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Einleitung Der Gedanke, dass es bei neuralen Geweben zu mechanischen Dysfunktionen kommen kann und sich diese möglicherweise mit mechanischen Tests feststellen und behandeln lassen, ist schon recht alt [2, 13,17]. In den 70er- bis 90er-Jahren des ver- gangenen Jahrhunderts entstand durch Weiterentwicklung die- ser Idee das Konzept ungünstiger neuraler Spannung (Adverse neural tension; [4–6, 9, 16]), das abnormale Spannung im Ner- vensystem als einen ausschlaggebenden Faktor für die Sympto- me des Patienten ansah. Entscheidend für dieses Konzept war die Vorstellung, das Nervensystem sei gespannt. Daher richtete sich die Behandlung auf die Verlängerung des Nervensystems aus. Entsprechend bestanden Diagnose und Behandlung zu jener Zeit im Wesentlichen aus neuraler Dehnung. Leider sind viele Probleme damit noch nicht gelöst, auch wenn der Ansatz in mancherlei Hinsicht innovativ war und einer großen Zahl von Patienten auf neue Weise half [24]. Eine wesentliche Schwierigkeit bestand darin, dass aufgrund unserer Unfähigkeit, die richtige Technik auszuwählen, oft die Symptome der Patienten provoziert wurden. Dies geschah, weil es kein umfassendes Sys- tem zur Wahl der Technik gab und sich Modifikationen auf eine geringe Anzahl von Variationen beschränkten. Das Prinzip zur Auswahl der Technik war bestenfalls rudimentär. Dabei zog der Therapeut an der neuralen Struktur, und wenn er dadurch die Symptome des Patienten provozierte, zog er etwas sanfter. Wur- den die Symptome dann immer noch provoziert, hörte er damit ganz auf, in der Überzeugung, für diesen Patienten eigneten sich Behandlungen nach dem Konzept neuraler Spannung nicht. Aus einer Variante des Ansatzes neuraler Spannung entwickelten sich die Gleitmobilisationen (Slider mobilisations), die weniger schädlich als die Spannungstechniken waren. Trotzdem fehlte immer noch ein systematisches Vorgehen bei Diagnose und Be- handlung, bei dem die Wahl der Technik auf ursächlichen Zu- sammenhängen, diagnostischen Kategorien und Steigerung der Technik beruhte. Von neuraler Spannung zu klinischer Neurodynamik Neues System zur Anwendung neuraler Test- und Behandlungstechniken M. Shacklock From Neural Tension to Clinical Neurodynamics – A New System for Application of Neural Testing and Treatment Techniques Institutsangaben Abt. Neurodynamic Solutions (NDS), CH-Bad Ragaz Korrespondenzadresse Michael Shacklock, MappSc, DipPhysio · Leiter der Abt. Neurodynamic Solutions (NDS) · 6th floor,118 King William Street · AUS-Adelaide · E-mail: [email protected] Bibliografie Manuelle Therapie 2006; 10: 22 – 30 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York DOI 10.1055/s-2006-926499 ISSN 1433-2671 Zusammenfassung Das neue System klinischer Neurodynamik bezieht sich auf neurale Störungen, die mit muskuloskelettalen Dysfunktionen zusammen- hängen. Es umfasst Mechanik und Physiologie des Nervensystems, Neuropathodynamik sowie Diagnose- und Behandlungsprinzipien. Schlüsselwörter Klinische Neurodynamik · neurale Störungen · muskuloskelettale Dysfunktionen Abstract The new system of clinical neurodynamics refers to neural disor- ders which are related to musculoskeletal dysfunction. It in- cludes mechanics and physiology of the nervous system, neuro- pathodynamics as well as diagnostic and treatment principles. Key words Clinical neurodynamics · neural disorders · musculoskeletal dys- function Expertenforum 22 Heruntergeladen von: FH Campus Wien. Urheberrechtlich geschützt.

Neuraler test und behandlungstechniken

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Page 1: Neuraler test  und behandlungstechniken

Einleitung

Der Gedanke, dass es bei neuralen Geweben zu mechanischenDysfunktionen kommen kann und sich diese möglicherweisemit mechanischen Tests feststellen und behandeln lassen, istschon recht alt [2, 13, 17]. In den 70er- bis 90er-Jahren des ver-gangenen Jahrhunderts entstand durch Weiterentwicklung die-ser Idee das Konzept ungünstiger neuraler Spannung (Adverseneural tension; [4 – 6, 9, 16]), das abnormale Spannung im Ner-vensystem als einen ausschlaggebenden Faktor für die Sympto-me des Patienten ansah. Entscheidend für dieses Konzept wardie Vorstellung, das Nervensystem sei gespannt. Daher richtetesich die Behandlung auf die Verlängerung des Nervensystemsaus. Entsprechend bestanden Diagnose und Behandlung zu jenerZeit im Wesentlichen aus neuraler Dehnung.

Leider sind viele Probleme damit noch nicht gelöst, auch wenn derAnsatz in mancherlei Hinsicht innovativ war und einer großenZahl von Patienten auf neue Weise half [24]. Eine wesentliche

Schwierigkeit bestand darin, dass aufgrund unserer Unfähigkeit,die richtige Technik auszuwählen, oft die Symptome der Patientenprovoziert wurden. Dies geschah, weil es kein umfassendes Sys-tem zur Wahl der Technik gab und sich Modifikationen auf einegeringe Anzahl von Variationen beschränkten. Das Prinzip zurAuswahl der Technik war bestenfalls rudimentär. Dabei zog derTherapeut an der neuralen Struktur, und wenn er dadurch dieSymptome des Patienten provozierte, zog er etwas sanfter. Wur-den die Symptome dann immer noch provoziert, hörte er damitganz auf, in der Überzeugung, für diesen Patienten eigneten sichBehandlungen nach dem Konzept neuraler Spannung nicht.

Aus einer Variante des Ansatzes neuraler Spannung entwickeltensich die Gleitmobilisationen (Slider mobilisations), die wenigerschädlich als die Spannungstechniken waren. Trotzdem fehlteimmer noch ein systematisches Vorgehen bei Diagnose und Be-handlung, bei dem die Wahl der Technik auf ursächlichen Zu-sammenhängen, diagnostischen Kategorien und Steigerung derTechnik beruhte.

Von neuraler Spannung zu klinischer NeurodynamikNeues System zur Anwendung neuraler Test- und Behandlungstechniken M. Shacklock

From Neural Tension to Clinical Neurodynamics – A New System for Applicationof Neural Testing and Treatment Techniques

InstitutsangabenAbt. Neurodynamic Solutions (NDS), CH-Bad Ragaz

KorrespondenzadresseMichael Shacklock, MappSc, DipPhysio · Leiter der Abt. Neurodynamic Solutions (NDS) ·6th floor, 118 King William Street · AUS-Adelaide · E-mail: [email protected]

BibliografieManuelle Therapie 2006; 10: 22 – 30 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New YorkDOI 10.1055/s-2006-926499ISSN 1433-2671

Zusammenfassung

Das neue System klinischer Neurodynamik bezieht sich auf neuraleStörungen, die mit muskuloskelettalen Dysfunktionen zusammen-hängen. Es umfasst Mechanik und Physiologie des Nervensystems,Neuropathodynamik sowie Diagnose- und Behandlungsprinzipien.

SchlüsselwörterKlinische Neurodynamik · neurale Störungen · muskuloskelettaleDysfunktionen

Abstract

The new system of clinical neurodynamics refers to neural disor-ders which are related to musculoskeletal dysfunction. It in-cludes mechanics and physiology of the nervous system, neuro-pathodynamics as well as diagnostic and treatment principles.

Key wordsClinical neurodynamics · neural disorders · musculoskeletal dys-function

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Ein weiteres Problem beim Ansatz neuraler Spannung lag darin,dass Therapeuten nicht wussten, wie die Patientenreaktionenauf neurale Tests zu interpretieren waren. Provozierte der TestSymptome, wurde gefolgert, er sei positiv und eine Behandlungnötig. Es war nicht bekannt, dass ein „positives“ Testergebnisnormal ist [11, 14, 16, 28]. So wurden Patienten manchmal be-handelt, als hätten sie ein Problem mit neuraler Spannung, ob-gleich ihre Testreaktion „normal positiv“ war. Infolgedessen wa-ren die Behandlungen dann unangemessen.

Die Therapeuten wussten meist nicht genau, was ein wirklich„abnormal positiv“ ausfallender Test bezüglich der vermutlichenUrsache oder der Behandlung bedeutete. Lag das Problem z. B. inungünstiger mechanischer Spannung oder in gestörtem Nerven-gleiten, reagierte das Nervengewebe einfach überempfindlichauf Bewegung [7, 10], war die Ursache eine mechanische Dys-funktion der die neuralen Gewebe umgebenden Gewebe (Dys-funktion der mechanischen Schnittstelle) oder möglicherweisesogar ein Karzinom? Kurzum, es waren keine auf ursächlichenMechanismen beruhenden diagnostischen Kategorien erkenn-bar, was bedeutete, dass die Behandlung nicht für jeden dieserpotenziell relevanten Aspekte eine Lösung darstellte.

Ziel des vorliegenden Artikels ist daher, ein neues umfassendesSystem zu beschreiben, das viele der bei den Konzepten neuralerSpannung und neuraler Mobilisation auftretende Schwierigkeitenlöst. Dieses System bezieht mehr ursächliche Mechanismen ein alsfrühere Überlegungen, umfasst also neue Konzepte zu Diagnoseund Behandlung. Auf diese Weise ergibt sich ein neuer klinischfundierter Ansatz zu Diagnose- und Behandlungstechniken, einSystem, wie sie sich von Problemen mit sehr niedrigem Niveauder Funktionsfähigkeit bis zu solchen steigern lassen, bei denendie Funktionsfähigkeit des Patienten auf hohem Niveau erhaltenist. Dieser Ansatz wird als klinische Neurodynamik bezeichnet [22].

Konzept der Neurodynamik

Das Konzept der Neurodynamik, im Unterschied zu jenem neu-raler Spannung, beruhte auf dem Gedanken, dass damals (undleider auch noch heute) viele Therapeuten bei Tests und Behand-lungen nach dem Ansatz neuraler Spannung in ihrer Analyse ei-nige entscheidende Punkte übersahen. Dazu gehörten die Aspek-te des Gleitens und der Druckänderungen im Nervensystem,physische Ereignisse in Geweben, die das Nervengewebe umge-ben, und Veränderungen bei intraneuraler Durchblutung, Me-chanosensitivität sowie weitere physiologische Aspekte, etwaEntzündungen. So schlug Shacklock (1995) das Konzept der Neu-rodynamik vor, um die ernsthafte Einbeziehung dieser Faktorenin die Betrachtung neuraler Strukturen zu fördern.

Zusammenhang zwischen Mechanik und Physiologie desNervensystemsDas Konzept der klinischen Neurodynamik beruht auf mehrerenentscheidenden Annahmen, z. B. dass Mechanik und Physiologiedes Nervensystems dynamisch miteinander zusammenhängen.Veränderungen von Druck und Spannung im Nervensystem be-wirken in neuralen Geweben Veränderungen der Durchblutung[12, 15, 19] und Entzündung und Mechanosensitivität [1, 8, 26],die weit reichende Konsequenzen haben können.

Daneben führen auch physiologische Veränderungen im Nerven-system zu Veränderungen der neuromechanischen Funktion. Eingutes Beispiel dafür ist die diabetische Neuropathie. Bei dieserErkrankung schwellen die Axone eines peripheren Nervs, derDruck der endoneuralen Flüssigkeit steigt an, es bildet sich Nar-bengewebe und beeinträchtigt so die mechanische Funktions-fähigkeit des Nervs.

Bei normaler oder optimaler mechanischer Umgebung hat dasNervensystem gute Chancen, gesund zu bleiben und bei alltägli-chen Bewegungen keine Symptome zu zeigen. Entwickelt sichjedoch eine pathologische Mechanik, kann es in den neuralenGeweben wiederum zu einer ganzen Kaskade der oben auf-geführten pathophysiologischen Ereignisse kommen. Jeder die-ser pathophysiologischen Aspekte ist für den Patienten ein deut-liches Problem. Da sich derartige Störungen mit mechanischenTechniken beheben lassen, ist die klinische Neurodynamik fürden Manualtherapeuten ein idealer Behandlungsansatz (Abb. 1).Bei einer Abnormität der Nervenfunktion können also sowohlpathomechanische als auch pathophysiologische Aspekte eineRolle spielen. Auf jeden Fall ist in beiden Bereichen mechanischeBehandlung ein hilfreiches Mittel zur Besserung.

Neurodynamische Tests

Beim neuralen Ansatz bezeichnet der Begriff neurale Spannungs-tests sowohl die mechanischen Tests als auch die Behandlungs-techniken. Da neurale Spannung nur einen der vielen Aspektedieser Tests darstellt, empfiehlt es sich, sie neurodynamischeTests zu nennen (Abb. 2). Auf diese Weise führen sich Therapeu-ten und Forscher viele Aspekte des neuralen Ansatzes erneut vor

Neuodynamik

Mechanik Physiologie

Pathomechanik Pathophysiologie

Pathodynamik

Abb. 1 Konzept derNeurodynamik, dasMechanik und Phy-siologie des Nerven-systems in Zusam-menhang bringt.

neurodynamische Tests

Spannung

Kompression

Gleiten

intraneurale Durchblutung

Entzündung

Mechanosensitivität

Abb. 2 Lokale Mechanismen, die beim neurodynamischen Testeneine Rolle spielen.

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Augen. Unter anderem hilft es Therapeuten, eine Vorstellung vonder Bewegung des Nervensystems und seiner muskuloskelet-talen Schnittstelle, seiner Physiologie und Pathophysiologie zugewinnen und dies in klinische Überlegungen und die Anwen-dung neuraler Techniken einzubeziehen. Zudem unterstützt esneue Diagnosen, die mit ursächlichen Mechanismen zusammen-hängen und spezifische Behandlungen verlangen (ausführlichereDiskussion siehe [21 – 23]).

Integration der Funktionen des Nerven- undmuskuloskelettalen SystemsDer Körper ist der „Behälter“ des Nervensystems und stellt seinemechanische Schnittstelle dar. Damit das Nervensystem optimalfunktionieren kann, ist sehr wichtig, dass es sich in einer best-möglichen Umgebung befindet. Verhält sich die mechanischeSchnittstelle in Form mechanischer Dysfunktion falsch, wirdihre Beziehung zum Nervensystem gefährlich und kann zu des-sen abnormalen Funktion führen. Ein entscheidender Aspektdes Ansatzes der klinischen Neurodynamik ist daher, Diagnoseund Behandlung des muskuloskelettalen Systems in die des Ner-vensystems zu integrieren (s. u.).

Besonders wichtig hinsichtlich der Beziehung zwischen diesenbeiden Systemen ist, dass dem Therapeuten ein sich steigerndesSchema zur Verfügung steht, nach dem er jedes System einzelnoder gleichzeitig beurteilen kann, je nachdem, was der Patientbenötigt. So könnten z. B. bei einem Patienten mit Gesäßschmer-zen infolge eines leichten M.-piriformis-Syndroms der Straight-Leg-Raise-Test (SLR) normal ausfallen und Tests des M. pirifor-mis relativ normale körperliche Befunde ergeben. Werdenjedoch gleichzeitig Tests beider Strukturen dynamisch integriert,lässt sich unter Umständen das Problem des Patienten leichterentdecken.

Bei einer Hüftbeugung von weniger als 708 kann der Muskel wäh-rend des SLR-Tests durch Innenrotation gedehnt werden, sodassder Patient den Muskel durch aktive Außenrotation kontrahierenund so weiteren Druck auf den Ischiasnerv im Gesäß ausübenkann, bei einem Grad der Hüftflexion, der für die Symptome desPatienten relevant ist [22]. Dies ist ein gutes Beispiel für den wirk-samen Einsatz der Muskelmechanismen beim neurodynamischenTesten. Das universelle Prinzip lässt sich auf unterschiedliche Si-tuationen im ganzen Körper anwenden. Zudem ermöglicht es, neu-rodynamische Tests je nach Bedarf des Einzelnen empfindlicher zumachen und zu steigern, weil sie auf diese Weise wahrscheinlichfür manche Probleme sensitiver und spezifischer werden.

Die Technik erzielt aber auch Testergebnisse bei Patienten, derenProbleme nur auf sehr niedrigem Niveau getestet werden können,weil sich ihr Zustand leicht verschlimmert. In einem solchen Fallist eine neurodynamische Abfolge so veränderbar, dass sich die da-bei auf das Nervensystem einwirkenden Kräfte verringern, wäh-rend der Therapeut – ohne Symptome zu provozieren – immernoch Informationen über die Neurodynamik erhält. Das neue Aus-wahlsystem ist also in der Lage, die dem jeweiligen Patienten ent-sprechende Behandlungstechnik herauszufinden [22].

Ein Schlüsselaspekt des Systems ist seine Dreiteiligkeit: es be-zieht sich auf die mechanische Schnittstelle sowie neurale undinnervierte Gewebe. Damit erhält der Therapeut eine Reihe

wichtiger Möglichkeiten: Er versteht, wie er das Nervensystembewegen soll und verfügt über neue diagnostische Kategorienbezüglich der Neuropathodynamik (z. B. Störungen der Schnitt-stelle, des neuralen oder des innervierten Gewebes) ebenso wieüber neue Auswahl- und Steigerungstechniken (Abb. 3).

Neurodynamisches SequenzierenObwohl das Nervensystem ein recht langes Kontinuum ist [3],besitzt es keine einheitliche biomechanische Funktion. Bei all-täglichen Bewegungen und neurodynamischen Tests entwickelnsich vielmehr Bereiche mit hohem und niedrigem Drucks bzw.hoher und niedriger Spannung [21, 22].

Shacklock [20] stellte fest, dass bei symptomfreien Personen dieReihenfolge der einzelnen Bewegungskomponenten eines be-stimmten neurodynamischen Tests (SLR mit Plantarflexion/In-version, neurodynamischer M.-peronaeus-Test) die Verteilungder Symptome beeinflusste. Wurde zuerst Plantarflexion/Inver-sion ausgeführt, traten mehr Symptome in den distalen Berei-chen des Beins auf. Bei umgekehrter Reihenfolge desselben Tests(zuerst Hüftflexion, zuletzt Plantarflexion/Inversion) entwickel-ten sich jedoch mehr Symptome in den proximalen Bereichendes Beins (z. B. im hinteren Oberschenkel). Tendenziell ent-wickelten sich auch mehr Symptome in den lokalen Bereich, indem das Gelenk stärker bewegt wurde. Diese Ergebnisse ergabensich beim Vergleich von 3 Studien, in denen die genannten Varia-blen vorkamen [18, 20, 25].

Bei der Untersuchung der Wirkungen von Bewegungsabfolgenim oberen Quadranten traten im zuletzt bewegten Bereich weni-ger Reaktionen auf [29]. Untermauert wird diese Erkenntnisdurch Tests des N. ulnaris bei Leichen in folgenden 3 verschiede-nen Reihenfolgen, wobei die Abfolge mit dem Ellenbogen zuerstkonsistent stärkere Belastung (d. h. lokale Wirkungen) im N. ul-naris am Ellenbogen hervorrief [27]:– proximal nach distal;– distal nach proximal;– Ellenbogen zuerst.

Da damit nachgewiesen ist, dass die Bewegungsfolge die Reak-tion und lokale Belastung in neuralen Geweben beeinflusst, istderen Festlegen beim neurodynamischen Testen eine wichtigeVariable. Diese neurodynamische Sequenzieren (Neurodynamicsequencing; [22]) beruht auf der Tatsache, dass das Nervensys-tem sich nicht einheitlich verhält, sondern stattdessen je nachlokaler Anatomie, Biomechanik und angewandten Bewegungenin verschiedener Weise auf Bewegungen reagiert. Neurodyna-misches Sequenzieren hat folgende wichtige Vorteile:– Es bietet die Möglichkeit, einen Patienten spezifisch gemäß

seinen Bedürfnissen zu testen und zu behandeln und sichnicht nur auf standardisierte neurodynamische Tests stützenzu müssen.

– Das System der Steigerungen lässt sich auf die ganze Band-breite von sehr eingeschränkten und schmerzhaften Zustän-den bis zu geringfügigen Problemen bei hohen sportlichenAnsprüchen anwenden.

– Die Vielfalt der sich bietenden Varianten der Befunderhe-bung und Behandlung unterstreicht die Notwendigkeit, siebei der Analyse der Patientenreaktionen zu berücksichti-gen.

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– Sie hebt außerdem die erforderliche Konsistenz bei neurody-namischem Testen hervor.

– Da bereits subtile Variationen beim Testen signifikante Ver-änderungen der Reaktionen hervorrufen, ist Geschick wichtig.

Auswahl und Steigerung einer Technik

Die Bandbreite von Patientenproblemen erfordert ein Auswahl-system, bei dem die Techniken den Patientenbedürfnissen ange-passt werden. In der Vergangenheit war problematisch, dass die

ausgewählten Techniken die Symptome des Patienten provozier-ten und nicht spezifisch die lokalen Mechanismen diagnostizier-ten oder behandelten. Außerdem ließen sich mit den Tests nurschwerlich geringfügigere Probleme feststellen, weil die Standard-tests dafür nicht sensitiv genug waren. Das neue Auswahlsystemvon Techniken behebt diese Schwierigkeiten (Abb. 4; [22]).– Niveau 0: Neurodynamisches Testen ist kontraindiziert. Dies

gilt z. B. für Patienten, deren Problem hochgradig instabil istund extrem leicht provoziert wird und denen vielleicht einerasch voranschreitende neuropathologische Erkrankungdroht. Daneben kommen schwer wiegende psychosoziale Me-chanismen infrage, die wichtiger sind als neurodynamischesTesten, oder eine Konzentration auf den neurodynamischenAspekt könnte dem Patienten psychophysisch schaden.

– Niveau 1: Das Problem des Patienten ist irritabel oder enthälteine neurologische Beeinträchtigung, die eventuell durchneurodynamisches Testen betroffen wird. In diesem Fall wer-den neurodynamische Tests nur in modifizierter Form durch-geführt. Dabei kommen zuerst Manöver zur strukturellenDifferenzierung zur Anwendung, um keine Symptome zu pro-vozieren. Der Test findet zunächst an einer dem Problemortfernen Stelle statt, und erst allmählich werden weitere Bewe-gungen in Richtung des Problemorts hinzugenommen. Am

Nerv Schnittstelle

Schnittstelle

Haut

innerviertes Gewebe

Sehne

Muskel

Knochen

Faszie

Blutgefäße

Abb. 3 Allgemeines Schema des Systemsim Konzept kinischer Neurodynamik. 3 Ar-ten von Strukturen: Schnittstelle, neuralesGewebe und innerviertes Gewebe.

kontraindiziert Standard

Niveau 0 1 2

begrenzt

Niveau/Typ 3

a. neurodynamisch sensibilisiert

b. neurodynamische Sequenzierung

c. multistrukturell

d. symptomatische Position/Bewegung

Abb. 4 Neues System der Steigerung von Techniken beim Ansatz kli-nischer Neurodynamik.

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Punkt des ersten Einsetzens von Symptomen (P1) stoppt dasDifferenzierungsmanöver (Ausschalter). Bei akuten starkenSchmerzen im Halsbereich entspricht die Bewegungsfolgeder in Abbildung 5a–c. Diese modifizierte Reihenfolge (ferneAbfolge) testet die neuralen Gewebe, ohne dabei in der fragli-chen Nervenwurzel große Kräfte hervorzurufen oder Sympto-me zu provozieren. Das Prinzip gilt allgemein und lässt sichpraktisch auf alle Bereiche des Nervensystems anwenden.

– Niveau 2: Die Durchführung eines neurodynamischen Stan-dardtests ist angemessen. Das bedeutet, es handelt sich um

kein besonders irritables Problem und wahrscheinlich liegenkeine signifikante Erkrankung und keine signifikanten neuro-logischen Aspekte vor.

– Niveau 3: Es beinhaltet 4 Unterkategorien (Niveau/Typ 3 a, b, cund d). Das Problem ist im Allgemeinen nicht irritabel, nichtneurologischer Natur und schwer erkennbar, weshalb dieTestverfahren empfindlicher sein müssen. Die Betroffenensind oft Sportler oder Personen mit repetitiven Tätigkeitenam Arbeitsplatz. Auch bei ihnen lässt sich keine signifikanteErkrankung nachweisen.– Niveau/Typ 3 a: Bei diesem eigentlichen Standardtest wird

mit sensibilisierenden Manövern mehr Spannung auf dieneuralen Gewebe einwirken lassen (z. B. mit kontralatera-ler Lateralflexion).

– Niveau/Typ 3b: Der Test wird mit neurodynamischem Se-quenzieren sensitiver gemacht, indem die Abfolge am Ortdes fraglichen Problems beginnt. Im Falle geringfügigerSchmerzen im Halsbereich mit schwer erkennbarer Ursa-che kann die neurodynamische Bewegungsfolge umge-kehrt wie bei Niveau 1 sein (Abb. 6a–d).

– Niveau/Typ 3c: Die Sensitivität des Tests erhöht sich durchgleichzeitiges Testen der muskuloskelettalen und neuralenStrukturen. Hierzu dient z. B. eine Kontraktion der an dieneuralen Gewebe angrenzenden Muskeln oder sogar dasÖffnen oder Schließen eines Foramen intervertebrale rundum eine Nervenwurzel während eines neurodynamischenTests. Alternativ kann während der Durchführung einerneurodynamischen Technik ein Gelenk oder ein Muskel be-urteilt oder mobilisiert werden.

– Niveau/Typ 3d: Die vom Patienten angegebene symptomati-sche Position oder Bewegung wird genutzt. Dies stellt eineausgezeichnete Möglichkeit zur Erhöhung der Sensitivitätkörperlicher Untersuchung und Behandlung dar, weil da-durch das pathomechanische Problem in der Erfahrung desPatienten nachgebildet wird. In der symptomatischenSituation kommen neurodynamische Bewegungen und einestrukturelle Differenzierung hinzu.

Diagnostische Kategorien

Eine der vielen Entwicklungen in der muskuloskelettalen Medizinsind diagnostische Kategorien, die letztlich zur Behandlung spezi-fischer relevanter Mechanismen dienen. Neben den Kategorienzum muskuloskelettalen System bestehen auch viele zu neurody-namischen. Sie sind wie nachfolgend beschrieben untergliedertund beziehen sich auf die betroffene Struktur und die beteiligte Be-wegung.

Dysfunktionen der mechanischen Schnittstelle sind solche mitvermindertem oder übermäßigem Schließen und Öffnen. Einentypischen Fall stellt das unangemessene Öffnen und Schließendes Foramen intervertebrale rund um eine Nervenwurzel dar.Bei abnormaler Dynamik des Foramen können unerwünschteKräfte auf die Nervenwurzel einwirken, was zu pathophysiologi-schen Veränderungen führt.

Diagnostische und therapeutische Techniken lassen sich spezi-fisch auf diese Dysfunktion ausrichten, mit dem Ziel, die Funktiondes Foramen und der neuralen Gewebe zu verbessern. So wirkt

Abb. 5 a–c Neurodynamische (ferne) Abfolge bei einem zervikalenProblem von Niveau 1. Zur strukturellen Differenzierung kann die Ex-tension des Handgelenks wieder fallengelassen werden. Eine Verände-rung der zervikalen Symptome bei der differenzierenden Bewegungweist auf einen möglichen neurodynamischen Mechanismus hin. a Ex-tension des Handgelenks. b Extension des Ellenbogens. c Glenohume-rale Abduktion nur bis zum ersten Einsetzen von Symptomen.

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z. B. bei verminderter Schließfunktion wahrscheinlich übermäßi-ger Druck auf die Nervenwurzel ein. Ursache könnten eine Band-scheibenprotrusion oder ein geschwollenes Intervertebralgelenksein. In den frühen Stadien besteht die Behandlung in der Eröff-nung des Foramen (z. B. statisches Öffnen), um den Druck auf dieNervenwurzel zu verringern und ihre Durchblutung und Mecha-nosensitivität zu verbessern (Abb. 7a u. b). Nach der Besserungder physiologischen Verhältnisse in der Nervenwurzel kann dieseBewegungen von Techniken ertragen, die die mechanische Dys-funktion im Foramen intervertebrale behandeln (Abb. 8a–c).

Bei Dysfunktionen der neuralen Spannung oder der Gleitfunk-tion treten neurale Probleme auf. Die neuralen Gewebe funktio-nieren mechanisch nicht mehr adäquat oder sind infolge patho-physiologischer Verhältnisse gegenüber Spannung bzw. Gleitenhypersensitiv. Die unterschiedlichen Erscheinungsbilder dieserneuralen Dysfunktionen erfordern jeweils spezifische Behand-lung. Eine Störung des Gleitens neuraler Gewebe äußert sichz. B. in anderen klinischen Merkmalen als eine Dysfunktion neu-raler Spannung. Bei einer Gleitdysfunktion spürt der Patient beieiner Bewegung, die Spannung auf das Nervensystem ausübt, ty-pischerweise ein Nachlassen der Symptome.

Beim Slump-Test ruft eine HWS-Flexion Kreuzschmerzen hervor,wohingegen die Knieextension den Schmerz verringert. Norma-lerweise bewegen sich bei HWS-Flexion die neuralen Gewebekranialwärts [3], und Kreuzschmerzen sowie verminderte Flexi-onsbeweglichkeit der HWS könnten zu einer Dysfunktion desGleitens in kranialer Richtung führen. Kommt die Knieextensionhinzu, bewegen sich die neuralen Gewebe kaudalwärts (weg vonder verletzenden Richtung), und die Symptome verringern sich.

Bei einer Dysfunktion der neuralen Spannung verhält sich die Si-tuation anders. Zwar ruft auch hier HWS-Flexion beim Slump-TestSymptome hervor, aber Knieextension verstärkt die Symptome,weil die Bewegung die Spannung im Nervensystem noch erhöht.

Selbstverständlich erfordert jede Dysfunktion eine spezifisch aufdie ursächlichen Mechanismen eingehende Behandlung. So wer-den bei der Gleitdysfunktion Gleittechniken und je nach Sensiti-vität des Problems Spannungsbewegungen oder Bewegungeneingesetzt, die die Spannung im Nervensystem verringern.Wenn das Nervensystem später Spannungsbewegungen ertra-gen kann, kommen Spannungstechniken zum Einsatz.

Abb. 6 a–d Neurodynamische Abfolge bei einem zervikalen ProblemNiveau/Typ 3 b, um den Test sensitiver als den neurodynamischenStandardtest zu machen. Zur strukturellen Differenzierung könnenHandgelenk und Finger extendiert werden. Eine Veränderung der

Symptome weist auf einen möglichen neurodynamischen Mechanis-mus hin. a Kontralaterale Lateralflexion der HWS. b Depression derSkapula. c Glenohumerale Abduktion/Außenrotation. d Extension desEllenbogens.

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Bei Dysfunktionen der innervierten Gewebe treten diese in demvon einer neuralen Struktur innervierten Gewebe auf. So kannz. B. trotz beträchtlicher Besserung einer lumbalen Radikulo-pathie ein isolierter Schmerz in der Wade bleiben, auch wenndie Schmerzen in Rücken und Oberschenkel verschwunden sind.Dies ist möglicherweise auf efferente Vorgänge (neurogene Ent-zündung oder efferente Aberrationen der motorischen Nerven-funktion) zurückzuführen, die Veränderungen im Wadenmuskelhervorrufen und dadurch einen Triggerpunkt schaffen [22].

Früher wurden derartige distale Schmerzen für übertragenenSchmerz gehalten, weshalb der Schwerpunkt einer Behandlungauf der LWS und bei Nervenwurzeltechniken lag. Bei einem neu-ralen Problem ist jedoch die Behandlung der innervierten Gewe-be entscheidend. Dies kann in Form einer Hands-on-Behandlungdes Triggerpunkts oder anderer lokaler Behandlungen gesche-hen. Außerdem sind neurodynamische Techniken mit Muskelbe-handlungen kombinierbar, wodurch gleichzeitig auf Muskel-und Nervensystem eingewirkt wird.

Methode der Behandlungssteigerung

Bei der Behandlung neuraler Störungen ist oft die Konzentrationauf eine mechanische Dysfunktion zu Beginn der Behandlungproblematisch, insbesondere wenn das Problem irritabel ist undmechanische Belastung nicht vertragen wird (Niveau 1). Eine neueMöglichkeit, die Behandlung von einem niedrigen auf ein hohes

Niveau zu steigern, besteht darin, auf niedrigem Niveau die patho-physiologische Veränderung in den neuralen Geweben zu behan-deln und zur Behandlung der mechanischen Dysfunktion erst aufhöherem Niveau (z. B. Niveau 2 und 3) überzugehen, wenn die neu-ralen Gewebe mechanische Kräfte ertragen können (Abb. 9).

Abb. 7 a u. b Technik statischen Öffnens (Static opener technique)für die LWS, die durch Flexion und kontralaterale Lateralflexion Druckvon den linken lumbalen Nervenwurzeln nimmt. Der Patient liegt aufder schmerzfreien Seite, und die Foramina intervertebralia der schmer-zenden Seite werden geöffnet. a Sicht von vorne. b Sicht von hinten.

Abb. 8 a–c Technik dynamischen Schließens (Dynamic closer tech-nique) auf Niveau 2 bei rechtsseitiger verminderter Schließfunktionder LWS mit Nervenwurzelkomponente. a Ausgangsposition. b Bewe-gung (ipsilaterale Lateralflexion zur Verbesserung des Schließmecha-nismus des Foramen intervertebrale). c Ausmaß des erreichbarenSchließens.

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Dysfunktionen mechanischer Schnittstellen mit neuralenKonsequenzen

Nach dem System klinischer Neurodynamik lässt sich für einebessere Durchblutung und Hypoxie in der Nervenwurzel auf Ni-veau 1 das Foramen intervertebrale eine gewisse Zeitlang sta-tisch öffnen. Ist dies erreicht (in Form eines verbesserten neuro-logischen Status, geringerer distaler Schmerzen und bessererErgebnisse bei neurodynamischen Tests), werden Techniken zurVerbesserung des Schließmechanismus rund um die Nervenwur-zel eingesetzt.

Diese Steigerungsform kommt zur Anwendung, wenn die Sympto-me vorwiegend distal auftreten und sich bei schließenden Bewe-gungen (z. B. Extension oder ipsilaterale Lateralflexion) verstärkenoder nicht verbessern. Die Patienten reagieren oft zuerst auf öff-nende Bewegungen, die Druck von den neuralen Strukturen neh-men. Nach einer Besserung der pathophysiologischen Konditionin der Nervenwurzel sprechen sie besser auf Schließbewegungenan als bei zu früh eingesetzten Schließtechniken.

Neurale Dysfunktionen

Neurale Dysfunktionen können sehr spezifisch mit Steigerungs-techniken behandelt werden, die die betroffene Bewegung unddie Sensitivität berücksichtigen. Bei einer Dysfunktion der neu-ralen Spannung werden die betroffenen Nerven zuerst so posi-tioniert, dass sie keiner Spannung ausgesetzt sind und noch wei-ter weg von einer gespannten Position mobilisiert werden. DieseVorgehensweise verhindert eine Provokation.

In dem Maß der Verbesserung werden sie in eine bestimmteSpannungsposition gebracht, aber immer noch weg von derSpannung mobilisiert. Darauf folgen eine nichtgespannte Posi-tion und die Mobilisierung hin zu einer geringen Spannung. Ab-schließend werden die neuralen Gewebe in eine gespannte Posi-tion gebracht und von da aus hin zu noch mehr Spannungmobilisiert, um so ihre viskoelastische Funktion und mecha-nische Sensitivität zu verbessern.

Dieses neue System der Steigerungstechniken bei neuraler Mobi-lisation lässt sich entsprechend der spezifischen jeweiligen neu-ralen Dysfunktion anwenden (Abb. 10).

Bei Gleitdysfunktionen gilt generell dasselbe Prinzip, jedoch jenach Art der gewählten Steigerung mit modifizierter Richtung,in die das Nervensystem bewegt werden soll [22].

Schlussfolgerung

Das beschriebene neue System klinischer Neurodynamik beziehtsich auf neurale, mit muskuloskelettalen Dysfunktionen zusam-menhängende Störungen. Es umfasst Mechanik und Physiologiedes Nervensystems, Neuropathodynamik sowie aus den kausa-len Mechanismen hergeleiteten Diagnose- und Behandlungs-prinzipien.

In Form des neuen Steigerungssystems der Behandlungstech-niken spricht es außerdem die Ursache von Symptomprovoka-tionen an.

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Pathophysiologie Pathomechanik

Niveau 1 2 3a, b, c, d

Abb. 9 Behandlung der pathophysiologischen Veränderungen aufniedrigem Niveau (irritabel) und der mechanischen Dysfunktion aufhöheren Niveaus (2 und 3 a, b, c, d), wenn die neuralen Gewebe me-chanische Kräfte tolerieren können.

1. weg davon positionieren – weg davon bewegen

2. dazu hin positionieren – weg davon bewegen

3. weg davon postionieren – dazu hin bewegen

4. dazu hin positionieren – dazu hin bewegen

Abb. 10 System sich steigernder Behandlungstechniken für spezi-fische neurodynamische Dysfunktionen.

Shacklock M. Von neuraler Spannung … Manuelle Therapie 2006; 10: 22 – 30

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