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Uber den topologischen Sinn der Periodenrelation bei vierfach-periodischen Funktionen. Von ERICH K~HLER in Leipzig. . Eine eindeutige analytisehe Funktion ~ (u, v), die sieh im Endliehen wie eine rationale Funktion verhi~lt, bezeichnet man als eine vierfach periodische Funktion, wean es ein System von 4 Zahlenpaaren (ut, v~), (u~, v~), (us, vs), (u4, v~) gibt yon der Art, daft die Gleichungen bestehen. sofern in (u + ui, v + vi) = ~o (u, v) Es gilt dann offenbar aueh rOt+U, v+V) = r(u, v), U = m l ~tt .ql_m,z ~ -31-ms ~ q- m~ u4, V = ml vl -}- n~ v~ q- ms vs q- m, v,, die m~ ganzzahlig sind. Die Gruppe der Substitutionen (u~u+U, v~v+V) (i = 1, 2, 3, 4) besitzt im vierdimensionalen Raum der komplexen Variablen u, v einen Fundamentalbereich, ffir den man etwa das Parallelotop H: u = ul s~ ~- u~ s~ + us ss -{- u4 s4, (1) v = V1 81 "q-- V2 82 "~- 1'3 811 .ql- V4 84 (0 ~ Si~ 1) wi~hlen kann. Dabei ist vorausgesetzt, dab zwischen den 0~, vi) nicht gleichzeitig zwei Relationen u~ t~ + u~ t~ + us t3 + u4 t4 = 0, ~1 tl "q'- Y2 t2 -ql- V$ t 3 "-~ 13 4 t4 = 0 mit reellen ti bestehen, da sonst das Parallelotop H nur ein dreidimen- sionaler Bereich sein wtirde. Es ist nun eine seit langem bekannte, seltsame Tatsache, daft ein vierdimensionales Paralellotop//im allgemeinen keine vierfach periodische Funktion bestimmt, sondern nur dann, wenn eine Relation yon der Form 9*

Über den topologischen sinn der periodenrelation bei vierfach-periodischen funktionen

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Page 1: Über den topologischen sinn der periodenrelation bei vierfach-periodischen funktionen

Uber den topologischen Sinn der Periodenrelation bei vierfach-periodischen Funktionen.

Von ERICH K~HLER in Leipzig.

.

Eine eindeutige analytisehe Funktion ~ (u, v), die sieh im Endliehen wie eine rationale Funktion verhi~lt, bezeichnet man als eine vierfach periodische Funktion, wean es ein System von 4 Zahlenpaaren (ut, v~), (u~, v~), (us, vs), (u4, v~) gibt yon der Art, daft die Gleichungen

bestehen.

sofern in

(u + ui, v + vi) = ~o (u, v)

Es gilt dann offenbar aueh

rOt+U, v+V) = r(u, v),

U = ml ~tt .ql_ m,z ~ -31- ms ~ q- m~ u4,

V = ml vl -}- n~ v~ q- ms vs q- m , v , ,

die m~ ganzzahlig sind. Die Gruppe der Substitutionen

( u ~ u + U , v ~ v + V )

(i = 1, 2, 3, 4)

besitzt im vierdimensionalen Raum der komplexen Variablen u , v einen Fundamentalbereich, ffir den man etwa das Parallelotop H:

u = ul s~ ~- u~ s~ + us ss -{- u4 s4, (1) v = V 1 81 "q-- V2 82 "~- 1' 3 811 .ql- V4 84 (0 ~ S i ~ 1)

wi~hlen kann. Dabei ist vorausgesetzt, dab zwischen den 0~, vi) nicht gleichzeitig zwei Relationen

u~ t~ + u~ t~ + us t3 + u4 t4 = 0, ~1 tl "q'- Y2 t2 -ql- V$ t 3 "-~ 13 4 t4 = 0

mit reellen ti bestehen, da sonst das Parallelotop H nur ein dreidimen- sionaler Bereich sein wtirde.

Es ist nun eine seit langem bekannte, seltsame Tatsache, daft ein vierdimensionales Para le l lo top/ / im allgemeinen keine vierfach periodische Funktion bestimmt, sondern nur dann, wenn eine Relation yon der Form

9*

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126 E. Kiihler.

~;~ cik (ui vk - - uk v~) = 0 i < k

mit ganzzahligen ca, erftillt ist. Vom Standpunkt der Funktionentheorie zweier Variablen ist diese

Bedingung unverstiindlieh und die bisher bekannten Beweise fiir die Notwendigkeit dieser Relation, die alle yon der Theorie der hyper- elliptisehen Ingegrale ausgehen, kClnnen den Sinn dieser Tatsache nicht erklaren. Es wird darum einigem Interesse begegnen, die Perioden- relation dureh einfache topologische Uberlegungen begrtindet zu sehen.

.

Dem Parallelotop H entsprechen verm0ge der Substitutionen

(1) u ~ u + ~n, u , + m . ~t~ + ms ~'s + m t , , , t ,

v --)" v -1- m 1 v I -A i- 99"/. 2 v$ + m S v S + '/T/t v 4

unendlich viele kongruente Parallelotope, die mit H zusammen den ganzen (u, v)-Raum einfach ausffillen.

In derselben Weise, wie man das Netz der Periodenparallelogranime der elliptischen Funktionen als Abbild eines Torus auffagt, kann man den Bau der zu H kongruenten Parallelotope als Bild einer geschlossenen vierdimensionalen Mannigfaltigkeit R betrachten, indem man zwei Punkte im.(u, v)-Raum, die auseinander durch eine .Substitution yon tier Form (1) hervorgehen, als identisch ansieht.

In dieser Mannig~altigkeit R kann man 6 in bezug auf Homologien unabhangige zweidimensionale geschlossene Mannigfaltigkeiten auffinden, namlich die dutch die 6 ,,Hyperkanten" von / /

2~t~: 0 <__ s L ~ I , 0 <__ s ~ < l , ss ---- 0, st ~ 0;

-~s: 0 <__. s ~ < l , s~ = O, 0 <= s 3 < l , st = O;

~14: 0 <= s l < l , su = O, sa = O, 0 <= 8 4 < 1 ;

~ 8 : sl = 0, 0 ~ s , < l , 0 < s s < l , st ----- 0;

~ 4 : sl = 0, 0 ~ s ~ < l , ss = 0, 0 __< s 4 < l ;

~at: sl = 0, sz = 0, 0 < s a < l , 0__< s t < l

repri~sentierten geschlossenen Fli~chen S~, S~s, S~4, S~.~, ~ , S~t. Jedr andere gesch!ossene Fli~che S ist homolog einer ganzzahligen linearen Verbindung aus den Sik, was man folgendermafien einsieht.

Betrachten wir das in / / l i egende Abbild ~ yon S. Die Begrenzungs- linien ). dieser Fli~che ~ liegen auf der Begrenzung von // , die aus 8 dreidimensiollalen ,,Seiten", 24 zweidimensionalen ,,Hyperkanten",

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Periodenrelation. 127

32 eindimensionalen Kanten and 16 Ecken besteht. Dabei sind die auf zwei dureh eine Substitution (u --* u % ui, v ~ v -~ vi) zugeordneten Seiten liegenden Stfieke der Z selbst durch diese Substitution aufeinander bezogen, well S e i n e gesehlossene Flacbe sein soll. Man wiihle nun innerhalb / / e i ne n niclit auf ~ liegenden Punkt (u~, Vo) and ziehe yon hier aus nach jedem Punkt der Begrenzung y o n / / e i n e gerade Linie r, Hiernaeh verSchiebe man die im Innern yon / / liegenden Teile yon stetig so, dal] jeder Pankt yon % langs einer Geraden ~" wandernd in die Seiten yon / / z u liegen kommt.

Es sei T eine dieser Seiten and a die naeh der Verschiebang in T liegenden Tefle yon -~, ~ ihre Begrenzungslinie~. Man kann sich T als gew0hnliehes Parallelopiped vorstellen. Nun bringe man die Teile a durch eine stetige Deformation in die T begrenzenden Hyperkanten. Hierbei mfissen aber in der Seite T', die aus T durch eine Perioden- substitution hervorgeht, die dort befindliehen Teile a' yon S gleiehzeitig so mit versehoben werden, dal~ die Zuordnung der Randlinien ~' (yon a') zu den ~7 bestandig erhalten bleibt. Nachdem man dies bei allen Seiten yon 11 ausgeftihrt hat, ist ~ mit den Hyperkanten, also S mit den ~k, zur Deckung gebraeht. Die dabei evtl. auftretenden ,,Falten" yon S k0nnen leicht in die Kanten verlegt werden.

Zwischen einer beliebigen geschlossenen Flaehe S und den S~k besteht somit stets eine Homologie yon der Form

(2) S ~ ~ , ~.~ S~ i < k

mit ganzzahligen c~k. Um die Vorzeichen der cik zu fixieren, i~t es n0tig, auf den in Betracht kommenden Flaehen eine ,,Riehtung" festzulegen. Hat man irgendein einfaeh zusammenhangendes Fliiehenstfiek a, so ziehe man auf ihm ein Netz yon Parameterlinien und bezeichne den einen Parameter als den ersten, den andern als den zweiten Parameter. Werden dann zwei beliebige einfach zusammenhiingende Flachensttieke a, a' durch stetige Verschiebung and Deformation zur Deckung gebraeht, wobei die Parameternetze in beiden Fallen stetig mitgefiihrt werden sollen, so definieren sie zwei Parametersysteme auf demselben Flaehenstfick. Sind s~, s~ bzw. s~, s~ die ersten bzw. zweiten Parameter auf a, d und gilt

si Os~ Osl Os~ ~s~ ~s~ ~s~ ~s~ > 0 ,

so heifien a, a' bei der Deckung gleichgerichtet, andernfalls entgegen gesetzt gerichtet. Auf einer sog. zweiseitigen geseblossenen Flache kann man durch Einteilung in einfach zusammenhangende Teile and Einfiihrung eines Parametersystems in vonde r Einteilung unabhangiger

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] 28 E. K~aler.

Weise die Riehtung festlegen. Im folgenden kommen nur zweiseitige Fl~chen in Frage.

Auf den S~, ist dureh st und s~ unmittelbar ein Parametersystem gegeben, und zwar wahle man s~ als den ersten Parameter. Legt man aueh auf 8 eine Riehtung fest, so sind in (2) die Vorzeichen vollkommen bestimmt durch die Vorschrift, dab allgemein fiir zwei geriehtete. Flitchen S', S", die gleichsinnig zur Deckung gebracht werden k0nnen, die Homologie

S',,~ S" ,

dagegen bei Deekung mit entgegengesetzter Riehtung die Homologie

besteht~.

~ l r%,J . " l ~ f l

.

Diese Festsetzungen sind, wie der Begriff der Homologie iiberhaupt so gew~hlt, daft sie eine bequeme Anwendung auf die bei Variation der Integrationsfl~tche invarianten Doppelintegrale gestatten. Umgekehrt erlaubt die Betraehtung yon solehen Integralen sehr oft, sehwierig zu iiberschauende Homologien unmittelbar zu errechnen.

Es sei 2 ein geriehtetes Flaehenstiick im (u, v)-Raum, ~ der erste, der zweite Parameter. Der Wert des fiber 2 erstreekten Integrals

f f fj'( ) (3) I = d u d v = Ou Ov Ou Ov

Z 2:

ist unabh~ngig yon der Wahl der Parameter, wenn man nur gleich- sinnige Parameter 'zul~flt, andernfalls andert er blol~ sein Vorzeichen.

Schreibt man I in der Form

) (ov)] o Ov o u--~_ d~ d~t,

so erkennt man dureh partielle Integration, dab es in ein fiber die Begrenzung yon 2 zu erstreekendes Linienintegral umgeformt werden ka.nn und daher nur yon dieser Begrenzung, nieht aber yon der fibrigen Gestalt yon 2 abh~ngt.

Da der Integrand in (3) bei Austibung einer Periodensubstitution invariant ist, so kann I , wenn der Flache :~ in R eine geschlossene Flaehe S entsprieht, als ein Doppelintegral I s in dem gesehlossenen vierdimensionalen Raum R aufgefafit werden, dessen Wert zufolge der eben gemaehten Beobachtung bei stetiger Deformation der Integrations- fl~che S ungeandert bleibt.

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Periodenrelation. 129

Man ersieht hieraus, daft jede zwischen gesehlossenen Flachen S, S ~, S" . . . bestehende Homologie

c S A - c ' W - t - c " W ' + . . . ,,., 0

sich in eine Gleichung" c l s + c' I s ' + c " I s " + . . . . . 0

ffir die entspreehenden Integrale iibersetzt.

Dieselben Betrachtungen, die eben auf das Integral

angewandt wurden, kSnnen Wort fiir Wort auf das Integral f f d,, dv

17 ff(ow o, ,

fibertragen werden, wo w ~ u x - ~ v y

mit konstanten GrSfen x , y gesetzt ist und ~ die zu w konjugierte GrSfe bezeiehnet.

Unter den frfiher gemachten Festsetzungen fiber die Reihenfolge der Parameter berechnet sieh

1 1

is.. = J v,) dsi dsk ~ u~ vk - - u~ vi, 0 0

( 4 ) 1 1

o o (Wh = eta x --t- va y ) .

Da die 6 Ausdrficke ( U i V k - - u k v i ) bei allgemein gew~hlten u i , v i

linear unabhangig sind, s o besteht zwischen den Sik keine Homologie, d. h. die zweite Bettische Zahl P~ ist gleich 7.

o

Ale bisherigen Uberlegungen sind unabhi~ngig von der Existenz zugehSriger vierfach periodischer Funktionen. Wenn aber zu dem gegebenen Periodensystem eine periodische Funktion ~(u, v) existiert, so lassen sich folgende weiteren Schlfisse ziehen.

Die Gleichung (5) ~(u , v) ---- 0

definiert im (u, v)-Raum eine, evtl. mehrere zweidimensionale Mannig- faltigkeiten (analytische Kurven), denen wegen der Periodizit~tseigen- schaft der linken Seite ein System von geschlossenen Fli~chen in R

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130 E. Kithler.

entspricht. Aus dem rationalen Verhalten von ~(u , v) schliei~t man leieht, dal~ die Gleiehung (5) nur endlich viele Kurven darstellen kann und dait diese nur algebroide Singularit~ten in / I aufweisen k(innen.

Es sei ~ eine dieser Kurven und S die entsprechende geschlossene Fli~che in R . Da ~" durch eine analytische Relation zwischen u und v

repr~sentiert wird, gilt auf ganz :~

3u 8v 8u 3v (6) o~ 3~ o~ ~ - - o ,

wenn ~, ,/ zu S gehtlrige Parameter bezeichnen~). Ist nun

S ' - ~, cik 8ik i < k

die zwischen S und den Sik bestehende Homologie, so gelten die beiden Gleichungen

i s = Y.c k = i < k i < k

i < k i < k

Is ist aber gleich Null, da der Integrand wegen (6) verschwindet, und es ergibt sich die Periodenrelat ion

(7) 2 : cik (ui ~'k - ~ek vi) = 0. i < k

Es ware denkbar, dab 8,-~0 und somit die cik samulch verschwinden. Dal] dies nicht zutrifft, lehrt die Betrachtung des Integrals I ~ .

Die Kurve 2 l ~ t sich auch darstellen als analytische Relation zwischen v und w - - - - u x + v y , wenn x :~ 0 . Dieser Relation entspricht eine gewisse auf der w-Ebene ausgebreitete Riemannsche Fli~che, yon der wir nur den Teil ~ ins Auge fassen, der dem im Periodenparallelo- top H l iegemen Stfick a yon 2 entspricht. Durch Einfiihrung yon Real- und Imagin~trteil yon w als Fl~ehenparameter ffir a berechnet man ffir

das Integral I~ =JJ wd den Were -4-2iq~-0, w o q den im ge-

wOhnlichen Sinne verstandenen Fli~cheninhalt von v bezeichnet. Man

wird q zweckm~fiig als den Fli~cheninhalt der Projekt ion yon a auf die analytisehe Ebene xu + yv ~ konst, bezeichnen. Ist x ~ 0, aber y =~ 0, so ffihrt die zwischen u und w bestehende Relation zu einem ganz ent- sprechenden Resultat.

1) In der Umgebung einer Stelle yon 2:, wo v als Funktion yon u holomorph ist, wikhle man z. B. Real- und Imaginiirteil yon u als Parameter ~, 7. Aus den Cauchy-

3u . Ou Ov ~v Riemannschen Differentialgleichungen 3~ -- ~ ~ , und aus ~ : 1, ~ - --= i folgt

dann unmittelbar das Versehwinden der Determinante (6).

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Periodenrelation. 131

Das Integral I.~ verschwindet demnach nur ffir x ~ 0, y ~ 0, d. h. der Ausdruck

c i,. (wi - - wk i < k

stellt cine de.fiuite Hermitesche Form der beiden Variablen x, y dar. Es ist bekannt, dab die letztere Bedingung im Verein mit der

Gleichung (7) auch hinreichend ist ffir die Existenz von vierfach perio- dischen Funktionen.

Aus obigem ist weiterhin ersichtlich, dal3 zwischen zwei beliebigen durch analytische Kurven im (~, v)-Raum dargestellten geschlossenen Fli~chen S, S ' in R i m allgemeinen eine Homologie

cS,'~ c' S p

besteht, da sonst die beiden Gleichungen I s ~ O, I s . - ~ 0 zwei ver- schiedene bilineare Periodenrelationen ergeben wfirden, was nur bei den sog. singuli~ren Periodensystemen m0glich istl).

t) Vgl. HECKE, gber die Periodenrelation der vierfach periodischen Funktionen. GStt. Nachr. 1914, S. 81 u. f.