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Zeitschrift fiir anorganische und allgemeine Chemie Band 286 Juli 1956 Heft 3-4, S. 97-192 Warmeinhalte und Schmelzentropien von NaTl-Phasen Von A. SCHNEIDER und 0. HILMER Mit 13 Abbildungen Inhaltsiibersicht Durch calorimetrische Warmeinhaltsbestimmung zwischen Zimmertemperatur und jeweils etwa 200" uber dem Schmelzpunkt werden die AH-Werte fur Thallium, Cadmium, Indium, Natrium und Lithium ermittelt. In gleicher Weise werden die folgenden inter- metallischen Phasen vom NaT1-Typ untersucht: NaTl, LiIn, LiGa, NaIn, LiCd. Die Warmeinhaltskurven werden ausgewertet insbesondere zur Bestimmung der Schmelz- entropien. - Fur den nichtlinearen Verlauf der AH-Kurve, insbesondere im Fall des NaTI, wird ein zusatzlicher Energiebetrag (,,UberschuBenergie" L') berechnet und im Sinn einer Gitterauflockerung durch Vermehrung von Defektstellen sowie einer thermischen Auf- lockerung der T1-Tl-Bindung diskutiert. Im Zusammenhang damit laBt sich eine Gesamtentropieanderung AS, Bes. als Summe von Schmelzentropie 4Sf und UberschuB- entropie AS' berechnen, die ein Ma8 fur die gesamte snderung des Ordnungszustandes beim nbergang vom festen in den flussigen Zustand darstellt und mit den Additivwerten aus den reinen Komponenten verglichen werden kann. Eine besondere Anomalie der C,-Kurve wird bei LiCd gGfunden, die moglicherweise mit einer ,,antiferromagnetischen CURIE-Temperatur" um 530" (Aufbrechen der Atombindung und Aufhebung der Anti- parallelstellung der Spinmomente) im Zusammenhang steht. Bei dem Bemiihen, durch thermochemische Fragestellungen und Experimente Beitrage zu einer Systematik der intermetallischen Phasen liefern zu konnen l), sind bisher Warmeinhaltsmessungen uber gro13ere Temperaturgebiete kaum durchgefiihrt worden, obgleich von hier aus wesentliche Einblicke in die Bindungszustande dieser Phasen zu er- warten sind. Auf Grund von Bestimmungen der Schmelzentropiewerte (Schmelzwarme/abs. Schrnelztemperatur) lie13 sich bisher bereits zeigen 2), l) Zusammenfassuugen vgl. insbesondere : F. WEIBKE u. 0. KUBASCHEWSKI, Ther- mochemie der Legierungen, Berlin 1943; 0. KUBASCHEWSKI u. E. L. EVANS, Metallurgical Thermochemistry, London 1951 ; C. WAGNER, Thermodynamics of Alloys, Cambridge, Mass. 1952; A. SCHNEIDER, Fiat-Review, Anorgan. Chem. Teil V, S. 113; A. SCHNEIDER u. H. SCHMID, Z. Elektrochem. angew. physik.Chem. 48, 627, 640 (1942) und fruhere. 2, 0. KUBASCHEWSKI u. A. SCHNEIDER, Z. Elektrochem. angew. physik. Chem. 49, 261 (1943). 8. anorg. allg. Chemie. Bd. 286. 7

Wärmeinhalte und Schmelzentropien von NaTl-Phasen

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Zeitschrift fiir anorganische und allgemeine Chemie Band 286 Juli 1956 Heft 3-4, S. 97-192

Warmeinhalte und Schmelzentropien von NaTl-Phasen

Von A. SCHNEIDER und 0. HILMER

Mit 13 Abbildungen

Inhaltsiibersicht Durch calorimetrische Warmeinhaltsbestimmung zwischen Zimmertemperatur und

jeweils etwa 200" uber dem Schmelzpunkt werden die AH-Werte fur Thallium, Cadmium, Indium, Natrium und Lithium ermittelt. I n gleicher Weise werden die folgenden inter- metallischen Phasen vom NaT1-Typ untersucht: NaTl, LiIn, LiGa, NaIn, LiCd. Die Warmeinhaltskurven werden ausgewertet insbesondere zur Bestimmung der Schmelz- entropien. - Fur den nichtlinearen Verlauf der AH-Kurve, insbesondere im Fall des NaTI, wird ein zusatzlicher Energiebetrag (,,UberschuBenergie" L') berechnet und im Sinn einer Gitterauflockerung durch Vermehrung von Defektstellen sowie einer thermischen Auf- lockerung der T1-Tl-Bindung diskutiert. Im Zusammenhang damit laBt sich eine Gesamtentropieanderung A S , Bes. als Summe von Schmelzentropie 4Sf und UberschuB- entropie AS' berechnen, die ein Ma8 fur die gesamte snderung des Ordnungszustandes beim nbergang vom festen in den flussigen Zustand darstellt und mit den Additivwerten aus den reinen Komponenten verglichen werden kann. Eine besondere Anomalie der C,-Kurve wird bei LiCd gGfunden, die moglicherweise mit einer ,,antiferromagnetischen CURIE-Temperatur" um 530" (Aufbrechen der Atombindung und Aufhebung der Anti- parallelstellung der Spinmomente) im Zusammenhang steht.

Bei dem Bemiihen, durch thermochemische Fragestellungen und Experimente Beitrage zu einer Systematik der intermetallischen Phasen liefern zu konnen l), sind bisher Warmeinhaltsmessungen uber gro13ere Temperaturgebiete kaum durchgefiihrt worden, obgleich von hier aus wesentliche Einblicke in die Bindungszustande dieser Phasen zu er- warten sind. Auf Grund von Bestimmungen der Schmelzentropiewerte (Schmelzwarme/abs. Schrnelztemperatur) lie13 sich bisher bereits zeigen 2 ) ,

l) Zusammenfassuugen vgl. insbesondere : F. WEIBKE u. 0. KUBASCHEWSKI, Ther- mochemie der Legierungen, Berlin 1943; 0. KUBASCHEWSKI u. E. L. EVANS, Metallurgical Thermochemistry, London 1951 ; C. WAGNER, Thermodynamics of Alloys, Cambridge, Mass. 1952; A. SCHNEIDER, Fiat-Review, Anorgan. Chem. Teil V, S. 113; A. SCHNEIDER u. H. SCHMID, Z. Elektrochem. angew. physik.Chem. 48, 627, 640 (1942) und fruhere.

2, 0. KUBASCHEWSKI u. A. SCHNEIDER, Z. Elektrochem. angew. physik. Chem. 49, 261 (1943).

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daB &us diesen Daten Ruckschliisse auf den Ordnungsgrad der Phasen dicht unterhalb des Schmelzpunktes mijglich sind :

Allgemein ergibt sich fur die Schmelzentropie nur dann ein additiver Wert aus den Komponenten, sofern am Schmelzpunkt eine rein statistische Verteilung der Ilompo- nenten vorliegt. Bei vollstandiger Ordnung dagegen ist der Schmelzvorgang verbunden rnit einem Unordnungsanteil der Schmelzentropie (Obergang vbn streng geordneter in statistische Verteilung), der nach WAGNER3) fur die Zussmmensetzung AB 1,38 cal/ (Grad . Grammatom) = - R . ( N A . In NA + NB . In NB) betragt. Wird der Additiv- wert der Schmelzentropie um diesen Betrag uberschritten, so kann auf eine ideal geordnete Atomverteilung im Festkijrper geschlossen werden. Liegt dieser Zusatzanteil zwischen 0 und 1,38 cal/(Grad. Grammatom), so kann entweder eine teilweise Entordnung im festen Kristall unterhalb des Schmelzpunktes oder ein grijljerer Nahordnungsgrad im fliissigen Zustand dicht oberhalb des Schmelzpunktes vorliegen.

Hinsichtlich eventueller Anderungen des Bindungszustands kann aus diesen Daten allein jedoch noch keine sichere SchluBfolgerung ab- geleitet werden. -

Fur die Elemente hat nun einerseits das von KLEMM~) verwendete Einteilungsprinzip in echte, Meta- und Halbmetalle neue Zusammen- ha,nge aufgedeckt ; andererseits war fur unsere Fragestellung wichtig eine von KUBASCHEWSKI 5 , gegebene kritische Zusammenstellung und Auswertung von Werten besonders der Schmelzentropie und der Vo- lumenanderung beim Schmelzen, soweit sie bisher fur Elemente bekannt geworden sind.

Die charakteristischsten Gesichtspunkte, die sich aus den zusammenfassenden Uber- legnngen von KUBASCHEWSKI ergeben, sind - soweit fur unsere Betrachtungen wichtig - die folgenden :

1. Hohe Koordinationszahlen (Z,) und dichte Packungen sind kennzeichnend fur iiberwiegend metallische Bindungsanteile. Die Atombindungen der Nicht- und Halb- nietalle verlangen locker gepackte Gitter (Z, -< 6).

2. Besonders aufschlufireich sind die beim S c h m e l z e n auftretenden Eigenschafts- i i n d e r u n g c n der Halbmetalle:

a) stark iiberhiihte Schmelzentropiewerte (AS , ) gegeniiber den echten und Meta- metallen,

b) n e g a t i v e r Volumeneffekt (Schmelzen unter Vo1.-Kontraktion), c) p o s i t i v e r Effekt des Sprungs der elektrischen Leitfahigkeit. Die Annahme darf als gesichert gelten, da13 diese Befunde auf die Besonderheiten

der Bindungsart speziell bei den Halbmetallen hinweisen : uberwiegend Atombindungen bei niedriger Temperatur ; bei Erbohung der Temperatur ubergang zu Strukturen der Metametalle (Lcitfahigkeitserhohung !), der entweder mit dern Schmelzvorgang verbunden ist (Si, Ge, Sb, Bi) oder sich auch bereits unterhalb der Schmelztemperatur in einer hlodifikationsinderung (graucs +- weilies Zinn) aufiert.

3, C. WAGNER, Z. Metallkunde 31, 18 (1939). 4, Fiat-Review, Anorg. Chemie, Teil I, S. 71-73; W. KLEMM, Angew. Chem. 60. 133

5, 0. KUBASCHEWSKI, Trans. Faraday SOC. 45, 931 (1949). (1950).

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A. SCHNEIDER u. 0. HILMER, Warmeinhalte u. Schmelzentropien von NaT1-Phasen 99

3. Der Quotient dS,/AV, wird immer dann eine Konstante darstellen, wenn beim SchmelzprozeB bei Vergleichselementen keine Anderung des Bindungszustands auftritt. Die Begrundung ergibt sich aus der Theorie des Schmelzprozesses von LENNARD- JONES und DEVONSHIRE~) und ihrer Weiterentwicklung durch EuCKEN') : Energiezufuhr und Temperaturerhohung bewirken im fasten Zustand zunachst Erhohung des Unordnungs- grades (Leerstellen und Zwischengitterplatze) verbunden mit Volumenvermehrung ; die sufzuwendende Zmischengitterenergie geht - wie besonders EUCKEN zeigte - symbat mit den AS,- bzw. AVf-Werten.

4. Charakteristisch fur die Halbmetalle ist offenbar auch ein von KUBASCHEWSKI im Rahmen seiner Uberlegungen formal eingefuhrter Wert :

4 , , t = 7 c, . ~ 1 [cal/Grad]. rr afest

(C, = Atomwarme des Festkorpers dicht unterhalb des Schmelzpunktes, a = Aus- dehuungskoeffizient, T, = abs. Schmelztemperatur.) - Wahrend die Schmelzentropie AS,' einen Ausdruck fur den Gesamtvorgang (Entordnung = Erhohung der Fehlord- nungsanteile, Bindungsauflockerung, Volumenzunahme) darstellt, ist in lediglich der Volumenanderungsanteil enthalten, der offenbar - bei gleichem Bindungszustand - einen annihernd konstanten Wert (75-95 cal/Grad) besitzt. Das sagt aber, daB bei ver- gleiclibaren Bindnngsverhaltnissen gleiche Mengen zugefuhrter (reduzierter) Energie den gleichen Volnmeneffekt zur Folge haben. Dementsprechend haben die Halbmetalle wesentlich hohere iitest-Werte : die gleichen (reduzierten) Energiemengen werden hier zu mehr oder weniger hohen Anteilen zur Auflockerung der Atombindungen benotigt, d. h. die a-Werte sind kleiner, die GfeSt-Werte werden bei den Halbmetallen charakteristisch vergrodert. Fur die Berechtigung einer solchen Interpretation spricht, daB die Unter- schiede zwischen NIeta- und Halbmetallen bei Betrachtung der entsprechenden 8fliiBsig- Werte wcsentlich verringert sind (75 bzw. maximal 180 cal/Grad): der ubergang fest + fliissig ist ja gerade bei den Halbmetallen mit einer Zunahme der metallischen Bindungs- anteile (Erhohung besonders yon Z, bzw. elektrischer Leitfahigkeit x ) verbunden.

Im AnschluB an die Aufdeckung dieser Zusammenhange schien es uns lohnend zu prufen, ob es auch bei intermetallischen Phasen gelingt, zu analogen Folgerungen aus gleichwertigen Messungen zu kommen. Da wegen der Verschiedenartigkeit der Bindungs- bzw. Polarisations- und GroBenverhaltnisse in aus mehreren Komponenten aufgebauten Strukturen die Deutungsmoglichkeit erschwert ist, haben wir zuniichst Untersuchungen an binaren Phasen, speziell NaT1-Phasen durchgef uhrt. Der Vorteil ergibt sich hier aus der Grundbedingung der Struktur (rg = rB)8), die iiisbesondere ermoglicht, neben Bnderungen des Ord- nungsgrades und der Bindungsanteile uber die Messung der Temperatur- abhangigkeit des Molvolumens eine getrennte Bestimmung der Radien (und ihrer Kontraktion) als Funktion der Teniperatur abzuleiten. -

6, J. F. LENNARD-JONES u. A. F. DEVONSHIRE, Proc. Roy. Soc. [London] 169,

7, A. EUCKEN, Lehrbuch der Chemischen Physik, Leipzig 1949, 11. 2, S. 866ff. S) Vgl. E. ZIRTL u. W. DULLENKOPF, Z. physikal. Chem., Abt. B 16, 195 (1932).

317 (1938); 170, 464 (1939).

i*

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Die vorliegende (thermochemische) und die anschliekiende (raum- chemische) Arbeit 9) stehen dementsprechend in einem sich gegenseitig erganzenden Zusammenhang.

I. Versuchsdurchfiihrung a) C a l o r i m e t e r a n o r d n u n g : Zur Ermittlung der Schmelz-

entropien benutzten wir die calorimetrische Methode der Warmeinhalts- bestimmung : Methode der primaren Zustandsanderung unter Verwendung eines Erwarmungscalorimeters. Zur Konstruktion des Calorimeters, das eine Zwischenstellung zwischen einem Metallblock- und Flussig- keitscalorimeter einnimmt, bedienten wir uns der Erfahrungen und An- gaben von SEITH und KUBASCHEWSKI lo) und brachten zur Erhohung der Meogenauigkeit eine Reihe von Abanderungen und Verbesserungen , an. Die wichtigsteii Daten der Calorimeteranordnung sind folgende :

Kupferblock (5 kg) zur Aufnahme der Tiegel in Knpferbecher mit 1300 ml Wasser. Letzterer stand in 2 weiteren ineinanderstehenden Knpferbehaltern, deren Zwischenraum mit 3 Liter Wasser gefullt war. Isolation gegen Leitung und Strahlung wie ublich: ver- chromt, vernickelt, hochglanzpoliert; auBere Filzpacknng. Besondere Sorgfalt wurde auf die thermische Isolation des Deckelsystems verwendet: dreifach unterteilter .Deckel (jeweils mit doppeltcr Filz- und Asbestisolation). Zum Tiegeleinwurf wurde die automa- tische Gffnung eines doppelten VerschluBschiebers konstruiert : nach Einstellung der Temperaturkonstanz des Tiegels wurde der Aufhangedraht durch Eiuschalten einer Stromquelle durchgeschmolzen, wobei dieser Schaltvorgang automatisch mit der kurz- fristigen Offnung des VerschluRschiebers gekoppelt war. Aiif diese Weise war der Ein- wurf des Tiegels gut reproduzierbar und mit einem minimalen, stets gleichbleibenden calorischen Fehler durchfuhrbar. - Zum moglichst raschen Warmeausgleich zwischen Substanztiegel und Calorimeter wurden die Tiegel im freien Fall in einen obez irichter- formig erweiterten, unten zylindrisch der Tiegeldimension genau angepaBten kupfernen Einsatzkorper am Boden des Calorimeter-Kupferblocks fallen gelassen. Diese MaB- nahme war fur die Reproduzierbarkeit der Einzelmessungen von besonderer Bedeutung. - Die Temperaturablesung erfolgte mit einem BECKMANN-Thermometer (l/l,,o"-Teilung) bei mechanischer Hubruhrung (1 Hub/Sekunde) der Calorimeterfullung.

b) P r o b e n b e h a n d l u n g : Verwendet wurden zylindrische Eisentiegel mit 2,5 ml Inhalt (fur die reinen Metalle T1 und Cd sowie fur die intermetallischen Phasen) bzw. rnit 6,5 ml Inhalt (fur Li, Na p n d In). Fur die luftempfindlichen Metalle bzw. Phasen muRte die Fullung der Tiegel mit besonderen VorsichtsmaBregeln durchgefuhrt werden: Ans- stanzen eines kompakten Zylinders (- liZ Volumen des Tiegels) des unedlen Metalls (Na, Li) unter entwassertem Petrolather. Einfuhren dieses Zylinders in den Tiegel und Wa- gung unter LuftabschluB nach ublichen Methoden. Zuwagen der edleren Komponente (z. B. T1, Cd) und Einpressen in die Alkalikomponente mit Hilfe einer besonders kon- struierten, den Tiegeldimensionen angepaflten PreBform, mit der gleichzeitig die fur die Einfuhrung des Thermoelements notwendige Vertiefung eingedruckt wurde. Nach Ab

S) A. SCHNEIDER u. G. HEYMER, Z. anorg. allg. Chem. 286, 118 (1956). lo) W. SEITH u. 0. KUBASCHEWSKI, Z. Elektrochem. augew. physik. Chem. 48,

743 (1937).

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schluR dieser Manipulation: Abpumpen des Petrolathers (Trockenpistole), Fullung mit Argon, Aufsetzen des Deckels und luftdichtes ZuschweiRen (PunktschweiRen mit Tiegel als Anode und Lichtbogenkohle als Kathode) in wenigen Sekunden, Einschmelzen der Le- gierung. - Die so vorbereitete Probe wurde nunmehr in dem seitlich uber dem Calori- meter ausgeschwenkten Ofen auf Versuchstemperatur gebracht : mindestens 10 Mi- uuten Temperaturkonstanz (f l "). Nach Beobachtung der Vorperiode und genauer Temperaturablesung wurde der Ofen uber das Calorimeter eingeschwenkt und die Ein- wurfvorrichtung betatigt.

Von jeder Substanz wurden mehrere, mindestens 2 Proben hergestellt und abwech- selnd fur Messungen verwendet, um zufallige Fehler sofort erkennen zu konnen. - Zur Er- mittlung der Legierungszusammensetzung beschrankten wir uns meist auf die analy- tische Bestimmung des Alkaligehalts : Zersetzung der Analysenprobe durch luftfreies Wasser in Gegenwart von Quecksilber und anschlieaende Titration mit n/10 HCl. - Wie die Ergebnisse zeigten, war die Einwaage der edleren Komponeute (Ga, In, Cd, TI) jeweils so genau, daB auf eine getrennte Bestimmung verzichtet werden konnte. Im Fall des be- sonders luftempfindlichen NaTl fuhrten wir jedoch auch gesonderte - bromatometri- sche - Thalliumbestimmungen durch. Die Anordnung zum Offnen der Tiegel unter Luft- abschlul3 und zur Entnahme von Analysenproben lehnte sich an das Vorbild von ZINTL und Mitarbeiternll) an.

c) MeRgenauigkei t u n d Eichung: Nach dem Einwurf der Probe war der Warme- iibergang von Probe zur Calorimeterfliissigkeit nach jeweils etwa 10 Minuten beendet. Der mit einer Genauigkeit von & 5 . lo-% Grad beobachtete Temperaturgang dieser Hauptperiode erstreckte sich iiber je etwa 0,5". Die Auswertung der Kurven (je etwa 15 Minuten Vor- und Nachperiode) wurde in iiblicher Weise graphisch vorgenommen. Fur jede Substanz wurden mehrere Messungen oberhalb und unterhalb des Schmelz- punktes vorgenommen und die Warmeinhalte nach

berechnet12). Fur Versuche, die nicht bei t, = 20' endeten, wurde jeweils eine Korrektur berechnet, die sich bei reinen Metalleu auf die Zp-Werte der Literatur bzw. bei den unter- suchten Legierungen auf die Kurven der unkorrigierten Molwarmen stutzten.

Die Wasserwer tbes t immuug fuhrten wir znnachst elektrisch durch: Silber- Coulombmeter nach v. wARTENBERGl3) . Die Ergebnisse waren nicht voll befriedigend

11) E. ZINTL u. G. BRAUER, Z. physik. Chem.,Abt. B 20, 248 (1933); E. ZINTL u. A. HARDER, Z. physik. Chem., Abt. B 34, 242 (1936).

12 ) Cp (Subst,) = mittlere spezifische Warme der Versuchssubstanz zwischen Ofen-

uud Calorimetertemperatur [g __- . :tad] ; MSubst. = Molmasse [g/Mol]; At = Differenz

zwischen Ofentemperatur tl und Endtemperatur des Calorimeters t, [Grad]; AT,, = wahrer Temperaturanstieg des Calorimeterwassers (in Skalenteilen des BECKMANN-Thermo- meters); W = Wasserwert [cal/Skt.]; mFe = Masse des Eisentiegels [g]; zppe = mittlere spezifische Warme des Tiegelmaterials zwischen Ofen- und Calorimetertemperatur

[F&]; msubst. = Masse der Versuchssubstanz [g]; nsubst. = (m/M)subst. [Moll;

AH = molare bzw. atomare Enthalpiedifferenz der Versuchssubstanz zwischen Ofen- und Calorimetertemperatur [cal/Mol] bzw. [ cal/Grammatom].

13) H. v. WARTENBERG u. H. SCH~TZA, Z. Elektrochem. angew. physik. Chem. 36, 254 (1930).

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(Streuungen bis zu 2%), obgleich innerhalh der experimentell moglichen Grenzen der Variation von Stromstarke und Zeit kein systematischer Gang festzustellen war. Der Grund lag offenbar in unserer Heizkorper-Anordnung, die bei relativ langen Versuchs- zeiten unkontrollierbare Warmeverluste unvermeidlich machte. - Wir bevorzugten daher in einer zweiten Versuchsreihe sehr sorgfaltig ermittelte Wasserwerte, die prak- tisch in der gleichen Weise gewonnen wurden wie bei den eigentlichen Messungen und dadurch auch systematische Fehler weitgehend ausschlossen: Verwendung eines Silber- zylinders der gleichen Dimension wie die spater verwendeten Tiegel (rund 20 g)14). Zur Berechnung des Wasserwertes benutzten wir Werte fur die mit,tleren spezifischen Warmen des Silbers, die sich durch graphische Mittelung der uns am sichersten scheinenden Angaben von MAGNUS und H O D L E R ' ~ ) bzw. M O S E R ~ ~ ) ergabenl'). Der mittlere Wasserwert lag bei 1860 cal/Skt. Durch Verdunstung von Wasser anderte er sich im Verlauf langerer Zeit merklich, so daB Nacheichungen notwendig wurden. Genauigkeit innerhalb einer MeBreihe: i. 0,2%.

Die zur Berechnung der Warmeinhalte gebrauchten mittleren spezifischen Warmen des Eisens wurden gesondert mit Hilfe des Materials ermittelt, das fur die Herstellung unserer Tiegel verwendet wurde. Relativgenauigkeit: & 0,3%.

Die Genauigkeit der MeBergebnisse sowohl innerhalb als auch zwischen den einzelnen MeBreihen war unterschiedlich, da die fur das Zustandekommen des Gesamtfehlers maB- gebenden Einzelfehler je nach Substanzmenge, Temperaturbereich usw. verschieden waren. - Die bei verschiedenen Temperaturen gewonnenen d H-Werte wurden durch Kurveuzug graphisch ausgeglichen : vgl. Abschnitt 11. Die mittleren Abweichungen der einzelnen MeBwerte vom so erhaltenen Mittelwert waren unterhalb 600" durchweg kleiner als die berechneten mittlereri Fehler. Bei Temperaturen oberhalb 600" waren die tat- sachlichen mittleren Fehler etwas groBer als die berechneten Fehler : groBere Warme- verluste bei der Oberfuhrung in das Calorimeter, Oxydation des Tiegels (c,-Fehler, Warmeubergang !). Beim Abschrecken aus dem flussigen Zustand wurde die Tiegel- wandung teilweise durch die erstarrende Schmelze nach inrien eingezogen: verschlech- terter Warmeubergang im Calorimeter. Fur die Bestimmung der Schmelzwarme jedoch war stets die groBte Unsicherheit in der graphischen Extrapolation auf die Sehmelz- temperatur gegeben, so daB die L,-Werte mit bis zu 5 2% unsicher sind: Einzelangaben vgl. Abschnitt 11.

11. MeBergebnisse In den folgenden Tabellen bedeuten : -

kcal kcal g-At Mol

AH:, = Warmeinhalt zwischen to und 20" C [ -:I bzw. [ -1 ; C, = wahre Atom- bzw. Molwarme

la) Den Silberzylinder aus reinstem Elektrolysemetall stellte uns liebenswurdiger- weise Prof. H. V. WARTENBERG zur Verfugung, wofur wir auch hier sehr danken mochten.

l5) A. MAGNUS u. A. HODLER, Ann. Physik 80, 808 (1926). 16) H. MOSER, Physik. Z. 37, 744 (1936). 17) Zur Begrundung dieser nicht ganz willkurfreien Aiiswahl aus der groBen ZahI

der Literaturangaben mag angefuhrt sein : trotz verschiedener MeBmethode haben beide Autoren nus sehr sorgfaltigen Messungen und an sehr reinem Metal1 weitgehend uberein- stimmende Werte erhalten. Damit erhalten die Werte von W. A. ROTH [Z. Elektrochem. angew. physik. Chem. 35, 299 (1929)J mit ganz abweichender Steigung bzw. die wohl sicher zu hohen Werte vou K. K. KELLEY, U. S. Dep. Bur. Mines, Bull. 371 (1934) ein geringeres Gewich t.

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- cal cal . C, = mittlere Atom- bzw. Molwarme [--I bzw. [ Mol + Grad ] ' g-At Grad

L, = Schmelzwarme [kcal/g-At.] bzw. [kcal/Mol] ;

ASf = LJTI = Schmelzentropie [Cl/g-At.] bzw. [CI/Mol];

t, = Schmelztemperatur ["C].

A. Reine Metalle Die Messungen an reinen Metallen wurden zunachst durchgefuhrt,

um einerseits die Leistungsfahigkeit des Calorimeters zu erproben (Vergleich mit Bestwerten der Literatur) und urn an- dererseits genugend sichere AnschluBwerte fur die Aus- wertung der nachfolgenden Messungen an den NaTl- Phasen zu erhalten.

a) T h a l l i u m (99,9%, Riedel - de Haen) : Abb. 1 zeigt die experimentell ermittelten Warmeinhaltswerte. Die Ab- weichungen von der Lineari- tat einige Grad unterhalb des Schmelzpunktes sind wahr- scheinlich auf ein durch Ver- unreinigungen verursachtes ,,Vorschmelzen" zuruckzu- fuhren. In der' Tab. 1 sind die eigenen Werte fur die Schmelzwarme, Schmelz- entropie und die Atom- warmen den Bestwerten der

Abb. 1. Thallium: Warmeinhalte zwischen 200" und 400°C

Literatur 18) 19) gegenubergestellt. In einer kurzlich erschienenen Arbeit geben W. OELSEN, 0. OELSEN und D. T H I E L ~ ~ ) fur die Schmelzwarme des Thalliums einen innerhalb unserer Fehlergrenze liegenden Wert L, = 1,004 & 0,005 kcal/g-Atom an.

18) 0. KUBASCHEWSKI, Z. Elektrochem. angew. physik. Chem. 54, 275 (1950); Z. Metallkunde 41, 445 (1950); 0. KUBASCHEWSKI u. E. L. EVANS, Metallurgical Thermo- chemistry, London 1951.

19 ) F. D. ROSSINI, D. W. WAGMAN, W. H. EVANS, S. LEWINE u. J. JAFFE, Selected Values of Chemical Thermodynamic Properties, Washington 1952.

20) W. OELSEN, 0. OELSEN, D. THIEL, Z. Metallkunde 46, 555 (1955).

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104 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 286. 1956

C, (fest) Cl/g-At. cal/(g-At.. Grad)

j

Tabelle I Thal l ium-Meta l l

C, (fliissig) cal/(g-At. . Grad)

i Eigene 0 9 i 0,02 I 1,72 4~ 0,04

1,03 5 0,03 1,79 I Messungen

! Nachls)

L . 250 300 150 wo "6-

Abb. 2. Cadmium: Warmeinhalte zwischen 200' und 400'C

235-290" C 310-400" C 7,2 & 0,2

7,12 f O,l5

7,3 _t o,l

7,18 & 0,07 232-304" C 304-500" C

Daten werden hier ebenso wie in den folgenden Fallen sehr gut bestatigt. Die Sicherheit in den Zahlenwerten der Atomwsirmen ist allgemein geringer, da Warmeinhalts- messungen fur ihre Ermitt- lung grundsatzlich weniger geeignet sind22). Wir tabel- lieren diese Werte, deren Be- stimmung an sich nicht das besondere Ziel der Arbeit war, trotzdem mit, um die Brauchbarkeit unserer Mes- sungen zu verdeutlichen.

b) Cadmium (chem. rein, Riedel- de Haen) : Abb. 2 und Tab. 2 fassen die Ergeb- ~ i s s e unserer Messungen zu- sammen.

c ) I n d i u m (99,9%, Dr. Franke, Frankfurt a. M.): Die einzigen in der neueren Literatur bekannt gewor-

I 1,03 ' Nachl9) I_

21) W. A. ROTH, I. MEYER u. H. ZEUMER, Z . anorg. allg. Chem. 214, 309 (1933);

22) Relativ geringfiigige Fehler in der AH-Kurve verursachen erheblich groBere 216, 303 (1934).

Fehler in dem Differentialquotienten (- a (AH) ,& = C, . P

232-304" C 304-360" C 1 7,18 & 0,0721) 6,7421) ____

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A. SCHNEIDER u. 0. HILMER, Warmeinhalte u. Schmelzentropien von NaTI-Phasen 105

Tabelle 2 Cadmium-Me t a l l

I C, (fest) C, (fliissig) 1 cal/(g-At. Grad) cal/(g-At. . Grad)[ kcal/g-At.

I

325-415" C ' 1 Eigene , Messungen 6,55 i 0,lO I

2,46

Nach W. OELSEN u. MitarbeiterZ0) ist Lf (Cd) = 1,484 0,007 kcal/g-Atom.

denen Messungen 24) stammen von ROTH und Mitarbeitern 21) bzw. W. OELSEN und Mitarbeiternzo). Die von diesen Autoren angegebenen Schmelzwarmen (0,780 bzw. 0,781) stimmen mit unserem Wert 0,79 & 0,Ol kcal/g-At. bestens uberein. Fur die Schmelzentropie ergibt sich A S , = 1,84 f 0,02 Cl/g-At. Auch die C,-Werte von ROTH liegen innerhalb unserer Fehlergrenzen, die wir fur unsere Messungen in diesem Fall (vgl. Abb. 3) relativ gering ansetzen konnen:

C, (fest): 6,7 5 0,2 cal/g-At. Grad (100-155°)

CP2,,o (fest): t = 100': 6,54 t = 155': 6,57

nach 21) : 6,67 : 6,76

-t

C, (flussig): 6,95 (160-235"),

7,04 (157-184') 'l).

d) N a t r i u m (p. a. Merck): Wahrend die Warmeinhaltskurven der eben genannten Metalle (Tl, Cd, In) den bekannten normalen Verlauf zeigen, beobachteten wir bei den Alkalimetallen Natrium und Lithium eine auffallige Abweichung von der Linearitat dicht oberhalb des Schmelz- punktes: Abb. 4 und 5. Die durch Differentiation erhaltenen Atom- warmen zeigen bei jeweils etwa 10" oberhalb des Schmelzpunktes ein Maximum 2s).

23) K. K. KELLEY, U. S. Dep. Commerce Bur. Mines, Bull. Nr. 371 (1934). 2a) Vgl. auch den Wert C, = 6,54 (0-l0O'C) von R. BUNSEN, Pogg. Ann. 141,

1 (1870). 25) Fur eine genaue zahlenmaBige Auswertung ist unsere MeBmethode nicht itus-

reichend, so daB wir uns zunachst auf den qualitativen Befund beschranken, der uns allerdings im Hinblick auf Zahl und Reproduzierbarkeit der Einzelmessungen reell und gesichert zu sein scheint. DaB bisher derartige Abweichungen nicht beobachtet wurden, 1st vielleicht einfach durch die jeweils relativ geringe Zahl von temperaturmaBig weiter auseinanderliegenden Messungen zu erklaren.

Page 10: Wärmeinhalte und Schmelzentropien von NaTl-Phasen

106 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 286. 1956

I n diesem Zusammenhang sind von Interesse andere Anomalien physikalischer KenngroBen der Alkalimetalle in der Nahe des Schmelzpunkt,es: MACDONALD~~) beob-

P I I

100 150 zoo OC-

Abb. 3. Indium: Warmeinhalte zwischen 100' und 250°C

achtete bei Li, Na und K dicht u n t e r h a l b des Schmelzpunktes einen anomalen Anstieg des elektrischen Widerstands und deutete ihn im Sinn einer temperaturabhangigen Zunahme von Fehlstellen. - Unter demselben Gesichtspunkt hat auch CARPENTER^^) einen etwa 100" u n t e r dem Schmelz- punkt beginnenden, starker als line- aren Anstieg der Atomwarmen28) bei Ka und K diskutiert: der UberschuB- betrag der Atomwarme ergibt eine Energie fur die Leerstellenbildung (6 kcal), die zusarnmen mit einer Ablosungsenergie von 4 kcal einen plausiblen Wert fur die Gesamt-Akti- vierungsenergie der SelbRtdiffusion liefert. -

Die Beobachtung beider Ano- malien unterhalb und oberhalb des Schmelzpunktes kann also unter Um- standen im Sinn einer mit steigender Temperatur zunehmenden Leerstellen-

bildung im festen bzw. eines abnehmenden Assoziationsgrades im fliissigen Zustand diskutiert werden und vielleicht gemeinsame Riickschliisse auf spezifische Bindungs-

einflusse bei den Alkalimetallen zulassen. Zunachst aber ist noch eine Uberprufung der Befunde mit Prazisionsmessungen notwendig.

I 100 150 zoo 'G - 50 Abb. 4. Natrium: Warmeinhalte zwischen 50"

und 250°C

26) D. K. C. MACDONALD, J. chem. Physics 21, 177 (1953).

*7) L. G.CARPENTER, J.chem. Physics 21, 2244 (1953).

28) Wir haben die Beob- achtungen nicht gemacht. Die An- stiege der Cp-Werte sind jedoch nach L. G. CARPENTER auch nur relativ gering (etwa 1,5 cal iiber dem linear extrapolierten Wert), so da13 sie bei unserer MeRgenauig- keit - und bei den niedrigen, groBere prozentuale Fehler bedin- genden Temperaturen (vgl. I, c) - noch innerhalb der Fehlerbreite liegen.

Page 11: Wärmeinhalte und Schmelzentropien von NaTl-Phasen

A. SCHNEIDER u. 0. HILMER, Warmeinhalte u. Schmelzentropien von NaT1-Phasen 107

70-95" C 7,35 i 0,15

6,85-6,98 70-95' C

temp.-abhangig 70-95'C

7,12-7,45")

Tabelle 3 N a t r i u m - M e t a l 1

~ _ _ _ 190-230" C

7,1 i 0,1

7,50 98-180" C

98-230" C 7,61-7,3OZ9)

Lf 1 kcal/g-At. Cl/g-At.

Eigene I Messungen 1 ' 0,63, & 0,Ol 1,71 & 0,03

I

Nachlg) 0,63 1,7

Auswertung der AH-Kurve (Abb. 4) und Vergleich mit den Best- werten der Literatur gibt Tab. 3.

e) Li th ium: Eigene und Vergleichswerte sind in Tab. 4 zusammengestellt ; vgl. Abb. 5 3 0 ) . z o -

B. Intermetallische Phasen Die Warmeinhaltskur-

ven der NaT1-Phasen zeigen im Gegensatz zu denen der reinen Metalle charakte- II

ristische Besonderheiten, die offensichtlich auf die Bin- dungsverhaltnisse der NaT1- Strukturen zuruckzufuhren sind und daher auch einer 100 150 zoo 250 T- besonderen Interpretation Abb. 5. Lithium: Warmeinhalte zwischen 100" bedurfen. und 250°C

1.5

29) D. C. GINNINGS, TH. B. DOUGLAS, A. F. BALL, J. Res. nat. Bur. Stand. 45, 23 (1950).

30) Die Angaben der kurzlich erschienenen Arbeit von TH. B. DOUGLAS, L. F. EP- STEIN u. J. L. DEVER [J. Amer. chem. SOC. 77,2144 (1955)] bestatigen unsere Ergebnisse. Die Autoren finden fur L, (Li): 0,701 & 0,004. Mit dem von den Autoren sehr genau be- stimmten Schmelzpunkt (180,5" C) ergibt sich: A S , = 1,55 Cl/g-Atom. - Etwas groI3ere Differenzen geben die Absolutwerte von AH gegenuber unseren Messungen, die durchweg etwas niedriger liegen (0,5 bis maximal 2%).

Page 12: Wärmeinhalte und Schmelzentropien von NaTl-Phasen

108 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 286. 1956

cp (fest) :al/(g-At.. Grad)

TabeIIe 4 Li th ium-Meta l1

Cp (flussig) cal/(g-At.. Grad)

I

A Sf kcal/g-At. Cl/g-At.

130-177OC 6,52-6,92 i 1353 * Ojo5

1 Nachxs) 1 0,69 i 0,03 I

179-280" C

130-177" C 220-280" C 6,4 & 0,l I 6,2 f 0,3

a) NaTl: Abb. 6 zeigt die an Hand von 36 MeBwerten ermittelte AH-Kurve ; Abb. 1 die sich hieraus ergebenden Molwarmen zwischen 200 und 400". ZahlenmaBig ergeben sich die in Tab. 5 zusammen- gestellten C,-Werte.

90-

80.

I0

20.

L ,

150 zoo 250 300 350 (90 r- Abb. 6. NaTl: Warmeinhalte zwischen 200" und 400°C

150 zoo 250 300 350 (90 r- Abb. 6. NaTl: Warmeinhalte zwischen 200" und 400°C

Tabelle 5 Molwarmen von NaTI

to c 1 200-245 1 250 1 260 1 270 1 280 290 1 300 1 303 1 I I I

53,l ~ 66,7 ~ 71,5 1 16,O ~ 17,4 i 17.9, i

I Es fellt zunachst auf, daB - weit unterhalb des Schmelzpunktes

beginnend - ein nichtlinearer Gang der Warmeinhalte vorliegt. Da

Page 13: Wärmeinhalte und Schmelzentropien von NaTl-Phasen

A. SCHNEIDER u. 0. HILMER, Warmeinhalte u. Schmelzentropien von NaT1-Phasen 109

von v. H E V E S Y ~ ~ ) fur Ionen- kristalle (2. B. Ag-Halogenide) 70- angestellten uberlegungen 60. sind wohl insoweit auch auf die Verhaltnisse bei NaT1- 50-

Phasen ubertragbar, daB im 40.

(Na+),-Teilgitter wegen der 30. besonders geringen Elek-

tronenaffinitat des ,,anioni- 10. schen" Partners eine hohe

m,,Gmdffd

Cppun

31) Vorschmelzen diirfte lediglich zu dem rund 3" unter dem NaTI-Schmelzpunkt beobachteten Steilanstieg fiihren. - NatriumiiberschuR von 0,l bis 0,3 At.-% andert - wie wir gepriift haben - an der Lage der MeRwerte praktisch nichts.

32) G. v. HEVESY, Z. physik. Chem. 101, 337 (1922); Z. Elektrochem. angew. physili. Chem. 34, 463 (1928); 39, 490 (1933).

33) W. JOST, Diffusion in Solids, Liquids, Gases, New York 1952, S. 95.

Page 14: Wärmeinhalte und Schmelzentropien von NaTl-Phasen

110 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 286. 1956

sich aber durch Bestimmung des Molvolumens als Funktion der Tem- peratur prufen lassen: d. h. mit steigender Temperatur mul3te ein Ruck- gang der Radienkontraktion, die sich gerade bei den NaTl-Phasen ein- deutig messen larjt, nachweisbar sein 34). Anders ausgedruckt wurde das heifien : die uber die Linearitat der AH-Kurve hinausgehende Energie- menge murj zur Gitterauflockerung (Erhohung der Fehlstellendicbte plus Radiennormalisierung) beim Erhitzen zugefuhrt werden, bzw. wird als ,,Iiompressionswarme" beim Abkuhlen wiedergewonnen. - Die Frage nach der Art der Fehlordnung (SCHOTTKY- oder FRENKEL-De- fekte) kiinnen wir aus unseren Versuchen nicht eindeutig entscheiden. Allerdings spricht sehr stark fur ein Uberwiegen von FRENKEL-Defekten die Tatsache der sehr guten Reproduzierbarkeit unserer MeGwerte, d. h. der offenbar sehr gut reversibel einstellbare Fehlordnungsgra,d35) der im Calorimeter abgekuhlten Proben. Mit hoher Wahrscheinlichkeit darf ma,n jedoch wohl annehmen, daG sich an der Ausbildung der F'ehl- stellen uberwiegend die Na-Partikeln beteiligen, wahrend die unter- einander fester gebundenen TI-Atome ( 2 3 % Radienverkurzung !) den Verlauf der AH-Kurve nur insofern mitbestimmen, als dem Effekt der Erhohung der Fehlstellendichte noch der einer thermischen Auflockerung der TI-T1- Bindung (d. h. damit auch einer Radiennormalisierung) uberlagert wird.

Zu einer weitergehenden Diskussion dieser und auch der folgenden Versuchsergebnisse 36) lassen sich die aus den AH-Kurven ergebenden Energiemengen noch in folgender Weise unterteilen: 1. Aus den expe- rimentell ermittelten Werten der Warmeinhalte ergibt sich fur die Schmelzwarme des NaTl: L, = 2,53 kcal/Mol ( = 1,27 kcal/g-At.). - 2. Im Sinn der obigen Deutung des nichtlinearen Verlaufs der AH-Kurve ka,nn man (vgl. Abb. 8a) einen zusatzlichen,Energiebetrag L' als ,,Ober- schuflenergie" definieren: (AH,,,,. - AHertr,)tf = L'. Im Fall des NaTl ergibt sich L' = 1,47 kcal/Mol (= 0,73 kcal/Grammatom). - 3. Entsprechend kann schliefilich neben der Schmelzent ropie AS, =

4,4 i 0 , l CI/Mol (= 2 , 2 Cl/Gramniatom) eine Uberschuljentropie AS'

31) Vgl. die nachfolgende Mitteilung von -4. SCHNEIDER u. G. HEYMER, Z. anorg. allg. Chem. 256, 118 (1956), in der dieser Nachweis tatsachlich erbracht wird.

35) Neben der Tatsache, da13 die Ausbildung von SCHOTTKY-Defekten mit Volumen- vergroflerung verbunden ist, kiinnen diese von FRENKEL-Defekten bekauntlich dadurch unterschieden werden, daB sie beim Abkuhlen wesentlich langsamer wieder verschwinden : tier Austausch von Gitterleerstellen nnd Zwischengitterpartikelu erfolgt ungleich rascher als die Einwanderung von A- und B-Partikeln auf die bei hoherenTemperaturen gebildeten Leerstellen.

______

36) A. SCHNEIDER u. G. HEYMER, Z. anorg. allg. Chem. 256, 118 (1956).

Page 15: Wärmeinhalte und Schmelzentropien von NaTl-Phasen

A. SCHNEIDER u. 0. HILMER, Warmeinhalte u. Schmelzentropien von NaT1-Phasen 111

definiert und (vgl. Abb. 8b) nach Tf

berechnet werden. Fur NaTl (tr = 305" C) ergibt sich AS' = 2,6 CI/Mol (= 1,3 Cl/Grammatom). Die Summe ( A S , + A S ' ) ergibt d a m als Gesamt-Entropieanderung AS,,,,, ein Ma13 fur die gesamte Anderung des Ordnungszustandes beim ubergang vom festen in den flussigen Zustand und wird zur Erklarung des eriergetischen Zustands der Phasen mit den Additivwerten der reinen Komponenten zu vergleichen sein.

TO Tf f b

Abb. 8. Zur Berechnung von L' und AS'

b) LiIn: Die sich aus den Warmeinhaltswerten (vgl. Abb. 9) er- gebenden Daten fur LiIn (tf = 630" C) sind:

L, = 6,lO 0,10 kcal/Mol L' = 0,31 kcal/Mol AS, = 6,75 & 0,lO Cl/Mol AS' = 0,32 Cl/Nol

A S , ( se s , ) = 7 , l & 0,l Cl/Mol.

Aus den vorliegenden Messungen lassen sich die Werte der Tab. 6 fur die Molwarmen des LiIn errechnen:

Prinzipiell liegen also bei LiIn offensichtlich analoge Verhaltnisse vor wie bei NaTI. Die ,,i_fberschuBenergie" L' besitzt allerdings einen charakteristisch wesentlich kleineren Wert 37). Auffallig ist auoerdem,

Der plotzliche Steilanstieg der AH-Werte zwischen etwa 620' und dem Schmelz- punkt (630") ist wahrscheinlich durch ein ,,Vorschmelzen" verursacht, fur das laut Zu- staudsdiagramm die Voraussetzungen gegeben sind und das infolgedessen bei der Er- mittlung von L, unberucksichtigt gelassen wurde.

Page 16: Wärmeinhalte und Schmelzentropien von NaTl-Phasen

112 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 286. 1956

15,O l 5 , O 17,6

12,8, 1 13,05 1 13,l

dal3 trotz stets gleicher Sorgfalt bei allen Einzelmessungen die oberhalb der Schmelztemperatur liegenden AH- Werte erheblich grol3ere Streu- ungen aufweisen. Ob diese Erscheinung mit einem hoheren Anteil an

21,9 ~ 26,O ' 3O,2

13,2, I 1&4, 1 13,7

Abb. 9. LiIn: Warmeinhalte zwischen 450" und 700" C

SCHOTTKY-Defekten im festen Zustand in Zusammenhang steht, kann nur vermutet, aber noch nicht entschieden werden.

c) LiGa: Die Warmeinhalte von LiGa (Abb. 10) steigen zwischen unseren MeDtemperaturen von 570 bis 700" gensu linear an. Zwischen

Tabelle 6 Molwarmen yon LiIn

to c

Cp (iest) cal/(Mol * Grad) Cp (iest) cal/(Mol . Grad)

cal/(Mol - Grad,

-

(I lUSSlg)

-

15,O 1 15,O & O X 1

12,4 ! 12,G5

Page 17: Wärmeinhalte und Schmelzentropien von NaTl-Phasen

4. SCHNEIDER u. 0. HILMER, Warmeinhalte u. Schmelzentropien von NaT1-Phasen 113

T O O " und der Schmelztemperatur erfolgt ein sehr rascher Anstieg, der zwanglos mit der Geraden des fliissigen Zustands zum Schnitt gebracht werden kann.

Die Ursache fur diese Erscheinung vermuten wir zunachst hauptsachlich in einer analytisch nachweisbaren und mengenmaBig zeitabhangigen Eisenaufnahme der LiGa- Schmelze aus dem Tiegelmaterial : maximal 3,5 Atom-%. Tnw; eweit zusatzlich Besonder- heiten des Zustandsdiagramms Li-Ga (peritektisches Schmelzen des LiGa oder ahnlichen) fur den beobachteten Effekt verantwortlich sind, kann wegen des zur Zeit noch unbe- kannten Diagramms nicht entschieden werden.

h

550 600 65a 738 ?SO 8M 3c- Abb. 10. LiGa: Warmeinhalte zwischen 550' und 850" C

Aus diesen Grunden ist es nicht moglich, C,, (,,,,,-Werte oberhalb 700" anzugeben. Hinsichtlich der Schmelzwarme ist so auch nur ein Gesamtwert L, (aes,) zu ermitteln:

Lf (ges.) = ('Hftiissig - 'Hextrapod tf '

Die Gesamtentropieanderung la fit sich naherungsweise richtig durch .den Quotienten L, (ges,)/Tr bestimmen 38).

38) Wegen der Unbestimmtheit der Molwarmen ist die UberschuBentropie AS' zwar nicht nach 11, B, a zu ermitteln. Eine Durchrechnung fur die Falle NaTi bzw. LiIn

,ergibt jedoch, daB die Quotientenbildung L, (ges.)/Tf annahernd das gleiche Resultat liefert wie die Berechnung von A S f (ges.).

8. anorg. nllg. Chemie. Rd. 286. 8

Page 18: Wärmeinhalte und Schmelzentropien von NaTl-Phasen

114 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 286. 1956

Insgesamt erscheinen uns folgende Werte fur innerhalb der Fehler- grenzen gesichert : C, (rest) 550-700": 1 2 3 41 1,5 cal/(Mol . Grad) L, (ges,) = 8,O 0,2 kcal/Mol C, (rl~ssis) 760-820": 9,l 4I 1,5 cal/(Mol . Grad) AS, (ges.) = 7,7 i 0,2 CI!IvIol c,, (rest) 550-700": 12,75 cal/(Mol . Grad) t, * 760OC.

I 250 m I50 &OD k50 OC -

Abb. 11. NaIn: Wirmeinhalte zwischen 250" und 450°C

Abb. 12. LiCd: Warmeinhalte zwischen 400" und 650' C

d) Nab: Wie die AH-Kurve von NaIn (Abb. 11) eindeutig erweist, schmilzt die Phase offenbar unter Zersetzung. Der Kurvenverlauf la& sich mit hoher Sicherheit in dem Sinn deuten, dal3 NaIn sich bei etwa 353" peritektisch in eine andere Phase und Schmelze umsetzt. Das wiirde aber bcdeuten, dalj die Proben beim Abschrecken zwischen

Page 19: Wärmeinhalte und Schmelzentropien von NaTl-Phasen

A. SCHNEIDER u. 0. HILMER, Warmeinhalte u. Schmelzentropien von NaT1-Phasen 1%

-

Umwandlung in eine Hoch- temperatur-Modifikation :

440 und 353" alle temperaturabhangigen Gleichgewichte durchlaufen und beim Erstarren keine im Gleichgewicht befindliche, reine NaIn-Phase entsteht. Unter diesen Bedingungen erscheint uns eine Auswertung der AH-Kurve nicht moglich zu sein.

e) LiCd: Diese Phase stellt neben LiZn unter den NaT1-Phasen bekanntlich insofern einen Sonderfall dar, als - nach der Deutung der Struktur durch ZINTL - dem ,,anionischen" Partner zum Aufbau dessen

I

Diamant -Teilgit ters 1 Elek- tron fehlt, das dem d-Niveau des Cadmiums entnommen wird. Der darnach zu er- 251 war tende Paramagne tismus ist allerdings nach KLEMM~~) nicht nachweisbar, so da13 die Frage nach dem Wesen der NaTl-Struktur neu ge- stellt erscheint40). - Auch die AH-Kurve des LiCd ,sI zeigt eine bei den ubrigen NaT1-Phasen nicht beob- achtete Besonderheit (Abb. l a ) , fur deren Deutung dieTemperaturabhangigkeit der Molwarmen (Abb. 13) eine erste Vermutung nahe- legt. Ausgeschlossen werden 51

kann das Vorliegen einer

ZOL

701

1

39) W. KLEMM, Angew. Chem. 67, 164 (1955). 40) Auch die oft zitierte rote Farbung des LiCd scheint nach unsereu Beobachtungen

41) Vgl. die folgende Mitteilung von A. SCHNEIDER u. G. HEYMER, 2. anorg. allg. noch nicht als eine spezifische Eigenschaft dieser Phase vollig gesichert zu sein.

Chem. 286, 118 (1956). 9*

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116 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 286. 1956

,,Umwandlungsentropie" maximal 2,s Cl/Mol betragen. Wir beobachten jedoch weit auGerhalb der Fehlermoglichkeiten einen wesentiich hoheren Wert von etwa 7,8 Cl/Mol. (zur Berechnung vgl. uriten!). - Insbesondere der Verlauf der Molwarmen lafit jedoch - unter prinzipieller Aufrecht- erhaltung der Hypothese von ZINTL - an das Vorliegen von Antiferro- magnetismus denken : im [Cd-1,-Teilgitter konnten durch ungepaart,e Elektronen des 4d-Niveaus Atombindungen unter Antiparallelstellung der Spinmomente ausgebildet werden 42). Erst genaue magnetische Messungen - zwischen Zimmertemperatur und Schmelzpunkt - konnen eine Klarung dieser Hypothese bringen. - Deutet man unter diesem Vorbehalt die C,-Kurve im Sinne einer ,,antiferromagnetischen CURIE-Temperatur'' um 530" (d. h. Aufbrechen der Atombindung und Aufhebung der Antiparallelstellung der Spinmomente), so ergibt sich damit wenigstens die Moglichkeit einer angenaherten Abschatzung der von uns gesuchten thermochemischen BenngroGen.

DaB die in der Warmeinhaltskurve sich ergebenden Werte fur den festen Zustand in der Nahe des Schmelzpunktes groBer als im flussigen Zustand dicht oberhalb des Schmelzpunktes sind, ist sicher nicht reell: dieses Ergebnis kommt wohl nur so zustande, daB sich beim Abschrecken der Schmelze keine vergleichbaren Zustande einstellen, weil bei der raschen Akbuhlung keine vollstandig reversible Einstellung des ,,Ordnungszu- standes" unterhalb der ,,antiferromagnetischen CURIE-Teniperatur" moglich ist. Fur diese Annahme sprechen auch die bei unseren Messungen vergleichsweise groBen Streu- ungen der MeBwerte oberhalb des Schmelzpunktes.

Eine Extrapolation der Warmeinhaltskurve auf 20" ergibt, daB C, zwischen 20 und 200" konstant ist (12,5 cal/Mol). Auf Schmelz- temperatur (tf = 549" C) bezogen ergibt sich (vgl. Abb. 12) -. unter der Annahme eines linearen Anstiegs von AH bis zum Schmelzpunkt - eine ,,Umwandlungswarme"

Lu = (AHfest - AHextrapol.)tf = 5,4 f 0,3 kcal/Mol. Die , , UmwandIungsen tropie"

haben wir graphisch ermittelt: A S , = i , 8 & 0,4 Cl/Mol. Diese Werte enthalten aber Anteile von UberschuGenergie L bzw. -entropie AS' , die nicht eindeutig angebbar sind. ___-

42) Es w urden demnach hier nicht wie bei gewissen Chalkogenverbindungen der ubergangselemente [Systeme Cr-S; Fe-S; vgl. Lit. bei W. KLEMM, Z. Elektrochem. angew. physik Chem. 45, 591 (1939)J Atombindungen zwischen den Kationen, sondern umgekehrt im Anionenteilgitter - wegen des hier vorliegenden teilweisen Eingriffs in die d-Schale des Cadmiums - anzunehmen sein; vgl. auch W. KLEMM, Naturwiss. 37, 150, 172 (1950).

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A. SCHNEIDER u. 0. HILMER, Warmeinhalte u. Schmelzentropien yon NaT1-Phasen 117

LiZn: Diese ebenfalls im NaT1-Gitter kristallisierende Phase erstarrt nicht als sin- gulare Kristallart43). Ihre Untersuchung war deshalb nach vorliegender Methode nicht moglich.

LiAI: Auch diese Phase konnte nicht untersucht werden, da sie unter Zersetzung und Zerfall in eine Li- bzw. Al-reiche Phase ~ c h m i l z t ~ ~ ) .

Eine zusammenfassende Besprechung der vorliegenden Versuchs- ergebnisse erfolgt gemeinsam mit den in der nachstehenden M i t t e i l ~ n g ~ ~ ) gegebenen Befunden uber die Temperaturabhangigkeit der Molvolumina von NaT1-Phasen im festen und fliissigen Zustand.

Der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Fonds der Chemie danken wir sehr fur die uns gewahrte Unterstutzung.

43) G. GRUBE u. H. VOSSKUHLER, Z. anorg. allg. Chem. 815, 211 (1933). **) G. GRUBE, L. MOHR, W. BREUNING, Z. Elektrochem. angew. physik. Chem. 41.

45) A. SCHNEIDER u. G. HEYMER, z. anorg. allg. Chem. 886, 118 (1956). 880 (1935).

GGttingcn, Anorganisch-chemisches Institut der Universitat.

Bei der Redaktion eingegangen am 18. Oktober 1955.