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Z. Lebensm. Unters.-Forsch. 163, 126--127 (1977) Zeitschrift for Lebensmittel- Untersuchung und-Forschung @ J. F. Bergmann-Verlag 1977 Uber den enzymatischen Abbau yon Tripolyphosphat und Diphosphat in zerkleinertem Fleisch IV. ,~nderung der Tripolyphosphatase-Aktivitiit im Muskel post mortem* Reiner Hamm und Rune Neraal Institut fiir Chemic und Physik der Bundesanstalt fiir Fleischforschung, Blaich 4, D-8650 Kulmbach On the Enzymatic Breakdown of Tripolyphosphate and Diphosphate in Minced Meat. IV. Change in the Tripolyphosphatase Activity of Mus- cle post mortem Summary. The triphosphatase (TPase) activity of minced bovine muscle increased during storage of the intact muscle post mortem; after development of rigor morris it remained constant. The TPase activity of por- cine muscle is influenced by the rate of post mortem glycolysis. Zusammenfassung. Die Triphosphatase (TPase)-Akti- vit/it von zerkleinertem Rindermuskel nahm w~ihrend der Lagerung des intakten Muskels post mortem zu, um nach Eintritt des Rigor morris konstant zu bleiben. Die TPase-Aktivit~it yon Schweinemuskel wurde durch die Geschwindigkeit der Glykolyse post mor- tern beeinfluBt. Einleitung Wie unser Studium der Tripolyphosphatase (TPase)-Aktivit~it yon Rindermuskel ergeben hatte, ist offenbar nach Eintritt des Rigor mortis der pH-Wert fiir die TPase-Aktivit~it 1 von Bedeutung [1]. Es war nun weiterhin yon Interesse, zu wissen, ob sich die TPase- Aktivit~it des Gewebes vom Zeitpunkt der Schlachtung an w~ihrend der Lagerung des Muskels ~indert. Hierzu wurde Tripolyphosphat (NasP3010) (TP) dem zu verschiedenen Zeitpunkten post mortem zerkleinerten Muskelgewerbe zugesetzt und die Geschwindigkeit des Abbaues gemessen. Da unter den Verh~iltnissen der Praxis der pH-Wert des Fleisches nicht eingestellt wird, wurde auch hier die Enzymaktivit~t beim natiArlichen pH-Wert gemessen. Entsprechend den Gepflogenheiten der Praxis wurde gemeinsam mit TP auch 2% Kochsalz zugesetzt. * Diese Arbeit ist Teil der Dissertation yon R.Neraal (Universitgt Giegen, 1975) Abkiirzungen: TP = Tripolyphosphat; TPase = Tripolyphospha- tase; ATP=Adenosintriphosphat: ATPase=Adenosintriphospha- tase; p.m. = post mortem Material und Methoden Den M. longissimus dorsi yon Rind und Schwein so rasch als m~Sg- lich nach dein Schlachten steril entnehmen und in Plastikbeuteln bei etwa +4°C lagern. Zu verschiedenen Zeitpunkten nach dem Schlachten Proben entnehinen, yon anh~ngendein Fett- und Binde- gewebe befreien und im Fleischwolf (3 Inin-Scheibe) zerkleinern. Messung der TPase-Aktivit~t bei 22° C nach dein friiher angegebe- nen Veffahren E2]. Weitere Angaben zur Methodik: II. Mitteilung [11. -- Enzymatische Bestimmung yon Glykogen nach der Me- thode yon Dalrymple u. Hamin [-3]. In denselben Homogenaten Lactat enzymatisch bestiminen [4]. Ergebnisse und Diskussion 1. Rindermuskel Die TPase-Aktivit~t zeigte innerhalb der ersten Std nach dem Schlachten (prae rigor) eine markante Zu- nahme, ehe sie sich nach etwa 3 Tagen, d.h. nach Ein- tritt des Rigor morris, auf ein konstantes Niveau stabi- lisierte (Tab. I). Dieser Effekt war sowoh! in Abwe- senheit (Tab. 1) als auch in Gegenwart von 2% NaC1 (Tab. 1) zu beobachten; er erwies sich in mehreren Wiederholungen als reproduzierbar. Aus versuchs- technischen GriJnden konnte die Aktivit~it in der Zeit bis zu 1 Std post mortem nicht gemessen wer- den. Ober die TPase-Aktivit~it zum Zeitpunkt der Tabelle 1. Anderung der Triphosphatase-Aktivit~it iin Rindermuskel post mortem. -- Aktivit~t bei 22° C in gmol TP/min. g Protein 0,3% TP; 30% HzO 0,3% TP; 2% NaC1; 0,5% TP;2% NaC1; 30% H20 50% H20 Std pH Akti- Std pH Akti- Std pH Akti- p.m. vit~it p.m. vit~t p. in. vit~it 4°C 4°C 4°C 4 ~ 5,9 0,43 1,1 6,3 0,22 2,8 6,4 0,51 5 5,9 0,38 24 5,9 ca. 2,5 28 5,9 2,9 17 5,8 0,91 48 5,9 ca. 2,5 50 5,9 3,1 99 5,6 3,7 144 5,9 ca. 2.5 75 5,9 3,2 174 5,5 3,7 216 5,9 ca. 2,5 144 5,9 3,3 266 5,6 3,5 a 2% NaC1

Über den enzymatischen Abbau von Tripolyphosphat und Diphosphat in zerkleinertem Fleisch

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Z. Lebensm. Unters.-Forsch. 163, 126--127 (1977)

Zeitschrift for

Lebensmittel- Untersuchung

und -Forschung @ J. F. Bergmann-Verlag 1977

Uber den enzymatischen Abbau yon Tripolyphosphat und Diphosphat in zerkleinertem Fleisch IV. ,~nderung der Tripolyphosphatase-Aktivitiit im Muskel post mortem*

Reiner Hamm und Rune Neraal Institut fiir Chemic und Physik der Bundesanstalt fiir Fleischforschung, Blaich 4, D-8650 Kulmbach

On the Enzymatic Breakdown of Tripolyphosphate and Diphosphate in Minced Meat.

IV. Change in the Tripolyphosphatase Activity of Mus- cle post mortem

Summary. The triphosphatase (TPase) activity of minced bovine muscle increased during storage of the intact muscle post mortem; after development of rigor morris it remained constant. The TPase activity of por- cine muscle is influenced by the rate of post mortem glycolysis.

Zusammenfassung. Die Triphosphatase (TPase)-Akti- vit/it von zerkleinertem Rindermuskel nahm w~ihrend der Lagerung des intakten Muskels post mortem zu, um nach Eintritt des Rigor morris konstant zu bleiben. Die TPase-Aktivit~it yon Schweinemuskel wurde durch die Geschwindigkeit der Glykolyse post mor- tern beeinfluBt.

Einleitung

Wie unser Studium der Tripolyphosphatase (TPase)-Aktivit~it yon Rindermuskel ergeben hatte, ist offenbar nach Eintritt des Rigor mortis der pH-Wert fiir die TPase-Aktivit~it 1 von Bedeutung [1]. Es war nun weiterhin yon Interesse, zu wissen, ob sich die TPase- Aktivit~it des Gewebes vom Zeitpunkt der Schlachtung an w~ihrend der Lagerung des Muskels ~indert. Hierzu wurde Tripolyphosphat (NasP3010) (TP) dem zu verschiedenen Zeitpunkten post mortem zerkleinerten Muskelgewerbe zugesetzt und die Geschwindigkeit des Abbaues gemessen. Da unter den Verh~iltnissen der Praxis der pH-Wert des Fleisches nicht eingestellt wird, wurde auch hier die Enzymaktivit~t beim natiArlichen pH-Wert gemessen. Entsprechend den Gepflogenheiten der Praxis wurde gemeinsam mit TP auch 2% Kochsalz zugesetzt.

* Diese Arbeit ist Teil der Dissertation yon R.Neraal (Universitgt Giegen, 1975)

Abkiirzungen: TP = Tripolyphosphat; TPase = Tripolyphospha- tase; ATP=Adenosintriphosphat: ATPase=Adenosintriphospha- tase; p.m. = post mortem

Material und Methoden Den M. longissimus dorsi yon Rind und Schwein so rasch als m~Sg- lich nach dein Schlachten steril entnehmen und in Plastikbeuteln bei etwa +4°C lagern. Zu verschiedenen Zeitpunkten nach dem Schlachten Proben entnehinen, yon anh~ngendein Fett- und Binde- gewebe befreien und im Fleischwolf (3 Inin-Scheibe) zerkleinern. Messung der TPase-Aktivit~t bei 22 ° C nach dein friiher angegebe- nen Veffahren E2]. Weitere Angaben zur Methodik: II. Mitteilung [11. - - Enzymatische Bestimmung yon Glykogen nach der Me- thode yon Dalrymple u. Hamin [-3]. In denselben Homogenaten Lactat enzymatisch bestiminen [4].

Ergebnisse und Diskussion 1. Rindermuskel

Die TPase-Aktivit~t zeigte innerhalb der ersten Std nach dem Schlachten (prae rigor) eine markante Zu- nahme, ehe sie sich nach etwa 3 Tagen, d.h. nach Ein- tritt des Rigor morris, auf ein konstantes Niveau stabi- lisierte (Tab. I). Dieser Effekt war sowoh! in Abwe- senheit (Tab. 1) als auch in Gegenwart von 2% NaC1 (Tab. 1) zu beobachten; er erwies sich in mehreren Wiederholungen als reproduzierbar. Aus versuchs- technischen GriJnden konnte die Aktivit~it in der Zeit bis zu 1 Std post mortem nicht gemessen wer- den. Ober die TPase-Aktivit~it zum Zeitpunkt der

Tabelle 1. Anderung der Triphosphatase-Aktivit~it iin Rindermuskel post mortem. - - Aktivit~t bei 22 ° C in gmol TP/min. g Protein

0,3% TP; 30% HzO 0,3% TP; 2% NaC1; 0,5% TP;2% NaC1; 30% H20 50% H20

Std pH Akti- Std pH Akti- Std pH Akti- p.m. vit~it p.m. vit~t p. in. vit~it 4°C 4°C 4°C

4 ~ 5,9 0,43 1,1 6,3 0,22 2,8 6,4 0,51 5 5,9 0,38 24 5,9 ca. 2,5 28 5,9 2,9

17 5,8 0,91 48 5,9 ca. 2,5 50 5,9 3,1 99 5,6 3,7 144 5,9 ca. 2.5 75 5,9 3,2

174 5,5 3,7 216 5,9 ca. 2,5 144 5,9 3,3 266 5,6 3,5

a 2% NaC1

R. Hamm und R. Neraal: Abbau von Tripolyphosphat und Diphosphat.

Tabdle2. Triphosphatase-Aktivit/it yon Schweinemuskel. Zus/itze: 0,3% TP; 30% H20. - - Aktivit/it bei 22 ° C in ~mol/min • g Protein

Tier Std pH NaC1 Aktivit~it Nr. post mortem

(4 ° C)

1 1 5 ,6 - - 1,0

2 1,5 5,7 2% 0,40 2,5 5,7 0,35

22 5,6 2% 0,40 23 5,7 - - 0,42

3 1,5 6,4 - - 0,9 48 6,4 0,8 48 6,3 2% 1,6

4 24 5,7 2% 2,8 24 5,7 1,0

Tabelle3. Gehalte an Glykogen und Lactat im Schweinemuskel, 60 rain post morten

Tier Qualit~it Angaben in gmol/g Muskel Nr. des Fleisches

Glykogen (in Glucose- Einheiten)

Lactat

2 PSE 3,0 98,0 3 DFD 1,9 55,3 5 normal 50,8 26,5

Schlachtung liegen daher keine Werte vor. Die nied- rige Anfangsaktivit~it scheint erst wesentlich zuzuneh- men, wenn der pH-Wert des Gewebes unter 6 abge- sunken ist.

Es seien noch einige zus~itzliche Faktoren erw~ihnt, die auBer dem pH-Wert einen Einflul3 auf die Aktivit~it haben kannten, die jedoch nicht aus diesen Daten zu erkennen sind. Die Freisetzung der Ca2+-Ionen aus dem sarkoplasmatischen Reticulum post mor-

tern [5], die ffir die Myosin-TPase-Aktivit~it notwendig sind (Litera- tur, siehe [1]), k6nnte hier von Bedeutung sein. Eine Wirkung k6nnte auch die Komplexbindung der Ca2+-Ionen mit TP haben. Da aber Ca 2+ zum gr613ten Teil schon bei pH 6,3 freigesetzt wird, kSnnen aus den vorliegenden Daten hiertiber keine Schltisse gezo- gen werden. Auch durch die Zerkleinerung des Fleisches diirfte das Ca 2 + wahrscheinlich weitgehend freigesetzt sein [6 I. Myosin-ATP- ase wird von TP kompetitiv gehemmt [71 und daher w/ire auch umgekehrt eine Hemmung yon TPase durch ATP zu erwarten. Die post mor tem abnehmenden Mengen an ATP k6nnten somit die zu- nehmende TPase-Aktivit/it erkl/iren.

2. Schweinemuskel

Zum Vergleich zu den Messungen im Rindermuskel wurde auch in einigen Muskelproben des Schweines die TPase-Aktivit~it zu verschiedenen Zeitpunkten post mortem ermittelt (Tab.2). Bei drei verschiedenen Schweinen waren die TPase-Aktivit~iten 70--150 rain post mortem etwa gleich oder auch h6her als die Akti- vit~iten des Rindermuskels (Tab. 1). Der End-pH-Wert war aber in diesen Schweinemuskeln bereits in dieser Zeit erreicht. Im Gegensatz zum Rindermuskel war eine Zunahme der TPase-Aktivit~it bei weiterer Lage-

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rung nicht zu beobachten. W~ihrend ein Ztisatz von 2% NaC1 beim Muskel von Tier 3 und 4 stark aktivie- rend wirkte, blieb er beim Muskel von Tier 2 ohne Einflul3. Letzterer Muskel zeigte extreme PSE-Eigen- schaften, d.h. er war w~iBrig und blaB; bei Tier 3 han- delte es sich hingegen um ein sogenanntes DFD- Schwein (dark, firm, dry) mit dunklem, klebrigem Fleisch.

Der Muskel yon Tier 3 unterschied sich vom Mus- kel eines normalen Schweines (Tier 5) dadurch, daft er bereits 1 Std nach dem Schlachten einen abnorm nied- rigen Gehalt an Glykogen aufwies (Tab. 3); dies ist bei gleichzeitig hohem pH-Wert ein charakteristisches Merkmal eines DFD-Muskels [8, 9]. Ein Teil des dutch Glykogenabbau gebildeten Lactats war often- bar zum Zeitpunkt der Schlachtung bereits ins Blut iibergegangen [9]. Die niedrige TPase-Aktivit~it des PSE-Muskels von Tier 2 sowie die mangelnde Aktivi- t~itserhShung durch NaC1 k6nnte durch eine gewisse Denaturierung des Enzymproteins, hervorgerufen durch die rasche pH-Senkung bei noch hoher K6rper- temperatur [10], bedingt sein. Die schnelle pH-Sen- kung ist durch eine beschleunigte Glykolyse zu Lactat bedingt (Tab. 3).

Aus diesen wenigen Daten lassen sich natiirlich keine allgemei- nen Schliisse ziehen. Aber auch Van Hoof [11] fand, dab zerkleiner- tern Schweinefleisch zugesetztes TP im Falle von PSE-Muskel lang- samer abgebaut wird als in normalem Gewebe. Unsere Beobach- tung, dab die TPase-Aktivit~it des Rindermuskels nach dem Schlachten geringer ist als 48 Std post mortem, wurde von Van Hoof [11] im Falle des Schweinemuskels best/itigt. Eine aktivierende Wirkung yon NaCI auf die TPase des Schweinemuskels stellten auch Mihalyi-Kengyel u. KiSrmendy [12] fest. Der EinfluB des NaC1-Zusatzes auf die TPase-Aktivit/it des Fleisches soll in einer sp/iteren Mitteilung dieser Reihe eingehend behandelt werden.

Literatur 1. Neraal, R., Hamm, R.: Z. Lebensm. Unters.-Forsch. 163, 18

(1977) 2. Neraal, R., Hamm, R.: Z. Lebensm. Unters.-Forsch. 163, 14

(1977) 3. Dalrymple, R. H., Harem, R. :J. Food Technol. 8, 439 (1973) 4. Bergmeyer, H.U.: Methoden der Enzymatischen Analyse. 2.

Aufl. Weinheim: Verlag Chemie 1970 5. Tonomura, Y.: Muscle Proteins, Muscle Contraction and Cat-

ion Transport. Baltimore, London, Tokyo: University Park Press 1973

6. Hamm, R., Van Hoof, J.: Z. Lebensm. Unters.-Forsch. 147, 193 (1971)

7. Dainty, M.A., Kleinzeller, A., Lawrence, S.C.I Miall, M., Need- ham, L, Needham, D.M., Shen, S.-C.: J. gen. Physiol. 27, 355 (1949)

8. Hamm, R., Potthast, K. : Fleischwirtschaft 52, 206 (1972) 9. Potthast, K., Hamm, R.: Fleischwirtschaft 56, 978 (1976)

10. Harem, R. : Fleischwirtschaft 49, 652 (1969) 11. Van Hoof, J.: Proceed. 21 st European Meat Research Worker's

Meeting. S. 35. Bern 1975 12. Mihalyi-Kengyel, V., K/Srmendy, L.: Acta Alimentaria 2, 69

(1973)

Eingegangen am 19. M a i 1976