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GRAMMATIKUNTERRICHT AUS LINGUISTISCHER SICHT Das Spannungsfeld zwischen Sprachwissenschaft, Sprachdidaktik und Schule Dr. Sascha Bechmann Aspekte der Vermittlung grammatischer Kompetenzen im Schulunterricht

Linguistik und Schulgrammatik

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Präsentation zum Seminar "Aspekte der Vermittlung grammatischer Kompetenzen im Schulunterricht" an der JLU Gießen, WS 2013/2014

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Page 1: Linguistik und Schulgrammatik

GRAMMATIKUNTERRICHT AUS LINGUISTISCHER SICHT

Das Spannungsfeld zwischen Sprachwissenschaft, Sprachdidaktik und Schule

Dr. Sascha BechmannAspekte der Vermittlung grammatischer Kompetenzen im Schulunterricht

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Das didaktische Dilemma Theoretische und konzeptionelle Überlagerungen der Bereiche – Sprachwissenschaft,

– Sprachdidaktik und

– Bildungspolitik/Schule

• Sputnik-Schock der 1970er Jahre: Verwissenschaftlichung von Schule– z.B. Generative Transformationsgrammatik (Chomsky)

als Gegenstand der Schulgrammatik

– Schüler werden zu „kleinen Linguisten“

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Beispiel: Generative Grammatik

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Grammatik-unterricht in der

Schule

System der traditionellen (Latein-)

Grammatik(J.C.Adelung, K.F.Becker)

Inhaltsbezogene Grammatik

(L. Weisgerber)

Konstituenten-struktur-

grammatik(Rulon, Wells,

Hockett)

Operationale Verfahren

(Glinz)

Valenz- / (Dependenz-)

Grammatik(L. Tesnière, U. Engel /

H. Schumacher, J. Erben, G.Helbig /

H. Buscha )

Generative (Transformations-)

Grammatik(N. Chomsky)

Sprechakttheorie(Austin / Searle)

Linguistische Grammatikmodelle

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Problem im Spannungsfeld I

• Linguistische Inhalte finden in erster Linie in den unteren Jahrgangsstufen statt– Dort noch keine Methodenkompetenz vorhanden

• Radikale didaktische Reduktion nötig• Eindeutige Strukturen und verbindliche Terminologie sind nötig

– Systematische Vermittlung eines grammatischen Grundkanons, aber kaum Weiterführung

• Formal anspruchsvolle Fragestellungen werden in der Oberstufe kaum diskutiert (keine linguistische Textanalyse)

• Sprachwissenschaft liefert Lehrerinnen und Lehrern kaum übersichtliche und angemessene Darstellungen linguistischer Modelle

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Probleme im Spannungsfeld II

• Sprachwissenschaft, Sprachdidaktik und Schule müssen enger zusammenrücken– Linguistische Forschungsarbeiten sind bislang unnötig

komplex dargestellt und erschweren die Reduktion für die Schule

• Problem der universitären Ausbildung: In der Universität werden konkurrierende Modelle und Begriffe diskutiert, in der Schule kommt es hingegen auf Verbindlichkeit an– Methodik der Vermittlung linguistischer Inhalte (universitäre

Theorie und schulische Praxis) unterscheidet sich grundlegend

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Problem im Spannungsfeld III• (Sprach-)Wissenschaft ist dynamisch• Schule ist normativ und damit eher statisch

– Wissenschaftliche Erkenntnisse gelangen nicht oder erst spät in die Curricula

• Die Umsetzung wissenschaftlicher Neuerungen scheitert zudem nicht selten am mangelnden Fachwissen der Lehrerinnen und Lehrer

– Wissenschaftliche Erkenntnisse gelangen eher in den Duden als in die Schule

– Grammatische Fehlerbewertung folgt oftmals eher einem traditionellen Festhalten an Altbekanntem als aktuellen linguistischen Erkenntnissen

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„Die herkömmlichen Transformationen sprachwissenschaftlichen Wissens in die Schulen, die immer Einbahnstraßen sind, folgen den Gesetzmäßigkeiten der jeweils beteiligten Denkstile: Wissenschaftliche Erkenntnisse (...) werden von der Fachdidaktik unter dem Stichwort der didaktischen Reduktion und unter Einbeziehung jeweils aktueller pädagogischer Strömungen für Lehr- oder Lernzwecke modelliert (...) und kommen als Lernstoff an die Schulen, wo die Lehrer und Lehrerinnen ihre Aufgabe darin sehen, diesen Stoff den Schüler/innen ‚beizubringen‘ mit dem Ziel, Sprachrichtigkeit zu erzeugen, die später beurteilt werden muss (...).“ (Bredel 2011: 53)

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Beispiel: „brauchen“

Ist „brauchen“ ein Modalverb? Kann man „brauchen“ daher ohne

„zu“ gebrauchen?

Und falls ja, warum?

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Das erweiterte Paradigma der deutschen Modalverben (aus Bechmann 2013: 310)

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Beispiel: „Lesen durch Schreiben“

• Neues Konzept des Schriftspracherwerbs: „Schreib, wie Du sprichst“

• Ausgangsidee: Deutsche Schrift sei eine Lautschrift, weil sie ein Alphabet enthält (angenommene Laut-Buchstaben-Beziehung)

– Schrifterwerb habe mit dem Aufbau und der Festigung von Laut-Buchstaben-Beziehungen zu beginnen

– „Neues“ Paradigma der Schülerorientiertheit: Verknüpfung von Buchstaben und Lauten wird nicht lehrerseitig strukturiert, sondern den SuS überlassen

• Schulischer Denkstil, der weder sprach- noch kognitionswissenschaftlich fundiert ist

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