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1 Ansprechbarkeit im Koma? Klinische Erfahrungen und neue Forschungsergebnisse Andreas Zieger Evangelisches Krankenhaus Oldenburg Abt. für Schwerst-Schädel-Hirngeschädigte Früh- und Weiterführende Rehabilitation Carl von Ossietzky Universität Oldenburg Inst. für Sonder- u. Rehabilitationspädagogik Angewandte Interdiszipl. Neurowissenschaft MA-Kolloquium am 03.02.2011, Institut für Psychologie, Uni Oldenburg Überarbeitet für MM24, Teil 2: Forschungsfragen und Ethik, 11.12.2012 www.a-zieger.de Klassische Definition von „Koma“ „Completely unarousable / unresponsive“ (Plum & Posner 1982) Augen geschlossen, keine Reaktion auf Aufforderung (und Schmerz), Schutzreflexe abgeschwächt oder erloschen, kein SWR, intensivpflichtig, beatmet „Bewusstlosigkeit“ = „Ausfall des Bewussteins“ = „Empfindungslosigkeit“? Keine „Innerlichkeit“ (Seele) oder „Kognition“ (Geist)? Jegliches subjektiv-personales oder emotional-kognitives Leben erloschen?

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Ansprechbarkeit im Koma?Klinische Erfahrungen und neue Forschungsergebnisse

Andreas Zieger

Evangelisches Krankenhaus OldenburgAbt. für Schwerst-Schädel-HirngeschädigteFrüh- und Weiterführende Rehabilitation

Carl von Ossietzky Universität OldenburgInst. für Sonder- u. RehabilitationspädagogikAngewandte Interdiszipl. Neurowissenschaft

MA-Kolloquium am 03.02.2011, Institut für Psychologie, Uni OldenburgÜberarbeitet für MM24, Teil 2: Forschungsfragen und Ethik, 11.12.2012

www.a-zieger.de

Klassische Definition von „Koma“

„Completely unarousable / unresponsive“(Plum & Posner 1982)

Augen geschlossen, keine Reaktion auf Aufforderung (und Schmerz), Schutzreflexe abgeschwächt oder erloschen, kein SWR, intensivpflichtig, beatmet

• „Bewusstlosigkeit“ = „Ausfall des Bewussteins“ = „Empfindungslosigkeit“?

• Keine „Innerlichkeit“ (Seele) oder „Kognition“ (Geist)?

Jegliches subjektiv-personales oder emotional-kognitives Leben erloschen?

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„Wachkoma“, syn. vegetative stateapallisches Syndrom

„Wakefulness without awareness“(Plum & Posner 1982)

• Augen geöffnet, kein Blickkontakt

• Spontanatmung

• SWR nur erschöpfungszeitlich

• Reflexe/Automatismen

• keine sinnvollen Reaktionen auf Reize

• keine absichtsvollen Eigenaktivitäten

Der „Apalliker“ als „Defizitfigur“ (Objekt)?

Terri Schiavo(† 2005)

1990 Human vegetable?

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„Durchaus ansprechbar!“(Deutschlandfunk, 12. März 2009)

Jülicher Studie belegt emotionale Hirnaktivitätbei einer KomapatientinVon Martin Hubert

„Dass Komapatienten ihre Umgebung nicht mehrwahrnehmen zu scheinen, gerät immer stärker inZweifel. Eine Jülicher Forschergruppe hat nun im Gehirneiner Komapatienten tatsächlich Aktivitäten nachweisenkönnen, die auf differenzierte Wahrnehmungen schließenlassen ...“ (Eickhoff et al 2008)

Aktuelle Meldung: Komapatient war 23 Jahre bei Bewusstsein!

21. Nov. 2009, 15:37 Uhr

Fehldiagnose• Rom Houbens Bewusstsein galt nach einem

schweren Autounfall als erloschen, die Ärzte schrieben ihn ab.

• Tatsächlich war der Belgier zwar gelähmt, aber nicht komatös! (Locked-in-Syndrom)

• Die Angehörigen hatten den Eindruck, dass er etwas mit bekommt: Händedruck auf Fragen!

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Rom Houben mit Therapeutin am Sprachcomputer

Foto: Norbert Enker

„Meine zweite Geburt“sein!

Spiegel online

25.11.2009

Inzwischen kann sich Rom Houben mit Hilfe eines Computers mit Spezialtastatur mitteilen.

Übersicht

I Bedeutung des Themas

II Leben in Koma /Wachkoma alsmenschenmögliche Seinsweise(Autonomes Körperselbst, Körpersemantik)

III Klinische Erfahrungen undForschungsergebnisse

IV Ausblick

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I Bedeutung des Themas

(1)Für die Betroffenen persönlich:• Falsch positive Diagnose „Wachkoma“

führt in die Isolation, ins „Aufgeben“(„hoffnungsloser Fall“)

• Konsequenzen bei Therapieabbruch „Entfernung der Magensonde“?

• Hätten die Ärzte schon früher auf die Beobachtungen der Angehörigen (Mutter) doch gehört!

(2) Erkenntnis- und wissenschafts-theoretisch:

• Überholte reduktionistische Sichtweise einer defizitär orientierten Medizin („Defektmedizin“)

• „Bei Bewusstsein sein“ oder „im Koma sein“ folgt keinem „Alles oder Nichts“, sondern einem Kontinuum („Dimmer“)!

• Trennung von „Geist“ und „Gehirn“ ein Scheinproblem (Max Planck 1948)

• Multiperspektive Sichtweise notwendig

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(3) Fachlich-medizinisch:• Häufige Fehldiagnosen: bis zu 40%!

(Tresch et al 1991: 17%; Childs et al 1993: 37&; Andrews et al 1996 und Schnakers et al 2009: 40%!)

• Prognostische Unsicherheiten: eine individuelle Vorhersage ist nicht möglich!(International Working Party Report on PVS 1996)

• Klinische Erfahrungen mit Musiktherapie „Komastimulation“ und „körpernahem Dialogaufbau“ in der Frührehabilitation(Gustorff 1992, Hannich & Gustorff 2001; Zieger 1993-2006; Zieger & Hildebrandt 1997, 2000)

Differenzialdiagnosen

Koma-assoziierte Syndrome

???? ??

Remissionsstadien ………

!

7

(4) Forschung ungenügend:

• Keine wirksame Therapie (gemessen an „hohen“ Evidenzkriterien)

• Bisher nur semiquantitative und qualitative Studienergebnisse

• Neue Therapieansätze durch Erkenntnisse der Neuroplastizitätsforschung und Neuen Bildgebung/EEG-ERP?

• Fehlende systematische Frühreha-/Lang-zeit-Versorgungsforschung

8

(5) Ethische Implikationen:

• Diagnose häufig gleichbedeutend mit therapeutischem Nihilismus

• Behandlungsgrenzen und „Sterbehilfe“ bei Falsch-Positiven mit großem Leid oder Tod verbunden (40%!)

• Versorgungs-/Teilhabeforschung und Palliative Care als Alternative zur „Sterbehilfe“ in der öffentlichen Ethik-Debatte kaum behandelt (Zieger 2009)

• Zunehmende Tendenz zur Legalisierung von aktiver Sterbehilfe in Europa

(6) Sozial und ökonomisch:• Prävalenz in Europa ca. 50.000 Menschen

• Prävalenz in D ca. 8000, Incidenz ca. 3000-5000

• Langzeitüberleben immer häufiger möglich

• Spätes Erwachen selten, aber vereinzelt vorkommend!

• Hohe Belastung für Familien / Angehörige

• Falsch positive Diagnosen für Betroffene wie für Familie und Gesellschaft sozial wie ökonomisch z.T. verheerend!

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II Leben im Koma als menschenmögliche Seinsweise

„Koma“ und neuer Lebensbegriff Lebewesen reagieren nicht einfach auf chemische

oder physikalische Reize, sondern antwortenauf innere und/oder äußere Zeichen (Semion).

Jedes Lebewesen ist fähig,

• sich selbst zu erregen (aktivieren), zu aktualisieren und zu organisieren,

• sich veränderten Umweltbedingungen anzupassen

• sich (leiblich) zu spüren und auszudrücken

StressTrauma

Koma als Zurücknahme/Schutz

Autonomes Körperkernselbst Zentralisation

Geburt

Schutzreaktion

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Autonomes Körperselbst -Basale Selbstregulationseinheit (Lurija 1970)

Angeborene Funktionelle Hirnsysteme (Anochin 1978)

IMF Hirnstamm, Pons, Mittelhirn

Zentrales Höhlengrau

Vegetative Kerne

Zwischenhirn…………………...

EMS BasalesVorderhirn

Mandelkern

Ventrales StriatumNcl. accumbens

Schmerzkortex

IMF

EMS

Trevarthen & Aitken 2001)

Social brain - funktionelle Hirnsysteme

Saugen, Blickkontakt, Aufmerksamkeitssteuerung, zwischenleiblicher Dialog

Schelmisches Lächeln mit anderen, Dialog? Anklammern, Spüren,

Festhalten am Anderen

Schwimmen im Wasser: Dialog

Ansteckendes Gähnen: wer zuerst?

Resonanz, Simulation, Imitation als basalesLernen?

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Körpersemantische Kompetenzen von Menschen im Koma/Wachkoma

Vitale Grundrhythmen und PulsationenEinatmen

Systole

Anspannen

Schlafen

Stoffaufnahme

Hunger

Lust

Ausatmen

Diastole

Entspannen

Wachen

Stoffabgabe

Sättigung

Unlust

Vegetative Zeitgestalten und „Intelligenz“

Autonomes Körperselbst

Leiblich-vegetative „Intelligenz“

Vitale Grundrhythmen und Pulsationen

Wohlbefinden Unwohlsein

• Mitgefühl, Empathie („Affective tuning“)

• Emotionale Mitbewegungen („Resonanz“)

• Nonverbale Kommunikation („Körpersprache“)

• Übertragung – Gegenübertragung

• Denken vom Anderen her („Theory of mind“)

Zwischenleibliche Kommunikation als existenzielle Grunderfahrung

Spiegelneurone

Implizites Leibgedächtnis/KörperwissenBindungsforschung

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Der Wachkoma-Patient aus beziehungsmedizinischer Perspektive

„Traumatisiert an Leib und Seele“ (Subjekt)

• Antwort auf ein schweresschädigendes Ereignis („Stresstrauma“)

• Zurücknahme auf das autonome Körper-selbst / Schutzhaltung (als Seinsweise)

• Spastische Haltung/Selbstaktualisierungen verkörpern das Trauma („Körpersemantik“)

• Angewiesen auf andere („soziales Gehirn“)

↓↓↓↓Trauma 100% Fluktuation Unterstützte

Selbstbewegungen Selbständiges des Subjekts / Individuums

Leben

Rettungs- und Bifurkation Intensivmedizin t

Tod Koma Apallisches (Durchgangs-) Syndrom Remissionsstadien

Vom Trauma gezeichnete Lebenslinie im Koma-Remissionsprozess

Förderung vonSelbstaktualisierungund Autonomie-Entwicklung

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StressTrauma

Koma als Schutzreaktion

Autonomes Körperkernselbst Zentralisation

Geburt

Organismische Schutzreaktion

(„Emergency reaction“, unwillkürlich)

1. SchreckreaktionZusammenzucken, ErstarrenVerstummen, „Totstellreaktion“

2. Kampf/Angriff oder Flucht/Rückzug

3. Zurücknahme (Zentralisation)Schock, „Zusammenklappen“

4. Kollaps, Tod (Involution)

Uexküll und Wesiak 1988; Bader-Johansson 2002

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Akutes Trauma – „Totstellreaktion“

• Zusammenklappen

• Erstarren, „Einfrieren“

• Verstummen, Anspannen

• Bedrohung, Schmerz

• Überwältigende Angst

• Lähmendes Entsetzen

• Bodenlose Verunsicherung

Archaische KörperSchutz(re)aktion und -haltung

Decortikationshaltung

Dezerebrationshaltung

Auf Schmerzreiz: Beuge-Streck- oder Streck-Synergismen

Was geht in diesem Menschen vor?

„Tetraspastische Haltung“ im Wachkoma als Schultzhaltung / verkörpertes Trauma

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III Forschungsergebnisse …

1.) Erste Person-Perspektive: „Subjektiv“

• Awareness in Narkose (Schneider 1992)

• Selbsterfahrungsberichte von Patienten/Angehörigen/Bezugspersonen über Erleben im Koma/Wachkoma (Dierkes& Hannich 1996; Lawrence 1995, 1997; Zieger 1998)

• Nahtoderlebnisse (van Lommel et al 2001)

• Coma imagery (Johnson 1980)

Inneres Wahrnehmen und Erlebenim Koma/Wachkoma

• „Ozeanisches Erleben“, „Ewigkeit“

• „Existenzielles Schweben“

• Entgrenzungs-/Verschmelzungsgefühle

• Innere Bilder, Träume, Albträume

• Bizarres Körperselbstgefühl, ver-rückte Körpereigenproportionen

• Nahtoderleben: Tunnelerleben, Out of body-Erfahrung (OBE), LichterweltenHannich & Dierkes 1996; Lawrence 1995,1997; Zieger 1998

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TraumatischeKörperpositionen

Johnson 1980

Johnson

(Johnson 1980)

Coma Imagery

Bizarres Körperselbst-erleben

2.) Zweite Person-Perspektive: „Intersubjektiv“

Im körpernahen Dialog (Zieger 1993) unter basalerKommunikation und Stimulation (Mall 1987; (Bienstein & Fröhlich 1991) und multimodaler sensorischer Stimulation/Regulation (Wood 1993)

leibliche Veränderungen bzw. unwillkürliche non-verbale Körpersignale spüren und wahrnehmen:

• Atmung, Herzschlag, Hautfarbe, Mimik, Körperhaltung, Muskeltonus etc.

• in Ruhe und unter Intervention

Teilnehmendes Verstehen (objektiviert durch Beobachtungsprotokoll und Messung/Monitor)

Interdisziplinäre Teamarbeit, Supervision

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„Komastimulation“im erweiterten Sinne: • Angereicherte Umgebung

mit sensorischer Regulation• Emotionale Ansprache durch nahe Angehörige

und Musiktherapie

• Körpernaher Dialogaufbau unter Einbeziehung von Angehörigen mit Aufbau von Ja/Nein-Codes(Zieger 1993, 2005)

• Umsetzung einer Philosophie der „Körpersemantik des autonomen Körperselbst“

(Zieger 2009)

Körpersemantik im körpernahen Dialog

„Sich öffnen“• Einatmen

• Augen öffnen

• Mund öffnen

• Lippen bewegen

• Körper entspannen

• Erröten, Lächeln

• Kopf hinwenden

„Sich schließen“• Ausatmen

• Augen schließen

• Mund schließen

• Lippen schmal machen

• Körper anspannen

• Erblassen, Unmut

• Kopf abwenden

Erfahrung von Lebendigsein / essenzieller Lebenswille!

Weitung Engung

Frühe Reagibilität, overt behavior, extern beobachtbar!

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Körpersprachliche (intuitive) Zeichen für „Wohlbefinden“

• Entspannte „aufmerksame“ Körperhaltung

• Ruhige Atmung

• Entspannte Mimik (Augenbrauen, Stirn)

• Augen leicht geöffnet (oder geschlossen)

• Mund leicht geöffnet (oder geschlossen

• Rosige Hautfarbe

• Angedeutetes Lächeln

Körpersprachliche (intuitive) Zeichen für „Stress“ „Anstrengung“, „Unmut“

• Zunahme der „spastischen“ Körperhaltung mit Anziehen/Beugung der Arme

• Gepresste, unruhige „schwere“ Atmung

• Rotes Gesicht mit Schweißperlen

• Augen/Mund weit geöffnet (oder fest verschlossen)

• Angespannte Mimik mit Stirnfurche und Unmutsreaktionen („Fremdeln“)

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Körpersprachliche (intuitive) Zeichen für “Schmerzen“, “Angst“

• Angestrengte Mimik• Mund weit offen und verzerrt („ersticktes

Schreien“)• Unruhige, „hektische“ Atmung• Augen weit offen, Blick starr, „hektisch“• Rote Gesichts(Haut)farbe• Schweißausbrüche, Schwitzen• Angestrengte, „verkrümmte“ Körperhaltung• Körperliche Unruhe („Beben“)

Entschlüsselungder Körpersemantik …

Pathosymptomatik als Indiz für• Spontanatmung

Schwitzen• Austausch mit der Welt

Lebensgrundrhythmus• Geöffnete Augen

leerer Blickkein Fixieren

• Erwacht Innenschauverlorenes Objekt

• Beugespastik mit Faust-schluß, „Fetalhaltung“

• Selbstschutz, -kontaktnicht kommunikativ

• Primitive Reflexe undSchablonen

• ErbkoordinationenSelbstaktualisierung

… als Basis einer frühen Kontaktaufnahme, Interaktion und Rehabilitation

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Körpernahe dialogische „Attraktoren“

• Liebevoller Blick

• Lächeln

• Vertraute Stimme

• Atmen, Summen, Singen

• Liebevolle Berührungen, Handauflegen Halten, Streicheln, „Sprechende“ Hände

• „Frühe“ Körperhaltungen/Mitbewegungen:Atmen, Wiegen, Schaukeln, Umarmen Liebkosen

Bedeutung der Angehörigen

Körpersemantik in frühen Remissionsphasen des Wachkomas

Vollbild I. Primitive II. NachgreifenPsychomotorik

Keine emotionalen Primitivemotionen UnmutsäußerungenReaktionen Angst Furchtgrinsen

Augen geöffnet Optisches Fixieren Optisches Folgen

SWR ermüdungszeitl. SWR (Übergang) SWR tageszeitlich

Nur Primitivmotorik Grobe gerichtete NachgreifenKeine Spontanmotorik Massenbewegungen Abwehrbewegung

modifiziert nach Gerstenbrand 1967, 1990, 1999

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„Komastimulation“Spezielle Verfahren:• Medikamentöse Stimulation• Elektrische Stimulation• Multisensorische/multimodale Stimulation

(Wahrnehmung und Reagibilität)• Musiktherapie (emotionale Antwort und

Entspannung)• Anbahnung und Aufbau von Ja/Nein-

Codes, Buzzertraining, BCI

Provokation prozedural-motorischerReaktionen/Antworten mittels „dringender“ Aufforderungen (Stimme!)

(1) Physical prompts• „Press my hand!“

From physical prompts to obeying commands

(2) Visual tracking• „Look in my eyes!“

From visual tracking to visual cognition

(Ashley Murphy, Hospital for Neurodisability, London (1995)

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Aufbau von Ja/Nein-Codes

Elementare Codes• Seufzen

• Lidschlag

• Augen schließen

• Kopf nicken

• Daumen drücken

• Hand drücken, heben

• Bein beugen

• Buzzer drücken

Elaborierte Codes• ABC vorsprechen

• ABC zeigen

• Mimik, Gesten

• Gebärden

• PC-Taste bedienen

Exkurs

Musiktherapie

im Verlauf des Aufwachens

einer

jungen Koma-Patientin

nach SHT

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Outcome - Kommunikationsstatus

0

2

4

6

8

10

12

14

16

18

20

nur

vegetativ

Ja/Nein

Code

nonverbal-

emotional

verbal

9,5%

36%34%

20,5%

analog binär

Buzzer

LIS

Zieger 2006

N = 53

1997-2004

3.) Dritte Person-Perspektive: „Objektiv“

(1) Bestimmung von Komatiefe und Remissionszeichen mittels Skalen und Scores

(2) Lernen im Koma (Blinkreflex-Konditionierung) (Schwall & Schönle 1993; Bekintschein et al 2009: Klassisches Konditionieren)

(3) Interventionsbegleitende Messung der HRV und EEG-Reagibilität unter „Komastimulation“/“Dialogaufbau“ (Zieger & Hildebrandt 1996, 1997, 2001; Hildebrandt et al 1999)

24

(4) Messung ereigniskorrelierter evozierter („kognitiver“) Potentiale: N100, P300, MMN, N400 (Daltrozzo et al 2007; Cavinato et al 2009; Fischer et al 2010; Schönle 2004)

(5) Aktivierbarkeit kortikaler und „emotionaler“ limbisch-kortiko-subkortikaler Hirnareale unter Ansprache des eigenen Namens (zahlreiche internationale Studien mit Neuer Bildgebung: PET, fMRT und ERP)

(Laureys et al 1999 ff; Owen et al 2003, 2006; Schiff 2000, Schiff et al 2002 u.v.a.)

(1) Bestimmung von Komatiefe und Remission

• GCS

• KRS

• SEKS

• SMART

• CRS-R

GCS für Kinder

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(2) Lernen im Koma/Wachkoma

VSSchwall & Schönle (1993) • Habitutation des Blinkreflexes bei

apallischen Patienten

Bekintschien et al (2009)• Classical conditioning (Blinzeln,

Augenschluss (EMG) in the VS and MCS:• VS und MCS Patienten können lernen,

ohne explizit verbal berichten zu können!• Guter Indikator für Recovery

„Sensorische Stimulation und Dialogaufbau bei Komapatienten nach Schädel-Hirntrauma auf der Intensivstation“

• Nordwest-Krankenhaus Sanderbusch, Ev. Krankenhaus und Universität Oldenburg

• Förderung durch das Kuratorium ZNS (Bonn)• Einbeziehung von Angehörigen• Zeitliche Korrelation von Reizereignissen und

inneren / äußeren Verhaltensänderungen

• Indikator: Herzratenvarianz (HZV)

• Interdisziplinä res Pr ojekt (1 994-19 97)

• Interdisziplinä res Pr ojekt (1 994-19 97)

(3) Interdisziplinäres Forschungsprojekt (Zieger, Hildebrandt et al 1994-1997)

26

Angehörigen-induzierte „Beruhigung“„Entspannung“ und „Aufmerksamkeit“

im EEG-Power-Spektrum bei Pat. KA

L front

R front

Angehörige

Ereigniskorrelierte „mimische“ Reaktions-potentiale im frontalen EMG unter

dialogischer Intervention bei Pat. SF

Frontales EMG

k

Dialogische

Intervention

„Blinzel, wenn Du mich hörst!“

A B AStandardreize

Standardreize

27

Ereigniskorrelierte β-Aktivierung im EEG-Powerspektrum unter therapeutischer

Intervention bei Pat. KA

L

R

Interventionsereignisse

1 2 3

Einfluss von sensorischer Stimulation und Dialog-aufbau auf frühe Reagibilität und Outcome nach

schwerem SHT [n = 42 Koma-Patienten](Hildebrandt, Zieger et al 2000; Zieger, Hildebrandt et al 2000)

Komadauer

Hirnstammbeteiligung Maximum des mittleren

„emotionalen“ HR-Frequenz-

Bandes unter Stimulation

p = 0.025p = 0.009

FIM-Outcome

28

(4) Messung ereigniskorrelierter evozierter („kognitiver“) Potentiale

Daltrazzo et al 2007: Predicting coma … usingevent related brain potentials.

• Metanalyse von 10 vergleichbaren Studien mit 313-548 Patienten

• Vergleich der prognostischen Power (OR) von N100, MNN, P300 für die Wahrscheinlichkeit des Erwachens

Ergebnisse:• P300>MMN>N100 sagen für alle Ätiologien (außer für

das anoxische Coma) das Erwachen signifikant voraus

• MMN und P300 sind reliable Indikatoren für die Vorhersage des Erwachens

N = 120 severely brain injured patients.

N400 eindeutig nachweisbar bei:

• VS 12%

• NEVS 77%

• NOVS 91%„How vegetative is the vegetative state?“

Preserved semantic processing in VS patients - evidence from N 400 event-related potentials (Schönle & Witzke 2004)

29

Frühe Entwicklung einer N400 – 3 Wo

N400

N400

N400

Später Nachweis einer N400 - 17 Mon

N400

30

31

Schiff et al 1999/2002

Dissoziierteinselförmige kortikale und subkortikale Ruheaktivität im Wachkoma!

(4) Neue Bildgebung (fMRT)

NRZ Greifswald 1999

Inselförmige kortikale Residualaktivität „wie im Traum“

im SPECT eines Wachkoma-Patienten

32

Aktivierbare kortikale Areale (fMRT)Owen 2003

Vertraute Gesichter

Vertraute Stimmen

gesund Wachkoma

gesund Wachkoma

Laureyset al 2004

PET

+

ERP –P300

OwnName

33

Schmerzverarbeitung im Wachkoma!

Kassubek et al. 2003

AnterioresCingulum

fMRT

Kognitive Kompetenzen im Wachkoma?

Kontrolle

Patient

1.) Tennisspiel 2.) Räumliche Navigation

Präcuneus!

Owen et al 2006

Präcuneus!

fMRT

SMA

SMA

SMA

SMA

SMA

PMC

PMC

34

Emotionale Aktivierbarkeit„beziehungs“-relevanter Hirnzonen bei einer Wachkoma-Patientindurch Ansprache von vertrauten Angehörigen.

(Eickhoff et al 2008)

Forschungszentrum Jülich

2003: Plötzliches Erwachen im Pflegeheim. Spricht wieder: „Mom“, “Pepsi“, „Milk“. Wer ist Präsident? „Reagan!“

1984: Schweres SHT

Terry Wallis´spätes Erwachen

Tetraspastik20 Jahre alt

Nach 19 Jahren aus dem Koma erwacht!

35

Voss et al 2006: „Neuwachstum von Nervenverbindungen nach 19 J. Koma“

Laureys 2004

Präcuneus

nnnnnnnn Diffuse Tensor

Imaging (DTI)

aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa

Päcuneus

Terry WalliceNeue Nerven-verbindungen

CCT

Copyright ©2006 American Society for Clinical Investigation

Laureys et al 2006: “Was dasErwachen aus dem Koma ermöglicht”

Abkürzungen: T Thalamus; MF medialer frontaler Cortex; P Präcuneus;

VS vegetative state; REC Recovery; CON control

36

IV Ausblick – aktueller Trend

13 Komapatienten mit Kontrollgrp. (Gesunde):

• Vier Befehle/Antworten vom Sprachcomputerwiederholt: „Ja, Nein, Stopp, Go“

• 10-12 Fragen gestellt: EEG-Veränderungen

Ergebnisse• Trefferquote im Schnitt 25-33%!• 3 Patienten haben auf > 50 % der Fragen

adäquat geantwortet!

Kommunikation mit Komapatienten(Coma Science Group: Moonen et al, ENS 2010)

Willful modulation of brain activity in disorders of consciousness?

(Monti et al 2010)

fMRI-Study: „Of the 54 patients …,

5 were able to willfully modulate theirbrain activty …,

in 3 cases bedside testing revealedsome sign of awareness …,

in the other 2 patients, no voluntarybehavior could be detected my means of clinical assessment.“

37

Demertzi et al 2010

Assessing Consciousness (Demertzy 2010)

Therapeutic interventionsin early rehabilitation

38

Paralyzed man can again "talk"

BCI

Verwendung des fMRT-Imagery-Paradigmas

Delartzi et al 2010• Kommunikationsaufbau

• Unterscheidung von VS Vollbild und MCS

• Vorhersage von Recovery

• Beantwortung von Fragen (u.a. Bedürfnisse, Therapiewünsche, Lebensmut, „Sterbehilfe“)

• Prognostik• Behandlungsentscheidungen

39

Klinische Notwendigkeit• Einheitliche Definition und Nomenklatur!• Gründliche diagnostische Abklärung!

- Standardisierte klinische Verhaltensbeob-achtung (GCS, KRS, SEKS, CRS-R,SMART) und

- Messungen in Ruhe und unter Intervention (HRV, EEG, ERP, fMRI)

• Emotionale Dialogangebote als „Brücke zur Außenwelt“ und zum „Körperselbst“ nutzen!

• Einbeziehung von Angehörigen!

• Emotional und soziale „angereicherte Umgebung“ bereits auf der Intensivstation, während der Frührehabilitation und später zu Hause oder in der Pflegeinrichtung

• Gute Voraussetzungen für Regeneration, Plastizität und Lernen des „sozialen Gehirns“ von Wachkoma-Patienten schaffen!

• Versorgungs- und Teilhabeforschung (European Medical School)

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DER SPIEGEL 48/2009

Neurologe Laureys, Wachkoma-Patient in PET-Scanner