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Aussenseiter Nr. 270 | 2. März bis 15. März 2012 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des V erkaufspreises geht an die V erkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei V erkaufenden mit offiziellem V erkaufspass. Auf der Gasse: Wie Menschen heute an den Rand gedrängt werden Haben sie noch Platz in unserer Gesellschaft? Xavier Koller im Interview: «Dällebach Kari ist ein Vorbild»

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surprise strassenmagazin 270/12

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Aussenseiter

Nr. 270 | 2. März bis 15. März 2012 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.

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Haben sie noch Platz in unserer Gesellschaft?

Xavier Koller im Interview: «Dällebach Kari ist ein Vorbild»

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Ihre Meinung!Bitte schicken Sie uns Ihre Anregungen oder Kritik: Strassenmagazin Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, T +41 61 564 90 70, [email protected]. Es werden nur Leserbriefe abgedruckt, die mit vollem Namen unterzeichnet sind. Die Redaktion behält sich vor, Briefe zu kürzen.

Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3

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EditorialWeggewiesenNeulich auf Facebook: In einem Video ist ein Mann zu sehen, der am Eingang einerU-Bahnstation steht und auf seiner Geige klassische Stücke spielt. Kaum einer dervorbeieilenden Pendler schenkt ihm Beachtung. Alltägliches Strassenmusiker-schicksal in unserer hektischen Zeit, könnte man meinen – wäre der Mann nichtStargeiger Joshua Bell, der für eine inszenierte Aktion der «Washington Post» auf sei-ner 3,5-Millionen-Dollar-Stradivari-Geige Bach und Schubert spielte.

Etwas mehr Aufmerksamkeit geniessen heutzutage kleine Grüppchen von Leuten,die im oder um den Bahnhof zusammensitzen und Bier trinken. Denn, wie SilvioFlückiger, Leiter der Gasseninterventionstruppe Pinto in Bern, weiss: Die Reklama-tionen über ihre Anwesenheit haben zugenommen, obwohl ihre Präsenz in den letz-ten Jahren abgenommen hat. Die Polizei kann sie heute in den meisten SchweizerStädten von einem Aufenthaltsort wegweisen und fernhalten. Als Begründung dafürgenügt, sie seien laut gewesen oder hätten Abfall liegen gelassen.

In diesem Heft stellen wir Leute in den Fokus, die am Rande un-serer Gesellschaft leben. Wir waren auf der Gasse unterwegs,weil wir wissen wollten, wie es um unseren Umgang mit Leutensteht, deren Leben sich im öffentlichen Raum abspielt. Dazu ha-ben wir mit Experten gesprochen und Studien gewälzt. Die Re-cherchen führten uns unter anderem zur Erkenntnis: Wir solltenauf dem Weg zum Zug oder in die Bahnhofs-Migros vielleichteinmal mit ihnen reden. Denn Silvio Flückiger sagt, dass sich die-se Leute oft beklagen, dass zwar über sie, aber nicht mit ihnengesprochen wird. Als Inspiration kann Ihnen vielleicht unsereFotografin Karin Scheidegger (im Bild vorne rechts) dienen, de-ren Foto-Session im Bahnhof Bern sich zu einem regelrechtenHappening mit Gassenleuten und Surprise-Verkäufern auswuchs.

Natürlich: Ein Joshua Bell hätte unsere Aufmerksamkeit auf dem Arbeitsweg verdient. Doch vielleicht würdees sich lohnen, auch einmal dem Mann mit der Bierdose in der Hand im Bahnhof zuzuhören. Vielleicht hat eruns ja etwas über sein Leben und die heutige Zeit zu erzählen.

Ich wünsche Ihnen eine gute Lektüre und einen anregenden nächsten Stadtbummel,Florian Blumer

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FLORIAN BLUMER

REDAKTOR

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Inhalt03 Editorial

Weggewiesen05 Basteln für eine bessere Welt

Pralinen für die Gasse06 Aufgelesen

Kreative Kinder06 Zugerichtet

Ausgebremst07 Surprise Strassenchor

Saisonstart!07 Nachruf

Patrice Bigler 08 Porträt

Filmheiler 22 Le Mot Noir

Sharon Stone versetzen?23 Kulturgelder

Notstand in Luzern24 Kulturtipps

Amokkind26 Ausgehtipps

Dunkle Anja 28 Verkäuferporträt

Fischer mit Träumen29 Projekt Surplus

Eine Chance für alle!30 In eigener Sache

ImpressumINSP

Vor hundert Jahren war Karl Tellenbach weitherumals Berner Stadtoriginal bekannt. Heute ist er längstzur Legende geworden: Nach Kurt Frühs sozialrea -lis tischem Film von 1970 ist Dällebach Kari als Musicalfigur wiederauferstanden. Jetzt sieht sichOscar-Preisträger Xavier Koller in der Neuverfilmungdie emotionalen Momente seines Schicksals genaueran. Und im Gespräch sagt er, warum Dällebach fürihn ein Vorbild ist.

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D: KARIN

SCHEID

EGGER

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D: ZVG

Mit immer neuen Massnahmen versuchen die Stadt-behörden, unliebsame Personen aus den Innenstädtenzu vertreiben. Die Ethnologin Monika Litscher erklärtim Interview, wieso Ausschlussmassnahmen von derbreiten Bevölkerung unterstützt werden und weshalbMassnahmen für ein erhöhtes Sicherheitsgefühlkontraproduktiv wirken. Zudem: Eine Übersicht überMethoden, mit denen Schweizer Städte störende Ele-mente ausschliessen.

14 Am RandAbnehmende Toleranz in BernDer Kanton Bern war Vorreiter in der Einführung ei-nes Wegweisungsartikels, der es der Polizei erlaubt,Personen von Orten wegzuweisen und fernzuhalten,die «die Ordnung stören». Dies und der Bahnhofsum-bau haben dazu geführt, dass sich Randständigekaum mehr im öffentlichen Raum treffen können. Wosind sie hin? Und wie ist die Situation heute aus Sichtverschiedener Akteure? Wir haben auf der Gassenachgefragt.

10 Xavier Koller«Randfiguren sind Sieger»

18 Am RandWas stört, muss weg

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ILLUSTRATIO

N: W

OMM

1. Nehmen Sie zwei Kartons im A4-Format in der Farbe Ihrer Wahl und schneiden Siezwei Quadrate aus, einmal 20 ! 20 Zentimeter, einmal 20,5 ! 20,5.

Basteln für eine bessere WeltMenschen, die die Gasse ihr Zuhause nennen, haben es schwer heutzutage: Sie werden kaum mehr irgendwo geduldet (siehe The-menschwerpunkt in diesem Heft) und der Pendlerstrom zieht meist an ihnen vorüber, ohne dass sie eines Blickes, geschweige denneines Wortes gewürdigt werden. Sie können das ändern! Ein paar Pralinen öffnen Türen, auch zum Herzen eines Obdachlosen oderDrogenabhängigen.

2. Zeichnen Sie auf beide einen Rand von 4 Zentimetern und schneiden an allen Ecken ein Dreieck aus. Ritzen Sie mit Lineal und Schere alle Linien nach.

3. Falten Sie die Ecken und Ränder hoch und kleben sie zu einer Schachtel, respek-tive einem Deckel, zusammen.

4. Schneiden Sie 4 Streifen aus (12 ! 3 Zentimeter), legen sie übereinander undschneiden sie im Abstand von 4 Zentimetern bis etwas über die Hälfte ein. SchneidenSie von beiden Rändern noch je einen Millimeter ab.

5. Stecken Sie die Streifen zu einem Gitter zusammen und legen Sie es in die kleine-re Schachtelhälfte.

6. Schmelzen Sie 400 g dunkle Schokolade im Wasserbad, mischen 2,5 dl Rahm dar-unter und formen kleine Kugeln, die Sie in Papierförmchen (in der Backwarenabtei-lung erhältlich) legen (für ausgeklügeltere Rezepte siehe www.bedello.ch).Dekorieren Sie zum Schluss den Schachteldeckel nach Belieben.

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AufgelesenNews aus den 90 Strassenmagazinen,die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.

Kreative Kinder

Graz. Auch in Graz werden wilde Kinderdurch musische Betätigung befriedet. Im Kin-deratelier Vasata können sie zu meditativerMusik nach Herzenslust kleckern, kritzelnoder mit Ton platschen. «Wir machen keineVorgaben, wie das in der Schule der Fall ist»,sagt Co-Leiterin Barbara Luecking. Entspre-chend erfahren die Kinder «nur Ermutigung,niemals Kritik». Die Kunst sei denn auch nurMittel zum Zweck, so Luecking: Die Kinderwürden durch den kreativen Prozess Selbst-vertrauen entwickeln, «Friedfertigkeit ist dieFolge».

Die Strickguerilla

Dortmund. In friedlicher Mission ist auch die«Katernberger Strickguerilla» unterwegs. IhreMitglieder sind Lehrerinnen, IT-Technikeroder Studenten, ihre Mission ist die Verschö-nerung der «industrialisierten Stadtmöblie-rung». Sie umstricken nächtens Strassenschil-der, Ampelmasten, Sitzbänke und Fahrradst-änder. Die wolligen Accessoires für die Stadt-möbel sind meist bunt und damit wahre Tri-stesse-Killer. Ausser diejenigen der «Gothic-Strickerin» in der Guerillatruppe, die stricktgrundsätzlich nur mit Schwarz.

Kleine Geigenvirtuosen

Hamburg. In Altona, einem Hamburger«Problemstadtteil», geschieht Wunderliches:220 Kinder, meist aus armen Migrantenfami-lien, spielen begeistert Geige. Zu verdankenist dies dem 50-jährigen Gino Romero Rami-rez, einem Einwanderer aus Kolumbien. DerGeigenlehrer unterrichtet die Kids mit grosserHingabe, Warmherzigkeit und Begeisterung.Jeder Schüler wird zur Begrüssung umarmt,die Kinder lieben ihn. Sie seien zwar anfangssehr frech gewesen, sagt er schmunzelnd,«aber ich habe über die Jahre Tricks gelernt,sie zu kriegen».

ZugerichtetMesserphobie

Wie im Himmel so auch am Gerichtherrscht Freude über reuige Sünder. Dasweiss Fisnik A.* aus einschlägiger Erfahrungund mimt routiniert den Büsser vor demRichter: «Ich habe eine riesengrosse Dumm-heit gemacht. Das tut mir leid.» Es war imHerbst 2010, als er mit seinem Opel in Dü-bendorf herumkurvte, ohne Billet, wie so oft.Gerade als er aufs Gaspedal drücken wollte,zwang ihn der angolanische Bauarbeiter JoãoLuís mit seinem Bagger abzubremsen, was inFisnik das Blut zum Brodeln brachte. An dernächsten Ampel lernten sich die Herrendann persönlich kennen. Die im folgendenGespräch in angolanischem Portugiesischund kosovarischem Albanisch herausge-schleuderten Verbalinjurien stiessen beimjeweils anderen auf Unverständnis. Also be-warf Fisnik den Angolaner mit faustgrossenSteinen. Die Karosserie trug Beulen davon.João Luís, unter Schock, liess sich vom un-geschützten Sitz auf die Strasse fallen. Her-renlos rollte der Bagger von dannen undprallte in einen Zaun.

Bis zu diesem Punkt der Anklage ist Fis-nik geständig. Doch João Luís hatte bei derPolizei ausgesagt, dass es der Albaner nichtbeim Raufhandel bewenden liess, sondernihn, nachdem er vom Bagger gefallen sei, miteinem Messer bedroht habe, mindestens 15Zentimeter lang. Dafür verlangt der Bauar-beiter 50 000 Franken Genugtuung, plus10 000 Franken Schmerzensgeld.

«Das kann gar nicht sein», ruft Fisnik, undfast sieht es aus, als ob er seine Contenanceverlöre. «Seit dem Vorfall, als ich meinenBruder mit einem Messer bedrohte, habe icheine Messerphobie. Fragen Sie meine Frau.»

Ob er denn wisse, wie viele Vorstrafen erhabe, fragt ihn der Richter, und schaut mit er-hobenen Augenbrauen auf Fisniks Strafregis -terauszug. «Ein paar sind es schon, aber ichweiss es nicht mehr genau», antwortet der Ge-fragte. Und für das Gefängnis könne er nichts,er sei da immer in Sachen hineingezogen wor-den, mit denen er nichts zu tun hatte. «Undjetzt bin ich wieder der Dumme.»

Gegen den vierten Punkt der Anklage-schrift, schwere Drohung, erhebt Fisnik Ein-sprache. «Der andere wittert doch nur dasgrosse Geld», vermutet er. Für allfällige Schä-den lägen keinerlei Beweise vor. «Der kommtdoch aus Afrika, da geht man auch nicht zim-perlich miteinander um.» Ein Leiden fürs Le-ben habe er wegen ihm sicher nicht davonge-tragen.

Dieser Sichtweise schliesst sich der Richteran und weist die Genugtuungsforderung desAngolaners ab. Vom Anklagepunkt der Dro-hung spricht er Fisnik frei. «Wir gehen in du-bio pro reo davon aus, dass kein Messer imSpiel war.» Der Kläger habe sich in Widersprü-che verheddert. Das Strafmass bleibt jedochdasselbe, denn die drei anderen Anklagepunk-te wiegen nicht leicht: Gefährdung des öffent-lichen Verkehrs, mehrfaches Fahren ohne Füh-rerschein und Verletzung der Verkehrsregeln.Es gibt eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu30 Franken und eine Busse von 700 Franken.«Sie dürfen sich nichts mehr zu schulden kom-men lassen», redet der Richter Fisnik ins Ge-wissen. «Es erträgt keine Dummheiten mehr.Hören Sie?» Der Angesprochene hört nichts, ertippt gerade ein SMS an seine Frau.

* Persönliche Angaben geändert.ISABELLA SEEMANN ([email protected])

ILLUSTRATION: PRISKA WENGER

([email protected])

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D: ZVG

Beim gemeinsamen Singen finden die rund15 Chormitglieder Anschluss an eine lockere,positiv gestimmte Gruppe. Ihnen gibt das Ge-fühl des Dazugehörens Kraft und Selbstwert.Der Surprise Strassenchor freut sich auch überneue Stimmen: Alle, die sich einen Chor sonstnicht leisten könnten, sind herzlich eingeladenmitzumachen.

Den Beginn des Jahres nutzen wir zum Ein-studieren neuer Lieder und zur Repertoire-Er-weiterung. Am 13. März findet eine Stimm-werkstatt mit dem Basler GesangspädagogenThomas Reck statt, der uns mit der Appenzel-ler Singtradition des «Zäuerli» und des «Grad-hebe» vertraut machen wird. Da Schweizer Dialektlieder für unseren international zu-sammengesetzten Chor sehr schwierig umzu-setzen sind, freuen wir uns auf diese ur-sprüngliche Art des Singens ohne Text. DieStimmwerkstatt findet am normalen Probentagin der Kindermusikschule archemusia am Aeschenplatz 2 statt und dauert von 17.30 bis21 Uhr.

Der neu gegründete Freundeskreis desChors sucht Gönnerinnen und Gönner

Der Strassenchor wird durch Spenden fi-nanziert und sucht Menschen, die sich mitdieser soziokulturellen Aktivität verbundenfühlen und zu einer Spende bereit sind. ImGegenzug werden sie über die öffentlichen

Surprise StrassenchorIn die vierte Saison gestartet

Der Surprise Strassenchor wird bald die Appenzeller Tradition des «Zäuerli» und des «Gradhebe» beherrschen.

BIL

D: IS

MAEL

LORE

NZO

Nachruf Patrice BiglerIm Verkäuferporträt letzten August sagte Patri-ce Bigler: «Ich mache mir um mich nicht un-bedingt Sorgen. Wenn hingegen Kollegen wieder Dänu sterben, dann nimmt mich das rechtmit.» Nun nimmt es uns mit, dass Patrice, derfast täglich vor der Migros im Berner Haupt-bahnhof Surprise verkaufte, am 10. Februar ge-storben ist; fast auf den Tag genau drei Jahrenach seinem Freund Dänu, der ihn vor sechsJahren zu Surprise gebracht hatte.Wir – und mit uns viele Verkäuferinnen undVerkäufer in Bern – sind sehr traurig, dass das«charmante Schlitzohr», wie ihn einst sein Bei-stand nannte, nie mehr unser Büro betretenwird. Patrices Lebensweg war praktisch vonBeginn weg steinig, sein Alltag schwierig undmit den Jahren vom Drogenkonsum bestimmt.Da war es schön, wenn wir ihn hier mit einemSpruch oder Witz zum Lachen bringen konn-

Chorkonzerte informiert und einmal im Jahrzur öffentlichen Probe eingeladen. Wir freuenuns auf ein tragendes Netz von Leuten, die un-seren Chor – und damit ein Stück Lebensfreu-de – direkt unterstützen. !Mehr Informationen unter

http://www.strassenmagazin.ch/strassenchor.

ten. Patrice hatte Schalk, und so war auch ernie um eine Antwort verlegen, bevor er wie-der zum Bahnhof eilte. Der Bahnhof war zuseinem Zuhause geworden. Hier arbeitete erund traf Bekannte, darunter auch die Surpri-se-Verkäuferin Lisbeth Schranz, die ihm half,sein Geld einzuteilen.Anfang Januar war Patrice nach einem Herz-stillstand ins Spital gebracht worden. SeinHerz schlug danach zwar wieder, doch seineallgemeine physische Verfassung verschlech-terte sich weiter.Nun hat sich sein Lebenskreis geschlossen.Dafür, dass du ein Teil von Surprise warst,für deine Mitarbeit im Verkauf, die Boten-gänge fürs Büro, deinen Charme und deinLachen: Danke Patrice!

Das Team des Vertriebsbüros Bern

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VON SARAH STÄHLI (TEXT) UND ANNETTE BOUTELLIER (BILD)

Er hätte auch einen ganz anderen Weg einschlagen können. Dochmanchmal kommt alles anders: Stefan Theiler studierte InternationaleBeziehungen an der Hochschule St. Gallen und arbeitete mehrere Jahreals strategischer Planer bei Werbefirmen. Nun ist er Dr. Strangelove –der «Facharzt für Filmberatung und Medienseuchen» – und unterhält inder unteren Berner Altstadt seine DVD-Videothek.

Die Kehrtwende kam nach diesem ominösen Alptraum, der Theilerwachgerüttelt hatte: «In diesem Traum wurde ich von meinen Mitarbei-tern der Werbeagentur buchstäblich gefoltert», erzählt er, «und am En-de schnitten sie mein grünes Halstuch durch.» Dieses Mitbringsel ausKambodscha, das er täglich trägt, habe für ihn eine ganz persönliche Be-deutung: «Es steht für Freiheit und den Wunsch nach einer sozialerenWelt.» Er beschloss, der Werbewelt den Rücken zu kehren: «Ich hatteAngst, sonst meine ganze Kreativität zu verlieren.»

In Bern kennt das schlauchartige, liebevoll dekorierte Lokal, vonoben bis unten voll gestopft mit DVDs, in der Zwischenzeit fast jeder.«Der empfiehlt doch immer Woody Allen», heisst es dann meistens. Seitdrei Jahren bringt der 29-Jährige täglich auserlesene Filme unter dieLeute. Einen DVD-Verleih zu eröffnen, sei aber keineswegs sein langgehegter Traum gewesen: «Der Vater meiner Ex-Freundin war Film-journalist und entzündete meine Leidenschaft für Filmgeschichten.»Damals, vor drei Jahren, als Theiler in einer Krise steckte, hatte erAngst um seinen freien Willen: «Ich fühlte mich ein bisschen wie Alexin ‹A Clockwork Orange› nach der Ludovico-Therapie», meint der gros-se Kubrick-Fan augenzwinkernd. Filme alsHeilmittel. Dies will er jetzt auch seinen Kun-den vermitteln. Bei gravierendem Liebeskum-mer etwa empfiehlt er Woody Allens Früh-werk «Bananas», «um diesen Kummer in eineranderen Variation nachempfinden zu können». Der «Filmapotheker»,wie er sich selber nennt, sagt: «Allen ist mein Hauspsychiater und eingutes Antidepressivum.» Dank ihm habe er den Jazz entdeckt und hilf-reiche Beziehungstipps erhalten.

Theiler kann nur schlecht still sitzen. Immer wieder kramt er Bücherund DVDs hervor, kratzt mit einer Gabel Kuchenreste aus einer Gugel-hopfform, die er im Stehen isst, oder begrüsst Kunden – er kennt sie al-le beim Vornamen. Während dem Gespräch öffnet sich die Ladentüre imZehn-Minuten-Takt. Er ist dann ganz der fürsorgliche Geschäftsmann.Er wird aber nie aufdringlich, vielmehr wirkt es, als wolle er seinen Kun-den sanft zu ihrem Glück verhelfen. Als erste Amtshandlung blättert erjeweils die eben zurückgebrachten DVDs mit ihnen durch, um heraus-zufinden, welche Filme sie noch interessieren könnten. «Ich verteile Fil-me wie Panini-Bilder auf dem Pausenplatz», lacht er. Theiler, oder ebenDr. Strangelove, sagt, es gehe ihm nicht ums Geschäft, sondern in ersterLinie um die Begegnungen. Als perfekter Lebensort schwebt ihm eineArt mittelalterliches Dorf vor, «wo die Nachbarn noch miteinander spre-chen und sich umeinander kümmern, wie hier in der Rathausgasse».Berner Stadtoriginale gehen bei ihm ein und aus, für ein Gespräch oder

PorträtDer FilmapothekerStefan Theiler hängte seinen Job in der Werbebranche an den Nagel, weil er um seine Kreativität fürchtete.Diese lebt er heute in seiner kleinen DVD-Videothek in der Berner Altstadt aus, wo er die Gasse mit neuemLeben erfüllt und Kunden mit Woody-Allen-Filmen von Liebeskummer heilt.

eine Tasse warmen Kaffee. Auch der gross gewachsene Surprise-Ver-käufer Andreas Ammann mit den blonden, halblangen Haaren gehörtzur Kundschaft. Zuletzt hat er sich den Überlebenskünstlerfilm «Mid-night Cowboy» ausgeliehen.

Rund 2000 Kunden zählt der umtriebige Filmapotheker mittlerweilein seiner Kartei. Reich wird er damit nicht: «Manchmal verdiene ich nur30 Franken am Tag. Aber ums Geld Verdienen geht es mir nicht: Geld es-sen Seele auf», sagt Theiler in Anlehnung an den Fassbinder-Film undfügt an: «Ich komme mit wenig zurecht. In der Woche brauche ich nuretwa 40 Franken.» Auch dank seinen guten Beziehungen im Quartier:Mit dem benachbarten italienischen Restaurant Lo Stuzzichino da Belli-no hat er einen Deal: Dr. Strangelove macht die Werbung für das Lokal,dafür darf er gratis hausgemachte Pasta essen.

Anfänglich hat Theiler auch im Ladenlokal gewohnt, umgeben vonseinen Filmschätzen. In der Zwischenzeit ist er eine Tür weitergezogen.Dort hält es ihn aber nicht mehr lange: «Heute stellt sich heraus, ob icheine Wohnung im Mattequartier erhalte», sagt er und rennt gleich ansTelefon, um den Vermieter anzurufen. Er bekommt die Zusage, woraufer einen Luftsprung im niedrigen Ladenlokal vollführt. Wäre der Ver-mieter vor ihm gestanden, Theiler wäre ihm ziemlich sicher um denHals gefallen. Seine impulsive und unglaublich kreative Art scheint sogar nicht ins gemächliche Bern zu passen, wo immer noch wenig Neu-es angerissen wird. Doch der Innerschweizer aus dem Ägerital sieht vielPotenzial in der Stadt: «Die Berner Altstadt ist eine Prinzessin, die imDornröschenschlaf schlummert. Man muss sie nur wachküssen.» Dasser jetzt in die Matte ziehe, daran sei «Doktor Erich Kästners Lyrische

Hausapotheke» schuld. Kästner gibt darin Tipps in Gedichtform für je-de Lebenslage. Für die, denen «die Grossstadt zum Hals heraushängt»,empfiehlt der Autor nächtliche Spaziergänge. «Jetzt kann ich immerwieder neue Spaziergänge zwischen Aare und Altstadt entdecken», ju-biliert Theiler: «Ich freue mich mit meinem neuen kleinen Akkordeonschon auf die Begegnungen unter den Lauben.» In der Matte hat es ihmbesonders das Quartierlädeli mit den feinen Rüebli angetan: «Irgendein-mal möchte ich hier an der Rathausgasse einen Tante-Emma-Laden er-öffnen helfen. Mit den Strichcode-Gwagglis Migros und Coop kann ichgar nichts anfangen».

Neben dem Filmverleih hat der Umtriebige immer wieder neue Pro-jekte im Köcher: Vom Kurierdienst bis zum Strassencafé hat er in dendrei Jahren schon einiges ausprobiert und teils auch wieder verworfen.Jeden zweiten Mittwoch organisiert er im Keller des Antiquariats «Alib-aba’s Bücherhöhle» nebenan Poesieabende oder stellt zur Antirassis-muswoche Ende März ein Gassenkino auf die Beine. Sein neusterStreich feiert im März Premiere: Auf dem alternativen Lokalradio RaBepräsentiert er jeden Donnerstag von 16 bis 17 Uhr ein «Lustspiel», indem er eine Patientin heilt – mit Filmen, versteht sich. !

«Die Berner Altstadt ist eine Prinzessin, die im Dornröschen-schlaf schlummert. Man muss sie nur wachküssen.»

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Xavier Koller«Manchmal wirft dich dasLeben aus der Bahn»Oscar-Preisträger Xavier Koller porträtiert in seinem neuen Film «Eine wen iig, dr DällebachKari» das Leben und Leiden des Berner Coiffeurs und Stadtoriginals. Mit Surprise sprach erüber Aussenseiter, Überlebenskünstler und die neue Swissness.

INTERVIEW VON SARAH STÄHLI

Dällebach Kari, Stadtoriginal mit Hasenscharte, war Berner Coif-feurmeister. Würde er heute leben, wäre er vielleicht Surprise-Ver-käufer. Was fasziniert uns an Stadtoriginalen und Randfiguren?Es hat sie immer gegeben. Diese Hofnarren, die versuchen, ihr Leben inden Griff zu kriegen. Solange diese Menschen ein gewisses Selbstwert-gefühl behalten und die Katastrophen überleben, sind sie eigentlich im-mer Sieger. Auch wenn sie ganz weit unten sind. Solange sie sich nichtdie Kugel geben oder etwas anstellen – aus Rache zum Beispiel –, dannsind das für mich bewundernswerte Menschen. Man kann sein Leben janicht bestimmen. Manchmal wirft es dich aus der Bahn. Die einen kom-men wieder aufs Gleis zurück – die anderen nicht.

Sind es die Frauen in seinem Leben, die es Kari ermöglicht haben,trotz unzähligen Rückschlägen zu überleben?Absolut. Ich wollte die starken Frauenfiguren in meinem Film hervor-heben: Es ist Zeit anzuerkennen, dass Frauen mehr und mehr das Steu-er übernehmen. In Karis Leben stand an erster Stelle seine Mutter. Undseinen Müttern ist man eigentlich immer zu wenig dankbar. Zu wenigdankbar dafür, dass sie einen auf die Welt gebracht und aufgezogen ha-ben. Das wird als selbstverständlich angenommen. Bei Kari ist das an-ders. Er wusste früh: Ohne seine Mutter hätte er gar nicht erst überlebt.Sie hat ihn trotz seiner Hasenscharte, trotz Ab-raten des Arztes am Leben erhalten. Eine mei-ner Lieblingsszenen im Film ist die, als Kariseine Mutter besucht, nachdem er sich die Ha-senscharte hat flicken lassen und sich bei ihrfür alles bedankt. Etwas, das wir meistens verpassen im Leben: uns zubedanken. Kari ist dankbar für das Leben und für die Liebe, die er er-fahren durfte. Und diese Dankbarkeit hat er mit sich getragen. Bis zumSchluss.

Am Ende opfert er sich für seine grosse Liebe, Annemarie, dieTochter aus gutem Haus, auf. Ein schmerzhafter Moment in Ih-rem Film.Und doch ist Kari daran nicht zugrunde gegangen. Er ist weder verbit-tert geworden noch hat er begonnen, Frauen zu hassen. Er wusste:Wenn ich Annemarie liebe, muss ich sie gehen lassen. Eine unglaubli-che Grosszügigkeit, die man nicht häufig so in einem Menschen findet.

Oft verachten wir die Person, die wir einmal geliebt haben. Dabei gehendie gemeinsamen Zeiten ja nicht verloren. Die Verehrung der Frau hatKari weitergetragen wie ein Juwel, durch sein ganzes Leben. Diese Wert-schätzung kommt bei ihm aus der Verehrung seiner Mutter. Sowie sei-ne fehlende Berührungsangst mit dem Femininen und seine Sehnsuchtnach dem Schönen – auch bedingt durch seinen Beruf. Und das, obwohler immer wieder damit konfrontiert wird, dass er selber nicht besondersschön ist. Diesem Widerspruch wollte ich in meinem Film nachgehen.

Wieso hat sich der Mythos von Dällebach Kari bis heute ge -halten?Weil er offenbar Qualitäten hat, die wir in uns vermissen. Eigenschaf-ten, die wir vielleicht für unser Leben als Orientierungshilfe ansehenkönnten. Ich denke, eine gewisse positive Haltung dem eigenen Lebengegenüber hilft, viel Schmerz zu ertragen und dem Leben einen Wert zugeben.

Am Ende Ihres Filmes steht der Satz: Dr Dällebach Kari, eine weniig – und eini wie du. Was hat Kari mit uns gemeinsam? Einiges. All die Aufs und Abs im Leben, wie wir versuchen zu überle-ben, respektiert zu werden, unsere Ängste aufzugeben und uns zu ak-zeptieren, so wie wir sind. Das kennen wir doch alle. Ob wir jetzt zukleine Ohren oder eine zu grosse Nase haben: Perfekt fühlt sich nie-

mand. Sogar die schönste Frau der Welt hat das Gefühl, sie sei zu dick.Der Spiegel ist unser grösster Feind. Und Kari wurde in seinem Coif-feursalon täglich damit konfrontiert.

Die Rolle der Aussenseiter und Heimatlosen zieht sich wie ein ro-ter Faden durch Ihr Werk. Etwa in «Das gefrorene Herz» oder«Reise der Hoffnung».Zwar nicht bewusst, aber es stimmt, das hat etwas. Interessant finde ichdabei vor allem herauszufinden, wieso jemand zu einem Aussenseitergeworden ist. So wie jetzt auch beim Dällebach Kari. Offenbar habendiese Menschen auch etwas mit mir zu tun. Ich bin auch eine ArtAussenseiter. Nicht, dass ich darunter leiden würde, aber meine Denk-

«Solange Randfiguren ein gewisses Selbstwertgefühl behaltenund die Katastrophen überleben, sind sie eigentlich immer Sieger.»

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art ist vielleicht ein bisschen anders: Ich gehemeinen eigenen Weg und habe nie darauf ge-hört, was mir andere geraten haben, sondernmeine eigenen Fehler gemacht und daraus ge-lernt. Mein Lebensprinzip heisst: Vorwärtsge-hen. Die Zukunft liegt vorne, was hinter einemliegt, nimmt man mit, aber verbittert zu sein über Rückschläge, dasbringt nichts. Manchmal verrennt man sich dabei, manchmal hat manGlück. Berechnen kann man das nicht. Und es braucht Mut, auch ein-mal etwas falsch zu machen.

Dällebach Kari ist also auch ein Vorbild für Sie?Auf jeden Fall. Er hat eingesteckt, aber er hat das Leben auch geniessenkönnen. Sein Leiden ist echt, aber seine Freude auch. Es ist diese Wahr-haftigkeit, die ich in meinem Film gesucht habe. Dieser ewige Versuch,uns selber und einander zu akzeptieren – mit all unseren Fehlbarkeitenund Makeln, die uns ausmachen.

Kurt Früh hat Dällebach Kari in seinem Film von 1970 bereits por-trätiert. Theaterstück und Musical folgten. Wieso haben Sie sich fürIhren Film erneut mit dem Leben des Berner Stadtoriginals befasst?Das Projekt wurde an mich herangetragen. Mir war wichtig, dass ichmeinen eigenen Weg finde, diese Geschichte zu erzählen. Die Liebe, dieMissbildung und das fehlende Selbstvertrauen wollte ich ins Zentrumstellen. Kari ist ein Original. Durch den Film von Kurt Früh ist er zur Le-gende geworden. Ich habe mit meinem Film versucht, den Weg nach-zuzeichnen, wie es dazu gekommen ist. Eine subjektive Interpretation,

wie es hätte sein können. Und ich wollte Karis Geschichte auffrischen,damit sie hoffentlich auch ein jüngeres Publikum anspricht. Die Lie-besgeschichte steht dabei im Mittelpunkt. Für mich bedeutet KinoEmotionen: Ich möchte, dass die Zuschauer befreiend lachen könnenund allenfalls ein Tränchen verdrücken. Ich hoffe, dass das Publikummit einem guten Gefühl zum Kino rausgeht. Das reicht mir. Mein Filmsoll weder Sozialkritik noch Menschenkritik sein, sondern einfach einMenschenbild.

Sie leben seit Jahren in Los Angeles, haben aber jetzt wieder einsehr schweizerisches Thema aufgegriffen. Wieso?Ich habe mich ja nicht verändert. Spreche immer noch Schweizer-deutsch. Man nimmt sich selber immer mit, egal wohin man geht. Viel-leicht wird das Denken etwas freier, weil man sich selber nicht mehr soeingeengt fühlt durch die Umgebung. Das ist der Vorteil vom Weggehenund Zurückschauen: Man hat dann den besseren Überblick. In der Mas-se von Menschen sieht man immer nur den nächsten.

Hätten Sie den «Dällebach Kari» auch in den USA drehen können?Ich denke schon. Klar, durch den Ort und die Sprache erhält die Ge-schichte eine eindeutige Identität. Aber der Film erzählt eine Geschich-

«Dällebach hat offenbar Qualitäten, die wir in uns ver-missen. Eigenschaften, die wir vielleicht für unser Lebenals Orientierungshilfe ansehen könnten.»

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Nils Althaus als Dällebach Kari im neuen Koller-Film: Annemaries Mutter hat andere Vorstellungen von ihrem Schwiegersohn.

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te von universellem Charakter: eine alle Schranken überwindende Lie-be und fehlendes Selbstvertrauen. Das sind Themen, die überall von Be-deutung sind.

Unterscheidet sich die Arbeitsweise in Hollywood und Europa?Ausser, dass die Equipe grösser ist und allenfalls mehr Geld in ein Projektreingestopft wird, sind die Arbeitsbedingungen dieselben. Es ist «ghupftwie gsprunge». Die amerikanischen Schauspieler sind nicht aus anderemMaterial beschaffen als die schweizerischen. Es wird eine andere Sprachegesprochen, aber die Leidenschaft für den Beruf ist dieselbe.

Hat sich Ihr Blick auf die Heimat verändert?Vielleicht ist er etwas klarer geworden. Die Veränderungen, die sich hierabzeichnen, freuen mich sehr. Ich habe den Eindruck, die Schweiz istfarbiger, frischer geworden. Diese neue Identität ist befreiend. Ich hoffenur, dass sich das so positiv weiterentwickelt und nicht zur Selbstgefäl-ligkeit wird. In der Politik hat sich diese neue Identität vielleicht nochweniger durchgesetzt, das kommt aber hoffentlich noch. Die Frauen ha-ben zwar die Mehrheit im Bundesrat wieder verloren, aber es hat docheine Blutauffrischung stattgefunden. Und ich bin eigentlich optimis -tisch, dass es so weitergeht.

Im Schweizer Film wird diese Swissness zurzeit geradezu zele-briert. Es ist ein neues Selbstverständnis, ein Zurückfinden zur eigenen Iden-tität. Alte Bräuche werden neu entdeckt. Früher haben alle gelacht,wenn jemand Alphorn gespielt hat, heute finden sogar Junge: «Das fährt

Zur Person: Xavier Koller wurde 1944 in Schwyz geboren. Für sein Flüchtlingsdra-ma «Reise der Hoffnung» erhielt er 1991 den Oscar für den besten fremd-sprachigen Film. Mit «Gripsholm» verfilmte er eine Erzählung von KurtTucholsky. Das Drehbuch zu «Eine wen iig – dr Dällebach Kari» basiertauf dem Theaterstück von Livia Anne Richard. Der Film mit Nils Alt-haus in der Rolle des jugendlichen Kari, Hanspeter Müller-Drossaart alsälterer Kari und der hervorragenden Newcomerin Carla Juri als Anne-marie Geiser eröffnete die Solothurner Filmtage und läuft zurzeit in denDeutschschweizer Kinos. Er ist in sechs Kategorien für den SchweizerFilmpreis «Quartz» nominiert, der Mitte März vergeben wird. Koller lebtmit seiner Familie in Los Angeles. Als Nächstes dreht er in England denThriller «Summer Night, Winter Moon» mit Stephen Fry und RogerMoore.

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noch ein.» Die schweizerische Eigenart findet wieder Anklang: Hosen-lupf und Schwingfeste sind plötzlich «no geil». Das Zurückfinden zu die-sem Ursprung, der nicht verfälscht ist und nicht zur Folklore wird, daspassiert zurzeit auf einer breiten Ebene. Die Berührungsängste sind ver-schwunden. Wir haben gemerkt, dass wir uns nicht immer nur nachaussen orientieren müssen. !

www.daellebachfilm.ch

Regisseur Xavier Koller: «Es braucht Mut, auch einmal etwas falsch zu machen.»

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Am RandIn der Schweiz wird kaum mehr toleriert, dass sich so genannte Randständige in der Öffent-lichkeit treffen. Stattdessen werden sie immer weiter an den Rand gedrängt. In allen grösse-ren Städten gibt es mittlerweile Wegweisungsartikel, die es der Polizei ermöglichen, nebenlärmenden Jugendlichen auch Alkoholiker und andere Drogenabhängige von öffentlichenPlätzen fernzuhalten. Wir waren in Bern auf der Gasse unterwegs, haben uns in Studien ver-tieft und mit Experten gesprochen. Wir wollten wissen: Haben Aussenseiter noch einen Platzin unserer Gesellschaft?

VON FLORIAN BLUMER, RETO ASCHWANDEN UND RAHEL BUCHER (TEXTE) UND KARIN SCHEIDEGGER (BILDER)

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Am RandAus dem Wohnzimmer vertriebenWie geht es den Randständigen heute, wo sie sich in Bern kaum mehr in der Öffentlichkeit tref-fen können? Besser, sagt Silvio Flückiger, Leiter der städtischen GasseninterventionstruppePinto. Schlechter, sagt Surprise-Vertriebsleiter Fredi Maurer. Ein Bericht von der Gasse.

VON FLORIAN BLUMER

«Eines ist klar: Man kann sie nicht einfach in den Ghüder stecken unddann sind sie weg.» Lisbeth Schranz weiss, wovon sie spricht, wenn esum «Randständige» geht. Wie fast jeden Werktag seit 1999 steht die klei-ne, zierliche Frau im Bahnhof Bern gegenüber der «Alki-Tankstelle»,dem Bahnhofs-Coop, und verkauft Surprise. Schranz ist so etwas wiedie Randständigen-Mama vom Bahnhof: Sie ist da, wenn jemand Hilfebraucht, sorgt aber mit dem nötigen Nachdruck auch dafür, dass Schul-den bei ihr beglichen werden. «Sechs Drogenabhängige, die ich kannte,sind in dieser Zeit gestorben», erzählt Schranz – der letzte war Surprise-Verkäufer Patrice Bigler Anfang dieses Jahres (siehe auch den Nachrufauf Seite 7). «Es ist schade um die jungen Leben», klagt die 69-Jährige.

Szenenwechsel: Drei Pinto-Mitarbeiter sind in ihren roten Gilets aufdem täglichen Rundgang unterwegs in Richtung Bahnhof. Pinto ist einestädtische Organisation, der Name steht für «Prävention, Intervention,Toleranz». Ihre Aufgabe ist, in den Worten ihres Leiters Silvio Flückiger,«das Lösen von Konflikten im öffentlichen Raum». Auf die Frage, obRandständige heute noch einen Platz in unserer Gesellschaft hätten,sagt Flückiger: «Solche Personen gehören zu einer Stadt. Man darf sienicht einfach irgendwo hintun, wo man sie nicht mehr sieht.»

Ein bisschen soziale WärmeHinter dem etwas technischen Begriff «Randständige» verbergen sich

Menschen, die ihr Lebenslauf auf die Gasse gespült hat – und in allerRegel auch in die Abhängigkeit von einer oder mehreren Drogen, meistHeroin, Kokain, Alkohol oder auch Beruhigungsmittel wie zum BeispielValium. Die Gründe dafür sind vielfältig. Sie reichen von einem schwie-rigen Elternhaus über psychische Probleme, Minderintelligenz, Schick-salsschläge bis hin zu jugendlichem Übermut. Gemein ist diesen Men-schen, dass sie in der Regel keinen Ort mehr haben, den sie als ihr Zu-hause bezeichnen. Respektive dass dieser Orteben «die Gasse» ist, oder in Behördensprache:«der öffentliche Raum». Sie wollen oder kön-nen sich zwar nicht in die Mehrheitsgesell-schaft einfügen, doch auch sie brauchen na-türlich soziale Kontakte: So entwickelten sich immer wieder öffentlicheOrte zu Szenetreffpunkten. Man sitzt zusammen, um sich auszutau-schen, sich gegenseitig zu unterstützen und etwas soziale Wärme zuspüren. Dies wird jedoch in Bern seit einigen Jahren nicht mehr tole-riert. Flückiger sagt dennoch: «Die Situation ist in den letzten zehn Jah-ren klar besser geworden. Und zwar für alle Beteiligen – auch für dieRandständigen.»

In linken Kreisen – zum Beispiel in der Reitschule – ist Pinto nichtgerne gesehen. «Das Extremste vielleicht, wie man uns öffentlich be-zeichnete, war ‹paramilitärische Pseudo-Sozialarbeiter›», sagt Flückigerund lacht. Ein spontaner Lacher entfährt ihm jedoch ebenso, als er mit

einem Zeitungsartikel konfrontiert wird, in welchem er und seine Mit-arbeiter von Gewerbeseite als «Kuscheltruppe» beschimpft werden: Vonbürgerlicher Seite wird Pinto nämlich vorgeworfen, verständnisvoll mitden Randständigen zu reden, anstatt sie vor den Geschäften zu vertrei-ben. Fredi Maurer, langjähriger Vertriebsmitarbeiter von Surprise inBern, lobt jedoch die gute Zusammenarbeit und meint: «Es ist allemalbesser, wenn bei Reklamationen erst Pinto vorbeigeht, als wenn gleichdie Polizei geschickt wird.»

Kein Platz für HundeEs ist ein bitterkalter Nachmittag im Februar und es sind kaum Men-

schen anzutreffen, die sich freiwillig länger draussen aufhalten. «Es gibtmomentan nur drei Personen, die hartnäckig im Freien übernachten»,sagt Flückiger. Diese suchen Pinto-Mitarbeiter regelmässig in der Nachtauf, bringen ihnen bei Bedarf einen Schlafsack und klären ab, ob sienicht zu betrunken oder zu verladen sind, um Erfrierungszustände zubemerken. Am Bahnhof angekommen, zeigt sich, warum Flückiger sagt,dass die Präsenz Randständiger im öffentlichen Raum deutlich abge-nommen habe: Beim einst beliebten Treffpunkt am Seiteneingang Neu-engasse ist das ganze Betonmäuerchen von einem hohen Zaun einge-hagt, die Telefonkabinen sind weg – und auch das Vordach soll dem-nächst noch entfernt werden.

Der beliebteste Treffpunkt der Alkoholikerszene war bis 2008 jedoch«der Stein», die Stadtmauerreste in der Christoffel-Unterführung imBahnhof. Sowohl der runde Teil (damals «Wohnzimmer» genannt) wiedas gerade Stück («Stehbar») sind heute eingeglast. Flückiger sagt, erhabe früher vor dem «Wohnzimmer» symbolisch angeklopft und ge-fragt, ob er hereinkommen dürfe. Fredi Maurer sagt, die Auflösung die-ses Treffpunkts sei die schlimmste Massnahme für die Szene gewesen.Seit dem grossen Umbau vor der Fussball-EM 2008, bei welchem demBahnhofsinneren ein modernes Einkaufszentrum verpasst wurde, sind

die Alkoholiker verschwunden. Einige hätten zwar erst noch Rücker-oberungsparolen herausgegeben, sagt Flückiger. Doch als sie sahen, wiees drinnen aussieht, hätten sie schnell aufgegeben: Es gab schlicht kei-nen Ort mehr, den sie hätten zurückerobern können.

Die Nachfrage bei Flückiger, Maurer und Schranz zeigt, wie stark dieBeurteilung der Situation vom jeweiligen Standpunkt abhängt: Flückigerweist darauf hin, dass heute städtische Angebote wie die Drogen-An-laufstelle und das Alki-Stübli stärker genützt werden. Die Auflösung ins-besondere der Drogenszene auf dem Vorplatz der Reitschule habe einenpositiven Effekt gehabt, denn die unhygienischen Bedingungen und derhohe Konsumrhythmus habe auch für die Süchtigen mehr Elend be-

«Solche Personen gehören zu einer Stadt. Man darf sie nichteinfach irgendwo hintun, wo man sie nicht mehr sieht.»

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Am RandKein Platz mehr auf der GasseAuf Besuch bei der kirchlichen Gassenarbeit in Bern: Juristin Simone Rebmann sagt, derWegweisungsartikel werde ausweitend angewendet; die weggewiesene Daniela* wehrt sich.

VON RAHEL BUCHER

Wieder geht die Türe auf. An einem Donnerstag kurz nach 15 Uhr imBüro der kirchlichen Gassenarbeit. Es ist einer der wenigen geschütztenOrte, an dem sich randständige Menschen in Ruhe treffen können –zweimal in der Woche, jeweils zwei Stunden. Auf der Gasse oder etwaim Bahnhof seien sie eher unerwünscht, sagt eine junge Frau. Zudemsei es draussen im Moment viel zu kalt. Der Mann, der eben reinkommt,grüsst, geht zum Wasserkocher und macht sich eine Tütensuppe. Einjunger Hund gibt seine Kapriolen zum Besten. Der ältere Mann, derschon länger am Tisch sitzt, schaut ihm belustigt dabei zu. Er trinkt ei-nen heissen Kaffee. Am Computer surft die junge Frau im Internet.Zwischendurch wirft sie einen liebevollen Blick auf den jungen Hund,er gehört zu ihr. Am Telefon streitet sich ein Mann mit den Behörden –er ist aufgebracht. Eine der Gassenarbeiterinnen versucht, ihn zu beru-higen, die andere verteilt Essen, Kleider, Wolldecken. Wieder geht dieTüre auf. Eine Frau kommt rein. Daniela*. Sie wirkt nervös, knabbert aneinem Fingernagel.

«Keine schöne Geschichte» habe sie zu erzählen. Es war Ende Janu-ar. Sie war unterwegs in Richtung Kontakt- und Anlaufstelle für Dro-genabhängige an der Hodlerstrasse. Auf dem Trottoir kurz vor dem Ein-gang begrüsste sie einen Bekannten. «Mit einem Muntsch», sagt Danie-la. Plötzlich seien von beiden Seiten Polizisten gekommen und hättensie eingekesselt. Zusammen mit sieben anderen Personen wurde sie «imGänsemarsch» auf den Polizeiposten am Waisenhausplatz geführt.«Dort ging das volle Programm los – ausziehen, Böckli machen…» Siehabe sich vor dem Fixerstübli in einer Ansammlung von Menschen auf-gehalten, an deren Verhalten Passanten Anstoss genommen hätten,

steht in ihrer Fernhalteverfügung geschrieben. Zudem sei sie im Besitzvon Betäubungsmitteln gewesen. Drei Monate darf sie sich deshalb rundums Fixerstübli nicht mehr in einer Gruppe aufhalten, respektive hatdort das beanstandete Verhalten, das zu «nachteiligen Begleiterschei-nungen» geführt habe, zu unterlassen. Damit gemeint sind etwa die Be-hinderung von Passanten, aggressives Verhalten, Lärm oder Anhäufungvon Abfall. Tut sie etwas davon trotzdem, muss sie eine Busse bezah-len. Direkt in die Anlaufstelle hineingehen darf sie jedoch noch, wie Simone Rebmann, Juristin und Vorstandsmitglied der kirchlichen Gas-senarbeit, sagt.

Tatbestand «Verdacht auf Störung der Ordnung»Dass es der Polizei erlaubt ist, Menschen unter gewissen Umständen

wegzuweisen, ist im kantonalen Polizeigesetz geregelt. In Artikel 29bsteht geschrieben, dass die Polizei Personen von einem Ort vorüberge-hend wegweisen oder fernhalten darf, wenn «der begründete Verdachtbesteht, dass sie oder andere, die der gleichen Ansammlung zuzurech-nen sind, die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden oder stören».Das sei etwas vage formuliert, findet Juristin Simone Rebmann. Ihrer An-sicht nach wende die Polizei den auslegungsbedürftigen Artikel «sehrausweitend» an. Sie bezeichnet den Wegweisungsartikel als «Verdrän-gungsmechanismus von Menschen, die man im öffentlichen Raum liebernicht sehen möchte».

Zurück zu Daniela. «Ich bin nicht dort gestanden, ich war bloss aufdem Weg zur Anlaufstelle», beteuert sie. Trotzdem habe man sie einfachabgeführt. Die Wegweisungspraxis sei im Moment total willkürlich,klagt sie. «Die Fernhalteverfügungen werden in der Stadt Bern sehr ge-zielt eingesetzt und betreffen primär den Sucht- und Betäubungsmittel-

deutet. Es gebe allerdings noch Lücken im Angebot, zum Beispiel, dassman keine Hunde in die Notschlafstellen mitnehmen dürfe. «Ich würdeohne meine drei Hunde auch nirgendwohin gehen», sagt Flückiger. Sur-prise-Vertriebsmitarbeiter Maurer gibt zu bedenken, dass viele nichtgerne in die Notschlafstellen gehen, wo sie gegen Bezahlung mit Fremden in einem Mehr-bettzimmer übernachten und sich einer Haus-ordnung mit strengem Zeitreglement und Ämt-lis unterordnen müssen. Maurer sagt, dass sichdie Situation für die Leute auf der Gasse in den letzten zehn Jahren deut-lich verschlechtert habe, und beklagt, dass Randständige heute draus-sen kaum mehr einen Ort fänden, an dem sie sich in Ruhe treffen kön-nen. Surprise-Verkäuferin Schranz hingegen kann den Veränderungenim Bahnhof auch positive Seiten abgewinnen: Sie kenne Leute, die frü-her die Bahnhofshalle um Mitternacht mieden. Heute, mit der Präsenzder Bahnpolizei, fühlten sie sich sicherer.

Einig sind sich alle drei darin, dass sich die Szene zersplittert hat.Dies bedeutet, dass sich mehr Drogenabhängige und Alkoholiker inHauseingängen und vor Geschäften in der Innenstadt aufhalten. Was

wiederum zur Folge hat, dass bei Pinto mehr Reklamationen eingehen,obwohl sich deutlich weniger Randständige im öffentlichen Raum auf-halten. Flückiger stellt allgemein eine abnehmende Toleranz ihnengegenüber fest. Er vermutet, dass dies auch damit zusammenhängt,

dass die Zeiten härter geworden sind und die Randständigen dadurchöfter zur Zielscheibe für das Abladen persönlicher Frustrationen herhal-ten müssten.

Er höre zudem oft, dass sich Leute auf der Gasse beklagen, dass zwarüber sie, aber nicht mit ihnen gesprochen werde. Viele Konflikte könn-ten seiner Erfahrung nach ganz einfach gelöst werden, wenn einfachmehr miteinander geredet würde. «Pinto ist so etwas wie professionali-sierte Zivilcourage», sagt er, und: «Würde nur jeder einzelne einen Zacken mehr Zivilcourage zeigen, dann wäre unsere Arbeit in einigenBereichen überflüssig.» !

Leute auf der Gasse beklagen sich oft, dass zwar über sie,aber nicht mit ihnen gesprochen wird.

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«wenig bestimmt» sei und die Fernhaltung regelmässig in Grundrechteder Betroffenen eingreife.

Wieder geht die Türe auf. Ein junger Mann mit langen Dreadlocks,Gitarre und Hund tritt ein. Er sagt: «Im Winter sind Wegweisungen ein

viel kleineres Thema als im Frühling oder Sommer, wenn sich alle aufder Strasse aufhalten.» Die anderen stimmen zu, lauthals oder mit ei-nem Kopfnicken. Die Wegweisungspraxis unterliege Wellenbewegungenund verändere sich je nach politischen Zielsetzungen, sagt Simone Reb-mann. «Wegweisungen sind jedoch insgesamt die falsche Massnahme,um Phänomene, die politisch als Problem betrachtet werden, zu lösen»,sagt sie. Stattdessen sollte man besser darüber nachdenken, mehr An-gebote für randständige Menschen zu schaffen.

Im Büro der kirchlichen Gassenarbeit sind in den letzten zwei Stun-den rund 35 Menschen vorbeigekommen. Wo werden sie sich bis zumnächsten Dienstag, wenn das Büro wieder für zwei Stunden offen ist,aufhalten? Am Sonntagabend eventuell kurz in der Gassenküche vordem Fixerstübli. Während der Woche mal im Restaurant Casa Marcelloauf ein Bier. Einige wohnen in Bauwagen, andere bei Freunden, im Waldoder vorübergehend in der Notschlafstelle. Es gibt auch solche, die esnoch nicht wissen. Auf der Gasse dürften sie vorerst niemandem im Wegsein – dafür ist es momentan schlicht zu kalt. !

*Name geändert.

bereich», verteidigt sich Corinne Müller, Mediensprecherin der Kan-tonspolizei Bern. Zudem betont sie, dass eine Fernhalteverfügung in je-dem Fall individuell begründet werden muss. Im Vergleich zu früherenJahren würden heute deutlich weniger ausgestellt, sagt sie weiter. Inden letzten Jahren hat sich die Zahl mehr oderweniger eingependelt. So wurden 2008 379Fernhalteverfügungen ausgestellt, 2009 438und 2010 414. Bern war 1998 der erste Kanton,der einen Wegweisungsartikel einführte. Balddarauf sind andere Kantone und Gemeinden nachgezogen. Der BernerWegweisungsartikel war und ist immer wieder umstritten. In einemBundesgerichtsentscheid aus dem Jahr 2006 heisst es jedoch, dass erverfassungskonform sei und auch der Europäischen Menschenrechts-konvention entspreche.

Praxis politischen Wellenbewegungen unterworfenDaniela gibt sich noch nicht geschlagen. Beim Einreichen ihrer Be-

schwerde wird sie von der kirchlichen Gassenarbeit unterstützt. SimoneRebmann empfiehlt allen Betroffenen, sich zu wehren – auch wenn diesein beschwerlicher Weg sei. Zwischendurch haben einige sogar kleineErfolge damit. So etwa im September 2011, als das Berner Verwaltungs-gericht die Polizeidirektion rügte, da sie zwei Beschwerden gegen Weg-weisungen aus dem Berner Bahnhof nicht behandelt hatte. Die Polizeihatte die Wegweisungen damit begründet, dass die Leute vor der Hei-liggeistkirche beim Bahnhof Alkohol konsumiert und die Örtlichkeitdurch Unrat verunreinigt hätten – Passanten hätten sichtlich Anstoss ge-nommen «an dem sich bietenden Anblick». Das Verwaltungsgerichthielt in seinem Urteil aber auch fest, dass der Wegweisungsartikel

Silvio Flückiger und zwei Mitarbeiterinnen von Pinto vor dem Bahnhofseingang Neuengasse: Seit dem Umbau gibt es hier nicht mehr viel zu tun.

Auf der Gasse oder im Bahnhof seien sie eher unerwünscht,sagt eine junge Frau.

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Am RandWegweisungen können alle treffenDie meisten Schweizer Städte haben in den letzten Jahren einen Wegweisungsartikel einge-führt. Die Ethnologin Monika Litscher hat untersucht, wie diese Gesetze angewendet werdenund was eine Wegweisung bei Betroffenen auslöst. Ein Gespräch über den gesellschaft-lichen Umgang mit öffentlichem Raum.

INTERVIEW: RETO ASCHWANDEN

Frau Litscher, Sie haben die Wegweisungspraxis in Städten wieBern untersucht, wo 1998 der Wegweisungsartikel eingeführtwurde. Fühlen sich die Berner heute sicherer?Die Reklamationen haben anscheinend nicht abgenommen, sondernwerden eher mehr. Ein Wegweisungsartikel nützt kaum etwas, wenndas subjektive Sicherheitsgefühl erhöht werden soll.

Wie kommen Sie darauf?Unsere öffentlichen Räume sind heute sehr sicher, doch schauen Siesich die Statistiken an: Das subjektive Unsicherheitsgefühl nimmt zu.Dabei werden die Sicherheitsmassnahmen seit Jahren verstärkt und dieDelikte gehen zurück.

Das glaubt einfach niemand.Dafür sind viele Faktoren verantwortlich, die zusammenspielen. Da ar-beitet sozusagen eine ganze Maschinerie.

Und wer sind die Maschinisten?Wir alle sind beteiligt, das ist das Verflixte. Ein- und Ausschlussmass-nahmen sind Teil der Veränderungen in den städtischen Räumen derwestlichen Welt. Städte werden wie Unternehmen geführt, dabei wer-den gewisse Risiken, aber auch Gewinne privatisiert und im Gegenzugwird das staatliche Gewaltmonopol verstärkt.

Der Nachtwächterstaat.Diese Bezeichnung zielt in die Richtung, ja. In öffentlichen Räumenkommen gesellschaftliche Diskurse um Sicherheit, Ordnung und Sau-

berkeit zum Ausdruck. Städtische Investitionen in den öffentlichenRaum lohnen sich derzeit, das läuft unter dem Stichwort Standortmar-keting. Interessant ist, wie wir auf die divergente Nutzung und Aneig-nung der öffentlichen Räume reagieren. Und da zeigt die Wegweisungs-norm, dass nicht die Auseinandersetzung mit anderen Nutzern gesuchtwird, sondern bei einem «Sich gestört-Fühlen» Disziplinierung und Kon-trolle eingeführt werden.

Schon Jahre vor dem Wegweisungsartikel gab es in Zürich dieKampagne «Erlaubt ist, was nicht stört». Was lösen solche Plaka-te in der Bevölkerung aus?Die Kampagne kann wohl als Ausdruck der Verschiebung von öffent-lichen zu privaten Interessen in öffentlichen Räumen verstanden wer-den. Diese Art Kampagne fördert den Anspruch, man könne sich überallwie im eigenen Wohnzimmer fühlen und benehmen. Doch im öffent-lichen Raum gelten öffentliche Interessen. Das heisst aber nicht, dassalles geht.

Was löst eine Wegweisung bei Betroffenen aus?Bei den interviewten Menschen mit Wegweisungserfahrung fällt dasenorme Unrechtsempfinden auf. Viele fühlen sich ungleich behandelt,hilflos und ohnmächtig.

Halten sie sich an eine Wegweisungsverfügung?Wir haben Menschen getroffen, die sich nicht an eine Wegweisung hal-ten, weil sie einfach an bestimmte Orte müssen, etwa weil sich ihr so-ziales Leben im öffentlichen Raum abspielt oder weil sie Drogen benö-tigen. Das verursacht natürlich zusätzlichen Stress.

Was passiert bei wiederholten Verstössen?In Bern haben wir verschiedene Menschen getroffen, die eingesperrtwurden. Es werden also Menschen eingeschlossen, nachdem sie zuvorvom öffentlichen Raum ausgeschlossen wurden, was immer auch Aus-schluss aus dem politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Le-ben bedeutet.

Ein Luzerner Polizist sagt in Ihrer Studie, die Anwendung desWegweisungsartikels sei abhängig vom politischen Klima.Das ist so, nicht nur in Luzern. Und das gilt wohl für die Auslegung dergesamten Gesetzgebung, da es meist einen Interpretationsspielraumgibt. Die Wegweisungsmassnahme könnte eigentlich alle treffen. Da gibtes verschiedene Vorstellungen und Auslegemöglichkeiten.

Sie sagen, es seien private Interessen, die in die Gesetzgebunggetragen werden. Wessen Interessen sind das?Die von uns allen, wir stimmen ja darüber ab. Wir haben es verlerntoder nie gelernt, wie man sich öffentlich verhält. Alles, was unerwar-tet, anders oder nicht planbar ist, soll nicht vorkommen, denn damitkönnen oder wollen wir nicht umgehen, es macht gar Angst. Mit derEinführung von Kontroll- und Disziplinierungsmassnahmen, die auch

BIL

D: PETER

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baulich-gestalterische Veränderungen bein-halten, gibt es in den Innenstädten vermeint-liche Inseln, die sehr sauber, übersichtlich,kontrolliert sind. Gewisse Verhaltensweisenund Menschen sind dort nicht mehr sichtbar, sie sind nicht Teil dieserKonsumwelt. So wächst das Bedürfnis, dass es überall in der Stadt sosein müsse.

Parallel zu den Wegweisungsgesetzen wurden auch Einsatztrup-pen wie SIP und Pinto geschaffen, die laut Definition aufsuchen-de Sozialarbeit mit Ordnungsdienst verbinden? Welche Rollespielen die?Sie sind ganz wichtige Player, die eine Schnittstellenrolle einnehmen.Pinto in Bern wurde nach politischen Protesten gegen die Wegwei-sungspraxis eingeführt. Ich finde es allerdings schwierig, ihre Rolle ge-nauer einzuschätzen. Es wäre spannend, ihre Bedeutung bezüglich Ein-und Ausschluss genauer zu untersuchen.

Wie werden sie von Weggewiesenen wahrgenommen?Den interviewten Menschen sind sie meist suspekt und sie werden alsVerbündete der Polizei empfunden. Doch es gilt zu unterscheiden, ob inZürich die SIP Betrunkene in Ausnüchterungszellen für fast 1000 Fran-ken pro Nacht verfrachtet oder ob die Pinto in Bern Jugendliche, Alko-holiker oder Drogenabhängige auf Grenzen aufmerksam macht. Einesolche Mediatorenrolle scheint mir sinnvoll. Generell finde ich, dassnicht nur mit «Auffälligen» geredet werden sollte, sondern verschiedeneMenschen in Aushandlungsprozesse im öffentlichen Raum einbezogenwerden müssten – vor allem auch diejenigen, die Angst haben.

Praxisorientierte Forscherin Monika Litscher ist Dozentin am Institut für Soziokulturelle Entwick-lung der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit. In einem interdisziplinä-ren Team hat sie in der Studie «Wegweisung aus öffentlichen Stadträu-men» gemeinsam mit Peter Mösch, Marco Schmutz und Beat Grossrie-der die Städte Bern, St. Gallen und Luzern untersucht. Die Untersu-chung, die bislang als Bericht zuhanden der Praxispartner vorliegt, wur-de vom Nationalfonds im Rahmen des Förderprogramms für praxis-orientierte Forschung Dore unterstützt.

Überträgt man damit nicht auch die Verantwortung für den öf-fentlichen Raum von der Allgemeinheit an eine Institution – soquasi Zivilcourage in Uniform?Ich weiss nicht, ob es um Zivilcourage geht. Vielleicht ist die Nutzungdes öffentlichen Raumes tatsächlich so komplex geworden, dass profes-sionelle Unterstützung Sinn macht.

Was kann der Einzelne machen, damit der öffentliche Raum füralle da ist?Ihn nutzen, aneignen, einnehmen. Wir alle haben einen gewissen Spiel-raum, den wir auf verschiedene Arten nutzen können. Das kann zuKonflikten führen, aber die sind nicht immer nur schlecht. Aushand-lungsprozesse sind wichtig, denn so kann der öffentliche Raum zu ei-nem Übungsfeld für demokratische Auseinandersetzungen werden. !

«Unsere öffentlichen Räume sind heute sehr sicher unddoch nimmt das subjektive Unsicherheitsgefühl zu.»

Stadtmauerrest in der Bahnhofsunterführung: «Stehbar» und Treffpunkt der Alki-Szene 2007, Shopping-Mall-Dekoration im Jahr 2012.

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Am RandDie Stadt als Landi-DörfliDer öffentliche Raum wird immer weniger öffentlich. Drogenanlaufstellen und Strichplätzewerden verlagert, Uniformierte und fehlende Sitzgelegenheiten verleiden unliebsamen Zeitge-nossen den Aufenthalt. Im Standortwettbewerb wollen Städte nur ihre besten Seiten zeigen.

VON RETO ASCHWANDEN

Der 30er-Bus in Basel wird von manchen Benutzern sarkastisch «Su-garland Express» genannt. Denn diese Buslinie tangiert auf der Streckevom Bahnhof SBB zum Badischen Bahnhof die beiden Gassenzimmeran der Heuwaage und an der Spitalstrasse, weshalb zwischen Berufs -pendlern und Studenten regelmässig auch Heroinkonsumenten anzu-treffen sind. Das ist bald vorbei: Die beiden Anlaufstellen werden ge-schlossen, dafür entsteht auf dem Dreispitz-Areal eine neue Anlaufstellefür Drogenabhängige. Statt in der Innenstadt wird das Gassenzimmerdie Süchtigen künftig an der Grenze zum basellandschaftlichen Mün-chenstein empfangen. Die Gründe für den Umzug: Der Standort an derHeuwaage muss der Erweiterung des Basler Zoos weichen, die Anlauf-stelle an der Spitalstrasse wird wegen ihrer Nähe zu Schulen und demneuen Kinderspital geschlossen.

In Zürich stimmt die Stadtbevölkerung am 11. März über die Ein-richtung eines Strichplatzes in Altstetten ab. Damit soll die Strassen-prostitution vom Sihlquai (zwischen Hauptbahnhof und Hardbrücke)in sogenannte Verrichtungsboxen auf einer Brache am Stadtrand ver-legt werden. Das Vorhaben wird von allen Parteien ausser SVP, EVPund AL unterstützt und soll die mit dem Strassenstrich verbundenenProbleme aus dem Stadtzentrum verbannen.

Im Namen des StandortmarketingsDiese beiden Beispiele für aktuelle Ausgrenzungen bilden prima vi-

sta nachvollziehbare Massnahmen: Süchtige und Prostituierte sollen ei-nen geschützten Rahmen haben, allerdings nicht mitten in der Stadt, woihre Bedürfnissen mit den Ansprüchen der breiten Bevölkerung kolli-dieren. Solche Ausschlussmassnahmen sind so alt wie die Städte selber,doch heute treffen sie immer mehr Menschen, die aus verschiedenenGründen nicht ins Stadtbild passen. Und seitder Einführung der Wegweisungsartikel kön-nen auch Verhaltensweisen sanktioniert wer-den, die zwar bei manchen Menschen Anstosserregen, per se aber nicht ungesetzlich sind.Wegweisungsartikel kennen seit 1998 fast allegrösseren Schweizer Städte. Angefangen in Bern, später auch in Zürich,St. Gallen, Luzern und Basel fanden sie in Volksabstimmungen Mehr-heiten von bis zu 80 Prozent.

Gemeinsam ist den Wegweisungsartikeln, dass sie schwammig for-muliert sind. Was stört, bestimmt das subjektive Empfinden und nichtdas Gesetz. Und so reicht es in Luzern für eine Wegweisung, wenn Ju-gendliche vor dem Kultur- und Kongresszentrum Bier trinken, währenddie gesellschaftliche Elite drinnen ein klassisches Konzert besucht. Dochder Ausschluss aus dem öffentlichen Raum erfolgt nicht nur über Weg-weisungen. In Luzern und Zürich patrouilliert mit der SIP – Sicherheit,Intervention, Prävention – eine Einsatztruppe, die per Definition aufsu-chende Sozialarbeit mit ordnungsdienstlichen Aufgaben verbindet, inBern hat Pinto – Prävention, Intervention, Toleranz – die gleiche Aufga-be (siehe auch Reportage S. 15). SIP und Pinto bilden gewissermassendie verständnisvolle Vorhut, die an die Vernunft appelliert, bevor die Po-lizei einfährt. «Sicherheit und Sauberkeit sind wichtige Faktoren im

Standortmarketing», sagte die Luzerner Regierung vor der Abstimmungüber die Wegweisungsnorm. Letztes Jahr doppelte sie mit der Kampag-ne «Luzern glänzt» nach, mit der Bevölkerung und Besucher sensibili-siert werden sollen, «mit mehr Eigenverantwortung zum gepflegten Er-scheinungsbild der Stadt beizutragen». Die Stadt als Landi-Dörfli.

Pinto, SIP und Wegweisungen bilden nur die neusten Mittel zum Aus-schluss von missliebigen Zeitgenossen. Überwachungskameras erfassendie Stadtzentren praktisch lückenlos. Bahnhöfe, in der Wahrnehmungvieler Menschen öffentlicher Raum, in Wahrheit aber privatrechtlichesHoheitsgebiet der SBB, werden zu Shoppingzentren umgebaut, wo pri-vate Sicherheitsfirmen wie Securitrans dafür sorgen, dass kein Rand-ständiger oder sonstwie Auffälliger das bunte Konsumtreiben stört –ausser es handelt sich um Angestellte von SBB-Kunden, die den Reisen-den irgendwelche Gratismuster aufnötigen.

Das Bier auf dem Pingpong-TischAuch die Umgestaltung öffentlicher Plätze wird oft dazu genutzt, un-

erwünschte Elemente fernzuhalten. In Basel werde der Wegweisungsar-tikel nicht zur Vertreibung von Randständigen eingesetzt, heisst es beimVerein für Gassenarbeiter Schwarzer Peter. Die Polizei zeige sich im Um-gang mit Alkoholikern und Bettlern kulant, dafür werde über baulicheMassnahmen «stille Wegweisung» betrieben. So verschwanden beimUmbau des Claraplatzes in Basel viele Sitzbänke und mit ihnen die Rand-ständigen, die sich gerne dort trafen. Dasselbe am Limmatplatz in Zü-rich: Früher diente die Sitzbank unter dem Dach des WartehäuschensSäufern als «Stammtisch». Heute ist der gesamte Platz von allen Seiteneinsehbar, Bänke gibt es nur noch wenige und die Toilette ist kosten-pflichtig. Den Anblick von Alkoholikern müssen wartende Trambenützernicht mehr ertragen – dafür Wind und Regen, die ohne schützende Wän-de freie Bahn haben. Auch im Kreis 4, der momentan vom Milieu- zum

Mittelschichtsquartier aufgewertet wird, kommt es immer wieder zu sub-tilen Ausschlussmassnahmen. Auf der Bäckeranlage – einst Alki-Treff-punkt, heute Freiluft-Stube für unterschiedliche Nutzergruppen – wur-den letzen Sommer die Pingpong-Tische und Sitzbänke demontiert, weildie verbliebenen Alkoholiker dort gern mal ihre Bierdosen liegen liessen.

Vielen Stadtbewohnern fallen diese Veränderungen nur auf, wenn siebeim Warten aufs Tram verregnet werden. In der Studie «Wegweisungaus öffentlichen Räumen», ist von einer «unsichtbaren Praxis» die Rede.Monika Litscher (siehe auch Interview S. 18) und ihre Co-Autoren fan-den heraus, dass die verbleibenden Nutzer des öffentlichen Raumes vonden Wegweisungen kaum etwas mitbekommen. Ebenfalls stellten dieForscher erstaunt fest, dass nach Protesten bei der Einführung der Weg-weisungsartikel in Medien und Politik heute kaum noch kritische Stim-men zu vernehmen sind. Alles ruhig, alles schön: Der öffentliche Raumähnelt immer mehr den wohlgeordneten Wohnzimmern derjenigen, dieihn noch benutzen dürfen. !

Ausschlussmassnahmen sind so alt wie die Städte selber,doch heute treffen sie immer mehr Menschen, die nichtins Stadtbild passen.

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VON RETO ASCHWANDEN

Mitte Februar erschien in der englischen Ta-geszeitung «The Guardian» ein Artikel unterdem Titel «Instead of being disgusted by po-verty, we are disgusted by poor people them-selves» – statt dass wir uns über die Armutempören, empören wir uns über die Armen.Das lässt sich auf unseren Umgang mit öffent-lichen Räumen übertragen. Kaum jemand kri-tisiert die Umstände, die Süchtige, Bettler, aberauch Jugendliche auf öffentliche Plätze und anBahnhöfe treibt. Stattdessen beklagen Laden-besitzer Umsatzeinbussen, Pendler nervensich über verstopfte Durchgänge und mancheiner hat schlicht Angst vor den Andersarti-gen. Wir verlangen, dass alles immer rei-bungslos funktioniert und fordern reflexartigdie Beseitigung von Störungen.

Am RandIrgendwer stört immer

Deshalb werden Randständige, die vor derHeiliggeistkirche am Berner Bahnhof sitzen,ebenso weggewiesen wie Jugendliche, die vordem KKL in Luzern die Wodkaflasche kreisenlassen. Meist geschieht dies ohne grosses Auf-sehen – nur selten bekommen wir mit, wie diePolizei Menschen aus dem öffentlichen Raumausschliesst. Zurück bleiben die Angepassten,die sich unauffällig und konsumwillig durchblitzblanke Innenstädte bewegen. Das Problemdabei ist, dass die Menschen sich an die perfek-te Kulisse gewöhnen. Das ist deshalb gefähr-lich, weil es im öffentlichen Raum auch ohneAlkoholiker, Bettler und pöbelnde JugendlicheNutzungskonflikte gibt: Die einen wollen 24Stunden lang einkaufen und ausgehen, die an-deren in Ruhe schlafen. Und nicht selten findensich beide Ansprüche in ein und derselben Per-son, abhängig von Arbeitsplan und Tagesform.

Die Stadt steht für die moderne Gesell-schaft und löst seit jeher gemischte Gefühleaus. Hier der Sehnsuchtsort, wo Lebensent-würfe jenseits der dörflichen Traditionen mög-lich sind, dort der Moloch voll Armut und Ge-walt. Erfolgreiche und Gescheiterte leben aufengem Raum, ohne sich wirklich zu begeg-nen. Nur wenn wir einen Umgang miteinan-der finden, der auch Störungen erträgt, hat dieStadt als Ort der Vielfalt eine Zukunft. Aus-schluss hingegen ist eine Säure, die sich im-mer weiterfrisst. Heute trifft es «Drögeler» undJugendliche, morgen die Hündeler und baldwomöglich die Alten. Eine Stadt, in der die Re-gierung wie in Zürich vor einigen Jahren eineKampagne unter dem Titel «Erlaubt ist, wasnicht stört» startet, wird in letzter Konsequenzentvölkert. Denn irgendwas oder irgendwerstört immer. !

Die Stadt ist ein Ort der Vielfalt und der unterschiedlichen Lebensgeschichten. Wer alles Störende aus-schliessen will, zerstört letztlich die Stadt selbst.

Bitte nur im Noftall absitzen: die letzten verbliebenen Sitzgelegenheiten im Bahnhof Bern.

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22 SURPRISE 270/12

alles klar? Ein Clooney ohne Koffeinproblem!»,kommt Patrick aus der Reserve. «Okay», sageich, mit meiner Nase in den Veilchen. «Undwenn Depardieu eine findet, habe ich schongar keine Probleme!» «Ehrlich gesagt findet erim Film keine neue Frau», gebe ich zu und gra-be in meinem Portemonnaie. «Aber einen neu-en Kumpel! Und der ist auch allein!» «Weil De-pardieu aufgegeben hat», schüttelt Patrick sei-nen Kopf. «Mit dem falschen Codenamen!Aber ich bin Iglesias! Comprende!» «Unbe-dingt», nicke ich mit.

Zwei gekaufte Blumensträusse später hatPatrick die Idee: «Ich geh essen mit deinerNachbarin! Die war doch hilfsbereit das letzteMal!» «Okay», suche ich innerlich das Weite.«Meine Nachbarin findet dich sehr attraktivund sehr erotisch …»

DELIA LENOIR

[email protected]

ILLUSTRATION: IRENE MEIER

([email protected])

Kürzlich mit meinem Kumpel Patrick aufdem Blumenmarkt. «Ich glaube, mit Marie istes gut gelaufen», schwärmt er vor sich hin.«Sie mag mich jedenfalls, so viel ist sicher!»«Okay», hadere ich mit einem Pack Kirschblü-tenzweige. «Wenn du sie wieder anrufst, binich tot. Hat sie gesagt.» «Sie hat was gesagt?!»,lässt Patrick sein Handy sinken. «Das knallstdu mir so hin? Ich bin Single. Ich bin sensibel!Und wenn überhaupt, dann sagst du so waswie: Marie findet dich sehr attraktiv und sehrerotisch, aber sie ist noch nicht bereit.» «Tutmir leid!», bin ich zerknirscht. «Du hast jarecht.»

«Ich bin seit eineinhalb Jahren allein», grü-belt Patrick. «Kannst du dir das vorstellen? Frü-her hatte ich nie Probleme! Und jetzt plötzlichist der Wurm drin!» «Ist vielleicht das Alter?»,überlege ich. «Ein Typ in der Midlife Crisis ist

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Le mot noirFrühlingsfrust

nicht für alle Frauen ein Highlight.» «Ich sehedoch super aus oder?», ist Patrick jetzt ziemlichbeleidigt. «Mhm.» «Ich bin einfühlsam. Witzig.Intelligent. Ich scheffle einen Haufen Kohle!Wo ist das Problem? An mir kann es nicht lie-gen!» «Nein, natürlich nicht», lüge ich. «Viel-leicht geht es dir halt wie Gérard Depardieu.Könnte ja sein. In diesem Film, in dem er ziem-lich lange eine neue Frau sucht.» «Du meinst,ich bin so fett wie Depardieu?», ist Patrick we-nig begeistert. «Warum nicht Johnny Depp?»«Oh, ich glaube, diesen Codenamen hat Depar-dieu benutzt, um mit Frauen auszugehen!»,blühe ich auf. «Vielleicht brauchst du auch ei-nen? Einen, bei dem Frauen Lust bekommen,mit dir essen zu gehen?» «Ich glaube nicht, dasssie lieber mit Johnny Depp essen wollen als mitmir», knurrt Patrick in einen Kübel Tulpen. «Duwürdest also eine, sagen wir, Sharon Stone ver-setzen?», frage ich zurück. «Wie kommstdrauf?» «Eben. Ein Codename. Als Einstieg so-zusagen, als Amuse-Bouche!», finde ich dieIdee jetzt ziemlich gut. «Nur bis ihr euch bes-ser kennt! Und dann sagst du ihr, wie depri-miert du wirklich bist.» Patrick zieht die Brau-en hoch. «Sie werden das an dir lieben!», flüch-te ich. «Bei einem deprimierten Mann wissensie immer, wo er ist. Auf dem Sofa!»

«Ich bin nicht deprimiert!» «Du hängst wieeine grasende Antilope im Tulpenkübel», knur-re ich. «Schulter raus und grinsen! Bei Iglesiaswirkt sowas immer noch!» «Ich bin Clooney,

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KulturgelderFastenzeit in der Zentralschweiz

VON CATHERINE HUTH UND ARMIN MEIENBERG

Nein, dies ist kein Bericht über ein inszeniertes Landtheater mit lau-nisch-moralischer Note, auch wenn der Verlauf ebenso grotesk anmutet.Denn was sich zurzeit in der Stadt Luzern abspielt, ist leider ein realstattfindendes Lehrstück über Steuersenkungswahn, Sparwut undleichtfertigen Politwahlkampf. Und es zeigt auf, was in einer bürgerlichdominierten Politik innert Kürze alles lahmgelegt werden kann.

Tatsache ist: Die SVP der Stadt Luzern hat Ende 2011 gegen das städ-tische Budget (das vorab mit 35 zu sieben Stimmen im Stadtparlamentverabschiedet wurde) von ihrem demokratischen Recht Gebrauch ge-macht und das Referendum angekündigt. Dorn im Auge war der Volks-partei das mit 34 Millionen Franken veranschlagte Defizit. Zu vermutenist aber, dass sie auch gegen eine dringend nötige Steuererhöhung Stim-mung machen wollte und im Wahlkampf der bevorstehenden Gross-stadtratswahlen bereits etwas vorgriff. Bis vergangenen Aschermittwochhaben 800 Sparwütige unterschrieben, damit ist das Referendum zu-stande gekommen und das Volk wird im Mai über das städtische Budgetabstimmen.

Die Folge davon ist, dass während dieses politischen Prozesses dieStadtverwaltung keinerlei Auszahlung sogenannter freiwilliger und ver-traglich nicht gebundener Beiträge vornehmen darf. Ausgezahlt werdendarf erst wieder, wenn das Budget vom Volk genehmigt werden sollte.Blockiert sind dadurch auch Beiträge aus dem Billettsteuerfonds K&Svon mehr als zwei Millionen Franken, welche aus Kultur und Sport ge-neriert werden und langjährigen und renommierten Institutionen ausdiesen Bereichen zugute kommen. Aber auch Gelder an Vereine oderKinderfreizeitprojekte bleiben eingefroren. Überwiegend und am direk-testen vom Auszahlungsstopp betroffen ist die Luzerner Kulturszene mit37 Institutionen. Die Beiträge der öffentlichen Hand sind für Kultur-schaffende und -arbeitende elementar, da die Budgets dieser Betriebeleider immer noch sehr knapp bemessen und darum keine Reservenvorhanden sind. Eine «Überbrückung» der finanziellen Notlage von fünfMonaten ist bei den meisten deshalb nicht machbar.

Ernsthaft vom Auszahlungsstopp betroffen – und somit auf Spar-flamme gesetzt – sind international renommierte Kulturbetriebe wie dasComix-Festival Fumetto, das Ende März wieder stattfindet. Aber auchdas Lucerne Festival, das mit dem städtischen Beitrag seine spezifischenAngebote für die Luzerner Bevölkerung wie Kinder- und Jugendprojek-te oder die Liveübertragung des Eröffnungskonzertes finanziert, hat zur-zeit keine Planungssicherheit. Kleinere und für Luzern wichtige Veran-stalter geraten in akute Bedrängnis: So musste beispielsweise die kleineund exklusive Buchmesse «Luzern bucht» kurzfristig einen Kraftaktvollbringen, um ihre diesjährige dreitägige Veranstaltung Anfang Märzzu retten. Fundamental betroffen ist die Interessengemeinschaft Kul-

tur Luzern, der Dachverband von 200 Kulturveranstaltern in und umLuzern, kulturelle Dienstleisterin und Herausgeberin des monatlich er-scheinenden «041 – Das Kulturmagazin», dem wichtigsten Kulturme-dium der Zentralschweiz. Mit dem Ausbleiben des jährlichen Betriebs-beitrages sind acht Teilzeitstellen in der Kulturarbeit gefährdet und eine35-jährige Institution unmittelbar in ihrer Existenz bedroht. Obwohl an-zunehmen ist, dass das Luzerner Stimmvolk im Mai das Budget anneh-men wird, sind zurzeit Arbeitsplätze und das kulturelle Gleichgewichtgefährdet.

Daneben gibt es in diesem Lehrstück auch von bizarren Auswüchsenzu erzählen: Seit über einem Jahr wird der neue Kulturstandortbericht,die politische Grundlage für ein Bekenntnis zur «Kulturstadt Luzern»,erarbeitet. Dieser Tage sollte er an die Öffentlichkeit kommen, aber auf-grund des Auszahlungsstopps kann er nicht gestaltet und gedruckt wer-den. Auch mag es amüsant anmuten, wenn das Parlament von Luzernmitunter solche Mitteilungen an die Medienschaffenden verschickenmuss: «Leider müssen wir Sie darauf hinweisen, dass das Medienzim-mer (und folglich auch der Internetanschluss) an der kommenden Rats-sitzung vom 2.2.2012 nicht zugänglich ist. Dies, weil die Renovations-arbeiten wegen der Budgetgeschichte verschoben werden mussten.»

Der erste Schock ist verdaut, doch ist für die Kulturschaffenden eineradikale Fastenzeit angebrochen. Bis zur Auszahlung der zugesproche-nen Gelder müssen sie einmal mehr auf eigene Kosten beweisen, dassKultur Mehrwert ist. !

In Luzern – wie hier im Stattkino – drohen leere Säle.

Die Luzerner SVP hat das Referendum gegen das städtische Budget ergriffen und stellt damit nicht nur dieStadt auf den Kopf, sondern auch das kulturelle Leben infrage. Die Geschäftsleiterin und der Präsident der IGKultur schildern die Farce in einem Gastbeitrag.

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Kulturtipps

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BuchSchere, Schnitt, PapierEin Buch aus lauter Scherenschnitten entführt uns in die magi-sche und doppelgesichtige Welt des Spiels mit den Schatten.

VON CHRISTOPHER ZIMMER

Jedes Kind hat es irgendwann einmal getan. Es hat eine Schere genom-men und Figuren und Muster aus einem Papier geschnitten. Oder dasPapier gefaltet und daraus Sterne und Ketten mit Männlein und ande-rem gezaubert. Das hatte immer auch etwas Magisches an sich. Vor al-lem, wenn das Licht die Schatten des Ausgeschnittenen an eine Wandwarf. Dann zeigte der Schatten seine zwei Gesichter: ein schönes undeines, das einem einen Schauer über den Rücken jagen konnte.Was wir als Kinder spielerisch betreiben, ist eine jahrtausendalte Kul-turtechnik, die ihren Weg von China über Indonesien, Persien und denBalkan bis nach Mitteleuropa gefunden hat. Hier kam sie vor allem im18. Jahrhundert in Mode; Goethe selbst hielt Freunde in Silhouettenfest. Und im 19. Jahrhundert gehörte der Scherenschnitt so wie Stickenund Klavierspielen zur Bildung höherer Töchter. Bald wuchs die Band-breite und umfasst heute vieles, von der Karikatur über das Genrebildbis zur Abstraktion. Als Vater des Schweizer Scherenschnitts gilt übrigens ein gewisser Jo-hann Jakob Hauswirth (1809–1871), der Alpaufzüge in Papier schnitt.Und seit 1986 gibt es hierzulande den Schweizerischen Verein Freundedes Scherenschnitts, der mit Publikationen und Ausstellungen dieseKunst fördern und bekannt machen will.Dass Scherenschnitte Alt und Jung begeistern können und nicht vor Al-tersgrenzen Halt machen, zeigt aufs Schönste ein aussergewöhnlichesBuch des französischen Illustrators Antoine Guillopé. Darin finden sichgrossformatig ausgestanzte Bilder, denen es gelingt, die Scherenschnitt-kunst zwischen Buchdeckel zu bannen. Neben jedem Bild steht jeweilsnur ein Satz, als wäre dies ein alter Stummfilm mit Scherenschnittbil-dern, die von den Tieren des Waldes und von einem Geheimnis erzäh-len, das sich als Wunder der Geburt enthüllt.Von vorne zeigen sich diese aufwendig produzierten, filigranen Bilderweiss auf schwarz. Wendet man das Blatt, ist es ein schwarzer Schat-tenriss auf weissem Hintergrund. Mit jedem Umblättern entstehen an-dere Eindrücke, eine jeweils eigene Atmosphäre. Dabei hängt es vomBetrachter ab, welche von beiden Seiten eines dieser Scherenschnitte ermit einem Schreckens- oder Freudenschauer sieht. – Pure Magie!Antoine Guillopé: «Bei Vollmond». Knesebeck 2011. 28.50 CHF.

KinoFesselnde BeklemmungHaben gute Eltern ein zutiefst böses Kind, beginnt sich ein Karus-sell um Horror, Schuld und Glauben zu drehen. «We need to talkabout Kevin» nimmt die Zuschauer mit.

VON YVONNE KUNZ

Zwar heisst der Film «We need to talk about Kevin», doch der Satz fälltnie. Das Gespräch findet nicht statt. Eine Verständigung zwischen Ke-vins Eltern erscheint immer unmöglicher. Das letzte, was Reisebuchau-torin Eva (Tilda Swinton) mit Fotograf Franklin (John C. Reilly) schliess-lich noch verbindet, hängt eingerahmt an der Wand über dem elegantenSofa: die Portraits ihrer Kinder Celia und Kevin (Ezra Miller).Eva hatte getan, wie verlangt: Sie verzichtete auf eine erfolgreiche Kar-riere und zog auf Wunsch ihres Mannes ins Grüne. Obschon sie sich fürdie Mutterrolle und ihren Sohn nicht erwärmen konnte. Aus ihrer Sichtwar der Junge ein sadistisches, manipulatives Monster, während Frank -lin alles optimistisch interpretierte: «Er ist doch nur ein kleiner Junge.» Die Filmadaption des Bestsellers von Lionel Shriver richtet einen ver-störenden Blick auf einen wenig beachteten Aspekt eines jugendlichenAmoklaufs. Filme zum selben Thema, wie Gus Van Sants «Elephant»oder Michael Moores Doku «Bowling for Columbine», befassen sichnicht mit der Zeit nach der Tat. Hier aber werden die Ereignisse in Er-innerungsfetzen und Albträumen einer schwer traumatisierten Evanacherzählt. Mechanisch kämpft sie sich durch die Gegenwart und lässtihr Leben Revue passieren, auf der Suche nach ihrer Schuld. War sie dasMonster, wie einige Leute im Ort glaubten, als sie ihr Haus mit roter Far-be übergossen?Das Familiendrama lässt Protagonistin und Publikum gefangen in einerFrage zurück, auf die es keine Antwort gibt: Können Menschen böse ge-boren werden? Oder macht erst ihre Umwelt sie zu Psychopathen wieKevin, der eine unfassbare Tat begeht? Der Film erklärt absichtlichnichts, am wenigsten sich selbst. Es ist nicht erkennbar, ob er auf die Ge-fahr von gestörten sozialen Beziehungen hinweisen will, eine Gesell-schaft ohne moralischen Kompass. Oder prangert er liberale Wohlgefäl-ligkeit an? Erforscht er ungesehene dunkle Regionen tiefsten Horrors?Bei einem Gefängnisbesuch ruht Evas hohläugiger Blick lange Zeit aufihrem Sohn. Dann stellt sie die Frage: «Warum?» Kevins Antwort könn-te niederschmetternder nicht sein: «Es hat keinen Sinn. Das ist der Sinn.»Lynne Ramsay: «We need to talk about Kevin» GB, 110 Min., mit Tilda Swinton,

Ezra Miller, John C. Reilly u. a. Der Film läuft zurzeit in den Deutschschweizer Kinos.

Tilda Swintons kleiner Filmsohn bringt grosses Übel in die Welt.

Sieht böse aus, ist aber bloss Papier.

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Die 25 positiven FirmenDiese Rubrik ruft Firmen und Institutionenauf, soziale Verantwortung zu übernehmen.Einige haben dies schon getan, in dem siedem Strassenmagazin Surprise mindestens500 Franken gespendet haben. Damit helfensie, Menschen in pre kären Lebensumstän-den eine Arbeitsmöglichkeit zu geben undsie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zube g leiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? DieSpielregeln sind einfach: 25 Firmen werdenjeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jenerBetrieb heraus, der am längsten dabei ist.

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet

werden?

Mit einer Spende von mindestens 500 Franken

sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3,

Verein Strassenmagazin Surprise, 4051 Basel

Zahlungszweck:

Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag.

Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.

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Brockenstube des Reformierten Frauenvereins

Aesch-Pfeffingen

Klinik Sonnenhalde AG, Riehen

Schweiz. Tropen- und Public Health-Institut, BS

Migros Zürich, Kulturprozent

Psychiatrische Dienste Aargau AG (PDAG)

Locher, Schwittay Gebäudetechnik GmbH, BS

Weingut Rütihof, Uerikon

AnyWeb AG, Zürich

Niederer, Kraft & Frey, Zürich

Musikschule archemusia, Basel

Paulus-Akademie Zürich

Anne Hoffmann Graphic Design, Zürich

Thommen ASIC-Design, Zürich

BEVBE Ingenieurbüro, Bonstetten

homegate AG, Adliswil

ratatat – freies Kreativteam

Kaiser Software GmbH, Bern

bölsterli hitz gmbh, 8005 Zürich

www.rechenschwaeche.ch

Philip Maloney, Privatdetektiv

VXL gestaltung und werbung ag, Binningen

Scherrer & Partner GmbH, Basel

Balcart AG, Carton Ideen Lösungen, Therwil

KIBAG Bauleistungen

responsAbility, Zürich

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AusstellungIm KunstdschungelAngesichts der immer noch frischen Temperaturen folgt man derEinladung zu den «realen und imaginierten Reisen in die Tropenund andere Dschungel» gerne. Der Urwald lässt sich im MuseumBärengasse entdecken.

VON YVONNE KUNZ

«Microclima Zurich Tropical» ist der vierte und letzte Teil des einjähri-gen Projektes «Human Valley» von Dominique Gonzalez-Foerster undTristan Bera. Die beiden in Paris lebenden Künstler schufen im vergan-genen Sommer einen Salon zum Verweilen, für Begegnungen, zumSchmökern und Entdecken.Die Ausstellung orientiert sich an der Arbeit des Schriftstellers Balzac,verschiedene Künstler und Kuratoren haben das Jahr in einzelne Kapi-tel aufgeteilt. Den Abschluss macht nun Pablo León de la Barra, gemässeigenen Angaben Ausstellungsmacher, Kunstarbeiter, Kulturagent, Ku-rator, Forscher, Redaktor, Blogger, Kunstberater, Schnappschussfotograf,Ex-Architekt und Ästhetik-Dilettant. Man hätte sich diese Liste vielleichtsparen können – wenn sie nicht so träf erfasste, weshalb er der richtigeMann ist, um den Raum des «Human Valley» zu füllen. Klar, als Mexikaner ist er den Tropen wesentlich näher als ein Zürcheroder Berliner, was es ihm einfacher macht, die Betrachterin in «fremdeNarrative in anderen Klimazonen» zu entführen. Behilflich sind ihm da-bei Dutzende meist aus Lateinamerika stammende Zeichner, Installa-tionskünstler, Filmer, Autoren, Grafiker, Multimediakünstler und Foto-grafen. Zusammen erschaffen die Künstler tatsächlich, was der Titelverspricht: ein Mikroklima. Oder besser: ein ganzes Sammelsurium derMikroklimata. Einige sind im Lifestyle angesiedelt, andere haben sichder abstrakten Kunst verschrieben. Das Schönste an solch locker assoziierenden Ausstellungen sind diespannenden Schnittmengen, die sich im Kopf der Betrachterin bilden.Und natürlich die Entdeckungen. Hier ist dies «An Uncomfortable Ea-gerness» von Gilda Mantilla und Raimond Chaves, die in einem 20-mi-nütigen Film die Bibliotheken der Iquitos im peruanischen Amazonaserforschen. Darin fällt der wunderbare Satz: «Im Dschungel hat es eineStadt, in dieser Stadt hat es eine Bibliothek und in dieser Bibliothek istder Dschungel.»Pablo León de la Barra et al: «Human Valley». Spring: «Microclima Zurich Tropical –

Experimento Improvisacional», Kunsthalle Zürich im Museum Bärengasse, noch bis

zum 9. April. www.humanvalley.ch

Wieso denn immer Masoalahalle? Auch an der Bärengasse ist das Klima tropical.

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Ausgehtipps

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Der Lesesessel im Ono birgt Überraschungen.

BernErbaulicher Mittwoch

Einmal im Monat wird auf der offenen Bühneim Altstadt-Keller-Gemäuer des Ono gelesen,seit vier Jahren schon, immer am ersten Mitt-woch des Monats. Hinabsteigen, ein Glas Weinbestellen und sich von unverhofften und uner-warteten Geschichten überraschen lassen: einewahrlich erbauliche Art, den Wochenmitte-Abend zu begehen. Und wer doch vorher etwasgenauer wissen möchte, was in da erwartet:Neu gibt es im Buchhandel eine repräsentativeAuswahl von Lesesesseltexten in einem Sam-melband zu kaufen. (fer) Lesesessel, Mi, 7. März, 20 Uhr, Tür- und Baröffnung

19 Uhr. Jeden ersten Mittwoch im Monat,

im Kulturlokal Ono, Kramgasse 6, Bern.

Anzeigen:

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SCHLATTER

König der Welt? Der Schaffhauser Schlatter.

ZürichDichter Schalk

Ralf Schlatter kennt man vielleicht von seinenMorgengeschichten auf DRS 1 oder als HerrnSchön des Kabarettduos «schön&gut». Mankennt ihn als Schalk. Oder als Romanautor.Nun kann man ihn auch als Dichter kennenler-nen: «König der Welt» heisst sein Lyrikband,der nun in Form einer musikalischen Lesungvorgestellt wird. Und wie heisst es so treffendin der Medienmitteilung? «Ralf Schlatter schauterzählend seinen Worten beim Spielen zu.» Füreinmal geben wir einem Pressetext recht. (dif) Ralf Schlatter: «König der Welt», Gedichte.

Buchvernissage und musikalische Lesung mit

Michael Wernli (E-Gitarre), Di, 20. März, 20 Uhr,

sphères, Hardturmstr. 66, Zürich

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D: ZVG

New Wave nach Rockerart: Les Yeux Sans Visage.

Auf TourneeGruftrockreigen

2009 betraten Les Yeux Sans Visage mit zweifulminanten Singles die Düsterrock-Szene.Fürs Longplay-Debüt «Tomorrow Is A MillionYears» liess sich das Trio aus dem Luzerni-schen danach viel Zeit. Stilistisch orientiertman sich am New Wave nach Rockerart: DerBass legt das melodische Fundament, darüberklingeln und klirren kalt die Gitarren. Les YeuxSans Visage arrangieren reduziert, geben deneinzelnen Soundelementen aber viel Platz undklingen dadurch mächtig bis monumental. Daskommt speziell im Konzert gut zur Geltung,drum auf zum Gruftrockreigen! (ash) Sa, 3. März, 20.30 Uhr, Gaswerk, Winterthur;

Fr, 16. März, 22 Uhr, Palace, St. Gallen;

Sa, 17. März, 21 Uhr, Südpol, Luzern.

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Anzeige:

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ZürichSchonungslose Schmerzenslieder

Vor drei Jahren veröffentlichte die junge Österreicherin Anja Plaschg un-ter dem Namen Soap & Skin ihr Debüt «Lovetune For Vacuume». DasFeuilleton bejubelte die düsteren Kunstlieder zwischen Pianoballadeund abstrakter Elektronik. Was die Schweinezüchter-Tochter, die sich ineinem ihrer Videos zwischen den Säuen im Schlamm wälzte, derart ver-schreckte, dass sie gleich wieder abtauchte. Die Rückkehr folgt dieserTage mit einem Minialbum, das in einer knappen halben Stunde nach-haltig verstört. Plaschg singt mit dunkler Stimme, wie man es von Nicokennt und spielt dazu meist lediglich reduzierte Klaviermelodien im Stileines Arvo Pärt. Eröffnet wir das Album mit «Vater», einer dem verstor-benen Papa gewidmeten Totenklage sondergleichen. Weiter gehts mit«Voyage Voyage»: Schon im Original von Desireless kein Lied für Fahr-ten in sonnige Gefilde, mutiert das Stück in Plaschgs radikal reduzierterInterpretation zum Horrortrip. Den Rest gibt einem das Stück «Death-mental», wo rückwärts laufende Elektro-Beats und gruselige SynthiesBeklemmung erzeugen wie sonst nur Todeskünstler aus der Gothic-Sze-ne. Als Hörer Distanz zu wahren, ist unmöglich, und so stürzt man ineine Welt voll Leid und irrsinniger Schönheit. Die schonungslosenSchmerzenslieder sind fast nicht zu ertragen – und doch so brilliant,dass man Soap & Skin im Konzert erleben will. (ash) Do, 16. März, 20.30 Uhr, Rote Fabrik, Zürich.

Augen zu und durch: Anja Plaschg alias Soap & Skin.

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Morphologisch fehlerfrei: Glasmodell einer Staatsqualle.

WinterthurDurchsichtiger Glanz

Glas ist nützlich als Trinkglas, unverzichtbar als Fensterscheibe, bezau-bernd als Christbaumschmuck. Glas, das ist der Geruch der Recyclings-ammelstelle und die Hitze im Glasbläseratelier, bei Glas denkt man zu-gleich an Glasperlenspiel wie an den gläsernen Kunden. Das Material,ursprünglich aus Quarzsand, Kalk und Pottasche hergestellt, ist wider-sprüchlich, einmal fein und biegsam wie Papier, dann wieder tragendesElement in der Architektur. Die Ausstellung in Winterthur vermittelt denkulturgeschichtlichen und technischen Hintergrund des Materials undpräsentiert kreative Anwendungen in Design und Kunst. (dif) «Glasklar? Schillernde Vielfalt eines Materials», noch bis am 28. Mai, Di bis So,

10 bis 17 Uhr, Do bis 20 Uhr, Gewerbemuseum Winterthur. www.gewerbemuseum.ch

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AUS DER GAZETA ULICZNA, ÜBERSETZUNG VON VERONICA KOEHN

«Ich mache seit 2005 bei Gazeta Uliczna, der Strassenzeitung vonPoznan, mit. Ich habe durch einen der Verkäufer von der Zeitung er-fahren, der hat mir dann auch den Job vermittelt. Im Gegensatz zu denmeisten anderen Verkäufern der Gazeta war ich nie obdachlos und ha-be mich nie sozial benachteiligt gefühlt. Allerdings standen mir nicht ge-rade viele Möglichkeiten offen, mir ein regelmässiges Einkommen zuverdienen. Ich hatte Gelegenheitsjobs, habe Flugzettel verteilt oder Alu-miniumdosen gesammelt. Ich hoffte, dass es mir finanziell helfen wür-de, Gazeta zu verkaufen, und das ist auch eingetreten. Zurzeit ist esmein Ziel, in eine neue Sozialwohnung zu ziehen, die gerade renoviertworden ist. Das ist der erste Schritt auf dem Weg zum Haus meiner Träu-me – eins mit Garten, wenn möglich an einem See, wo ich die Tage mitmeinen Freunden, die Fischer sind, im Boot verbringen kann.

Meine Beziehung zu den anderen Zeitungsverkäufern ist ganzfreundschaftlich, aber leider will keiner von ihnen mit mir Schach spie-len. Und ich finde nur schwer einen vierten Mann für Bridge. Aber da-von lasse ich mich nicht runterziehen. In meiner Freizeit mache ich lan-ge Spaziergänge mit meinem Hund Fafilk, er ist mein treuer Freund.

Ich glaube an die Idee hinter Gazeta Uliczna, auch wenn das nichtimmer so einfach ist. Viele Leute verstehen nicht, warum ich die Zei-tung verkaufe. Soziale Gerechtigkeit spielt im öffentlichen Bewusstseinhier noch eine sehr geringe Rolle. Ich versuche zu erklären, dass ein Teildes Kaufpreises, den meine Kunden zahlen, an mich fliesst und mir sohilft, ein Leben in Würde zu führen. Wenn jemand die Gazeta kauft,sich die Zeit nimmt, sie tatsächlich zu lesen, dann macht mich dasglücklich. Die Mehrzahl der Käufer sind junge Menschen oder Leutemittleren Alters. Wenn sie mich auf der Strasse erkennen, rufen sie mirzu: ‹Hallo Zbyszek, hast du schon die neueste Ausgabe?›

Inzwischen habe ich fünf Jahre Erfahrung in diesem Job, und ich ver-suche Obdachlose und Arbeitslose davon zu überzeugen, die Chance zuergreifen und als Verkäufer auch ihr Leben zu verändern. Mein Lebenist dank meiner Arbeit bei der Strassenzeitung reicher geworden, als ichmir das früher hätte vorstellen können oder es je für möglich gehaltenhätte. Erfahrungen wie die ehrlichen Gespräche, die ich vor allem mitmeinem Kollegen Tomek führe, helfen mir dabei, meinen Platz in derGesellschaft zu erkennen.

Ich bin überzeugt, dass ich all das, was mir früher unerreichbarschien, der Gazeta verdanke. Früher fand ich, meinem Leben fehle derSinn. Jetzt kann ich sagen, dass ich eine feste Arbeit habe. Mithilfe desGeldes, das ich durch den Verkauf der Gazeta verdient habe, konnte ichmir schon einige meiner Träume erfüllen. Ich habe mir eine Karte fürdas Spiel von Lech Poznan gegen Juventus Turin gekauft, ausserdem

Zbyszek Machaj (59) verkauft die Gazeta Uliczna im polnischen Poznan. Seine leuchtendblauen Augen sind vielleicht seine wirksamste Geheimwaffe, doch er hat noch mehr Asse imÄrmel. Durch seine ehrliche und freundliche Art ist er zu einem der beliebtesten Verkäufer derGazeta Uliczna geworden.

Turnschuhe für das Lauftraining, und auch eine Angel, die ich regel-mässig benutze. Mit ihr habe ich sogar mal einen dreieinhalb Kiloschweren Hecht gefangen!» !

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D: ZVG

VerkäuferporträtEin Hecht von dreieinhalb Kilo

Strassenmagazine wie Surprise helfen auf der ganzen Welt Menschenin sozialen Schwierigkeiten. Seit 1994 bekamen dadurch über 200 000Menschen in 40 Ländern die Chance, ihr Leben wieder in den Griff zubekommen. Das Internationale Netzwerk der Strassenmagazine INSPhat Verkäuferporträts aus der ganzen Welt zusammengetragen. Unddeshalb erzählt an dieser Stelle für einmal ein Strassenverkäufer ausdem Ausland von seinem Alltag.

www.streetnewsservice.org

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Surprise kümmert sich um Menschen, die weniger Glück im Leben hat-ten als andere. Menschen, die sich aber wieder aufgerappelt haben undihr Leben in die eigenen Hände nehmen wollen. Mit dem Verkauf desStrassenmagazins Surprise überwinden sie ihre soziale Isolation. IhrAlltag bekommt Struktur und wieder einen Sinn. Sie gewinnen neueSelbstachtung und erarbeiten sich aus eigener Kraft einen kleinen Ver-dienst. Die Surprise-Strassenverkäuferinnen und -verkäufer helfen sich

selber. Das verdient Respekt und Unterstützung. Regelmässige Verkau-fende werden von Surprise gezielt unterstützt. Die Teilnehmer am Pro-gramm SurPlus sind sozial abgesichert (Ferien, Krankheit). Mit der Programmteilnahme übernehmen die Surprise-Verkaufenden mehr Ver-antwortung; eine wesentliche Voraussetzung dafür, wieder fit für dieWelt und den Arbeitsmarkt zu werden.

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Talon bitte senden oder faxen an: Strassenmagazin Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, [email protected], PC-Konto 12-551455-3

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Fatima Keranovic, BasellandJovanka Rogger, ZürichWolfgang Kreibich, Basel

Kurt Brügger, BaselAnja Uehlinger, BadenAndreas Ammann, BernMarlies Dietiker, Olten

Tatjana Georgievska, BaselPeter Gamma, BaselRené Senn, ZürichJosiane Graner, Basel

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30 SURPRISE 270/12

Impressum

HerausgeberStrassenmagazin Surprise GmbH, Postfach, 4003 Baselwww.strassenmagazin.ch Öffnungszeiten Sekretariat 9–12 Uhr, Mo–DoT +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 [email protected]äftsführungPaola Gallo (Geschäftsleiterin), Sybille Roter (stv. GL) AnzeigenverkaufT +41 61 564 90 90, M +41 76 325 10 [email protected] T +41 61 564 90 70, F +41 61 564 90 99Reto Aschwanden, Florian Blumer (Nummernverant -wortliche), Diana Frei [email protected]ändige Mitarbeittexakt.ch (Korrektorat), Yvonne Kunz, Delia Lenoir, Irene Meier, Stephan Pörtner, Milena Schärer, Priska Wenger, Christopher ZimmerMitarbeitende dieser AusgabeAnnette Boutellier, Rahel Bucher, Peter Lauth, Karin Scheidegger, Sarah StähliGestaltung WOMM Werbeagentur AG, BaselDruck AVD GoldachAuflage15000, Abonnemente CHF 189.–, 24 Ex./JahrMarketing, Fundraising T +41 61 564 90 61

Vertriebsbüro Basel T +41 61 564 90 83, M +41 79 428 97 27Claudia Pleuss, Patrick Würmli, Spalentorweg 20, 4051 Basel, [email protected]üro ZürichT +41 44 242 72 11, M +41 79 636 46 12Reto Bommer, Engelstrasse 64, 8004 Zürich, [email protected]üro BernT +41 31 332 53 93, M +41 79 389 78 02Andrea Blaser, Alfred Maurer, Bruno Schäfer, Pappelweg 21, 3013 Bern, [email protected] T +41 61 564 90 40, F +41 61 564 90 99Paloma Selma, [email protected] T +41 61 564 90 10, F +41 61 564 90 99Lavinia Biert (Leitung), Olivier Joliat, David Möller [email protected], www.strassensport.chTrägerverein Strassen magazin Surprise Präsident: Peter Aebersold

Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugs weiseoder in Ausschnitten, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird vonder Redaktion und dem Verlag jede Haftung abgelehnt.

Surprise behält sich vor, an Verkaufende gerichtete Post-sendungen zu öffnen. Barspenden an namentlich bezeich-nete Verkaufende können nur bis zu einem Betrag vonCHF 100.– weitergeleitet werden. Darüber hinausgehendeBeträge sollen – im Einverständnis mit der Spenderin oderdem Spender – allen Verkaufenden zugute kommen.

Surprise ist:

Hilfe zur Selbsthilfe Surprise hilft seit 1997 Menschen in sozialenSchwierigkeiten. Mit Programmen in den Bereichen Beschäftigung, Sport und Kultur fördert Surprise die soziale Selbständigkeit.Surprise hilft bei der Integration in den Ar-beitsmarkt, bei der Klärung der Wohnsitua-tion, bei den ersten Schritten raus aus derSchuldenfalle und entlastet so die SchweizerSozialwerke.

Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht von Armut und sozialer Be-nachteiligung betroffenen Menschen eineStimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit für ihre Anliegen. Surprise beteiligt sich am Wandel der Gesellschaft und bezieht Stellungfür soziale Gerechtigkeit.

Strassenmagazin und Strassenverkauf Surprise gibt das vierzehntäglich erscheinen-de Strassenmagazin Surprise heraus. Dieseswird von einer professionellen Redaktion pro-duziert, die auf ein Netz von qualifizierten Berufsjournalistinnen, Fotografen und Illu-stratorinnen zählen kann. Das Magazin wird fast ausschliesslich auf der Strasse verkauft.Rund dreihundert Menschen in der deutschenSchweiz, denen der Arbeitsmarkt verschlos-sen bleibt, erhalten damit eine Tagesstruktur,verdienen eigenes Geld und gewinnen neuesSelbstvertrauen.

Sport und Kultur Surprise fördert die Integration auch mit Sport.In der Surprise Strassenfussball-Liga trainierenund spielen Teams aus der ganzen deutschenSchweiz regelmässig Fussball und kämpfenum den Schweizermeister-Titel sowie um dieTeilnahme an den Weltmeisterschaften für so-zial benachteiligte Menschen. Seit 2009 hatSurprise einen eigenen Chor. GemeinsamesSingen und öffentliche Auftritte ermöglichenKontakte, Glücksmomente und Erfolgserleb-nisse für Menschen, denen der gesellschaft-liche Anschluss sonst erschwert ist.

Finanzierung, Organisation und internatio-nale VernetzungSurprise ist unabhängig und erhält keine staat-lichen Gelder. Das Strassenmagazin wird mitdem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inse-raten finanziert. Für alle anderen Angebotewie die Betreuung der Verkaufenden, die Sport-und Kulturprogramme ist Surprise auf Spen-den, auf Sponsoren und Zuwendungen vonStiftungen angewiesen. Surprise ist eine nicht gewinnorientierte sozi-ale Institution. Die Geschäfte werden von derStrassenmagazin Surprise GmbH geführt, dievom gemeinnützigen Verein StrassenmagazinSurprise kontrolliert wird. Surprise ist führen-des Mitglied des Internationalen Netzwerkesder Strassenzeitungen (INSP) mit Sitz in Glas-gow, Schottland. Derzeit gehören dem Ver-band über 100 Strassenzeitungen in 40 Län-dern an.

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Bitte heraustrennen und schicken oder faxen an:Strassenmagazin Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, [email protected]

24 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.– )(Verpackung und Versand bietenStrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen.)

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Ist gut. Kaufen!Wer etwas verkauft, braucht Geld. Schlichte Wahrheit – gute Sache.Denn 50 Prozent des Verkaufspreises kommt Surprise zugute.Alle Preise exkl. Versandkosten.

270/12

Surprise Zeitungs-Taschen (34 x 36 cm); CHF 37.50

neon-orange schwarz

Surprise City-Taschen (24,5 x 35,5 cm); CHF 40.–

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Surprise Rucksäcke(32 x 40 cm); CHF 89.–

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Anzeigen:

Aussendienst-mitarbeiterWer Surprise verkauft, hat seinen eigenenexklusiven Verkaufsstandort. Und verdientpro verkauftes Strassenmagazin zweiFranken siebzig bar auf die Hand. Startkapital abholen und sofort loslegen.Informationen gibt es hier: In der Region Bern:Pappelweg 21, 3013 BernT 031 332 53 93 oder 079 389 78 [email protected]

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Macht stark.

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