm auftrage. Man glaubt es ihm aufs Wort.Der Schüler, der mit Yannick im Appenzellerland auf einem Bauernhofaufwächst, weiss, was es heisst, körperlich zu arbeiten, und wenn er

VON JULIA KONSTANTINIDIS (TEXT) UND CHRISTIAN SCHNUR (BILDER)

Himbeeren, Mirabellen, Kirschen – Yannick, Silvana und Matias wer-den sie noch lange in Erinnerung behalten: Denn diese Früchtchen dominierten ihre Tages- und Wochenabläufe während ihres Landdienst-einsatzes, der wohl traditionellsten Form des Ferienjobs in der Schweiz.

Yannick, ChätschYannick wird in Zukunft mit Kennerblick die Kirschen anschauen, die

er isst. Denn auf dem Hof der Familie Gut auf dem Chätsch in Rümlang,einer Zürcher Gemeinde, die an die Stadt grenzt, hat der 14-Jährige ge-lernt, wie Kirschen sortiert werden und wofür die schönen und wenigerschönen zu gebrauchen sind. «Diese Arbeit hat mir sehr gefallen, dennman kann sie gemeinsam machen und dabei auch miteinander sprechen», findet der Schüler. Auch die Verkaufsaktion, die Yannick zu-sammen mit den vier Gut-Kindern nach der Kirschenernte startete, warNeuland für ihn: Sie zogen mit den frischen Früchten von Nachbar zuNachbar und boten sie zum Kauf an. Weil Yannick in Appenzell Inner-rhoden auf dem elterlichen Landwirtschaftsbetrieb aufwächst, kennt erjedoch viele der anfallenden Arbeiten auf dem Gutschen Hof von zuHause. «Für Stadtkinder ist der Landdienst vielleicht nicht so geeignet,sie haben es schwerer, die Dinge zu lernen», überlegt Yannick, der frü-her die Idee hatte, zu bauern, wenn er erwachsen ist – jetzt liegt die Prä-ferenz bei Metallbauschlosser. Aber auch erfreut sich, wenn der Landdienst nach zwei Wochen vorbei ist: «Ich werde mich gerne aus-ruhen und gehe dann sicher viel Töfflifahren,ich habe erst gerade die Prüfung gemacht.Ausserdem freue ich mich auf unseren Hund daheim, auf die Familieund die Freunde.» Die Erholung hat sich Yannick verdient, denn derLanddienst sei nicht nur Vergnügen: «Es ist beides, Ferien und Arbeit.»

Silvana, TempelhofAus der Stadt kommt sie zwar nicht, trotzdem hat sie nichts mit

Landwirtschaft zu tun: Silvana aus Klosters im Bündnerland verbringtvier Wochen auf dem Tempelhof in Rümlang, über den beinahe im Se-kundentakt startende und landende Flugzeuge hinwegdonnern. «Ich ha-be mir den am tiefsten gelegenen Hof ausgesucht und einen, der keineKühe hat», erklärt Silvana ihre Wahl. Die 17-Jährige flüchtet in den Som-merferien gerne aus ihrem bergigen Zuhause und hat sich nach dreiein-halb Wochen gut in der Unterländer Grossstadt-Agglomeration einge-lebt. «Am Anfang war es schon ein bisschen komisch, immer mit denvielen Tieren», meint sie. Auf dem Tempelhof leben zwar keine Kühe,dafür Ziegen, Hunde, Esel, Hasen, Enten, Hühner, Pferde und vier Kat-

«Landdienst braucht Ausdauer, man mussarbeiten können – und flexibel sein.»

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Weiss mit der Mistgabel umzugehen: Yannick packt im Landdienst mit an.

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etwas mache, aber ich möchte gerne körperlich arbeiten», überlegt derdrahtige Teenager. Dass er als Landkind ausgerechnet auch noch die Fe-rien im ländlichen Umfeld verbringt, findet Matias nicht seltsam. ImGegenteil, er sieht in seinem Hintergrund einen Vorteil für diese Art vonFerienjob: «Es braucht Ausdauer und man muss arbeiten können – undflexibel sein. Wenn du in den Beeren bist und dann im Stall was pas-siert, musst du eben dort helfen.» Ob das Stadtkinder packen würden,weiss Matias nicht so recht: «Vielleicht könnten sie erst mal für einenTag schauen und dann entscheiden, ob das was ist für sie», meint er.

Idealismus gefragtUm vom Landdienst profitieren zu können, braucht es eine gute Por-

tion Idealismus und Neugierde. Jugendliche, die einfach mit ihrem JobGeld verdienen möchten, sind auf den Bauernhöfen fehl am Platz: NebstKost und Logis erhalten die Teenager je nach Alter zwischen 12 und 20Franken Sackgeld pro Arbeitstag. Die Arbeitszeiten betragen, je nach Al-ter, zwischen 40 und 48 Wochenstunden maximal.

Doch auch die Bauernfamilien, die Landdienstler aufnehmen, müs-sen mit Idealismus an die Sache gehen: Sie wissen nicht, mit wem sietemporär ihr Haus teilen und wen sie an ihrem Leben teilhaben lassen.Das verlangt Offenheit und Vertrauen.

Für Sonja Küchler vom Riedenholzhof ist Matias ein Glücksfall – mitihm habe es sofort «gegeigt». Man merke ihm seinen ländlichen Hinter-grund an, das mache einiges einfacher. Denjenigen, die nicht aus demLandwirtschafts-Milieu kommen, will die Bäuerin zeigen, welche Ar-

sagt, dass er beim «Beerelen» auf die Zähnebeissen muss, dann nicht, weil ihm die Arbeitzu anstrengend ist, sondern weil er sich mehrAbwechslung wünscht. Aber so ist es in derLandwirtschaft, da muss gemacht werden, was ansteht – auch das weisser. Und zum Glück sind da nicht nur Beerenstauden auf dem Stadtzür-cher Riedenholzhof der Familie Küchler, sondern auch über 60 Kühe, diegemolken werden müssen. Sie entschädigen Matias für die Stunden zwi-schen den Himbeeren. Das abendliche Melken in der Melkanlage desKüchlerschen Hofs ist ein Highlight seines zweiwöchigen Aufenthalts beider Familie: In einen Teil des Stalls werden die Kühe nacheinander überSensoren eingeschleust. Für acht Tiere gibts «Andock-Stationen». Die Kü-he werden an Melkmaschinen angeschlossen und der Melkvorgang viaComputer gesteuert. Die Milch fliesst durch einen Schlauch direkt in denTank in einem angrenzenden Raum. «Zu Hause haben wir nicht so vieleMaschinen, unser Hof liegt am Steilhang und wir haben viel weniger Kühe», berichtet Matias. Deshalb möchte er bis zum Ende seines Auf-enthalts auf dem Riedenholzhof auch noch so oft wie möglich mit Maschinen arbeiten: «In nächster Zeit sollen auf den Feldern Strohballengemacht werden, da wäre ich gerne dabei.»

Sein Vater sei auf die Idee mit dem Landdienst gekommen: «MeinBruder und ich wollten nicht mit in die Familienferien und auf ein Fe-rienlager hatten wir nicht gross Lust.» Im Internet hat sich Matias dannden Riedenholzhof für den Landdienst ausgesucht. «Es ist lustig, mal inStadtnähe zu wohnen, aber immer müsste ich das nicht haben», meintder Appenzeller Innerrhodner aus Oberegg mit kritischem Blick auf dieAutobahn, die nicht weit entfernt vom Hof der Familie Küchler vorbeiführt. Er habe einfach mal etwas anderes sehen wollen als den elter-lichen Betrieb. «Ich weiss nicht, ob ich später mal in der Landwirtschaft

Dreckige Kleider gehören beim Spielen dazu. Dreckige Luft nicht.

Anzeige:

«In der Schule wird einem gesagt, was man tunmuss, hier muss man die Arbeit selber sehen.»

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Die Stunden zwischen den Himbeerstauden vergisst Matias nicht so schnell. Übungsfeld Küche: Silvana bekocht den ganzen Bauernhof.

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beiten auf einem Hof anfallen und ihnen einen Eindruck vom Leben ineiner grösseren Gemeinschaft als der Kernfamilie geben: «Bei uns sitzentäglich sieben bis acht Personen zum Essen gemeinsam am Tisch, fürviele Landdienst-Jugendliche ist das ungewohnt.» Meistens findet mansich, aber Sonja Küchler hatte auch schon Gäste, mit denen es über-haupt nicht geklappt hat. Dann wurde der Einsatz frühzeitig beendet.Auch Martin Meier vom Tempelhof musste schon einen Jugendlichenfrüher als geplant nach Hause schicken: «Das war, wie wenn wir einKind mehr zur Betreuung hätten», meint er. Und das geht nicht.

Können auslotenSo offen die Bauernfamilien sind und die Jugendlichen in das land-

wirtschaftliche Leben einführen, so angewiesen sind sie auch auf dieMithilfe der Landdienstler. Im Gegenzug lernen sie aber auch Neueskennen: «Man erhält Einblick in die Welt der Jugendlichen, ihr Verhal-ten gegenüber uns Erwachsenen und den Kindern, sagt viel über sieaus», überlegt Martin Meier. «Die einen arbeiten gerne für sich, anderekleben an einem.» Mit beidem sei umzugehen, das müsse man einfachausloten.

Annelies Gut, die Gastbäuerin von Yannick, führt ein Gästebuch, indas die Jugendlichen gegen Ende ihres Aufenthalts schreiben. Sie kom-men aus den verschiedensten Regionen, sogar aus Ländern wie Hollandoder Frankreich. Neben vielen herzlichen Dankeschöns und besten Er-lebnissen kann man da und dort zwischen den Zeilen auch von schwie-rigeren Zeiten lesen. «Stadtkinder sind vielleicht etwas weniger patent,manchmal gibt es auch Berührungsängste, weil jemandem das Umfeldauf dem Bauernhof unbekannt ist. Aber die Landdienstler geben ihr Bes-tes», hat Annelies Gut in den vielen Jahren, in denen sie Jugendlicheaufnimmt, beobachtet.

«Der Landdienst ist eine gute Vorbereitung auf das Berufsleben, dieLandwirtschaft ist ein komplexes Berufsbild und wird oft unterschätzt»,findet Sonja Küchler vom Riedenholzhof, während sie im Hofladen Kun-den bedient.

Matias stimmt ihr zu – er lernt gerade fürs Leben. ■

Legende

Mehr Städter

Die in den 20er-Jahren für Studenten und Lehrlinge obligatorisch ein-geführten Hilfsheuerdienste waren die Vorläufer des heutigen Land-diensts. Mit der Aufhebung des Obligatoriums 1946 kam der Land-dienst auf freiwilliger Basis, wie er heute angeboten wird, zu seinerForm. Seit 2009 nennt sich die Vermittlungsstelle des LanddienstsAgriviva – man wollte sich vom Wort «Dienst» im Namen trennen. Jugendliche, die Landdienst leisten möchten, können sich unterwww.agriviva.ch einen Hof aussuchen. Die Betriebe sind dort mit Pro-filen über die Art ihrer landwirtschaftlichen Ausrichtung aufgeführt.Agriviva ist immer auf der Suche nach Höfen, die Landdienstler auf-nehmen: Von den etwa 60 000 Schweizer Betrieben bieten rund 1000Höfe Plätze für den Arbeitseinsatz an. Zwar hatte der Landdienst mit rund 6000 Einsätzen jährlich Ende der 60er-Jahre seinen Beliebt-heits-Höhepunkt erreicht, doch letztes Jahr leisteten immerhin 2672 Jugendliche einen Einsatz. Etwas mehr als die Hälfte waren Mädchen.Letztes Jahr meldeten sich zudem mehr städtische Jugendliche zumLanddienst an als solche aus ländlicher Umgebung. (juk)

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Seit über 20 Jahren forscht Rolf Pfeifer auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz. SpezielleExperimente helfen ihm, Verhalten und Fähigkeiten von Wesen zu begreifen.

Künstliche Intelligenz«Verstehen durch Nachbauen»

Wie meinen Sie das?Nun, aus evolutionsgeschichtlicher Sicht ist die Fortpflanzung dasWichtigste. Ob dafür Intelligenz notwendig ist, weiss ich nicht. EinfacheBakterien beispielsweise leben sehr gut seit Millionen von Jahren.

Unter künstlicher Intelligenz kann sich der Laie nur schwer etwasvorstellen. Könnten wir auf das Forschungsgebiet nicht schlicht ver-zichten? Betrachten wir unsere alternde Gesellschaft und denken daran, dassman den Menschen bis ins hohe Alter möglichst viel Autonomie gebenwill. Das lässt sich zu einem grossen Teil durch Maschinen unterstüt-zen. Es ist mir bewusst, dass es für viele Horror ist, von einer Maschinegepflegt zu werden. Ich gebe Ihnen daher noch ein weiteres Beispiel:Wenn Sie beispielsweise beim Ski fahren stürzen, das Knie verletzenund vorübergehend nicht mehr gehen können. Würden Sie lieber denLift nehmen oder sich von einer Person die Treppe hochtragen lassen?

Ich würde den Lift nehmen.Eben. Das heisst, sie kompensieren ihre eingeschränkten Körperfunk-tionen mit Hilfe einer Maschine. Benützen Sie einen Lift, müssen Sieniemanden fragen, Sie brauchen nur einen Knopf zu drücken. Maschi-nen geben einem zusätzliche Autonomie. Es mag sein, dass es für einenengen Kontakt eine andere Art von Maschinen braucht. Man spricht indiesen Bereichen übrigens von der biologisch inspirierten Robotik.

Worum handelt es sich dabei?Es geht darum, bei Menschen und Tieren zu beobachten, wie etwasfunktioniert. Man setzt auf die Zusammenarbeit mit Neuro- und Sport-wissenschaftlern, aber auch mit Verhaltensbiologen. Das bringt uns vielWissen darüber, wie wir Roboter konstruieren müssen. Insbesondere je-ne, mit denen wir direkt interagieren wollen. Da geht es dann um dieAnwendung von künstlicher Intelligenz.

Wo findet sich künstliche Intelligenz im Alltag?Wir sind, ohne es zu merken, bereits davon umgeben. Zumindest trifftdas auf den klassischen algorithmischen Ansatz zu; denken wir etwa anGoogle. Die Suchmaschine enthält viele nützliche Algorithmen, die ih-ren Ursprung in der künstlichen Intelligenz haben. Ich denke an Such-

VON JOHANNA WEDL (TEXT) UND ANDRI POL (BILD)

Herr Pfeifer, haben Sie den Film «Artificial Intelligence» gesehen?Ja, an den Streifen kann ich mich erinnern. Ich fand ihn alles in allemstimulierend, er hat eine provokative Botschaft. Vor allem eine Szene istmir geblieben: Der Knabe, ein Roboter, isst Spinat und merkt, dass erdas Essen nicht verdauen kann. Sein Stoffwechsel ist ganz anders als derdes Menschen. Rein äusserlich unterscheidet er sich aber kaum von ei-nem Menschen. Durch das ähnliche Aussehen dürfen wir uns nicht täu-schen lassen. Die Szene weist übrigens einen direkten Zusammenhangmit dem «Embodiment» auf.

Wofür steht dieser Begriff «Embodiment»?Es geht um das Zusammenspiel zwischen dem Körper, der physikali-schen Interaktion mit der Umwelt und der Informationsverarbeitungvom Gehirn. «Embodiment» meint, dass Intelligenz einen Körper benö-tigt, damit es zu physikalischen Interaktionen mit der Umgebung kom-men kann. So wird das Lernen über die Aussenwelt überhaupt erst er-möglicht. Wir untersuchen die Rolle des Körpers bei der Entwicklungvon intelligentem Verhalten.

Wie definieren Sie künstliche Intelligenz im Allgemeinen?Die künstliche Intelligenz ist ein Forschungsgebiet, das drei Ziele hat.Erstens geht es darum, biologische Systeme wie Menschen und Tiere zuverstehen. Zweitens müssen Prinzipien extra-hiert werden, die allgemeingültig sind, damitsie bei künstlichen Systemen angewendet wer-den können. Das dritte Ziel ist dann die Ent-wicklung dieser künstlichen Systeme.

Sie beschäftigen sich seit Mitte der 80er-Jahre mit dem Thema. WarIhr damaliger Forschungsansatz mit dem heutigen vergleichbar?Oh nein, in keiner Art und Weise. Alles beruhte auf Programmen, nichtsdrehte sich um Roboter oder Embodiment. Wir arbeiteten auf einer sehrabstrakten Ebene, die weit von unserem heutigen Ansatz entfernt liegt.

Was fasziniert Sie so sehr an diesem Fachgebiet?Es gibt schon Tage, an denen ich nichts mehr damit zu tun haben will(lacht). Aber Intelligenz ist etwas extrem Faszinierendes. Es hat gesell-schaftlich einen aussergewöhnlich hohen Stellenwert, viel höher alsEmotionen. Obwohl ich eingestehen muss, dass die Intelligenz für das Überleben einer Spezies wahrscheinlich nicht von so zentraler Be-deutung ist.

«Die Intelligenz ist für das Überleben einer Spezieswahrscheinlich nicht von zentraler Bedeutung.»

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Legende

verfahren und Mustererkennung. Dasselbe gilt für ein Schachpro-gramm. Wir haben zudem automatisierte Transportmittel und cleverePutzmaschinen, die uns viel Arbeit abnehmen. Für viele Einzeltätigkei-ten gibt es eine Maschine, die etwas schnellerund besser erledigt. Was noch fehlt, sind men-schenähnliche Maschinen. Der Mensch kannsehr viele Dinge gleichzeitig tun. Beispiels-weise kann er zur selben Zeit gehen, einSchaufenster anschauen, eine Tasche tragen und reden. Menschen inter-agieren schnell und sanft mit der Umwelt und reagieren sofort auf Ver-änderungen. Eine Maschine mit diesen Fähigkeiten zu bauen, ist einegrosse Herausforderung.

Wer durch die Gänge Ihres Labors wandert, entdeckt in jedem Büroein anderes Experiment. Was für eine Bedeutung haben Experimen-te in Ihrer Forschung?Ich brauche das reale Experiment unbedingt. Natürlich könnte ich in ei-nem Lehnstuhl sitzen und den ganzen Tag nachdenken, wie ich etwaslösen will. Aber um Intelligenz tatsächlich zu verstehen, brauche ich dieKonfrontation mit der realen Welt. Man muss etwas bauen. Dann siehtman sofort, ob es funktioniert.

Warum ist das Experiment so wichtig?Wir können nur beschränkt vorhersehen, was passiert. In der Robotikerlebt man immer wieder Überraschungen. Das reale Experiment lässtsich durch keine Simulation ersetzen, obwohl wir viel simulieren. EinNaturwissenschaftler lebt von reproduzierbaren Experimenten, weil erdadurch sehr viel lernt. In der Intelligenzforschung kommt ein neuerTyp von Experimenten dazu.

Wie sieht der aus?Mich interessiert ein Verhalten oder eine Fähigkeit. Ich möchte etwawissen, wie eine Ameise den Weg zum Haufen zurück findet, wenn sieFutter entdeckt hat. Ich kann die Ameise studieren, oder aber ich bauezusätzlich ein System, das dieselben Funktionalitäten besitzt wie dieAmeise. Dadurch verstehe ich ein Phänomen viel besser. Dafür genügtes nicht, einen Algorithmus anzuwenden. Das Motto lautet: «Verstehendurch Nachbauen».

Lässt sich dieser Slogan auch auf den Menschen anwenden?Ja, durchaus. Ich will verstehen, wie Menschen aus einem Glas trinkenkönnen. Wer menschliche Tätigkeiten imitiert, hofft, irgendwann einenhumanoiden Roboter zu entwickeln. Das sind Maschinen, die men-schenähnliche Fähigkeiten besitzen. Dieser Typ Roboter wird etwa imFilm «Artificial Intelligence» gezeigt.

In der Intelligenzforschung weisen sich naturwissenschaftliche undphilosophische Fragestellungen in die Schranken. Inwieweit ist einmenschliches Bewusstsein naturwissenschaftlich erforschbar?Tatsächlich versuchen wir, die Frage des Bewusstseins auszuklammern.In unserer Forschung gibt es derart viele Fragestellungen, dass wir dasanderen überlassen können. Ich denke, die Neurowissenschaften bei-spielsweise kommen dem Bewusstsein näher. Ein weiterer Punkt ist,dass zum Bewusstsein viele unterschiedliche Erklärungsansätze undTheorien bestehen und sie alle eine gewisse Plausibilität haben.

Ist das Bewusstsein ein zu komplexer Bereich, um es in Ihre For-schung einzubinden?Da bin ich mir nicht sicher. Es ist einfach eine schlüpfrige Sache. Dasteht unweigerlich auch die Frage des freien Willens an, und das ist et-was, was nicht unumstritten ist. Die Fragestellung fasziniert mich. Aberehrlich gesagt, wüsste ich nicht, wie man das wissenschaftlich richtigangeht.

In Ihrem Labor in Zürich Oerlikon gibt es eine Forschungsstation,bei der die Informationsverarbeitung an Pflanzen untersucht wird.Konkret soll ein Roboter lernen, den gesamten Nährstoffhaushalt der

Pflanze zu optimieren. Wie weit darf künstliche Intelligenz aus Ih-rer Sicht gehen?Ich sehe momentan keine Grenze. Wir versuchen deshalb, biologischeSysteme mit Robotern zu koppeln. Wenn ich daran denke, dass dank in-telligenten Implantaten Gehörlose plötzlich wieder hören können, istdas phänomenal. Die Leute sind total begeistert und ihre Lebensqualitäthat sich vervielfacht. Da geht es auch um künstliche Intelligenz. Aberman kann nicht einfach einen Chip ins Gehirn setzen und meinen, kei-ne Sprachen mehr lernen zu müssen. Es wird sich auch zeigen, was sichals ökonomisch machbar durchsetzen wird. Ich persönlich finde einenRoboter, der sich am Menschen orientiert, ein geniales Forschungsziel.

Das klingt, als hätten Sie davon schon eine konkrete Vorstellung?Mir schwebt ein «companion robot» vor, diesen Ansatz hört man oft ausJapan. Es geht dabei um einen Roboter, der sich wie ein Kumpel verhält.Er soll Aufgaben abnehmen und gleichzeitig lieb und nett sein. Leidersind wir meilenweit davon entfernt, so etwas auch nur annähernd zuhaben. Ein Mensch hat beispielsweise Haut, über die er fühlen kann.Das ist nur eine von vielen Herausforderungen. Vielleicht ist es aucheher so, dass man auf Einzeltätigkeiten spezialisierte Maschinen habenwird, ich weiss es nicht. Die letzten Worte in dieser Sache sind nochnicht gesprochen. ■

Das Interview erschien zum ersten Mal im NZZ Campus Magazin vom Mai 2010.

Zur Person

Rolf Pfeifer ist 1947 geboren. Er hat an der ETH Zürich Physik und Ma-thematik studiert. Dort erwarb er auch seinen Doktortitel in Compu-terwissenschaften. Seit 1987 ist er der Direktor des Artificial Intelli-gence Laboratory (AI-Lab) am Institut für Informatik der UniversitätZürich. Neben seiner Tätigkeit am AI-Lab forscht und lehrt Rolf Pfei-fer unter anderem an Universitäten in Brüssel, Peking, Schanghai,dem MIT in den USA, Tokio, Italien sowie dem Sony-Computerwis-senschaften-Labor in Paris. Pfeifer ist geschieden und hat zwei er-wachsene Söhne. Als besonderes Hobby nennt der Wissenschaftlerdas Ausprobieren neuer Biersorten.

«Um Intelligenz zu verstehen, brauche ich dieKonfrontation mit der realen Welt.»

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Landauf und landab sind die Kinder am Morgen wieder unterwegs in die Schule. Auf einemSchulweg von zehn Minuten gibt es Abenteuer für einen ganzen Tag zu erleben.

Schulweg Unterwegs imAbenteuerland

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VON JANINE KERN (TEXT) UND CHRISTIAN FLIERL (BILDER)

«Um halb acht gehen wir los und sagen tschüss», erklärt die neun-jährige Mia vor dem Gartentor. «Das ist manchmal lustig und manchmalblöd und manchmal langweilig.» Ihr Patchworkbruder Luca, acht Jahrealt, nickt. Langweilig ist es immer dann, wenn sich die Erwachseneneinmischen, bevor es losgeht. Wenn die Kinder eine Jacke anziehenmüssen, obwohl es gar nicht kalt ist. Wenn sie aufgehalten werden inder Tür, obwohl sie eigentlich schon unterwegs sind.

Denn auf dem Schulweg sind die Kinder endlich unter sich, ohne dieKontrolle von Eltern und Lehrpersonen. Ein wertvoller Freiraum, in demdas Quartier erkundet wird, in dem soziale Beziehungen erprobt und ge-pflegt werden, in dem sich die Knirpse ganz ihrem eigenen kindlichenRhythmus hingeben können.

«Hier trennen sich unsere Wege»Kurz nach dem Gartentor überqueren Luca und Mia eine stark be-

fahrene Strasse – glücklicherweise die einzige auf ihrem Schulweg.Dann trennen sich ihre Wege für kurze Zeit, während beide je einGspänli abholen. «Hallo Mia, ich komme gleich!», tönt es durch dieGegensprechanlage. Und dann ziehen die beiden Mädchen los, singenddie dritte im Bunde abzuholen.

Wenn Luca bei seinem Freund klingelt, sitzt dieser meist noch beimFrühstück. Dann darf er am Familientisch warten, bis es gemeinsamweitergeht. Ein Stück weiter vorne, beim klei-nen Park, holen sie die Mädchen wieder ein:«Dann wird es richtig spannend, wenn alle zu-sammen sind», sagt Mia. «Mit Schulsack tretenund so.» Strahlende Gesichter. «Manchmal trifft man nicht den Schul-sack, sondern das Füdli des Kindes. Das tut dann richtig weh», fügt Luca lakonisch an.

Manche Dinge laufen jeden Tag genau gleich ab. Trotzdem bleibtRaum für spontane Entscheidungen oder Überraschungen auf dem Weg:Linke oder rechte Trottoirseite? Mitten durch das Pärkli oder aussen-rum? Die Wahl der Strassen hat System: Wer auf der Hauptstrasse geht,trifft viele Kinder an, wer den Weg durch eine Seitenstrasse wählt, willlieber allein sein. «Manchmal finden wir Umwege lustig», erklärt Mia.«Aber in letzter Zeit ist es mir zu kompliziert, so oft abzubiegen.»

Streiche aushecken, Rätsel lösenFast jedes Haus am Weg beschwört eine Erinnerung herauf. Vor ei-

nem Haus mit üppigen Blumentöpfen kichert Mia plötzlich: «Ah, hierhabe ich einmal einen Blumenstrauss für meine Mama aus den Töpfengepflückt. Er ist sehr schön geworden.» Weiter vorne schaut manchmaleine behinderte Frau aus dem Fenster.

Auch die Briefkästen am Weg sind immer einladend. «Wenn ichGlück habe, finde ich eine Wasserflasche auf der Strasse. Dann nehmeich sie und giesse Wasser in den Briefkasten», gesteht Luca. Die beidenKinder glucksen vor Vergnügen. «Aber es kommt ja selten vor, dass ei-ne Wasserflasche auf der Strasse liegt», beschwichtigt er. Um gleichnoch anzufügen, dass es im Winter auch gut mit Schnee funktioniere.Der Reiz des Verbotenen ist auf dem Schulweg gross. Der Ideenreichtumder Kinder auch: Ein Junge wollte einmal Zeitungen in die Auspuffe derAutos stecken. Mia und Luca erinnern sich nicht, ob er es wirklich ge-tan hat …

Weiter vorne an der Strassenecke, mitten im beschaulichen Wohn-quartier, ist ein Geschäft für Bürogeräte. Auf Luca übt dieser Laden einemagnetische Anziehung aus: «Ich und mein Freund glauben, dass hiergefälschte Ware verkauft wird», raunt er verschwörerisch. Deshalb ha-ben die beiden einmal ihre Detektiv-Notizbüchlein mitgenommen undIndizien gesammelt. Website notiert, Preise und Produkte registriert,Auto- und Bestellnummern abgeschrieben, Türen überprüft, den Keller-abgang erforscht. Die Hausnummer, die an einem sehr seltsamen Ort

auf der Seite des Nachbargebäudes hängt, würde Luca gerne abschrau-ben, um nachzusehen, ob sich dahinter etwas verbirgt. Beweise habensie noch keine gefunden. Aber es fühlt sich an wie bei den «Drei ???»,deren Geschichten die beiden Jungen gemeinsam ab CD hören.

Haken schlagen, Tempo wechselnMia spielt keine Detektivspiele. Dafür springt sie gern über die He-

cken bei den Wohnblocks gleich vor der Eisenbahnbrücke. «Das gibtmir ein richtiges Glücksgefühl», sagt sie, strahlt und hüpft weiter. Auchdas gehört zum Schulweg: Haken schlagen, plötzlich die Bewegungsartund das Tempo wechseln, trotten, rennen, hüpfen, vorwärts, rück-wärts, Stopp.

Darum geht es auch bei dem Spiel auf der Eisenbahnbrücke, das al-le Erstklässler jedes Jahr spielen: Zuerst vor der Brücke warten, bis einZug kommt. Kaum ist die Lokomotive unter der Brücke, rennen alle los.Ziel ist es, auf der anderen Seite anzukommen, bevor der letzte Wagenunter der Brücke durch ist, sonst explodiert sie. Rettung bringen unter-wegs nur die kleinen Betonvierecke im Trottoir. Trotz besseren Wissens,dass die Brücke heil bleiben wird, garantiert das Spiel jeden MorgenHerzklopfen.

Luca und Mia sind inzwischen zu gross, um noch mitzuspielen. Hin-gegen macht es ihnen Spass, Papierflugzeuge von der Brücke auf dieSchienen und die heranbrausenden Züge zu werfen. Mia und ihreFreundinnen dürfen manchmal Notizpapier oder alte Arbeitsblätter aus

dem Klassenzimmer mitnehmen, aus denen sie dann Flugzeuge falten.Luca holt sich gerne die Faltblätter von den Pfadis und Blauringlern, diemanchmal vor dem Schulhaus für neue Mitglieder werben. Sein Trick,um mehr als einen Flyer zu ergattern: «Ich sage, ich brauche zwei Zet-tel, weil mein Freund vom Kindergarten auch in die Pfadi will.»

Auch andere Dinge fliegen bisweilen auf den Bahndamm: Znüniböx-li, Schuhe, Turnsäcke oder Bälle. Die Böschung hinunterzuklettern iststrengstens verboten. Wer holt die Turnsäcke und Schuhe dann wiederhoch? «Keine Ahnung», sagt Luca. «Die liegen da ein paar Tage, undirgendwann sind sie weg.» Ein Junge sei natürlich trotz Verbot schoneinmal ein Stück weit hinuntergeklettert, um einen Hüpfball zu holen,berichtet er unter Mias missbilligendem Blick. Den Ball warf er dann mitGenuss auf die Schienen, und alle schauten zu, wie er unter dem Zugzerplatzte.

Jungs jagen Mädchen – Mädchen jagen JungsNatürlich gibts auch immer mal wieder Streit. Das nervt, findet Mia,

aber es macht auch Spass, die anderen zu foppen. Von unten an dieSchulsäcke treten, einander mit Löwenzahnblumen peitschen, die Müt-ze klauen, das Znüniböxli wegkicken, Wrestling – all das, was die Er-wachsenen so schnell nervös werden lässt. Meistens ist es wirklich nurSpass, aber manchmal wird eine Grenze überschritten: «Wenn ich miteinem vollen, schweren Schulsack aus der Schule komme, nervt es michschon, wenn die Jungs mich treten», sagt Mia und verdreht die Augen.«Aber das ist normal unter den Kindern, also zwischen den Geschlech-tern», fügt sie weise an. Jungs jagen Mädchen, Mädchen jagen Jungs.Trotzdem kommt es vor, dass Mia einen anderen Weg nimmt, um je-mandem auszuweichen. Luca kam einmal mit einem geschwollenenAuge nach Hause, weil ein Spasskampf ausgeartet war. Wirklichschlimm wird es für Luca und Mia aber nie. Keine Banden lauern aufdem Schulweg, keine Schikanen, keine Gewalt.

Und die Erwachsenen? Sie sollen wenn möglich Randfiguren bleiben.Im besten Fall werden sie zu einem täglichen Fixpunkt. «Wir treffen im-mer dieselbe Frau mit einem kleinen Hund, der Lisa heisst», erzählt Mia.«Sie ist sehr nett, der Hund kennt uns und freut sich, uns zu sehen.»

Die Wahl der Strassen hat ein eigenes System.

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Dann gibt es noch den freundlichen Italiener mit zwei Hündchen, dieeinmal mit Mias gebastelter Wolke gespielt haben. Und den unfreund-lichen Mann, auch mit Hund. «Bei dem machen wir manchmal Klingel-streiche», kichert Luca. «Dann laufen wir schnell davon und rufen Hundealarm!» Eine alte Bekannte ist auch die Frau, die täglich durchsQuartier spaziert, vor allen Leuten stehenbleibt, die Arme ausbreitetund sie mit schwarzen Zahnlücken wortlos anlacht. Die Kinder findensie sonderbar, aber sie gehört ins Quartier wie alles andere, was ihnentäglich begegnet.

Die Zeit vergessenAm liebsten bleiben Mia und Luca aber gerne unter sich auf dem

Schulweg. Nur auf den grossen Bruder freut sich Mia jeden Mittwoch,wenn er früher vom Gymnasium kommt und vor der Schule auf sie war-tet. «Er bringt mir dann immer eine Cola oder einen Eistee mit», erzähltsie nicht ohne Stolz.

Überhaupt bietet der Heimweg noch einmal neue Spiele undSchleichwege. Durch einen – wohl verbotenen – Garten, um den Wegabzukürzen. Am Abbruchhaus vorbei, in das sich Luca einmal hinein-getraute, um einen Zimmerschlüssel zu stibitzen. Heute ist dort einegrosse Baustelle, die mit Gerüst und «Betreten verboten»-Schildernlockt. Ein Abstecher aufs Klettergerüst des Kindergartens zögert dasHeimkommen noch ein wenig hinaus. Und zu guter Letzt sind da nochdie Dornenhecken vor dem Genossenschaftsblock, die immer vollerSpinnen sind. Dort kann man verweilen, die in den Netzen zappelndenTiere beobachten und darüber diskutieren, ob Bienen oder Spinnennützlicher sind. Um danach ungerührt zu versuchen, möglichst vieleSpinnen anzuspucken. Bis es irgendwann schon spät ist und die Mutteraus dem Fenster zum Essen ruft. ■

Bedrohter Freiraum

Der Freiraum Schulweg gerät immer stärker unter Druck. Stark befah-rene Strassen erschweren es den Kindern, ihr Wohnumfeld gefahrloszu erkunden. Viele Eltern reagieren darauf, indem sie ihre Kinder zurSchule fahren – und damit das Verkehrsaufkommen weiter erhöhenund andere Kinder gefährden. Auch vor Belästigungen und Gewaltwollen die Eltern ihre Kinder schützen. Inzwischen sind viele Gemeindebehörden auf das Problem aufmerk-sam geworden. In Aesch (BL) will der Gemeinderat die Sicherheit derKinder auf dem Schulweg verbessern und mit Flyern und Plakaten andie Eltern gelangen. Denn das «Mama-Taxi» mag für Eltern und Kin-der bequem sein und Sicherheit vortäuschen. Es beraubt aber die Kin-der vieler Möglichkeiten, die Welt zu erkunden und sich im eigenenRhythmus zu entwickeln. Der Schulweg zu Fuss ist allemal viel span-nender, als vom Rücksitz eines Autos bloss Häuserfassaden und denHimmel vorbeiziehen zu sehen. (jak)

Mehr Informationen: www.schulweg.ch oder www.schulweg-erlebnisweg.ch

Bis möglichst viele Spinnen mit Spucke getroffen sind, muss das Zmittag warten.

Losdüsen wie der Blitz ist besonders bei Hundealarm wichtig.

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Klagen über die Sammelwut von Internetfirmen bilden das Grundrauschen des Digitalzeitalters. Die Rollenver-teilung ist klar: Die Datensammler sind böse, arglose Konsumenten die unschuldigen Opfer. Doch in Wirklich-keit sind die meisten selber schuld.

DatenschutzAlles Exhibitionisten

der Lieblingsfarbe – 39 von 42 Studienteilnehmern bestellten bei An-bieter eins. Selbst als die Forscher in einer weiteren Untersuchungsrun-de beide Anbieter den gleichen Preis verlangen liessen, bestellte nochdie Hälfte beim neugierigeren. Nichtsdestotrotz gaben drei Viertel derStudienteilnehmer bei der Befragung an, sie interessierten sich für Da-tenschutz und gar 95 Prozent fanden, der Schutz ihrer privaten Datensei ihnen wichtig. Die Forscher verstanden die Welt nicht mehr: Im All-tag zeige sich offensichtlich eine «stark ausgeprägte Naivität», heisst esin den Schlussfolgerungen.

Hirnlos und entblösstGeiz ist geil und für Internetinhalte bezahlen wir schon grad gar

nichts. Google und Facebook sind gratis und so soll es auch bleiben,denn wir haben uns daran gewöhnt, dass Online-Angebote kostenloszur Verfügung stehen. Die alte Weisheit, dass es nichts umsonst gibt,blenden wir dabei aus. Dahinter steckt eine Mischung aus Naivität undBequemlichkeit. Ende Juli gab der Online-Händler Amazon eine neue

VON RETO ASCHWANDEN

Beim Jammern sind jeweils alle dabei. Sorgen Firmen wie Googleoder Facebook mit ihrer Datensammlerei für Negativschlagzeilen, folgtjeweils kollektive Empörung. Politiker, Konsumentenschützer und Vol-kes Stimme rufen umgehend nach neuen Gesetzen gegen das unkon-trollierte Treiben.

Jeder hat ein Recht auf Privatsphäre und wo die verletzt wird,braucht es Gegenmassnahmen. Im Alltag allerdings sind viele ver-meintliche Opfer von Datenkraken schlicht selber schuld. Wie sorglosMenschen persönliche Informationen preisgeben, zeigte unlängst eineStudie zum Verhalten von Online-Shoppern des deutschen Instituts Zu-kunft der Arbeit (IZA). Die Teilnehmenden sollten sich zwischen zweiAnbietern entscheiden, die DVDs verkaufen. Anbieter eins bot die DVDseinen Euro günstiger an als sein Konkurrent, wollte allerdings zusätzlichzu den kaufrelevanten Informationen auch monatliches Einkommenund Geburtsdatum wissen; Anbieter zwei erkundigte sich lediglich nach

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Auch wem seine persönlichen Daten egal sind, muss sich bewusstsein, dass diese für Geschäftsleute bares Geld bedeuten. Und wer imfrommen Wahn lebt, die Betreiber der grossen Online-Unternehmenwürden die Privatsphäre ihrer Kundschaft respektieren, lese die Aussa-gen von zwei führenden Köpfen der Internetwelt. Facebook-GründerMark Zuckerberg äusserte in einem Interview, er fände das Konzept vonPrivatsphäre nicht mehr zeitgemäss. Und Google-Chef Eric Schmidt sag-te unlängst: «Wenn es etwas gibt, von dem Sie nicht wollen, dass es ir-

gend jemand erfährt, sollten Sie es vielleicht gar nicht erst tun.» WerSchmidts Haltung zynisch findet, kann sich nur mit einem Umkehr-schluss wehren: Wenn Sie nicht wollen, dass Google und Co. Ihre Datenvermarkten, sollten Sie ihnen von Anfang an keine Informationen lie-fern. Der Preis dafür ist allerdings ein Einsiedlerdasein ausserhalb derschönen neuen Onlinewelt. ■

Sind Leute, die im Internet sorglos per-sönliche Daten preisgeben, selber schuld,wenn Unternehmen diese verwerten?Das wäre eine einseitige Betrachtungs-weise. Denn damit die Leute ihre Eigenver-antwortung wahrnehmen können, brauchtes Transparenz: Die Unternehmen müsstenden Leuten klar sagen, was sie mit den In-formationen machen, damit der Konsu-ment über die Preisgabe von Daten ent-scheiden kann.

Was kann der Einzelne tun, um seine Daten zu schützen?Er muss sich fragen: Wieso ist ein Angebot gratis? Dann stellt er fest:Es ist ja eigentlich nicht gratis, weil seine Daten kommerziell genutztwerden.

Dieses Bewusstsein fehlt?Ja. Die persönlichen Informationen werden gesammelt und zu-sammengefasst, und das kann negative Auswirkungen haben. DasInternet vergisst nichts. Mechanismen, um Informationen zurückru-fen oder löschen zu können, fehlen heute weitgehend.

Um mich effektiv zu schützen, müsste ich also eigentlich offlinegehen.Das ist in der heutigen Informations- und Kommunikationsgesell-schaft keine Option. Deshalb braucht es Alternativen. Denn wenn Siedie allgemeinen Geschäftsbedingungen, die Ihnen alle Rechte weg-nehmen, nicht akzeptieren, können Sie viele Dienstleitungen gar nichtnutzen.

Was kann der Gesetzgeber tun?Er müsste die Unternehmen verpflichten, Lösungen anzubieten, diedem Selbstbestimmungsrecht entgegenkommen. Denn Freiheit bedeu-tet nicht nur, selber über die Bekanntgabe von Daten bestimmen zukönnen, sondern auch einen Bereich zu haben, in dem man in Ruhegelassen wird.

Kooperation mit Facebook bekannt. Nun können registrierte Amazon-Kunden dem Unternehmen Zugriff auf ihr Facebook-Profil erlauben.Vorteil: Amazon kann nach Auswertung dieser Informationen gezieltVorschläge machen, welche Bücher, Filme oder CDs dem Kunden gefal-len könnten. Damit nicht genug. Wer dem Online-Händler Zugriff aufseine Facebook-Freundesliste erlaubt, muss sich künftig weder Geburts-tage noch Vorlieben merken – denn Amazon wird aufgrund der Face-book-Informationen rechtzeitig passende Geschenkideen präsentieren.

Wie immer lautet das Standardargument,dass ja niemand gezwungen werde, der Ver-knüpfung der Daten zuzustimmen. Das istrichtig. Und Menschen mit ein bisschen Hirnund nicht allzu ausgeprägter Faulheit werdensich vor solchen Entblössungen hüten. Bloss: Die Bekannten eines Ama-zon-Kunden, der dem Unternehmen Zugriff auf seine Facebook-Freun-de erlaubt, wissen von nichts und können sich nicht dagegen wehren,dass der Online-Händler Angaben zu Geburtsdatum, Wohnort und Vor-lieben erhält. Amazon verspricht, dass die Freunde nicht direkt ange-gangen würden. Klingt rücksichtsvoll, soll wohl aber vor allem unwilli-gen Reaktionen vorbeugen.

Dabei hätte Amazon kaum viel zu befürchten. Datenschutz bildet eingrosses Thema für Politik und Medien – der breiten Masse aber ist esschnuppe, was gewinnorientierte Firmen alles über ihre Kunden wissen.Im Prinzip findet man die Datensammlerei zwar nicht gut, und spätes-tens wenn beim Znacht das Telefon klingelt und ein aufdringlicherSchwätzer Krankenkassenvergleiche oder Zeitungsabos verkaufenmöchte, wird es ärgerlich. Im Alltag aber reicht ein kleiner Preisvorteil,die Aussicht auf einen Wettbewerbsgewinn oder purer Exhibitionismus,um irgendwelchen Unternehmen die Eckdaten des eigenen Lebens aufdem Silbertablett zu servieren.

Der eidgenössische Datenschutzbeauftragte Hanspeter Thür schreibtin seinem aktuellen Jahresbericht über Internet-Firmen: «Sie kennen dieVorlieben ihrer Kunden, wissen, wo sie sich bewegen, mit wem sie inKontakt sind, was sie interessiert und was sie denken. Die heutigenhoch effizienten Analysesoftwares entdecken in diesen InformationenAlgorithmen, welche die Erstellung nahezu perfekter Persönlichkeits-und Konsumprofile ermöglichen. Damit wird zielgenaues Werben innoch nie dagewesenem Ausmass ermöglicht.»

Privatsphäre ist outLaut aktuellen Untersuchungen ist sich eine Mehrheit der Internet-

nutzer durchaus bewusst, dass sie selber die Hauptverantwortung fürihre Daten tragen. Gleichzeitig gibt fast die Hälfte an, es fehle ihnen anInformationen, wie sie sich schützen können. Ein gutes Drittel findet,der Staat müsse sich für verstärkten Datenschutz im Internet einsetzen.Doch die Gesetzgebung hinkt den rasant voranschreitenden Entwick-lungen der digitalen Welt zwangsläufig hinterher. Das aktuelle Daten-schutzgesetz stammt aus dem Jahr 1992, einer Zeit, als das Internetnoch kein Massenmedium war. Datenschützer Thür fordert nun eineGesetzesänderung, die Firmen wie Facebook verbietet, alle Daten, dienicht gesperrt werden, zu verwenden. Stattdessen sollen nur noch dieInformationen nutzbar sein, die der Kunde ausdrücklich freigegebenhat. Bis sich nur schon der Bundesrat mit Thürs Vorstoss beschäftigt,wird es Frühling 2011. Und bis eine Gesetzesvorlage ins Parlamentkommt, wird Facebook seine Nutzungsbestimmungen bestimmt schonmehrfach geändert haben. Für den Konsumenten ist das mühsam undzeitaufwendig. Denn ein erster Schritt zur Kontrolle über die eigenenDaten ist die Lektüre des Kleingedruckten, also die sogenannten «Allge-meinen Geschäftsbedingungen» (AGB). Die Unternehmen versteckendiese mit Absicht irgendwo in den Tiefen ihres Internetauftritts und dieumständlichen Ausführungen fördern den Reflex, die AGB ohne genau-eres Studium einfach zu akzeptieren. Und schon liefert man seine Da-ten aus.

Ein kleiner Preisvorteil – schon präsentieren wir dieEckdaten unseres Lebens auf dem Silbertablett.

«Eigenverantwortung braucht Transparenz»

Fünf Fragen an Bruno Baeriswyl, Präsident der Vereinigung derSchweizer Datenschutzbeauftragten.

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seinen Filialen Gehirnwäsche zu betreiben, daalle, die auf der Suche nach einem Nachttisch-chen waren, mit neuer Bettwäsche, drei Topf-pflanzen und einem 154-teiligen Geschirrsetnach Hause kamen. Ich sah mich schon, vonmeiner mit Brockenhausmöbeln verbarrika-dierten Wohnung aus, den Widerstand organi-sieren. Auch Google und Apple streben danach, die Kontrolle über unser Leben zu ergreifen. Heisst es. Tatsächlich erinnern die Präsentationen von Steve Jobs ein wenig andie Machtdemonstrationen des James BondWidersachers SPECTRE. Das Jobs genervt dar-auf hinweist, dass er niemanden zwingt, seineGadgets zu kaufen (für die er nicht mal grossWerbung macht), hilft nicht viel. Weil maneinfach ein iPhone haben muss.

Die ganzen Theorien scheitern aber an derTatsache, dass noch keine finstere Macht dieWeltherrschaft übernommen hat. Trotzdemkann es nicht schaden, ab und zu an festenWahrheiten, wie der, dass unsere Gesellschafteine individualistische sei, zu zweifeln. Odersich zu fragen, woher diese Annahmen über-haupt stammen. Wobei dann durchaus derVerdacht aufkommen kann, dass es sich dabeium eine Verschwörung handeln muss.

STEPHAN PÖRTNER

([email protected])

ILLUSTRATION: MILENA SCHÄRER

([email protected])

Eigentlich mag ich Verschwörungstheorien.Das Dumme ist nur, dass es wenige wirklichGute gibt. Paranoider Schwachsinn wie «DieWeisen von Zion» oder die These von den Illu-minaten und Rosenkreuzern bieten vielleichtgute Thrillergrundlagen, lassen sich aber nurschwer an der Wirklichkeit festmachen. Suchtman aber, bloss aus Spass, Beweise dafür, dasswir eine einzige manipulierte Masse sind, wirdman erstaunlich schnell fündig.

Nehmen wir als Beispiel die Sommerferien.An den Verkehrswegen gen Süden, in den Ber-gen und sogar am Zürichsee trägt alles Tenuelégère. Entweder Bermudas und Flipflops oderTurnschuhe und gekürzte Cargohosen, letzte-re meist in Beige. Die sonst so aussagekräftigeund sorgfältig zusammengestellte Kleidungweicht für ein paar Wochen der Freizeituni-form.

Es ist aber nicht nur die Ferienkleidung, dieZweifel am freien Willen in unserer Gesell-schaft aufkommen lässt. Sportliche und spiri-tuelle Massenevents wie Ironman-Triathlons,Fussballmeisterschaften oder Dalai Lama-Be-suche waren vor noch nicht allzu langer ZeitRandgruppenphänomene. Warum packt eineganze Generation das nackte Grauen vor derUntenrumbehaarung, die jahrtausendelangniemanden störte? Warum tauchten plötzlichWörter wie «angenehm» oder «stemmen» inZusammenhängen auf, in denen sie bishernichts verloren hatten? Warum machen heuteso viele Leute Yoga, gehen wandern oder zel-ten und fahren Rennvelo?

Natürlich sind alle überzeugt, allein auf-grund persönlicher Kriterien zu entscheiden,aber wenn am Schluss immer dasselbe heraus-kommt, kann man schon ins Grübeln kom-men, warum das so ist.

Ist der Mensch eben doch ein Herdentier?Steht der Wille, Teil von etwas zu sein, dahin-ter? Oder versteckte Werbebotschaften? Dieinternationalen Ladenketten, die uns nur vor-gaukeln, es gäbe eine Auswahl?

Wem diese Erklärungen zu harmlos sind,dem steht eine grosse Auswahl möglicher Bösewichte zur Verfügung, die uns willenlosmachen: Der Staat und Geheimdienste, religiö-se Fanatiker, die Medien oder aufstrebendeGrossfirmen bieten sich an. Ich selber hattezeitweilig ein Möbelhaus im Verdacht, in

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Wörter von PörtnerVerschwörungstheorie

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Musik als Therapie Im Rausch der Akkorde

VON RETO ASCHWANDEN

Das Schlagzeug treibt, Bass und Gitarren spielen schleppende Ak-kordfolgen, das Keyboard setzt melancholische Tupfer. Beim Refrainschlägt die Stimmung um, die Musik wird passend zum Text aggressiver:«Seelenmord» skandieren die Sängerinnen immer wieder. Diese Szenekönnte in irgendeinem Proberaum stattfinden. Doch Stoffwechsel, soheisst die Band, die nach Ladenschluss in den Räumlichkeiten der Kon-takt- und Anlaufstelle (K+A) Basel übt, besteht aus Menschen mitschweren Suchtproblemen. Die Musik soll ihnen helfen, Selbstbewusst-sein aufzubauen und die persönlichen Verhältnisse zu stabilisieren.

Initiiert wurde das in der Schweiz einzigartige Projekt vom Sozialar-beiter und ehemaligen Profimusiker Carsten Meyer sowie von BaschiHausmann, der vor seiner Anstellung bei K+A mit den Lovebugs undFucking Beautiful national erfolgreich war. Anfangs dachten Hausmannund Meyer an eine Coverband, und sie hatten auch schon die Akkordeeiniger bekannter Rocksongs besorgt. Doch die Musiker wollten von Be-ginn weg eigene Stücke spielen. «Wir haben ja genug zu erzählen», fin-det Bassist Manuele, der auch Texte verfasst. Die haben es in sich:Kindsmissbrauch, Gewalt, Abhängigkeit und Tod sind die Themen, dieTexte ungeschönt und – was bei Profibands oft einen Promophrase ist,trifft hier die Tatsachen – direkt aus dem Leben gegriffen. Die Musikerberichten übereinstimmend, dass die wöchentlichen Proben einenwichtigen Platz in ihrem Leben einnehmen. Susan, eine der Sängerin-nen, hielt vor einem Jahr das erste Mal ein Mikrofon in der Hand. Heu-te wirft sie sich mit grosser Selbstverständlichkeit in Pose und sagt: «Ichfreue mich jeden Dienstag auf die Probe.» Für Dani, der bei Stoffwech-sel nach 16 Jahren Musikabstinenz wieder Gitarre spielt, «war die Bandmeine Motivation ins Methadonprogramm zu gehen. Denn nur so kom-me ich zum Üben.» Manuele, der erst vor einem Jahr angefangen hat,Bass zu spielen, geht es ähnlich: «Ich konsumiere weniger, seit ich hiermitspiele.»

Sex, Drugs und Rock’n’Roll bilden gemäss dem Klischee eine Einheit.Die Musiker von Stoffwechsel wissen, dass das Blödsinn ist. Konzen-trierte Proben bedeuten schon im nüchternen Zustand eine Heraus-forderung. Sind die Musiker verladen, geht bald gar nichts mehr. DieMitglieder von Stoffwechsel disziplinieren sich deshalb gegenseitig.«Möglichst nüchtern bei der Probe, kein Konsum bis auf vielleicht malein Bier – das haben sie unter sich abgemacht», erzählt SozialarbeiterMeyer, der an diesem Abend an den Drums aushilft. Auch Hausmannspielt mit, den Takt geben aber die Drogenabhängigen an. «Wir unter-stützen die Leute hauptsächlich bei Arrangement und Songwriting», er-zählt Hausmann, dessen gute Kontakte in die Basler Musikszene beimAuftreiben von Instrumenten und Equipment von Nutzen waren.

Nur zum Plausch treffen sich die Musiker nicht. Im Winter wurde ei-ne CD mit drei Songs eingespielt, im Juni fand vor der Anlaufstelle diePlattentaufe statt. Ungewohnt sei es schon gewesen auf der Bühne, er-zählt Manuele grinsend: «Aber der Nervöseste von allen war Baschi.»Nun arbeitet man jeden Dienstag an neuen Songs. Weil zum Kern vonsieben Leuten immer wieder neue Musiker stossen, nimmt das Reper-toire nur langsam Gestalt an. Ihre Ideen verfolgen Stoffwechsel aber ge-nau so entschlossen wie andere Bands. An diesem Abend spielen siewieder und wieder zu einem wuchtigen Hardrockriff, das sich GitarristDani ausgedacht hat. Irgendwann tritt einer, der sich bislang in eine Ecke gedrückt hat, entschlossen ans Mikrofon und steigt mit bluesigemRöhren ein.

Die Musiker suchen Augenkontakt beim Spielen, lachen, tanzen, undwenn ein Song zu Ende ist, beklatschen sie sich gegenseitig. Auch wennnur der Band wegen keiner von ihnen von den Drogen loskommen wird,so ist der Name Stoffwechsel doch Programm: In der Musik erleben dieBeteiligten einen Rausch, der weder den Körper noch die Seele zerstört.Keyboarderin Julia sagt: «Die Musik ist einfach etwas, das gut tut, gera-de wenn man sonst schlecht drauf ist.» ■

Für Konzertangebote und CD-Bestellung: www.suchthilfe.ch

Riffs statt Heroin: die Band Stoffwechsel.

Jeden Dienstagabend verwandelt sich die Kontakt- und Anlaufstelle im Basler Industriegebiet in einen Probe-raum. In der Band Stoffwechsel bedröhnen sich Suchtmittelabhängige mit lauter Musik statt mit harten Drogen.

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Singer/SongwriterDer Damm ist gebrochen

Bislang galt Philip Selway als das stille Schlagzeuger-Wasser vonRadiohead. Mit 43 veröffentlicht er nun sein erstes Soloalbum,das so gar nichts mit dem Arena-Rock seiner Band gemein habenwill. Und stattdessen viel fein arrangiertes Balladenwerk bietet.

VON MICHAEL GASSER

Schlagzeuger sind nette Menschen. Aber selten gute Songschreiber. Sodie Regel. Die Solo-Bemühungen von Ringo Starr, Charlie Watts, PhilCollins und Konsorten bieten jedenfalls selten mehr als musikalischeLeichthäppchen. Als ruchbar wurde, dass Drummer Philip Selway nachJahren stiller Banddienste bei Radiohead mit seinem eigenen Ding anden Start geht, hegte man dementsprechend kaum grosse Hoffnungen.Aber siehe da. Der Brite macht seine Sache überraschend gut. Es schüchtere schon ziemlich ein, mit einer Songschreibergrösse wieThom Yorke in derselben Formation zu sein, gestand Selway in Inter-views. Weshalb seine eigenen Kompositionen bis dato kaum ausserhalbseiner vier Wände zu hören waren. Als 2006 seine Mutter starb, brachder lange aufgestaute Kreativdamm. Jetzt oder nie war seine plötzlicheDevise. Und so machte sich der heute 43-Jährige daran, sein erstes So-loalbum, «Familial», zu planen. Ratschläge oder gar Hilfe seiner Band-kumpels wollte er keine. Im Gegenteil: Selway untersuchte das Einge-spielte immer wieder auf Klangeinflüsse von Yorke und Co. Wurde erfündig, löschte er die Stellen. Während Radiohead für arenatauglichenAlternative-Rock stehen, der sich zunehmend elektronisch gebärdet,schlägt Selway einen ganz anderen Weg ein. Nichts da mit drängendemRock, bei ihm dreht sich so ziemlich alles um Balladen. Die sind abernicht etwa vom Folk oder von omnipräsenten akustischen Gitarren an-getrieben, sondern von subtilen Beats und vertrackten Loops. Was über-rascht: Der dreifache Familienvater hat für «Familial» von seinem In-strument Abstand genommen. Die zehn Songs kommen ohne wuchtigesSchlagzeug aus, nicht aber ohne Percussion. Diese ist aber nicht da, umentscheidende Direktiven zu geben, sondern um vorhandene Strukturenzu akzentuieren. Das Album kommt einem 32-minütigen melancholi-schen Summen gleich, ebenso schicksalsergeben wie unaufgeregt. Vie-les ist fragil, alles ist sanft. Und dank einer durchgängigen Schlichtheitbeeindruckend. Einen Kleinstminuspunkt gibts für den Gesang, bei demsich der Künstler zu wenig getraut. «Wer zu Radiohead gehört, für denliegt die Latte eben schon sehr hoch», lässt sich Selway in seiner offi-ziellen Biografie zitieren. Selbstbewusstsein sieht anders aus. Doch «Fa-milial» muss keinen Vergleich scheuen.Philip Selway: «Familial» (Bella Union/Irascible), ab 27. August im Handel erhältlich.

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Klingt gar nicht nach Radiohead: Philip Selway.

Kulturtipps

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BuchFreischwimmenZu dick, zu dünn, zu klein, zu gross, zu jung, zu alt … Vorurteileund falsche Normen haben Dauerkonjunktur. Doch manchmalhilft schon ein wenig Fantasie, um den Glauben an sich selbstnicht zu verlieren.

VON CHRISTOPHER ZIMMER

«Wanda-Walfisch-dick-und-rund, Wanda-Walfisch-hundert-Pfund», ru-fen die anderen Kinder, wenn Wanda ins Schwimmbecken springt undes hoch aufspritzt, so hoch wie die Fontäne eines Wals. Denn Wanda istdick. Und alle machen sich lustig über sie. Kein Wunder, dass sie sichvor fast allem fürchtet, denn wer nicht an sich selbst glaubt, hat immer-zu Angst. Davor, zu versagen, nicht so zu sein wie die anderen, nichtdas leisten zu können, was erwartet wird. Egal, wie falsch und unge-recht das alles ist.Doch Wanda hat auch Glück. Denn ihr Schwimmlehrer lacht nicht übersie, sondern sagt ihr, dass sie alles sein kann, wenn sie es sich nur festvorstellt. Zuerst findet Wanda das komisch, doch dann probiert sie esaus. Sie denkt Feder und ist leicht, sie denkt Riese und fürchtet sichnicht auf dem Heimweg, sie denkt Igel und kann schnell einschlafen.Plötzlich mag Wanda Hase selbst Rüebli und Wanda Känguruh kannhoch springen. Und das Wasser ist auf einmal ihr Element, in dem siesich freischwimmt als Sardine, Aal, Hai, Paddelboot, Surfbrett oder Del-fin. Sie taucht ohne Spritzer ein wie eine Rakete und krault und gleitetin allen Lagen wie eine Eins. Und zu guter Letzt zeigt sie sogar als Rie-senwal, was sie drauf hat.Ein internationales Tandem – der in Genua lebende Liestaler Davide Ca-lì und die in Hamburg wohnende Petersburgerin Sonja Bougaeva – hatein wunderbares Bilderbuch geschaffen, in dem von der Macht der Fan-tasie erzählt wird. Von der Fähigkeit, den falschen Bildern, die andereeinem überstülpen, die eigenen Bilder entgegenzusetzen und darin Stär-ke und Selbstvertrauen zu finden. In dieser kleingrossen Geschichtewerden sich Grosse und Kleine wiedererkennen, denn das Diktat derNormen ist leider ein zeitloses Phänomen. Und nicht weniger in deneinfallsreich gestalteten Bildern, die die Geschichte nicht nur begleiten,sondern dieses Buch auch zu einem spannenden Seherlebnis und einerabenteuerlichen Entdeckungsreise machen.Davide Calì (Text), Sonja Bougaeva (Bild): Wanda Walfisch. Atlantis Verlag 2010.

CHF 24.80.

Wanda kann

alles sein –

auch ein Wal.

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Die 25 positiven FirmenDiese Rubrik ruft Firmen und Institutionenauf, soziale Verantwortung zu übernehmen.Einige haben dies schon getan, in dem siedem Strassenmagazin Surprise mindestens500 Franken gespendet haben. Damit helfensie, Menschen in pre kären Lebensumstän-den eine Arbeitsmöglichkeit zu geben undsie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zube g leiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? DieSpielregeln sind einfach: 25 Firmen werdenjeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jenerBetrieb heraus, der am längsten dabei ist.

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet

werden?

Mit einer Spende von mindestens 500 Franken

sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3,

Verein Strassenmagazin Surprise, 4051 Basel

Zahlungszweck:

Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag!

Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.

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Niederer, Kraft & Frey, Zürich

Stoll Immobilientreuhand AG, Winterthur

Kaiser Software GmbH, Bern

Responsability Social Investments AG, Zürich

chefs on fire GmbH, Basel

Ingenieurbüro BEVBE, Bonstetten

Gemeinnütziger Frauenverein Nidau

VXL gestaltung und werbung ag, Binningen

Scherrer & Partner GmbH, Basel

TYDAC AG, Bern

KIBAG Strassen- und Tiefbau

OTTO’S AG, Sursee

Klinik Sonnenhalde AG, Riehen

Canoo Engineering AG, Basel

Lehner + Tomaselli AG, Zunzgen

fast4meter, storytelling, Bern

Brother (Schweiz) AG, Baden

Druckerei Hürzeler AG, Regensdorf

IBZ Industrie AG, Adliswil

Zeix AG, Zürich

Zürcher Kantonalbank, Zürich

Axpo Holding AG, Zürich

Experfina AG, Basel

AnyWeb AG, Zürich

muttutgut.ch, Lenzburg

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KinoWas ist ein guter Polizist?

«Police, Adjective» untersucht Begriffe wie Moral, Gesetz und Gerechtigkeit. Der Protagonist will ein guter Polizist sein. Darf erdabei nach seinem Gewissen handeln?

VON FABIENNE SCHMUKI

Der junge Polizist Cristi verbringt seine Tage mit der Beschattung dreierJugendlicher, die gemeinsam Gras rauchen. Durch den Konsum von Ma-rihuana machen sie sich in Rumänien strafbar. Die Detektivarbeit gehtnur sehr langsam voran und Cristi hat auch nach einer Woche Beschat-tung kaum Nennenswertes herausgefunden. Aber Cristi hat keine Eile:In den meisten EU-Ländern ist der Konsum von Haschisch legal unddeshalb, so denkt Cristi, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich das Ge-setz auch in Rumänien ändern wird. Weshalb also das Leben eines jun-gen Mannes mit mehreren Jahren Gefängnis ruinieren?Cristi ist ein genauer Mensch, er rapportiert jeden Vorfall, auch wenn imGrunde nichts geschieht. Er spricht in seiner wortkargen Art mit seinerFrau Anca über Diverses, bloss nicht über seine Arbeit. Trotz seiner effizienten Arbeitsweise gerät Cristi immer wieder in Situationen, dieseine Arbeit verlangsamen: Da ist der gekränkte Arbeitskollege, welcherder Dringlichkeit von Cristis Angelegenheiten nicht gerecht werden will.Oder die Sekretärin, die lieber mit einem Freund zu Mittag essen will,als Cristi einen Gefallen zu tun. Da ist der Anwalt, der streng das Gesetzbefolgt, und der Polizeichef Anghelache, der Cristi in einem langen undsoliden Vortrag weismachen will, welches die Aufgabe eines guten Poli-zisten ist.«Police, Adjective» ist der zweite Langzeitspielfilm von Corneliu Porum-boiu und hat 2009 in Cannes den Jurypreis sowie den FIPRESCI Awardgewonnen. Der rumänische Regisseur, der seinen Film selber geschrie-ben und produziert hat, observiert genau und hält die Kamera stets aufneutraler Ebene. Porumboiu filmt die Beschattung in Echt-Zeit; die Dia-loge sind spärlich, doch die Worte sorgfältig gewählt. Immer wieder fin-den sich in den Aussagen Anspielungen auf die Situation Rumäniens imEU-Raum sowie die Bedeutung und den Sinn der drei Gs des Films: Gewissen, Gesetz, Gerechtigkeit. Porumboiu entpuppt sich als äusserstgeduldiger Beobachter. Er urteilt nicht und verrät kaum etwas über dasInnenleben seiner Protagonisten. Doch in der Ruhe liegt die Kraft diesesbehutsamen Films, der uns auf unspektakuläre Art und Weise aufzeigt,wo die grössten Gewissenskonflikte herrühren können. Police, Adjective (2009), 113 Min., Rumänisch mit deutschen und französischen

Untertiteln. Ab 26. August 2010 in den Deutschschweizer Kinos.

Good cop, bad cop: Aber was heisst das wirklich?

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Spionin mit Gerechtigkeitssinn: Satu Blancs Giovanna.

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Ofenpass/Nationalpark «Ich zeig dir was, was du nicht siehst»

Was machen eigentlich die Hirsche, wenn es dunkel wird? Wie hat man früher Waren über diehohen Alpenpässe transportiert? Antworten auf diese und viele andere Fragen erhalten Familienauf dem Kinderpfad Champlönch im Schweizerischen Nationalpark am Ofenpass. Das Konzeptist ausgefeilt: Jede Familie leiht sich im Nationalparkzentrum in Zernez einen digitalen Wander-führer mit GPS. Entlang des Wanderwegs meldet sich der elektronische Begleiter an verschiede-nen Stationen mit spannenden Hintergrundgeschichten, die jeweils mit der Umgebung in direk-tem Zusammenhang stehen. Zum Beispiel: Am Weg liegt eine Hirschsuhle. Auf dem digitalenWanderführer hören die Kinder in einem Hörspiel, was hier in der Nacht passiert. Eine sehr unter-haltsame Art, vor grossartiger Naturkulisse die Leiden des Wanderns zu vergessen. (jak)Der Kinderpfad Champlönch führt vom Parkplatz P1 an der Ofenpassstrasse zum Hotel Il Fuorn. Anfangs-

und Endpunkt der Wanderung sind stündlich mit dem Postauto ab Zernez erreichbar. Kosten (inkl. Büchlein,

CD und digitaler Wanderführer): CHF 19.– für einen Tag. Reservation empfohlen: Nationalparkzentrum

Zernez 081 851 41 41.Mit sprechendem GPS macht wandern Spass.

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Basel Hören statt sehen

Openair-Kinos haben sich in unserem Sommer längst etabliert, sie gehö-ren zum Unterhaltungsprogramm wie die Wurst zum 1. August. Etwasungewöhnlicher ist ein Abend in einer Openair-Hörspiel-Aufführung. Ortdes Geschehens ist das «Rhybadhysli Santihans» – das Rheinbad im Bas-ler St. Johann-Quartier. Bequeme Liegestühle, Decken und Kissen garan-tieren entspanntes Zuhören. Und auch auf einen Temperatursturz istman am Rhein vorbereitet: Wer will, bekommt eine Wärmeflasche. Wäh-rend die Geschichten die Ohren füllen, können die Hörer ihren Blick überdie Kulisse des nächtlichen Basels schweifen lassen und ihr ganz per-sönliches Kino im Kopf abspielen. (juk)Rhein hören!, jeweils donnerstags, 20 Uhr, bei jedem Wetter; nächste Aufführung

am 19. August; weitere Aufführungen am 2./16./30. September, Detailprogramm und

Infos: www.tiloahmels.ch/10_rheinhoeren.php

Am Tag ist das Rhybadhysli was fürs Auge, die Nacht wird dort zum Hörerlebnis.

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Basel Macht und Machenschaften imMittelalterAlle Wege führen nach Basel. Denn hier tagt das Konzil. Geistliche undweltliche Würdenträger aus dem ganzen Abendland bevölkern die Stadt.Die Kirchenversammlung selbst bringt nicht den gewünschten Erfolg.Der Konflikt zwischen den Reformwilligen und den Papstanhängern hatsich aufs Äusserste zugespitzt. Im Gefolge eines Kardinals befindet sichauch Giovanna. Verkleidet als Mann, dient sie ihm als Sekretär. Sie wirdZeugin des Konzils und der immer groteskeren Streitigkeiten um die Vorherrschaft in der Christenheit. Als bekannt wird, dass es einem derKonzilteilnehmer gelungen ist, die grösste Fälschung der Geschichte auf-zudecken, wird Giovanna vom Kardinal ausgesandt, die brisante Ent-deckung unschädlich zu machen. Sie aber setzt alles daran, die Wahrheitans Licht zu bringen. Die Schauspielerin und Historikerin Satu Blanclässt vor ihrem Publikum eine Metropole und einen Machtkampf leben-dig werden, der die Welt bewegte. (phg)Satu Blanc, «Die Spionin aus Rom», 24. und 25. August, 19 Uhr, Kellertheater Isaak,

Münsterplatz 16, Basel. Anmeldung erforderlich: Tel. 061 261 47 50 oder E-Mail an

[email protected]; www.satublanc.ch

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Zürich Entspannt am RöntgenplatzZürichs wilden Westen überlassen die Einheimischen am Wochenendemeist gern den Auswärtigen. Am Röntgenplatzfest aber erobern sich dieBewohner des Kreis fünf ihr Revier zurück. Am Freitag geht es entspanntlos mit Jazz von Pierre Favre und indischen Klängen von Ken Zuckermanund Sanju Sahai. Der Samstagnachmittag gehört traditionell den Kids,die zwischen Sirupbar und Tanzwettbewerb wuseln, bevor am Abend dieBoogie-Urviecher Los Dos und Palkomuski mit tausend Takten Tanzmu-sik für Bewegung vor der Bühne sorgen. Die Musik ist aber nicht dasWichtigste, denn während des Anstehens an der Bar trifft man meist al-te Bekannte, die einen auf den neuesten Stand in Sachen Nachwuchsund Neubauwohnungen bringen. Das alles läuft so entspannt, dass auchErstbesucher schneller als sonst in dieser Stadt Anschluss finden. (ash)Röntgenplatzfest, 27. und 28. August, Röntgenplatz, Zürich.

www.roentgenplatzfest.chSchall und Rauch am Röntgenplatz: Palkomuski.

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— www.theater-basel.ch, Tel. +41/(0)61-295 11 33 —

Goethe war sicher auch von Regenbogen fasziniert.

Dornach Himmelsblau und Morgenrot

Auf wenige Dinge war Goethe so stolz wie aufseine vor 200 Jahren veröffentlichte Farbenleh-re: «Auf alles, was ich als Poet geleistet habe,bilde ich mir gar nichts ein. Es haben trefflicheDichter mit mir gelebt, es lebten noch treff-lichere vor mir, und es werden ihrer nach mirsein. Dass ich aber in meinem Jahrhundert inder schwierigen Wissenschaft der Farbenlehreder einzige bin, der das rechte weiss, darauftue ich mir etwas zugute …» (Goethe zu Eckermann). Das Goetheanum in Dornachüberrascht mit einer interaktiven, spannendenAusstellung. Himmelsblau und Morgenrot, Regenbogen und Prismen, farbige Schattenund Spektrenprojektionen auf Kinoleinwandmachen uns staunen. Für Erwachsene und Kinder, Wissenschaftlerinnen und neugierigeLaien! (bo)Experiment Farbe – 200 Jahre Goethes Farbenlehre.

Eine interaktive Ausstellung. Noch bis 31. August 2010

am Goethanum in Dornach. www.experimentfarbe.ch

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Verkäuferporträt«Ich weiss, wie wertvoll freieMeinungsäusserung ist»

AUFGEZEICHNET VON YVONNE KUNZ

«Tag und Nacht patrouillierten wir damals im Grenzgebiet zwischenEritrea und Äthiopien. Von 1999 bis 2006. Während und nach demGrenzkrieg, der 1998 ausgebrochen war. Ich trug dabei immer zweiBomben, eine Kalashnikov und 120 Schuss Munition auf mir. Das Lebenin der eritreischen Armee ist hart: Nur einmal pro Jahr durfte ich nachHause reisen und meine Familie in Asmara, der Hauptstadt des Landes,besuchen.

Ich hatte mit meinen acht Geschwistern eine ziemlich glücklicheKindheit. Mein Vater arbeitete lange Zeit als Buchhalter und machte sichaufs Alter mit einem Pullovergeschäft selbstständig. Nebenbei gab erimmer auch Autofahrstunden. Seit einem Jahr ist er nun schon tot. DerGram und die Trauer hatten ihn krankgemacht. Zwei meiner Brüder, ei-ner davon mein Zwilling, sind im Krieg umgekommen. Das hat er nieganz verkraftet. Seit meiner Flucht 2008 habe ich ihn nie wieder gese-hen. Anrufen will ich meine Familie auch nicht – ich habe Angst, dasssie überwacht werden und dann wegen der Anrufe Schwierigkeiten be-kommen.

Ich bin nämlich ein Deserteur und Regierungskritiker. Man stecktemich ins Militärgefängnis, weil ich die Politik und die Regierung meinesLandes hinterfragte. In Diskussionen mit anderen Soldaten und meinenVorgesetzten sagte ich immer wieder: Eritrea ist eine Militärdiktatur.Noch nie haben demokratische Wahlen stattgefunden, das muss sichändern! Wir haben ein Einparteiensystem, und was ist das anderes alseine Diktatur? Wegen dieser Äusserungen wurde ich eines Tages von derMilitärpolizei abgeführt und in den Knast geworfen. Zwei Jahre und sieben Monate war ich in einem Inselgefängnis, wie Alcatraz. Wir be-kamen täglich drei Liter Wasser pro Kopf – auch bei 42 Grad Hitze. Zuessen gab es nur Brot mit Tunke. Sanitäre Anlagen gab es keine, ge-waschen haben wir uns vielleicht ein Mal im Monat. Und wenn ich Probleme machte, gab es Prügel mit der Peitsche.

Als man mich freiliess, tauchte ich unter. Mithilfe einiger Freunde inder Armee gelangte ich zu Fuss über die Grenze in den Sudan. Ichdurchquerte das Land, teils die Sahara und gelangte nach Libyen undvon dort mit einem Boot in zwei, drei Tagen nach Italien. Ich wollte ei-gentlich gar nicht in die Schweiz, aber die Organisation, die meine ‹Rei-se› arrangiert hatte, brachte mich nach Vallorbe. 3000 US-Dollar habeich dafür bezahlt. Wie lange der Weg war, weiss ich nicht mehr. Ichkönnte nicht mal mehr sagen, ob es Wochen oder Monate waren. Es warschlimm, ich will mich gar nicht erinnern.

Meine Familie wusste nichts von meiner Flucht, aber ich hatte keineandere Möglichkeit, als zu gehen. Ich darf nicht zu sehr darüber nach-denken, dass ich sie wohl nie wieder sehen werde. Wenn ich ins Grü-

Samuel Amare (37) desertierte aus der eritreischen Armee und musste als Regierungskritiker seine Heimat ver-lassen. Die traumatische Flucht zu Fuss und per Boot endete in der Schweiz. Hier fühlt er sich sicher, weil er keine Angst haben muss, wenn er seine Meinung sagt.

beln komme, dann lenke ich mich mit einem Spaziergang ab, muss michbewegen. Toll ist in diesen Momenten auch, wenn ich mich mit meineneritreischen Freunden hier in Zürich austauschen kann. Freundschaft istgerade dann besonders wichtig.

Als ich in die Schweiz kam, war natürlich alles neu für mich. Jetztsage ich: Es ist alles gut für mich. Ich weiss auch, dass ich es sagenkönnte, wenn es nicht so wäre – und ich weiss wirklich, wie wertvolldie freie Meinungsäusserung ist. Hier ist alles ruhig, alles friedlich. Daseinzige Problem ist das Wetter. Mal ist es heiss, dann kalt. Jetzt regnetes, in zehn Minuten scheint sicher wieder die Sonne.

Surprise verkaufe ich in Thalwil, seit knapp einem Jahr. Es ist eine gu-te Sache, denn so kommt man mit den Leuten ins Gespräch. Ich lerne dieMenschen hier besser kennen und sie begegnen durch den Verkauf auchmal jemandem wie mir. Deshalb gefällt mir diese Arbeit. Aber eigentlichbin ich ja Automechaniker und mein Wunsch ist es, diesen Beruf wiederauszuüben. Derzeit suche ich nach einer Praktikumsstelle in einer Auto-garage. Eventuell finde ich dadurch eine Lehrstelle oder noch besser: eine Festanstellung. Dann hätte ich endlich freie Fahrt ins Leben.» ■

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Surprise kümmert sich um Menschen, die we-niger Glück im Leben hatten als andere. Men-schen, die sich aber wieder aufgerappelt habenund ihr Leben in die eigenen Hände nehmenwollen. Mit dem Verkauf des Strassenmaga-zins Surprise überwinden sie ihre soziale Iso-lation. Ihr Alltag bekommt Struktur und wie-der einen Sinn. Sie gewinnen neue Selbstach-tung und erarbeiten sich aus eigener Kraft ei-nen kleinen Verdienst. Die Surprise-Strassen-verkäuferinnen und -verkäufer helfen sich sel-

ber. Das verdient Respekt und Unterstützung.Regelmässige Verkaufende werden von Sur -prise-Sozialarbeiterinnen be treut, individuell begleitet und gezielt gefördert. Dazu gehörtauch, dass sie von Surprise nach bestandenerProbezeit einen ordentlichen Arbeits vertrag er-halten. Mit der festen Anstellung übernehmendie Surprise-Verkaufenden mehr Verantwor-tung; eine wesentliche Voraussetzung dafür,wieder fit für die Welt und den Arbeitsmarktzu werden.

Vorname, Name

Strasse

PLZ, Ort

Telefon

E-Mail

Datum, Unterschrift

1 Jahr: 8000 Franken 1/2 Jahr: 4000 Franken 1/4 Jahr: 2000 Franken 1 Monat: 700 Franken

Ja, ich werde Götti/Gotte von:

Talon bitte senden oder faxen an: Strassenmagazin Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, [email protected], PC-Konto 12-551455-3

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Marlise HaasBasel

Eine Chance für alle!Werden Sie Surprise-Götti oder -Gotte

Starverkäufer

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Claudia Aronis aus St. Gallen nominiert ReneWidmer als Starverkäufer: «Heute stand ervor dem Globus. Ich wollte das Magazin kau-fen, hatte aber nur 5.50 anstatt 6 Franken da-bei. Er sagte ganz cool, wegen der 50 Rappensoll ich mir keine Sorgen machen. Er hätte etwas Trinkgeld gemacht und lege die 50 Rappen von seinem Trinkgeld dazu, dannkönne ich das Magazin gerne haben. Das war herzig. Ich gehe immer zu ihm, weil er sehrfreundlich grüsst und immer lächelt.»

Nominieren Sie Ihren Starverkäufer!Schreiben Sie uns mit einer kurzen Begründung, wel-

chen Verkäufer Sie an dieser Stelle sehen möchten:

Strassenmagazin Surprise, Redaktion,

Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel,

F +41+61 564 90 99, [email protected]

Peter Gamma, BaselPeter Hässig, BaselTatjana Georgievska, BaselMarika Jonuzi, BaselJela Veraguth, ZürichAndreas Ammann, Bern

Ausserdem im Förderprogramm SurPlus:

Anja Uehlinger, BadenKurz Brügger, BaselWolfgang Kreibich, BaselMarlis Dietiker, OltenFatima Keranovic, Baselland

Als Götti oder Gotte ermöglichen Sie einer Strassenverkäuferin oder einem -verkäufer eine betreute Anstellung bei Surprise und damit dieChance zur Rückkehr in ein selbstbestimmtes Leben.

René SennZürich

Jovanka Rogger Zürich

Bob EkoeviKoulekpato Basel

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30 SURPRISE 231/10

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24 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.– )(Verpackung und Versand bietenStrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen.)

Gönner-Abo für CHF 260.–

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Impressum

HerausgeberStrassenmagazin Surprise GmbH, Postfach, 4003 Basel,www.strassenmagazin.chGeschäftsführung T +41 61 564 90 63Fred Lauener, Agnes Weidkuhn (Assistenz GF) Öffnungszeiten SekretariatMo–Do 9–12 Uhr, T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 [email protected] T +41 61 564 90 70Fred Lauener (Leitung), Reto Aschwanden, Julia Konstantinidis, Mena Kost, Thomas Oehler (Sekretariat)[email protected] MitarbeitClaudia Bosshardt, Christian Flierl, Philipp Gafner, Michael Gasser, Lucian Hunziker, Olivier Joliat, JanineKern, Yvonne Kunz, Stephan Pörtner, Andri Pol, MilenaSchärer, Fabienne Schmuki, Christian Schnur, IsabellaSeemann, Udo Theiss, Johanna Wedl, Priska Wenger,Christopher ZimmerKorrektorat Alexander JungoGestaltungWOMM Werbeagentur AG, BaselDruckAVD GoldachAuflage29 400, Abonnemente CHF 189.–, 24 Ex./JahrAnzeigenverkauf T +41 76 325 10 [email protected]

Marketing T +41 61 564 90 61Theres BurgdorferVertrieb T +41 61 564 90 81Smadah Lévy (Leitung)Vertrieb Zürich T +41 44 242 72 11Reto Bommer, Engelstrasse 64, 8004 Zürich, Mobile +41 79 636 46 12 [email protected] Bern T +41 31 332 53 93Alfred Maurer, Pappelweg 21, 3013 Bern, Mobile +41 79 389 78 [email protected] und Förderung T +41 61 564 90 51Rita Erni Chor/Kultur T +41 61 564 90 40Paloma SelmaStrassensport T +41 61 564 90 10Lavinia Biert Trägerverein Strassen magazin Surprise Präsident: Carlo Knöpfel

Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugs weiseoder in Ausschnitten, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird vonder Redaktion und dem Verlag jede Haftung abgelehnt.

Surprise behält sich vor, an Verkaufende gerichtete Post-sendungen zu öffnen. Barspenden an namentlich bezeich-nete Verkaufende können nur bis zu einem Betrag vonCHF 100.– weitergeleitet werden. Darüber hinausgehendeBeträge sollen – im Einverständnis mit der Spenderin oderdem Spender – allen Verkaufenden zugute kommen.

Surprise ist:

Hilfe zur Selbsthilfe Surprise hilft seit 1997 Menschen in sozialenSchwierigkeiten. Mit Programmen in den Bereichen Beschäftigung, Sport und Kultur fördert Surprise die soziale Selbständigkeit.Surprise hilft bei der Integration in den Ar-beitsmarkt, bei der Klärung der Wohnsitua-tion, bei den ersten Schritten raus aus derSchuldenfalle und entlastet so die SchweizerSozialwerke.

Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht von Armut und sozialer Be-nachteiligung betroffenen Menschen eineStimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit für ihre Anliegen. Surprise beteiligt sich am Wandel der Gesellschaft und bezieht Stellungfür soziale Gerechtigkeit.

Strassenmagazin und Strassenverkauf Surprise gibt das vierzehntäglich erscheinen-de Strassenmagazin Surprise heraus. Dieseswird von einer professionellen Redaktion pro-duziert, die auf ein Netz von qualifizierten Berufsjournalistinnen, Fotografen und Illu-stratorinnen zählen kann. Das Magazin wird fast ausschliesslich auf der Strasse verkauft.Rund dreihundert Menschen in der deutschenSchweiz, denen der Arbeitsmarkt verschlos-sen bleibt, erhalten damit eine Tagesstruktur,verdienen eigenes Geld und gewinnen neuesSelbstvertrauen.

Sport und Kultur Surprise fördert die Integration auch mit Sport.In der Surprise Strassenfussball-Liga trainierenund spielen Teams aus der ganzen deutschenSchweiz regelmässig Fussball und kämpfenum den Schweizermeister-Titel sowie um dieTeilnahme an den Weltmeisterschaften für so-zial benachteiligte Menschen. Seit 2009 hatSurprise einen eigenen Chor. GemeinsamesSingen und öffentliche Auftritte ermöglichenKontakte, Glücksmomente und Erfolgserleb-nisse für Menschen, denen der gesellschaft-liche Anschluss sonst erschwert ist.

Finanzierung, Organisation und internatio-nale VernetzungSurprise ist unabhängig und erhält keine staat-lichen Gelder. Das Strassenmagazin wird mitdem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inse-raten finanziert. Für alle anderen Angebotewie die Betreuung der Verkaufenden, die Sport-und Kulturprogramme ist Surprise auf Spen-den, auf Sponsoren und Zuwendungen vonStiftungen angewiesen. Surprise ist eine nicht gewinnorientierte sozi-ale Institution. Die Geschäfte werden von derStrassenmagazin Surprise GmbH geführt, dievom gemeinnützigen Verein StrassenmagazinSurprise kontrolliert wird. Surprise ist führen-des Mitglied des Internationalen Netzwerkesder Strassenzeitungen (INSP) mit Sitz in Glas-gow, Schottland. Derzeit gehören dem Ver-band über 100 Strassenzeitungen in 40 Län-dern an.

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Hier könnte Ihre Werbungstehen.

Werfen Sie Ihr Werbegeld nicht auf die Strasse.Investieren Sie es dort.Surprise erreicht 135 000 Leserinnen und Leser. Und das in den grössten Städten und Agglomerationen der Deutschschweiz.* Denn dort stehen die 380 Surprise-Verkaufenden für Sie auf der Strasse. Tagtäglich.Ganze 80 Prozent der überdurchschnittlich verdienenden und ausgebildeten Käuferinnen und Käufer lesen die gesamte Ausgabeoder zumindest mehr als die Hälfte aller Artikel.Das Strassenmagazin steht für soziale Verantwortung und gelebte Integration. Mit Ihrem Inserat zeigen Sie Engagement und erzielen eine nachhaltige Wirkung.

Anzeigenverkauf, T +41 76 325 10 60, [email protected]

*gemäss MACH Basic 2009-2.

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