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1 WIRKSTOFFKOMBINATIONEN qualitative und monetäre Herausforderungen Ein aktueller Diskussionsbeitrag mit konkreten Lösungsansätzen Januar 2016 Autoren (alphabetisch) Dr. Jürgen Bausch Dr. Johannes Bruns Wolfgang Kaesbach Peter Schmidt Prof. Dr. Volker Ulrich Prof. Dr. Jürgen Wasem Version 1.0

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WIRKSTOFFKOMBINATIONEN

qualitative und monetäre Herausforderungen

Ein aktueller Diskussionsbeitrag mit konkreten Lösungsansätzen

Januar 2016

Autoren (alphabetisch) Dr. Jürgen Bausch Dr. Johannes Bruns Wolfgang Kaesbach Peter Schmidt Prof. Dr. Volker Ulrich Prof. Dr. Jürgen Wasem

Version 1.0

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Inhalt

Zusammenfassung ................................................................................... 3

Glossar ..................................................................................................... 4

I. Ausgangslage ...................................................................................... 5

II. Lösungsansätze ................................................................................... 7

III.Reduktion des Budget-Impact von Kombinationstherapien ................. 11

IV. Datengrundlagen zur Umsetzung flexibler Vertragsmodelle ............... 18

V. Datenverfügbarkeit und Datenschutz ................................................. 20

VI. Handlungsempfehlungen für die Politik .............................................. 21

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Zusammenfassung

Zur Lösung der meisten Patientenprobleme bedienen sich die Ärzte seit

Hippokrates der Möglichkeit, unterschiedliche Wirkprinzipien miteinander

zu kombinieren.

In den zurückliegenden Jahren haben sowohl der Trend,

Fixkombinationen bis zur Zulassungsreife zu entwickeln, als auch freie

Kombinationen unterschiedlich wirkender Arzneimittel in breitem Umfang

einzusetzen, ganz erheblich zugenommen. Vornehmlich in der Onkologie.

Dieser unumkehrbare Trend in der Medizin führt nicht zwangsläufig und in

jedem Fall zu einem verbesserten Therapieergebnis. Und hat immer zur

Folge, dass sich die Behandlungen erheblich verteuern (add on!).

Im vorliegenden Diskussionspapier wird eine aktuelle Situationsanalyse

vorgenommen und es werden konkrete Vorschläge präsentiert, wie man

unter Fortentwicklung der gesetzlichen Vorgaben durch geringe

Änderungen im SGB V die Problematik einer Lösung näherbringen kann.

Ganz verkürzt dargestellt geht es darum, die Versorgungsqualität mit

freien, nicht explizit zugelassenen Kombinationsbehandlungen zu

verbessern und den Kostenauftrieb im Kombinationsfall durch

nachgelagerte Rabatte der Hersteller an die Krankenkassen

einzubremsen, ohne das Ergebnis der Erstattungspreisverhandlung für

die Monotherapie gemäß AMNOG zu tangieren.

Der ohnehin bereits jetzt bestehende große politische Handlungsbedarf

insbesondere in der Onkologie dürfte sich in den nächsten Jahren noch

deutlich verschärfen, wenn die Krebsimmuntherapeutika weitere

Fortschritte präsentieren werden. Da dieses Wirkprinzip in der Regel

zusätzlich zu laufenden Behandlungen kombiniert werden wird.

Die Autoren dieses Diskussionspapiers erwarten in Fachkreisen einen

lebhaften Diskurs. Konstruktive Vorschläge zur Weiterentwicklung sind

ausdrücklich erwünscht.

Korrespondenzadresse:

Dr. Jürgen Bausch, Eichgrabenstraße 17, 63628 Bad Soden-Salmünster

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Glossar

Fixe Kombination Im Kontext dieses Papiers bedeutet „fixe Kombination“ die per Zulassung erforderliche Kombination zweier Wirkstoffe (um die Wirkung zu erreichen) und nicht die Kombination zweier Wirkstoffe in einer Tablette

Freie Kombination

Im Kontext dieses Papiers bedeutet „freie Kombination“ die Kombination zweier Arzneimittel, die jeweils für die gleiche Indikation zugelassen sind, aber die Kombination bzw. gleichzeitige Anwendung in keiner der beiden Zulassungen ausdrücklich vorgesehen ist, sondern aus individuellen Erwägungen heraus eingesetzt wird (z.B. synergistischer Wirkmechanismus) Mindestens ein Arzneimittel der freien Kombination muss nach § 35a bewertet sein und für einbezogene Bestandsmarktprodukte muss noch Unterlagenschutz bestehen.

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I. Ausgangslage

1. Die Versicherten sollen auch weiterhin allein nach ihrem

objektiven Bedarf Zugang zu den Versorgungsleistungen der

Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) haben, die für die

Behandlung ihrer jeweiligen Erkrankung medizinisch notwendig

und zweckmäßig sind. Das schließt auch sehr teure Leistungen

ein. Allerdings darf das Solidarsystem nicht überfordert werden

und muss bezahlbar bleiben. Nutzen und Kosten müssen in

einem angemessenen Verhältnis stehen.

Die Versorgung der Patienten mit teuren Spezialprodukten, wie zum

Beispiel den Biopharmazeutika, erfordert einen stetig wachsenden Anteil

der GKV-Arzneimittelausgaben. Inzwischen entfällt bereits ein Drittel der

Ausgaben auf nur fünf Prozent der Verordnungen. Nach derzeitigem

Stand wird dieser Kostendruck in absehbarer Zeit weiter deutlich

zunehmen, denn die Entwicklungspipeline der forschenden Industrie ist

mit rund 600 Biopharmazeutika prall gefüllt. Allein die darin steckende

Ausgabendynamik wird die GKV vor große Herausforderungen stellen.

Mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) wurde ein

Paradigmenwechsel in der Versorgung der Patienten mit neuen

patentgeschützten Arzneimitteln eingeleitet. Primäres Ziel des AMNOG

ist, endlich das Prinzip durchzusetzen, dass der „Preis dem Nutzen folgt“.

Der Intention des Gesetzgebers folgend sollen den Versicherten im

Krankheitsfall die „besten und wirksamsten Arzneimittel zur Verfügung

stehen“, müssen die Arzneimittelpreise und -verordnungen „wirtschaftlich

und kosteneffizient sein“ und werden „verlässliche Rahmenbedingungen

für Innovationen, die Versorgung der Versicherten und die Sicherung von

Arbeitsplätzen“ geschaffen (Deutscher Bundestag 2010). Somit ist das

AMNOG kein reines Kostendämpfungsgesetz, sondern es verfolgt

gleichermaßen industrie- und sozialpolitische Belange.

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2. Wirkstoffkombinationen mit im Vergleich zur Monotherapie

besseren therapeutischen Ergebnissen führen absehbar zu

Finanzierungsproblemen.

Zunehmend sind unter anderem in der Onkologie neue Wirkstoffe mit

unterschiedlichen Angriffspunkten besser wirksam als etablierte

Standardtherapien. Gestiegene Überlebenszeiten zu vergleichsweise

vertretbarer Lebensqualität sind beispielhaft ein Merkmal dieser

Entwicklung. Die „Onkologie wird zunehmend chronisch“, neue Wirkstoffe

werden regelhaft ergänzend und selten ersetzend eingesetzt. Der Trend

zu Kombinationsschemata zeigt sich aktuell noch ausgeprägter in der

Hepatitis C-Behandlung.

Nach Angaben des Datendienstleisters IMS Health hat sich der Umsatz

zielgerichteter Therapien in den letzten fünf Jahren verdoppelt. Die

Immunonkologie trägt seit dem zweiten Halbjahr 2015, mit derzeit nur

zwei zugelassenen Indikationen, zu einem exponentiellen Wachstum bei.

Eine entsprechende Quantifizierung wird im 2. Quartal 2016 nachgereicht.

Allein für die Stoffklasse der PD-1 und PD-L1 Antikörper listet die

Studiendatenbank clinicaltrials.gov so genannte Kombinations-Studien in

mehr als 20 onkologischen Indikationen.

Das AMNOG garantiert neuen Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen eine

freie Preisbildung im ersten Jahr nach Markteinführung. Bei den

Verhandlungen über den Erstattungsbetrag liegen die

Einsatzmöglichkeiten von Einzelsubstanzen in der Kombitherapie noch in

der Ferne oder sind nicht bekannt. Sind Arzneimittel in der Monotherapie

zugelassen und zur Anwendung in Kombination nicht ausdrücklich

ausgeschlossen, bedeutet die freie Kombination von Einzelwirkstoffen

faktisch eine Indikationserweiterung mit entsprechender Marktausweitung,

ohne dass es dafür einer Neuzulassung mit nachfolgender

Preisverhandlung bedarf. Werden also Einzelwirkstoffe in Kombination

eingesetzt, addieren sich deren Kosten, inzwischen oftmals zu

sechsstelliger Größenordnung je Patient. Die Ausgaben für

Krebstherapeutika steigen regelhaft mit deutlich zweistelligen

Wachstumsraten.

Vereinfacht ausgedrückt müssen Verfahrensregelungen getroffen werden,

die der Monotherapie weiterhin den verhandelten Preis 1,0 garantieren,

der Kombination von Einzelwirkstoffen aber zum Beispiel nur den Faktor

1,5 zubilligen.

Sequentielle Therapien, bei denen sich die Kosten der Monotherapie

ebenfalls addieren, sind allein vor dem Hintergrund nicht Gegenstand

dieses Papiers, weil diese im Gegensatz zu Kombinationstherapien in

GKV-Routinedaten nicht rechtssicher detektiert werden können.

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3. Die Rahmenbedingungen zur Findung eines Zusatznutzen-

orientierten Erstattungsbetrags müssen flexibler gestaltet

werden.

Die bei Kombinationstherapien beschriebene Problematik stellt sich auch,

wenn zum Beispiel Zulassungserweiterungen mit neuen Dosierungen und

Packungsgrößen, aber unverändertem Warenzeichen einhergehen. So ist

der Wirkstoff Ipilimumab zur Behandlung des Melanoms mit 3mg/kg

Körpergewicht zugelassen und zu einem vereinbarten Erstattungsbetrag

von rund 80 Tsd. EUR Jahrestherapiekosten erhältlich. Die Anwendung

beim nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom wird derzeit mit 10 mg/kg

Körpergewicht klinisch geprüft, was zu Jahrestherapiekosten von 270

Tsd. EUR führen würde.

Nach AMNOG kann aber derzeit für jedes Fertigarzneimittel nur ein

Erstattungsbetrag vereinbart oder durch die Schiedsstelle festgesetzt

werden, der die Bandbreite aller zugelassenen Indikationen abdeckt.

Damit stößt die so genannte Mischpreislogik an ihre Grenzen, weil der

Kostenunterschied zwischen erster und zweiter Indikation nicht

sachgerecht wäre. Eine mögliche Problemlösung, nämlich eine neue

Indikation auch mit einem neuen Warenzeichen in Verkehr zu bringen,

scheitert in den meisten Fällen an Vorgaben der europäischen

Zulassungsbehörde EMA oder der EU-Kommission.

II. Lösungsansätze 1. Vorbemerkungen

Auch für freie Kombinationsbehandlungen muss ein verbesserter

patientenrelevanter Nutzen belegt werden:

Die Chemotherapie wird gegenwärtig bereits in relevantem Ausmaß als

Zwei- oder Dreifachkombination durchgeführt. Die medizinische Rationale

für derartige Entscheidungen sind unter anderem unterschiedliche

Angriffspunkte an der Krebszelle sowie die Vermeidung von

Resistenzbildungen. Als Begründung werden Fallberichte, erste

Erkenntnisse aus Studien, Kongressberichte sowie

Therapieentscheidungen in zertifizierten Zentren angeführt, auch wenn

belastbare Evidenz für diese Kombinationen häufig noch nicht vorliegt.

Daher ist ein strukturiertes Verfahren erforderlich, um den insbesondere in

der Onkologie dringend notwendigen Erkenntnisgewinn zu generieren.

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Zunächst sollte die Indikationsstellung für eine freie, in der Zulassung

nicht ausgeschlossene, aber in Studien nicht geprüfte

Kombinationstherapie vornehmlich durch ein Tumorboard oder im

Zweitmeinungsverfahren getroffen werden. Die Therapie ist unter

kontrollierten Bedingungen durchzuführen, Verläufe sind lückenlos an

klinische Krebsregister zu melden und dort die Behandlungsergebnisse zu

evaluieren. Nur so können freie Kombinationstherapien als wirtschaftlich

anerkannt werden.

Zur Problemlösung sind neue Ansätze erforderlich:

Da die Einzelkomponenten einer Kombinationstherapie entweder zu

Erstattungsbeträgen nach AMNOG oder bei einer Zulassung vor 2011 zu

von den pharmazeutischen Unternehmern freibestimmten Preisen

erstattet werden, addieren sich die Kosten bei kombinierter Anwendung

formal korrekt zu einer hohen Ausgabenbelastung pro Patient und auch

zu einem hohen Budget-Impact für das GKV-System.

Die bisher im SGB V normierten Instrumente sind nicht geeignet, den

Ausgabenanstieg bei Kombinationstherapien zu bremsen und die

Kostenbelastung zu begrenzen. Die derzeit im Rahmen des § 130b

möglichen Vertragsmodelle sind für viele Fallgestaltungen, wie zum

Beispiel fixe und freie Kombinationen oder erteilte Zulassungen, die nicht

der Studienpopulation entsprechen, zu wenig flexibel.

Das AMNOG soll als „lernendes System“ durch wenige neue Instrumente

ergänzt werden, die aufwandsarm sachgerechtere Lösungen

ermöglichen.

2. Einfache Lösungen

Erhöhte Herstellerabschläge nach § 130a lösen das Problem nicht, weil

pharmazeutische Unternehmer diese bei neuen Produkten vorab

einpreisen, im Bestandsmarkt auch Arzneimittel, die die Erhöhung des

Budget-Impact durch Kombinationstherapien nicht verantworten,

gleichermaßen belasten und kleine mittelständische Unternehmer

gegenüber globalen Konzernen tendenziell benachteiligt werden.

Flächendeckende Verträge nach § 130c sind insoweit ungeeignet, als

diese erstens den guten Willen aller betroffenen Hersteller voraussetzen

und zweitens zu viel Zeit beanspruchen, bis mit hohem

Verwaltungsaufwand für mehr als 100 Kassen Verträge geschlossen sind.

Auch eignet sich die Onkologie nicht für den Krankenkassenwettbewerb.

Zudem kann auf bilateral vereinbarte, zusätzliche Rabatte nach § 130c in

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Neuverhandlungen über Erstattungsbeträge nach § 130b nicht

referenziert werden.

Ohnehin lässt sich das Problem des Budget-Impact derzeit nicht

zufriedenstellend lösen, denn bei Überschreitung vorab festgelegter

Mengen ist derzeit allenfalls eine Kündigung der

Erstattungsbetragsvereinbarung möglich. Insofern bedarf es einer

erweiterten Datenverfügbarkeit, um zum Beispiel Staffeln auf Grundlage

verordneter Packungen oder therapierter Patienten zu verhandeln. So

könnte in Abhängigkeit des Erreichungsgrades der Erstattungsbetrag

bereits während der Laufzeit einer Vereinbarung floaten, entweder als

Änderung des Listenpreises oder als nachträgliche Rückerstattung

vertraulich vereinbarter Rabatte. Ebenso wären Kopfpauschalen auf

Ebene von Packungen, Umsatz oder gar Patientenzahlen abrechenbar,

um für Krankenkassen das Risiko unterschiedlicher Therapiedauern zu

minimieren. Beispielsweise kann Sovaldi® je nach Kombinationspartner

und Genotyp über 12 bis 48 Wochen bei extrem unterschiedlichen

Therapiekosten gegeben werden.

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3. Optimale Lösung

Eine optimale, allen Anforderungen und Bedürfnissen gleichermaßen

gerecht werdende Lösung wird es nicht geben. Ein vertretbarer

Kompromiss sollte:

das Evidenzerfordernis angemessen berücksichtigen und nicht

ausschließlich finanzbasiert sein,

das AMNOG und insbesondere den Erstattungsbetrag nach §

130b als Bezugspreis für die Preisreferenzierung sowie weitere

Steuerungsinstrumente nicht antasten sondern sachgerecht

weiterentwickeln,

den Verhandlungsrahmen für Vereinbarungen über den

Erstattungsbetrag erweitern, um neben einem Rabatt für

Kombinationstherapien beispielsweise weitere vertrauliche

Rabatte bei Überschreitung von Preis-Volumen-Vereinbarungen

oder für Subgruppen ohne Zusatznutzen abschließen oder

Kombinationstherapien sogar über Kopfpauschalen erstatten zu

können,

von verschiedenen pharmazeutischen Unternehmern angebotene

Kombinationspartner als auch Kombinationen aus Arzneimitteln

des Bestandsmarktes mit neuen, nach AMNOG bewerteten

Arzneimitteln einbeziehen,

eine faire Verteilung der Rabatte auf die jeweiligen Anbieter der

Kombinationstherapie vorsehen

und aufwandsarm auf Routinedaten umsetzbar sowie zur

Konfliktlösung schiedsamtsfähig sein,

um letztlich den Budget-Impact von Kombinationstherapien

wirksam zu begrenzen.

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III. Reduktion des Budget-Impact von Kombinationstherapien

Weiterhin wird wie bisher für jedes neue ab 2011 eingeführte Arzneimittel

ein transparenter Erstattungsbetrag nach § 130b für die Anwendung in

der Monotherapie vereinbart oder durch die Schiedsstelle festgesetzt.

Auch für neu zugelassene fixe Kombinationen bleibt das AMNOG-

Verfahren zunächst unverändert, es wird lediglich der

Verhandlungsrahmen erweitert.

Freie Kombinationen, die ausdrücklich weder zugelassen noch

ausgeschlossen sind, werden überwiegend ohne hinreichende Evidenz

angewendet. Ihre Behandlungsverläufe werden systematisch nicht erfasst

und Behandlungsergebnisse bleiben regelhaft unbekannt. Allerdings ist

der mit freien Kombinationen einhergehende Kostenzuwachs erheblich.

Krankenkassen könnten derartige Therapien zwar im Wege der

Einzelfallprüfung sanktionieren, was jedoch insbesondere in der

Onkologie nicht opportun erscheint.

Läge für freie Kombinationen eine explizite Zulassung vor, schlösse sich

regelhaft eine frühe Nutzenbewertung nach § 35a an.. Erfahrungsgemäß

finanzieren pharmazeutische Unternehmer aber nur ausnahmsweise die

notwendigen Studien mit dem Ziel einer Indikationserweiterung. Als

Begründung wird oft eine zu kurze Restlaufzeit auf das Wirkstoffpatent

angegeben. Nutzenbelege für Kombinationstherapien können sich auch

aus klinischer Evidenz oder nicht kommerziellen Studien, so genannte

Investigator Initiated Trials, ergeben. Allerdings ist der Zeitbedarf dafür so

erheblich, dass das GKV-System vor der Verordnungsrealität kapituliert

und Kombinationstherapien erstattet

Um dem Qualitätsaspekt und der Wirtschaftlichkeit als den beiden Säulen

des Regelungsvorschlages gleichermaßen Rechnung zu tragen, bietet

sich ein zweistufiges Verfahren an:

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1. Erste Stufe: Qualitätssicherung

Freie Kombinationen sind und bleiben grundsätzlich verordnungsfähig,

ausgenommen die Anwendung ist in mindestens einer Fachinformation

der Kombinationspartner im Abschnitt 4.3 „Gegenanzeigen“

ausgeschlossen. Die Abschnitte 4.4 „Besondere Warnhinweise und

Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung“ sowie 4.5 „Wechselwirkungen

mit anderen Arzneimitteln und sonstige Wechselwirkungen“ sind nicht als

Verordnungsausschluss, sondern als patientenindividuell zu

berücksichtigende Hinweise an den Arzt zu verstehen.

Freie Kombinationstherapien mit zweifelhafter Zweckmäßigkeit werden in

einem Therapiehinweis des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA)

nach § 92 Absatz 2 Satz 7 zusammengefasst. Ziel ist, dem Arzt eine

therapiegerechte Verordnungsentscheidung zu ermöglichen. Freie

Kombinationstherapien mit zweifelhafter Zweckmäßigkeit wären

ausweislich publizierter Literatur zum Beispiel beim kolorektalen Karzinom

das Hinzufügen eines EGFR-Antikörpers (Cetuximab) zu einer

Kombination aus Chemotherapie (Capecitabin und Oxaliplatin) und einem

VEGF-Antikörper (Bevacizumab) oder beim Leberzellkarzinom die

Kombination von Sorafenib mit Everolimus. Die in dem Therapiehinweis

genannten Kombinationstherapien sind in der Regel unwirtschaftlich, als

keine Rabatte vereinbart oder festgesetzt werden.

Vorgeschlagene Regelung: § 92 wird wie folgt geändert:

In Absatz 2 wird nach Satz 8 folgender Satz eingefügt:

„9In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 kann auch ein

Therapiehinweis zu Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen nach §

35a gegeben werden, die in freier Kombination zur Behandlung

derselben Krankheit verordnet werden, für die die jeweiligen

Partner der Kombinationstherapie zugelassen sind;

Kombinationspartner können auch bis zum 31.12.2010 in Verkehr

gebrachte patentgeschützte Arzneimittel sein; Satz 4 Nr. 3 gilt

entsprechend.“

Die bisherigen Sätze 9 bis 12 werden Sätze 10 bis 13.

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Neben dem Therapiehinweis zu freien Kombinationen mit zweifelhaftem

Nutzen wird der G-BA ermächtigt, im Beschluss über die

Nutzenbewertung nach § 35a Absatz 4 auch Auflagen zur

Qualitätssicherung festzulegen, um regelhaft zusätzliche Evidenz zu

generieren. Auflagen können beispielsweise in einer verpflichtenden,

lückenlosen elektronischen (Verlaufs-)Meldung der Ärzte an die klinischen

Krebsregister, oder zur Sicherung von Prozess-, Struktur- und

Ergebnisqualität in der Beschränkung des Einsatzes auf bestimmte

Zentren und gegebenenfalls mit diesen assoziierte niedergelassene Ärzte

beziehungsweise in der Durchführung begleitender Investigator Initiated

Trials bestehen. Vergleichbare Regelungen hat der Gesetzgeber in § 137

getroffen.

Die Zuweisung an den G-BA ist erforderlich, da Maßnahmen zur

Qualitätssicherung nicht im Sinne von § 130b Abs. 1 Satz 5 zu verstehen

sind und als Anforderungen an die Zweckmäßigkeit, Qualität und

Wirtschaftlichkeit einer Verordnung vereinbart werden könnten. Zudem

wäre die Schiedsstelle für eine Qualitätsdiskussion nicht ausgerichtet.

Im Übrigen sind erweiterte Qualitätsanforderungen an Verordnungen

freier Kombinationen im Bereich der Europäischen Union bereits

eingeführt. Beispielsweise entscheidet im Vereinigten Königreich anstelle

des Arztes eine so genannte Clinical Commissioning Group und Italien

fordert begleitende Register als Voraussetzung für die Verordnung.

Vorgeschlagene Regelung: § 35a wird wie folgt geändert:

In Absatz 3 wird nach Satz 4 folgender Satz eingefügt:

5Der Beschluss soll auch Anforderungen zur Verbesserung der

Qualität der Versorgung enthalten.

Die bisherigen Sätze 5 und 6 werden Sätze 6 und 7.

Ärzte, die Therapiehinweise negieren oder Qualitätskriterien nicht erfüllen,

setzen sich einem höheren Risiko der Wirtschaftlichkeitsprüfung aus.

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Der G-BA soll zukünftig aus den Daten der klinischen Krebsregistrierung

ableiten, ob eine Therapie in freier Kombination sinnvoll ist. Deshalb wird

als wichtigste Anforderung zur Verbesserung der Qualität der Versorgung

eine national einheitliche und lückenlose Meldung an die Register

gesehen, um perspektivisch Evidenz zum Nutzen nicht nur freier

Kombinationen sondern auch sequentieller Therapien zu generieren.

Dazu ist § 65c entsprechend zu konkretisieren.

Das Krebsfrüherkennungs- und Registergesetz hat noch nicht zu für die

klinische Krebsregistrierung in Deutschland ausreichend einheitlichen und

zukunftsfähigen Strukturen geführt. So scheitert die (Verlaufs)Meldung

der Ärzte an der fehlenden Standardisierung der Umsetzung des

Meldeprozesses in die Praxisverwaltungssysteme wie auch an den

notwendigen Standards des Datenaustausches zwischen den Registern.

Die Zusammenarbeit des G-BA mit einer Vielzahl von mit

unterschiedlichen Softwaresystemen arbeitenden klinischen

Krebsregistern auf Landesebene nach § 65c Absatz 7 ist nicht umsetzbar.

Eine regelhafte Zusammenführung regionaler Daten bei einer

Register(daten)-Kopfstelle auf Bundesebene für die Aufgabenerfüllung

des G-BA sowie der Institute für Qualität und Wirtschaftlichkeit (IQWiG)

und Qualitätssicherung und Transparenz (IQTIG) im Gesundheitswesen

ist derzeit nicht vorgesehen.

Dass Meldequoten zu fast 100 Prozent möglich sind, beweist die mit

finanziellen Sanktionen ausgestattete externe Qualitätssicherung im

Krankenhaus: „Für nicht dokumentierte aber dokumentationspflichtige

Datensätze sind vom Krankenhaus Qualitätssicherungsabschläge nach §

8 Absatz 4 KHEntgG i.V.m. § 137 Absatz 1 Satz 2 SGB V zu zahlen.“. Um

auch im ambulanten Bereich entsprechende Meldequoten bei der

regionalen Krebsregistrierung zu erreichen, wäre § 24 der Richtlinie des

G-BA über Maßnahmen der Qualitätssicherung im Krankenhaus die

geeignete Blaupause. Allein schon eine Empfehlung des Gemeinsamen

Bundesausschusses hat dazu geführt, dass inzwischen über 90% aller

Mammakarzinome in zertifizierten Brustzentren behandelt werden.

2. Zweite Stufe: Erstattungsbetrag

Pharmazeutische Unternehmer verhandeln zukünftig mit dem GKV-

Spitzenverband einen Rabatt auf den Erstattungsbetrag nach § 130b für

die Fälle, in denen ihre Arzneimittel im Rahmen einer

Kombinationstherapie verordnet werden. Dabei wird unterstellt, dass die

pharmazeutischen Unternehmer eine vertragliche Verhandlungslösung

einer gesetzlichen Abschlagsregelung vorziehen.

Aufgrund der Einheitlichkeit des Erstattungsbetrages auf Ebene des durch

die Pharmazentralnummer identifizierbaren Fertigarzneimittels kann ein

Kombinationsrabatt den transparenten Erstattungsbetrag für die

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Anwendung in Monotherapie nicht ersetzen. Es handelt sich also um

einen vertraulichen, allen gesetzlichen Krankenkassen zustehenden

Rabatt, der über das bewährte Verfahren der Rückerstattung nach § 130a

abgerechnet wird.

Fixe wie freie Kombinationstherapien sind gemeinsam durch dieselben

beispielhaften Fallkonstellationen gekennzeichnet:

Kombinationspartner nach 2011 zugelassen

→ derselbe pharmazeutische Unternehmer

fixe Kombination Dabrafenib + Trametinib

freie Kombination Pertuzumab+ Trastuzumab-Emtansin

→ unterschiedliche pharmazeutische Unternehmer

fixe Kombination Crizotinib + Ceritinib

freie Kombination Anti-PD1 + Vemurafenib

Kombination aus AMNOG- und Bestandsmarkt

→ derselbe pharmazeutische Unternehmer

fixe Kombination z.B. Pertuzumab + Trastuzumab

freie Kombination derzeit nicht bekannt

→ unterschiedliche pharmazeutische Unternehmer

fixe Kombination z.B. Lenalidomid + Pembrolizumab

freie Kombination z.B. Trastuzumab + Anti-PD1

Die Erstreckung auf den patentgeschützten Bestandsmarkt erscheint

auch ohne vorausgegangene Bewertung nach § 35a gerechtfertigt, da die

Zulassung des neuen Arzneimittels die Kombination mit dem

Bestandsmarktarzneimittel begründet und dessen Umsatz auch ohne

Änderung der Fachinformation steigt.

Vorgeschlagene Regelung: § 130b wird wie folgt geändert:

a. Nach Absatz 1 wird folgender Absatz 1a eingefügt:

(1a) 1Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbart mit

pharmazeutischen Unternehmen einen Rabatt auf den

Erstattungsbetrag sowie für vor dem 31.12.2010 in den Markt

eingeführte patentgeschützte Arzneimittel einen Rabatt auf den

Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne

Umsatzsteuer für die Fälle der Verordnung im Rahmen einer

Kombinationstherapie, wenn der Umsatz der Kombination mit der

GKV zu Apothekenverkaufspreisen einschließlich Umsatzsteuer in

den letzten zwölf Kalendermonaten einen Betrag von [10 Millionen

Euro] übersteigt. 2Der Umsatz nach Satz 1 ist auf Grund der

Angaben nach § 84 Absatz 5 Satz 4 und § 217f zu ermitteln. 3Der

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Rabatt gilt ab dem 1. Monat nach Überschreiten der

Umsatzschwelle aus Satz 1 und kann durch eine

arzneimittelgesetzliche Zulassung der Kombination abgelöst

werden. 4Die Vereinbarung kann eine umsatzbezogene Staffelung

des Rabattes vorsehen. 5Pharmazeutische Unternehmer sind von

der Verpflichtung zur Verhandlung eines Rabattes freizustellen,

wenn der Anteil ihres Arzneimittels am Umsatz der Kombination

nach Satz 8 den Betrag von [1 Million Euro] nicht übersteigt. 6Das

Nähere regeln die Verbände nach Absatz 5 Satz 1 in der

Rahmenvereinbarung nach Absatz 9. 7Absatz 7 und Absatz 9 Sätze

1 und 4 ff sowie § 217f Absatz 7 gelten entsprechend.

b. Absatz 4 Satz 1 wird durch folgenden Satz ersetzt:

Kommt eine Vereinbarung nach Absatz 1 oder 3 nicht innerhalb von

sechs Monaten nach Veröffentlichung des Beschlusses nach § 35a

Absatz 3 oder nach § 35b Absatz 3 beziehungsweise nicht

innerhalb von sechs Monaten nach Beginn der Verhandlungen nach

Abs. 1a Satz 1 zustande, setzt die Schiedsstelle nach Absatz 5 den

Vertragsinhalt innerhalb von drei Monaten fest.

c. In Absatz 5 wird nach Satz 2 folgender Satz eingefügt:

Satz 2 gilt in Fällen des Abs. 1a Satz 1 entsprechend

Noch zu prüfen ist, ob weitergehende Verweise oder Präzisierungen

erforderlich sind. Ebenfalls zu prüfen ist, ob auf Grund des Kartell- oder

Wettbewerbsrechts für Verhandlungen mit mehr als einem

pharmazeutischen Unternehmer eine entsprechende gesetzliche Regelung

erforderlich ist, ggf. als Bereichsausnahme in § 69. Dabei ist zu

berücksichtigen, dass es sich um eine hoheitliche Aufgabe der

Finanzierbarkeit der GKV und nicht um eine kartellrechtsrelevante

Absprache zu Lasten Dritter handelt.

Eine Vereinbarung über den Rabatt für die Anwendung in

Kombination ist nicht an die Laufzeit der Vereinbarung für den

monotherapeutischen Einsatz gekoppelt und kann, sofern

vereinbarte Umsatzschwellenwerte überschritten werden, gesondert

gekündigt und neu verhandelt werden.

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3. Konfliktlösung

Die Schiedsstelle nach § 130b Absatz 5 entscheidet auch in

Angelegenheiten des Absatzes 1a. Die Geschäftsordnung der

Schiedsstelle nach Absatz 6 ist entsprechend zu ändern. Absatz 7 Satz 1

gilt entsprechend.

1. Schiedsverfahren mit einem pharmazeutischen Unternehmer,

der alle Kombinationspartner anbietet

Für fixe Kombinationen wird der Rabatt nach § 130b Absatz 1a im

Rahmen der Verhandlung über den Erstattungsbetrag für das zuletzt in

den Markt eingeführte Arzneimittel und für freie, nicht in dem

Therapiehinweis nach § 92 Absatz 2 Satz 9 (neu) genannte

Kombinationen, nach Aufruf vereinbart. Dies gilt gleichermaßen für

Kombinationen aus AMNOG- und Bestandsmarktarzneimitteln.

Bei freien Kombinationen liegt ein Nutzenbeschluss des G-BA nach § 35a

nicht vor. Insofern ist der Nutzenbeitrag der jeweiligen Partner zum

Therapieerfolg der Kombination regelhaft unbekannt. Die Schiedsstelle

hat daher zu prüfen, ob auch für die verfahrensgegenständliche freie

Kombination die Preise vergleichbarer Monotherapeutika

Berücksichtigung finden und den tatsächlichen europäischen Preisen

größere Bedeutung zukommt. Da der Aufruf zur Rabattverhandlung erst

nach Detektion der freien Kombination in den Verordnungsdaten erfolgen

kann, dürften auch regelhaft Vergleichspreise aus Ländern nach Anlage 2

der Rahmenvereinbarung nach § 130b Absatz 9 vorliegen. Insbesondere

für Bestandsmarktarzneimittel sind die tatsächlichen europäischen Preise

ein geeigneter Vergleichsmaßstab.

2. Schiedsverfahren bei mehr als einem betroffenen

pharmazeutischen Unternehmer

Grundsätzlich gelten dieselben vorstehend dargestellten Überlegungen.

Allerdings wäre die Besetzung der Schiedsstelle neu zu fassen, sofern ein

gemeinsames Schiedsverfahren mit zwei oder mehr pharmazeutischen

Unternehmern wettbewerbsrechtlich unbedenklich ist. Bei weiterhin zwei

Vertretern je Vertragspartei müssten die Stimmen der Vertreter des GKV-

Spitzenverbandes sowie der drei unparteiischen Mitglieder proportional

der Anzahl am Schiedsverfahren teilnehmenden pharmazeutischen

Unternehmer erhöht werden.

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Vorgeschlagene Regelung: § 130b wird wie folgt geändert:

a. In Absatz 4 werden nach Satz 2 folgende Sätze eingefügt:

Kommt eine Vereinbarung nach Absatz 1a (neu) nicht zustande,

setzt die Schiedsstelle die Höhe des Rabattes und dessen

anteilige Zuweisung auf die Kombinationspartner fest. In der Regel

erfolgt die Zuweisung zu gleichen Teilen.

b. In Absatz 4 Satz 2 wird nach den Wörtern „Besonderheiten des

jeweiligen Therapiegebietes“ der Punkt gestrichen und werden

die Wörter „sowie die Ausgabenbelastung von

Kombinationstherapien“ eingefügt.

Eine Aufteilung des Rabattes auf die jeweiligen Kombinationspartner

erscheint auf dem Verhandlungswege schwierig. Die Schiedsstelle muss

daher ermächtigt werden, den Rabatt anteilig den Kombinationspartnern

zuzuweisen. Das erscheint sachgerecht, da zumindest für einen der

Kombinationspartner bereits ein am Nutzen orientierter Erstattungsbetrag

nach § 130b für die Anwendung in der Monotherapie vereinbart oder

festgesetzt ist.

IV. Datengrundlagen zur Umsetzung flexibler

Vertragsmodelle

Zur Umsetzung bundesweiter Regelungen im Arzneimittelbereich verweist

der Gesetzgeber stets auf die von den Krankenkassen erfassten,

arztbezogenen Arzneimittelabrechnungsdaten nach § 84 Absatz 5, die

der GKV-Spitzenverband kassenartenübergreifend auf Bundesebene

zusammenführt. Diese so genannten GKV-Marktdaten enthalten im

Prinzip nur die Anzahl Packungen eines Arzneimittels pro Zeiteinheit,

haben aber den Vorteil, kurzfristig nach den monatlichen

Arzneimittelabrechnungen verfügbar zu sein. Zur Abrechnung flexibler

Vertragsmodelle sind diese Daten jedoch zu hoch aggregiert und müssten

für die vorstehend beschriebenen Zwecke um ein Patientenpseudonym

ergänzt werden. Eine Forderung, die der GKV-Spitzenverband im Übrigen

seit längerem erhebt, um seinen Aufgaben auch nach §§ 73 Absatz 8 und

84 besser gerecht werden zu können.

Vorgeschlagene Regelung: § 84 wird wie folgt geändert:

In Absatz 5 Satz 1 wird nach dem Wort „arztbezogen“ das Komma

gestrichen und das Wort „nicht“ durch das Wort „und“ ersetzt

Neben den Arzneimittelabrechnungsdaten verfügt der GKV-

Spitzenverband für seine Aufgaben nach § 130b auch über die so

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genannten Risikostrukturausgleich-Daten nach § 217 f. Diese enthalten

zusätzlich Diagnose- und Krankenhausdaten, liegen aber nur

kalenderjährlich und insoweit deutlich später als die Daten nach § 84

Absatz 5 vor. Obwohl mit Patienten- und Kassenbezug ausgestattet, darf

der GKV-Spitzenverband diese Daten nur anonymisiert und ohne

Krankenkassenbezug verarbeiten und nutzen. Diese Einschränkung

müsste aufgehoben werden.

Beide Datenarten sind zur Abrechnung flexibler Vertragsmodelle im

Rahmen von Vereinbarungen nach § 130b, wie zum Beispiel Rabatte auf

Kombinationstherapien, Überschreitung von Preis-Volumen-Klauseln oder

Indikationserweiterung mit Dosiserhöhung während der Vertragslaufzeit

sehr gut geeignet. Auch Gentherapien mit siebenstelligen Kosten könnten

zukünftig anstelle einer Vorabeinmalzahlung am Behandlungserfolg

orientiert oder in Jahresraten erstattet werden. Die Verhandlung über

einen Kombinationsrabatt wäre sogar entbehrlich, sofern sich die Partner

der Vereinbarung nach § 130b auf eine echte Kopfpauschale

verständigen, die einen Rabatt implizit enthält und auch mit den

Änderungen in den §§ 84 und 217f abgebildet werden kann. Davon

unberührt bliebe die einer Verhandlung vorausgehende Bewertung des G-

BA hinsichtlich qualitätssichernder Auflagen.

Die notwendigen Strukturen zur Nutzung beider Datenarten für Zwecke

des § 130b sind im GKV-Spitzenverband bereits eingerichtet, dürfen aber

derzeit nicht in ausreichendem Umfang betrieben werden, um zum

Beispiel den Verhandlungsspielraum der Vertragspartner nach § 130b zu

erweitern und je Fallgestaltung eine sachgerechte Lösung zu

ermöglichen.

Vorgeschlagene Regelung: § 217f wird wie folgt geändert:

In Absatz 7 werden die Wörter „arztbezogen und ohne

Krankenkassenbezug“ durch die Wörter „und die Daten nach § 84

Absatz 5“ ersetzt.

Unter Beibehaltung des AMNOG-Prozesses und des einheitlichen

Erstattungsbetrages im Umfang der arzneimittelgesetzlichen Zulassung

lassen sich auf diesen Datenbasen ergänzende vertragliche

Konstellationen abwickeln. Wie bisher auch bezahlten die Krankenkassen

weiterhin den transparenten Erstattungsbetrag über die reguläre

Arzneimittelabrechnung und würden im Nachgang aufwandsarm

Erstattungen im Wege des etablierten Rückabwicklungsverfahren

erhalten. So könnten beispielsweise im Rahmen der § 130b-

Verhandlungen verschätzte Patientenanteile oder Mengen

kostenunschädlich während der Vertragslaufzeit sowie auch die

kassenseitig angestoßene Diskussion über die Rückwirkung des

Erstattungsbetrages zum Tag x nach Markteinführung ausgeglichen oder

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die Erstattung auf Subgruppen mit bestätigten Zusatznutzen beschränkt

werden. Das beschriebene Modell stellt weder den sofortigen

Marktzugang noch einen befristeten freien Listenpreis in Frage, sondern

eignet sich unter Beibehaltung des transparenten Erstattungsbetrages in

besonderer Weise für eine vertrauliche Abwicklung flexibler

Vertragsmodule.

V. Datenverfügbarkeit und Datenschutz

Es ist bereits gängige Praxis, dass in Verhandlungen über den

Erstattungsbetrag nach § 130b Auswertungen der in § 217f Absatz 7

genannten Daten nach § 268 Absatz 3 Satz 14 genutzt werden. Das

Verfahren zur Datennutzung ist in der Rahmenvereinbarung nach § 130b

Absatz 9 durch Schiedsspruch festgelegt. Ergänzend müssten sich die

Partner der Rahmenvereinbarung verständigen, wie für den Rabatt in

Frage kommende Kombinationstherapien datentechnisch zu detektieren

und von sequentiellen Therapien abzugrenzen sind. Auch ließen sich für

bestimmte Kombinationen ex-ante-Definitionen unabhängig vom

Verordnungsdatum im Datensatz festlegen.

Bei einer routinehaften Nutzung der in § 217 f Absatz 7 genannten Daten

könnte auch der überwiegende Teil der in den Beschlüssen des G-BA

bestimmten Subgruppen adäquat abgebildet werden. Sofern die in diesen

Daten enthaltenen ICD10-Diagnosen zu einer trennscharfen

Differenzierung zum Beispiel nach den Genotypen des Hepatitis-C-Virus

nicht ausreichen, könnten die Vertragspartner des

Bundesmantelvertrages Ärzte verbleibenden Unschärfen durch

zusätzliche Dokumentationsauflagen bzw. begleitende

Datenübermittlungspflichten, oder der GKV-Spitzenverband im Rahmen

von § 130b Absatz 2 abhelfen.

Unbestritten ist, dass bei Nutzung bestimmter Teilbestände der Daten

zum morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich wie auch der

arztbezogenen Verordnungsdaten nach § 84 Absatz 5 zur

Rückabwicklung von Rabatten der Datenschutz voll umfänglich gewahrt

bleibt. Jedwede Depseudonymisierung wäre nämlich an keiner Stelle

erforderlich.

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IV. Handlungsempfehlungen für die Politik

Anspruch dieses Lösungsvorschlages ist, den Budget-Impact der auch

perspektivisch deutlichen Zunahme von freien Kombinationstherapien zu

begrenzen und die für den Einsatz dieser Kombinationen nötige Evidenz

zu generieren. Voraussetzung wäre eine sachbezogene

Weiterentwicklung des AMNOG durch ergänzende Nutzung vorhandener

Datenstrukturen und Einführung weniger neuer Prozesse. Dabei gilt es

weiterhin den Interessenausgleich zwischen der Solidargemeinschaft und

pharmazeutischen Unternehmern zu wahren.

1. Freie, nicht ausdrücklich zugelassene Kombinationen, können durch

den Gemeinsamen Bundesausschuss hinsichtlich der

Wirtschaftlichkeit oder weitergehender Verordnungsanforderungen

an die Prozess-, Struktur- bzw. Dokumentationsqualität bewertet

werden.

2. Insbesondere über eine Professionalisierung und Standardisierung

der klinischen Krebsregistrierung sollen das Versorgungsgeschehen

transparenter und die Ergebnisqualität verbessert werden.

3. Die Solidargemeinschaft soll bei freien Kombinationstherapien mit

geringeren Kosten als denen der Summe der Preise bei Anwendung

in der Monotherapie belastet werden:

a. Der Verwendungszweck der Daten nach § 268 Absatz 3

Satz 14 sowie § 84 Absatz 5 muss jeweils erweitert werden

um Kombinationstherapien detektieren und vertragliche

Konstellationen abrechnen zu können.

b. Sofern ein gesetzlicher Abschlag nicht gewünscht ist,

müssen Verhandlungen über einen Kombinationsrabatt

ermöglicht und ein Konfliktlösungsmechanismus in § 130b

vorgesehen werden.

4. Konsequent und sachlogisch wäre, die qualitätssichernden

Regelungen sowie die Rabattregelungen auch für im Rahmen von

Neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB) und

Zusatzentgelten (ZE) erstattete freie Kombinationen auf den

stationären Bereich zu erstrecken und entsprechende Anpassungen

des Krankenhausentgeltgesetzes vorzunehmen.