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Ultrastruktur der diabetischen autonomen Neuropathie des Gastrointestinaltraktes

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Page 1: Ultrastruktur der diabetischen autonomen Neuropathie des Gastrointestinaltraktes

Klin Wochenschr (1984) 62:399M05 Klinische Wochen-

schrift © Springer-Verlag 1984

Ultrastruktur der diabetischen autonomen Neuropathie des Gastrointestinaltraktes*

H. Schmidt, J.F. Riemann, A. Schmid, and D. Sailer Medizinische Klinik mit Poliklinik der Universit/it Erlangen-Niirnberg (Prof. Dr. L. Demling)

Ultrastructure of Diabetic Autonomic Polyneuropathy of the Gastrointestinal Tract

Summary. Gastrointestinal motility disorders indu- ced by diabetes mellitus are most commonly mani- fested in the colon, and are considered to be an expression of diabetic autonomic polyneuropathy. In this study, for the first time, the intrinsic ner- vous system of the bowel has been subjected to an ultrastructural and morphometric examination in rectal biopsy material obtained from diabetics with and without diabetic enteropathy. In patients with diabetic enteropathy, the nerves of the submu- cous plexus (Meissner's plexus) revealed significant swelling of the axons, as an expression of neural degeneration. Furthermore, in about a half of these patients, thickening of the basal membrane of Schwann's cells was also detected. Additional, al- though unspecific, changes found in the diabetics were a quantitative increase in the lysosomes, lipo- fuscin and glycogen in the Schwann cells. The ul- trastructural findings represent evidence for the presence of an intrinsic autonomic polyneuropathy in diabetics with diabetic enteropathy. At the same time, they indicate that the diagnosis of diabetic enteropathy is no longer merely an "exclusion" diagnosis.

Key words: Electronmicroscopy - Diabetes melli- tus - Autonomic polyneuropathy - Gut

Auf den m6glichen Zusammenhang zwischen dia- betischer autonomer Neuropathie, die bei 70% al- ler Diabetiker auftreten soll [9], und diabetischer

* Die Arbeit wurde freundlicherweise durch die Falk Founda- tion untersttitzt

Enteropathie wies detailliert erstmals Rundless 1945 hin [23]. In einer neueren Untersuchung wur- den Motilit/itsst6rungen des Magen-Darm-Traktes bei 76% von 136 Patienten mit Diabetes mellitus nachgewiesen [13]. Mehrheitlich handelte es sich dabei um Kolonmotilit/itsst6rungen. Die Diagnose einer diabetischen Enteropathie konnte bislang nur als Ausschlul3diagnose gestellt werden. Neben Mo- tilit/itsmessungen [2, 24] existieren nur wenige lichtmikroskopische Untersuchungen mit teilweise widersprfichlichen Ergebnissen. Elektronenopti- sche Studien liegen bislang nur ffir diabetische Hamster [10] und Ratten [25] sowie eigene pr/ilimi- n/ire Resultate ffir den Menschen [21] vor.

Die vorliegende Untersuchung erfolgte, um die inkompletten ultrastrukturellen Kenntnisse fiber die Diabetes-induzierte autonome Polyneuropathie am Darmnervensystem des Menschen zu vervoll- st/indigen und fiber quantitative Aussagen die Frage zu fiberprfifen, inwieweit eine Korrelation zwischen Morphologie und Funktionsst6rungen existiert. Hierzu wurden Rektumbiopsien wegen der besonders h/iufig im Kolon auftretenden diabe- togenen Motilit/itsst6rungen [16] und wegen der geringen Bel/istigung der Patienten bei einer Rek- tumbiopsie verwandt.

Material und Methode

39 Patienten (23 Frauen; 16 M/inner) wurden in die Studie aufgenommen. Es erfolgte eine Zuordnung in 4 Gruppen (Ta- belle 1). Gruppe I: Patienten mit normalem Ni,ichternblutzuk- ker und normalem oralen Glukosebelastungstest. Gruppe II: Patienten mit Diabetes mellitus ohne Sp/itsyndrom. Gruppe II! : Patienten mit Diabetes mellitus und Sp/itsyndrom. Gruppe IV: Patienten mit Diabetes mellitus und diabetischer Enteropathie. Patienten mit Magen-Darm-Trakt-Erkrankungen anderer Ge- nese, insbesondere Laxantienabusus, wurden ausgeschlossen. Bei allen Patienten wurde eine Rektumbiopsie vorgenommen.

Die Biopsien wurden in 2,5%igem Glutaraldehyd und 1%igem Osmium Tetroxyd fixiert, in einer aufsteigenden Alko-

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Kontrollgruppe Diabetiker ohne Diabetiker mit Diabetiker mit Sp/itsyndrom Spiitsyndrom Enteropathie

Gruppe I Gruppe II Gruppe III Gruppe IV n=10 n=10 n=12 n=7

Alter 49 +_ 16 Jahre Diabetesdauer SH-Therapie Insulin-Therapie Sp/itsyndrom

periphere Polyneuropathie Retinopathie Nephropathie

MBG 1 92 -+ 3 mg/dl MAGE 2 Axon-Flfiche 3,1_+ 0,4 g2 Schwann-Zell-Basalmembranverbreiterung Lipofuscin + Lysosomen + Glycogen

53 ±14Jahre 52 ±20Jahre 41 ± 12Jahre 6 +_ 5Jahre 14 ± 8Jahre 10 _+ 5Jahre 3 Patienten 4 Patienten - 6 Ptienten 8 Patienten 7 Patienten

- 11 Patienten 6 Patienten - 6 Patienten 5 Patienten

3 Patienten 2 Patienten 245 __84 mg/dl 234 +75 mg/dl 229 __ 68 mg/dl

77 ±51mg/dl 170 ±96mg/dl 185 ± l l2mg/d l 3,4+_ 0,5 gz 4,0_ 0,8 g2 4,6*± 0,9 ~2

- 1 Patient 4 Patienten + + + + + + + + + + + + + +

MBG 1= Mittlere Blut-Glukose; MAGE2 = Mean Amplitude of Glucose Excursion; *= Signifikanter Unterschied gegen Gruppe I (p<0,05); + =gering; + + =m/±Big; + + + =ausgeprfigt

A b b . 1. Normale Nervenfaser des Plexus submueosus, x 13000; K Zellkern der Schwann-Zelle; A Axon; B Basalmembran

holreihe dehydriert, in Epon-Kunstharz eingebettet und nach Kontrastierung mit Uranyl-Acetat und Blei-Citrat an einem Siemens-Elmiscop 101 ausgewertet. Ohne Kenntnis der Grup- penzugeh6rigkeit wurden pro Patient yon je einem Pr/iparat alle quer geschnittenen Nervenfasern photographiert. Die End- vergr6Berung der Bilder betrug 15000. Mittels eines MOP-Sy- stems (Manual-Optic-Processing, Kontron Electronics, Mfin- chen-Eching) erfolgte die Morphometrie der Axonfl~ichen der Nerven. Im Durchschnitt lieBen sich pro Patient 142 Axone auswerten (Minimum 81, Maximum 268). Die statistische Aus- wertung der Daten erfolgte mit Hilfe des Kolmogoroff-Smir- now-Tests ffir zwei Stichproben zur Feststellung evtl. sign±f±-

kanter Unterschiede zwischen jeweils zwei der vier Patienten- gruppen. Ein linearer Zusammenhang zwischen der Diabetes- dauer und der Axonflfiche wurde mit der verteilungsfreien Re- gressionsanalyse nach SPEARMAN untersucht.

E r g e b n i s s e

D e r im Mi t t e l 9,5j/ ihrige V e r l a u f des Diabe te s mel- l i tus in G r u p p e IV w a r d u r c h eine schwere Blut- zucke re ins t e l l ba rke i t gekennze ichne t . Die d iabe t i - sche E n t e r o p a t h i e rnani fes t ie r te sich be± 6 Pa t i en -

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,u2 6,S-

6,0.

5,S.

5,0-

z.,5.

~,,0.

3,5.

3,0.

2,s

2,0

• 1

| °

I ! ° II •

• i !

Gruppe Gruppe Gruppe Gruppe I II III IV

Abb. 2. Axonfl/iche pro Patient ffir Gruppe I-IV

ten durch seit durchschnittlich 1,9 Jahre beste- hende, intermittierend auftretende Diarrhoen (bei 3 Patienten n/ichtliche Diarrhoen), wobei in allen F/illen Diarrhoen anderer Genese ausgeschlossen worden waren. Ein Patient hatte ein Megakolon. Zus/itzlich fanden sich bei 3 der Patienten Magen- entleerungsst6rungen (radiologisch und/oder szin- tigraphisch verifiziert). Ein Patient aus Gruppe II war di/itetisch eingestellt und bei einem weiteren Patienten aus Gruppe II war der Diabetes mellitus neu entdeckt worden. Werte f/Jr HbA 1 lagen nur von 16 Patienten vor (5 aus Gruppe 1I, Mittelwert: 14,1%. 9 aus Gruppe III, Mittelwert: 12,4%. 2 aus Gruppe IV, Mittelwert: 14,3%), so dab eine Korrelation der morphologischen Daten mit HbA 1

nicht m6glich war. Der Wert ffir die MBG (mittle- re Blutglukose) zwischen der Gruppe I und den Gruppen II, III und IV war signifikant unter- schiedlich (p < 0,01). Ffir die MAGE (mean ampli- tude of glucose excursion) ergaben sich zwischen den Gruppen II, III und IV keine signifikanten Differenzen.

Lichtmikroskopisch waren alle Rektumbiop- sien unauff/illig. Eine Aussage zu evtl. Schfidigun- gender GanglienzeUen des Meissnerschen Plexus kann nicht getroffen werden, da diese in den Biop- saten in zu geringer Zahl vorlagen. Die ultrastruk- turellen Befunde an den Nervenfasern von Diabeti- kern zeigten im Vergleich zu Nerven von den Kon- trollpersonen (Abb. 1) eine erhebliche, individuelle Variabilit/it. Eine morphometrische Analyse ergab eine Zunahme der Axonfl/ichen bei den Diabetes- Patienten; signifikant gr613er (p < 0,05) gegenfiber dem Normalkollektiv waren jedoch nut die Axone von Gruppe IV (Abb. 2). Die Regressionsanalyse zwischen der Diabetesdauer und der Gr613e der Axonfl/ichen zeigte keinen linearen Zusammen- hang. Auff/illigster morphologischer Befund war bei den Patienten mit Diabetes mellitus, wie bereits morphometrisch deutlich zum Ausdruck gekom- men, eine als Indikator fiir eine Sch/idigung gel- tende Ballonierung der Axone in den Nervenfasern einhergehend mit Reduktion von neurosekreto- rischen Granula, Neurotubuli und Neurofilamen- ten, was den Axonen ein ,,leeres Aussehen" verlieh (Abb. 3). Nut selten jedoch waren alle Axone pro Schwann-Zelle alteriert. In einigen der Axone la-

Abb. 3. Nervenfasern bei diabetischer Enteropathie. x ~0000; K Zellkern der Schwann-Zelle; A Massiv dilatierte Axone; B gering verdickte Basalmembran

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Abb. 4. Nervenfaser bei diabetischer Enteropathie. x 17500; K Zellkern der Schwann-Zelle; A Dilatiertes Axon; L Lysosomen; LF Lipofuscin

Abb. 5. Nervenfaser bei diabetischer Enteropathie. x 12000; K Zellkern der Schwann-Zelle; A Dilatiertes Axon; B Multilamellfir verdickte Basalmembran

gen zahlreiche dense bodies. Das Axolem war nur bei einer Minderheit rupturiert. Lysosomen und Lipofuscineinlagerungen im Zytoplasma der Schwann-Zellen fanden sich bei Patienten aller 4 Gruppen; allerdings ergab sich bei Diabetes-Pa- tienten insbesondere der Gruppe IV eine Zunahme dieser Strukturen, ohne dab aber die Unterschiede signifikant waren (Abb. 4). Glycogen trat in Ner- ven yon Patienten mit Diabetes mellitus sowohl in den Schwann-Zellen, als auch in den Axonen

auf. Bei 4/7 Patienten der Gruppe IV und 1/12 der Patienten der Gruppe III zeigten sich Verdik- kungen der Basalmembran der Schwann-Zellen. Die Verbreiterungen waren in der Regel multila- mell/ir und erfal3ten meist nicht die gesamte Cir- cumferenz der Schwann-Zellen (Abb. 5). Homo- gene Verdickungen lieBen sich nur selten nachwei- sen. Das Spektrum der L/isionen trat an Axonen und Schwann-Zellen h/iufig synchron auf, wobei die alterierten Nervenfasern regellos verteilt zwi-

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schen morphologisch unauff/illigen Nerven in der Schleimhaut lagen. Basalmembranverdickungen fanden sich auch an den Kapillaren der Diabetes- Patienten, nicht aber an Muskelzellen und der sub- epithelialen Basalmembran. Das Ausmal3 der Neu- ropathie ergab, bezogen auf den Einzelpatienten, Oberlappungen zwischen den Gruppen. So hatten 2 Patienten aus Gruppe IV nur geringe nervale Sch/idigungen, w/ihrend ein Patient aus Gruppe II L/isionen zeigte, wie sie, ausgedrfickt in der Axon- fl/iche, dem Mittelwert der Gruppe IV entspra- chen.

Diskussion

Lichtmikroskopisch erfal3bare L/isionen am extrin- sischen Darmnervensystem bei Diabetes mellitus wurden bislang ffir den Nervus vagus [18], die pr/i- und paravertebralen Ganglien - und zwar hier meist in Form von Riesenneuronen und Schwel- lungen der postganglionfiren Neurone [1, 12, 15, 20] - sowie die Splanchnicusnerven beschrieben [19]. Mitteilungen fiber Ver/inderungen des Instrin- sicystems liegen sowohl ftir den Osophagus [27] als auch den Darm (14) vor. Diesen Befunden wi- dersprechen Berichte, die Sch/idigungen des In- strinsicsystems verneinen [3, ~ 1, 29]. In elektronen- optischen Studien des intrinsischen Darmnervensy- stems diabetischer Hamster liegen sich zahlreiche Ver/inderungen wie Dilatationen der Axone mit Verarmung an intraaxonalen Organellen und der Anhfiufung lysosomaler Elemente beobachten [20]. Gute Obereinstimmung zu diesen Befunden erbrachten histochemische Untersuchungen eben- falls am Darm diabetischer Hamster, in denen eine reduzierte Cholinesterase-Aktivit/it nachgewiesen werden konnte [7]. )~hnliches gilt ftir eine simultan durchgef/ihrte ultrastrukturelle und histochemi- sche Untersuchung am Kolon diabetischer Ratten, bei denen in/ihnlicher Weise nervale L/isionen wie Axondilatationen mit Reduktion intraaxonaler Organellen, Zunahme lysosomaler Strukturen und Reduktion der adrenergen und cholinergen Kolo- ninnervation beschrieben wurde [25]. Massive Axonballonierungen als Zeichen einer diabetoge- hen autonomen Neuropathie liegen sich auch an Nerven der vasa deferentia diabetischer Ratten fin- den [28].

In unserer Untersuchung des Meissnerschen Plexus der Rektumschleimhaut von Diabetikern ergab sich in gleicher Weise als auff/illigstes Dege- nerationszeichen eine Dilatation der Axone, ein- hergehend mit Reduktion der Transmittervesikel, Neurofilamente und Neurotubuli. Eine morpho- metrische Analyse der Axonfl/ichen erbrachte ffir

die Patientengruppen ohne und mit diabetischem Sp/itsyndrom zwar schon deutlich fiber dem Wert der Kontrollpatienten liegende Befunde; ein signi- fikanter Unterschied (p < 0,05) war jedoch nur ffir die Patientengruppe mit diabetischer Enteropathie zu verzeichnen. Einrisse des Axolems, lysosomale Strukturen und Glycogeneinlagerungen in den Axonen und Schwann-Zellen - letzterer Befund wird bei der tierexperimentellen diabetischen auto- nomen Neuropathie beschrieben [10, 25] - f a n d e n sich geh/iuft bei diabetischen Patienten im Ver- gleich zum Normalkollektiv, ohne dal3 diese Er- gebnisse aber signifikante Unterschiede ergeben h/itten. Auff/illig waren bei 4/7 Patienten mit diabe- fischer Enteropathie und bei 1/12 Patienten mit diabetischem Sp/itsyndrom ohne Enteropathie Verdickungen der Basalmembran der Schwann- Zellen, die erstmals am autonomen Nervensystem des G.I.-Traktes nachgewiesen wurden. Es han- delte sich meist um multilamellfire Verbreiterun- gen, die in der Regel die Circumferenz der Schwann-Zellen nur partiell umfal3ten, wobei an diesen Schwann-Zellen meist auch eine deutliche Sch/idigung des Zytoplasmas und der Axone mit- einherging. Interessanterweise hatte ein Patient mit Megakolon sehr ausgepr/igte Basalmembranver/in- derungen. Eine ebenfalls multilamell/ire Basal- membranverdickung der Schwann-Zellen wurde bislang an marklosen Nervenfasern nur in periphe- ren Nerven beschrieben [4, 5, 30].

Die Tatsache, dab bei Diabetes mellitus Basal- membranverdickungen nicht nur an den Kapilla- ren [26], sondern auch an Schwann-Zellen und Pe- rineural-Zellen [17] auftreten, spricht daffir, dal3 es sich dabei um einen generalisierten Prozel3 m6g- licherweise auf dem Boden einer Glycosylation handelt, der von kapillfiren Strukturelementen unabh/ingig ist. Bezfiglich der Pathogenese der dia- betischen Neuropathie werden neben vaskul/iren Ursachen, ffir die aber bei der autonomen Neuro- pathie nur wenige und widersprfichliche Studien vorliegen, vor allem metabolische St6rungen, wie eine vermehrte Akkumulation von Sorbit in den Schwann-Zellen und Abnormit/iten im Lipopro- tein und Myoinositol-Stoffwechsel diskutiert [8]. Ob bei der autonomen diabetischen Neuropathie die Axondegenerationen Sekundfirfolge von Schwann-Zellsch~idigungen sind bzw. umgekehrt oder aber L/isionen an beiden Strukturelementen unabh/ingig voneinander erfolgen, 1/il3t sich auf- grund dieser Studie, in der Axone und Schwann- Zellen meist synchron ver/indert erschienen, nicht beantworten.

Das Spektrum der aufgezeigten nervalen Alte- rationen ist gr613tenteils Diabetes-unspezifisch. So

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lassen sich Axondilatationen und vermehrtes Auf- treten lysosomaler Elemente bei Darmnervensch/i- digungen anderer Genese wie z.B. Laxantienabu- sus oder Amyloid induzierter Neuropathie des G.I.-Traktes beobachten [22]. Auch Glycogenan- reicherungen als Ausdruck nervaler Stoffwechsel- st6rungen werden nicht nur bei diabetischer Neu- ropathie, sondern auch bei Nervensch/idigungen durch andere Noxen angetroffen [25]. Dagegen mfissen multilamellfire Verdickungen der Basal- membran der Schwann-Zellen nach den bisherigen Kenntnissen als weitgehend Diabetes-spezifisch angesehen werden. Solche L/isionen wurden bei diabetischer peripherer Neuropathie und periphe- ren Neurititiden anderer Genese beschrieben [4]; am autonomen Nervensystem des Magen-Darm- Traktes lieBen sic sich allerdings noch nicht beob- achten.

Beziiglich der Signifikanz der erhobenen Be- funde sprechen die dutch Ballonierung infolge De- generation signifikant gr6Beren Axonfl/ichen der Patienten mit diabetischer Enteropathie gegenfiber dem Normalkollektiv daffir, dab die L/isionen des bioptisch gut erfal3baren Meissner'schen Plexus, dessen Integrit/it aufgrund der engen Verkniipfung mit dem Auerbach'-schen Plexus Voraussetzung fiir ein funktionsttichtiges Intrinsic-Darmnervensy- stem ist [6], zumindest partiell bedeutungsvoll hin- sichtlich der Pathogenese der diabetischen Motili- t/itsst6rungen anzusehen sind. Die Desintegration der Axone, die unter Umst/inden eine St6rung des axonalen Transports zur Folge haben kann [25] und die Verbreiterung der Basalmembranen der Schwann-Zellen, welche m6glicherweise zu einer Diffusionsbehinderung der Neurotransmitter ffih- ren kann, sind ffir die K1/irung des Pathomechanis- mus einer nervalen Insuffizienz wichtige Befunde.

Wegen im Individualfall auftretender Oberlap- pungen sind, was die morphologischen Befunde angeht, jedoch Einschr/inkungen angebracht. So zeigten sich bei 2 der Patienten mit diabetischer Enteropathie weitgehend unauff/illige Nerven und bei einem Patienten ohne Sp/itsyndrom ergaben sich fiir die Axonfl/ichen Werte, die denen der Pa- tientengruppe mit diabetischer Enteropathie ent- sprachen. Eine m6gliche Erkl/irung fiir diese Dis- krepanz ist evtl. in dem auch der diabetischen auto- nomen Polyneuropathie zugesprochenen fokalen Charakter zu sehen [8], zumal fiber das Befallsmu- ster der diabetischen Polyneuropathie am G.I.- Trakt noch keine Kenntnisse vorliegen. Trotz die- ser Gegebenheiten deuten die in dieser Studie erho- benen Befunde an, dab sich die diabetische auto- nome Neuropathie am G.I.-Trakt in Biopsien ul- trastrukturell gut erfassen 1/iBt und dab fiir die

Diagnose einer diabetischen Enteropathie, die eine sogenannte AusschluBdiagnose ist die Ultrastruk- tur bei positivem Befund als Indiz fiir die Richtig- keit einer solchen Diagnose herangezogen werden kann.

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Eingegangen am 9. Januar 1984 Wiedereingang am 13. Februar 1984 Angenommen am 15. Februar 1984

Dr. Helmut Schmidt Medizinische Universitfitsklinik Krankenhausstrage 12 D-8520 Erlangen Bundesrepublik Deutschland