34
4 Organische Verbindungen und ihre Reaktionswege Elemente Chemie 11 – 13 Niedersachsen 1 Vom Erdölprodukt zum Ananasaroma (S. 140 / 141) A1 a) Mögliche weitere Darstellungsformen sind: Keilstrichformell, Halbstrukturformel, Skelettformel b) A2 – Kettenstart: Beispielweise durch ein lautes akustisches Signal kommt ein Schneebrett am Steilhang ins Rutschen. – Kettenreaktion: Der herabrutschende Schnee reißt weiteren Schnee mit sich. – Kettenabbruch: Die Lawine kommt zum Erliegen, wenn die Neigung des Hangs zu gering wird. A3 Die Carbonylgruppe lässt sich zu einer Carboxygruppe oxidieren, ohne dass die Kohlenstoff- kette verändert wird. An der Ketogruppe ist eine Oxidation zu einem sekundären Alkohol nur mög- lich, wenn die Kohlenstoffkette durch Anlagerung eines weiteren Wasserstoff-Atoms verändert wird. Die Carboxygruppe ermöglicht wie bei anorganischen Säuren die Bildung von Salzen und Substitu- tionen mit anderen polaren Teilchen oder Gruppen. Doppel- und Dreifachbindungen ermöglichen Additionsreaktionen. A4 – Ananasaroma: 2-Methylbuttersäureethylester – Apfelaroma: Kombination aus 2-Methylbuttersäureethylester, Buttersäureethylester, Essigsäure-2-methylbutylester, Essigsäure-n-butylester und Essigsäurehexylester. – Himbeeraroma: u. a. Hexansäureethylester A5 A6 Wasser dient als Transportmittel für die Moleküle. Es wird durch das Filterpapier angesaugt und nach außen verteilt. Die Bestandteile des schwarzen Filzstiftes lösen sich mehr oder weniger gut im Wasser und werden von ihm nach außen transportiert. Die weniger gut löslichen Bestandteile bleiben früh wieder an dem Filterpapier haften. Je leichter ein Bestandteil löslich ist, desto weiter wird er auf dem Filterpapier nach außen transportiert. Auf diese Weise Trennen sich die Farben des schwarzen Filzstiftes auf dem Filterpapier von innen nach außen. A7 Individuelle Lösung z. B.: 4.1 Kohlenwasserstoffe als Rohstoffe (S. 142 / 143) A1 a) Rohöl wird im Röhrenofen auf 600 °C erhitzt. Gasförmiges Rohöl kommt in Destillationskolonne. Dort kühlt es auf dem Weg von unten nach oben ab. Wenn der Siedepunkt eines bestimmten Bestandteiles erreicht ist, wird er auf dem entspre- chenden Glockenboden flüssig und kann entnommen werden. Zu den Aufgaben H C C H H H H H C H H Keilstrichformel CH 3 CH 2 CH 3 +DŎEUVTWNVWTIQTOHŎ 6NHŎHVVIQTOHŎ O H 3 C O H 3 C O y O HO H N CH 3 O Paracetamol O H 3 C O OH O Acetylsalicylsäure Ibuprofen CH 3 H 3 C OH O CH 3 Zu den Aufgaben

4 Organische Verbindungen und ihre Reaktionswege · 2020. 2. 17. · 4 Organische Verbindungen und ihre Reaktionswege Elemente Chemie 11 – 13 Niedersachsen 1 Vom Erdölprodukt zum

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4 Organische Verbindungen und ihre Reaktionswege

Elemente Chemie 11 – 13 Niedersachsen 1

Vom Erdölprodukt zum Ananasaroma (S. 140 / 141)

A1 a) Mögliche weitere Darstellungsformen sind: Keilstrichformell, Halbstrukturformel, Skelettformelb)

A2 – Kettenstart: Beispielweise durch ein lautes akustisches Signal kommt ein Schneebrett am

Steilhang ins Rutschen. – Kettenreaktion: Der herabrutschende Schnee reißt weiteren Schnee mit sich. – Kettenabbruch: Die Lawine kommt zum Erliegen, wenn die Neigung des Hangs zu gering wird.

A3 Die Carbonylgruppe lässt sich zu einer Carboxygruppe oxidieren, ohne dass die Kohlenstoff-kette verändert wird. An der Ketogruppe ist eine Oxidation zu einem sekundären Alkohol nur mög- lich, wenn die Kohlenstoffkette durch Anlagerung eines weiteren Wasserstoff-Atoms verändert wird. Die Carboxygruppe ermöglicht wie bei anorganischen Säuren die Bildung von Salzen und Substitu-tionen mit anderen polaren Teilchen oder Gruppen. Doppel- und Dreifachbindungen ermöglichen Additionsreaktionen.

A4 – Ananasaroma: 2-Methylbuttersäureethylester – Apfelaroma: Kombination aus 2-Methylbuttersäureethylester, Buttersäureethylester,

Essigsäure-2-methylbutylester, Essigsäure-n-butylester und Essigsäurehexylester. – Himbeeraroma: u. a. Hexansäureethylester

A5

A6 Wasser dient als Transportmittel für die Moleküle. Es wird durch das Filterpapier angesaugt und nach außen verteilt. Die Bestandteile des schwarzen Filzstiftes lösen sich mehr oder weniger gut im Wasser und werden von ihm nach außen transportiert. Die weniger gut löslichen Bestandteile bleiben früh wieder an dem Filterpapier haften. Je leichter ein Bestandteil löslich ist, desto weiter wird er auf dem Filterpapier nach außen transportiert. Auf diese Weise Trennen sich die Farben des schwarzen Filzstiftes auf dem Filterpapier von innen nach außen.

A7 Individuelle Lösung z. B.:

4.1 Kohlenwasserstoffe als Rohstoffe (S. 142 / 143)

A1 a) – Rohöl wird im Röhrenofen auf 600 °C erhitzt.

– Gasförmiges Rohöl kommt in Destillationskolonne. – Dort kühlt es auf dem Weg von unten nach oben ab. – Wenn der Siedepunkt eines bestimmten Bestandteiles erreicht ist, wird er auf dem entspre-

chenden Glockenboden flüssig und kann entnommen werden.

Zu den Aufgaben

H C

CH H

H

H H

CH H

Keilstrichformel

CH3 CH2 CH3

OH3C

O

H3C O–

O–

HO

HN CH3

O

Paracetamol

OH3C

O

OH

O

AcetylsalicylsäureIbuprofen

CH3

H3C

OH

O

CH3

Zu den Aufgaben

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2 Elemente Chemie 11 – 13 Niedersachsen

b) Bestimmte Bestandteile des Rohöls werden bei der Destillation unter Atmosphärendruck nicht gasförmig. Im Vakuum wird der Siedepunkt herabgesetzt. Beispielsweise lässt sich leichtes Schmieröl bei Atmosphärendruck nicht von den anderen restlichen Bestandteilen trennen, unter Vakuumdestillation aber schon.

A2 Oben erkennt man eine Carboxygruppe, auf der rechten Seite eine Estergruppe.

A3 a) – z. B. Viele Dinge im Alltag bestehen aus Kunststoff → Funktionalität

– Eigenschaften auf Funktion anpassbar – Gewichtersparnis

b) z. B. Kunststoffmüll landet im Ozean → Beeinträchtigt Lebewesen → Lebewesen fressen den Kunststoff → wir nehmen ihn über die Lebewesen zu uns

c) z. B. Die Nachteile überwiegen → Einschränkung des Kunststoffkonsums

4.2 Molekülstrukturen am Computer (S. 144 / 145)

A1 a) Formeln von Methanol:

Strukturformel Halbstrukturformel Skelettformel Keilstrichformel

CH3 – OH – OH HC

OH

H H

b) Darstellungsform Vorteile Nachteile

Strukturformel Da sie alle bindenden und nicht-bindenden Elektronenpaare zeigen, sind Strukturformeln für die Dar-stellung von Reaktionsmechanis-men gut geeignet.

Es ist sehr aufwändig, Struktur- formeln großer Moleküle zu zeich-nen.

Halbstrukturformel Halbstrukturformeln lassen sich schneller zeichnen als Strukturfor-meln. Durch die Zusammenfassung von Molekülgruppen zu Summen-formeln sind Halbstrukturformeln übersichtlich; auch funktionelle Gruppen sind gut erkennbar.

In Halbstrukturformeln sind die Bindungen oft formal „falsch“ eingezeichnet, z. B. besteht im Methanolmolekül (CH3 − OH) keine Bindung zwischen einem H-Atom und dem O-Atom. Freie Elektronen-paare sind nicht erkennbar.

Skelettformel Große Moleküle können sehr schnell gezeichnet werden. Skelettformeln großer Moleküle sind meistens noch übersichtlicher als Halbstrukturformeln; insbeson-dere Heteroatome sind auf den ersten Blick erkennbar.

Skelettformeln sind für ungeübte Betrachter etwas schwieriger zu interpretieren. Für kleine Moleküle sind sie praktisch unbrauchbar: Methan ist als Skelettformel nicht darstellbar. Die Skelettformel von Ethan ist nur ein Strich, der ohne weitere Erläuterung alles mögliche bedeuten kann. Auch für Methanol ist eine Skelettformel i. d. R. nicht sinnvoll, da sie doppeldeutig ist: Man sieht nicht, ob damit nur eine Hydroxygruppe oder ein ganzes Methanolmolekül gemeint ist.

Keilstrichformel Keilstrichformeln zeigen die räumliche Anordnung der Atome im Molekül.

Keilstrichformeln, vor allem von großen Molekülen, sind schwierig zu zeichnen. Voraussetzung zum Zeichnen ist die Kenntnis aller Bin-dungswinkel.

Zu den Aufgaben

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Elemente Chemie 11 – 13 Niedersachsen 3

A2 Beispiel-Lösung (Screenshot):

A3 a) 3D-Modelle des Propansäure-Moleküls:

Stäbchenmodell Kugel-Stab-Modell Kalottenmodell

b) Modell Vorteile Nachteile

Stäbchenmodell – Stereochemische Aspekte von Mole-külen und intramolekulare Vorgänge der Torsion und Rotation können anschaulich gemacht werden

– Die kleine Darstellung der Atome ge- stattet einen guten Tiefenblick in die Struktur großer Moleküle

– Mehrfachbindungen werden nicht dargestellt

Kugel-Stab-Modell

– Stereochemische Aspekte von Mole- külen und intramolekulare Vorgänge der Torsion und Rotation können an-schaulich gemacht werden

– Deutlichere Darstellung der Größen- verhältnisse verschiedener Atome als im Stäbchenmodell

– Deutlichere räumliche Darstellung als im Stäbchenmodell

– Mehrfachbindungen werden nicht dargestellt

Kalottenmodell – Die Relationen der Atomgrößen, Bindungswinkel und Bindungslängen entsprechen den tatsächlichen Verhält-nissen

– Bindungen werden nicht dargestellt

– Unübersichtliche Darstel-lung der stereochemischen Aspekte

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4 Elemente Chemie 11 – 13 Niedersachsen

A4 a) Die Bindungswinkel bei allen genannten Molekülen betragen 109,5°.b) Da in diesen Verbindungen weder Verzweigungen noch ringförmige Strukturen vorhanden sind,

kann sich der ideale Tetraederwinkel immer einstellen. Trotzdem sind viele Konformationen denk- bar, da interne Drehungen um die C–C-Einfachbindung möglich sind.

Hinweis: Auch die Untersuchung realer Alkane durch Elektronenbeugung und mit spektrosko-pischen Methoden hat bestätigt, dass die Bindungswinkel 109,5° betragen.

A5

a) Molekül Molare Bindungs energie in kJ/mol

Bindungslängein pm

H2 – 436 74

F2 – 159 142

Cl2 – 242 199

Br2 – 193 228

I2 – 151 267

HF – 567 92

HCl – 431 127

HBr – 366 141

HI – 298 161

b) Mit steigender Bindungslange nimmt der Betrag der Bindungsenergie ab. Dies gilt aber nur inner- halb der Reihe der Halogene ( X 2 ) bzw. Halogenwasserstoffe (Hydrogenhalogenide, HX). Ein Ver- gleich von z. B. F 2 und HBr ist nicht sinnvoll: Sie haben annähernd gleiche Bindungslangen, aber unterschiedliche Bindungsenergien.

c) Im Stickstoff-Molekül liegt eine Dreifachbindung vor; dadurch erhöht sich der Betrag der Bindungs-energie im Vergleich zu einer Einfachbindung. Dementsprechend ist die Bindungslänge der Drei - fachbindung mit 110 pm deutlich kleiner als die Länge der Einfachbindung im Hydrazin-Molekül ( H 2 N – N H 2 ) mit 145 pm.

Zusatzinformation Zum Herunterladen der Moleküleditoren ist i. d. R. eine Registrierung mit Namen und E-Mail-Adresse erforderlich. Für den Download der Freeware-Programmvarianten fallen keine Kosten an.

Die Hauptfunktion aller im Schülerbuch genannten Moleküleditoren ist die Erstellung chemischer Strukturformeln und Reaktionsgleichungen. Darüber hinaus bieten alle Programme weitere Zusatz-funktionen an, die für den Unterrichtseinsatz hilfreich sein können. Die folgende Tabelle gibt einige Hinweise zu den einzelnen Programmen, ohne dabei alle Funktionen vollständig zu erläutern.

Programm Zusätzliche Features Hinweise

C-Design – Bibliothek mit chemischen Gerät-schaften zum Zeichnen von Appara-turen

– Keine Registrierung beim Hersteller notwendig

ChemSketch – Bibliothek mit chemischen Gerät-schaften zum Zeichnen von Appara-turen

– Automatische Benennung der Mole-küle nach der IUPAC-Nomenklatur

– 3D-Viewer – Einfache Funktionen zum Molecular

Modelling

– Registrierung beim Hersteller erforderlich

– Benennung nach IUPAC in der kostenlosen Version nur für Moleküle bis zu 50 Atomen möglich

Accelrys Draw (Symyx Draw)

– Erstellung von Strukturformeln aus IUPAC-Namen

– Registrierung beim Hersteller erforderlich

– Symyx-Draw wird in neuer Version unter dem Namen Accelrys Draw fortgeführt

Chemograph Plus – Registrierung beim Hersteller erforderlich

– 3D-Programmteil, Spektren-bearbeitung und Bibliotheks-editor nur gegen Bezahlung

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Elemente Chemie 11 – 13 Niedersachsen 5

4.3 Halogenalkane durch radikalische Substitution (S. 146 – 148)

A1 1. Startreaktion: Durch Zufuhr von Energie (Erhitzen oder Belichten) werden in der Startreaktion Brommoleküle in Bromatome gespalten.

Teilchen, die wie die Bromatome unge- paarte Elektronen aufweisen, sind sehr reaktionsfreudig. Man bezeichnet sie als Radikale.

2. Reaktionskette: In der auf die Startreaktion folgenden Reaktionskette bilden sich abwechselnd Methyl- und Bromradikale; als Produkte bilden sich Brommethan- und Brom- wasserstoffmoleküle.

Reagieren die Bromatome mit Brom- methanmolekülen, bilden sich in einer weiteren Reaktionskette Dibrommethan- und Bromwasserstoffmoleküle.

3. Abbruchreaktionen: Neben den Reaktionen, die zur Bildung von Brommethan-, Dibrommethan- und Brom-wasserstoffmolekülen führen, finden auch Abbruchreaktionen statt, in denen je zwei Radikale miteinander reagieren.

Die gesamte Reaktion bezeichnet man wegen der daran beteiligten Radikale als radikalische Substitution.

Zu den Aufgaben

Br Br

1. Startreaktion:

Br Br

2. Reaktionskette:

Br

2.1a

2.2a

2.3a

3. Abbruchreaktionen:

C

H

HH

H

H Br+ C

H

H

H

+

C

H

H

H

+ Br Br C

H

H

H

Br Br+

C

H

HH

H

Br + usw.

+

Br Br+3.1

Br Br

3.2

3.3

C

H

H

H

+ C

H

H

H

C

H

CH

H H

H

H

C

H

H

H

+ Br C

H

H

H

Br

C

H

Br

H

+ C

H

Br

H

C

H

CBr

H H

H

Br

C

H

BrH + Br C

H

H

Br

Br

2.1b

2.2b

2.3b

C

H

BrH

H

H Br+ C Br

H

H+

+ Br Br C

H

H

Br

Br Br+

C

H

H

H

Br + usw.

C Br

H

H

Br

Br

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6 Elemente Chemie 11 – 13 Niedersachsen

A2 Reaktionsmechanismus der Bromierung von Ethan:

A3 a)

b) 2-Chlor-2-Methylbutan ist ein tertiäres Chloralkan und daher am stabilsten. Sein Anteil ist ent- sprechend am höchsten. 3-Chlor-2-Methylbutan ist ein sekundäres Chloralkan und weniger stabil als ein tertiäres. Daher kommt es am zweithäufigsten vor. 1-Chlor-2-Methylbutan und 4-Chlor-2-Methylbutan sind primäre Chloralkane, die am wenigsten stabil sind und daher den geringsten Anteil an den möglichen Reaktionsprodukten haben.

V1 a) Das Indikatorpapier färbt sich rot, da aus dem Kolben gasförmiger Bromwasserstoff (Hydrogen-

bromid) entweicht, der mit Wasser Oxoniumionen bildet: HBr + H 2 O H 3 O + + B r − b) Die Flamme färbt sich grün. Hinweis: Erhitzt man eine halogenhaltige organische Verbindung mit Kupfer, so entstehen flüch-

tige Kupferhalogenide, die die Flamme grün färben. Dies bezeichnet man als Beilsteinprobe.

Zusatzinformation

Vorkommen und Verwendung halogenierter KohlenwasserstoffeHalogenierte Kohlenwasserstoffe werden in vielen Bereichen eingesetzt. Beispiele: – Als Lösungsmittel zum Entfetten von Metallen, zur Stofftrennung in der Erdölindustrie und im

Labor, in der chemischen Reinigung (z. B. Perchlorethylen), zur Textilveredelung (z. B. Imprägnierung)

Br Br

1. Startreaktion:

Br Br

2. Reaktionskette:

Br

2.1

2.2

2.3

3. Abbruchreaktionen:

C

H

HH

H

H Br+ C

H

H

H

+

C

H

H

H

+ Br Br C

H

H

H

Br Br+

C

H

HH

H

Br + usw.

+

Br Br+3.1

Br Br

3.2

3.3

C

H

H

H

+ C

H

H

H

C

H

CH

H H

H

H

C

H

H

H

+ Br C

H

H

H

Br

C

H

H

C

H

H

C

H

H

C

H

H

C

H

H

C

H

H

C

H

H

C

H

H

C

H

H

C

H

H

C

H

H

H3C

CH3

Cl

4-Chlor-2-Methylbutan

ClH3C

H3C CH3

3-Chlor-2-Methylbutan

CH3 CH3

CH3

Cl

2-Chlor-2-Methylbutan

Cl CH3

CH3

1-Chlor-2-Methylbutan

H3C

CH3

Cl

4-Chlor-2-Methylbutan

ClH3C

H3C CH3

3-Chlor-2-Methylbutan

CH3 CH3

CH3

Cl

2-Chlor-2-Methylbutan

Cl CH3

CH3

1-Chlor-2-Methylbutan

Zu dem Versuch

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Elemente Chemie 11 – 13 Niedersachsen 7

– Zur Schädlingsbekämpfung in der Landwirtschaft sind diverse halogenierte Kohlenwasserstoffe im Einsatz, wie z. B. Brommethan, Hexachlorcyclohexan („HCH“, „Lindan“), 1,3-Dichlorpropen. Auch halogenierte aromatische Verbindungen werden eingesetzt, z. B. polychlorierte Phenole und Chlor benzole.

– Chlorierte Fluormethane und -ethane (Chlorfluorkohlenwasserstoffe, CFKW) werden wegen ihrer niedrigen Siedetemperatur und ihrer chemischen Stabilität als Kältemittel verwendet. Typische Handelsnamen sind z. B. „Frigene“, „Freone“, „Flugene“. Da sie die Ozonschicht schädigen, wurde die Verwendung der CFKW durch das Montreal-Protokoll weitgehend abgeschafft. Fluorierte Kohlen-wasserstoffe werden aber weiterhin als Kältemittel eingesetzt. Sie schädigen die Ozonschicht nicht, sind aber starke Treibhausgase.

– Als Feuerlöschmittel finden halogenierte Kohlenwasserstoffe u. a in sog. Halon-Löschern Verwen-dung. Die früher verwendeten Halone, z. B. Bromchlordifluormethan (Halon 1211) sind heute in Deutschland nicht mehr zugelassen. Sie wurden durch andere halogenorganische Verbindungen ersetzt, wie z. B. das fluorierte Keton C F 3 – CF2–CO–CF(CF3)2 (FK-5-1-12).

– Medizinische Anwendungen sind das Vereisungsmittel Chlorethan und Narkosemittel (aktuell ist z. B. der halogenierte Ether Sevofluran (CF3–CH(CF3)–O–CH2F), Halothan (CF3–CHClBr) wird heute kaum mehr angewandt).

– Halogenierte Kohlenwasserstoffe haben in der chemischen Industrie eine besondere Bedeutung als Edukte für die Synthese und als Zwischenprodukte.

Halogenierte Kohlenwasserstoffe kommen auch in der Natur vor. Pro Jahr entstehen ca. 5 Millionen Tonnen Chlormethan durch natürliche Vorgänge wie z. B. Waldbrände und Vulkan ausbrüche.

Kennzeichnung der halogenierten KohlenwasserstoffeNeben den systematischen Namen der Chlorfluorkohlenwasserstoffe (CFKW) gibt es die Kennzeich-nung der „American Society of Heating, Refrigeration and Air Conditioning Engineers“, die auch von Deutschland übernommen wurde (DIN 8962). – Die letzte Ziffer gibt die Zahl der Fluoratome des Moleküls an. – Die vorletzte Ziffer entspricht der um eins vermehrten Zahl der Wasserstoffatome. – Die drittletzte Ziffer entspricht der um eins verminderten Zahl der Kohlenstoffatome. Die Null (die

sich bei Methanderivaten ergibt) wird weggelassen. – Sind Bromatome am Aufbau des Moleküls beteiligt, wird der Buchstabe B mit der Anzahl der

Bromatome hinzugefügt. – Die Anzahl der Chloratome ergibt sich aus der Ergänzung der Bindungen des Kohlenstoffatoms. – Den Ziffern wurde der Buchstabe R aufgrund der ursprünglichen Verwendung der CFKW in der

Kältetechnik vorangestellt (von engl. refrigerant, Kältemittel); häufig wird auch der Buchstabe F verwendet.

Beispiel: 1,1,2-Trichlor-1,2,2-trifluorethan (C2Cl3F3 , R 113)

R 1 1 3

Anzahl der F-Atome

Anzahl der H-Atome +1

Anzahl der C-Atome –1

Beispiel: Bromchlordifluormethan (CHBrF2 , R 12B1; vgl. das entspechende Halon-Beispiel unten)

R 1 2 B1

Anzahl der Br-Atome

Anzahl der F-Atome

Anzahl der H-Atome + 1

(Anzahl der C-Atome – 1 entfällt bei Methanderivaten)Die Halone werden häufig gesondert betrachtet, obwohl sie grundsätzlich der Reihe der CFKW zuzuordnen sind. Der Name ist eine Wortverdichtung des englischen Begriffs „halogenated hydro-carbon“. Halone sind Verbindungen, deren Moleküle Fluor-, teilweise auch Chlor-, aber immer Brom- atome aufweisen. Ihre separate Behandlung ergab sich aus ihrem eigenen Verwendungsbereich. Für sie wurde eine eigene Ziffern-Kennzeichnung eingeführt. Die vier Ziffern bezeichnen nacheinander:

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8 Elemente Chemie 11 – 13 Niedersachsen

1. Anzahl der C-Atome 2. Anzahl der F-Atome 3. Anzahl der Cl-Atome 4. Anzahl der Br-Atome

Beispiel: Bromchlordifluormethan (CHBrF2 , Halon 1211; vgl. das entspechende CFKW-Beispiel oben)

Halon 1 2 1 1

Anzahl der Br-Atome

Anzahl der Cl-Atome

Anzahl der F-Atome

Anzahl der C-Atome

4.4 Alkohole durch nucleophile Substitution (S. 149 – 151)

A1 Die Hydroxygruppe kann nur substituiert werden, wenn sie protoniert ist; die Abgangsgruppe ist also H 2 O. Da die Substitutionsreaktion an einem primären Kohlenstoffatom erfolgt, ist ein Reak- tionsablauf nach S N 2 zu erwarten. Reaktionsmechanismus:

Ein (hypothetischer) Reaktionsablauf nach SN1 würde die Bildung eines energiereichen primären Carbokations erfordern, zu dessen Bildung eine hohe Energie erforderlich ist.

A2 Wenn sich das Brom-Atom abspaltet, bleiben beide Bindungselektronen bei diesem. Dabei entsteht auch ein Carbenium-Ion. Darum handelt es sich um eine Heterolyse. Bei der Homolyse wäre ein Bindungselektron bei jedem Bindungspartner verblieben.

A3 Das „Verschwinden“ der organischen Schicht zeigt, dass aus einem hydrophoben Stoff ein hydrophiler Stoff entstanden ist: Das Halogenalkan hat in einer Substitutionsreaktion mit Hydroxid-ionen zu Bromidionen und Ethanol reagiert: C 2 H 5 Br + O H – C 2 H 5 OH + B r –

Der weiß-gelbe Niederschlag mit Silbernitratlosung in salpetersaurem Medium weist auf Silberbro-mid hin. Folglich enthielt das Gemisch nach der Reaktion Bromidionen, die nur aus den Bromethan-molekülen stammen können. Diese bilden mit Silberionen einen unlöslichen Niederschlag:B r – (aq) + A g + (aq) AgBr (s)

A4 Die Hydroxygruppe eines Alkoholmoleküls kann nur im protonierten Zustand (als „vorgebilde-tes“ Wassermolekül) substituiert werden. Daher tritt die Reaktion erst bei Zusatz von Schwefelsäure ein. Das Reaktionsprodukt Bromethan destilliert ab, da es von allen Komponenten die niedrigste Siedetemperatur hat. Reaktionsgleichungen:

C2H5OH + Br–

C2H5OH + B r – + H3O+ C2H5Br + 2 H2O

Zu den Aufgaben

C

H

C2H5

H

O H + H3O+ C

H

C2H5

H

O H

H

+ H2O

Ø C C2H5

H

H

+ H2O

Substitution der Abgangsgruppe H2O durch Ø nach dem SN2-Mechanismus:

O H

H

C2H5

Ø C

H

H

Ø + C

H

C2H5

H

O H

H

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Elemente Chemie 11 – 13 Niedersachsen 9

V1 Beobachtung: Nach dem Zusammengeben der Reaktionspartner wird die zunächst rotviolette Lösung farblos. Nach Zusatz von Silbernitratlösung entsteht ein weiß-gelber Niederschlag.

Deutung: Der Farbumschlag von rotviolett nach farblos zeigt eine Erniedrigung des pH-Wertes an, d. h., es wurden Hydroxidionen der Natronlauge verbraucht. Bei Zugabe von Silbernitratlösung entsteht ein weiß-gelber Niederschlag von Silberbromid, der anzeigt, dass sich zuvor Bromidionen gebildet haben. B1 im Schülerbuch zeigt die Reaktionsgleichung: Aus 2-Brom-2-methylpropan ist durch eine nucleophile Substitution 2-Methylpropan-2-ol entstanden. Die Reaktion läuft nach dem S N 1-Mechanismus ab, da als Zwischenprodukt ein tertiäres Carbokation entsteht.

V2 Durch gelösten Chlorwasserstoff (Hydrogenchlorid) sinkt der pH-Wert des Wassers (Bildung von Oxoniumionen; Universalindikatorlösung wird rot) und das Ethanol wird elektrisch leitfähig (Bildung von Ethyloxoniumionen).

Hinweise zur DurchführungChlorwasserstoff darf nur auf die Wasseroberfläche geleitet werden. Versucht man es in das Wasser zu leiten, löst es sich schneller im Wasser als es nachgeliefert wird. Dadurch entsteht ein Unterdruck, und das Wasser steigt schlagartig in den Gasentwickler.Darstellung von Chlorwasserstoff: Man baut einen Gasentwickler aus einem Erlenmeyerkolben mit doppelt durchbohrtem Stopfen, einem Tropftrichter mit Druckausgleich und einem Glasrohr. Dann gibt man mit wenig Wasser angefeuchtetes Natriumchlorid in den Erlenmeyerkolben und lässt aus dem Tropftrichter konzentrierte Schwefelsäure darauftropfen.

Weitere HinweiseMit der vorgeschlagenen Verfahrensweise lassen sich bei den Schülerinnen und Schülern im Zuge der didaktisch rückwärtigen Orientierung bereits bekannte Inhalte wieder abrufen bzw. wieder holen. Die Schüler können sowohl Vorwissen anwenden (Säure in Wasser färbt den Indikator rot, Protolyse-reaktion) als auch aufgefordert werden, Hypothesen hinsichtlich der Leitfähigkeit von Ethanol und Ethanol mit gelöstem Chlorwasserstoff zu bilden. Diese Hypothesen werden dann experimentell überprüft.

Alternativ kann man auch in beiden Lösungen die Leitfähigkeit messen. Wasser und Ethanol haben sehr unterschiedliche Leitfähigkeiten:

Wasser mit Spuren von gelöstem Kohlenstoffdioxid (25 °C): κ = 8 ⋅ 1 0 – 7 Ω – 1 c m – 1 reines Wasser (18 °C): κ = 4 ⋅ 1 0 – 8 Ω – 1 c m – 1 Ethanol (18 °C): κ = 1 ⋅ 1 0 – 9 Ω – 1 c m – 1

Obwohl die Leitfähigkeiten sehr unterschiedlich sind, kann man dies nur mit einem empfindlichen Messgerät (und hochreinen Flüssigkeiten) quantitativ zeigen. Trotzdem sollte der Unterschied zu- nächst erklärt werden: Der Grund ist die verschiedene Autoprotolysefähigkeit der beiden Stoffe (s. Kap. 8.2). Nach der Klärung dieser Frage löst man dann in beiden Flüssigkeiten Chlorwasserstoff und stellt in beiden Fällen eine Erhöhung der Leitfähigkeit fest.

V3 Durch nucleophile Substitution wird die Hydroxygruppe des Alkohols durch ein Halogenatom ersetzt. Mit der Beilstein-Probe wird das im Reaktionsprodukt enthaltene Halogen nachgewiesen. (Hinweis: Erhitzt man eine halogenhaltige organische Verbindung mit Kupfer, so entstehen flüchtige Kupferhalogenide, die die Flamme grün färben.)

Hinweise zur DurchführungDie Beilstein-Probe ist ein unspezifischer Nachweis für organische Halogenverbindungen. Sie ist unter Sicherheitsaspekten nicht unproblematisch, da sich u. U. sehr geringe Mengen von Dioxinen bilden können. Sie kann aber als Lehrerversuch unter dem Abzug durchgeführt werden. Man ver- wendet einen Kupferdraht, der am Ende zu einer Öse gebogen wird (oder auch ein Kupferdrahtnetz oder ein Stück Kupferblech). Der Kupferdraht wird in der nicht leuchtenden Brennerflamme so lange geglüht, bis keine grüne Flammenfärbung mehr auftritt. Den heißen Kupferdraht hält man dann in eine Probe der zu untersuchenden Substanz und erhitzt ihn dann wiederum in der nicht leuchtenden Flamme. Ist eine organische Halogenverbindungen vorhanden, färbt sich die Flamme grün.

Zu den Versuchen

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10 Elemente Chemie 11 – 13 Niedersachsen

V4 Beobachtung und Deutung: Nach kurzer Zeit trübt sich das Reaktionsgemisch, und es bildet sich eine zweite organische Phase auf der wässrigen Phase. Das Edukt 2-Methylpropan-2-ol ist in Wasser lös- lich; das Produkt 2-Chlor-2-methylpropan ist praktisch unlöslich. Reaktionsgleichung:

CH3C

CH3

CH3

CH3C

CH3

CH3

O H + H Cl Cl O H+

H

Die Reaktion verläuft nach dem SN1-Mechanismus.

Präparative Variante(Abzug !) Man gibt in einen Scheidetrichter 10 ml 2-Methylpropan-2-ol und 30 ml konz. Salzsäure. Der Scheidetrichter wird verschlossen und unter regelmäßigem vorsichtigem Belüften intensiv geschüt-telt. Danach wird der Scheidetrichter in einen Stellring gesetzt. Sollten sich die Phasen nur schwer oder gar nicht trennen, kann mit Natriumchlorid ausgesalzen werden. Die organische (obere) Phase wird in einen Erlenmeyerkolben gegeben und mit etwas Calciumchlorid getrocknet. Mit dem Reak- tionsprodukt kann man die Beilsteinprobe durchführen.Hinweise (nach „Organikum“, 21. Auflage 2001): Der Scheidetrichter sollte maximal zu zwei Dritteln gefüllt sein. Nach dem Verschließen mit einem Stopfen wird unter Festhalten des Hahnkükens und des Stopfens zunächst vorsichtig geschüttelt. Um den durch verdampfte Flüssigkeit entstandenen Überdruck abzubauen, wird der Scheidetrichter anschließend mit dem Auslauf nach oben gehalten (in den Abzug hinein) und am Hahn vorsichtig geöffnet. Der Vorgang des vorsichtigen Schüttelns und Lüftens wird so lange wiederholt, bis der Gasraum im Scheidetrichter mit Flüssigkeitsdampf ge- sättigt ist und der Druck unverändert bleibt. Anschließend wird 1 bis 2 Minuten kräftig geschüttelt.

Zusatzinformationen Die wesentlichen Unterschiede zwischen der SN1- und SN2-Reaktion sind im Schülerbuch be- schrieben. Im Folgenden wird dies noch am Beispiel der Hydrolysen von Iodmethan bzw. 2-Iod-2- methylpropan verdeutlicht und genauer behandelt.

Die Hydrolyse von Iodmethan mit Kalilauge ist eine SN2-Reaktion:

C +

HH

H

Ø C

HH

H

+ C

HH

Ø

H–

ØH O H O H O

Das nucleophile Teilchen greift gegenüber von der Abgangsgruppe an. Im Übergangszustand exis- tieren eine noch nicht vollständig gebildete C–O-Bindung sowie eine noch nicht vollständig gelöste C−I-Bindung. Anschließend wird die C–I-Bindung vollständig gelöst und die C–O-Bindung vervoll-ständigt.

Im Unterschied dazu ist die (sonst analog scheinende) Hydrolyse von 2-Iod-2-methylpropan eine SN1-Reaktion:

O HCH3CCH3C

CH3

CH3

Ø –Ø–CH3

CH3

+ OH–

CH3C

CH3

CH3

Hier entsteht als Zwischenprodukt ein Carbokation (Carbeniumion). Die SN1-Reaktion ist hier begünstigt, da das Carbokation durch den + I - Effekt der drei Methylgruppen am positiv geladenen C-Atom stabilisiert wird.

Allgemein gilt für den Einfluss der Substituenten: – Wenn als Zwischenprodukt ein mit drei elektronenschiebenden Gruppen substituiertes Carbo-

kation entstehen kann, ist die SN1-Reaktion begünstigt. Beispiel: Substitution an tertiären Alko- holen (s. Versuch).

– Ein unsubstituiertes Carbokation ist sehr instabil und entsteht nur mit geringer Wahrscheinlichkeit als Zwischenprodukt. In diesem Fall ist die ist die SN2-Reaktion begünstigt. Beispiel: Substitution an primären Alkoholen.

Ob eine SN1- oder SN2-Reaktion stattfindet, hängt aber nicht nur vom organischen Edukt ab, sondern auch vom Lösungsmittel und von den Konzentrationen der Edukte: – Polare, protische Lösungsmittel begünstigen die SN1-Reaktion. Sie solvatisieren beide Zwischen-

produkte (das Carbokation und das abgespaltene Anion) und stabilisieren sie dadurch. Beispiele:

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Elemente Chemie 11 – 13 Niedersachsen 11

Wasser, Methanol, Ethanol. („Protisch“ bedeutet, dass das Lösungsmittelmolekül Wasserstoffatome mit positiver Partialladung enthält.)

– Polare, aprotische Lösungsmittel begünstigen die SN2-Reaktion. Das Nucleophil liegt in diesen Lösungsmitteln fast unsolvatisiert vor, sodass es klein ist und das C-Atom besser angreifen kann. Außerdem wird auch das abgespaltene Anion nicht solvatisiert, sodass es „lieber“ möglichst lange am C-Atom gebunden bleibt. Beispiele: Aceton, Acetonitril, Nitromethan, Dimethylsulfoxid.

– Hohe Konzentrationen beider Edukte begünstigen die SN2-Reaktion.

Viele nucleophile Substitutionen (z. B. an sekundären Alkoholen) sind weder SN1- noch SN2-Reak-tionen, sondern zeigen Merkmale beider Reaktionsmechanismen. Ob hier beide Mechanismen nebenein ander ablaufen, oder ob eher ein „Zwischenmechanismus“ vorliegt (durch Lösungs mittel-moleküle zusammengehaltene „innere Ionenpaare“), ist noch umstritten.

Die beiden unterschiedlichen Reaktionsmechanismen beeinflussen den zeitlichen Ablauf der Reaktion (Kinetik) und die Reaktionsprodukte: – Kinetik: Bei der SN1-Reaktion ist der erste Schritt geschwindigkeitsbestimmend, da er wesentlich

langsamer ist als der zweite Schritt. Die Reaktionsgeschwindigkeit ist daher i. d. R. nur von der Kon- zentration des organischen Edukts (hier 2-Iod-2-methylpropan) abhängig (Reaktion 1. Ordnung). Die SN2-Reaktion läuft in einem Schritt ab, daher ist ihre Reaktionsgeschwindigkeit von der Kon- zentration des organischen Edukts (hier Iodmethan) und von der Konzentration des Nucleophils (hier OH–) abhängig (Reaktion 2. Ordnung).

– Nebenprodukte: Da bei der SN1-Reaktion ein Carbokation als echtes Zwischenprodukt entsteht, kann dieses auch auf einem anderen Reaktionsweg weiterreagieren, v. a. in einer Eliminierungs-reaktion zum Alken.

– Spiegelbildisomerie: Falls an einem asymmetrischen C-Atom substituiert wird, erhält man im Falle der SN1-Reaktion beide Enantiomere als Produkt, da das Zwischenprodukt ein trigonal planares (und damit spiegelsymmetrisches, d. h. achirales) Carbokation ist:

R1

X

R3

R1

R2

–X

R2

R3

Nu+

von links

von rechts

C C

CNu

R1

R2R3

C Nu

R1

chirale Verbindung(nur ein Enantiomer)

planares, achiralesCarbokation

chirale Verbindung(Enantiomergemisch 1 : 1)

R3R2

Im Falle der SN2-Reaktion bleibt das C-Atom während des ganzen Reaktionsablaufs asymmetrisch. (Das „Umklappen des Regenschirms“ im Übergangszustand bezeichnet man als Walden-Umkehr oder Walden’sche Umkehrung). Setzt man eine optisch aktive Verbindung als Edukt ein, so ist auch das Produkt optisch aktiv:

R1

+ X

R2R3

Nu + Nu X

R1

X

R3R2

C

chirale Verbindung(nur ein Enantiomer)

trigonal-bipyramidaler,chiraler Übergangszustand

chirale Verbindung(nur ein Enantiomer)

C CNu

R1

R2R3

Zusammenfassung der Unterschiede von SN1 und SN2:

SN1 SN2

Kinetik 1. Ordnung 2. OrdnungStereochemie Racemisierung Walden-UmkehrC-Atom mit Abgangsgruppe tertiär primärLösungsmittel polar, protisch polar, aprotisch

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12 Elemente Chemie 11 – 13 Niedersachsen

LiteraturP. Sykes: Reaktionsmechanismen der organischen Chemie. VCH, Weinheim 2001H. Frauenrath: Grundreaktionen der Organischen Chemie (Skript). FU Berlin, 2003. Download (Stand September 2019): http://www.bcp.fu-berlin.de/en/chemie/chemie/forschung/OrgChem/reissig/teaching/(Navigationsleiste links: „OC II – Reaktionsmechanismen der …“)C. Schmuck: Basisbuch Organische Chemie. München 2013 (Pearson)H. G. O. Becker et al.: Organikum – Organisch-chemisches Grundpraktikum. Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin. Ab der 20. Auflage: Wiley VCH, WeinheimC. Schmitt, O. Wißner, M. Schween: Carbenium-Ionen als reaktive Zwischenstufen. (Experimenteller) Zugang zu einem tieferen Verständnis organischer Reaktionen. Chemie konkret 20 (2/2013), 59

4.5 Ester und die Additions-Eliminierungsreaktion (S. 152 – 155)

A1 Ein Katalysator ist ein Stoff, der eine chemische Reaktion beschleunigt oder bei einer nied- rigeren Temperatur ermöglicht, ohne dabei verbraucht zu werden, d. h., er ist sowohl Edukt als auch Produkt der Reaktion. Ein Katalysator ermöglicht einen Reaktionsweg mit niedrigerer Aktivierungs-energie. Das Proton wird dieser Definition gerecht, da es die Reaktion beschleunigt und sowohl Edukt als auch Produkt ist.

A2 Das Zwischenprodukt ist instabil, da zwei OH-Gruppen an einem C-Atom gebunden sind. Dies steht im Einklang mit der Erlenmeyer-Regel: Ein Alkoholmolekül ist nur dann beständig, wenn nicht mehr als eine OH-Gruppe an einem C-Atom gebunden ist.

A3 Reaktionsgleichung für die Spaltung (Hydrolyse) von Oxalsäurediethylester mit Wasser:

V1 Oxalsäurediethylester lässt sich leicht mit Wasser hydrolysieren, sodass schon nach kurzem Erhitzen ein eindeutiges Versuchsergebnis gegeben ist. Reaktionsgleichung: siehe [A3] – Probe mit Universalindikatorlösung: Das Reaktionsgemisch färbt sich rot, es liegt also eine saure

Lösung vor. – Probe mit Calciumchlorid-Lösung (C a 2 + -Ionen): Es bildet sich ein weißer Niederschlag von Calcium-

oxalat. Bei der Reaktion ist demnach durch Hydrolyse des Oxalsäurediethylesters Oxalsäure ent- standen.

V2 Bei der Kondensationsreaktion von Octan-1-ol mit Essigsäure entsteht Essigsäureoctylester:C H 3 (C H 2 ) 7 OH + C H 3 C O 2 H C H 3 (C H 2 ) 7 O 2 CC H 3 + H 2 O

Essigsäureoctylester ist unlöslich in Wasser und schwimmt nach der Reaktion auf dem Reaktions- gemisch. Er hat einen leichten Geruch nach Orangen, kommt aber in vielen Pflanzen vor.

Zu den Aufgaben

C

C

O O

O O

C2H5

C2H5

2 H2O+C

C

O O

O O

H

H

+ 2 C2H5OH

Zu den Versuchen

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Elemente Chemie 11 – 13 Niedersachsen 13

4.6 Vom Alkohol zum Alken – Eliminierungsreaktionen (S. 156 / 157)

A1 Reaktionsgleichung:

C3H7OH C3H6 + H2O

Es handelt sich um eine Eliminierungsreaktion, bei der ein Wasser-Molekül abgespalten wird. Reaktionsmechanismus:

Das C-Atom, an dem die OH-Gruppe sitzt, ist mit zwei weiteren C-Atomen direkt verbunden. Propan-2-ol ist also ein sekundärer Alkohol.

A2 Reaktionsgleichung für die Dehydratisierung von Cyclohexanol:

V1 Es entwickelt sich ein Gas (2-Methylpropen). Dieses wird von Permanganat-Ionen oxidiert. Die violette Kaliumpermanganat-Lösung wird entfärbt, und es entsteht ein brauner Niederschlag von Mangandioxid. (Hinweis: Diese Nachweisreaktion von C=C-Doppelbindungen wird als Baeyer-Probe bezeichnet.) Reaktionsgleichungen:

Hinweise zur Durchführung Die alkalische Kaliumpermanganatlösung bezeichnet man auch als Baeyer-Reagenz. Herstellung:Lösung A: In 50 ml dest. Wasser werden 3 g Kaliumpermanganat gelöst.Lösung B: In 50 ml dest. Wasser werden 5 g Natriumcarbonat gelöst.

Zu den Aufgaben

H2SO4

Propan-2-ol

+

Schwefelsäure

+

Alkyloxonium-Ion Hydrogensulfat-Ion

1. Protonierung eines Alkohol-Moleküls:

2. Abspaltung eines Wasser-Moleküls:

H

OH

Carbo-Kation

3. Deprotonierung des Carbo-Kations:

Alkyloxoniumion

C CH3

H

OH

O S O

O

O H

CH3C CH3

H

OH

H

H

O S O

O

O H

Wasser

C CH3

H

OH

H

CH3C CH3

H

+

C C

H

H

H

H

+

Hydrogensulfat-Ion

O S O

O

O H

Carbo-Kation

CH3C

H

CH

H

Propen

+

Schwefelsäure

O S O

O

O H

H

H3C

H3C

H3C

C

C C

C

C C

H H

H

H

OH

H

H

H H

H

H H

C

CC

C

CC

HH

H

H

H

H

HH

H

H

H PO3 4

+ H O2

Zu dem Versuch

Eliminierungsreaktion:

C CH3

CH3

OH

(H2SO4)C CH2

CH3

+ H2O

Nachweis der C C-Doppelbindung:

C CH2

CH3

+ 2 MnO4– + 2 H2O C CH2

CH3

OH

2

OH

+ MnO2 + MnO42–2

H3C H3C

H3CH3C

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14 Elemente Chemie 11 – 13 Niedersachsen

Für den Einsatz im Versuch mischt man 1 Teil Lösung A mit 10 Teilen Lösung B. Die Lösungen sollten frisch hergestellt werden; vor allem die Lösung A ist nicht lange haltbar.Die Baeyer-Probe ist allerdings nicht sehr spezifisch. Das Baeyer-Reagenz oxidiert z. B. auch Alkine, viele Aldehyde, Ameisensäure, Ameisensäureester und manche Aromaten (Phenol- und Anilinderivate).

4.7 Reaktionen der Alkene – elektrophile Addition (S. 158 / 159)

A1

Reaktionsablauf Produkte Reaktionstyp

Bromierung von Ethan

Einsetzen der Reaktion erst nach Energiezufuhr (Belichten); vergleichweise langsame Reak tion

Zwei Produkte: Bromethan und Brom-wasserstoff (Hydrogen bromid, HBr). (Hinweis: Ein mögliches Nebenprodukt ist n-Butan, das sich aus zwei Ethyl-radikalen bildet. Außerdem bilden sich mehrfach bromierte Ethan- und Butan-derivate.)

Radikalische Substitution

Bromierung von Ethen

Sofortige, schnelle Reak- tion beim Zusammen-geben; keine Belichtung (bzw. andere Energie-zufuhr) erforderlich

Ein Produkt: Dibromethan.(Hinweis: Es gibt keine Neben-produkte.)

Elektrophile Addition

A2

Hinweise – Zum 1. Reaktionsschritt:

Da das Wasser-Molekül ein nucleophiles Teilchen ist, kann es die Doppelbindung nicht erfolgreich angreifen. Die Addition von Wasser ist daher säurekatalysiert, d. h., ein Oxonium-Ion greift elektrophil an. Dabei entsteht auch ein sehr geringer Anteil des primären Carbo-Kations und folglich eine geringe Menge von Butan-1-ol als Reaktionsprodukt.

– Zum 2. Reaktionsschritt: Ein freies Elektronenpaar des Wasser-Moleküls greift das Carbo-Kation nucleophil an und wird addiert.

– Zum 3. Reaktionsschritt: Abgesehen vom Reaktionsprodukt wird hier der Katalysator wieder ge- bildet.

– Gesamtgleichung:

Zu den Aufgaben

But-1-en

CH3 CH2 C C

H H

HH O H+

H

CH3 CH2 C

H

Oxonium-Ion

C H

H

H

+

H

O H

Carbo-Kation Wasser

1. Protonierung eines But-1-en-Moleküls:

2. Nucleophiler Angriff eines Wasser-Moleküls:

CH3 CH C C

H

+ CH3 CH2 C

H

Alkyloxonium-Ion

C H

H

H

H

H

H H

O H

O

H

H

Carbo-Kation

3. Abspaltung eines Protons:

CH3 CH2 C

H

C H

H

H

O

H

H

+

H

O H CH3 CH2 C

H

C H

H

H

OH

+ H O H

H

Oxonium-IonAlkyloxonium-Ion Butan-2-ol

2

H3O+

CH3 CH2 CH CH2 + H2O CH3 CH2 CH CH3

OH

But-1-en Wasser Butan-2-ol

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Elemente Chemie 11 – 13 Niedersachsen 15

V1 Nach 2 bis 3 Sekunden entfärbt sich das gelbliche Bromwasser, und es entsteht eine klare Lösung. Reaktionsgleichung: C 3 H 6 + B r 2 C 3 H 6 B r 2 Hinweise zur Durchführung: Bei Verwendung eines unpolaren Lösungsmittels, z. B. Cyclohexan, erfolgt die Entfärbung nach etwa 5 bis 6 Sekunden; es entsteht eine Lösung. In gesättigter Kalium-bromidlösung erfolgt die Entfärbung nach 2 bis 3 Sekunden; es entsteht eine Emulsion. Propen kann in Kleinstahlflaschen bzw. Druckdosen im Chemikalienfachhandel bezogen oder selbst hergestellt werden: – aus 2-Propanol und konz. Schwefelsäure – durch Auftropfen von 2-Propanol auf Tetraphosphordecaoxid: V. Obendrauf: Die Low-Cost-Lachgas-

Kanone. Praxis der Naturwissenschaften – Chemie 48 (3/1999), 35 (v. a. S. 39).

LiteraturM. Bruch, C. Schmitt, M. Schween: Die Markovnikov-Regel verstehen … Neue Schlüsselexperimente: die Addition von Wasser an Alkene in zwei getrennten Schritten. Praxis der Naturwissenschaften – Chemie 64 (Heft 3, April 2015), 14

4.8 Vom C4-Schnitt zur organisch-chemischen Synthese (S. 160 / 161)

A1 a) Reaktion von Isobuten mit Wasser: –

Nach der Regel von Markownikow verläuft die Additionsreaktion über das stabilere (tertiäre) Carbokation, sodass als Hauptprodukt 2-Methyl-propan-2-ol entsteht.

b) Reaktion von Isobuten mit Methanol:

Nach der Regel von Markownikow verläuft die Additionsreaktion über das stabilere (tertiäre) Carbokation, sodass als Hauptprodukt MTBE entsteht.

Zu dem Versuch

Zu den Aufgaben

C

CH+

H3C CH3

H H

C

CH3

H3C CH3

C

CH3

H3C CH3

+ O H

H

C

CH3

H3C

CH3

O H

H

C

CH3

H3C

CH3

O H H+

Protonierung des Alkens:

Anlagerung eines H2O-Moleküls und Abspaltung eines Protons:

C

CH+

H3C CH3

H H

C

CH3

H3C CH3

C

CH3

H3C CH3

+H

C

CH3

H3C

CH3

O

H

C

CH3

H3C

CH3

O H+

Protonierung des Alkens:

Anlagerung eines CH3OH-Moleküls und Abspaltung eines Protons:

O CH3 CH3 CH3

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16 Elemente Chemie 11 – 13 Niedersachsen

A2 Großtechnisch wird Methanol heute aus Synthesegas (Gemisch aus Kohlenstoffmonooxid und Wasserstoff) hergestellt.Das Synthesegas kann aus fossilen Rohstoffen (Kohle, Erdöl, Erdgas) oder auch zukünftig aus nach- wachsenden Rohstoffen (Biomethan) hergestellt werden. Bei der Verwendung von Methan sind zwei Reaktionen möglich, partielle Oxidation oder Reaktion mit überhitztem Wasserdampf (Dampf-Reforming):

2 CH4 + O2 2 CO + 4 H2

CH4 + H2O (g) 800 C°; 4 MPaNi CO + 3 H2

Aus dem Synthesegas wird dann nach der folgenden Reaktion Methanol hergestellt:

CO + 2 H2 250 °C; 5 – 8 MPaCuO/ZnO CH3OH

Zukünftig könnte auch die Herstellung von Methanol aus Kohlenstoffdioxid an Bedeutung gewinnen:

CO2 + 2 H2 CH3OH + H2O

Methanol kann als Lösungsmittel und als Energieträger (z. B. in Brennstoffzellen oder als Treibstoff-zusatz) verwendet werden.Zur Herstellung der folgenden Produkte kann Methanol eingesetzt werden: – Kunststoffe (z. B. Terephthalsäuredimethylester, Formaldehydharze, Methacrylsäuremethylester) – Essigsäure – MTBE – Silikone – Insektizide – Tenside

HinweiseDie Lösung kann zum Großteil dem Schülerbuch entnommen werden (Kap. 2.11).

Eine direkte Reaktion von Methan mit Sauerstoff wäre denkbar: 2 CH4 + O2 2 CH3OHDiese Reaktion ist jedoch schwierig zu realisieren, da das entstehende Methanol reaktiver ist als Methan und mit dem Sauerstoff zu Kohlenstoffdioxid und Wasser verbrennen würde.

A3 Buten-Iosomere und ihre Carbokationen:

Im ersten Schritt der Additionsreaktion bildet sich sowohl aus But-1-en als auch aus (E )- und ( Z )-But-2-en ein sekundäres Carbokation. Aus Isobuten bildet sich ein tertiäres Carbokation. Da zur Bildung des tertiären Carbokations weniger Energie erforderlich ist, reagiert Isobuten wesentlich schneller als die anderen Buten-Isomere.

CH CH32CH CH2 CH CH33CH CH2

But-1-en

+ H

sekundäres Carbokation

CH CH33CH CH CH CH33CH CH2

(E)-But-2-en oder (Z)-But-2-en

+ H

sekundäres Carbokation

+ H

tertiäres Carbokation

CH2 C CH3

CH3

Isobuten (2-Methylpropen)

CH3 C CH3

CH3

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Elemente Chemie 11 – 13 Niedersachsen 17

A4 Wenn Bleitetraethyl ins Blut gelangt wirkt es als Nervengift. Bei der Verbrennung entstehen Bleioxide, die giftig für die Umwelt sind. Blei ist ein giftiges Schwermetall, das über das Grundwasser oder Oberflächenwasser in menschliche, tierische und pflanzliche Organismen gelangt. Auch MTBE und ETBE lagern sich im Grundwasser ab, jedoch wurde bei ihnen noch keine toxische Wirkung auf den Menschen nachgewiesen. Aufgrund der starken Umweltbelastung durch Bleiverbindungen war das Umsteigen auf MTBE und ETBE ein wichtiger Schritt zum Umweltschutz.

4.9 Reaktionsmechanismen im Vergleich (S. 162 / 163)

A1 Bei der radikalischen Substitution werden Atome oder Atomgruppen ersetzt. – Bei der radikalischen Substitution sind die reaktionsfähigen Teilchen, die das Substrat angreifen,

Radikale. – Bei der radikalischen Substitution erfolgen homolytische Spaltungen. – Die radikalische Substitution wird durch Licht oder Radikalbildner gestartet und ist danach eine

Kettenreaktion.

Bei der elektrophilen Addition erfolgt ein elektrophiler Angriff auf den Reaktionspartner. – Bei der elektrophilen Addition werden Doppelbindungen (oder Dreifachbindungen) aufgehoben. – Bei der elektrophilen Addition folgt auf den ersten Additionsschritt ein zweiter.

Die radikalische Substitution und die elektrophile Addition sind so unterschiedlich, dass sie sich kaum vergleichen lassen.

Bei der nucleophilen Substitution werden Atome oder Atomgruppen ersetzt. – Bei der nucleophilen Substitution sind die reaktionsfähigen Teilchen, die das Substrat angreifen,

Nucleophile. – Als Nukleophile können die verschiedensten Verbindungen eingesetzt werden. Dabei handelt es

sich um Anionen oder elektronenreiche Moleküle mit freien Elektronenpaaren.

Die radikalische Substitution und die nucleophilen Substitution unterscheiden sich im angreifenden Teilchen: Radikale gegenüber elektronenreichen Molekülen.

A2 Bei der Reaktion von Propen mit Wasser können durch elektrophile Addition Propan-1-ol bzw. Propan-2-ol gebildet werden.

A3 In Abbildung [B6] geht es um die Reaktion von Ameisensäure mit Methanol zu Ameisensäure-methylester und Wasser, also um eine Veresterung.Wenn man davon ausgeht, dass es sich um eine säurekatalysierte Veresterung handelt, dann besteht die Eliminierung in der Abspaltung eines Wasser-Moleküls (vgl. SB S. 153; [B5]). Dann bildet sich mit der Abspaltung des Wasser-Moleküls ein Carbo-Kation. Dieses spricht für eine Eliminierung nach [E1].

4.10 Benzol – ein Aromat (S. 164 / 165)

A1 Im Vergleich mit einem Alkan der Summenformel C 6 H 14 fehlen im Molekül der Verbindung mit der Summenformel C 6 H 6 acht H-Atome, d. h., ein offenkettiges Molekül müsste entweder zwei Dreifachbindungen, eine Dreifachbindung und zwei Doppelbindungen oder vier Doppelbindungen halten. Beispiele:

Zu den Aufgaben

Zu den Aufgaben

H

H

H

CC

C CH

HH

C C C C

H H

HH

HH CHC

C

H

H

CH

HH

C C

C C C C

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18 Elemente Chemie 11 – 13 Niedersachsen

A2 Die Strukturformel von Dewar steht nicht mit dem experimentellen Befund in Einklang, dass bei der Bromierung von Benzol nur ein Brombenzol-Isomer entsteht. Die beiden anderen Struktur-formeln stehen mit dem Befund in Einklang. Monosubstitutionsprodukte der beiden ersten Beispiele aus [A1]:

C C

Br

H

H

CC

C CH

HH

(E)-1-Brom-hexa-1,5-dien-3-in

C CH

Br

H

CC

C CH

HH

(Z)-1-Brom-hexa-1,5-dien-3-in

H

Br

CC

C CH

HH

2-Brom-hexa-1,5-dien-3-in

C CH

C C C C

H H

HH

HBr

1-Brom-hexa-1,5-diin

C C C C

H H

HBr

HH

3-Brom-hexa-1,5-diin

C CC C

A3 Das „Ladenburg-Benzol“ steht mit dem experimentellen Befund in Einklang, dass bei der Bromierung von Benzol nur ein Brombenzol-Isomer entsteht, da alle C-Atome gleichwertig sind. Es steht auch auf den ersten Blick damit in Einklang, dass es drei Dibrombenzol-Isomere gibt:

Bei genauerer Betrachtung erkennt man allerdings, dass das rechts dargestellte Molekül chiral ist, d. h., es gibt vier „Ladenburg-Dibrombenzol“-Isomere, von denen zwei zueinander spiegelbild isomer sind.

ZusatzinformationenBei der Untersuchung der unerwünschten Flüssigkeitsabscheidungen im „Ölgas“ von Gordons tragbaren Gaslampen entdeckte M. Faraday 1825 das „bicarburet of hydrogen“. E. Mitscherlich und E.-M. Péligot erhielten 1833 bis 1834 unabhängig voneinander beim Erhitzen von Benzoe säure (aus Benzoeharz) mit Kalk eine Flüssigkeit, die mit Faradays „bicarburet of hydrogen“ identisch war. E. Mitscherlich nannte sie Benzin, aber J. Liebigs Vorschlag Benzol setzte sich durch. Mitscher lich stellte die ersten Benzolderivate her, u. a. Chlor- und Brombenzol, Nitro benzol, Benzolsulfonsäure. 1845 isolierte A. W. Hofmann erstmals Benzol aus Steinkohlenteer.

Kekulés Schilderung seiner Vision, die zum Aufstellen der Ringformel führte:Ich drehte den Stuhl nach dem Kamin und versank in Halbschlaf. Wieder gaukelten die Atome vor meinen Augen. Kleinere Gruppen hielten sich diesmal bescheiden im Hintergrund. Mein geistiges Auge, durch wiederholte Gesichte ähnlicher Art geschärft, unterschied jetzt größere Gebilde von mannigfacher Gestaltung. Lange Reihen, vielfach dichter zusammengefügt; Alles in Bewegung, schlangenartig sich windend und drehend. Und siehe, was war das? Eine der Schlangen erfasste den eigenen Schwanz und höhnisch wirbelte das Gebilde vor meinen Augen. Wie durch einen Blitzstrahl erwachte ich; auch diesmal verbrachte ich den Rest der Nacht um die Consequenzen der Hypothese auszuarbeiten.Von Chemiehistorikern wird allerdings bezweifelt, dass diese Schilderung zutrifft.

LiteraturCh. Meinel: Vom Handwerk des Chemiehistorikers. Chemie in unserer Zeit 18 (1984), 62U. Dämmgen, R. Demuth, F. Kober: Benzol. Aus Quellentexte Chemie, Diesterweg, Frankfurt a. M., S. 16 – 23W. Jansen et al.: Über das Verhältnis großer Chemiker zueinander. Praxis der Naturwissenschaften – Chemie 2, 35 (1986), S. 12 – 16W. Jansen et al.: Benzol – Eine an der Chemiegeschichte orientierte Unterrichtskonzeption. Praxis der Naturwissenschaften – Chemie 2, 35 (1986), S. 17 – 23E. Mitscherlich: Über das Benzol und die Säuren der Öl- und Talgarten. Liebigs Annalen der Pharma-cie 9 (1834), S. 43 f, Auszüge abgedruckt in Praxis der Naturwissenschaften – Chemie 35 (1986), S. 26S. Neufeldt: Chronologie Chemie, 1800 bis 1980. VCH, Weinheim 1987K. Peter, C. Vollhardt: Organische Chemie. VCH, Weinheim

Br Br Br

Br

Br

Br

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Elemente Chemie 11 – 13 Niedersachsen 19

4.11 Bindungsverhältnisse im Benzol-Molekül (S. 166 / 167)

A1

Ethan Ethen Ethin Benzol

Hinweis: Die genaueren Winkel im Ethen sind 117,4° (H – C – H) und 121,3° (H – C – C).

A2 Die besondere Stabilität des Benzol-Moleküls ist auf den Bau des Benzol-Moleküls und die Mesomeriestabilisierung zurückzuführen: regelmäßiges, ebenes Sechseck, alle C–C-Bindungslängen gleich, Delokalisierung der sechs Ringelektronen.

A3 a) Summenformel Toluol: C 7 H 8 Summenformel Xylol: C 8 H 8 b) Mesomere Grenzstrukturen Toluol:

Mesomere Grenzstrukturen Xylol:

Hinweis: Es gibt zu beiden noch je eine mehr, die eine Ladung enthält, sich jedoch nicht aus der Seite ergibt.

Zu den Aufgaben

H

H

H

H120°

120°120°

H

H

CH C H

180° 180°

C

H

C

H

H

H

120°

120°

CH

H

C

H

H

H

H

109,5°109,5°

CH3CH3

CH3CH3

CH3 CH3

CH3CH3

CH3 CH3

CH3CH3

CH3 CH3

CH3CH3

CH3CH3

CH3 CH3

CH3CH3

CH3 CH3

CH3CH3

CH3 CH3

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20 Elemente Chemie 11 – 13 Niedersachsen

4.12 Mesomerie und Aromatizität (S. 168)

A1 Betrachtet man zunächst das Ethen-Molekül, so ist jedes der beiden Kohlenstoff-Atome über eine Doppelbindung mit dem anderen Kohlenstoff-Atom verbunden sowie über Einfachbindungen mit zwei Wasserstoff-Atomen. Nach dem Elektronenpaar- Abstoßungs- Modell (EPA-Modell) wird die Doppelbindung wie eine Einfachbindung behandelt und somit die Abstoßung von nur drei „Elektro-nenwolken“ betrachtet. Diese haben den größtmöglichen Abstand bei einer trigonal-planaren An- ordnung mit einem Bindungswinkel von ca. 120°. Beim Buta-1,3-dien-Molekül erwartet man analog, dass die beiden Molekülhälften für sich genommen eben sind. Das EPA-Modell würde aber freie Drehbarkeit um die Einfachbindung in der Mitte erlauben, sodass das Molekül als Ganzes nicht eben wäre. Die mesomeren Grenzstrukturen zeigen aber, dass auch die mittlere C–C-Bindung Doppelbindungscharakter hat:

C C C C

H HH

H H

HC C C C

H H

C C C C

H H

H

H H

H H

H

H

H

Die Delokalisierung ist energetisch günstiger als die Lokalisierung der Elektronen in den „endstän-digen“ Doppelbindungen. Wendet man das EPA-Modell auf die „polaren“ Grenzstrukturen und den Mittelteil des Moleküls an, ergibt sich auch dort eine planare Anordnung. Folglich erwartet man, dass das ganze Molekül planar ist.Hinweis: Messungen haben ergeben, dass im Buta-1,3-dien die beiden äußeren C−C-Bindungen etwas länger sind, als bei einer normalen Doppelbindung zu erwarten wäre, während die mittlere C−C-Bindung etwas kürzer ist, als bei einer normalen Einfachbindung zu erwarten wäre.

A2 Naphthalin:

Es liegt ein ringförmiges durchgehendes System von 5 konjugierten Doppelbindungen vor. Die Anzahl der delokalisierten Elektronen ist also 10. Dies entspricht der Hückel-Regel, wenn man n = 2 einsetzt: 4 n + 2 = 8 + 2 = 10⇒ Naphthalin ist nach der Hückel-Regel ein Aromat. Anthracen:

Es liegt ein ringförmiges durchgehendes System von 7 konjugierten Doppelbindungen vor. Die Anzahl der delokalisierten Elektronen ist also 14. Dies entspricht der Hückel-Regel, wenn man n = 3 einsetzt: 4 n + 2 = 12 + 2 = 14⇒ Anthracen ist nach der Hückel-Regel ein Aromat.

4.13 Beispiele für Aromaten (S. 169)

A1

A2 Pyrimidin:

N

N

– Ringförmiges Molekül – Durchgehendes System konjugierter Doppelbindungen, d. h., die Elektronen sind delokalisiert – Die Anzahl der delokalisierten Elektronenpaare ist 3, folglich ist die Anzahl der delokalisierten

Elektronen 6. Dies entspricht der Hückel-Regel, wenn man n = 1 einsetzt: 4 n + 2 = 4 + 2 = 6 ⇒ Pyrimidin ist nach der Hückel-Regel ein Aromat. Da es Stickstoffatome enthält, ist es ein hetero-

cyclischer Aromat.

Zu den Aufgaben

Zu den Aufgaben

Cyclohepta-1,3,5-trien

kein Aromat

CH3

1-Methyl-Cyclohexa-1,3,5-trien

Aromat

H3C CH3

H3C CH3

1,2,3,4-tetramethyl-cyclobut-1-en

kein Aromat

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Elemente Chemie 11 – 13 Niedersachsen 21

A3 a)

– Ringförmiges Molekül – Durchgehendes System konjugierter Doppelbindungen, d. h., die Elektronen sind delokalisiert – Die Anzahl der delokalisierten Elektronenpaare ist 9, folglich ist die Anzahl der delokalisierten

Elektronen 18. Dies entspricht der Hückel-Regel, wenn man n = 4 einsetzt: 4 n + 2 = 16 + 2 = 18 ⇒ Das Ringsystem ist nach der Hückel-Regel ein Aromat. Hinweis: Die Summenformel ist C18H12 ; der Name der Verbindung ist Benzo[a]anthracen.

b)

oder

Beide isomeren Moleküle (C17H12) sind ringförmig, aber das System konjugierter Doppelbindungen ist nicht durchgehend. Die Ringsysteme sind also als Ganzes keine Hückel-Aromaten.

Beim linken Molekül kann man allerdings die oberen drei Sechsringe zusammen als Hückel- Aromat betrachten, d. h., man kann das Molekül als Anthracen-Derivat betrachten. Beim rechten Molekül kann man die beiden rechten Sechsringe zusammen als Hückel-Aromat betrachten, d. h., man kann das Molekül als Naphthalin-Derivat betrachten.

Zusatzinformationen

Wandel des Begriffes „Aromat“. Ein Aromat ist …… an seinem Geruch erkennbar. (vor 1825)… durch hohen Kohlenstoffgehalt gekennzeichnet. (vor 1865)… ein Benzolabkömmling. (Kekulé 1865)… eine Verbindung, deren Reaktivität derjenigen des Benzols ähnelt. (Erlenmeyer 1866)… eine Verbindung, deren ringförmige Moleküle ein Elektronensextett aufweisen. (Armit und

Robinson 1925)… eine Verbindung, die bevorzugt Substitutionsreaktionen eingeht. (ab 1925)… eine Verbindung, deren ebene und ringförmige Moleküle ein Elektronensystem von (4 n + 2)

delokalisierten Elektronen besitzen mit n = 0, 1, 2, 3. (Hückel 1931)… eine Verbindung, in deren Molekülen ein diamagnetischer Ringstrom induziert werden kann.

(ab 1931)

Reduziert man die angegebenen Definitionen zum Begriff „Aromatizität“ auf die wichtigsten Punkte, so ergeben sich im Wesentlichen drei Merkmale, die als Basis für eine sinnvolle Differenzierung dienen können:1. die Struktur (ein ebenes System),2. die Art des delokalisierten Ringelektronensystems und3. das chemische Verhalten.

Nichtbenzoide Aromaten. Neben den klassischen aromatischen Verbindungen, die sich vom Benzol ableiten, gibt es noch andere Verbindungen mit aromatischem Charakter, die im Gegensatz zum Benzol eine ungerade Anzahl von Atomen im Ring besitzen. Diese Verbindungen werden zu einer Klasse zusammengefasst, den nichtbenzoiden Aromaten. Diese liegen meist als Kation oder als Anion vor und haben daher ein anderes Reaktionsverhalten als Benzol. Soll also der aromatische Zustand über das Benzol hinausgehend definiert werden, so kann nicht das chemische Verhalten zugrunde gelegt werden, sondern es müssen die physikalischen Eigenschaften betrachtet werden. Unter aromatischen Verbindungen im weitesten Sinne versteht man cyclische, ungesättigte Ringsysteme, in denen alle Ringatome an einem mesomeren System beteiligt sind und die sich durch eine hohe Mesomerieenergie auszeichnen. Ein weiteres wesentliches Kriterium ist der ebene oder nahezu ebene Bau des Ringsystems. Alle nichtbenzoiden Aromaten haben – wie die benzoiden aromatischen Verbindungen – 4 n + 2 delokalisierte Ringelektronen (π-Elektronen).

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22 Elemente Chemie 11 – 13 Niedersachsen

Das einfachste carbocyclische System dieser Stoffklasse ist das Cyclopropenylium-Kation mit zwei delokalisierten Ringelektronen (n = 0). Sowohl dieses als auch die stabileren dreifach substituierten Kationen sind synthetisiert worden:

HH

H

HH

H

HH

H

H H

H

Ein nichtbenzoider Aromat mit sechs delokalisierten Ringelektronen ist das Cyclopentadienid-Anion:

Eine besonders stabile Verbindung, das Ferrocen, entsteht bei der Einwirkung von Eisen(II)-chlorid auf die Grignard-Verbindung Magnesium-bromid-cyclopentadienid. Es wurde erstmals 1951 synthetisiert (orangefarbene Kristalle, ϑsm = 173 °C) und gehört zu den sog. Sandwichverbindungen (Metallocene):

2 [C5H5]MgBr + FeCl2   Fe(C5H5)2 + MgBr2 + MgCl2

Auch das Cycloheptatrienylium-Kation (Tropylium-Kation) hat sechs delokalisierte Ringelektronen. Es kann durch sieben energiegleiche Grenzformeln beschrieben werden:

Hückel-Regel. Erich Hückel (1896 – 1980, Professor für theoretische Chemie in Marburg) stellte 1931 für konjugierte monocyclische Kohlenwasserstoffe (Annulene) eine Regel auf, wonach sich die- jenigen als besonders stabil erweisen, die (4 n + 2) π-Elektronen (n = 0, 1, 2 …) besitzen. Dieses sind die aromatischen Systeme. Systeme mit 4 n π-Elektronen werden antiaromatisch genannt. Die beson- dere Stabilität der Kohlenwasserstoffverbindungen mit (4 n + 2) π-Elektronen (sog. Hückel-Aromaten) wird dadurch erklärt, dass in diesem Fall alle bindenden π-Molekülorbitale vollständig besetzt sind und damit ein geschlossenschaliger Zustand erreicht wird, ähnlich wie bei den Edelgas-atomen. Dies zeigt das folgende Molekülorbital-Schema (MO-Schema):

Anzahl der Elektronen

2 + 4 · 4 = 18

2 + 3 · 4 = 14

2 + 2 · 4 = 10

2 + 1 · 4 = 6 2 + 0 · 4 = 2

E1E0

E2

E3

E4

Ener

gie

Fe

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Elemente Chemie 11 – 13 Niedersachsen 23

Das abgebildete MO-Schema lässt sich aus dem Modell des Elektrons im eindimensionalen Kasten ableiten (vgl. Anhang im Schülerbuch, S. 482). Für den vorliegenden Fall legt man einen ring förmigen Aufenthaltsbereich zugrunde. Auf diesem Ring mit dem Umfang L soll ein konstantes Potential herrschen, dem der Wert null zugewiesen werden kann. Die Gesamtenergie eines Elektrons besteht deshalb nur aus kinetischer Energie:

E = 1 _ 2 ⋅ me ⋅ v 2 = me ⋅ v ⋅ me ⋅ v

__ 2 me =

p2

_ 2 me (mit dem Impuls p = me ⋅ v)

Wenn man das Elektron als stehende Welle betrachtet, muss die Auslenkung der Welle nach einem Umlauf um den Ring wieder denselben Wert haben. Diese Bedingung ist erfüllt, wenn der Ringum-fang L ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge λ n ist:

L = n ⋅ λ n (Die Quantenzahl n ist eine ganze Zahl.)

Da der Ringumfang L durch die Geometrie des Moleküls vorgegeben ist, sind also nur bestimmte Wellenlängen λn möglich. Beim ringförmigen Kastenpotential ist auch n = 0 möglich, wobei λ0 als unendlich groß angesehen werden muss. Auch negative Werte von n sind möglich.

Mit der De-Broglie-Gleichung λ ⋅ p = h bzw. λ = h/p kann man die Wellenlänge des Elektrons in den Impuls umrechnen. Die Bedingung für eine stehende Welle lautet dann:

L = n ⋅ λn = n ⋅ h _ pn ⇔ pn = n ⋅ h _ L

Wegen der Quantelung der Wellenlängen sind auch nur gequantelte Impulse möglich. In die obige Gleichung für die kinetische Energie eingesetzt ergibt sich somit:

E n = p n 2

_ 2 m e = n 2 ⋅ h 2 __ 2 m e ⋅ L 2

Außer für das tiefste Energieniveau E0 (n = 0) existieren für jedes weitere Energieniveau zwei Quantenzahlen n mit gleichem Betrag, aber unterschiedlichem Vorzeichen. Mit anderen Worten: Es gibt ein tiefstes Energieniveau, das nicht entartet ist, und darüber beliebig viele Energie niveaus, die alle jeweils zweifach entartet sind. Diese Energieniveaus entsprechen den Molekül orbitalen im obigen MO-Schema. Auf dem untersten Energieniveau können 2 Elektronen, auf allen weiteren je 4 Elektronen untergebracht werden. Wenn die Energieniveaus entweder voll oder gar nicht besetzt sind, so muss die Gesamtzahl der Elektronen 4 n + 2 mit n = 0, 1, 2 … sein. (Dieses n stimmt mit der oben benutzten Quantenzahl bis auf die Tatsache überein, dass hier keine negativen Werte möglich sind.)

Damit hat die Hückel-Regel eine elementare Begründung gefunden, die allerdings streng genommen nur für Systeme aus einem Ring Gültigkeit beanspruchen kann.

Die Vorhersage der besonderen Stabilität eines carbocyclischen Systems mit zwei π-Elektronen (n = 0) ist eine herausragende Leistung der Hückel-Regel: Das Cyclopropenylium-Kation wurde erstmals 1965 in Form von salzartigen Verbindungen hergestellt.

Cyclobuta-1,3-dien (s. B1 im Schülerbuch) ist antiaromatisch, d. h., die Anzahl seiner π-Elek-tronen genügt der Bedingung 4 n (mit n = 1, 2, 3, …). Es ist ein äußerst reaktives Molekül, das nur bei extrem tiefen Temperaturen überhaupt beobachtbar ist.

Cycloocta-1,3,5,7-tetraen, eine gelbe Flüssigkeit (ϑsd = 152 °C), ist ebenfalls sehr reaktiv und nur bei niedrigen Temperaturen stabil. Es wird an der Luft oxidiert, lässt sich leicht zu Cyclooctan hydrieren und geht elektrophile Additionsreaktionen ein. Diese Art der Reaktivität zeigt, dass es sich ebenfalls nicht um eine aromatische Verbindung handelt. Man bezeichnet das Cyclo octa tetraen-Molekül aber nicht als Antiaromat, da es nicht eben, sondern wannenförmig gebaut ist. Die vier konjugierten Doppelbindungen sind orthogonal zueinander ausgerichtet.

H H

H

HH

H H

H

117,6 °

126,1 ° 134 pm

148 pm

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24 Elemente Chemie 11 – 13 Niedersachsen

LiteraturH. Beyer, W. Walter: Lehrbuch der Organischen Chemie. S. Hirzel, Stuttgart M. A. Fox, J. K. Whitesell: Organische Chemie (Grundlagen Mechanismen, bioorganische Anwendungen). Spektrum, Akad. Verl., Heidelberg, Berlin, Oxford 1995 J. Falbe (Hrsg.): Römpp Chemie Lexikon K. Peter, C. Vollhardt: Organische Chemie. VCH, Weinheim E. Heilbronner, H. Bock: Das HMO-Modell und seine Anwendung. VCH, Weinheim

4.14 Das Benzol-Molekül im Orbitalmodell (S. 170 – 172)

Die Darstellung in diesem Exkurs verzichtet auf die Erklärung der roten bzw. blauen Färbung der Orbitale. Sie entspricht einem positiven bzw. negativen Vorzeichen der Wellenfunktion. Dies ent-spricht der Auslenkung einer „klassischen“ Welle nach oben bzw. nach unten. Zur besseren Übersicht-lichkeit sind in [B5], [B6] und [B7] die Bereiche der Hybridorbitale mit negativem Vorzeichen nicht eingezeichnet.

A1 Für die sechs C-Atome des Moleküls wird die s p 2 -Hybridisierung angenommen. Die drei s p 2 - Hybridorbitale liegen in einer Ebene und bilden einen Winkel von 120°. Zwei Hybridorbitale eines C-Atoms bilden durch Überlappung mit den Hybridorbitalen der beiden benachbarten C-Atome je- weils eine σ-Bindung. Eine weitere σ-Bindung kommt durch Kombination mit dem s-Orbital eines H-Atoms zustande. Damit bilden die sechs C-Atome und die sechs H-Atome das σ-Bindungsgerüst des Benzolmoleküls. Die sechs p-Orbitale, die nicht zur Hybridisierung herangezogen werden, stehen senkrecht zur Molekülebene. Diese sechs p-Orbitale überlappen zu einem geschlossenen ringförmi-gen π-Elektronensystem.

A2 Bei der s p 3 -Hybridisierung weist das Kohlenstoff-Atom zwei einfach besetzte p-Orbitale auf. Im Modell findet eine rechnerische Vermischung eines s- und dreier p-Orbitale statt. Man erhält vier gleichartige Hybridorbitale. Aufgrund gleichverteilter Abstoßung entstehen Tetraeder-Winkel. Bei der s p 2 -Hybridisierung wird ein s-Orbital mit nur zwei p-Orbitalen kombiniert. Diese liegen da- durch mit 120°-Winkeln in einer Ebene. Das verbleibende p-Orbital liegt senkrecht zu dieser Ebene.

4.15 Halogenierung von Benzol (S. 173)

A1

A2 Die elektrophile Substitution an Aromaten und die elektrophile Addition an Alkenen haben gemeinsam, dass jeweils ein elektrophiler Angriff auf das Substrat erfolgt. Die reaktionsfähigen Teil- chen, die das Substrat angreifen, sind Kationen oder Bereiche von Teilchen mit positiver Teilladung. Unterschiede: – Bei der elektrophilen Substitution bleibt das aromatische System erhalten, bei der elektrophilen

Addition werden Doppelbindungen (oder Dreifachbindungen) aufgehoben. – Bei der elektrophilen Substitution sind die Hauptschritte ein Additions- und ein Eliminierungs-

schritt. Bei der elektrophilen Addition erfolgt auf den ersten Additionsschritt ein zweiter Additions-schritt.

A3 Bei Zugabe von Bromwasser bilden sich in beiden Fällen zwei flüssige Phasen (Schichten), da sich die Flüssigkeiten nicht ineinander lösen.Benzol reagiert unter den angegebenen Bedingungen nicht mit dem Bromwasser, d. h., das Brom-wasser wird nicht entfärbt und bleibt gelb. Cycloxen reagiert mit dem Bromwasser; das Bromwasser wird entfärbt. Es findet eine elektrophile Addition statt.

Vorbemerkung

Zu den Aufgaben

Zu den Aufgaben

H

Br

H

Br

H

Br

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Elemente Chemie 11 – 13 Niedersachsen 25

4.16 ASS – ein Jahrhundertarzneimittel (S. 174)

A1 Durch Spaltung der glycosidischen Bindung von Salicin und Oxidation erhält man:

A2 Bekannte Nebenwirkungen von Acetylsalicylsäure sind z. B.: Sodbrennen, Übelkeit und Erbrechen, Durchfall, Blutungen, Eisenmangel, Magen-Darm-Geschwüre, allergische Reaktionen, Gichtanfälle (bei Gichtpatienten).

Literatur– H. G. O. Becker et al.: Organikum – Organisch-chemisches Grundpraktikum. Deutscher Verlag der

Wissenschaften, Berlin. Ab der 20. Auflage: Wiley VCH, Weinheim– BAYER AG (Hrsg.): ASPIRIN® ein Jahrhundertpharmakon. Leverkusen 1983– M. A. Fox, J. K. Whitesell: Organische Chemie (Grundlagen Mechanismen, bioorganische Anwendun-

gen). Spektrum Akad. Verl., Heidelberg, Berlin, Oxford– L. Gattermann, Th. Wieland: Praxis des organischen Chemikers, Teil 1. Walter de Gruyter, Berlin– G. Vollmer (Hrsg.): Aspirin® und die Bayer AG Elberfeld in „Chemie in Wuppertal und Umgebung“– A. Düntsch: Ohne Kopfschmerzen durch die Organische Chemie – mit Aspirin®. Der mathematische

und naturwissenschaftliche Unterricht 53 (7/2000), 414– A. Kleemann, H. Offermanns: Meilenstein Salicylsäuresynthese. Chemie in unserer Zeit 46, 1

(Februar 2012), 40 – 47– U. Gessner (Hrsg.): Arzneimittel und Chemie – Unterrichtsmaterialien für einen zeitgemäßen

Chemieunterricht. Bayer Vital GmbH, 2011 (zu beziehen über http://www.aspirin.de/infocenter/lehrermaterial; Stand September 2019)

4.17 Acetylsalicylsäure (S. 175)

V1 Synthese von ASSAufgabenlösungena) Hier findet die eigentliche Synthese von ASS statt. B3 in Kap. 4.16 zeigt die Reaktionsgleichung.b) Acetylsalicylsäure ist in kaltem Wasser sehr schlecht löslich, sodass sie mit guter Ausbeute ab-

filtriert werden kann.c) Beim langsamen Verdunsten des Ethanols entstehen größere Kristalle.

Hinweise: Für den Versuch genügt eine Doppelstunde, wenn heißes Wasser für die Wasserbäder und Eiswasser bereitgehalten werden. Als Reaktionszeit werden in der Literatur zwei Stunden angegeben, jedoch erhält man bereits in einer Doppelstunde verwertbare Aus beuten.

Es empfiehlt sich, zuerst die Schwefelsäure (2 bis 3 Tropfen) zum Acetanhydrid ( ρ = 1,087 g/ml bei 15 °C) und dann diese Mischung zur Salicylsäure zu geben. Gibt man die konz. Schwefelsäure zur Salicylsäure, so wird diese teilweise verkohlt. Achtung: Unmittelbar nach dem Zusammen geben der Komponenten setzt eine stark exotherme Reaktion ein, und es besteht die Gefahr des Verspritzens. Erst nach Beendigung dieser Reaktion wird auf dem Wasserbad erhitzt. Es ist daher günstig, das Acetanhydrid mit der Schwefelsäure in kleinen Portionen in den Rundkolben zur Salicylsäure zu geben und den Rückflusskühler sofort aufzusetzen.

Verwendet man Eisessig statt Acetanhydrid, wird das Risiko des Verspritzens gering. Allerdings verlängert sich dann die Reaktionszeit, und es kann zu Problemen beim Auskristallisieren kommen (siehe unten).

Zu den Aufgaben

CO

O

H

H

Salicylaldehyd

OH

OH

OH

H

H

OHH

OH

CH2OH

H

b-D-Glucose

Zu den Versuchen

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26 Elemente Chemie 11 – 13 Niedersachsen

Bei Verwendung von Salicylsäure, die vorher nicht getrocknet wurde, oder verunreinigter Salicylsäure fällt das Produkt in Eiswasser nicht kristallin aus, sondern es entsteht eine leicht gelbliche, ölige Flüssigkeit. Stellt man das Becherglas über Nacht in den Kühlschrank bei etwa 6 °C, so entsteht i. d. R. bis zum nächsten Tag ein Kristallbrei, der abgetrennt werden kann. Achtung: Salicylsäure sublimiert beim Trocknen im Trockenschrank. Es empfiehlt sich daher, die Salicylsäure einige Tage über konz. Schwefelsäure im Exsikkator zu trocknen.

In einer allgemeinen Arbeitsvorschrift zur Darstellung von Essigsäureestern aus Acetanhydrid (vgl. „Organikum“) findet sich die Empfehlung, die Reaktion mit frisch destilliertem Acetanhydrid durch-zuführen. Die Umsetzung gelingt aber auch, wenn das Anhydrid nicht vorher destilliert wird. Soll das Anhydrid doch zuerst gereinigt werden, so destilliert man es über wasserfreiem Natriumacetat. Dieses lässt sich durch Verdampfen des Kristallwassers aus kristallwasserhaltigem Natriumacetat (3 mol Wasser) gewinnen. Man gießt die wasserfreie Schmelze auf ein Eisenblech, lässt sie erstarren, pulverisiert das Salz und bewahrt es im Exsikkator auf.

ASS löst sich gut in Ethanol und kann aus einer Lösung von Ethanol in Wasser (Volumenverhältnis 1 : 4) umkristallisiert werden. Dadurch wird allerdings die Ausbeute erheblich verringert. Auf keinen Fall sollte die ethanolische Lösung stärker erwärmt werden, da ASS sonst merklich hydrolysiert. Besser geeignet ist eine Lösung von 1,4-Dioxan in Wasser (Volumenverhältnis 1 : 1). Nach einmaligem Um- kristallisieren liegt die Ausbeute hier zwischen 70 und 50 % (Literaturwert: 85 %). Achtung: Dioxan ist gesundheitsschädlich. Schülerexperimente mit Dioxan sind nicht untersagt, jedoch ist die Ersatzstoff-prüfung von besonderer Bedeutung. Deshalb sollte Ethanol bevorzugt werden.

Bei der Verwendung von Acetanhydrid als Acetylierungsmittel kann der folgende Reaktions-mechanismus für die Veresterung formuliert werden:

HO

C

H

H

COOH

O

O

OCOOH

HO

O

C

COOHO

O

Acetylsalicylsäure

+

CH3COOH H+– – C

C C

C

O

O

O

O

O O

C

C

H COOHO

C

O

H

O

Essigsäureanhydrid

O

C

COOH

C

HO

HO

O

O

C

C

O

O

CH3

CH3

CH3

CH3

CH3

CH3

CH3

CH3

CH3

CH3

CH3

CH3

CH3

H++

V2 Versuche mit dem Produkt aus V1 DurchführungZu b) Beobachtung: Der der pH-Wert des Produkts aus V1 liegt zwischen den Werten von Salicyl-säure und ASS. Mit dem pH-Meter ermittelte Werte: pH (ASS) ≈ 3,1pH (Salicylsäure) ≈ 2,4pH (Produkt) ≈ 2,6Deutung: Das Produkt enthält vermutlich noch Salicylsäure.

Hinweis: In einem Teil der Auflage des Schülerbuchs wird in der Materialliste Universalindikatorpapier aufgeführt. Mit Universalindikatorpapier ist es jedoch sehr schwierig, zwischen allen drei Lösungen einen Unterschied zu erkennen, und die Bestimmung der pH-Werte ist ungenau. Man verwendet des- halb besser ein pH-Meter. Alternativ kann man auch auf der Tüpfelplatte oder in einem anderen Gefäß die pH-Werte mithilfe von flüssigem Universalindikator bestimmen.

Zu c) Beobachtung: Bei Salicylsäure färbt sich die Lösung dunkel violett, bei reiner Acetylsalicylsäure schwach bräunlich rot, bei dem hergestellten Produkt bräunlich violett. Deutung: Die Farbreaktion mit Eisen(III)-chlorid-Lösung zeigt, dass das Produkt vermutlich noch Salicylsäure enthält.

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Elemente Chemie 11 – 13 Niedersachsen 27

Hinweise: Diese Farbreaktion tritt bei fast allen Verbindungen auf, die die neben- stehende Atomgruppierung enthalten, und auch bei aromatischen Hydroxy- verbindungen. Die Farbe der verschiedenen Komplexe reicht von Rot über Rotviolett und Violett bis Dunkelblauviolett. Interessant ist auch das Ergebnis der Farbreaktion bei verschiedenen käuflichen ASS-Produkten und bei Aspirin®. Es zeigt sich, dass in vielen Produkten noch Salicylsäure vorhanden ist. Man kann der Farbreaktion auch eine Chromatografie vorschalten. Fließmittel Butanol/Eisessig/Wasser (40 ml/10 ml/50 ml), DC-Karten mit Kieselgelbeschichtung, Entwicklung mit Eisen(III)- chlorid-Lösung (w = 0,1 %), Zeitbedarf ca. 3 bis 4 Stunden.

V3 Nachweis eines weiteren Bestandteils einer ASS-TabletteAufgabenlösung– Beobachtung: Die Lösung färbt sich nach Zugabe von Iod-Kaliumiodid-Lösung blau.– Deutung: Die ASS-Tablette enthält Stärke als Bindemittel.

V4 Hydrolyse von ASSAufgabenlösung – Beobachtung: Die Färbung der Proben nach Zugabe von jeweils wenigen Tropfen der Eisen(III)-

chlorid-Lösung geht in Abstufungen von Bräunlichrot über Braunlila bis Violett. Nach etwa vier Minuten intensiven Siedens wird fast der gleiche Farbton erreicht wie bei reiner Salicylsäure.

– Deutung: Bei der Hydrolyse von Acetylsalicylsäure entstehen Salicylsäure und Essigsäure. Salicyl-säure gibt mit Eisen(III)-chlorid-Lösung eine charakteristische Farbreaktion: Eine intensive, blau- bis schwarzviolette Färbung tritt auf. Frisch bereitete ASS-Lösung gibt diese Farbreaktion nicht. Die Lösung wird lediglich hell bräunlichrot gefärbt. Die mehrfache Probennahme während der vier Minuten zeigt, dass die Hydrolyse relativ langsam abläuft.

Hinweis zur Durchführung: Sollte während Schritt (c) zu viel Flüssigkeit verdampfen, muss weiteres Ethanol-Wasser-Gemisch zugesetzt werden.

4.18 Dünnschichtchromatografie (S. 176 / 177)

A1 a) Das Farbstoffgemisch des Filzstiftes würde sich im Fließmittel lösen und ebenfalls aufgetrennt

werden. Dadurch würden die Ergebnisse verfälscht bzw. unbrauchbar.b) Steht das Fließmittel oberhalb der Startlinie, lösen sich die zu trennenden Substanzen direkt im

Fließmittel. Auf der DC-Platte entstehen keine klaren Substanzflecken, sondern nur ein Bereich, in dem alle Substanzen vorliegen. Das Ergebnis wäre unbrauchbar.

V1 Unter der UV-Lampe leuchtet die DC-Platte grün, und die Substanzflecken erscheinen dunkel. Durch Umranden mit einem Bleistift erhält man Ergebnisse wie in der folgenden Abbildung:

C COH

Zu der Aufgabe

Zu dem Versuch

Rf (Acetylsalicylsäure) = 0,75

Rf (Coffein) = 0,27

Rf (Paracetamol) = 0,61

Beschriftung an der Startlinie: Para = Paracetamol (Ratiopharm) ASS = Acetylsalicylsäure (Ratiopharm) Thoma = Thomapyrin ASS rein = reine Acetylsalicylsäure

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28 Elemente Chemie 11 – 13 Niedersachsen

Substanzflecken gleicher Stoffe sollten auf gleicher Höhe sein. Nun lassen sich die R f -Werte berech-nen. Bei gleichen Versuchsbedingungen (Temperatur, Lösungsmittelzusammensetzung, Trennkammer etc.) sollten gleiche R f -Werte für eine bestimmte Substanz erhalten werden.

Hinweise:Der Versuch ist besonders im Kontext der Kombinationspräparate interessant. So enthält z. B. Thomapyrin® die Wirkstoffe Acetylsalicylsäure, Paracetamol und Coffein. Dies kann mit einer Dünn- schichtchromatografie gut gezeigt werden. Mit den Lernenden sollte in diesem Zusammenhang thematisiert werden, dass die Dünnschicht-chromatografie nur ein wichtiges Indiz bei der Bestimmung eines Stoffes liefert. Ein gleicher R f -Wert ist kein Nachweis, da theoretisch ein anderer Stoff exakt den gleichen R f -Wert aufweisen könnte. Falls keine Vergleichssubstanzen vorhanden sind, findet man in der Unterrichtshandreichung „Arznei- mittel und Chemie” (siehe Literatur) Möglichkeiten, die Flecken durch spezifische Nachweisreaktionen zu identifizieren.

LiteraturU. Gessner (Hrsg.): Arzneimittel und Chemie – Unterrichtsmaterialien für einen zeitgemäßen Chemie- unterricht. Bayer Vital GmbH 2011 (zu beziehen über http://www.aspirin.de/infocenter/lehrermaterial; Stand September 2019)

4.19 Wirkungsweise von Schmerzmitteln (S. 178 / 179)

A1 Ein Herzinfarkt ist auf den Verschluss von Herzkranzgefäßen zurückzuführen. Die Verstopfung geht von einer Gefäßwandverkalkung aus (Ateriosklerose), bei der sich Cholesterin und Kalk an den Gefäßinnenseiten der Herzkranzgefäße ablagern. Diese Ablagerungen werden als Plaques bezeich-net. Reißen diese Plaques auf, setzen sich Thrombozyten an diese Stelle, um wie bei einer Wunde die Stelle zu verschließen. Im Herzkranzgefäß entsteht so ein Blutgerinnsel, das zur Verstopfung des Ge- fäßes führen kann. Dadurch wird der Herzmuskel in einem bestimmten Bereich nicht mehr mit Blut versorgt und kann u. U. absterben.ASS hemmt die Blutgerinnung. Dies kann ein weiteres Verstopfen des Herzkranzgefäßes durch Blut- gerinnung (Verklumpen der Thrombozyten) bei einem Infarkt verhindern. Der Infarkt wird dadurch möglichst klein gehalten.

A2 ASS wird durch den Patienten oral aufgenommen (pharmazeutische Phase). Die Freisetzung des Wirkstoffs erfolgt im Magen-Darm-Trakt. Von dort aus wird der Wirkstoff auf den Körper verteilt und gelangt zum Wirkort, oder er wird über die Nieren ausgeschieden (pharmakokinetische Phase). Am Wirkort, den Cyclooxygenasen, reagiert der Wirkstoff und löst so den pharmakologischen Effekt aus. Dieser beinhaltet die erwünschte schmerzstillende Wirkung, aber auch die (meist) unerwünschte Hemmung der Blutgerinnung und Magenprobleme (pharmakodynamische Phase).Aspirin® protect Tabletten haben eine spezielle Ummantelung, die magensaftresistent ist. Dadurch löst sich die Tablette nicht im Magen auf, sondern erst im Darm. Magenprobleme sollen so reduziert werden, da der Wirkstoff nicht direkt mit der Magenschleimhaut in Kontakt kommt.

ZusatzinformationAcetylsalicylsäure ist das meistverwendete Analgetikum. Der Wirkungsmechanismus ist geklärt, und durch die inzwischen lange Zeitspanne der Anwendung sind die Nebenwirkungen auch bekannt.Alle Analgetika haben gemeinsam, dass sie auf die Cyclooxygenasen wirken. Es gibt zwei Isoenzyme der Cyclooxygenase: COX-1 und COX-2. Beide Isoenzyme sind an der Schmerzentstehung beteiligt, indem Sie die Prostaglandinsynthese aus Arachidonsäure katalysieren. Die COX-1 wird konstitutiv gebildet und hat neben der Schmerz- und Entzündungsentstehung weitere Funktionen im Körper, wie die Regulation der Magenschleimhautproduktion und die Thromboxanbildung. Die COX-2 wird hingegen durch Entzündungsmediatoren induziert. Für eine vollständige schmerzlindernde Wirkung würde es reichen, die COX-2 zu hemmen. Die meisten Schmerzmittel wirken jedoch unspezifisch. So wirkt ASS hauptsächlich auf die COX-1 durch irreversible Acetylierung der COX-1 in der Nähe des kata-lytischen Zentrums. Dies erklärt auch die Nebenwirkungen von ASS: Durch die irreversible Hemmung wird auch die Magenschleimhautproduktion und die Blutgerinnung beeinflusst. Da die Hemmung irreversibel ist, hält die verminderte Blutgerinnung über einige Tage an. Die Thrombozyten enthalten nämlich keinen Zellkern und können daher die COX-1 nicht selbst bilden. Erst durch die Bildung neuer Thrombozyten erreicht die Blutgerinnung wieder ihr normales Maß. Ibuprofen wirkt auch hauptsäch-lich auf die COX-1. Die Hemmung erfolgt jedoch reversibel, sodass die Blutgerinnung nur über einen kurzen Zeitraum vermindert ist.

Zu den Aufgaben

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Elemente Chemie 11 – 13 Niedersachsen 29

Literatur, Medien und Internet (Stand September 2019)– U. Gessner (Hrsg.): Arzneimittel und Chemie – Unterrichtsmaterialien für einen zeitgemäßen

Chemieunterricht. Bayer Vital GmbH 2011 (zu beziehen über https://www.aspirin.de/infocenter/lehrermaterial/)

– K. Aktories, U. Förstermann, F. Hofmann, K. Starke, K.: Allgemeine und spezielle Pharmakologie undToxikologie. Elsevier, Urban & Fischer, München 2013– T. Karow, R. Lang-Roth: Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. Dr. med. ThomasKarow, Pulheim 2006

A3 Bei Lysin handelt es sich um eine essenzielle Aminosäure, die der menschliche Körper nicht selbst herstellen kann. Viele Schmerzmittel werden nur langsam vom Körper aufgenommen. Die Kom- bination mit Lysin erhöht die Aufnahmegeschwindigkeit des damit kombinierten Wirkstoffes ins Blut, da Lysin schnell aufgenommen wird. Die orale Einnahme von Lysin ruft kaum Nebenwirkungen hervor, es sind jedoch Fälle von Magenkrämpfen, Übelkeit und Durchfall bei zu hoher Dosierung bekannt, vor allem bei Einnahme über einen längeren Zeitraum.

4.20 Zusammenfassung und Übung (S. 180 – 182)

A1 a) Reaktionsgleichung: CH3I + OH– CH3OH + I–

b) Das Hydroxidion greift als nucleophiles Teilchen an; die Abgangsgruppe ist das Iodidion. Eshandelt sich also um eine nucleophile Substitution. Da sich für einen Reaktionsablauf nach SN1 einprimäres Carbokation bilden müsste, verläuft die Reakton nach dem SN2-Mechanismus:

+ H C

H

H

O

H

H

H + OH C

HH

H–

H O C HØ Ø Ø

A2 Reaktionsgleichung: CH3— COOC2H5 + OH– CH3— COO– + C2H5OH

Produkte: Natriumacetat und Ethanol (in Natronlauge gelöst)

Reaktionsschritte:

1. Nucleophiler Angriff des Hydroxidions:

2. Eliminierung des Ethanolations:

CO

O+ O H C O

O H

O

CO

O

H+ OC O

O H

O

3. Protonenübergang vom Essigsäuremolekül zum Ethanolation:

CO

O

H+ O

CO

OO H+

CH3

CH3

CH3 CH3 C H52C H52

C H52 C H52

C H52

CH3

CH3 C H52

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30 Elemente Chemie 11 – 13 Niedersachsen

A3 a) Reaktion von Cyclohexan mit Brom unter Lichteinfluss (radikalische Substitution):

b) Reaktion von Brom mit Cyclohexen (elektrophile Addition):

Reaktionsmechanismus:

A4 Reaktion von Dipropylether mit Iodwasserstoffsäure:

C3H7— O — C3H7 + H3O+ + I– C3H7OH + C3H7I + H2O

Reaktionsmechanismus:

Hinweise:Ähnlich wie bei der Substitution einer Hydroxygruppe wird auch hier zunächst das Sauerstoff atom des Ethermoleküls protoniert, sodass als Abgangsgruppe ein Propanolmolekül „vorgebildet“ wird. Nach der Protonierung erfolgt der nucleophile Angriff des Iodidions an einem dem O-Atom benach-barten C-Atom, das eine positive Teilladung trägt. Da eine Gruppe an einem primären Kohlenstoff-atom substituiert wird, läuft die Reaktion nach dem SN2-Mechanismus ab.

Bei einem Überschuss an Iodwasserstoffsäure reagiert das entstehende Propan-1-ol weiter zu 1-Iodpropan:

C3H7OH + H3O+ + I– C3H7I + 2 H2O

C

C C

C

C C

H H

H

H

H

H

H

H H

H

H H

C

CC

C

CC

HH

H

H

H

H

HH

H

H

Licht + HBr+ Br2 Br

H

C

C C

C

C C

H H

H

H

H

H

H H

H

H

C

CC

C

CC

HH

H

H

H

HH

H

H

+ Br2 Br

BrH

C

CC

C

CC

HH

H

H

H

H

HH

H

H

+ Br Br C

CC

C

CC

HH

H

H

H

H

HH

H

H

Br Br C

CC

C

CC

HH

H

H

H

H

HH

H

H

+ BrBrd+ d–

C

CC

C

CC

HH

H

H

H

H

HH

H

H

Br C

CC

C

CC

HH

H

H

H

HH

H

H H

Br +

Br

Br

Polarisierung und heterolytische Spaltung des Br2-Moleküls; Bildung des Bromoniumions:

Nucleophiler Angriff des Bromidions:

....

C

H

C2H5

H

O + H3O+ C

H

C2H5

H

O

H

+ H2O

Ø C C2H5

H

H

+

Substitution der Abgangsgruppe C3H7OH durch Ø nach dem SN2-Mechanismus:

O

H

C2H5

Ø C

H

H

Ø + C

H

C2H5

H

O

H

C3H7 C3H7 C3H OH7

C3H7 C3H7

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Elemente Chemie 11 – 13 Niedersachsen 31

A5 In der ersten Stufe oxidiert man die Hälfte des primären Alkohols mit Kupferoxid zur Carbonsäure:

R — CH2OH CuO

R — CHO CuO

R — COOH

Reaktionstyp: Oxidationsreaktion Hinweis: Die Oxidationszahl des Kohlenstoffatoms wird von − I (Alkohol) über I (Aldehyd) auf III (Carbonsäure) erhöht.

In der zweiten Stufe verestert man die Carbonsäure mit der anderen Hälfte des primären Alkohols:

R — COOH + R — CH2OH H3O+

R — COOCH2 — R + H2O

Reaktionstyp: Veresterung bzw. Kondensationsreaktion

Hinweise: Die erste Reaktionsstufe wird im Schülerbuch in Kap. 3.2 behandelt. Da in der Aufgabenstellung nach einem Beipiel gefragt wird, wird in der konkreten Lösung der Rest R ersetzt, z. B. durch C H 3 . (D. h., der primäre Alkohol kann z. B. Ethanol sein.) Wenn Ethanol als Beispiel gewählt wird, kann die erste Stufe auch eine enzymatische Oxidation mit Essigsäurebakterien sein.

A6 a) Da das Gas Bromwasser entfärbt, ist es vermutlich ein Alken. Demnach ist eine Eliminierungs-

reaktion abgelaufen und Propen entstanden:

H C C H

CH3H

H Br

+ C C

CH3H

H H+ + Br HH

OO H

b) Bei der Reaktion von Propen mit Bromwasser können die folgenden Reaktionen ablaufen; es handelt sich in allen Fällen um elektrophile Additionsreaktionen:

C CCH3H

H H+ Br2 H C C H

CH3H

Br

Br

C CCH3H

H H+ Br2 H C C H

CH3H

O

Br

2 H O2+

H

+ Br H O3+– +

C CCH3H

H H+ Br2 H C C H

CH3H

O

2 H O2+ + Br H O3+– +

BrH

A7 a) Herstellungsmöglichkeiten für Chlorethan:

Aus einem Alkan (Ethan): CH3 — CH3 + Cl2 CH3 — CH2 — Cl + HCl

Reaktionstyp: Radikalische Substitution

Aus einem Alken (Ethen): CH2 CH2 + HCl CH3 — CH2 — Cl

Reaktionstyp: Elektrophile Addition

b) Reaktionsmechanismus der elektrophilen Addition von Chlorwasserstoff an Ethen:

C

C

H H

HH

+ H ClC

C

H H

HH

H ClC

C

H H

HH

H

C

C

H

H

HH

H

Cl

d+ d– d+ d–.... Cl

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32 Elemente Chemie 11 – 13 Niedersachsen

A8

Als Hauptprodukt bildet sich Propan-2-ol, in geringen Anteilen Propan-1-ol. Begründung: Bei der Bildung von Propan-2-ol ensteht als Zwischenprodukt ein sekundäres Carbokation. Dieses hat auf- grund des + I - Effekts der Alkylgruppen eine geringere Ladungsdichte am C-Atom und ist daher stabiler als das primäre Carbokation, das zur Bildung von Propan-1-ol führt.

Hinweis: Der Reaktionsmechanismus ist vereinfachend mit dem „Reaktionsprodukt“ H+ formuliert. Das Proton wird eigentlich an ein H2O-Molekül abgegeben, sodass als Reaktionsprodukt ein H3O+-Ion entsteht.

A9 a) Da es sich um eine elektrophile Addition handelt, ist die Reaktionsgeschwindigkeit umso größer,

je größer die negative Ladungsdichte an der C C-Doppelbindung ist. Die beiden Methylgruppen im 2,3-Dimethylbut-2-en erhöhen aufgrund ihres + I - Effekts die Ladungsdichte an der C C-Doppel-bindung. Die beiden Chloratome im 1,2-Dichlorethen verringern aufgrund ihres − I - Effekts die Ladungsdichte an der C C-Doppelbindung.

b) Die Doppelbindung zwischen den beiden Kohlenstoffatomen führt zu einer Anhäufung von Elek- tronen zwischen den beiden Atomkernen. Ein elektrophiles Teilchen (ein Teilchen mit einer positiven Ladung oder Teilladung) wird davon angezogen, ein nucleophiles Teilchen wird aufgrund der gleich- namigen Ladungen abgestoßen.

A10 a) Das beim Cracken gebildete Gasgemisch, das aus ungesättigten Verbindungen mit vier Kohlen-

stoffatomen besteht, nennt man C4-Schnitt. Seine Hauptbestandteile sind Buta-1,3-dien und die Buten-Isomere But-1-en, (E )-But-2-en, (Z )-But-2-en und Isobuten (2-Methylpropen).

b) Wege zu hochreinem Isobuten: 1. Weg: über die Hydratisierung zu 2-Methylpropan-2-ol und dessen Dehydratisierung. Man lässt

den C4-Schnitt säurekatalysiert mit Wasser reagieren. Dabei wird fast nur das Isobuten hydratisiert, die Buten-Isomere nicht. (Zur Hydratisierung der Buten-Isomere müssen sich primäre Carbokat- ionen bilden, sodass diese wesentlich langsamer reagieren.) Das flüssige Reaktions produkt 2-Methyl- propan-2-ol wird von dem Gasgemisch abgetrennt und dann bei höherer Temperatur dehydratisiert. Es entsteht wieder Isobuten, das nicht mehr mit den Buten-Isomeren vermischt ist.

Reaktionsgleichung:

H C C CH3

CH3H

H H

C CCH3H

H CH3HH

+Addition

Eliminierung

Isobuten 2-Methylpropan-2-ol

O

O

2. Weg: Über die Bildung von MTBE oder ETBE und deren anschließender Spaltung. Statt Wasser (beim 1. Weg) verwendet man Methanol oder Ethanol. Die Reaktionen sind analog:

OH+

AdditionEliminierung

H C C CH3

CH3H

H OC H2

C CCH3H

H CH3

Isobuten ETBE

OH+

AdditionEliminierung

H C C CH3

CH3H

H O CH3

CH3C C

CH3H

H CH3

Isobuten MTBE

5C H2 5

C

C

H CH3

HH

+ H OC

H

H

C

C

H CH3

HH

H

C

C

H

H

C

C

H

CH3

HH

H

O

C

C

H

H

H

O

HH

H O

HH

H

H O

HCH3

H

CH3

H

H

C

C

H

CH3

HH

H

O

C

C

H

H

O

H

H

CH3

H

Propan-2-ol

Propan-1-ol

+ H

+ H

H

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Elemente Chemie 11 – 13 Niedersachsen 33

A11 a) Es findet eine nucleophile Substitution statt. Reaktionsmechanismus:

b) Die Substitution der Hydroxygruppe ist nur möglich, wenn diese protoniert ist (siehe Reak tions-mechanismus in (a)). Voraussetzung dafür ist, dass die Reaktion in saurer Lösung stattfindet. Natriumchloridlösung ist jedoch neutral. Nach Zusatz von verd. Schwefelsäure enthält die Natrium-chloridlösung auch Oxoniumionen, sodass die Reaktion ablaufen kann.

A12 1. Aromaten sind ebene, cyclische Moleküle.2. Das Ringmolekül weist ein durchgehendes System konjugierter Doppelbindungen auf.3. Die Anzahl der delokalisierten Elektronen beträgt 4 n + 2 (n = 0, 1, 2 …) (Hückel-Regel), d. h., die

Anzahl der delokalisierten Elektronenpaare ist ungerade.4. Das Molekül zeigt eine besondere Stabilisierungsenergie.

A13

H

Ø Cl AlCl3+

H

Ø AlCl4+ –+d+ d–

H

Ø AlCl4+ – H Cl AlCl3++Ø

Elektrophiler Angriff und heterolytische Spaltung des Iodchloridmoleküls:

Deprotonierung und Rearomatisierung:

Das polare Iodchlorid-Molekül wird durch das Aluminiumchlorid noch stärker polarisiert. Es tritt mit den delokalisierten Ringelektronen des Benzol-Moleküls in Wechselwirkung und wird heterolytisch gespalten. Das Chlor-Atom hat eine höhere Elektronegativität als das Iod-Atom (EN (Cl) = 3,0; EN (I) = 2,5), deshalb wird das Chlor-Atom formal zum Chlorid-Ion und vom Aluminiumchlorid gebunden. Das Iod-Atom wird formal zum Iod-Kation und wird an ein C-Atom des Benzol -Moleküls gebunden. Es bildet sich ein Carbo-Kation, in dem die positive Ladung über mehrere Atome delokalisiert ist. Unter Abgabe eines Protons und der Bildung eines Chlorwasserstoff -Moleküls erfolgt die Rearomatisierung zum Produkt Iodbenzol.

A14 a) Die erste (linke) Grenzformel weist keine Ladungstrennung auf. Sie ist daher energetisch am

günstigsten und trägt am meisten zur Mesomerie bei. Hinweis: Diese Lösung folgt aus Kap. 4.11. Der Beitrag der anderen vier Grenzformeln zusammen

ist allerdings größer. Dies führt dazu, dass das Stickstoff-Atom im Pyrrolmolekül eine positive Partial-ladung trägt (+ 0,24 Elementarladungen), obwohl es das elektronegativste Element im Molekül ist.

b) Pyrrol weist nur eine sehr geringe Basizität auf (KB ≈ 2,5 ⋅ 1 0 – 14 ), da das freie Elektronenpaar amStickstoff-Atom delakolisiert ist. Es ist mit in die Konjugation eingebunden, wodurch das Elektro-nenpaar kaum für die Bindung eines Protons zur Verfügung steht. Das Stickstoffatom bzw. Pyrrol- molekül ist nur schwer zu protonieren.

C

H

C2H5

H

O H + H3O+ C

H

C2H5

H

O H

H

+ H2O

C2H5

H

H

+ H2O

Protonierung der Hydroxygruppe:

Substitution der Abgangsgruppe H2O durch Cl nach dem SN2-Mechanismus:

O H

H

C2H5

C

H

H

+ C

H

C2H5

H

O H

H

Cl Cl Cl C

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34 Elemente Chemie 11 – 13 Niedersachsen

Hinweise: Pyrrol gehört zu den aromatischen Heterocyclopentadienen, wie auch Furan und Thiophen.

An Pyrrol ist (ähnlich wie an Benzol) eine elektrophile Substitution möglich. Der pKB-Wert von Pyrrol ist 13,6. Pyrrol ist also eine schwächere Base als das S O 4 2 – -Ion. Wenn ein

Pyrrolmolekül als Base reagiert, wird eines der C-Atome protoniert, da das N-Atom eine positve Partial ladung trägt.

Die NH-Gruppe des Protons kann jedoch deprotoniert werden, ohne dass der aromatische Zustand verloren geht. Trotzdem ist Pyrrol ist eine extrem schwache Säure (pKS ≈ 25).

Eine Lösung der Aufgabe mit energetischer Begründung könnte folgendermaßen aussehen: Pyrrol hat 6 delokalisierte Elektronen im Ring und gehört damit nach der Hückel-Regel zu den aromatischen Verbindungen. Der aromatische Zustand ist besonders stabil. Reagiert Pyrrol als Base, werden zwei der delokalisierten Elektronen zur Bindung des Protons benötigt. Das C4H5NH+-Kation ist folglich nicht aromatisch und damit viel weniger stabil. Das Gleichgewicht der Proto- nierungs reaktion liegt daher auf der Seite der Edukte.

A15 a) Die Ausgangsstoffe für die Synthese von Salicylsäuremethylester sind Salicylsäure und Methanol.

Schwefelsäure wird als Katalysator eingesetzt. Die Salicylsäure wird in einem deutlichen Über-schuss an Methanol gelöst. Dadurch ist sichergestellt, dass die Salicylsäure sich vollständig löst. Die Veresterung ist eine Gleichgewichtsreaktion. Der Überschuss an Methanol führt dazu, dass das Gleichgewicht stärker in Richtung des Reaktionsproduktes verschoben wird. Der Kolben ist das Reaktionsgefäß. Der Rückflusskühler sorgt dafür, dass während des Erhitzens kein Methanol an die Umgebung abgegeben wird. Außerdem beschleunigt das Erhitzen des Reaktionsgemisches die Geschwindigkeit der Reaktion. Das Reaktionsgemisch wird nach dem Abkühlen in kaltes Wasser gegeben. In dem kalten Wasser sind die Schwefelsäure, das Wasser und das überschüssige Metha- nol und die geringe nicht umgesetzte Salicylsäureportion gut löslich. Salicylsäuremethylester sammelt sich aufgrund seiner sehr geringen Löslichkeit in Wasser und seiner größeren Dichte als Wasser unterhalb der Wasserschicht. Die Zugabe der Calciumchloridkörner dient zum Trocknen des Esters. Calciumchlorid bindet Wasser. Die Siedetemperatur bestätigt, dass Salicylsäuremethylester als Reaktionsprodukt gewonnen worden ist.

b) Reaktionsgleichung:

A16 a) Eine konzentrierte Lösung des zu untersuchenden Stoffgemisches wird mit einer Kapillare auf die

DC-Platte aufgetragen. Danach stellt man die DC-Platte in ein Fließmittel (mobile Phase), die auf- grund der Kapillarität der Beschichtung nach oben wandert. Das zu trennende Stoffgemisch darf nicht in das Fließmittel eintauchen. Die unterschiedlichen Bestandteile des Stoffgemisches lösen sich in dem Fließmittel und wandern je nach Teilchengröße und Wechselwirkungen mit der statio- nären Phase nach oben. Die DC-Platte kann ausgewertet werden, sobald das Fließmittel den oberen Rand fast erreicht hat.

b) Die stationäre Phase sollte möglichst ein polarer Feststoff sein, an dessen Molekülen die Teilchen des Stoffgemisches durch London-Kräfte, Dipol-Dipol-Wechselwirkungen, Wasserstoffbrücken oder Ionenbindungen reversibel haften. Die mobile Phase sollte eine unpolare bzw. wenig polare Flüssigkeit sein. Da die Löslichkeit für die Fließgeschwindigkeit keine Rolle spielt, können sich die zu trennenden polaren Stoffe so leichter auf der stationären Phase verteilen. Die Kombination einer unpolaren stationären Phase und einer polaren mobilen Phase ist in Abhängigkeit der Eigen- schaften der Teilchen des Stoffgemisches auch möglich.

CO

OH

O

Salicylsäure

H+

H

C H

H

OH

Methanol

CO

OH

O

H

C H

H

Salicylsäuremethylester

+ H2OH2SO4