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Arbeitsrecht Newsletter September 2017 Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, das Bundesverfassungsgericht hat wieder einmal eine seiner berühm- ten „Ja-aber-Entscheidungen“ gefällt. Im mit Spannung erwarteten Urteil zum Tarifeinheitsgesetz („Ein Betrieb – ein Tarifvertrag“) stell- te es zwar klar, dass das Gesetz weitestgehend verfassungskonform ist. Aber eben nur weitestgehend. Es sei nicht sichergestellt, dass die Interessen der Minderheitsberufsgruppen (z. B. Lokführer, Piloten) hinreichend berücksichtigt sind. Das Gericht gab dem Gesetzgeber auf, bis Ende 2018 nachzubessern. Für die Praxis hat es damit mehr Fragen aufgeworfen als es beantwortet hat. Was die Entscheidung im Hinblick auf die Streikwahrscheinlichkeit insbesondere im Luft- und Schienenverkehr bedeutet, lesen Sie im nebenstehenden Beitrag. Das Entgelttransparenzgesetz, das für mehr Lohngerechtigkeit zwi- schen Frauen und Männern sorgen soll, ist nun seit Juli in Kraft. Es gilt Kennern als überflüssiges Bürokratiemonster, das die Praxis vor knifflige und leider auch zeitkritische Fragen stellt. Den Unter- nehmen ist eine Schonfristbis zum 6. Januar 2018 eingeräumt, in der sie sich auf das neue Gesetz einstellen sollten. Die wichtigsten To-dosfür die Praxis schildert ein Beitrag auf Seite 9. Lesen Sie außerdem einen weiteren Beitrag „im Blickpunkt“, der sich mit dem inzwischen in Kraft getretenen Betriebsrentenstärkungs- gesetz beschäftigt, in dem in letzter Sekunde noch Änderungen vor- genommen worden sind (Seite 10). Wir wünschen eine informative Lektüre und stehen für Rückfragen gerne zur Verfügung. Mit besten Grüßen Dr. Christopher Melms für die Praxisgruppe Arbeitsrecht Inhalt Rechtsprechung Seite 1 Im Blickpunkt Seite 9 Kurzmeldungen Seite 11 Anstehende BAG-Entscheidungen Seite 12 Hinweise und Impressum Seite 12 Rechtsprechung Das Tarifeinheitsgesetz − mit dem Grundgesetz vereinbar!? Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vom 11. Juli 2017 – 1 BvR 1571/15 u. a. Sachverhalt Bis zum Jahr 2010 vertrat das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung den Grundsatz „Ein Betrieb – ein Tarifvertrag“. Nach Aufgabe dieses Grundsatzes gab es vermehrt Arbeitskämpfe, bei de- nen gerade sogenannte Spartengewerkschaften ihre Macht nutzten, um Arbeitgeber durch Streiks dazu zu bewegen, den Tarifforderungen nachzukommen. Die Streikmacht kleinerer Gewerkschaften resultierte daraus, dass ihre Arbeitnehmer häufig Schlüsselpositionen einnahmen, wie etwa Piloten, Lokführer oder Mitarbeiter der Flugsicherung. Dem soll das Tarifeinheitsgesetz vom 10. Juli 2015 entgegenwirken. Mit ihm soll der vorherige Rechtszustand, „Ein Betrieb – ein Tarifvertrag“, wieder hergestellt werden – und zwar dadurch, dass der Tarifvertrag derjeni- gen Gewerkschaft, der die meisten Arbeitnehmer im Betrieb angehören, den Tarifvertrag der Minderheitsgewerkschaft verdrängt. Für den Fall, dass die Minderheitsgewerkschaft streikt, wurde vertreten, dass dieser Streik unverhältnismäßig sei. Die Spartengewerkschaften wie GdF, GdL, VC und UFO sowie der Marburger Bund fürchteten dadurch eine Exis- tenzbedrohung, da sie im Falle der Verdrängung „ihres“ Tarifvertrags keine Durchsetzungsmöglichkeiten mehr hätten und dies dazu führen könnte, dass eine Mitgliedschaft in diesen Spartengewerkschaften für Arbeitnehmer unattraktiv würde. Die Entscheidung Das BVerfG entschied, dass das Tarifeinheitsgesetz weitgehend mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Verfassungswidrig ist das Gesetz nur insoweit, als nicht sichergestellt ist, dass im Mehrheitstarifver- trag Interessen der Minderheitenberufsgruppen hinreichend berück- sichtigt sind. Der Gesetzgeber ist nun dazu verpflichtet, dies bis zum

Arbeitsrecht - BEITEN BURKHARDT · München Martin Fink, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, München Deutsche unternehmerische

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Arbeitsrecht

Newsletter

September 2017

Editorial

Liebe Leserin lieber Leser

das Bundesverfassungsgericht hat wieder einmal eine seiner beruumlhm-

ten bdquoJa-aber-Entscheidungenldquo gefaumlllt Im mit Spannung erwarteten

Urteil zum Tarifeinheitsgesetz (bdquoEin Betrieb ndash ein Tarifvertragldquo) stell-

te es zwar klar dass das Gesetz weitestgehend verfassungskonform

ist Aber eben nur weitestgehend Es sei nicht sichergestellt dass die

Interessen der Minderheitsberufsgruppen (z B Lokfuumlhrer Piloten)

hinreichend beruumlcksichtigt sind Das Gericht gab dem Gesetzgeber

auf bis Ende 2018 nachzubessern Fuumlr die Praxis hat es damit mehr

Fragen aufgeworfen als es beantwortet hat Was die Entscheidung

im Hinblick auf die Streikwahrscheinlichkeit insbesondere im Luft- und

Schienenverkehr bedeutet lesen Sie im nebenstehenden Beitrag

Das Entgelttransparenzgesetz das fuumlr mehr Lohngerechtigkeit zwi-

schen Frauen und Maumlnnern sorgen soll ist nun seit Juli in Kraft Es

gilt Kennern als bdquouumlberfluumlssiges Buumlrokratiemonsterldquo das die Praxis

vor knifflige und leider auch zeitkritische Fragen stellt Den Unter-

nehmen ist eine bdquoSchonfristldquo bis zum 6 Januar 2018 eingeraumlumt in

der sie sich auf das neue Gesetz einstellen sollten Die wichtigsten

bdquoTo-dosldquo fuumlr die Praxis schildert ein Beitrag auf Seite 9

Lesen Sie auszligerdem einen weiteren Beitrag bdquoim Blickpunktldquo der sich

mit dem inzwischen in Kraft getretenen Betriebsrentenstaumlrkungs-

gesetz beschaumlftigt in dem in letzter Sekunde noch Aumlnderungen vor-

genommen worden sind (Seite 10)

Wir wuumlnschen eine informative Lektuumlre und stehen fuumlr Ruumlckfragen

gerne zur Verfuumlgung

Mit besten Gruumlszligen

Dr Christopher Melms fuumlr die Praxisgruppe Arbeitsrecht

Inhalt

Rechtsprechung Seite 1

Im Blickpunkt Seite 9

Kurzmeldungen Seite 11

Anstehende BAG-Entscheidungen Seite 12

Hinweise und Impressum Seite 12

Rechtsprechung

Das Tarifeinheitsgesetz minus mit dem Grundgesetz vereinbar

Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vom 11 Juli 2017 ndash 1 BvR 157115 u a

SachverhaltBis zum Jahr 2010 vertrat das Bundesarbeitsgericht in staumlndiger Rechtsprechung den Grundsatz bdquoEin Betrieb ndash ein Tarifvertragldquo Nach Aufgabe dieses Grundsatzes gab es vermehrt Arbeitskaumlmpfe bei de-nen gerade sogenannte Spartengewerkschaften ihre Macht nutzten um Arbeitgeber durch Streiks dazu zu bewegen den Tarifforderungen nachzukommen Die Streikmacht kleinerer Gewerkschaften resultierte daraus dass ihre Arbeitnehmer haumlufig Schluumlsselpositionen einnahmen wie etwa Piloten Lokfuumlhrer oder Mitarbeiter der Flugsicherung Dem soll das Tarifeinheitsgesetz vom 10 Juli 2015 entgegenwirken Mit ihm soll der vorherige Rechtszustand bdquoEin Betrieb ndash ein Tarifvertragldquo wieder hergestellt werden ndash und zwar dadurch dass der Tarifvertrag derjeni-gen Gewerkschaft der die meisten Arbeitnehmer im Betrieb angehoumlren den Tarifvertrag der Minderheitsgewerkschaft verdraumlngt Fuumlr den Fall dass die Minderheitsgewerkschaft streikt wurde vertreten dass dieser Streik unverhaumlltnismaumlszligig sei Die Spartengewerkschaften wie GdF GdL VC und UFO sowie der Marburger Bund fuumlrchteten dadurch eine Exis-tenzbedrohung da sie im Falle der Verdraumlngung bdquoihresldquo Tarifvertrags keine Durchsetzungsmoumlglichkeiten mehr haumltten und dies dazu fuumlhren koumlnnte dass eine Mitgliedschaft in diesen Spartengewerkschaften fuumlr Arbeitnehmer unattraktiv wuumlrde

Die EntscheidungDas BVerfG entschied dass das Tarifeinheitsgesetz weitgehend mit dem Grundgesetz vereinbar ist Verfassungswidrig ist das Gesetz nur insoweit als nicht sichergestellt ist dass im Mehrheitstarifver-trag Interessen der Minderheitenberufsgruppen hinreichend beruumlck-sichtigt sind Der Gesetzgeber ist nun dazu verpflichtet dies bis zum

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

31 Dezember 2018 zu regeln Daruumlber hinaus hat das BVerfG entschie-den dass die Verdraumlngungsregelung restriktiv auszulegen sei Insbe-sondere muumlssten bdquounzumutbare Haumlrtenldquo vermieden werden Das heiszligt dass bestimmte tarifvertraglich garantierte Leistungen in keinem Fall verdraumlngt werden duumlrfen Das BVerfG nennt beispielhaft Leistungen zur Alterssicherung zur Arbeitsplatzgarantie oder zur Lebensarbeitszeit Zudem stellt das Gericht fest dass selbst bei klaren Mehrheitsverhaumllt-nissen im Betrieb fuumlr die streikende Gewerkschaft auch bei einer rechts-widrigen Arbeitskampfmaszlignahme kein Haftungsrisiko bestehen duumlrfe Dies muumlssten die Arbeitsgerichte gegebenenfalls in verfassungskonfor-mer Anwendung der Haftungsregelungen sicherstellen

Konsequenzen fuumlr die PraxisInsgesamt wird deutlich dass das BVerfG das Tarifeinheitsgesetz zwar nicht fuumlr nichtig erklaumlrt aber den Schutz von Spartengewerkschaften bestaumltigt hat Die vom Gesetzgeber und den groszligen Gewerkschaften bezweckte Verschiebung der Machtverhaumlltnisse zu Gunsten der groszligen Gewerkschaften wird also durch dieses Gesetz nicht eintreten Allerdings wirft das BVerfG in der Begruumlndung mehr Fragen auf als es beantwortet Es ist zu erwarten dass die Arbeitsgerichte auch in Zukunft insbesondere die Frage der Rechtmaumlszligigkeit von Streiks stark beschaumlftigen wird Ab-zuwarten bleibt auch welches Instrument der Gesetzgeber zum Schutz der Minderheitsberufsgruppen entwickeln kann ohne den Kern des Tarifeinheitsgesetzes in Frage zu stellen Es ist zu erwarten dass in Zu-kunft Gewerkschaften die die gleiche Mitarbeitergruppe im Betrieb ver-treten wieder enger zusammenarbeiten werden Andererseits werden sich insbesondere Spartengewerkschaften sehr darum bemuumlhen in aus-gewaumlhlten Betrieben so viele Mitglieder anzuwerben dass sie selbst die Mehrheitsgewerkschaft sind und damit uumlber ausreichend Verhandlungs-macht bei Tarifverhandlungen verfuumlgen

Markus Kuumlnzel Rechtsanwalt und Fachanwalt fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Martin Fink Rechtsanwalt und Fachanwalt fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Deutsche unternehmerische Mitbestimmung mit dem Unionsrecht vereinbar

Europaumlischer Gerichtshof (EuGH) vom 18 Juli 2017 ndash C-56615

SachverhaltBei der Wahl der Arbeitnehmervertreter fuumlr den mitbestimmten Auf-sichtsrat des Tourismus-Konzerns TUI haben ca 10000 Mitarbeiter in Deutschland nicht aber ca 40000 im EU-Ausland mitgewaumlhlt Ein Anteilseigner der TUI AG hatte sich gegen die daraus resultierende Zu-sammensetzung des Aufsichtsrats und damit gegen den bisherigen uumlblichen bdquoTerritorialitaumltsgrundsatzldquo gewandt Er sah einen Verstoszlig des MitbestG gegen die Freizuumlgigkeit der Arbeitnehmer und das allgemeine Verbot der Diskriminierung Das Kammergericht Berlin hat den Fall dem EuGH vorgelegt

bdquoUnternehmerische Mitbestimmungldquo bedeutet dass in Unternehmen mit Sitz in Deutschland und in einer bestimmten Rechtsform wie der AG oder der GmbH ein mit Vertretern der Arbeitnehmer besetzter Auf-sichtsrat zu bilden ist wenn die Schwelle einer bestimmten Anzahl von regelmaumlszligig beschaumlftigten Arbeitnehmern uumlberschritten ist Der Auf-sichtsrat ist bei in der Regel mehr als 500 beschaumlftigten Arbeitnehmern zu einem Drittel (Drittelbeteiligungsgesetz DrittelbG) bzw bei regel-maumlszligig mehr als 2000 beschaumlftigten Arbeitnehmern zur Haumllfte (Mitbe-stimmungsgesetz MitbestG) aus Arbeitnehmervertretern (Arbeitneh-mer leitende Angestellte Gewerkschaftsmitglieder) zu besetzen

Die EntscheidungDer EuGH entschied dass das MitbestG nicht unionsrechtswidrig ist und hat damit die deutschen Regeln zur Wahl von Arbeitnehmern in Auf-sichtsraumlte bestaumltigt Damit verfuumlgen Arbeitnehmer deutscher Konzer-ne die im Inland beschaumlftigt sind uumlber mehr Mitbestimmungsrechte als Arbeitnehmer des deutschen Konzerns die im Ausland beschaumlftigt sind Die Argumente der Klaumlgerseite dass das MitbestG gegen die Freizuumlgig-keit der Arbeitnehmer (Arbeitnehmer in Deutschland verlieren bei einer Beschaumlftigung und einem Umzug ins Ausland ihr Wahlrecht) und das allgemeine Verbot der Diskriminierung (bei Arbeitnehmern von Tochter-gesellschaften im Ausland handelt es sich naturgemaumlszlig regelmaumlszligig um Arbeitnehmer ohne deutsche Staatsangehoumlrigkeit) verstoszlige wies der EuGH zuruumlck

Konsequenzen fuumlr die PraxisDas Urteil fuumlhrt zu Rechtssicherheit sodass die Regeln der unternehme-rischen Mitbestimmung nach dem MitbestG und dem DrittelbG wie bis-her in rechtmaumlszligiger Weise angewendet werden koumlnnen Eine Entschei-dung die die Unionsrechtswidrigkeit der deutschen Mitbestimmung fest-gestellt haumltte haumltte erhebliche Auswirkungen gehabt

PraxistippJe nach Ausgang der Wahl koumlnnten sich die Regelungen der unterneh-merischen Mitbestimmung natuumlrlich auch aumlndern womit es mit der Rechtssicherheit auch schon wieder zu Ende sein koumlnnte Es ist kein Geheimnis dass die deutsche unternehmerische Mitbestimmung von vielen Unternehmen kritisch gesehen und als Einschraumlnkung der un-ternehmerischen Freiheit wahrgenommen wird Dies missfaumlllt den Ge-

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werkschaften und den bdquolinksorientiertenldquo politischen Parteien Im Koa-litionsvertrag koumlnnte deshalb beispielsweise vorgesehen werden dass die unternehmerische Mitbestimmung und damit die Beteiligung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsratsgremien gestaumlrkt werden indem der Geltungsbereich des MitbestG und des DrittelbG insbesondere bei den Schwellenwerten neu gefasst werden soll und dass mehr Unternehmen von der unternehmerischen Mitbestimmung erfasst sein werden

Unternehmen muumlssen der Einschraumlnkung der unternehmerischen Frei-heit und den aufgezeigten Folgen aber nicht tatenlos zusehen Es gibt zahlreiche Gestaltungsmoumlglichkeiten fruumlhzeitig einer moumlglichen Staumlr-kung der Unternehmensmitbestimmung entgegenzutreten beispiels-weise den Wechsel der Rechtsform die Unterschreitung der Schwellen-werte oder die Sitzverlegung

Dr Erik Schmid Rechtsanwalt und Fachanwalt fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Hinweis Der Beitrag ist in aumlhnlicher Form auch im arbeitsrechtlichen Blog des Autors im HJR-Verlag (wwwrehmnetzdeblog-arbeits-recht) erschienen

Umgang mit vermeintlich unbilligen Weisungen Rechtsprechungsaumlnderung droht

Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 14 Juni 2017 minus 10 AZR 33016

SachverhaltDer Arbeitnehmer wollte einer Versetzung von Dortmund nach Berlin nicht Folge leisten obwohl das Weisungsrecht des Arbeitgebers eine Versetzung generell ermoumlglichte Als Argument fuumlhrte der Mitarbeiter u a an dass seine Interessen nicht ausreichend beruumlcksichtigt worden seien und die Weisung wegen bdquoUnbilligkeitldquo nicht befolgt werden muumls-se Er verweigerte die Arbeitsaufnahme in Berlin Die Vorinstanz gab dem Arbeitnehmer Recht

Die EntscheidungDer 10 Senat des BAG moumlchte sich der Auffassung der Vorinstanz an-schlieszligen und vertreten dass Arbeitnehmer einer unbilligen Weisung des Arbeitgebers nicht ndash und auch nicht nur vorlaumlufig bis zu einer ge-richtlichen Klaumlrung ndash folgen muumlssen Damit will sich der 10 Senat gegen die bisherige Rechtsprechung des 5 Senats stellen

Nach bisheriger Auffassung des 5 Senats (Urteil vom 22 Februar 2012ndash 5 AZR 24911) haben Arbeitnehmer Weisungen zu befolgen auch wenn sie diese fuumlr unbillig halten Dies gilt so lange nicht die Unbillig-keit der Weisung rechtskraumlftig festgestellt ist Kommt der Mitarbeiter der Weisung nicht nach so riskiert er nicht nur seinen Lohnanspruch sondern auch eine Abmahnung oder gar Kuumlndigung Erst mit rechts-kraumlftiger Feststellung dass die Weisung unbillig ist ndash so der 5 Senat

nach bisheriger Auffassung ndash besteht fuumlr den Arbeitnehmer nicht mehr die Pflicht der Weisung zu folgen

Um die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu wahren hat der 10 Se-nat nun beim 5 Senat angefragt ob Letzterer an seiner bisherigen Auffassung festhalte Sollte keine Einigkeit zwischen den Senaten zu erzielen sein so wird der Groszlige Senat des BAG in der Sache zu entscheiden haben Ob der 5 Senat an seiner bisherigen Auffassung festhalten wird ist schwer absehbar zumal sich u a der Vorsitz im 5 Senat seit dem letzten Urteil in dieser Frage personell entschei-dend veraumlndert hat

Konsequenzen fuumlr die PraxisArbeitnehmer haben Weisungen des Arbeitgebers zu befolgen solange sie nicht wegen eines Verstoszliges gegen Arbeitsvertrag ein-schlaumlgige Kollektivregelungen (Betriebsvereinbarung Tarifvertrag) oder gegen das Gesetz unwirksam sind Weisungen muumlssen sich fer-ner im Rahmen bdquobilligen Ermessensldquo halten und duumlrfen insgesamt nicht bdquounbilligldquo sein Entsprechend hat der Arbeitgeber die wesent-lichen Umstaumlnde des Falles abzuwaumlgen und fuumlr die Entscheidungs-findung die beiderseitigen Interessen angemessen zu beruumlcksichti-gen Es liegt auf der Hand dass bei einem solchen Abwaumlgungsprozess leicht Uneinigkeit entsteht Daruumlber haben letztlich die Arbeitsgerich-te zu entscheiden

Von hoher Bedeutung aber ist die Frage wie sich Arbeitnehmer in der Zeit bis zur gerichtlichen Klaumlrung der Billigkeit einer erteilten Wei-sung zu verhalten haben Muumlssen sie zunaumlchst einmal der Weisung Folge leisten oder koumlnnen sie sich der Weisung widersetzen indem sie bdquoUnbilligkeitldquo anfuumlhren Die Entscheidung des 10 Senats betrifft diese praktisch sehr relevante Frage Bis Einigkeit der Senate erzielt ist oder der Groszlige Senat des BAG eine Entscheidung getroffen haben wird besteht nun in der Praxis Rechtsunsicherheit

PraxishinweisArbeitgeber muumlssen bei der Weisungserteilung besonderes Augenmerk auf die sorgfaumlltige Abwaumlgung der beiderseitigen Interessen legen Ge-rade wenn es um Weisungen zur uumlberoumlrtlichen Versetzung geht sollten Arbeitgeber keinen bdquoSchnellschussrdquo riskieren Zusaumltzlich ist der vorsorg-liche Einsatz der Aumlnderungskuumlndigung zu erwaumlgen Der neue Arbeitsort wird nicht per Weisung angeordnet sondern der bisherige Arbeitsver-trag wird gekuumlndigt und zugleich wird ein neuer Arbeitsvertrag mit konkreter Bezeichnung des neuen Arbeitsortes angeboten Sofern der Arbeitnehmer die dadurch geaumlnderten Bedingungen unter Vorbehalt annimmt ist er auch zur bdquoeinstweiligen Befolgungrdquo der Weisung ver-pflichtet

Dr Gerald Peter Muumlller Rechtsanwalt und Fachanwaltfuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Berlin

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bdquoSpionageverbotrdquo fuumlr den Chef ndash BAG setzt mit Grundsatzurteil der verdeckten Kontrolle von Arbeitnehmern Grenzen

Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 27 Juli 2017 minus 2 AZR 68116

SachverhaltIm Zusammenhang mit der Freigabe eines Netzwerks teilte das Unter-nehmen seinen Arbeitnehmern mit dass der gesamte bdquoInternet-Trafficldquo und die Benutzung ihrer Systeme bdquomitgeloggtldquo wuumlrden Sie installierte auf dem Dienst-PC des spaumlteren Klaumlgers eine sog Keylogger-Software die saumlmtliche Tastatureingaben protokollierte und regelmaumlszligig Bild-schirmfotos fertigte noch bevor ein hinreichender Verdacht oder kon-krete Vermutungen hinsichtlich des Fehlverhaltens eines Arbeitnehmers vorlagen Die Auswertung der Daten ergab dass der Arbeitnehmer waumlh-rend der Arbeitszeit den Dienst-PC in einem erheblichen Rahmen fuumlr pri-vate Zwecke genutzt hatte Er wurde mit den Ergebnissen konfrontiert raumlumte auch ein den Dienst-PC privat genutzt zu haben jedoch nur im geringen Umfang Eine Klausel im Arbeitsvertrag die die Privatnut-zung von Internet und E-Mails untersagte gab es nicht Aufgrund der durch die Software erhobenen Daten kuumlndigte die Arbeitgeberin frist-los hilfsweise fristgerecht (vgl auch Besprechung der vorinstanzlichen Entscheidung im BEITEN BURKHARDT Newsletter Arbeitsrecht Ausgabe Maumlrz 2017 Seite 5)

Die Entscheidung Das BAG entschied dass die Informationsgewinnung durch den ver-deckten Einsatz der Keylogger-Software gemaumlszlig sect 32 Abs 1 Satz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes unzulaumlssig war Die durch den Keylogger gewonnenen Erkenntnisse uumlber die Privattaumltigkeiten des Arbeitneh-mers durften nicht im gerichtlichen Verfahren verwertet werden Durch den Einsatz der Keylogger-Software habe die Arbeitgeberin das als Teil des allgemeinen Persoumlnlichkeitsrechts gewaumlhrleistete Recht des Arbeit-nehmers auf informationelle Selbstbestimmung verletzt Eine Verlet-zung liege insbesondere deshalb vor da die Uumlberwachung der Arbeitge-berin bdquoins Blaue hineinrdquo erfolgte und zuvor kein konkreter Verdacht auf eine schwerwiegende Pflichtverletzung vorgelegen hatte Die unzulaumls-sige Uumlberwachung des Arbeitnehmers fuumlhre deshalb zu einem Verbot die so gewonnenen Beweismittel im Gerichtsprozess zu verwenden Die Kuumlndigung war damit unwirksam

Konsequenzen fuumlr die Praxis Nicht alles was im Wandel der Arbeitswelt dem Arbeitgeber zur bdquoUumlber-fuumlhrungrdquo bei einer Pflichtverletzung des Arbeitnehmers zur Verfuumlgung steht bewegt sich im Rahmen des rechtlich Zulaumlssigen Ist die ergriffe-ne Maszlignahme unverhaumlltnismaumlszligig koumlnnen nicht nur die gewonnenen Beweise rechtlich wertlos sein Dem Arbeitgeber koumlnnen gegebenen-falls auch Buszliggelder der Datenschutzaufsichtsbehoumlrden und Schadens-ersatzklagen der betroffenen Arbeitnehmer drohen Grundsaumltzlich darf ein Mitarbeiter mit einer solchen oder aumlhnlichen Software nur uumlberwacht werden wenn vorher aufgrund konkreter Tatsachen der Verdacht einer Straftatschweren Pflichtverletzung besteht und mildere Mittel zur Auf-klaumlrung nicht gegeben sind

PraxistippOft liegt nur ein Anfangsverdacht vor aufgrund dessen der Arbeitneh-mer bdquouumlberfuumlhrtrdquo werden soll Das BAG verbietet nicht prinzipiell den

Einsatz solcher Software sondern nur die Verwertung der Daten Wird daher bei ersten Anhaltspunkten eine Keylogger-Software eingesetzt die eine Pflichtverletzung feststellt ist in Bezug auf die Verwertung der erhobenen Daten dem Arbeitgeber zu raten im Beisein einer weiteren Person ein Gespraumlch mit dem Arbeitnehmer zu fuumlhren Die Praxis zeigt dass Arbeitnehmer sich oft in der Situation der Konfrontation mit der Pflichtverletzung gestaumlndig zeigen Das Gestaumlndnis waumlre unabhaumlngig von der Zulaumlssigkeit der durch die Software gesammelten Daten uumlber die Zeugenaussage im Prozess verwertbar (siehe hierzu auch den Blog-Beitrag von Schmid bei rehmnetzde vom 7 August 2017) Zudem soll-te uumlberlegt werden die Privatnutzung von Internet und E-Mail-Account im Arbeitsvertrag zu verbieten da dann bei Gestaumlndnis einer nur ge-ringfuumlgigen Privatnutzung schneller zumindest fristgerecht gekuumlndigt werden koumlnnte

Dr Anja Branz Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltin fuumlr ArbeitsrechtBEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Berlin

Dr Daniel Hund LLM (NYU) Rechtsanwalt und Fachanwalt fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Darf ich meinen Chef anzeigen

Bundesarbeitsgericht (BAG) Urteil vom 15 Dezember 2016 ndash 2 AZR 4216

SachverhaltEine Arbeitnehmerin zugleich Fachanwaumlltin fuumlr Arbeits- und Sozial-recht unterrichtete an einer Fachhochschule des Bundes fuumlr oumlffentliche Verwaltung Diese wertete nach einer Evaluationsordnung ihre Lehrver-anstaltungen und damit u a auch diejenige der Arbeitnehmerin aus Die Ergebnisse der Umfragen leitete das Unternehmen an andere Mit-arbeiter weiter Wegen eines Verstoszliges gegen das Bundesdatenschutz-gesetz durch das Weiterleiten stellte die Dozentin Strafantrag gegen unbekannt Das Ermittlungsverfahren wurde eingestellt woraufhin die Mitarbeiterin gegen die Einstellung erfolglos Beschwerde bei der Gene-ralstaatsanwaltschaft erhob Die Arbeitgeberin kuumlndigte das Arbeits-verhaumlltnis ordentlich nachdem sie davon erfahren hatte

Die EntscheidungDas BAG sah die Kuumlndigung als gerechtfertigt an weil die Mitarbeite-rin ihre arbeitsvertragliche Nebenpflicht zur Ruumlcksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers erheblich und schuldhaft verletzt habe Die Stellung einer Strafanzeige stelle zwar grundsaumltzlich eine zulaumls-sige Wahrnehmung der staatsbuumlrgerlichen Pflichten dar sofern keine wissentlich unwahre oder leichtfertig falsche Angabe gemacht wor-

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

den sei Hier sei das zwar nicht der Fall Es gab aber keine Anzeichen fuumlr eine strafbare Handlung des Arbeitgebers so dass die Strafanzei-ge leichtfertig und unangemessen gewesen sei Die Arbeitnehmerin haumltte zumindest gegenuumlber ihrem Vorgesetzten oder anderen geeig-neten Stellen einen internen Hinweis geben muumlssen Da ein solcher Klaumlrungsversuch insgesamt fehlte und die Mitarbeiterin als Volljuris-tin die fehlende Schaumldigungsabsicht der Arbeitgeberin haumltte erken-nen muumlssen war die Kuumlndigung gerechtfertigt

Konsequenzen fuumlr die PraxisEine erhebliche Nebenpflichtverletzung kann eine verhaltensbeding-te Kuumlndigung rechtfertigen wenn eine dauerhafte stoumlrungsfreie Ver-tragserfuumlllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten ist In diesen Faumlllen ist auch ohne vorherige Abmahnung eine Kuumlndigung gerechtfertigt wenn entweder schon zum Zeitpunkt des Kuumlndigungsausspruchs eine Verhaltensaumlnderung beim Arbeitnehmer ausgeschlossen werden kann oder die Pflichtverletzung so schwer wiegt dass bei objektiver Betrach-tung die Hinnahme fuumlr den Arbeitgeber unzumutbar und dies fuumlr den Mitarbeiter offensichtlich ist Grundsaumltzlich ist das auf absolute Ausnah-mefaumllle beschraumlnkt vorliegend lag ein solcher jedoch aufgrund der ein-gelegten Beschwerde und damit der Hartnaumlckigkeit der Strafverfolgung vor

PraxistippBei einer Nebenpflichtverletzung ist deshalb zumeist bdquonurrdquo eine Ab-mahnung zu empfehlen es sei denn es handelt sich um ein absolut inakzeptables Verhalten Liegt ein solches vor sollte moumlglichst schnell gehandelt werden um die Unzumutbarkeit der Weiterbeschaumlftigung nicht selbst zu widerlegen Dies gilt nicht nur bei Strafanzeigen son-dern auch bei anderem illoyalen Verhalten gegenuumlber dem Arbeitge-ber So kann ein Aufruf zur Abwahl eines Vorstandsvorsitzenden eines Unternehmens unter Umstaumlnden sogar eine auszligerordentliche fristlose Kuumlndigung rechtfertigen (vgl BAG vom 1 Juni 2017 ndash 6 AZR 72015 ndash aktuell liegt nur die Pressemitteilung des Gerichts hierzu vor)

Manuel Schuumltt LLM Eur Rechtsanwalt Wirtschaftsmediator (MuCDR)BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Rettendes Gesamtkonzept bei befristeten Arbeitsvertraumlgen

Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 14 Dezember 2016 ndash 7 AZR 68814

SachverhaltDie Mitarbeiterin war bei einem Logistikunternehmen zunaumlchst auf Grundlage dreier sachgrundlos befristeter Arbeitsvertraumlge beschaumlftigt Nach einer kurzen Taumltigkeit bei einem anderen Arbeitgeber wurde die Mitarbeiterin erneut befristet im Warenlager des Logistikunternehmens eingestellt Waumlhrend der Laufzeit schlossen die Parteien eine Zusatz-vereinbarung ab mit der die Befristung um zwei Monate verlaumlngert

wurde Aufgrund der Vorbeschaumlftigung im selben Logistikunternehmen bedurfte die Befristung fuumlr ihre Wirksamkeit eines Sachgrunds Das Unternehmen rechtfertigte die Befristung mit einem voruumlbergehenden Bedarf an der Arbeitsleistung der Mitarbeiterin Sie sei nicht mit Dauer-aufgaben beschaumlftigt gewesen sondern mit nicht staumlndig anfallenden Taumltigkeiten wie dem auslaufenden Weihnachts- und dem beginnenden Ostergeschaumlft Die Mitarbeiterin bestritt das Vorbringen zu einem prog-nostizierten voruumlbergehenden Mehrbedarf und fuumlhrte aus dass das Un-ternehmen im April 2013 insgesamt 148 Arbeitnehmer neu befristet eingestellt habe Zuletzt hat das Landesarbeitsgericht (LAG) entschie-den dass nicht nur voruumlbergehender Bedarf bestehe und deswegen eine Befristung nicht gerechtfertigt sei

Die EntscheidungDas BAG entschied nun dass die beiden Vorinstanzen fehlerhaft ge-urteilt haumltten und wies die Klage der Arbeitnehmerin zur weiteren Sach-aufklaumlrung und Entscheidung an das LAG zuruumlck Dabei bestaumltigte das BAG nochmals dass auch ein erhoumlhter Arbeitsaufwand im Rahmen von Daueraufgaben eine Sachgrundbefristung rechtfertigen koumlnne Hierfuumlr sei es unschaumldlich wenn der prognostizierte voruumlbergehende Bedarf an der Arbeitsleistung noch uumlber das Vertragsende des mit dem befristet beschaumlftigten Arbeitnehmer abgeschlossenen Vertrags hinaus andauere Die Vertragsdauer muumlsse aber so mit dem Sachgrund der Befristung in Einklang stehen dass sie ihn nicht von vornherein in Frage stelle Auch muumlsse der befristet beschaumlftigte Arbeitnehmer nicht in dem Bereich eingesetzt werden in dem der voruumlbergehende Mehrbedarf entstehe Es genuumlge vielmehr wenn zwischen dem zeitweilig erhoumlhten Arbeits-anfall und der befristeten Einstellung ein ursaumlchlicher Zusammenhang bestehe Der Arbeitgeber sei im Rahmen voruumlbergehender Mehrarbeit nicht gehindert die vorhandene Arbeitsmenge zu verteilen seine Ar-beitsorganisation zu aumlndern oder die zusaumltzlichen Arbeiten anderen Mitarbeitern zuzuweisen Es duumlrften aber nicht beliebig viele Arbeitneh-mer neu befristet eingestellt werden der prognostizierte Mehrbedarf duumlrfe nicht uumlberschritten werden

Konsequenzen fuumlr die PraxisAn den Arbeitgeber werden weiterhin hohe Anforderungen an die Ent-scheidungen zur Befristung und deren Dokumentation gestellt Ob nur voruumlbergehender Bedarf vorliegt muss der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Vertragsschlusses feststellen Diese Prognose ist Teil des Sach-grunds fuumlr die Befristung und muss in einem Rechtstreit vom Arbeit-geber dargelegt werden Es wird daher weiter erforderlich sein den voruumlbergehenden Mehrbedarf unter Angabe des uumlblichen und des pro-gnostizierten Arbeitsvolumens sowohl in inhaltlicher als auch zeitlicher Hinsicht in ein Verhaumlltnis zum Dauerbedarf zu stellen Weiterhin ausge-schlossen bleibt auch einen Sachgrund dadurch herbeizufuumlhren dass im Wesentlichen unveraumlnderte Daueraufgaben in organisatorisch ei-genstaumlndige bdquoProjekteldquo aufgeteilt werden Der Arbeitgeber darf sich vor Gericht nicht darauf beschraumlnken einen zeitlich begrenzten Mehrbedarf und die befristete Einstellung lediglich des Arbeitnehmers darzustellen dessen Befristung im Streit steht Aus den Angaben muss sich vielmehr ergeben wie viele Arbeitnehmer voraussichtlich fuumlr welchen Zeitraum benoumltigt werden und wie viele zur Deckung dieses Bedarfs befristet eingestellt wurden Durch Unterlagen untermauerte zahlenmaumlszligig kon-kretisierte Angaben zu den befristet eingestellten Arbeitnehmern sind ausreichend ihre namentliche Nennung jedoch nicht noumltig

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

Praxistipp Der Arbeitgeber sollte zur Absicherung ein plausibles Gesamtkonzept zur Bewaumlltigung eines voruumlbergehenden Mehrbedarfs erstellen Das erfordert die Darstellung wie der Bedarf mit Stammarbeitnehmern befristet beschaumlftigten Arbeitnehmern oder gegebenenfalls auf andere Weise ndash etwa durch Leiharbeitnehmer ndash abgedeckt werden sollte Da-mit kann er im Falle eines Rechtsstreits seiner Darlegungspflicht nach-kommen

Dr Kathrin Kentner Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltinfuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Sarah SterflingerRechtsanwaumlltin BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Trotz vereinbarter Notenstufe im Prozessvergleich ndash Formulierung des Arbeitszeugnisses bdquoErmessenssacherdquo

Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 14 Februar 2017 ndash 9 AZB 4916

SachverhaltArbeitnehmer und Arbeitgeber schlossen vor dem Arbeitsgericht im Rah-men eines Kuumlndigungsschutzprozesses einen Vergleich in dem u a Fol-gendes vereinbart wurde

bdquoDie Beklagte erteilt dem Klaumlger ein wohlwollendes qualifiziertes Arbeits-zeugnis mit einer sehr guten Fuumlhrungs- und Leistungsbeurteilung und einer Bedauerns- Dankes- und gute Wuumlnscheformulierung im Schluss-satzrdquo

Der Arbeitgeber erteilte nach Abschluss des Vergleichs ein Zeugnis mit dem sich der Mitarbeiter nicht zufrieden gab Er war der Meinung aus dem Wortlaut ergebe sich keine gute Leistungs- und Fuumlhrungsbeurtei-lung Das Zeugnis weise insgesamt strukturell und inhaltlich groszlige Maumln-gel auf Der Arbeitnehmer forderte deshalb das Unternehmen auf das Zeugnis inhaltlich zu aumlndern was es ablehnte Den vermeintlichen An-spruch auf Zeugnisberichtigung versuchte der Arbeitnehmer anschlie-szligend im Wege der Zwangsvollstreckung aus dem Prozessvergleich durchzusetzen jedoch erfolglos

Die EntscheidungDas BAG gab dem Arbeitgeber Recht und stellte fest dass ein Pro-

zessvergleich der das Unternehmen zur Erteilung eines Zeugnisses mit einer bestimmten Notenstufe verpflichtet nicht den zwangsvoll-streckungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen genuumlge Nach Ansicht des Gerichts bleibt es Sache des Arbeitgebers das Zeugnis im Einzelnen abzufassen wobei die konkrete Formulierung in seinem pflichtgemaumlszligen Ermessen stehe Anders als bei der Verpflichtung ein Zeugnis gemaumlszlig einem Entwurf des Arbeitnehmers zu erteilen laumlsst die Vereinbarung einer bestimmten Notenstufe dem Unternehmen hinsichtlich der Auswahl und Gewichtung einzelner Gesichtspunkte des Umfangs des Zeugnistextes sowie der Formulierung der Leis-tungs- und Fuumlhrungsbeurteilung einen derart weiten Gestaltungs-spielraum dass von einem konkreten vollstreckbaren Leistungsbe-fehl nicht die Rede sein kann

Konsequenzen fuumlr die PraxisDer Arbeitnehmer hat es selbst in der Hand bestimmte Kernformu-lierungen in den Vergleichstext mitaufzunehmen um sicherzustellen dass das Zeugnis einer bestimmten Notenstufe entspricht Auch ist eine Vereinbarung moumlglich dass der Mitarbeiter berechtigt ist einen Entwurf zu erstellen von dem der Arbeitgeber nur aus wichtigen Gruumlnden abweichen kann Hierdurch kann ein weiterer Rechtsstreit vermieden werden Die Regelung in einem gerichtlichen Vergleich in der sich der Arbeitgeber zur Erteilung eines Zeugnisses verpflich-tet das einer bestimmten Note (bdquosehr gutldquo oder bdquogutldquo) entspricht ist jedenfalls fuumlr eine Vollstreckung zu unbestimmt Ist eine solche Vereinbarung getroffen worden kann der Arbeitnehmer im Wege der Zwangsvollstreckung nur dann eine Berichtigung des Zeugnisses erwirken wenn das Zeugnis formal nicht ordnungsgemaumlszlig erteilt wor-den oder erkennbar unvollstaumlndig ist

PraxistippDie vorliegende Entscheidung zeigt dass Arbeitgeber einem Berichti-gungswunsch eines Mitarbeiters im Hinblick auf die Formulierung des Arbeitszeugnisses nicht unbedingt nachkommen muumlssen auch wenn im Prozessvergleich eine Notenstufe vereinbart wurde Vielmehr obliegt es dem Arbeitgeber in einem solchen Fall die konkreten Formulierungen nach pflichtgemaumlszligem Ermessen auszuwaumlhlen Der Mitarbeiter kann die inhaltliche Berichtigung des Zeugnisses dann nicht mehr im Vollstre-ckungsverfahren durchsetzen sondern ist gehalten erneut Klage zu er-heben Moumlchte sich das Unternehmen bei der Formulierung des Arbeits-zeugnisses einen Spielraum vorbehalten spricht weiterhin nichts gegen die Vereinbarung einer bestimmten Zeugnisnote im Vergleich

Sonja Muumlller Rechtsanwaumlltin BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

Entlassungsverlangen des Betriebsrats

Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 28 Maumlrz 2017 ndash 2 AZR 55116

SachverhaltDer Betriebsrat eines Versicherungsunternehmens hatte den Arbeitgeber zur Entlassung einer Sachbearbeiterin aufgefordert Diese war in mehre-re ndash dem Vernehmen nach handgreifliche ndash Vorfaumllle mit Kollegen verwi-ckelt gewesen worin man eine erhebliche Stoumlrung des Betriebsfriedens sah Der Arbeitgeber kam dem Verlangen nicht nach daher leitete der Betriebsrat ein gerichtliches Verfahren (sogenanntes Beschlussverfah-ren) ein An diesem wurde auch die betroffene Arbeitnehmerin beteiligt Nachdem das Arbeitsgericht dem Unternehmen rechtskraumlftig aufgege-ben hatte die Mitarbeiterin zu entlassen erhielt diese eine auszligerordent-liche hilfsweise ordentliche Kuumlndigung gegen die sie sich zur Wehr setzte zuletzt vor dem BAG

Die EntscheidungDas BAG sah in der Verpflichtung zur Entlassung wie schon die Vorinstan-zen ein dringendes betriebliches Erfordernis das eine ordentliche Kuumlndi-gung rechtfertigen kann Ein wichtiger Grund fuumlr eine auszligerordentliche Kuumlndigung sei darin hingegen nicht zu sehen Insbesondere beginne die Zwei-Wochen-Frist fuumlr den Ausspruch einer auszligerordentlichen Kuumlndi-gung nicht erst mit Kenntnis von der Entscheidung des Arbeitsgerichts

Konsequenzen fuumlr die PraxisDie Entscheidung zeigt dass das Beschlussverfahren quasi einen vor-gezogenen Kuumlndigungsschutzprozess beinhaltet da es in mehrerlei Hinsicht fuumlr die Beteiligten ndash darunter den betroffenen Arbeitnehmer ndash praumljudizielle Wirkung hat Dem Betroffenen ist im Kuumlndigungsschutz-verfahren die Argumentation abgeschnitten dass es an einem dringen-den betrieblichen Erfordernis fehlt Zieht umgekehrt der Arbeitgeber in Betracht das im Entlassungsverlangen angesprochene Problem bereits durch eine Versetzung loumlsen zu koumlnnen muss er bereits im Beschluss-verfahren darauf hinwirken dass ihm allenfalls diese Maszlignahme ndash an-stelle einer Entlassung ndash aufgegeben wird

PraxistippNicht moumlglich ist es die Kuumlndigungsgruumlnde durch eine Abmahnung bdquozu verbrauchenldquo weil der Arbeitgeber damit zwar auf sein Recht zum Ausspruch einer Kuumlndigung nicht aber auf die Rechte des Betriebs-rats verzichten kann Andere Gruumlnde die gegen die Wirksamkeit einer solchen Kuumlndigung angefuumlhrt werden koumlnnen bleiben dadurch im Uumlb-rigen unberuumlhrt d h das Entlassungsverlangen kann beispielsweise keinen Sonderkuumlndigungsschutz (z B eines Schwerbehinderten) auf-heben Auch eine Entscheidung im Beschlussverfahren macht eine sol-che Kuumlndigung daher nicht zu einem bdquoSelbstlaumluferldquo

Anekdote am RandeErfolglos muss ein entsprechendes Begehren im Beschlussverfahren bleiben soweit es sich gegen einen Geschaumlftsfuumlhrer richtet Vor dem Landesarbeitsgericht Hamm (Beschuss vom 2 August 2016 minus 7 TaBV 1116) hatte ein Betriebsrat argumentiert dass aus Gruumlnden der eu-roparechtskonformen Auslegung ein weiter Arbeitnehmerbegriff gel-te und daher auch Geschaumlftsfuumlhrer bdquobetriebsstoumlrende Arbeitnehmerldquo sein koumlnnten Dieser bdquotrickreichenldquo Argumentation folgte das Gericht

aber nicht Die weite Auslegung dient dem Arbeitnehmerschutz ndash und nicht der Erweiterung der Rechte des Betriebsrats

Dr Franziska von Kummer LLM MCL Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltin fuumlr Arbeitsrecht Dipl-Kffr Dipl-Vw BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Berlin

(Kein) Anspruch des Arbeitnehmers auf Durchfuumlhrung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens

Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 21 Februar 2017 ndash 1 AZR 36715

SachverhaltDer Arbeitnehmer sollte in einen anderen Betrieb versetzt werden Der Betriebsrat des aufnehmenden Betriebs verweigerte hierzu allerdings die Zustimmung Die Arbeitgeberin fuumlhrte sodann nicht das dafuumlr vorgese-hene gerichtliche Verfahren mit dem Ziel durch die Zustimmung zu er-setzen Der Arbeitnehmer klagte die Arbeitgeberin zu verpflichten dieses Zustimmungsersetzungsverfahren durchzufuumlhren um seine Beschaumlfti-gung in dem anderen Betrieb zu ermoumlglichen

EntscheidungDas BAG wies die Klage zuruumlck Es bestaumltigte seine Rechtsprechung in-sofern dass ein Arbeitnehmer bei Verweigerung der Zustimmung durch den Betriebsrat vom Arbeitgeber die Einleitung eines Zustimmungs-ersetzungsverfahrens nur in dem (Ausnahme-)Fall verlangen koumlnne wenn sich der Arbeitgeber zur Durchfuumlhrung dieses Verfahrens im Wege einer Selbstbindung verpflichtet habe fuumlr die Annahme einer solchen Selbstbindung muumlssten allerdings besondere Anhaltspunkte gegeben sein (BAG vom 16 Maumlrz 2010 ndash 3 AZR 3109) Weiter koumlnne ein An-spruch auf Durchfuumlhrung eines derartigen Verfahrens ausnahmsweise in Betracht kommen wenn ein fuumlr den Arbeitnehmer nachteiliges Zu-sammenwirken zwischen den Betriebsparteien vorlaumlge was vorliegend nicht der Fall war (vgl hierzu u a die vorgenannte BAG-Entscheidung) Im Fall eines schwerbehinderten Menschen verpflichte der in sect 81 Abs 4 S 1 Nr 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch verankerte Beschaumlf-tigungsanspruch fuumlr diese Arbeitnehmergruppe den Arbeitgeber das gerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren durchzufuumlhren wenn er erkennt dass die geltend gemachten Zustimmungsverweige-rungsgruumlnde tatsaumlchlich nicht vorliegen (BAG vom 3 Dezember 2002 ndash 9 AZR 48101) Eine Schwerbehinderung lag hier jedoch auch nicht vor

Nach Auffassung des BAG ergibt sich ein solcher Anspruch des Arbeit-nehmers auch nicht generell aus der arbeitsvertraglichen Ruumlcksichtnah-mepflicht Denn diese verlange vom Arbeitgeber nicht eigene schutz-wuumlrdige Belange hinten anzustellen also beispielsweise einen Rechts-streit fuumlhren zu muumlssen Der Arbeitnehmer sei nicht schutzlos gestellt da fuumlr die Dauer der Nichtbeschaumlftigung ein sogenannter Annahme-verzugslohn geschuldet werde und der Arbeitgeber im Rahmen seiner vertraglichen Verpflichtungen dennoch gehalten sein kann dem Arbeit-nehmer eine andere Taumltigkeit zuzuweisen

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

PraxistippNach Ansicht des BAG haben Arbeitnehmer nur im Ausnahmefall ei-nen Anspruch auf Durchfuumlhrung eines gerichtlichen Zustimmungs-ersetzungsverfahrens wenn der Betriebsrat die Zustimmung zu ei-ner personellen Maszlignahme (Versetzung Einstellung etc) verweigert Wichtig fuumlr die Praxis duumlrfte der Fall sein dass der Arbeitnehmer ei-nen derartigen Durchfuumlhrungsanspruch hat wenn es sich um einen schwerbehinderten Arbeitnehmer handelt Selbst wenn ein Anspruch auf Durchfuumlhrung nicht besteht empfiehlt es sich fuumlr einen Arbeitge-ber der ein Zustimmungsersetzungsverfahren nicht fuumlhren will sein Weisungsrecht ndash wenn rechtlich moumlglich ndash erneut auszuuumlben um nicht Annahmeverzugslohn zahlen zu muumlssen ohne eine entspre-chende Arbeitsleistung des Arbeitsnehmers zu erhalten

Dr Sarah Reinhardt Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltin fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Fristlose Kuumlndigung bei grober Beleidigung auch im langjaumlhrigen Arbeitsverhaumlltnis rechtens

Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein vom 24 Januar 2017 ndash 3 Sa 24416

SachverhaltDer Arbeitnehmer war als einer von fuumlnf Mitarbeitern seit 1992 in ei-nem Familienunternehmen beschaumlftigt Waumlhrend einer Besprechung kam es zu einem Streit zwischen ihm den beiden Geschaumlftsfuumlhrern und deren Vater dem ehemaligen Geschaumlftsfuumlhrer Am Ende des Gespraumlchs als der Arbeitnehmer das Buumlro verlassen wollte kommentierte der aktu-elle Geschaumlftsfuumlhrer das Geschehen mit bdquoKinderkramrdquo Am Morgen des naumlchsten Tages suchte der Arbeitnehmer die Geschaumlftsfuumlhrer erneut auf Es kam zum Wortgefecht in dessen Verlauf der Arbeitnehmer aumluszligerte dass sich der Seniorgeschaumlftsfuumlhrer am Vortag wie ein bdquoArschrdquo verhalten habe und der Geschaumlftsfuumlhrer auf bestem Wege sei seinem Vater (dem Seniorgeschaumlftsfuumlhrer) den Rang abzulaufen Im Weiteren aumluszligerte einer der Geschaumlftsfuumlhrer dass sie im Falle einer Kuumlndigung als bdquosoziale Arsch-loumlcherrdquo dastuumlnden Der Klaumlger erwiderte dass die Firma dies bereits sei Noch am selben Abend wurde der Arbeitnehmer freigestellt Da er sich auch in der Folgezeit nicht entschuldigte kuumlndigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhaumlltnis fristlos

Die EntscheidungDas LAG Schleswig-Holstein hat die Kuumlndigungsschutzklage abge-wiesen Die Aumluszligerungen des Arbeitnehmers gegenuumlber dem Senior-geschaumlftsfuumlhrer sowie dem Geschaumlftsfuumlhrer stellten eine grobe Beleidigung dar die eine fristlose Kuumlndigung auch ohne vorherige Abmahnung rechtfertige Es handelte sich hierbei um gezielte ehr-verletzende und nicht gerechtfertigte Beschimpfungen der Ge-schaumlftsfuumlhrer die auch nicht mehr auf einer Affektsituation durch die streitigen und ndash gegebenenfalls ndash provokanten Aumluszligerungen der Ge-schaumlftsfuumlhrer vom Vortag beruhten die bereits 16 Stunden zuruumlck-lagen Aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung sowie der fehlen-

den Einsicht seines Fehlverhaltens sei der Arbeitnehmer auch nicht vor Ausspruch der Kuumlndigung abzumahnen Im Rahmen der Interes-senabwaumlgung sei zwar die lange Betriebszugehoumlrigkeit zu beachten jedoch uumlberwiege aufgrund der emotionalen Naumlhe im vorliegenden Familienbetrieb das Interesse des Arbeitgebers an der Vertragsbe-endigung Hierbei so das LAG sei ebenfalls die fehlende Entschuldi-gung des Arbeitnehmers die auch im Prozess ausblieb von geson-dertem Gewicht

Konsequenzen fuumlr die PraxisObwohl es sich um einen Einzelfall handelt laumlsst sich aus dieser Ent-scheidung in Bezug auf grobe Beleidigungen des Arbeitgebers undoder dessen Vertretern eine Bestaumltigung der staumlndigen Rechtspre-chung ableiten Je nach Intensitaumlt kann bei groben Beleidigungen eine fristlose Kuumlndigung auch bei langjaumlhriger Betriebszugehoumlrigkeit gerechtfertigt sein Laumlsst das Verhalten des Arbeitnehmers weitere Vertragsverletzungen befuumlrchten und zeigt der Arbeitnehmer keiner-lei Einsichtsfaumlhigkeit so ist eine vorherige Abmahnung nicht erfor-derlich

PraxistippArbeitgeber sollten bei derartigen Vorfaumlllen einen bdquokuumlhlen Kopfrdquo be-wahren und das Verhalten des Arbeitnehmers in jedem Fall dokumen-tieren Je nach Intensitaumlt der Beleidigung kann unmittelbar gekuumlndigt oder zumindest mit einer Abmahnung reagiert werden

Inka Adam Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltin fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Frankfurt

Weiterarbeit nach Erreichen des Rentenalters ndash gleitender Uumlbergang oder Befristungsfalle fuumlr Arbeitgeber

Arbeitsgericht (ArbG) Karlsruhe vom 27 April 2016 ndash 3 Ca 2216 zugleich zu Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen vom 29 November 2016 ndash 10 Sa 21816

SachverhaltIm urspruumlnglichen Arbeitsvertrag eines nicht-verbeamteten Hoch-schullehrers war vereinbart dass das Arbeitsverhaumlltnis zum Ende des Semesters enden sollte in dem der Arbeitnehmer das 65 Lebensjahr vollendet konkret zum 30 September 2014 Am 24 Maumlrz 2014 wurde schriftlich vereinbart dass der Arbeitnehmer vom 1 Oktober 2014 bis 31 September 2015 weiterhin fuumlr den Arbeitgeber nun aber mit redu-zierter Arbeitszeit taumltig sein sollte Am 9 Juni 2015 wurde wieder schrift-lich vereinbart dass der Arbeitnehmer nochmals vom 1 Oktober 2015 bis 29 Februar 2016 bei dem Arbeitgeber in Teilzeit weiterbeschaumlftigt werden sollte Eine Verlaumlngerung daruumlber hinaus lehnte der Arbeitgeber ab

Die EntscheidungDas ArbG entschied dass die Befristung zum 29 Februar 2016 wirksam

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

war und das Arbeitsverhaumlltnis zu diesem Zeitpunkt beendete Es liege ein wirksames bdquoHinausschiebenrdquo des Beendigungszeitpunkts nach sect 41 S 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) vor Nach dieser Vorschrift koumlnnen die Parteien durch Vereinbarung das Ende des Ar-beitsverhaumlltnisses hinausschieben wenn der urspruumlngliche Vertrag fuumlr die Beendigung auf das Erreichen der Regelaltersgrenze abstelle und eine entsprechende Vereinbarung noch waumlhrend des laufenden Arbeits-verhaumlltnisses getroffen werde Nach Auffassung des Gerichts war im urspruumlnglichen Arbeitsvertrag der erforderliche Bezug zur Regelalters-grenze hergestellt Es sei unschaumldlich dass das Ende des Arbeitsverhaumllt-nisses vorliegend nicht exakt mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze zusammenfalle da es jedenfalls bei Hochschullehrern uumlblich sei das Arbeitsverhaumlltnis nicht waumlhrend des laufenden Semesters zu beenden sondern erst mit dessen Abschluss Problematisch war aber dass beim erstmaligen Hinausschieben zugleich auch die Arbeitszeit reduziert wurde Das ArbG entschied dass das bdquoHinausschiebenrdquo eine gleichzeiti-ge Aumlnderung der Vertragsbedingungen zulaumlsst anders als bei sonstigen bdquonormalenrdquo Befristungen ohne Sachgrund sect 41 S 3 SGB VI solle es Ar-beitgeber und Arbeitnehmer ermoumlglichen das Beschaumlftigungsverhaumllt-nis auch nach Erreichen der Regelaltersgrenze einvernehmlich und fuumlr einen von vorn herein festgelegten Zeitraum fortzusetzen Daher sei es sachgerecht eine Reduzierung der Arbeitszeit zuzulassen da nur so die Moumlglichkeit fuumlr einen flexiblen Uumlbergang von der Erwerbstaumltigkeit zum Renteneintritt bestehe

Das mehrfache Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts wie von sect 41 S 3 SGB VI vorgesehen sei auch mit Europarecht vereinbar Dies-bezuumlglich entschied das LAG Niedersachen etwas zuruumlckhaltender dass zumindest das einmalige Hinausschieben europarechtskonform sei

Konsequenzen fuumlr die PraxisDie Entscheidung des ArbG Karlsruhe ermoumlglicht eine praxisgerechte Handhabung der Beschaumlftigung von Rentnern Ob sich die Linie des ArbG Karlsruhe durchsetzt bleibt aber abzuwarten da die Rechtsfra-ge ob im Rahmen von sect 41 S 3 SGB VI zugleich Arbeitsbedingungen geaumlndert werden duumlrfen in der juristischen Literatur weiter umstritten bleibt Fuumlr bereits abgeschlossene Vertraumlge kann aber im Streitfall auf das Urteil verwiesen werden Das vergleichbare bereits erwaumlhnte Ver-fahren vor dem LAG Niedersachsen ist bereits beim BAG unter dem Aktenzeichen 7 AZR 7017 anhaumlngig

PraxistippArbeitgeber sind gut beraten die Entwicklung der Rechtsprechung weiterhin im Auge zu behalten Wer kein Risiko eingehen will sollte sich bis zu einer houmlchstrichterlichen Klaumlrung auf ein einmaliges Hi-nausschieben des Beendigungsdatums beschraumlnken Zudem sollten Unternehmen Aumlnderungen von Arbeitsbedingungen nicht gleich-zeitig vornehmen sondern sie zeitlich versetzt vereinbaren soweit sie fuumlr erforderlich gehalten werden

Dr Roland KleinRechtsanwalt und Fachanwalt fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft Berlin

Im Blickpunkt

Entgelttransparenzgesetz Der Auskunftsanspruch kommt - wichtige To-dos bis zum 6 Januar 2018

Das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) ist seit dem 6 Juli 2017 in Kraft Es gilt als bdquouumlberfluumlssiges Buumlrokratiemonsterrdquo das zwar mit der Durchsetzung des Gebots der gleichen Entlohnung von Frauen und Maumlnnern ein gut gemeintes Ziel verfolgt Gut gemeint ist jedoch be-kanntlich nicht immer auch gut gemacht Es darf durchaus bezweifelt werden dass das Gesetz seinen Zweck erreichen wird Klar ist jeden-falls dass es Arbeitnehmern in Betrieben mit mehr als 200 Beschaumlf-tigten erstmals ab dem 6 Januar 2018 ermoumlglichen wird einen Aus-kunftsanspruch uumlber die Kriterien und das Verfahren zur Festlegung des Entgelts und dessen Houmlhe zu stellen (sect 10 EntgTranspG) vgl auch zu allem Springer BEITEN BURKHARDT Newsletter Arbeitsrecht Ausgabe Maumlrz 2017 Seite 7 f

Das Ende der sechsmonatigen bdquoSchonfristrdquo bis zum 6 Januar 2018 naht bereits Unternehmen mit Betrieben () mit mehr als 200 Mitar-beitern muumlssen daher jetzt handeln um sich vor boumlsen Uumlberraschun-gen zu schuumltzen Dabei stellen sich vor allem die Fragen ob nach dem 6 Januar 2018 eine unterschiedliche Verguumltung noch moumlglich ist und wie sich Arbeitgeber bis zum 6 Januar 2018 auf potenzielle Aus-kunftsanspruumlche vorbereiten sollten

Ist eine unterschiedliche Verguumltung noch moumlglich

Nach sect 7 EntgTranspG darf in einem Beschaumlftigungsverhaumlltnis allein auf-grund des Geschlechts fuumlr gleiche oder gleichwertige Arbeit kein geringe-res Entgelt vereinbart bzw ausgezahlt werden Das bedeutet im Umkehr-schluss dass eine unterschiedliche Verguumltung dann weiterhin moumlglich ist wenn die Arbeit nicht gleich oder gleichwertig ist Wann aber ist eine Ar-beit gleich oder gleichwertig Das ist der Fall wenn sie sich weder nach ihrer Art ihren Ausbildungsanforderungen undoder ihren Arbeitsbedin-gungen von der Arbeit des Kollegen bzw der Kollegin unterscheidet (sect 4 Abs 2 EntgTranspG)

PraxistippVor diesem Hintergrund sollten neu zu besetzende Stellen im Betrieb moumlglichst individuell bezeichnet und Stellenausschreibungen individuell formuliert werden

Eine unterschiedliche Verguumltung ist weiterhin und immer dann moumlglich wenn Regeln zur Entgeltfestsetzung bdquodurch ein rechtmaumlszligiges Ziel sach-lich gerechtfertigt und die Mittel angemessen und erforderlich sindrdquo

PraxistippEs empfiehlt sich daher stets sachliche Gruumlnde wie arbeitsmarkt- leis-tungs- und arbeitsergebnisbezogene Kriterien fuumlr die houmlhere Bezahlung zu dokumentieren Dies koumlnnen zum Beispiel sein houmlheres Dienstalter (Honorierung der Berufserfahrung) koumlrperliche Anforderungen Ge-schicklichkeit und Stressbelastung etc Bei Verguumltungsverhandlungen sollte der Arbeitgeber die Gruumlnde schriftlich niederlegen weshalb eine sachgerechte Mehrbezahlung erfolgen soll etwa Fahrtkosten Umzugs-kosten Kindergartenzulage und Boni

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

Zu beachten ist weiterhin dass eine Auskunft des Arbeitnehmers zum Schutz personenbezogener Daten auch nur dann verlangt werden kann wenn eine Vergleichstaumltigkeit von mindestens sechs Mitarbeiterninnen des jeweils anderen Geschlechts ausgeuumlbt wird (sect 12 Abs 3 EntgTranspG)Arbeiten in der Vergleichsgruppe etwa fuumlnf Frauen und 15 Maumlnner und macht eine Frau den Auskunftsanspruch geltend wird der statistische Mittelwert des Entgelts der 15 Maumlnner als Vergleichswert gebildet Ein Mann koumlnnte in diesem Fall keine Auskunft uumlber den Mittelwert verlan-gen da weniger als sechs Frauen die Vergleichstaumltigkeit ausuumlben

PraxistippPotenzielle Vergleichsgruppen sollten daher kleinstmoumlglich d h unter sechs Mitarbeitern gehalten werden

Wie sollten sich Arbeitgeber auf potenzielle Auskunftsanspruumlche vorbereiten

Ab dem 6 Januar 2018 drohen die ersten Auskunftsanspruumlche Es waumlre verfehlt hierauf nicht vorbereitet zu sein Zusaumltzlich zu den genannten Empfehlungen sollte daher spaumltestens jetzt mit der Erstellung einer Dokumentation zu etwaigen Entgeltunterschieden bei der Belegschaft begonnen werden um nicht in Zeitnot bei der Beantwortung der ersten Auskunftsverlangen zu kommen

PraxistippDie bis zum 6 Januar 2018 verbleibende bdquoSchonfristrdquo sollte genutzt werden um Entgeltunterschiede zu identifizieren Sofern solche Unter-schiede bestehen sollten Unternehmen dokumentieren wodurch die unterschiedliche Verguumltung gerechtfertigt ist (z B durch die o g Krite-rien wie houmlheres Dienstalter etc)

Besonders prekaumlr Unternehmen die weder tarifgebunden sind noch Tarifvertraumlge anwenden droht das Damoklesschwert einer sog Be-weislastumkehr Wenn solche Unternehmen die Auskunftsverlangen nicht innerhalb von drei Monaten beantworten ist der Arbeitgeber im Streitfall zur Uumlberzeugung des Gerichts beweispflichtig dass kein Verstoszlig gegen das Entgeltgleichheitsgebot vorliegt (sect 15 Abs 5 EntgTranspG) Es wird also ein Verstoszlig vermutet der sich durch die Arbeitgeber oft nur schwer widerlegen lassen duumlrfte Gerade solche Unternehmen die nicht tarifgebunden sind und keine Tarifvertraumlge anwenden sollten sich im besonderen Maszlige auf die drohenden Aus-kunftsanspruumlche vorbereiten um nicht in Beweisnoumlte zu kommen

Sofern Unternehmen im Rahmen der Vorbereitungen nicht zu recht-fertigende Entgeltunterschiede auffinden ist zu untersuchen ob sich die Differenzen ggf anlaumlsslich kommender Gehaltsrunden nivellieren lassen

PraxistippWenn moumlglich sollten die kommenden Gehaltsrunden genutzt werden um nicht zu rechtfertigende Entgeltdifferenzen auszugleichen Dies gilt insbesondere fuumlr etwaige zum Jahreswechsel 201718 anstehenden Gehaltsrunden

Zuletzt noch ein wichtiges technisches Detail zum Auskunftsverfah-ren Nach der Intention des Gesetzgebers sollen die Auskuumlnfte ur-

spruumlnglich in einem Betrieb mit Betriebsrat ausschlieszliglich durch die-ses Gremium (und nicht durch die Arbeitgeber) erteilt werden Zum Ende des Gesetzgebungsverfahrens wurde dem Arbeitgeber aber ein Optionsrecht gegeben Auch er kann nun die Adressatenstellung fuumlr den Auskunftsanspruch durch einseitige Erklaumlrung jedoch nach Er-laumluterung gegenuumlber dem Betriebsrat fuumlr die Dauer der Amtszeit des Betriebsrats uumlbernehmen (sect 14 Abs 2 EntgTranspG)

PraxistippViele Arbeitgeber mit Betriebsraumlten duumlrften gut beraten sein die Adres-satenstellung fuumlr den Auskunftsanspruch zu uumlbernehmen Unterneh-men sollten daher nicht abwarten bis sie das erste Auskunftsverlangen ereilt sondern zuumlgig und noch innerhalb der bdquoSchonfristrdquo entscheiden ob sie die Auskunftsverlangen uumlbernehmen wollen

FazitNeben den genannten Punkten gibt es noch eine Reihe weiterer To-dos die sich aus dem Inkrafttreten des EntgTranspG ergeben Arbeitgeber sollten sie sammeln und dann sauber abarbeiten damit die bdquoSchonfristrdquo bis zum 6 Januar 2018 nicht ungenutzt verstreicht

Dr Nina Springer LLM Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltin fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Henrik Luumlthge Rechtsanwalt Fachanwalt fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Duumlsseldorf

Hinweis Dieser Beitrag ist in einer aumlhnlichen Form in der Zeitschrift Personalpraxis und Recht (PuR) Ausgabe Juni 2017 Seiten 131 ff erschienen

Update Das Betriebsrentenstaumlrkungsgesetz ist beschlossene Sache

Bereits im BEITEN BURKHARDT Newsletter Arbeitsrecht Ausgabe Maumlrz 2017 Seite 11 hatten wir detailliert uumlber den Gesetzgebungstand zum Betriebsrentenstaumlrkungsgesetz (BRSG) berichtet Nachdem zwi-schenzeitlich doch Unsicherheiten aufgekommen waren ob das Gesetz noch verabschiedet wuumlrde haben es Bundestag und Bundesrat im Juni bzw Juli nun beschlossen Hierbei hat es auch in letzter Sekunde noch wichtige Aumlnderungen gegeben

Wichtiges fuumlr neue VersorgungszusagenDas sogenannte Sozialpartnermodell ist mit dem BRSG als neue Form

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

der betrieblichen Altersversorgung Gesetz geworden Es ist etwas an-deres als die bislang im Betriebsrentengesetz (BetrAVG) vorgesehenen Kombinationsmoumlglichkeiten aus fuumlnf Durchfuumlhrungswegen (Direkt-zusage Unterstuumltzungskasse Pensionskasse Pensionsfonds und Di-rektversicherung) und drei Zusagemodellen (Leistungszusage Beitrags-zusage mit Mindestleistung und beitragsorientierte Leistungszusage) und bietet nun erstmals die Moumlglichkeit einer reinen Beitragszusage Die Pflichten des Arbeitgebers beschraumlnken sich dann auf die Entrich-tung der zugesagten Beitraumlge (z B aus Entgeltumwandlung) an einen externen Versorgungstraumlger (Pensionskasse Direktversicherung oder Pensionsfonds) Eine bestimmte Versorgungsleistung wird vom Ar-beitgeber nicht zugesagt und darf auch vom Versorgungstraumlger nicht zugesagt werden ndash bdquoGarantieverbotrdquo Versprochen ist allein eine soge-nannte bdquoZielrenterdquo deren Houmlhe und deren Entwicklung abhaumlngig von der Vermoumlgens- und Ertragslage bzw -entwicklung der Versorgungs-einrichtung sein sollen

Da der Arbeitgeber weitgehend befreit ist und eine Absicherung der Ar-beitnehmerinteressen nicht mehr durch eine Garantieleistung gewahrt ist macht das BRSG der Einfuumlhrung von reinen Beitragszusagen ver-schiedene Auflagen Die reine Beitragszusage muss auf Vereinbarungen der Tarifvertragsparteien beruhen die sich auch an der Durchfuumlhrung und Steuerung der Versorgungseinrichtung beteiligen muumlssen Zudem soll die Versorgungseinrichtung einer engen Beaufsichtigung durch die BaFin unterliegen Zuletzt muss der Arbeitgeber einen Risikoauf-schlag (mindestens 15 Prozent) fuumlr entgeltumwandlungsfinanzierte reine Beitragszusagen leisten Arbeitgeber und Beschaumlftigte die nicht tarifgebunden sind sollen vereinbaren koumlnnen dass die einschlaumlgigen Tarifvertraumlge auch fuumlr sie gelten Die Tarifvertragsparteien muumlssen zu-dem ihre Versorgungseinrichtungen fuumlr nicht organisierte Arbeitgeber und Arbeitnehmer oumlffnen

Bestehende EntgeltumwandlungssystemeDie wesentlichste Neuerung im Vergleich zum Stand im Maumlrz ist dass Arbeitgeber auch in bestehenden entgeltumwandlungsfinanzierten Versorgungssystemen zukuumlnftig gesetzlich verpflichtet werden Sozial-versicherungsersparnisse als Zusatzbeitrag an Arbeitnehmer weiter-zugeben Nach einer in letzter Sekunde in das BRSG aufgenommenen Regelung muumlssen Arbeitgeber auch bei bestehenden Entgeltumwand-lungssystemen zukuumlnftig 15 Prozent des umgewandelten Entgelts zu-saumltzlich als Arbeitgeberzuschuss leisten wenn die Entgeltumwandlung uumlber einen Pensionsfonds die Pensionskasse oder die Direktversiche-rung durchgefuumlhrt wird Fuumlr individual- und kollektivrechtliche Entgelt-umwandlungsvereinbarungen die vor dem 1 Januar 2019 geschlossen worden sind gilt die Zuschusspflicht erst ab dem 1 Januar 2022

bdquoOpting OutrdquoAn der Einfuumlhrung der Regelungen zu bdquoOpting outrdquo-Modellen hat es hingegen keine wesentlichen Veraumlnderungen gegeben Nach dem BRSG wird es zulaumlssig sein dass die Teilnahme an der Entgeltumwandlung fuumlr alle Beschaumlftigten oder Gruppen von Beschaumlftigten eines Arbeitgebers durch tarifvertragliche Regelung oder aufgrund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung als Regelfall auch ohne Teilnah-meerklaumlrung des Arbeitnehmers vorgesehen wird Die Nichtteilnahme erfordert dann ein bdquoOpting Outrdquo in Form eines Widerspruchs des Arbeit-nehmers Auch nichttarifgebundene Arbeitgeber koumlnnen ein einschlauml-giges tarifvertragliches Optionssystem anwenden oder aufgrund eines

einschlaumlgigen Tarifvertrags durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung die Einfuumlhrung eines Optionssystems regeln

Aumlnderungen des steuerrechtlich anerkannten Dotierungsrahmens und steuerliche Arbeitgeberfoumlrderung Im Wesentlichen unveraumlndert geblieben sind auch die Vorhaben zum steuerrechtlich anerkannten Dotierungsrahmen und zur steuer-lichen Arbeitgeberfoumlrderung sowie zur Steigerung der Arbeitnehmer-attraktivitaumlt Das Gesetz bringt auch einen geaumlnderten steuerfreien Dotierungsrahmen fuumlr Zahlungen des Arbeitgebers an externe Ver-sorgungstraumlger mit sich Statt bisher vier Prozent gilt fuumlr Beitraumlge an Pensionskassen Pensionsfonds oder Direktversicherungen nach dem BRSG eine einheitliche prozentuale Grenze von nun acht Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung Die Moumlglichkeit der Fortfuumlhrung einer Pauschalbesteuerung soll in Altfaumlllen unter Anrechnung auf den steuerfreien Dotierungsrahmen von acht Prozent bestehen bleiben

Zudem fuumlhrt das BRSG eine Foumlrderung fuumlr arbeitgeberfinanzierte Ver-sorgungszusagen fuumlr Arbeitnehmer mit niedrigen Einkommen ein Als Geringverdiener sind hierbei Beschaumlftigte mit einem monatlichen Brutto-einkommen von bis zu 2200 EUR definiert

Im Bereich der Arbeitnehmerattraktivitaumlt gerade auch fuumlr Arbeitnehmer mit geringen Einkommen steigt die Grundzulage bei der Riester-Rente von derzeit 15400 auf 17500 EUR Betriebs- und Riester-Renten sol-len in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nicht mehr voll angerechnet werden Anrechnungsfrei bleiben Leistungen aus einer zusaumltzlichen Altersvorsorge in Houmlhe eines Sockelbetrages von 100 EUR zuzuumlglich 30 Prozent des uumlbersteigenden Einkommens aus einer zusaumltzlichen Altersvorsorge Die Obergrenze betraumlgt 50 Prozent der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu sect 28 des zwoumllften Buchs Sozialgesetzbuch ndash derzeit (2017) 20450 EUR

Joumlrn Manhart Rechtsanwalt BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Duumlsseldorf

Kurzmeldungen

Ruumlckkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit kommt vorerst nicht

Das geplante Gesetz nach dem Beschaumlftigte die ihre Arbeitszeit vo-ruumlbergehend verringern moumlchten nach der Teilzeitphase wieder zur urspruumlnglichen Arbeitszeit zuruumlckkehren koumlnnen (vgl Fink im BEITEN BURKHARDT Newsletter Arbeitsrecht Ausgabe Maumlrz 2017 Sei-te 6) wird nicht mehr im Bundeskabinett besprochen werden Das er-gibt sich aus uumlbereinstimmenden Medienberichten Der Gesetzentwurf von Angela Nahles ist damit in dieser Legislaturperiode gescheitert

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

BEIJING bull BERLIN bull BRUumlSSEL bull DUumlSSELDORF bull FRANKFURT AM MAINMOSKAU bull MUumlNCHEN bull ST PETERSBURG

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Redaktion (verantwortlich)

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Redaktionsschluss dieser Ausgabe ist der 23 August 2017

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Frankfurt am Main bull Mainzer Landstraszlige 3660325 Frankfurt am Main Dr Thomas Drosdeck Rechtsanwalt Tel +49 69 756095-115 bull ThomasDrosdeckbblawcom

Muumlnchen bull Ganghoferstraszlige 33 bull 80339 Muumlnchen Dr Christopher Melms Rechtsanwalt Tel +49 89 35065-1143 bull ChristopherMelmsbblawcom

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Mindestloumlhne in der Pflege steigen

Der Pflegemindestlohn steigt ab Januar 2018 auf 1055 EUR im Westen und 1005 EUR im Osten Anfang 2019 und 2020 wird er nochmals er-houmlht Von diesem Mindestlohn profitieren vor allem Pflegehilfskraumlfte Eine entsprechende Verordnung hat das Kabinett passiert Mit der Verordnung gelten fuumlr alle Pflegebetriebe und ihre Beschaumlftigten die bereits im April von der Pflegekommission ausgehandelten Lohnuntergrenzen Das sind 1020 EUR pro Stunde in den alten Bundeslaumlndern 950 EUR in den neuen Bundeslaumlndern Sie gelten auch fuumlr auslaumlndische Pflegeunternehmen die ihre Arbeitskraumlfte nach Deutschland entsenden Die Pflegemindestloumlhne liegen uumlber dem gesetzlichen Mindestlohn von derzeit 884 EUR

(Quelle und weitere Informationen wwwbundesregierungde)

In eigener Sache BB als Kanzlei des Jahres fuumlr Arbeitsrecht nominiert

BEITEN BURKHARDT ist als bdquoKanzlei des Jahresldquo u a im Bereich Arbeits-recht fuumlr die bdquoJUVE-Awardsldquo nominiert worden Mit den JUVE-Awards werden jedes Jahr Kanzleien oder Rechtsabteilungen ausgezeichnet die aufgrund ihrer Arbeit und Marktposition in den Recherchegespraumlchen fuumlr das JUVE-Handbuch als besonders dynamisch aufgefallen sind Es wird dabei besonders auf Empfehlungen von Marktteilnehmern geachtet die sich nicht nur auf fachliche Expertise sondern auch auf strategische Ausrichtung Serviceorientierung und Zukunftspotenzial beziehen Die Preisverleihung findet am 26 Oktober 2017 in Frankfurt statt Weitere Informationen zu den Awards finden Sie unter wwwjuvedeawards

Anstehende BAG-Entscheidungen (September 2017)

20 September 2017

900 Uhr Insolvenzanfechtung minus in der Krise geleistete Arbeitsverguuml-tung minus Inkongruenz aufgrund drohender Zwangsvollstre-ckung

20 September 2017

1030 Uhr Samstag minus Werktag iSd sect 6 TVoumlD-K

20 September 2017

1000 Uhr Berechnung des Nachtzu-schlags und des Urlaubsent-gelts unter Beruumlcksichtigung des MiLoG

26 September 2017

1030 Uhr Gesetzliche Insolvenzsicherung fuumlr Einstandspflicht des Ar-beitgebers nach Herabsetzung einer Pensionskassenrente minus Versicherungsmissbrauch

26 September 2017

1400 Uhr Ruhen eines Ruhegeldan-spruchs bei betragsmaumlszligig houmlherem Hinterbliebenenver-sorgungsanspruch

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

31 Dezember 2018 zu regeln Daruumlber hinaus hat das BVerfG entschie-den dass die Verdraumlngungsregelung restriktiv auszulegen sei Insbe-sondere muumlssten bdquounzumutbare Haumlrtenldquo vermieden werden Das heiszligt dass bestimmte tarifvertraglich garantierte Leistungen in keinem Fall verdraumlngt werden duumlrfen Das BVerfG nennt beispielhaft Leistungen zur Alterssicherung zur Arbeitsplatzgarantie oder zur Lebensarbeitszeit Zudem stellt das Gericht fest dass selbst bei klaren Mehrheitsverhaumllt-nissen im Betrieb fuumlr die streikende Gewerkschaft auch bei einer rechts-widrigen Arbeitskampfmaszlignahme kein Haftungsrisiko bestehen duumlrfe Dies muumlssten die Arbeitsgerichte gegebenenfalls in verfassungskonfor-mer Anwendung der Haftungsregelungen sicherstellen

Konsequenzen fuumlr die PraxisInsgesamt wird deutlich dass das BVerfG das Tarifeinheitsgesetz zwar nicht fuumlr nichtig erklaumlrt aber den Schutz von Spartengewerkschaften bestaumltigt hat Die vom Gesetzgeber und den groszligen Gewerkschaften bezweckte Verschiebung der Machtverhaumlltnisse zu Gunsten der groszligen Gewerkschaften wird also durch dieses Gesetz nicht eintreten Allerdings wirft das BVerfG in der Begruumlndung mehr Fragen auf als es beantwortet Es ist zu erwarten dass die Arbeitsgerichte auch in Zukunft insbesondere die Frage der Rechtmaumlszligigkeit von Streiks stark beschaumlftigen wird Ab-zuwarten bleibt auch welches Instrument der Gesetzgeber zum Schutz der Minderheitsberufsgruppen entwickeln kann ohne den Kern des Tarifeinheitsgesetzes in Frage zu stellen Es ist zu erwarten dass in Zu-kunft Gewerkschaften die die gleiche Mitarbeitergruppe im Betrieb ver-treten wieder enger zusammenarbeiten werden Andererseits werden sich insbesondere Spartengewerkschaften sehr darum bemuumlhen in aus-gewaumlhlten Betrieben so viele Mitglieder anzuwerben dass sie selbst die Mehrheitsgewerkschaft sind und damit uumlber ausreichend Verhandlungs-macht bei Tarifverhandlungen verfuumlgen

Markus Kuumlnzel Rechtsanwalt und Fachanwalt fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Martin Fink Rechtsanwalt und Fachanwalt fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Deutsche unternehmerische Mitbestimmung mit dem Unionsrecht vereinbar

Europaumlischer Gerichtshof (EuGH) vom 18 Juli 2017 ndash C-56615

SachverhaltBei der Wahl der Arbeitnehmervertreter fuumlr den mitbestimmten Auf-sichtsrat des Tourismus-Konzerns TUI haben ca 10000 Mitarbeiter in Deutschland nicht aber ca 40000 im EU-Ausland mitgewaumlhlt Ein Anteilseigner der TUI AG hatte sich gegen die daraus resultierende Zu-sammensetzung des Aufsichtsrats und damit gegen den bisherigen uumlblichen bdquoTerritorialitaumltsgrundsatzldquo gewandt Er sah einen Verstoszlig des MitbestG gegen die Freizuumlgigkeit der Arbeitnehmer und das allgemeine Verbot der Diskriminierung Das Kammergericht Berlin hat den Fall dem EuGH vorgelegt

bdquoUnternehmerische Mitbestimmungldquo bedeutet dass in Unternehmen mit Sitz in Deutschland und in einer bestimmten Rechtsform wie der AG oder der GmbH ein mit Vertretern der Arbeitnehmer besetzter Auf-sichtsrat zu bilden ist wenn die Schwelle einer bestimmten Anzahl von regelmaumlszligig beschaumlftigten Arbeitnehmern uumlberschritten ist Der Auf-sichtsrat ist bei in der Regel mehr als 500 beschaumlftigten Arbeitnehmern zu einem Drittel (Drittelbeteiligungsgesetz DrittelbG) bzw bei regel-maumlszligig mehr als 2000 beschaumlftigten Arbeitnehmern zur Haumllfte (Mitbe-stimmungsgesetz MitbestG) aus Arbeitnehmervertretern (Arbeitneh-mer leitende Angestellte Gewerkschaftsmitglieder) zu besetzen

Die EntscheidungDer EuGH entschied dass das MitbestG nicht unionsrechtswidrig ist und hat damit die deutschen Regeln zur Wahl von Arbeitnehmern in Auf-sichtsraumlte bestaumltigt Damit verfuumlgen Arbeitnehmer deutscher Konzer-ne die im Inland beschaumlftigt sind uumlber mehr Mitbestimmungsrechte als Arbeitnehmer des deutschen Konzerns die im Ausland beschaumlftigt sind Die Argumente der Klaumlgerseite dass das MitbestG gegen die Freizuumlgig-keit der Arbeitnehmer (Arbeitnehmer in Deutschland verlieren bei einer Beschaumlftigung und einem Umzug ins Ausland ihr Wahlrecht) und das allgemeine Verbot der Diskriminierung (bei Arbeitnehmern von Tochter-gesellschaften im Ausland handelt es sich naturgemaumlszlig regelmaumlszligig um Arbeitnehmer ohne deutsche Staatsangehoumlrigkeit) verstoszlige wies der EuGH zuruumlck

Konsequenzen fuumlr die PraxisDas Urteil fuumlhrt zu Rechtssicherheit sodass die Regeln der unternehme-rischen Mitbestimmung nach dem MitbestG und dem DrittelbG wie bis-her in rechtmaumlszligiger Weise angewendet werden koumlnnen Eine Entschei-dung die die Unionsrechtswidrigkeit der deutschen Mitbestimmung fest-gestellt haumltte haumltte erhebliche Auswirkungen gehabt

PraxistippJe nach Ausgang der Wahl koumlnnten sich die Regelungen der unterneh-merischen Mitbestimmung natuumlrlich auch aumlndern womit es mit der Rechtssicherheit auch schon wieder zu Ende sein koumlnnte Es ist kein Geheimnis dass die deutsche unternehmerische Mitbestimmung von vielen Unternehmen kritisch gesehen und als Einschraumlnkung der un-ternehmerischen Freiheit wahrgenommen wird Dies missfaumlllt den Ge-

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

werkschaften und den bdquolinksorientiertenldquo politischen Parteien Im Koa-litionsvertrag koumlnnte deshalb beispielsweise vorgesehen werden dass die unternehmerische Mitbestimmung und damit die Beteiligung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsratsgremien gestaumlrkt werden indem der Geltungsbereich des MitbestG und des DrittelbG insbesondere bei den Schwellenwerten neu gefasst werden soll und dass mehr Unternehmen von der unternehmerischen Mitbestimmung erfasst sein werden

Unternehmen muumlssen der Einschraumlnkung der unternehmerischen Frei-heit und den aufgezeigten Folgen aber nicht tatenlos zusehen Es gibt zahlreiche Gestaltungsmoumlglichkeiten fruumlhzeitig einer moumlglichen Staumlr-kung der Unternehmensmitbestimmung entgegenzutreten beispiels-weise den Wechsel der Rechtsform die Unterschreitung der Schwellen-werte oder die Sitzverlegung

Dr Erik Schmid Rechtsanwalt und Fachanwalt fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Hinweis Der Beitrag ist in aumlhnlicher Form auch im arbeitsrechtlichen Blog des Autors im HJR-Verlag (wwwrehmnetzdeblog-arbeits-recht) erschienen

Umgang mit vermeintlich unbilligen Weisungen Rechtsprechungsaumlnderung droht

Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 14 Juni 2017 minus 10 AZR 33016

SachverhaltDer Arbeitnehmer wollte einer Versetzung von Dortmund nach Berlin nicht Folge leisten obwohl das Weisungsrecht des Arbeitgebers eine Versetzung generell ermoumlglichte Als Argument fuumlhrte der Mitarbeiter u a an dass seine Interessen nicht ausreichend beruumlcksichtigt worden seien und die Weisung wegen bdquoUnbilligkeitldquo nicht befolgt werden muumls-se Er verweigerte die Arbeitsaufnahme in Berlin Die Vorinstanz gab dem Arbeitnehmer Recht

Die EntscheidungDer 10 Senat des BAG moumlchte sich der Auffassung der Vorinstanz an-schlieszligen und vertreten dass Arbeitnehmer einer unbilligen Weisung des Arbeitgebers nicht ndash und auch nicht nur vorlaumlufig bis zu einer ge-richtlichen Klaumlrung ndash folgen muumlssen Damit will sich der 10 Senat gegen die bisherige Rechtsprechung des 5 Senats stellen

Nach bisheriger Auffassung des 5 Senats (Urteil vom 22 Februar 2012ndash 5 AZR 24911) haben Arbeitnehmer Weisungen zu befolgen auch wenn sie diese fuumlr unbillig halten Dies gilt so lange nicht die Unbillig-keit der Weisung rechtskraumlftig festgestellt ist Kommt der Mitarbeiter der Weisung nicht nach so riskiert er nicht nur seinen Lohnanspruch sondern auch eine Abmahnung oder gar Kuumlndigung Erst mit rechts-kraumlftiger Feststellung dass die Weisung unbillig ist ndash so der 5 Senat

nach bisheriger Auffassung ndash besteht fuumlr den Arbeitnehmer nicht mehr die Pflicht der Weisung zu folgen

Um die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu wahren hat der 10 Se-nat nun beim 5 Senat angefragt ob Letzterer an seiner bisherigen Auffassung festhalte Sollte keine Einigkeit zwischen den Senaten zu erzielen sein so wird der Groszlige Senat des BAG in der Sache zu entscheiden haben Ob der 5 Senat an seiner bisherigen Auffassung festhalten wird ist schwer absehbar zumal sich u a der Vorsitz im 5 Senat seit dem letzten Urteil in dieser Frage personell entschei-dend veraumlndert hat

Konsequenzen fuumlr die PraxisArbeitnehmer haben Weisungen des Arbeitgebers zu befolgen solange sie nicht wegen eines Verstoszliges gegen Arbeitsvertrag ein-schlaumlgige Kollektivregelungen (Betriebsvereinbarung Tarifvertrag) oder gegen das Gesetz unwirksam sind Weisungen muumlssen sich fer-ner im Rahmen bdquobilligen Ermessensldquo halten und duumlrfen insgesamt nicht bdquounbilligldquo sein Entsprechend hat der Arbeitgeber die wesent-lichen Umstaumlnde des Falles abzuwaumlgen und fuumlr die Entscheidungs-findung die beiderseitigen Interessen angemessen zu beruumlcksichti-gen Es liegt auf der Hand dass bei einem solchen Abwaumlgungsprozess leicht Uneinigkeit entsteht Daruumlber haben letztlich die Arbeitsgerich-te zu entscheiden

Von hoher Bedeutung aber ist die Frage wie sich Arbeitnehmer in der Zeit bis zur gerichtlichen Klaumlrung der Billigkeit einer erteilten Wei-sung zu verhalten haben Muumlssen sie zunaumlchst einmal der Weisung Folge leisten oder koumlnnen sie sich der Weisung widersetzen indem sie bdquoUnbilligkeitldquo anfuumlhren Die Entscheidung des 10 Senats betrifft diese praktisch sehr relevante Frage Bis Einigkeit der Senate erzielt ist oder der Groszlige Senat des BAG eine Entscheidung getroffen haben wird besteht nun in der Praxis Rechtsunsicherheit

PraxishinweisArbeitgeber muumlssen bei der Weisungserteilung besonderes Augenmerk auf die sorgfaumlltige Abwaumlgung der beiderseitigen Interessen legen Ge-rade wenn es um Weisungen zur uumlberoumlrtlichen Versetzung geht sollten Arbeitgeber keinen bdquoSchnellschussrdquo riskieren Zusaumltzlich ist der vorsorg-liche Einsatz der Aumlnderungskuumlndigung zu erwaumlgen Der neue Arbeitsort wird nicht per Weisung angeordnet sondern der bisherige Arbeitsver-trag wird gekuumlndigt und zugleich wird ein neuer Arbeitsvertrag mit konkreter Bezeichnung des neuen Arbeitsortes angeboten Sofern der Arbeitnehmer die dadurch geaumlnderten Bedingungen unter Vorbehalt annimmt ist er auch zur bdquoeinstweiligen Befolgungrdquo der Weisung ver-pflichtet

Dr Gerald Peter Muumlller Rechtsanwalt und Fachanwaltfuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Berlin

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

bdquoSpionageverbotrdquo fuumlr den Chef ndash BAG setzt mit Grundsatzurteil der verdeckten Kontrolle von Arbeitnehmern Grenzen

Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 27 Juli 2017 minus 2 AZR 68116

SachverhaltIm Zusammenhang mit der Freigabe eines Netzwerks teilte das Unter-nehmen seinen Arbeitnehmern mit dass der gesamte bdquoInternet-Trafficldquo und die Benutzung ihrer Systeme bdquomitgeloggtldquo wuumlrden Sie installierte auf dem Dienst-PC des spaumlteren Klaumlgers eine sog Keylogger-Software die saumlmtliche Tastatureingaben protokollierte und regelmaumlszligig Bild-schirmfotos fertigte noch bevor ein hinreichender Verdacht oder kon-krete Vermutungen hinsichtlich des Fehlverhaltens eines Arbeitnehmers vorlagen Die Auswertung der Daten ergab dass der Arbeitnehmer waumlh-rend der Arbeitszeit den Dienst-PC in einem erheblichen Rahmen fuumlr pri-vate Zwecke genutzt hatte Er wurde mit den Ergebnissen konfrontiert raumlumte auch ein den Dienst-PC privat genutzt zu haben jedoch nur im geringen Umfang Eine Klausel im Arbeitsvertrag die die Privatnut-zung von Internet und E-Mails untersagte gab es nicht Aufgrund der durch die Software erhobenen Daten kuumlndigte die Arbeitgeberin frist-los hilfsweise fristgerecht (vgl auch Besprechung der vorinstanzlichen Entscheidung im BEITEN BURKHARDT Newsletter Arbeitsrecht Ausgabe Maumlrz 2017 Seite 5)

Die Entscheidung Das BAG entschied dass die Informationsgewinnung durch den ver-deckten Einsatz der Keylogger-Software gemaumlszlig sect 32 Abs 1 Satz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes unzulaumlssig war Die durch den Keylogger gewonnenen Erkenntnisse uumlber die Privattaumltigkeiten des Arbeitneh-mers durften nicht im gerichtlichen Verfahren verwertet werden Durch den Einsatz der Keylogger-Software habe die Arbeitgeberin das als Teil des allgemeinen Persoumlnlichkeitsrechts gewaumlhrleistete Recht des Arbeit-nehmers auf informationelle Selbstbestimmung verletzt Eine Verlet-zung liege insbesondere deshalb vor da die Uumlberwachung der Arbeitge-berin bdquoins Blaue hineinrdquo erfolgte und zuvor kein konkreter Verdacht auf eine schwerwiegende Pflichtverletzung vorgelegen hatte Die unzulaumls-sige Uumlberwachung des Arbeitnehmers fuumlhre deshalb zu einem Verbot die so gewonnenen Beweismittel im Gerichtsprozess zu verwenden Die Kuumlndigung war damit unwirksam

Konsequenzen fuumlr die Praxis Nicht alles was im Wandel der Arbeitswelt dem Arbeitgeber zur bdquoUumlber-fuumlhrungrdquo bei einer Pflichtverletzung des Arbeitnehmers zur Verfuumlgung steht bewegt sich im Rahmen des rechtlich Zulaumlssigen Ist die ergriffe-ne Maszlignahme unverhaumlltnismaumlszligig koumlnnen nicht nur die gewonnenen Beweise rechtlich wertlos sein Dem Arbeitgeber koumlnnen gegebenen-falls auch Buszliggelder der Datenschutzaufsichtsbehoumlrden und Schadens-ersatzklagen der betroffenen Arbeitnehmer drohen Grundsaumltzlich darf ein Mitarbeiter mit einer solchen oder aumlhnlichen Software nur uumlberwacht werden wenn vorher aufgrund konkreter Tatsachen der Verdacht einer Straftatschweren Pflichtverletzung besteht und mildere Mittel zur Auf-klaumlrung nicht gegeben sind

PraxistippOft liegt nur ein Anfangsverdacht vor aufgrund dessen der Arbeitneh-mer bdquouumlberfuumlhrtrdquo werden soll Das BAG verbietet nicht prinzipiell den

Einsatz solcher Software sondern nur die Verwertung der Daten Wird daher bei ersten Anhaltspunkten eine Keylogger-Software eingesetzt die eine Pflichtverletzung feststellt ist in Bezug auf die Verwertung der erhobenen Daten dem Arbeitgeber zu raten im Beisein einer weiteren Person ein Gespraumlch mit dem Arbeitnehmer zu fuumlhren Die Praxis zeigt dass Arbeitnehmer sich oft in der Situation der Konfrontation mit der Pflichtverletzung gestaumlndig zeigen Das Gestaumlndnis waumlre unabhaumlngig von der Zulaumlssigkeit der durch die Software gesammelten Daten uumlber die Zeugenaussage im Prozess verwertbar (siehe hierzu auch den Blog-Beitrag von Schmid bei rehmnetzde vom 7 August 2017) Zudem soll-te uumlberlegt werden die Privatnutzung von Internet und E-Mail-Account im Arbeitsvertrag zu verbieten da dann bei Gestaumlndnis einer nur ge-ringfuumlgigen Privatnutzung schneller zumindest fristgerecht gekuumlndigt werden koumlnnte

Dr Anja Branz Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltin fuumlr ArbeitsrechtBEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Berlin

Dr Daniel Hund LLM (NYU) Rechtsanwalt und Fachanwalt fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Darf ich meinen Chef anzeigen

Bundesarbeitsgericht (BAG) Urteil vom 15 Dezember 2016 ndash 2 AZR 4216

SachverhaltEine Arbeitnehmerin zugleich Fachanwaumlltin fuumlr Arbeits- und Sozial-recht unterrichtete an einer Fachhochschule des Bundes fuumlr oumlffentliche Verwaltung Diese wertete nach einer Evaluationsordnung ihre Lehrver-anstaltungen und damit u a auch diejenige der Arbeitnehmerin aus Die Ergebnisse der Umfragen leitete das Unternehmen an andere Mit-arbeiter weiter Wegen eines Verstoszliges gegen das Bundesdatenschutz-gesetz durch das Weiterleiten stellte die Dozentin Strafantrag gegen unbekannt Das Ermittlungsverfahren wurde eingestellt woraufhin die Mitarbeiterin gegen die Einstellung erfolglos Beschwerde bei der Gene-ralstaatsanwaltschaft erhob Die Arbeitgeberin kuumlndigte das Arbeits-verhaumlltnis ordentlich nachdem sie davon erfahren hatte

Die EntscheidungDas BAG sah die Kuumlndigung als gerechtfertigt an weil die Mitarbeite-rin ihre arbeitsvertragliche Nebenpflicht zur Ruumlcksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers erheblich und schuldhaft verletzt habe Die Stellung einer Strafanzeige stelle zwar grundsaumltzlich eine zulaumls-sige Wahrnehmung der staatsbuumlrgerlichen Pflichten dar sofern keine wissentlich unwahre oder leichtfertig falsche Angabe gemacht wor-

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

den sei Hier sei das zwar nicht der Fall Es gab aber keine Anzeichen fuumlr eine strafbare Handlung des Arbeitgebers so dass die Strafanzei-ge leichtfertig und unangemessen gewesen sei Die Arbeitnehmerin haumltte zumindest gegenuumlber ihrem Vorgesetzten oder anderen geeig-neten Stellen einen internen Hinweis geben muumlssen Da ein solcher Klaumlrungsversuch insgesamt fehlte und die Mitarbeiterin als Volljuris-tin die fehlende Schaumldigungsabsicht der Arbeitgeberin haumltte erken-nen muumlssen war die Kuumlndigung gerechtfertigt

Konsequenzen fuumlr die PraxisEine erhebliche Nebenpflichtverletzung kann eine verhaltensbeding-te Kuumlndigung rechtfertigen wenn eine dauerhafte stoumlrungsfreie Ver-tragserfuumlllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten ist In diesen Faumlllen ist auch ohne vorherige Abmahnung eine Kuumlndigung gerechtfertigt wenn entweder schon zum Zeitpunkt des Kuumlndigungsausspruchs eine Verhaltensaumlnderung beim Arbeitnehmer ausgeschlossen werden kann oder die Pflichtverletzung so schwer wiegt dass bei objektiver Betrach-tung die Hinnahme fuumlr den Arbeitgeber unzumutbar und dies fuumlr den Mitarbeiter offensichtlich ist Grundsaumltzlich ist das auf absolute Ausnah-mefaumllle beschraumlnkt vorliegend lag ein solcher jedoch aufgrund der ein-gelegten Beschwerde und damit der Hartnaumlckigkeit der Strafverfolgung vor

PraxistippBei einer Nebenpflichtverletzung ist deshalb zumeist bdquonurrdquo eine Ab-mahnung zu empfehlen es sei denn es handelt sich um ein absolut inakzeptables Verhalten Liegt ein solches vor sollte moumlglichst schnell gehandelt werden um die Unzumutbarkeit der Weiterbeschaumlftigung nicht selbst zu widerlegen Dies gilt nicht nur bei Strafanzeigen son-dern auch bei anderem illoyalen Verhalten gegenuumlber dem Arbeitge-ber So kann ein Aufruf zur Abwahl eines Vorstandsvorsitzenden eines Unternehmens unter Umstaumlnden sogar eine auszligerordentliche fristlose Kuumlndigung rechtfertigen (vgl BAG vom 1 Juni 2017 ndash 6 AZR 72015 ndash aktuell liegt nur die Pressemitteilung des Gerichts hierzu vor)

Manuel Schuumltt LLM Eur Rechtsanwalt Wirtschaftsmediator (MuCDR)BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Rettendes Gesamtkonzept bei befristeten Arbeitsvertraumlgen

Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 14 Dezember 2016 ndash 7 AZR 68814

SachverhaltDie Mitarbeiterin war bei einem Logistikunternehmen zunaumlchst auf Grundlage dreier sachgrundlos befristeter Arbeitsvertraumlge beschaumlftigt Nach einer kurzen Taumltigkeit bei einem anderen Arbeitgeber wurde die Mitarbeiterin erneut befristet im Warenlager des Logistikunternehmens eingestellt Waumlhrend der Laufzeit schlossen die Parteien eine Zusatz-vereinbarung ab mit der die Befristung um zwei Monate verlaumlngert

wurde Aufgrund der Vorbeschaumlftigung im selben Logistikunternehmen bedurfte die Befristung fuumlr ihre Wirksamkeit eines Sachgrunds Das Unternehmen rechtfertigte die Befristung mit einem voruumlbergehenden Bedarf an der Arbeitsleistung der Mitarbeiterin Sie sei nicht mit Dauer-aufgaben beschaumlftigt gewesen sondern mit nicht staumlndig anfallenden Taumltigkeiten wie dem auslaufenden Weihnachts- und dem beginnenden Ostergeschaumlft Die Mitarbeiterin bestritt das Vorbringen zu einem prog-nostizierten voruumlbergehenden Mehrbedarf und fuumlhrte aus dass das Un-ternehmen im April 2013 insgesamt 148 Arbeitnehmer neu befristet eingestellt habe Zuletzt hat das Landesarbeitsgericht (LAG) entschie-den dass nicht nur voruumlbergehender Bedarf bestehe und deswegen eine Befristung nicht gerechtfertigt sei

Die EntscheidungDas BAG entschied nun dass die beiden Vorinstanzen fehlerhaft ge-urteilt haumltten und wies die Klage der Arbeitnehmerin zur weiteren Sach-aufklaumlrung und Entscheidung an das LAG zuruumlck Dabei bestaumltigte das BAG nochmals dass auch ein erhoumlhter Arbeitsaufwand im Rahmen von Daueraufgaben eine Sachgrundbefristung rechtfertigen koumlnne Hierfuumlr sei es unschaumldlich wenn der prognostizierte voruumlbergehende Bedarf an der Arbeitsleistung noch uumlber das Vertragsende des mit dem befristet beschaumlftigten Arbeitnehmer abgeschlossenen Vertrags hinaus andauere Die Vertragsdauer muumlsse aber so mit dem Sachgrund der Befristung in Einklang stehen dass sie ihn nicht von vornherein in Frage stelle Auch muumlsse der befristet beschaumlftigte Arbeitnehmer nicht in dem Bereich eingesetzt werden in dem der voruumlbergehende Mehrbedarf entstehe Es genuumlge vielmehr wenn zwischen dem zeitweilig erhoumlhten Arbeits-anfall und der befristeten Einstellung ein ursaumlchlicher Zusammenhang bestehe Der Arbeitgeber sei im Rahmen voruumlbergehender Mehrarbeit nicht gehindert die vorhandene Arbeitsmenge zu verteilen seine Ar-beitsorganisation zu aumlndern oder die zusaumltzlichen Arbeiten anderen Mitarbeitern zuzuweisen Es duumlrften aber nicht beliebig viele Arbeitneh-mer neu befristet eingestellt werden der prognostizierte Mehrbedarf duumlrfe nicht uumlberschritten werden

Konsequenzen fuumlr die PraxisAn den Arbeitgeber werden weiterhin hohe Anforderungen an die Ent-scheidungen zur Befristung und deren Dokumentation gestellt Ob nur voruumlbergehender Bedarf vorliegt muss der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Vertragsschlusses feststellen Diese Prognose ist Teil des Sach-grunds fuumlr die Befristung und muss in einem Rechtstreit vom Arbeit-geber dargelegt werden Es wird daher weiter erforderlich sein den voruumlbergehenden Mehrbedarf unter Angabe des uumlblichen und des pro-gnostizierten Arbeitsvolumens sowohl in inhaltlicher als auch zeitlicher Hinsicht in ein Verhaumlltnis zum Dauerbedarf zu stellen Weiterhin ausge-schlossen bleibt auch einen Sachgrund dadurch herbeizufuumlhren dass im Wesentlichen unveraumlnderte Daueraufgaben in organisatorisch ei-genstaumlndige bdquoProjekteldquo aufgeteilt werden Der Arbeitgeber darf sich vor Gericht nicht darauf beschraumlnken einen zeitlich begrenzten Mehrbedarf und die befristete Einstellung lediglich des Arbeitnehmers darzustellen dessen Befristung im Streit steht Aus den Angaben muss sich vielmehr ergeben wie viele Arbeitnehmer voraussichtlich fuumlr welchen Zeitraum benoumltigt werden und wie viele zur Deckung dieses Bedarfs befristet eingestellt wurden Durch Unterlagen untermauerte zahlenmaumlszligig kon-kretisierte Angaben zu den befristet eingestellten Arbeitnehmern sind ausreichend ihre namentliche Nennung jedoch nicht noumltig

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

Praxistipp Der Arbeitgeber sollte zur Absicherung ein plausibles Gesamtkonzept zur Bewaumlltigung eines voruumlbergehenden Mehrbedarfs erstellen Das erfordert die Darstellung wie der Bedarf mit Stammarbeitnehmern befristet beschaumlftigten Arbeitnehmern oder gegebenenfalls auf andere Weise ndash etwa durch Leiharbeitnehmer ndash abgedeckt werden sollte Da-mit kann er im Falle eines Rechtsstreits seiner Darlegungspflicht nach-kommen

Dr Kathrin Kentner Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltinfuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Sarah SterflingerRechtsanwaumlltin BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Trotz vereinbarter Notenstufe im Prozessvergleich ndash Formulierung des Arbeitszeugnisses bdquoErmessenssacherdquo

Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 14 Februar 2017 ndash 9 AZB 4916

SachverhaltArbeitnehmer und Arbeitgeber schlossen vor dem Arbeitsgericht im Rah-men eines Kuumlndigungsschutzprozesses einen Vergleich in dem u a Fol-gendes vereinbart wurde

bdquoDie Beklagte erteilt dem Klaumlger ein wohlwollendes qualifiziertes Arbeits-zeugnis mit einer sehr guten Fuumlhrungs- und Leistungsbeurteilung und einer Bedauerns- Dankes- und gute Wuumlnscheformulierung im Schluss-satzrdquo

Der Arbeitgeber erteilte nach Abschluss des Vergleichs ein Zeugnis mit dem sich der Mitarbeiter nicht zufrieden gab Er war der Meinung aus dem Wortlaut ergebe sich keine gute Leistungs- und Fuumlhrungsbeurtei-lung Das Zeugnis weise insgesamt strukturell und inhaltlich groszlige Maumln-gel auf Der Arbeitnehmer forderte deshalb das Unternehmen auf das Zeugnis inhaltlich zu aumlndern was es ablehnte Den vermeintlichen An-spruch auf Zeugnisberichtigung versuchte der Arbeitnehmer anschlie-szligend im Wege der Zwangsvollstreckung aus dem Prozessvergleich durchzusetzen jedoch erfolglos

Die EntscheidungDas BAG gab dem Arbeitgeber Recht und stellte fest dass ein Pro-

zessvergleich der das Unternehmen zur Erteilung eines Zeugnisses mit einer bestimmten Notenstufe verpflichtet nicht den zwangsvoll-streckungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen genuumlge Nach Ansicht des Gerichts bleibt es Sache des Arbeitgebers das Zeugnis im Einzelnen abzufassen wobei die konkrete Formulierung in seinem pflichtgemaumlszligen Ermessen stehe Anders als bei der Verpflichtung ein Zeugnis gemaumlszlig einem Entwurf des Arbeitnehmers zu erteilen laumlsst die Vereinbarung einer bestimmten Notenstufe dem Unternehmen hinsichtlich der Auswahl und Gewichtung einzelner Gesichtspunkte des Umfangs des Zeugnistextes sowie der Formulierung der Leis-tungs- und Fuumlhrungsbeurteilung einen derart weiten Gestaltungs-spielraum dass von einem konkreten vollstreckbaren Leistungsbe-fehl nicht die Rede sein kann

Konsequenzen fuumlr die PraxisDer Arbeitnehmer hat es selbst in der Hand bestimmte Kernformu-lierungen in den Vergleichstext mitaufzunehmen um sicherzustellen dass das Zeugnis einer bestimmten Notenstufe entspricht Auch ist eine Vereinbarung moumlglich dass der Mitarbeiter berechtigt ist einen Entwurf zu erstellen von dem der Arbeitgeber nur aus wichtigen Gruumlnden abweichen kann Hierdurch kann ein weiterer Rechtsstreit vermieden werden Die Regelung in einem gerichtlichen Vergleich in der sich der Arbeitgeber zur Erteilung eines Zeugnisses verpflich-tet das einer bestimmten Note (bdquosehr gutldquo oder bdquogutldquo) entspricht ist jedenfalls fuumlr eine Vollstreckung zu unbestimmt Ist eine solche Vereinbarung getroffen worden kann der Arbeitnehmer im Wege der Zwangsvollstreckung nur dann eine Berichtigung des Zeugnisses erwirken wenn das Zeugnis formal nicht ordnungsgemaumlszlig erteilt wor-den oder erkennbar unvollstaumlndig ist

PraxistippDie vorliegende Entscheidung zeigt dass Arbeitgeber einem Berichti-gungswunsch eines Mitarbeiters im Hinblick auf die Formulierung des Arbeitszeugnisses nicht unbedingt nachkommen muumlssen auch wenn im Prozessvergleich eine Notenstufe vereinbart wurde Vielmehr obliegt es dem Arbeitgeber in einem solchen Fall die konkreten Formulierungen nach pflichtgemaumlszligem Ermessen auszuwaumlhlen Der Mitarbeiter kann die inhaltliche Berichtigung des Zeugnisses dann nicht mehr im Vollstre-ckungsverfahren durchsetzen sondern ist gehalten erneut Klage zu er-heben Moumlchte sich das Unternehmen bei der Formulierung des Arbeits-zeugnisses einen Spielraum vorbehalten spricht weiterhin nichts gegen die Vereinbarung einer bestimmten Zeugnisnote im Vergleich

Sonja Muumlller Rechtsanwaumlltin BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

Entlassungsverlangen des Betriebsrats

Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 28 Maumlrz 2017 ndash 2 AZR 55116

SachverhaltDer Betriebsrat eines Versicherungsunternehmens hatte den Arbeitgeber zur Entlassung einer Sachbearbeiterin aufgefordert Diese war in mehre-re ndash dem Vernehmen nach handgreifliche ndash Vorfaumllle mit Kollegen verwi-ckelt gewesen worin man eine erhebliche Stoumlrung des Betriebsfriedens sah Der Arbeitgeber kam dem Verlangen nicht nach daher leitete der Betriebsrat ein gerichtliches Verfahren (sogenanntes Beschlussverfah-ren) ein An diesem wurde auch die betroffene Arbeitnehmerin beteiligt Nachdem das Arbeitsgericht dem Unternehmen rechtskraumlftig aufgege-ben hatte die Mitarbeiterin zu entlassen erhielt diese eine auszligerordent-liche hilfsweise ordentliche Kuumlndigung gegen die sie sich zur Wehr setzte zuletzt vor dem BAG

Die EntscheidungDas BAG sah in der Verpflichtung zur Entlassung wie schon die Vorinstan-zen ein dringendes betriebliches Erfordernis das eine ordentliche Kuumlndi-gung rechtfertigen kann Ein wichtiger Grund fuumlr eine auszligerordentliche Kuumlndigung sei darin hingegen nicht zu sehen Insbesondere beginne die Zwei-Wochen-Frist fuumlr den Ausspruch einer auszligerordentlichen Kuumlndi-gung nicht erst mit Kenntnis von der Entscheidung des Arbeitsgerichts

Konsequenzen fuumlr die PraxisDie Entscheidung zeigt dass das Beschlussverfahren quasi einen vor-gezogenen Kuumlndigungsschutzprozess beinhaltet da es in mehrerlei Hinsicht fuumlr die Beteiligten ndash darunter den betroffenen Arbeitnehmer ndash praumljudizielle Wirkung hat Dem Betroffenen ist im Kuumlndigungsschutz-verfahren die Argumentation abgeschnitten dass es an einem dringen-den betrieblichen Erfordernis fehlt Zieht umgekehrt der Arbeitgeber in Betracht das im Entlassungsverlangen angesprochene Problem bereits durch eine Versetzung loumlsen zu koumlnnen muss er bereits im Beschluss-verfahren darauf hinwirken dass ihm allenfalls diese Maszlignahme ndash an-stelle einer Entlassung ndash aufgegeben wird

PraxistippNicht moumlglich ist es die Kuumlndigungsgruumlnde durch eine Abmahnung bdquozu verbrauchenldquo weil der Arbeitgeber damit zwar auf sein Recht zum Ausspruch einer Kuumlndigung nicht aber auf die Rechte des Betriebs-rats verzichten kann Andere Gruumlnde die gegen die Wirksamkeit einer solchen Kuumlndigung angefuumlhrt werden koumlnnen bleiben dadurch im Uumlb-rigen unberuumlhrt d h das Entlassungsverlangen kann beispielsweise keinen Sonderkuumlndigungsschutz (z B eines Schwerbehinderten) auf-heben Auch eine Entscheidung im Beschlussverfahren macht eine sol-che Kuumlndigung daher nicht zu einem bdquoSelbstlaumluferldquo

Anekdote am RandeErfolglos muss ein entsprechendes Begehren im Beschlussverfahren bleiben soweit es sich gegen einen Geschaumlftsfuumlhrer richtet Vor dem Landesarbeitsgericht Hamm (Beschuss vom 2 August 2016 minus 7 TaBV 1116) hatte ein Betriebsrat argumentiert dass aus Gruumlnden der eu-roparechtskonformen Auslegung ein weiter Arbeitnehmerbegriff gel-te und daher auch Geschaumlftsfuumlhrer bdquobetriebsstoumlrende Arbeitnehmerldquo sein koumlnnten Dieser bdquotrickreichenldquo Argumentation folgte das Gericht

aber nicht Die weite Auslegung dient dem Arbeitnehmerschutz ndash und nicht der Erweiterung der Rechte des Betriebsrats

Dr Franziska von Kummer LLM MCL Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltin fuumlr Arbeitsrecht Dipl-Kffr Dipl-Vw BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Berlin

(Kein) Anspruch des Arbeitnehmers auf Durchfuumlhrung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens

Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 21 Februar 2017 ndash 1 AZR 36715

SachverhaltDer Arbeitnehmer sollte in einen anderen Betrieb versetzt werden Der Betriebsrat des aufnehmenden Betriebs verweigerte hierzu allerdings die Zustimmung Die Arbeitgeberin fuumlhrte sodann nicht das dafuumlr vorgese-hene gerichtliche Verfahren mit dem Ziel durch die Zustimmung zu er-setzen Der Arbeitnehmer klagte die Arbeitgeberin zu verpflichten dieses Zustimmungsersetzungsverfahren durchzufuumlhren um seine Beschaumlfti-gung in dem anderen Betrieb zu ermoumlglichen

EntscheidungDas BAG wies die Klage zuruumlck Es bestaumltigte seine Rechtsprechung in-sofern dass ein Arbeitnehmer bei Verweigerung der Zustimmung durch den Betriebsrat vom Arbeitgeber die Einleitung eines Zustimmungs-ersetzungsverfahrens nur in dem (Ausnahme-)Fall verlangen koumlnne wenn sich der Arbeitgeber zur Durchfuumlhrung dieses Verfahrens im Wege einer Selbstbindung verpflichtet habe fuumlr die Annahme einer solchen Selbstbindung muumlssten allerdings besondere Anhaltspunkte gegeben sein (BAG vom 16 Maumlrz 2010 ndash 3 AZR 3109) Weiter koumlnne ein An-spruch auf Durchfuumlhrung eines derartigen Verfahrens ausnahmsweise in Betracht kommen wenn ein fuumlr den Arbeitnehmer nachteiliges Zu-sammenwirken zwischen den Betriebsparteien vorlaumlge was vorliegend nicht der Fall war (vgl hierzu u a die vorgenannte BAG-Entscheidung) Im Fall eines schwerbehinderten Menschen verpflichte der in sect 81 Abs 4 S 1 Nr 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch verankerte Beschaumlf-tigungsanspruch fuumlr diese Arbeitnehmergruppe den Arbeitgeber das gerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren durchzufuumlhren wenn er erkennt dass die geltend gemachten Zustimmungsverweige-rungsgruumlnde tatsaumlchlich nicht vorliegen (BAG vom 3 Dezember 2002 ndash 9 AZR 48101) Eine Schwerbehinderung lag hier jedoch auch nicht vor

Nach Auffassung des BAG ergibt sich ein solcher Anspruch des Arbeit-nehmers auch nicht generell aus der arbeitsvertraglichen Ruumlcksichtnah-mepflicht Denn diese verlange vom Arbeitgeber nicht eigene schutz-wuumlrdige Belange hinten anzustellen also beispielsweise einen Rechts-streit fuumlhren zu muumlssen Der Arbeitnehmer sei nicht schutzlos gestellt da fuumlr die Dauer der Nichtbeschaumlftigung ein sogenannter Annahme-verzugslohn geschuldet werde und der Arbeitgeber im Rahmen seiner vertraglichen Verpflichtungen dennoch gehalten sein kann dem Arbeit-nehmer eine andere Taumltigkeit zuzuweisen

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

PraxistippNach Ansicht des BAG haben Arbeitnehmer nur im Ausnahmefall ei-nen Anspruch auf Durchfuumlhrung eines gerichtlichen Zustimmungs-ersetzungsverfahrens wenn der Betriebsrat die Zustimmung zu ei-ner personellen Maszlignahme (Versetzung Einstellung etc) verweigert Wichtig fuumlr die Praxis duumlrfte der Fall sein dass der Arbeitnehmer ei-nen derartigen Durchfuumlhrungsanspruch hat wenn es sich um einen schwerbehinderten Arbeitnehmer handelt Selbst wenn ein Anspruch auf Durchfuumlhrung nicht besteht empfiehlt es sich fuumlr einen Arbeitge-ber der ein Zustimmungsersetzungsverfahren nicht fuumlhren will sein Weisungsrecht ndash wenn rechtlich moumlglich ndash erneut auszuuumlben um nicht Annahmeverzugslohn zahlen zu muumlssen ohne eine entspre-chende Arbeitsleistung des Arbeitsnehmers zu erhalten

Dr Sarah Reinhardt Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltin fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Fristlose Kuumlndigung bei grober Beleidigung auch im langjaumlhrigen Arbeitsverhaumlltnis rechtens

Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein vom 24 Januar 2017 ndash 3 Sa 24416

SachverhaltDer Arbeitnehmer war als einer von fuumlnf Mitarbeitern seit 1992 in ei-nem Familienunternehmen beschaumlftigt Waumlhrend einer Besprechung kam es zu einem Streit zwischen ihm den beiden Geschaumlftsfuumlhrern und deren Vater dem ehemaligen Geschaumlftsfuumlhrer Am Ende des Gespraumlchs als der Arbeitnehmer das Buumlro verlassen wollte kommentierte der aktu-elle Geschaumlftsfuumlhrer das Geschehen mit bdquoKinderkramrdquo Am Morgen des naumlchsten Tages suchte der Arbeitnehmer die Geschaumlftsfuumlhrer erneut auf Es kam zum Wortgefecht in dessen Verlauf der Arbeitnehmer aumluszligerte dass sich der Seniorgeschaumlftsfuumlhrer am Vortag wie ein bdquoArschrdquo verhalten habe und der Geschaumlftsfuumlhrer auf bestem Wege sei seinem Vater (dem Seniorgeschaumlftsfuumlhrer) den Rang abzulaufen Im Weiteren aumluszligerte einer der Geschaumlftsfuumlhrer dass sie im Falle einer Kuumlndigung als bdquosoziale Arsch-loumlcherrdquo dastuumlnden Der Klaumlger erwiderte dass die Firma dies bereits sei Noch am selben Abend wurde der Arbeitnehmer freigestellt Da er sich auch in der Folgezeit nicht entschuldigte kuumlndigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhaumlltnis fristlos

Die EntscheidungDas LAG Schleswig-Holstein hat die Kuumlndigungsschutzklage abge-wiesen Die Aumluszligerungen des Arbeitnehmers gegenuumlber dem Senior-geschaumlftsfuumlhrer sowie dem Geschaumlftsfuumlhrer stellten eine grobe Beleidigung dar die eine fristlose Kuumlndigung auch ohne vorherige Abmahnung rechtfertige Es handelte sich hierbei um gezielte ehr-verletzende und nicht gerechtfertigte Beschimpfungen der Ge-schaumlftsfuumlhrer die auch nicht mehr auf einer Affektsituation durch die streitigen und ndash gegebenenfalls ndash provokanten Aumluszligerungen der Ge-schaumlftsfuumlhrer vom Vortag beruhten die bereits 16 Stunden zuruumlck-lagen Aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung sowie der fehlen-

den Einsicht seines Fehlverhaltens sei der Arbeitnehmer auch nicht vor Ausspruch der Kuumlndigung abzumahnen Im Rahmen der Interes-senabwaumlgung sei zwar die lange Betriebszugehoumlrigkeit zu beachten jedoch uumlberwiege aufgrund der emotionalen Naumlhe im vorliegenden Familienbetrieb das Interesse des Arbeitgebers an der Vertragsbe-endigung Hierbei so das LAG sei ebenfalls die fehlende Entschuldi-gung des Arbeitnehmers die auch im Prozess ausblieb von geson-dertem Gewicht

Konsequenzen fuumlr die PraxisObwohl es sich um einen Einzelfall handelt laumlsst sich aus dieser Ent-scheidung in Bezug auf grobe Beleidigungen des Arbeitgebers undoder dessen Vertretern eine Bestaumltigung der staumlndigen Rechtspre-chung ableiten Je nach Intensitaumlt kann bei groben Beleidigungen eine fristlose Kuumlndigung auch bei langjaumlhriger Betriebszugehoumlrigkeit gerechtfertigt sein Laumlsst das Verhalten des Arbeitnehmers weitere Vertragsverletzungen befuumlrchten und zeigt der Arbeitnehmer keiner-lei Einsichtsfaumlhigkeit so ist eine vorherige Abmahnung nicht erfor-derlich

PraxistippArbeitgeber sollten bei derartigen Vorfaumlllen einen bdquokuumlhlen Kopfrdquo be-wahren und das Verhalten des Arbeitnehmers in jedem Fall dokumen-tieren Je nach Intensitaumlt der Beleidigung kann unmittelbar gekuumlndigt oder zumindest mit einer Abmahnung reagiert werden

Inka Adam Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltin fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Frankfurt

Weiterarbeit nach Erreichen des Rentenalters ndash gleitender Uumlbergang oder Befristungsfalle fuumlr Arbeitgeber

Arbeitsgericht (ArbG) Karlsruhe vom 27 April 2016 ndash 3 Ca 2216 zugleich zu Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen vom 29 November 2016 ndash 10 Sa 21816

SachverhaltIm urspruumlnglichen Arbeitsvertrag eines nicht-verbeamteten Hoch-schullehrers war vereinbart dass das Arbeitsverhaumlltnis zum Ende des Semesters enden sollte in dem der Arbeitnehmer das 65 Lebensjahr vollendet konkret zum 30 September 2014 Am 24 Maumlrz 2014 wurde schriftlich vereinbart dass der Arbeitnehmer vom 1 Oktober 2014 bis 31 September 2015 weiterhin fuumlr den Arbeitgeber nun aber mit redu-zierter Arbeitszeit taumltig sein sollte Am 9 Juni 2015 wurde wieder schrift-lich vereinbart dass der Arbeitnehmer nochmals vom 1 Oktober 2015 bis 29 Februar 2016 bei dem Arbeitgeber in Teilzeit weiterbeschaumlftigt werden sollte Eine Verlaumlngerung daruumlber hinaus lehnte der Arbeitgeber ab

Die EntscheidungDas ArbG entschied dass die Befristung zum 29 Februar 2016 wirksam

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

war und das Arbeitsverhaumlltnis zu diesem Zeitpunkt beendete Es liege ein wirksames bdquoHinausschiebenrdquo des Beendigungszeitpunkts nach sect 41 S 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) vor Nach dieser Vorschrift koumlnnen die Parteien durch Vereinbarung das Ende des Ar-beitsverhaumlltnisses hinausschieben wenn der urspruumlngliche Vertrag fuumlr die Beendigung auf das Erreichen der Regelaltersgrenze abstelle und eine entsprechende Vereinbarung noch waumlhrend des laufenden Arbeits-verhaumlltnisses getroffen werde Nach Auffassung des Gerichts war im urspruumlnglichen Arbeitsvertrag der erforderliche Bezug zur Regelalters-grenze hergestellt Es sei unschaumldlich dass das Ende des Arbeitsverhaumllt-nisses vorliegend nicht exakt mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze zusammenfalle da es jedenfalls bei Hochschullehrern uumlblich sei das Arbeitsverhaumlltnis nicht waumlhrend des laufenden Semesters zu beenden sondern erst mit dessen Abschluss Problematisch war aber dass beim erstmaligen Hinausschieben zugleich auch die Arbeitszeit reduziert wurde Das ArbG entschied dass das bdquoHinausschiebenrdquo eine gleichzeiti-ge Aumlnderung der Vertragsbedingungen zulaumlsst anders als bei sonstigen bdquonormalenrdquo Befristungen ohne Sachgrund sect 41 S 3 SGB VI solle es Ar-beitgeber und Arbeitnehmer ermoumlglichen das Beschaumlftigungsverhaumllt-nis auch nach Erreichen der Regelaltersgrenze einvernehmlich und fuumlr einen von vorn herein festgelegten Zeitraum fortzusetzen Daher sei es sachgerecht eine Reduzierung der Arbeitszeit zuzulassen da nur so die Moumlglichkeit fuumlr einen flexiblen Uumlbergang von der Erwerbstaumltigkeit zum Renteneintritt bestehe

Das mehrfache Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts wie von sect 41 S 3 SGB VI vorgesehen sei auch mit Europarecht vereinbar Dies-bezuumlglich entschied das LAG Niedersachen etwas zuruumlckhaltender dass zumindest das einmalige Hinausschieben europarechtskonform sei

Konsequenzen fuumlr die PraxisDie Entscheidung des ArbG Karlsruhe ermoumlglicht eine praxisgerechte Handhabung der Beschaumlftigung von Rentnern Ob sich die Linie des ArbG Karlsruhe durchsetzt bleibt aber abzuwarten da die Rechtsfra-ge ob im Rahmen von sect 41 S 3 SGB VI zugleich Arbeitsbedingungen geaumlndert werden duumlrfen in der juristischen Literatur weiter umstritten bleibt Fuumlr bereits abgeschlossene Vertraumlge kann aber im Streitfall auf das Urteil verwiesen werden Das vergleichbare bereits erwaumlhnte Ver-fahren vor dem LAG Niedersachsen ist bereits beim BAG unter dem Aktenzeichen 7 AZR 7017 anhaumlngig

PraxistippArbeitgeber sind gut beraten die Entwicklung der Rechtsprechung weiterhin im Auge zu behalten Wer kein Risiko eingehen will sollte sich bis zu einer houmlchstrichterlichen Klaumlrung auf ein einmaliges Hi-nausschieben des Beendigungsdatums beschraumlnken Zudem sollten Unternehmen Aumlnderungen von Arbeitsbedingungen nicht gleich-zeitig vornehmen sondern sie zeitlich versetzt vereinbaren soweit sie fuumlr erforderlich gehalten werden

Dr Roland KleinRechtsanwalt und Fachanwalt fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft Berlin

Im Blickpunkt

Entgelttransparenzgesetz Der Auskunftsanspruch kommt - wichtige To-dos bis zum 6 Januar 2018

Das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) ist seit dem 6 Juli 2017 in Kraft Es gilt als bdquouumlberfluumlssiges Buumlrokratiemonsterrdquo das zwar mit der Durchsetzung des Gebots der gleichen Entlohnung von Frauen und Maumlnnern ein gut gemeintes Ziel verfolgt Gut gemeint ist jedoch be-kanntlich nicht immer auch gut gemacht Es darf durchaus bezweifelt werden dass das Gesetz seinen Zweck erreichen wird Klar ist jeden-falls dass es Arbeitnehmern in Betrieben mit mehr als 200 Beschaumlf-tigten erstmals ab dem 6 Januar 2018 ermoumlglichen wird einen Aus-kunftsanspruch uumlber die Kriterien und das Verfahren zur Festlegung des Entgelts und dessen Houmlhe zu stellen (sect 10 EntgTranspG) vgl auch zu allem Springer BEITEN BURKHARDT Newsletter Arbeitsrecht Ausgabe Maumlrz 2017 Seite 7 f

Das Ende der sechsmonatigen bdquoSchonfristrdquo bis zum 6 Januar 2018 naht bereits Unternehmen mit Betrieben () mit mehr als 200 Mitar-beitern muumlssen daher jetzt handeln um sich vor boumlsen Uumlberraschun-gen zu schuumltzen Dabei stellen sich vor allem die Fragen ob nach dem 6 Januar 2018 eine unterschiedliche Verguumltung noch moumlglich ist und wie sich Arbeitgeber bis zum 6 Januar 2018 auf potenzielle Aus-kunftsanspruumlche vorbereiten sollten

Ist eine unterschiedliche Verguumltung noch moumlglich

Nach sect 7 EntgTranspG darf in einem Beschaumlftigungsverhaumlltnis allein auf-grund des Geschlechts fuumlr gleiche oder gleichwertige Arbeit kein geringe-res Entgelt vereinbart bzw ausgezahlt werden Das bedeutet im Umkehr-schluss dass eine unterschiedliche Verguumltung dann weiterhin moumlglich ist wenn die Arbeit nicht gleich oder gleichwertig ist Wann aber ist eine Ar-beit gleich oder gleichwertig Das ist der Fall wenn sie sich weder nach ihrer Art ihren Ausbildungsanforderungen undoder ihren Arbeitsbedin-gungen von der Arbeit des Kollegen bzw der Kollegin unterscheidet (sect 4 Abs 2 EntgTranspG)

PraxistippVor diesem Hintergrund sollten neu zu besetzende Stellen im Betrieb moumlglichst individuell bezeichnet und Stellenausschreibungen individuell formuliert werden

Eine unterschiedliche Verguumltung ist weiterhin und immer dann moumlglich wenn Regeln zur Entgeltfestsetzung bdquodurch ein rechtmaumlszligiges Ziel sach-lich gerechtfertigt und die Mittel angemessen und erforderlich sindrdquo

PraxistippEs empfiehlt sich daher stets sachliche Gruumlnde wie arbeitsmarkt- leis-tungs- und arbeitsergebnisbezogene Kriterien fuumlr die houmlhere Bezahlung zu dokumentieren Dies koumlnnen zum Beispiel sein houmlheres Dienstalter (Honorierung der Berufserfahrung) koumlrperliche Anforderungen Ge-schicklichkeit und Stressbelastung etc Bei Verguumltungsverhandlungen sollte der Arbeitgeber die Gruumlnde schriftlich niederlegen weshalb eine sachgerechte Mehrbezahlung erfolgen soll etwa Fahrtkosten Umzugs-kosten Kindergartenzulage und Boni

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Zu beachten ist weiterhin dass eine Auskunft des Arbeitnehmers zum Schutz personenbezogener Daten auch nur dann verlangt werden kann wenn eine Vergleichstaumltigkeit von mindestens sechs Mitarbeiterninnen des jeweils anderen Geschlechts ausgeuumlbt wird (sect 12 Abs 3 EntgTranspG)Arbeiten in der Vergleichsgruppe etwa fuumlnf Frauen und 15 Maumlnner und macht eine Frau den Auskunftsanspruch geltend wird der statistische Mittelwert des Entgelts der 15 Maumlnner als Vergleichswert gebildet Ein Mann koumlnnte in diesem Fall keine Auskunft uumlber den Mittelwert verlan-gen da weniger als sechs Frauen die Vergleichstaumltigkeit ausuumlben

PraxistippPotenzielle Vergleichsgruppen sollten daher kleinstmoumlglich d h unter sechs Mitarbeitern gehalten werden

Wie sollten sich Arbeitgeber auf potenzielle Auskunftsanspruumlche vorbereiten

Ab dem 6 Januar 2018 drohen die ersten Auskunftsanspruumlche Es waumlre verfehlt hierauf nicht vorbereitet zu sein Zusaumltzlich zu den genannten Empfehlungen sollte daher spaumltestens jetzt mit der Erstellung einer Dokumentation zu etwaigen Entgeltunterschieden bei der Belegschaft begonnen werden um nicht in Zeitnot bei der Beantwortung der ersten Auskunftsverlangen zu kommen

PraxistippDie bis zum 6 Januar 2018 verbleibende bdquoSchonfristrdquo sollte genutzt werden um Entgeltunterschiede zu identifizieren Sofern solche Unter-schiede bestehen sollten Unternehmen dokumentieren wodurch die unterschiedliche Verguumltung gerechtfertigt ist (z B durch die o g Krite-rien wie houmlheres Dienstalter etc)

Besonders prekaumlr Unternehmen die weder tarifgebunden sind noch Tarifvertraumlge anwenden droht das Damoklesschwert einer sog Be-weislastumkehr Wenn solche Unternehmen die Auskunftsverlangen nicht innerhalb von drei Monaten beantworten ist der Arbeitgeber im Streitfall zur Uumlberzeugung des Gerichts beweispflichtig dass kein Verstoszlig gegen das Entgeltgleichheitsgebot vorliegt (sect 15 Abs 5 EntgTranspG) Es wird also ein Verstoszlig vermutet der sich durch die Arbeitgeber oft nur schwer widerlegen lassen duumlrfte Gerade solche Unternehmen die nicht tarifgebunden sind und keine Tarifvertraumlge anwenden sollten sich im besonderen Maszlige auf die drohenden Aus-kunftsanspruumlche vorbereiten um nicht in Beweisnoumlte zu kommen

Sofern Unternehmen im Rahmen der Vorbereitungen nicht zu recht-fertigende Entgeltunterschiede auffinden ist zu untersuchen ob sich die Differenzen ggf anlaumlsslich kommender Gehaltsrunden nivellieren lassen

PraxistippWenn moumlglich sollten die kommenden Gehaltsrunden genutzt werden um nicht zu rechtfertigende Entgeltdifferenzen auszugleichen Dies gilt insbesondere fuumlr etwaige zum Jahreswechsel 201718 anstehenden Gehaltsrunden

Zuletzt noch ein wichtiges technisches Detail zum Auskunftsverfah-ren Nach der Intention des Gesetzgebers sollen die Auskuumlnfte ur-

spruumlnglich in einem Betrieb mit Betriebsrat ausschlieszliglich durch die-ses Gremium (und nicht durch die Arbeitgeber) erteilt werden Zum Ende des Gesetzgebungsverfahrens wurde dem Arbeitgeber aber ein Optionsrecht gegeben Auch er kann nun die Adressatenstellung fuumlr den Auskunftsanspruch durch einseitige Erklaumlrung jedoch nach Er-laumluterung gegenuumlber dem Betriebsrat fuumlr die Dauer der Amtszeit des Betriebsrats uumlbernehmen (sect 14 Abs 2 EntgTranspG)

PraxistippViele Arbeitgeber mit Betriebsraumlten duumlrften gut beraten sein die Adres-satenstellung fuumlr den Auskunftsanspruch zu uumlbernehmen Unterneh-men sollten daher nicht abwarten bis sie das erste Auskunftsverlangen ereilt sondern zuumlgig und noch innerhalb der bdquoSchonfristrdquo entscheiden ob sie die Auskunftsverlangen uumlbernehmen wollen

FazitNeben den genannten Punkten gibt es noch eine Reihe weiterer To-dos die sich aus dem Inkrafttreten des EntgTranspG ergeben Arbeitgeber sollten sie sammeln und dann sauber abarbeiten damit die bdquoSchonfristrdquo bis zum 6 Januar 2018 nicht ungenutzt verstreicht

Dr Nina Springer LLM Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltin fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Henrik Luumlthge Rechtsanwalt Fachanwalt fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Duumlsseldorf

Hinweis Dieser Beitrag ist in einer aumlhnlichen Form in der Zeitschrift Personalpraxis und Recht (PuR) Ausgabe Juni 2017 Seiten 131 ff erschienen

Update Das Betriebsrentenstaumlrkungsgesetz ist beschlossene Sache

Bereits im BEITEN BURKHARDT Newsletter Arbeitsrecht Ausgabe Maumlrz 2017 Seite 11 hatten wir detailliert uumlber den Gesetzgebungstand zum Betriebsrentenstaumlrkungsgesetz (BRSG) berichtet Nachdem zwi-schenzeitlich doch Unsicherheiten aufgekommen waren ob das Gesetz noch verabschiedet wuumlrde haben es Bundestag und Bundesrat im Juni bzw Juli nun beschlossen Hierbei hat es auch in letzter Sekunde noch wichtige Aumlnderungen gegeben

Wichtiges fuumlr neue VersorgungszusagenDas sogenannte Sozialpartnermodell ist mit dem BRSG als neue Form

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der betrieblichen Altersversorgung Gesetz geworden Es ist etwas an-deres als die bislang im Betriebsrentengesetz (BetrAVG) vorgesehenen Kombinationsmoumlglichkeiten aus fuumlnf Durchfuumlhrungswegen (Direkt-zusage Unterstuumltzungskasse Pensionskasse Pensionsfonds und Di-rektversicherung) und drei Zusagemodellen (Leistungszusage Beitrags-zusage mit Mindestleistung und beitragsorientierte Leistungszusage) und bietet nun erstmals die Moumlglichkeit einer reinen Beitragszusage Die Pflichten des Arbeitgebers beschraumlnken sich dann auf die Entrich-tung der zugesagten Beitraumlge (z B aus Entgeltumwandlung) an einen externen Versorgungstraumlger (Pensionskasse Direktversicherung oder Pensionsfonds) Eine bestimmte Versorgungsleistung wird vom Ar-beitgeber nicht zugesagt und darf auch vom Versorgungstraumlger nicht zugesagt werden ndash bdquoGarantieverbotrdquo Versprochen ist allein eine soge-nannte bdquoZielrenterdquo deren Houmlhe und deren Entwicklung abhaumlngig von der Vermoumlgens- und Ertragslage bzw -entwicklung der Versorgungs-einrichtung sein sollen

Da der Arbeitgeber weitgehend befreit ist und eine Absicherung der Ar-beitnehmerinteressen nicht mehr durch eine Garantieleistung gewahrt ist macht das BRSG der Einfuumlhrung von reinen Beitragszusagen ver-schiedene Auflagen Die reine Beitragszusage muss auf Vereinbarungen der Tarifvertragsparteien beruhen die sich auch an der Durchfuumlhrung und Steuerung der Versorgungseinrichtung beteiligen muumlssen Zudem soll die Versorgungseinrichtung einer engen Beaufsichtigung durch die BaFin unterliegen Zuletzt muss der Arbeitgeber einen Risikoauf-schlag (mindestens 15 Prozent) fuumlr entgeltumwandlungsfinanzierte reine Beitragszusagen leisten Arbeitgeber und Beschaumlftigte die nicht tarifgebunden sind sollen vereinbaren koumlnnen dass die einschlaumlgigen Tarifvertraumlge auch fuumlr sie gelten Die Tarifvertragsparteien muumlssen zu-dem ihre Versorgungseinrichtungen fuumlr nicht organisierte Arbeitgeber und Arbeitnehmer oumlffnen

Bestehende EntgeltumwandlungssystemeDie wesentlichste Neuerung im Vergleich zum Stand im Maumlrz ist dass Arbeitgeber auch in bestehenden entgeltumwandlungsfinanzierten Versorgungssystemen zukuumlnftig gesetzlich verpflichtet werden Sozial-versicherungsersparnisse als Zusatzbeitrag an Arbeitnehmer weiter-zugeben Nach einer in letzter Sekunde in das BRSG aufgenommenen Regelung muumlssen Arbeitgeber auch bei bestehenden Entgeltumwand-lungssystemen zukuumlnftig 15 Prozent des umgewandelten Entgelts zu-saumltzlich als Arbeitgeberzuschuss leisten wenn die Entgeltumwandlung uumlber einen Pensionsfonds die Pensionskasse oder die Direktversiche-rung durchgefuumlhrt wird Fuumlr individual- und kollektivrechtliche Entgelt-umwandlungsvereinbarungen die vor dem 1 Januar 2019 geschlossen worden sind gilt die Zuschusspflicht erst ab dem 1 Januar 2022

bdquoOpting OutrdquoAn der Einfuumlhrung der Regelungen zu bdquoOpting outrdquo-Modellen hat es hingegen keine wesentlichen Veraumlnderungen gegeben Nach dem BRSG wird es zulaumlssig sein dass die Teilnahme an der Entgeltumwandlung fuumlr alle Beschaumlftigten oder Gruppen von Beschaumlftigten eines Arbeitgebers durch tarifvertragliche Regelung oder aufgrund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung als Regelfall auch ohne Teilnah-meerklaumlrung des Arbeitnehmers vorgesehen wird Die Nichtteilnahme erfordert dann ein bdquoOpting Outrdquo in Form eines Widerspruchs des Arbeit-nehmers Auch nichttarifgebundene Arbeitgeber koumlnnen ein einschlauml-giges tarifvertragliches Optionssystem anwenden oder aufgrund eines

einschlaumlgigen Tarifvertrags durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung die Einfuumlhrung eines Optionssystems regeln

Aumlnderungen des steuerrechtlich anerkannten Dotierungsrahmens und steuerliche Arbeitgeberfoumlrderung Im Wesentlichen unveraumlndert geblieben sind auch die Vorhaben zum steuerrechtlich anerkannten Dotierungsrahmen und zur steuer-lichen Arbeitgeberfoumlrderung sowie zur Steigerung der Arbeitnehmer-attraktivitaumlt Das Gesetz bringt auch einen geaumlnderten steuerfreien Dotierungsrahmen fuumlr Zahlungen des Arbeitgebers an externe Ver-sorgungstraumlger mit sich Statt bisher vier Prozent gilt fuumlr Beitraumlge an Pensionskassen Pensionsfonds oder Direktversicherungen nach dem BRSG eine einheitliche prozentuale Grenze von nun acht Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung Die Moumlglichkeit der Fortfuumlhrung einer Pauschalbesteuerung soll in Altfaumlllen unter Anrechnung auf den steuerfreien Dotierungsrahmen von acht Prozent bestehen bleiben

Zudem fuumlhrt das BRSG eine Foumlrderung fuumlr arbeitgeberfinanzierte Ver-sorgungszusagen fuumlr Arbeitnehmer mit niedrigen Einkommen ein Als Geringverdiener sind hierbei Beschaumlftigte mit einem monatlichen Brutto-einkommen von bis zu 2200 EUR definiert

Im Bereich der Arbeitnehmerattraktivitaumlt gerade auch fuumlr Arbeitnehmer mit geringen Einkommen steigt die Grundzulage bei der Riester-Rente von derzeit 15400 auf 17500 EUR Betriebs- und Riester-Renten sol-len in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nicht mehr voll angerechnet werden Anrechnungsfrei bleiben Leistungen aus einer zusaumltzlichen Altersvorsorge in Houmlhe eines Sockelbetrages von 100 EUR zuzuumlglich 30 Prozent des uumlbersteigenden Einkommens aus einer zusaumltzlichen Altersvorsorge Die Obergrenze betraumlgt 50 Prozent der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu sect 28 des zwoumllften Buchs Sozialgesetzbuch ndash derzeit (2017) 20450 EUR

Joumlrn Manhart Rechtsanwalt BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Duumlsseldorf

Kurzmeldungen

Ruumlckkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit kommt vorerst nicht

Das geplante Gesetz nach dem Beschaumlftigte die ihre Arbeitszeit vo-ruumlbergehend verringern moumlchten nach der Teilzeitphase wieder zur urspruumlnglichen Arbeitszeit zuruumlckkehren koumlnnen (vgl Fink im BEITEN BURKHARDT Newsletter Arbeitsrecht Ausgabe Maumlrz 2017 Sei-te 6) wird nicht mehr im Bundeskabinett besprochen werden Das er-gibt sich aus uumlbereinstimmenden Medienberichten Der Gesetzentwurf von Angela Nahles ist damit in dieser Legislaturperiode gescheitert

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

BEIJING bull BERLIN bull BRUumlSSEL bull DUumlSSELDORF bull FRANKFURT AM MAINMOSKAU bull MUumlNCHEN bull ST PETERSBURG

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Diese Veroumlffentlichung stellt keine Rechtsberatung dar

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BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (Herausgeber) Ganghoferstraszlige 33 D-80339 Muumlnchen AG Muumlnchen HR B 155350USt-Idnr DE811218811

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Redaktion (verantwortlich)

Markus Bauer Rechtsanwalt

Redaktionsschluss dieser Ausgabe ist der 23 August 2017

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Berlin bull Kurfuumlrstenstraszlige 72-74 bull 10787 Berlin Dr Dietmar Muumlller-Boruttau RechtsanwaltTel +49 30 26471-319 bull DietmarMueller-Boruttaubblawcom

Duumlsseldorf bull Cecilienallee 7 bull 40474 Duumlsseldorf Christian von Buddenbrock Rechtsanwalt Tel +49 211 518989-190 bull ChristianvonBuddenbrockbblawcom

Frankfurt am Main bull Mainzer Landstraszlige 3660325 Frankfurt am Main Dr Thomas Drosdeck Rechtsanwalt Tel +49 69 756095-115 bull ThomasDrosdeckbblawcom

Muumlnchen bull Ganghoferstraszlige 33 bull 80339 Muumlnchen Dr Christopher Melms Rechtsanwalt Tel +49 89 35065-1143 bull ChristopherMelmsbblawcom

Weitere interessante Themen und Informationen zum Arbeitsrecht finden Sie in unserem Onlinebereich

Mindestloumlhne in der Pflege steigen

Der Pflegemindestlohn steigt ab Januar 2018 auf 1055 EUR im Westen und 1005 EUR im Osten Anfang 2019 und 2020 wird er nochmals er-houmlht Von diesem Mindestlohn profitieren vor allem Pflegehilfskraumlfte Eine entsprechende Verordnung hat das Kabinett passiert Mit der Verordnung gelten fuumlr alle Pflegebetriebe und ihre Beschaumlftigten die bereits im April von der Pflegekommission ausgehandelten Lohnuntergrenzen Das sind 1020 EUR pro Stunde in den alten Bundeslaumlndern 950 EUR in den neuen Bundeslaumlndern Sie gelten auch fuumlr auslaumlndische Pflegeunternehmen die ihre Arbeitskraumlfte nach Deutschland entsenden Die Pflegemindestloumlhne liegen uumlber dem gesetzlichen Mindestlohn von derzeit 884 EUR

(Quelle und weitere Informationen wwwbundesregierungde)

In eigener Sache BB als Kanzlei des Jahres fuumlr Arbeitsrecht nominiert

BEITEN BURKHARDT ist als bdquoKanzlei des Jahresldquo u a im Bereich Arbeits-recht fuumlr die bdquoJUVE-Awardsldquo nominiert worden Mit den JUVE-Awards werden jedes Jahr Kanzleien oder Rechtsabteilungen ausgezeichnet die aufgrund ihrer Arbeit und Marktposition in den Recherchegespraumlchen fuumlr das JUVE-Handbuch als besonders dynamisch aufgefallen sind Es wird dabei besonders auf Empfehlungen von Marktteilnehmern geachtet die sich nicht nur auf fachliche Expertise sondern auch auf strategische Ausrichtung Serviceorientierung und Zukunftspotenzial beziehen Die Preisverleihung findet am 26 Oktober 2017 in Frankfurt statt Weitere Informationen zu den Awards finden Sie unter wwwjuvedeawards

Anstehende BAG-Entscheidungen (September 2017)

20 September 2017

900 Uhr Insolvenzanfechtung minus in der Krise geleistete Arbeitsverguuml-tung minus Inkongruenz aufgrund drohender Zwangsvollstre-ckung

20 September 2017

1030 Uhr Samstag minus Werktag iSd sect 6 TVoumlD-K

20 September 2017

1000 Uhr Berechnung des Nachtzu-schlags und des Urlaubsent-gelts unter Beruumlcksichtigung des MiLoG

26 September 2017

1030 Uhr Gesetzliche Insolvenzsicherung fuumlr Einstandspflicht des Ar-beitgebers nach Herabsetzung einer Pensionskassenrente minus Versicherungsmissbrauch

26 September 2017

1400 Uhr Ruhen eines Ruhegeldan-spruchs bei betragsmaumlszligig houmlherem Hinterbliebenenver-sorgungsanspruch

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werkschaften und den bdquolinksorientiertenldquo politischen Parteien Im Koa-litionsvertrag koumlnnte deshalb beispielsweise vorgesehen werden dass die unternehmerische Mitbestimmung und damit die Beteiligung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsratsgremien gestaumlrkt werden indem der Geltungsbereich des MitbestG und des DrittelbG insbesondere bei den Schwellenwerten neu gefasst werden soll und dass mehr Unternehmen von der unternehmerischen Mitbestimmung erfasst sein werden

Unternehmen muumlssen der Einschraumlnkung der unternehmerischen Frei-heit und den aufgezeigten Folgen aber nicht tatenlos zusehen Es gibt zahlreiche Gestaltungsmoumlglichkeiten fruumlhzeitig einer moumlglichen Staumlr-kung der Unternehmensmitbestimmung entgegenzutreten beispiels-weise den Wechsel der Rechtsform die Unterschreitung der Schwellen-werte oder die Sitzverlegung

Dr Erik Schmid Rechtsanwalt und Fachanwalt fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Hinweis Der Beitrag ist in aumlhnlicher Form auch im arbeitsrechtlichen Blog des Autors im HJR-Verlag (wwwrehmnetzdeblog-arbeits-recht) erschienen

Umgang mit vermeintlich unbilligen Weisungen Rechtsprechungsaumlnderung droht

Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 14 Juni 2017 minus 10 AZR 33016

SachverhaltDer Arbeitnehmer wollte einer Versetzung von Dortmund nach Berlin nicht Folge leisten obwohl das Weisungsrecht des Arbeitgebers eine Versetzung generell ermoumlglichte Als Argument fuumlhrte der Mitarbeiter u a an dass seine Interessen nicht ausreichend beruumlcksichtigt worden seien und die Weisung wegen bdquoUnbilligkeitldquo nicht befolgt werden muumls-se Er verweigerte die Arbeitsaufnahme in Berlin Die Vorinstanz gab dem Arbeitnehmer Recht

Die EntscheidungDer 10 Senat des BAG moumlchte sich der Auffassung der Vorinstanz an-schlieszligen und vertreten dass Arbeitnehmer einer unbilligen Weisung des Arbeitgebers nicht ndash und auch nicht nur vorlaumlufig bis zu einer ge-richtlichen Klaumlrung ndash folgen muumlssen Damit will sich der 10 Senat gegen die bisherige Rechtsprechung des 5 Senats stellen

Nach bisheriger Auffassung des 5 Senats (Urteil vom 22 Februar 2012ndash 5 AZR 24911) haben Arbeitnehmer Weisungen zu befolgen auch wenn sie diese fuumlr unbillig halten Dies gilt so lange nicht die Unbillig-keit der Weisung rechtskraumlftig festgestellt ist Kommt der Mitarbeiter der Weisung nicht nach so riskiert er nicht nur seinen Lohnanspruch sondern auch eine Abmahnung oder gar Kuumlndigung Erst mit rechts-kraumlftiger Feststellung dass die Weisung unbillig ist ndash so der 5 Senat

nach bisheriger Auffassung ndash besteht fuumlr den Arbeitnehmer nicht mehr die Pflicht der Weisung zu folgen

Um die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu wahren hat der 10 Se-nat nun beim 5 Senat angefragt ob Letzterer an seiner bisherigen Auffassung festhalte Sollte keine Einigkeit zwischen den Senaten zu erzielen sein so wird der Groszlige Senat des BAG in der Sache zu entscheiden haben Ob der 5 Senat an seiner bisherigen Auffassung festhalten wird ist schwer absehbar zumal sich u a der Vorsitz im 5 Senat seit dem letzten Urteil in dieser Frage personell entschei-dend veraumlndert hat

Konsequenzen fuumlr die PraxisArbeitnehmer haben Weisungen des Arbeitgebers zu befolgen solange sie nicht wegen eines Verstoszliges gegen Arbeitsvertrag ein-schlaumlgige Kollektivregelungen (Betriebsvereinbarung Tarifvertrag) oder gegen das Gesetz unwirksam sind Weisungen muumlssen sich fer-ner im Rahmen bdquobilligen Ermessensldquo halten und duumlrfen insgesamt nicht bdquounbilligldquo sein Entsprechend hat der Arbeitgeber die wesent-lichen Umstaumlnde des Falles abzuwaumlgen und fuumlr die Entscheidungs-findung die beiderseitigen Interessen angemessen zu beruumlcksichti-gen Es liegt auf der Hand dass bei einem solchen Abwaumlgungsprozess leicht Uneinigkeit entsteht Daruumlber haben letztlich die Arbeitsgerich-te zu entscheiden

Von hoher Bedeutung aber ist die Frage wie sich Arbeitnehmer in der Zeit bis zur gerichtlichen Klaumlrung der Billigkeit einer erteilten Wei-sung zu verhalten haben Muumlssen sie zunaumlchst einmal der Weisung Folge leisten oder koumlnnen sie sich der Weisung widersetzen indem sie bdquoUnbilligkeitldquo anfuumlhren Die Entscheidung des 10 Senats betrifft diese praktisch sehr relevante Frage Bis Einigkeit der Senate erzielt ist oder der Groszlige Senat des BAG eine Entscheidung getroffen haben wird besteht nun in der Praxis Rechtsunsicherheit

PraxishinweisArbeitgeber muumlssen bei der Weisungserteilung besonderes Augenmerk auf die sorgfaumlltige Abwaumlgung der beiderseitigen Interessen legen Ge-rade wenn es um Weisungen zur uumlberoumlrtlichen Versetzung geht sollten Arbeitgeber keinen bdquoSchnellschussrdquo riskieren Zusaumltzlich ist der vorsorg-liche Einsatz der Aumlnderungskuumlndigung zu erwaumlgen Der neue Arbeitsort wird nicht per Weisung angeordnet sondern der bisherige Arbeitsver-trag wird gekuumlndigt und zugleich wird ein neuer Arbeitsvertrag mit konkreter Bezeichnung des neuen Arbeitsortes angeboten Sofern der Arbeitnehmer die dadurch geaumlnderten Bedingungen unter Vorbehalt annimmt ist er auch zur bdquoeinstweiligen Befolgungrdquo der Weisung ver-pflichtet

Dr Gerald Peter Muumlller Rechtsanwalt und Fachanwaltfuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Berlin

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

bdquoSpionageverbotrdquo fuumlr den Chef ndash BAG setzt mit Grundsatzurteil der verdeckten Kontrolle von Arbeitnehmern Grenzen

Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 27 Juli 2017 minus 2 AZR 68116

SachverhaltIm Zusammenhang mit der Freigabe eines Netzwerks teilte das Unter-nehmen seinen Arbeitnehmern mit dass der gesamte bdquoInternet-Trafficldquo und die Benutzung ihrer Systeme bdquomitgeloggtldquo wuumlrden Sie installierte auf dem Dienst-PC des spaumlteren Klaumlgers eine sog Keylogger-Software die saumlmtliche Tastatureingaben protokollierte und regelmaumlszligig Bild-schirmfotos fertigte noch bevor ein hinreichender Verdacht oder kon-krete Vermutungen hinsichtlich des Fehlverhaltens eines Arbeitnehmers vorlagen Die Auswertung der Daten ergab dass der Arbeitnehmer waumlh-rend der Arbeitszeit den Dienst-PC in einem erheblichen Rahmen fuumlr pri-vate Zwecke genutzt hatte Er wurde mit den Ergebnissen konfrontiert raumlumte auch ein den Dienst-PC privat genutzt zu haben jedoch nur im geringen Umfang Eine Klausel im Arbeitsvertrag die die Privatnut-zung von Internet und E-Mails untersagte gab es nicht Aufgrund der durch die Software erhobenen Daten kuumlndigte die Arbeitgeberin frist-los hilfsweise fristgerecht (vgl auch Besprechung der vorinstanzlichen Entscheidung im BEITEN BURKHARDT Newsletter Arbeitsrecht Ausgabe Maumlrz 2017 Seite 5)

Die Entscheidung Das BAG entschied dass die Informationsgewinnung durch den ver-deckten Einsatz der Keylogger-Software gemaumlszlig sect 32 Abs 1 Satz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes unzulaumlssig war Die durch den Keylogger gewonnenen Erkenntnisse uumlber die Privattaumltigkeiten des Arbeitneh-mers durften nicht im gerichtlichen Verfahren verwertet werden Durch den Einsatz der Keylogger-Software habe die Arbeitgeberin das als Teil des allgemeinen Persoumlnlichkeitsrechts gewaumlhrleistete Recht des Arbeit-nehmers auf informationelle Selbstbestimmung verletzt Eine Verlet-zung liege insbesondere deshalb vor da die Uumlberwachung der Arbeitge-berin bdquoins Blaue hineinrdquo erfolgte und zuvor kein konkreter Verdacht auf eine schwerwiegende Pflichtverletzung vorgelegen hatte Die unzulaumls-sige Uumlberwachung des Arbeitnehmers fuumlhre deshalb zu einem Verbot die so gewonnenen Beweismittel im Gerichtsprozess zu verwenden Die Kuumlndigung war damit unwirksam

Konsequenzen fuumlr die Praxis Nicht alles was im Wandel der Arbeitswelt dem Arbeitgeber zur bdquoUumlber-fuumlhrungrdquo bei einer Pflichtverletzung des Arbeitnehmers zur Verfuumlgung steht bewegt sich im Rahmen des rechtlich Zulaumlssigen Ist die ergriffe-ne Maszlignahme unverhaumlltnismaumlszligig koumlnnen nicht nur die gewonnenen Beweise rechtlich wertlos sein Dem Arbeitgeber koumlnnen gegebenen-falls auch Buszliggelder der Datenschutzaufsichtsbehoumlrden und Schadens-ersatzklagen der betroffenen Arbeitnehmer drohen Grundsaumltzlich darf ein Mitarbeiter mit einer solchen oder aumlhnlichen Software nur uumlberwacht werden wenn vorher aufgrund konkreter Tatsachen der Verdacht einer Straftatschweren Pflichtverletzung besteht und mildere Mittel zur Auf-klaumlrung nicht gegeben sind

PraxistippOft liegt nur ein Anfangsverdacht vor aufgrund dessen der Arbeitneh-mer bdquouumlberfuumlhrtrdquo werden soll Das BAG verbietet nicht prinzipiell den

Einsatz solcher Software sondern nur die Verwertung der Daten Wird daher bei ersten Anhaltspunkten eine Keylogger-Software eingesetzt die eine Pflichtverletzung feststellt ist in Bezug auf die Verwertung der erhobenen Daten dem Arbeitgeber zu raten im Beisein einer weiteren Person ein Gespraumlch mit dem Arbeitnehmer zu fuumlhren Die Praxis zeigt dass Arbeitnehmer sich oft in der Situation der Konfrontation mit der Pflichtverletzung gestaumlndig zeigen Das Gestaumlndnis waumlre unabhaumlngig von der Zulaumlssigkeit der durch die Software gesammelten Daten uumlber die Zeugenaussage im Prozess verwertbar (siehe hierzu auch den Blog-Beitrag von Schmid bei rehmnetzde vom 7 August 2017) Zudem soll-te uumlberlegt werden die Privatnutzung von Internet und E-Mail-Account im Arbeitsvertrag zu verbieten da dann bei Gestaumlndnis einer nur ge-ringfuumlgigen Privatnutzung schneller zumindest fristgerecht gekuumlndigt werden koumlnnte

Dr Anja Branz Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltin fuumlr ArbeitsrechtBEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Berlin

Dr Daniel Hund LLM (NYU) Rechtsanwalt und Fachanwalt fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Darf ich meinen Chef anzeigen

Bundesarbeitsgericht (BAG) Urteil vom 15 Dezember 2016 ndash 2 AZR 4216

SachverhaltEine Arbeitnehmerin zugleich Fachanwaumlltin fuumlr Arbeits- und Sozial-recht unterrichtete an einer Fachhochschule des Bundes fuumlr oumlffentliche Verwaltung Diese wertete nach einer Evaluationsordnung ihre Lehrver-anstaltungen und damit u a auch diejenige der Arbeitnehmerin aus Die Ergebnisse der Umfragen leitete das Unternehmen an andere Mit-arbeiter weiter Wegen eines Verstoszliges gegen das Bundesdatenschutz-gesetz durch das Weiterleiten stellte die Dozentin Strafantrag gegen unbekannt Das Ermittlungsverfahren wurde eingestellt woraufhin die Mitarbeiterin gegen die Einstellung erfolglos Beschwerde bei der Gene-ralstaatsanwaltschaft erhob Die Arbeitgeberin kuumlndigte das Arbeits-verhaumlltnis ordentlich nachdem sie davon erfahren hatte

Die EntscheidungDas BAG sah die Kuumlndigung als gerechtfertigt an weil die Mitarbeite-rin ihre arbeitsvertragliche Nebenpflicht zur Ruumlcksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers erheblich und schuldhaft verletzt habe Die Stellung einer Strafanzeige stelle zwar grundsaumltzlich eine zulaumls-sige Wahrnehmung der staatsbuumlrgerlichen Pflichten dar sofern keine wissentlich unwahre oder leichtfertig falsche Angabe gemacht wor-

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

den sei Hier sei das zwar nicht der Fall Es gab aber keine Anzeichen fuumlr eine strafbare Handlung des Arbeitgebers so dass die Strafanzei-ge leichtfertig und unangemessen gewesen sei Die Arbeitnehmerin haumltte zumindest gegenuumlber ihrem Vorgesetzten oder anderen geeig-neten Stellen einen internen Hinweis geben muumlssen Da ein solcher Klaumlrungsversuch insgesamt fehlte und die Mitarbeiterin als Volljuris-tin die fehlende Schaumldigungsabsicht der Arbeitgeberin haumltte erken-nen muumlssen war die Kuumlndigung gerechtfertigt

Konsequenzen fuumlr die PraxisEine erhebliche Nebenpflichtverletzung kann eine verhaltensbeding-te Kuumlndigung rechtfertigen wenn eine dauerhafte stoumlrungsfreie Ver-tragserfuumlllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten ist In diesen Faumlllen ist auch ohne vorherige Abmahnung eine Kuumlndigung gerechtfertigt wenn entweder schon zum Zeitpunkt des Kuumlndigungsausspruchs eine Verhaltensaumlnderung beim Arbeitnehmer ausgeschlossen werden kann oder die Pflichtverletzung so schwer wiegt dass bei objektiver Betrach-tung die Hinnahme fuumlr den Arbeitgeber unzumutbar und dies fuumlr den Mitarbeiter offensichtlich ist Grundsaumltzlich ist das auf absolute Ausnah-mefaumllle beschraumlnkt vorliegend lag ein solcher jedoch aufgrund der ein-gelegten Beschwerde und damit der Hartnaumlckigkeit der Strafverfolgung vor

PraxistippBei einer Nebenpflichtverletzung ist deshalb zumeist bdquonurrdquo eine Ab-mahnung zu empfehlen es sei denn es handelt sich um ein absolut inakzeptables Verhalten Liegt ein solches vor sollte moumlglichst schnell gehandelt werden um die Unzumutbarkeit der Weiterbeschaumlftigung nicht selbst zu widerlegen Dies gilt nicht nur bei Strafanzeigen son-dern auch bei anderem illoyalen Verhalten gegenuumlber dem Arbeitge-ber So kann ein Aufruf zur Abwahl eines Vorstandsvorsitzenden eines Unternehmens unter Umstaumlnden sogar eine auszligerordentliche fristlose Kuumlndigung rechtfertigen (vgl BAG vom 1 Juni 2017 ndash 6 AZR 72015 ndash aktuell liegt nur die Pressemitteilung des Gerichts hierzu vor)

Manuel Schuumltt LLM Eur Rechtsanwalt Wirtschaftsmediator (MuCDR)BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Rettendes Gesamtkonzept bei befristeten Arbeitsvertraumlgen

Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 14 Dezember 2016 ndash 7 AZR 68814

SachverhaltDie Mitarbeiterin war bei einem Logistikunternehmen zunaumlchst auf Grundlage dreier sachgrundlos befristeter Arbeitsvertraumlge beschaumlftigt Nach einer kurzen Taumltigkeit bei einem anderen Arbeitgeber wurde die Mitarbeiterin erneut befristet im Warenlager des Logistikunternehmens eingestellt Waumlhrend der Laufzeit schlossen die Parteien eine Zusatz-vereinbarung ab mit der die Befristung um zwei Monate verlaumlngert

wurde Aufgrund der Vorbeschaumlftigung im selben Logistikunternehmen bedurfte die Befristung fuumlr ihre Wirksamkeit eines Sachgrunds Das Unternehmen rechtfertigte die Befristung mit einem voruumlbergehenden Bedarf an der Arbeitsleistung der Mitarbeiterin Sie sei nicht mit Dauer-aufgaben beschaumlftigt gewesen sondern mit nicht staumlndig anfallenden Taumltigkeiten wie dem auslaufenden Weihnachts- und dem beginnenden Ostergeschaumlft Die Mitarbeiterin bestritt das Vorbringen zu einem prog-nostizierten voruumlbergehenden Mehrbedarf und fuumlhrte aus dass das Un-ternehmen im April 2013 insgesamt 148 Arbeitnehmer neu befristet eingestellt habe Zuletzt hat das Landesarbeitsgericht (LAG) entschie-den dass nicht nur voruumlbergehender Bedarf bestehe und deswegen eine Befristung nicht gerechtfertigt sei

Die EntscheidungDas BAG entschied nun dass die beiden Vorinstanzen fehlerhaft ge-urteilt haumltten und wies die Klage der Arbeitnehmerin zur weiteren Sach-aufklaumlrung und Entscheidung an das LAG zuruumlck Dabei bestaumltigte das BAG nochmals dass auch ein erhoumlhter Arbeitsaufwand im Rahmen von Daueraufgaben eine Sachgrundbefristung rechtfertigen koumlnne Hierfuumlr sei es unschaumldlich wenn der prognostizierte voruumlbergehende Bedarf an der Arbeitsleistung noch uumlber das Vertragsende des mit dem befristet beschaumlftigten Arbeitnehmer abgeschlossenen Vertrags hinaus andauere Die Vertragsdauer muumlsse aber so mit dem Sachgrund der Befristung in Einklang stehen dass sie ihn nicht von vornherein in Frage stelle Auch muumlsse der befristet beschaumlftigte Arbeitnehmer nicht in dem Bereich eingesetzt werden in dem der voruumlbergehende Mehrbedarf entstehe Es genuumlge vielmehr wenn zwischen dem zeitweilig erhoumlhten Arbeits-anfall und der befristeten Einstellung ein ursaumlchlicher Zusammenhang bestehe Der Arbeitgeber sei im Rahmen voruumlbergehender Mehrarbeit nicht gehindert die vorhandene Arbeitsmenge zu verteilen seine Ar-beitsorganisation zu aumlndern oder die zusaumltzlichen Arbeiten anderen Mitarbeitern zuzuweisen Es duumlrften aber nicht beliebig viele Arbeitneh-mer neu befristet eingestellt werden der prognostizierte Mehrbedarf duumlrfe nicht uumlberschritten werden

Konsequenzen fuumlr die PraxisAn den Arbeitgeber werden weiterhin hohe Anforderungen an die Ent-scheidungen zur Befristung und deren Dokumentation gestellt Ob nur voruumlbergehender Bedarf vorliegt muss der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Vertragsschlusses feststellen Diese Prognose ist Teil des Sach-grunds fuumlr die Befristung und muss in einem Rechtstreit vom Arbeit-geber dargelegt werden Es wird daher weiter erforderlich sein den voruumlbergehenden Mehrbedarf unter Angabe des uumlblichen und des pro-gnostizierten Arbeitsvolumens sowohl in inhaltlicher als auch zeitlicher Hinsicht in ein Verhaumlltnis zum Dauerbedarf zu stellen Weiterhin ausge-schlossen bleibt auch einen Sachgrund dadurch herbeizufuumlhren dass im Wesentlichen unveraumlnderte Daueraufgaben in organisatorisch ei-genstaumlndige bdquoProjekteldquo aufgeteilt werden Der Arbeitgeber darf sich vor Gericht nicht darauf beschraumlnken einen zeitlich begrenzten Mehrbedarf und die befristete Einstellung lediglich des Arbeitnehmers darzustellen dessen Befristung im Streit steht Aus den Angaben muss sich vielmehr ergeben wie viele Arbeitnehmer voraussichtlich fuumlr welchen Zeitraum benoumltigt werden und wie viele zur Deckung dieses Bedarfs befristet eingestellt wurden Durch Unterlagen untermauerte zahlenmaumlszligig kon-kretisierte Angaben zu den befristet eingestellten Arbeitnehmern sind ausreichend ihre namentliche Nennung jedoch nicht noumltig

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

Praxistipp Der Arbeitgeber sollte zur Absicherung ein plausibles Gesamtkonzept zur Bewaumlltigung eines voruumlbergehenden Mehrbedarfs erstellen Das erfordert die Darstellung wie der Bedarf mit Stammarbeitnehmern befristet beschaumlftigten Arbeitnehmern oder gegebenenfalls auf andere Weise ndash etwa durch Leiharbeitnehmer ndash abgedeckt werden sollte Da-mit kann er im Falle eines Rechtsstreits seiner Darlegungspflicht nach-kommen

Dr Kathrin Kentner Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltinfuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Sarah SterflingerRechtsanwaumlltin BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Trotz vereinbarter Notenstufe im Prozessvergleich ndash Formulierung des Arbeitszeugnisses bdquoErmessenssacherdquo

Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 14 Februar 2017 ndash 9 AZB 4916

SachverhaltArbeitnehmer und Arbeitgeber schlossen vor dem Arbeitsgericht im Rah-men eines Kuumlndigungsschutzprozesses einen Vergleich in dem u a Fol-gendes vereinbart wurde

bdquoDie Beklagte erteilt dem Klaumlger ein wohlwollendes qualifiziertes Arbeits-zeugnis mit einer sehr guten Fuumlhrungs- und Leistungsbeurteilung und einer Bedauerns- Dankes- und gute Wuumlnscheformulierung im Schluss-satzrdquo

Der Arbeitgeber erteilte nach Abschluss des Vergleichs ein Zeugnis mit dem sich der Mitarbeiter nicht zufrieden gab Er war der Meinung aus dem Wortlaut ergebe sich keine gute Leistungs- und Fuumlhrungsbeurtei-lung Das Zeugnis weise insgesamt strukturell und inhaltlich groszlige Maumln-gel auf Der Arbeitnehmer forderte deshalb das Unternehmen auf das Zeugnis inhaltlich zu aumlndern was es ablehnte Den vermeintlichen An-spruch auf Zeugnisberichtigung versuchte der Arbeitnehmer anschlie-szligend im Wege der Zwangsvollstreckung aus dem Prozessvergleich durchzusetzen jedoch erfolglos

Die EntscheidungDas BAG gab dem Arbeitgeber Recht und stellte fest dass ein Pro-

zessvergleich der das Unternehmen zur Erteilung eines Zeugnisses mit einer bestimmten Notenstufe verpflichtet nicht den zwangsvoll-streckungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen genuumlge Nach Ansicht des Gerichts bleibt es Sache des Arbeitgebers das Zeugnis im Einzelnen abzufassen wobei die konkrete Formulierung in seinem pflichtgemaumlszligen Ermessen stehe Anders als bei der Verpflichtung ein Zeugnis gemaumlszlig einem Entwurf des Arbeitnehmers zu erteilen laumlsst die Vereinbarung einer bestimmten Notenstufe dem Unternehmen hinsichtlich der Auswahl und Gewichtung einzelner Gesichtspunkte des Umfangs des Zeugnistextes sowie der Formulierung der Leis-tungs- und Fuumlhrungsbeurteilung einen derart weiten Gestaltungs-spielraum dass von einem konkreten vollstreckbaren Leistungsbe-fehl nicht die Rede sein kann

Konsequenzen fuumlr die PraxisDer Arbeitnehmer hat es selbst in der Hand bestimmte Kernformu-lierungen in den Vergleichstext mitaufzunehmen um sicherzustellen dass das Zeugnis einer bestimmten Notenstufe entspricht Auch ist eine Vereinbarung moumlglich dass der Mitarbeiter berechtigt ist einen Entwurf zu erstellen von dem der Arbeitgeber nur aus wichtigen Gruumlnden abweichen kann Hierdurch kann ein weiterer Rechtsstreit vermieden werden Die Regelung in einem gerichtlichen Vergleich in der sich der Arbeitgeber zur Erteilung eines Zeugnisses verpflich-tet das einer bestimmten Note (bdquosehr gutldquo oder bdquogutldquo) entspricht ist jedenfalls fuumlr eine Vollstreckung zu unbestimmt Ist eine solche Vereinbarung getroffen worden kann der Arbeitnehmer im Wege der Zwangsvollstreckung nur dann eine Berichtigung des Zeugnisses erwirken wenn das Zeugnis formal nicht ordnungsgemaumlszlig erteilt wor-den oder erkennbar unvollstaumlndig ist

PraxistippDie vorliegende Entscheidung zeigt dass Arbeitgeber einem Berichti-gungswunsch eines Mitarbeiters im Hinblick auf die Formulierung des Arbeitszeugnisses nicht unbedingt nachkommen muumlssen auch wenn im Prozessvergleich eine Notenstufe vereinbart wurde Vielmehr obliegt es dem Arbeitgeber in einem solchen Fall die konkreten Formulierungen nach pflichtgemaumlszligem Ermessen auszuwaumlhlen Der Mitarbeiter kann die inhaltliche Berichtigung des Zeugnisses dann nicht mehr im Vollstre-ckungsverfahren durchsetzen sondern ist gehalten erneut Klage zu er-heben Moumlchte sich das Unternehmen bei der Formulierung des Arbeits-zeugnisses einen Spielraum vorbehalten spricht weiterhin nichts gegen die Vereinbarung einer bestimmten Zeugnisnote im Vergleich

Sonja Muumlller Rechtsanwaumlltin BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

Entlassungsverlangen des Betriebsrats

Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 28 Maumlrz 2017 ndash 2 AZR 55116

SachverhaltDer Betriebsrat eines Versicherungsunternehmens hatte den Arbeitgeber zur Entlassung einer Sachbearbeiterin aufgefordert Diese war in mehre-re ndash dem Vernehmen nach handgreifliche ndash Vorfaumllle mit Kollegen verwi-ckelt gewesen worin man eine erhebliche Stoumlrung des Betriebsfriedens sah Der Arbeitgeber kam dem Verlangen nicht nach daher leitete der Betriebsrat ein gerichtliches Verfahren (sogenanntes Beschlussverfah-ren) ein An diesem wurde auch die betroffene Arbeitnehmerin beteiligt Nachdem das Arbeitsgericht dem Unternehmen rechtskraumlftig aufgege-ben hatte die Mitarbeiterin zu entlassen erhielt diese eine auszligerordent-liche hilfsweise ordentliche Kuumlndigung gegen die sie sich zur Wehr setzte zuletzt vor dem BAG

Die EntscheidungDas BAG sah in der Verpflichtung zur Entlassung wie schon die Vorinstan-zen ein dringendes betriebliches Erfordernis das eine ordentliche Kuumlndi-gung rechtfertigen kann Ein wichtiger Grund fuumlr eine auszligerordentliche Kuumlndigung sei darin hingegen nicht zu sehen Insbesondere beginne die Zwei-Wochen-Frist fuumlr den Ausspruch einer auszligerordentlichen Kuumlndi-gung nicht erst mit Kenntnis von der Entscheidung des Arbeitsgerichts

Konsequenzen fuumlr die PraxisDie Entscheidung zeigt dass das Beschlussverfahren quasi einen vor-gezogenen Kuumlndigungsschutzprozess beinhaltet da es in mehrerlei Hinsicht fuumlr die Beteiligten ndash darunter den betroffenen Arbeitnehmer ndash praumljudizielle Wirkung hat Dem Betroffenen ist im Kuumlndigungsschutz-verfahren die Argumentation abgeschnitten dass es an einem dringen-den betrieblichen Erfordernis fehlt Zieht umgekehrt der Arbeitgeber in Betracht das im Entlassungsverlangen angesprochene Problem bereits durch eine Versetzung loumlsen zu koumlnnen muss er bereits im Beschluss-verfahren darauf hinwirken dass ihm allenfalls diese Maszlignahme ndash an-stelle einer Entlassung ndash aufgegeben wird

PraxistippNicht moumlglich ist es die Kuumlndigungsgruumlnde durch eine Abmahnung bdquozu verbrauchenldquo weil der Arbeitgeber damit zwar auf sein Recht zum Ausspruch einer Kuumlndigung nicht aber auf die Rechte des Betriebs-rats verzichten kann Andere Gruumlnde die gegen die Wirksamkeit einer solchen Kuumlndigung angefuumlhrt werden koumlnnen bleiben dadurch im Uumlb-rigen unberuumlhrt d h das Entlassungsverlangen kann beispielsweise keinen Sonderkuumlndigungsschutz (z B eines Schwerbehinderten) auf-heben Auch eine Entscheidung im Beschlussverfahren macht eine sol-che Kuumlndigung daher nicht zu einem bdquoSelbstlaumluferldquo

Anekdote am RandeErfolglos muss ein entsprechendes Begehren im Beschlussverfahren bleiben soweit es sich gegen einen Geschaumlftsfuumlhrer richtet Vor dem Landesarbeitsgericht Hamm (Beschuss vom 2 August 2016 minus 7 TaBV 1116) hatte ein Betriebsrat argumentiert dass aus Gruumlnden der eu-roparechtskonformen Auslegung ein weiter Arbeitnehmerbegriff gel-te und daher auch Geschaumlftsfuumlhrer bdquobetriebsstoumlrende Arbeitnehmerldquo sein koumlnnten Dieser bdquotrickreichenldquo Argumentation folgte das Gericht

aber nicht Die weite Auslegung dient dem Arbeitnehmerschutz ndash und nicht der Erweiterung der Rechte des Betriebsrats

Dr Franziska von Kummer LLM MCL Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltin fuumlr Arbeitsrecht Dipl-Kffr Dipl-Vw BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Berlin

(Kein) Anspruch des Arbeitnehmers auf Durchfuumlhrung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens

Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 21 Februar 2017 ndash 1 AZR 36715

SachverhaltDer Arbeitnehmer sollte in einen anderen Betrieb versetzt werden Der Betriebsrat des aufnehmenden Betriebs verweigerte hierzu allerdings die Zustimmung Die Arbeitgeberin fuumlhrte sodann nicht das dafuumlr vorgese-hene gerichtliche Verfahren mit dem Ziel durch die Zustimmung zu er-setzen Der Arbeitnehmer klagte die Arbeitgeberin zu verpflichten dieses Zustimmungsersetzungsverfahren durchzufuumlhren um seine Beschaumlfti-gung in dem anderen Betrieb zu ermoumlglichen

EntscheidungDas BAG wies die Klage zuruumlck Es bestaumltigte seine Rechtsprechung in-sofern dass ein Arbeitnehmer bei Verweigerung der Zustimmung durch den Betriebsrat vom Arbeitgeber die Einleitung eines Zustimmungs-ersetzungsverfahrens nur in dem (Ausnahme-)Fall verlangen koumlnne wenn sich der Arbeitgeber zur Durchfuumlhrung dieses Verfahrens im Wege einer Selbstbindung verpflichtet habe fuumlr die Annahme einer solchen Selbstbindung muumlssten allerdings besondere Anhaltspunkte gegeben sein (BAG vom 16 Maumlrz 2010 ndash 3 AZR 3109) Weiter koumlnne ein An-spruch auf Durchfuumlhrung eines derartigen Verfahrens ausnahmsweise in Betracht kommen wenn ein fuumlr den Arbeitnehmer nachteiliges Zu-sammenwirken zwischen den Betriebsparteien vorlaumlge was vorliegend nicht der Fall war (vgl hierzu u a die vorgenannte BAG-Entscheidung) Im Fall eines schwerbehinderten Menschen verpflichte der in sect 81 Abs 4 S 1 Nr 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch verankerte Beschaumlf-tigungsanspruch fuumlr diese Arbeitnehmergruppe den Arbeitgeber das gerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren durchzufuumlhren wenn er erkennt dass die geltend gemachten Zustimmungsverweige-rungsgruumlnde tatsaumlchlich nicht vorliegen (BAG vom 3 Dezember 2002 ndash 9 AZR 48101) Eine Schwerbehinderung lag hier jedoch auch nicht vor

Nach Auffassung des BAG ergibt sich ein solcher Anspruch des Arbeit-nehmers auch nicht generell aus der arbeitsvertraglichen Ruumlcksichtnah-mepflicht Denn diese verlange vom Arbeitgeber nicht eigene schutz-wuumlrdige Belange hinten anzustellen also beispielsweise einen Rechts-streit fuumlhren zu muumlssen Der Arbeitnehmer sei nicht schutzlos gestellt da fuumlr die Dauer der Nichtbeschaumlftigung ein sogenannter Annahme-verzugslohn geschuldet werde und der Arbeitgeber im Rahmen seiner vertraglichen Verpflichtungen dennoch gehalten sein kann dem Arbeit-nehmer eine andere Taumltigkeit zuzuweisen

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

PraxistippNach Ansicht des BAG haben Arbeitnehmer nur im Ausnahmefall ei-nen Anspruch auf Durchfuumlhrung eines gerichtlichen Zustimmungs-ersetzungsverfahrens wenn der Betriebsrat die Zustimmung zu ei-ner personellen Maszlignahme (Versetzung Einstellung etc) verweigert Wichtig fuumlr die Praxis duumlrfte der Fall sein dass der Arbeitnehmer ei-nen derartigen Durchfuumlhrungsanspruch hat wenn es sich um einen schwerbehinderten Arbeitnehmer handelt Selbst wenn ein Anspruch auf Durchfuumlhrung nicht besteht empfiehlt es sich fuumlr einen Arbeitge-ber der ein Zustimmungsersetzungsverfahren nicht fuumlhren will sein Weisungsrecht ndash wenn rechtlich moumlglich ndash erneut auszuuumlben um nicht Annahmeverzugslohn zahlen zu muumlssen ohne eine entspre-chende Arbeitsleistung des Arbeitsnehmers zu erhalten

Dr Sarah Reinhardt Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltin fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Fristlose Kuumlndigung bei grober Beleidigung auch im langjaumlhrigen Arbeitsverhaumlltnis rechtens

Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein vom 24 Januar 2017 ndash 3 Sa 24416

SachverhaltDer Arbeitnehmer war als einer von fuumlnf Mitarbeitern seit 1992 in ei-nem Familienunternehmen beschaumlftigt Waumlhrend einer Besprechung kam es zu einem Streit zwischen ihm den beiden Geschaumlftsfuumlhrern und deren Vater dem ehemaligen Geschaumlftsfuumlhrer Am Ende des Gespraumlchs als der Arbeitnehmer das Buumlro verlassen wollte kommentierte der aktu-elle Geschaumlftsfuumlhrer das Geschehen mit bdquoKinderkramrdquo Am Morgen des naumlchsten Tages suchte der Arbeitnehmer die Geschaumlftsfuumlhrer erneut auf Es kam zum Wortgefecht in dessen Verlauf der Arbeitnehmer aumluszligerte dass sich der Seniorgeschaumlftsfuumlhrer am Vortag wie ein bdquoArschrdquo verhalten habe und der Geschaumlftsfuumlhrer auf bestem Wege sei seinem Vater (dem Seniorgeschaumlftsfuumlhrer) den Rang abzulaufen Im Weiteren aumluszligerte einer der Geschaumlftsfuumlhrer dass sie im Falle einer Kuumlndigung als bdquosoziale Arsch-loumlcherrdquo dastuumlnden Der Klaumlger erwiderte dass die Firma dies bereits sei Noch am selben Abend wurde der Arbeitnehmer freigestellt Da er sich auch in der Folgezeit nicht entschuldigte kuumlndigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhaumlltnis fristlos

Die EntscheidungDas LAG Schleswig-Holstein hat die Kuumlndigungsschutzklage abge-wiesen Die Aumluszligerungen des Arbeitnehmers gegenuumlber dem Senior-geschaumlftsfuumlhrer sowie dem Geschaumlftsfuumlhrer stellten eine grobe Beleidigung dar die eine fristlose Kuumlndigung auch ohne vorherige Abmahnung rechtfertige Es handelte sich hierbei um gezielte ehr-verletzende und nicht gerechtfertigte Beschimpfungen der Ge-schaumlftsfuumlhrer die auch nicht mehr auf einer Affektsituation durch die streitigen und ndash gegebenenfalls ndash provokanten Aumluszligerungen der Ge-schaumlftsfuumlhrer vom Vortag beruhten die bereits 16 Stunden zuruumlck-lagen Aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung sowie der fehlen-

den Einsicht seines Fehlverhaltens sei der Arbeitnehmer auch nicht vor Ausspruch der Kuumlndigung abzumahnen Im Rahmen der Interes-senabwaumlgung sei zwar die lange Betriebszugehoumlrigkeit zu beachten jedoch uumlberwiege aufgrund der emotionalen Naumlhe im vorliegenden Familienbetrieb das Interesse des Arbeitgebers an der Vertragsbe-endigung Hierbei so das LAG sei ebenfalls die fehlende Entschuldi-gung des Arbeitnehmers die auch im Prozess ausblieb von geson-dertem Gewicht

Konsequenzen fuumlr die PraxisObwohl es sich um einen Einzelfall handelt laumlsst sich aus dieser Ent-scheidung in Bezug auf grobe Beleidigungen des Arbeitgebers undoder dessen Vertretern eine Bestaumltigung der staumlndigen Rechtspre-chung ableiten Je nach Intensitaumlt kann bei groben Beleidigungen eine fristlose Kuumlndigung auch bei langjaumlhriger Betriebszugehoumlrigkeit gerechtfertigt sein Laumlsst das Verhalten des Arbeitnehmers weitere Vertragsverletzungen befuumlrchten und zeigt der Arbeitnehmer keiner-lei Einsichtsfaumlhigkeit so ist eine vorherige Abmahnung nicht erfor-derlich

PraxistippArbeitgeber sollten bei derartigen Vorfaumlllen einen bdquokuumlhlen Kopfrdquo be-wahren und das Verhalten des Arbeitnehmers in jedem Fall dokumen-tieren Je nach Intensitaumlt der Beleidigung kann unmittelbar gekuumlndigt oder zumindest mit einer Abmahnung reagiert werden

Inka Adam Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltin fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Frankfurt

Weiterarbeit nach Erreichen des Rentenalters ndash gleitender Uumlbergang oder Befristungsfalle fuumlr Arbeitgeber

Arbeitsgericht (ArbG) Karlsruhe vom 27 April 2016 ndash 3 Ca 2216 zugleich zu Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen vom 29 November 2016 ndash 10 Sa 21816

SachverhaltIm urspruumlnglichen Arbeitsvertrag eines nicht-verbeamteten Hoch-schullehrers war vereinbart dass das Arbeitsverhaumlltnis zum Ende des Semesters enden sollte in dem der Arbeitnehmer das 65 Lebensjahr vollendet konkret zum 30 September 2014 Am 24 Maumlrz 2014 wurde schriftlich vereinbart dass der Arbeitnehmer vom 1 Oktober 2014 bis 31 September 2015 weiterhin fuumlr den Arbeitgeber nun aber mit redu-zierter Arbeitszeit taumltig sein sollte Am 9 Juni 2015 wurde wieder schrift-lich vereinbart dass der Arbeitnehmer nochmals vom 1 Oktober 2015 bis 29 Februar 2016 bei dem Arbeitgeber in Teilzeit weiterbeschaumlftigt werden sollte Eine Verlaumlngerung daruumlber hinaus lehnte der Arbeitgeber ab

Die EntscheidungDas ArbG entschied dass die Befristung zum 29 Februar 2016 wirksam

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

war und das Arbeitsverhaumlltnis zu diesem Zeitpunkt beendete Es liege ein wirksames bdquoHinausschiebenrdquo des Beendigungszeitpunkts nach sect 41 S 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) vor Nach dieser Vorschrift koumlnnen die Parteien durch Vereinbarung das Ende des Ar-beitsverhaumlltnisses hinausschieben wenn der urspruumlngliche Vertrag fuumlr die Beendigung auf das Erreichen der Regelaltersgrenze abstelle und eine entsprechende Vereinbarung noch waumlhrend des laufenden Arbeits-verhaumlltnisses getroffen werde Nach Auffassung des Gerichts war im urspruumlnglichen Arbeitsvertrag der erforderliche Bezug zur Regelalters-grenze hergestellt Es sei unschaumldlich dass das Ende des Arbeitsverhaumllt-nisses vorliegend nicht exakt mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze zusammenfalle da es jedenfalls bei Hochschullehrern uumlblich sei das Arbeitsverhaumlltnis nicht waumlhrend des laufenden Semesters zu beenden sondern erst mit dessen Abschluss Problematisch war aber dass beim erstmaligen Hinausschieben zugleich auch die Arbeitszeit reduziert wurde Das ArbG entschied dass das bdquoHinausschiebenrdquo eine gleichzeiti-ge Aumlnderung der Vertragsbedingungen zulaumlsst anders als bei sonstigen bdquonormalenrdquo Befristungen ohne Sachgrund sect 41 S 3 SGB VI solle es Ar-beitgeber und Arbeitnehmer ermoumlglichen das Beschaumlftigungsverhaumllt-nis auch nach Erreichen der Regelaltersgrenze einvernehmlich und fuumlr einen von vorn herein festgelegten Zeitraum fortzusetzen Daher sei es sachgerecht eine Reduzierung der Arbeitszeit zuzulassen da nur so die Moumlglichkeit fuumlr einen flexiblen Uumlbergang von der Erwerbstaumltigkeit zum Renteneintritt bestehe

Das mehrfache Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts wie von sect 41 S 3 SGB VI vorgesehen sei auch mit Europarecht vereinbar Dies-bezuumlglich entschied das LAG Niedersachen etwas zuruumlckhaltender dass zumindest das einmalige Hinausschieben europarechtskonform sei

Konsequenzen fuumlr die PraxisDie Entscheidung des ArbG Karlsruhe ermoumlglicht eine praxisgerechte Handhabung der Beschaumlftigung von Rentnern Ob sich die Linie des ArbG Karlsruhe durchsetzt bleibt aber abzuwarten da die Rechtsfra-ge ob im Rahmen von sect 41 S 3 SGB VI zugleich Arbeitsbedingungen geaumlndert werden duumlrfen in der juristischen Literatur weiter umstritten bleibt Fuumlr bereits abgeschlossene Vertraumlge kann aber im Streitfall auf das Urteil verwiesen werden Das vergleichbare bereits erwaumlhnte Ver-fahren vor dem LAG Niedersachsen ist bereits beim BAG unter dem Aktenzeichen 7 AZR 7017 anhaumlngig

PraxistippArbeitgeber sind gut beraten die Entwicklung der Rechtsprechung weiterhin im Auge zu behalten Wer kein Risiko eingehen will sollte sich bis zu einer houmlchstrichterlichen Klaumlrung auf ein einmaliges Hi-nausschieben des Beendigungsdatums beschraumlnken Zudem sollten Unternehmen Aumlnderungen von Arbeitsbedingungen nicht gleich-zeitig vornehmen sondern sie zeitlich versetzt vereinbaren soweit sie fuumlr erforderlich gehalten werden

Dr Roland KleinRechtsanwalt und Fachanwalt fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft Berlin

Im Blickpunkt

Entgelttransparenzgesetz Der Auskunftsanspruch kommt - wichtige To-dos bis zum 6 Januar 2018

Das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) ist seit dem 6 Juli 2017 in Kraft Es gilt als bdquouumlberfluumlssiges Buumlrokratiemonsterrdquo das zwar mit der Durchsetzung des Gebots der gleichen Entlohnung von Frauen und Maumlnnern ein gut gemeintes Ziel verfolgt Gut gemeint ist jedoch be-kanntlich nicht immer auch gut gemacht Es darf durchaus bezweifelt werden dass das Gesetz seinen Zweck erreichen wird Klar ist jeden-falls dass es Arbeitnehmern in Betrieben mit mehr als 200 Beschaumlf-tigten erstmals ab dem 6 Januar 2018 ermoumlglichen wird einen Aus-kunftsanspruch uumlber die Kriterien und das Verfahren zur Festlegung des Entgelts und dessen Houmlhe zu stellen (sect 10 EntgTranspG) vgl auch zu allem Springer BEITEN BURKHARDT Newsletter Arbeitsrecht Ausgabe Maumlrz 2017 Seite 7 f

Das Ende der sechsmonatigen bdquoSchonfristrdquo bis zum 6 Januar 2018 naht bereits Unternehmen mit Betrieben () mit mehr als 200 Mitar-beitern muumlssen daher jetzt handeln um sich vor boumlsen Uumlberraschun-gen zu schuumltzen Dabei stellen sich vor allem die Fragen ob nach dem 6 Januar 2018 eine unterschiedliche Verguumltung noch moumlglich ist und wie sich Arbeitgeber bis zum 6 Januar 2018 auf potenzielle Aus-kunftsanspruumlche vorbereiten sollten

Ist eine unterschiedliche Verguumltung noch moumlglich

Nach sect 7 EntgTranspG darf in einem Beschaumlftigungsverhaumlltnis allein auf-grund des Geschlechts fuumlr gleiche oder gleichwertige Arbeit kein geringe-res Entgelt vereinbart bzw ausgezahlt werden Das bedeutet im Umkehr-schluss dass eine unterschiedliche Verguumltung dann weiterhin moumlglich ist wenn die Arbeit nicht gleich oder gleichwertig ist Wann aber ist eine Ar-beit gleich oder gleichwertig Das ist der Fall wenn sie sich weder nach ihrer Art ihren Ausbildungsanforderungen undoder ihren Arbeitsbedin-gungen von der Arbeit des Kollegen bzw der Kollegin unterscheidet (sect 4 Abs 2 EntgTranspG)

PraxistippVor diesem Hintergrund sollten neu zu besetzende Stellen im Betrieb moumlglichst individuell bezeichnet und Stellenausschreibungen individuell formuliert werden

Eine unterschiedliche Verguumltung ist weiterhin und immer dann moumlglich wenn Regeln zur Entgeltfestsetzung bdquodurch ein rechtmaumlszligiges Ziel sach-lich gerechtfertigt und die Mittel angemessen und erforderlich sindrdquo

PraxistippEs empfiehlt sich daher stets sachliche Gruumlnde wie arbeitsmarkt- leis-tungs- und arbeitsergebnisbezogene Kriterien fuumlr die houmlhere Bezahlung zu dokumentieren Dies koumlnnen zum Beispiel sein houmlheres Dienstalter (Honorierung der Berufserfahrung) koumlrperliche Anforderungen Ge-schicklichkeit und Stressbelastung etc Bei Verguumltungsverhandlungen sollte der Arbeitgeber die Gruumlnde schriftlich niederlegen weshalb eine sachgerechte Mehrbezahlung erfolgen soll etwa Fahrtkosten Umzugs-kosten Kindergartenzulage und Boni

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

Zu beachten ist weiterhin dass eine Auskunft des Arbeitnehmers zum Schutz personenbezogener Daten auch nur dann verlangt werden kann wenn eine Vergleichstaumltigkeit von mindestens sechs Mitarbeiterninnen des jeweils anderen Geschlechts ausgeuumlbt wird (sect 12 Abs 3 EntgTranspG)Arbeiten in der Vergleichsgruppe etwa fuumlnf Frauen und 15 Maumlnner und macht eine Frau den Auskunftsanspruch geltend wird der statistische Mittelwert des Entgelts der 15 Maumlnner als Vergleichswert gebildet Ein Mann koumlnnte in diesem Fall keine Auskunft uumlber den Mittelwert verlan-gen da weniger als sechs Frauen die Vergleichstaumltigkeit ausuumlben

PraxistippPotenzielle Vergleichsgruppen sollten daher kleinstmoumlglich d h unter sechs Mitarbeitern gehalten werden

Wie sollten sich Arbeitgeber auf potenzielle Auskunftsanspruumlche vorbereiten

Ab dem 6 Januar 2018 drohen die ersten Auskunftsanspruumlche Es waumlre verfehlt hierauf nicht vorbereitet zu sein Zusaumltzlich zu den genannten Empfehlungen sollte daher spaumltestens jetzt mit der Erstellung einer Dokumentation zu etwaigen Entgeltunterschieden bei der Belegschaft begonnen werden um nicht in Zeitnot bei der Beantwortung der ersten Auskunftsverlangen zu kommen

PraxistippDie bis zum 6 Januar 2018 verbleibende bdquoSchonfristrdquo sollte genutzt werden um Entgeltunterschiede zu identifizieren Sofern solche Unter-schiede bestehen sollten Unternehmen dokumentieren wodurch die unterschiedliche Verguumltung gerechtfertigt ist (z B durch die o g Krite-rien wie houmlheres Dienstalter etc)

Besonders prekaumlr Unternehmen die weder tarifgebunden sind noch Tarifvertraumlge anwenden droht das Damoklesschwert einer sog Be-weislastumkehr Wenn solche Unternehmen die Auskunftsverlangen nicht innerhalb von drei Monaten beantworten ist der Arbeitgeber im Streitfall zur Uumlberzeugung des Gerichts beweispflichtig dass kein Verstoszlig gegen das Entgeltgleichheitsgebot vorliegt (sect 15 Abs 5 EntgTranspG) Es wird also ein Verstoszlig vermutet der sich durch die Arbeitgeber oft nur schwer widerlegen lassen duumlrfte Gerade solche Unternehmen die nicht tarifgebunden sind und keine Tarifvertraumlge anwenden sollten sich im besonderen Maszlige auf die drohenden Aus-kunftsanspruumlche vorbereiten um nicht in Beweisnoumlte zu kommen

Sofern Unternehmen im Rahmen der Vorbereitungen nicht zu recht-fertigende Entgeltunterschiede auffinden ist zu untersuchen ob sich die Differenzen ggf anlaumlsslich kommender Gehaltsrunden nivellieren lassen

PraxistippWenn moumlglich sollten die kommenden Gehaltsrunden genutzt werden um nicht zu rechtfertigende Entgeltdifferenzen auszugleichen Dies gilt insbesondere fuumlr etwaige zum Jahreswechsel 201718 anstehenden Gehaltsrunden

Zuletzt noch ein wichtiges technisches Detail zum Auskunftsverfah-ren Nach der Intention des Gesetzgebers sollen die Auskuumlnfte ur-

spruumlnglich in einem Betrieb mit Betriebsrat ausschlieszliglich durch die-ses Gremium (und nicht durch die Arbeitgeber) erteilt werden Zum Ende des Gesetzgebungsverfahrens wurde dem Arbeitgeber aber ein Optionsrecht gegeben Auch er kann nun die Adressatenstellung fuumlr den Auskunftsanspruch durch einseitige Erklaumlrung jedoch nach Er-laumluterung gegenuumlber dem Betriebsrat fuumlr die Dauer der Amtszeit des Betriebsrats uumlbernehmen (sect 14 Abs 2 EntgTranspG)

PraxistippViele Arbeitgeber mit Betriebsraumlten duumlrften gut beraten sein die Adres-satenstellung fuumlr den Auskunftsanspruch zu uumlbernehmen Unterneh-men sollten daher nicht abwarten bis sie das erste Auskunftsverlangen ereilt sondern zuumlgig und noch innerhalb der bdquoSchonfristrdquo entscheiden ob sie die Auskunftsverlangen uumlbernehmen wollen

FazitNeben den genannten Punkten gibt es noch eine Reihe weiterer To-dos die sich aus dem Inkrafttreten des EntgTranspG ergeben Arbeitgeber sollten sie sammeln und dann sauber abarbeiten damit die bdquoSchonfristrdquo bis zum 6 Januar 2018 nicht ungenutzt verstreicht

Dr Nina Springer LLM Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltin fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Henrik Luumlthge Rechtsanwalt Fachanwalt fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Duumlsseldorf

Hinweis Dieser Beitrag ist in einer aumlhnlichen Form in der Zeitschrift Personalpraxis und Recht (PuR) Ausgabe Juni 2017 Seiten 131 ff erschienen

Update Das Betriebsrentenstaumlrkungsgesetz ist beschlossene Sache

Bereits im BEITEN BURKHARDT Newsletter Arbeitsrecht Ausgabe Maumlrz 2017 Seite 11 hatten wir detailliert uumlber den Gesetzgebungstand zum Betriebsrentenstaumlrkungsgesetz (BRSG) berichtet Nachdem zwi-schenzeitlich doch Unsicherheiten aufgekommen waren ob das Gesetz noch verabschiedet wuumlrde haben es Bundestag und Bundesrat im Juni bzw Juli nun beschlossen Hierbei hat es auch in letzter Sekunde noch wichtige Aumlnderungen gegeben

Wichtiges fuumlr neue VersorgungszusagenDas sogenannte Sozialpartnermodell ist mit dem BRSG als neue Form

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

der betrieblichen Altersversorgung Gesetz geworden Es ist etwas an-deres als die bislang im Betriebsrentengesetz (BetrAVG) vorgesehenen Kombinationsmoumlglichkeiten aus fuumlnf Durchfuumlhrungswegen (Direkt-zusage Unterstuumltzungskasse Pensionskasse Pensionsfonds und Di-rektversicherung) und drei Zusagemodellen (Leistungszusage Beitrags-zusage mit Mindestleistung und beitragsorientierte Leistungszusage) und bietet nun erstmals die Moumlglichkeit einer reinen Beitragszusage Die Pflichten des Arbeitgebers beschraumlnken sich dann auf die Entrich-tung der zugesagten Beitraumlge (z B aus Entgeltumwandlung) an einen externen Versorgungstraumlger (Pensionskasse Direktversicherung oder Pensionsfonds) Eine bestimmte Versorgungsleistung wird vom Ar-beitgeber nicht zugesagt und darf auch vom Versorgungstraumlger nicht zugesagt werden ndash bdquoGarantieverbotrdquo Versprochen ist allein eine soge-nannte bdquoZielrenterdquo deren Houmlhe und deren Entwicklung abhaumlngig von der Vermoumlgens- und Ertragslage bzw -entwicklung der Versorgungs-einrichtung sein sollen

Da der Arbeitgeber weitgehend befreit ist und eine Absicherung der Ar-beitnehmerinteressen nicht mehr durch eine Garantieleistung gewahrt ist macht das BRSG der Einfuumlhrung von reinen Beitragszusagen ver-schiedene Auflagen Die reine Beitragszusage muss auf Vereinbarungen der Tarifvertragsparteien beruhen die sich auch an der Durchfuumlhrung und Steuerung der Versorgungseinrichtung beteiligen muumlssen Zudem soll die Versorgungseinrichtung einer engen Beaufsichtigung durch die BaFin unterliegen Zuletzt muss der Arbeitgeber einen Risikoauf-schlag (mindestens 15 Prozent) fuumlr entgeltumwandlungsfinanzierte reine Beitragszusagen leisten Arbeitgeber und Beschaumlftigte die nicht tarifgebunden sind sollen vereinbaren koumlnnen dass die einschlaumlgigen Tarifvertraumlge auch fuumlr sie gelten Die Tarifvertragsparteien muumlssen zu-dem ihre Versorgungseinrichtungen fuumlr nicht organisierte Arbeitgeber und Arbeitnehmer oumlffnen

Bestehende EntgeltumwandlungssystemeDie wesentlichste Neuerung im Vergleich zum Stand im Maumlrz ist dass Arbeitgeber auch in bestehenden entgeltumwandlungsfinanzierten Versorgungssystemen zukuumlnftig gesetzlich verpflichtet werden Sozial-versicherungsersparnisse als Zusatzbeitrag an Arbeitnehmer weiter-zugeben Nach einer in letzter Sekunde in das BRSG aufgenommenen Regelung muumlssen Arbeitgeber auch bei bestehenden Entgeltumwand-lungssystemen zukuumlnftig 15 Prozent des umgewandelten Entgelts zu-saumltzlich als Arbeitgeberzuschuss leisten wenn die Entgeltumwandlung uumlber einen Pensionsfonds die Pensionskasse oder die Direktversiche-rung durchgefuumlhrt wird Fuumlr individual- und kollektivrechtliche Entgelt-umwandlungsvereinbarungen die vor dem 1 Januar 2019 geschlossen worden sind gilt die Zuschusspflicht erst ab dem 1 Januar 2022

bdquoOpting OutrdquoAn der Einfuumlhrung der Regelungen zu bdquoOpting outrdquo-Modellen hat es hingegen keine wesentlichen Veraumlnderungen gegeben Nach dem BRSG wird es zulaumlssig sein dass die Teilnahme an der Entgeltumwandlung fuumlr alle Beschaumlftigten oder Gruppen von Beschaumlftigten eines Arbeitgebers durch tarifvertragliche Regelung oder aufgrund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung als Regelfall auch ohne Teilnah-meerklaumlrung des Arbeitnehmers vorgesehen wird Die Nichtteilnahme erfordert dann ein bdquoOpting Outrdquo in Form eines Widerspruchs des Arbeit-nehmers Auch nichttarifgebundene Arbeitgeber koumlnnen ein einschlauml-giges tarifvertragliches Optionssystem anwenden oder aufgrund eines

einschlaumlgigen Tarifvertrags durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung die Einfuumlhrung eines Optionssystems regeln

Aumlnderungen des steuerrechtlich anerkannten Dotierungsrahmens und steuerliche Arbeitgeberfoumlrderung Im Wesentlichen unveraumlndert geblieben sind auch die Vorhaben zum steuerrechtlich anerkannten Dotierungsrahmen und zur steuer-lichen Arbeitgeberfoumlrderung sowie zur Steigerung der Arbeitnehmer-attraktivitaumlt Das Gesetz bringt auch einen geaumlnderten steuerfreien Dotierungsrahmen fuumlr Zahlungen des Arbeitgebers an externe Ver-sorgungstraumlger mit sich Statt bisher vier Prozent gilt fuumlr Beitraumlge an Pensionskassen Pensionsfonds oder Direktversicherungen nach dem BRSG eine einheitliche prozentuale Grenze von nun acht Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung Die Moumlglichkeit der Fortfuumlhrung einer Pauschalbesteuerung soll in Altfaumlllen unter Anrechnung auf den steuerfreien Dotierungsrahmen von acht Prozent bestehen bleiben

Zudem fuumlhrt das BRSG eine Foumlrderung fuumlr arbeitgeberfinanzierte Ver-sorgungszusagen fuumlr Arbeitnehmer mit niedrigen Einkommen ein Als Geringverdiener sind hierbei Beschaumlftigte mit einem monatlichen Brutto-einkommen von bis zu 2200 EUR definiert

Im Bereich der Arbeitnehmerattraktivitaumlt gerade auch fuumlr Arbeitnehmer mit geringen Einkommen steigt die Grundzulage bei der Riester-Rente von derzeit 15400 auf 17500 EUR Betriebs- und Riester-Renten sol-len in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nicht mehr voll angerechnet werden Anrechnungsfrei bleiben Leistungen aus einer zusaumltzlichen Altersvorsorge in Houmlhe eines Sockelbetrages von 100 EUR zuzuumlglich 30 Prozent des uumlbersteigenden Einkommens aus einer zusaumltzlichen Altersvorsorge Die Obergrenze betraumlgt 50 Prozent der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu sect 28 des zwoumllften Buchs Sozialgesetzbuch ndash derzeit (2017) 20450 EUR

Joumlrn Manhart Rechtsanwalt BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Duumlsseldorf

Kurzmeldungen

Ruumlckkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit kommt vorerst nicht

Das geplante Gesetz nach dem Beschaumlftigte die ihre Arbeitszeit vo-ruumlbergehend verringern moumlchten nach der Teilzeitphase wieder zur urspruumlnglichen Arbeitszeit zuruumlckkehren koumlnnen (vgl Fink im BEITEN BURKHARDT Newsletter Arbeitsrecht Ausgabe Maumlrz 2017 Sei-te 6) wird nicht mehr im Bundeskabinett besprochen werden Das er-gibt sich aus uumlbereinstimmenden Medienberichten Der Gesetzentwurf von Angela Nahles ist damit in dieser Legislaturperiode gescheitert

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

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Hinweise

Diese Veroumlffentlichung stellt keine Rechtsberatung dar

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BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (Herausgeber) Ganghoferstraszlige 33 D-80339 Muumlnchen AG Muumlnchen HR B 155350USt-Idnr DE811218811

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Redaktion (verantwortlich)

Markus Bauer Rechtsanwalt

Redaktionsschluss dieser Ausgabe ist der 23 August 2017

Ihre Ansprechpartner

Berlin bull Kurfuumlrstenstraszlige 72-74 bull 10787 Berlin Dr Dietmar Muumlller-Boruttau RechtsanwaltTel +49 30 26471-319 bull DietmarMueller-Boruttaubblawcom

Duumlsseldorf bull Cecilienallee 7 bull 40474 Duumlsseldorf Christian von Buddenbrock Rechtsanwalt Tel +49 211 518989-190 bull ChristianvonBuddenbrockbblawcom

Frankfurt am Main bull Mainzer Landstraszlige 3660325 Frankfurt am Main Dr Thomas Drosdeck Rechtsanwalt Tel +49 69 756095-115 bull ThomasDrosdeckbblawcom

Muumlnchen bull Ganghoferstraszlige 33 bull 80339 Muumlnchen Dr Christopher Melms Rechtsanwalt Tel +49 89 35065-1143 bull ChristopherMelmsbblawcom

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Mindestloumlhne in der Pflege steigen

Der Pflegemindestlohn steigt ab Januar 2018 auf 1055 EUR im Westen und 1005 EUR im Osten Anfang 2019 und 2020 wird er nochmals er-houmlht Von diesem Mindestlohn profitieren vor allem Pflegehilfskraumlfte Eine entsprechende Verordnung hat das Kabinett passiert Mit der Verordnung gelten fuumlr alle Pflegebetriebe und ihre Beschaumlftigten die bereits im April von der Pflegekommission ausgehandelten Lohnuntergrenzen Das sind 1020 EUR pro Stunde in den alten Bundeslaumlndern 950 EUR in den neuen Bundeslaumlndern Sie gelten auch fuumlr auslaumlndische Pflegeunternehmen die ihre Arbeitskraumlfte nach Deutschland entsenden Die Pflegemindestloumlhne liegen uumlber dem gesetzlichen Mindestlohn von derzeit 884 EUR

(Quelle und weitere Informationen wwwbundesregierungde)

In eigener Sache BB als Kanzlei des Jahres fuumlr Arbeitsrecht nominiert

BEITEN BURKHARDT ist als bdquoKanzlei des Jahresldquo u a im Bereich Arbeits-recht fuumlr die bdquoJUVE-Awardsldquo nominiert worden Mit den JUVE-Awards werden jedes Jahr Kanzleien oder Rechtsabteilungen ausgezeichnet die aufgrund ihrer Arbeit und Marktposition in den Recherchegespraumlchen fuumlr das JUVE-Handbuch als besonders dynamisch aufgefallen sind Es wird dabei besonders auf Empfehlungen von Marktteilnehmern geachtet die sich nicht nur auf fachliche Expertise sondern auch auf strategische Ausrichtung Serviceorientierung und Zukunftspotenzial beziehen Die Preisverleihung findet am 26 Oktober 2017 in Frankfurt statt Weitere Informationen zu den Awards finden Sie unter wwwjuvedeawards

Anstehende BAG-Entscheidungen (September 2017)

20 September 2017

900 Uhr Insolvenzanfechtung minus in der Krise geleistete Arbeitsverguuml-tung minus Inkongruenz aufgrund drohender Zwangsvollstre-ckung

20 September 2017

1030 Uhr Samstag minus Werktag iSd sect 6 TVoumlD-K

20 September 2017

1000 Uhr Berechnung des Nachtzu-schlags und des Urlaubsent-gelts unter Beruumlcksichtigung des MiLoG

26 September 2017

1030 Uhr Gesetzliche Insolvenzsicherung fuumlr Einstandspflicht des Ar-beitgebers nach Herabsetzung einer Pensionskassenrente minus Versicherungsmissbrauch

26 September 2017

1400 Uhr Ruhen eines Ruhegeldan-spruchs bei betragsmaumlszligig houmlherem Hinterbliebenenver-sorgungsanspruch

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

bdquoSpionageverbotrdquo fuumlr den Chef ndash BAG setzt mit Grundsatzurteil der verdeckten Kontrolle von Arbeitnehmern Grenzen

Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 27 Juli 2017 minus 2 AZR 68116

SachverhaltIm Zusammenhang mit der Freigabe eines Netzwerks teilte das Unter-nehmen seinen Arbeitnehmern mit dass der gesamte bdquoInternet-Trafficldquo und die Benutzung ihrer Systeme bdquomitgeloggtldquo wuumlrden Sie installierte auf dem Dienst-PC des spaumlteren Klaumlgers eine sog Keylogger-Software die saumlmtliche Tastatureingaben protokollierte und regelmaumlszligig Bild-schirmfotos fertigte noch bevor ein hinreichender Verdacht oder kon-krete Vermutungen hinsichtlich des Fehlverhaltens eines Arbeitnehmers vorlagen Die Auswertung der Daten ergab dass der Arbeitnehmer waumlh-rend der Arbeitszeit den Dienst-PC in einem erheblichen Rahmen fuumlr pri-vate Zwecke genutzt hatte Er wurde mit den Ergebnissen konfrontiert raumlumte auch ein den Dienst-PC privat genutzt zu haben jedoch nur im geringen Umfang Eine Klausel im Arbeitsvertrag die die Privatnut-zung von Internet und E-Mails untersagte gab es nicht Aufgrund der durch die Software erhobenen Daten kuumlndigte die Arbeitgeberin frist-los hilfsweise fristgerecht (vgl auch Besprechung der vorinstanzlichen Entscheidung im BEITEN BURKHARDT Newsletter Arbeitsrecht Ausgabe Maumlrz 2017 Seite 5)

Die Entscheidung Das BAG entschied dass die Informationsgewinnung durch den ver-deckten Einsatz der Keylogger-Software gemaumlszlig sect 32 Abs 1 Satz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes unzulaumlssig war Die durch den Keylogger gewonnenen Erkenntnisse uumlber die Privattaumltigkeiten des Arbeitneh-mers durften nicht im gerichtlichen Verfahren verwertet werden Durch den Einsatz der Keylogger-Software habe die Arbeitgeberin das als Teil des allgemeinen Persoumlnlichkeitsrechts gewaumlhrleistete Recht des Arbeit-nehmers auf informationelle Selbstbestimmung verletzt Eine Verlet-zung liege insbesondere deshalb vor da die Uumlberwachung der Arbeitge-berin bdquoins Blaue hineinrdquo erfolgte und zuvor kein konkreter Verdacht auf eine schwerwiegende Pflichtverletzung vorgelegen hatte Die unzulaumls-sige Uumlberwachung des Arbeitnehmers fuumlhre deshalb zu einem Verbot die so gewonnenen Beweismittel im Gerichtsprozess zu verwenden Die Kuumlndigung war damit unwirksam

Konsequenzen fuumlr die Praxis Nicht alles was im Wandel der Arbeitswelt dem Arbeitgeber zur bdquoUumlber-fuumlhrungrdquo bei einer Pflichtverletzung des Arbeitnehmers zur Verfuumlgung steht bewegt sich im Rahmen des rechtlich Zulaumlssigen Ist die ergriffe-ne Maszlignahme unverhaumlltnismaumlszligig koumlnnen nicht nur die gewonnenen Beweise rechtlich wertlos sein Dem Arbeitgeber koumlnnen gegebenen-falls auch Buszliggelder der Datenschutzaufsichtsbehoumlrden und Schadens-ersatzklagen der betroffenen Arbeitnehmer drohen Grundsaumltzlich darf ein Mitarbeiter mit einer solchen oder aumlhnlichen Software nur uumlberwacht werden wenn vorher aufgrund konkreter Tatsachen der Verdacht einer Straftatschweren Pflichtverletzung besteht und mildere Mittel zur Auf-klaumlrung nicht gegeben sind

PraxistippOft liegt nur ein Anfangsverdacht vor aufgrund dessen der Arbeitneh-mer bdquouumlberfuumlhrtrdquo werden soll Das BAG verbietet nicht prinzipiell den

Einsatz solcher Software sondern nur die Verwertung der Daten Wird daher bei ersten Anhaltspunkten eine Keylogger-Software eingesetzt die eine Pflichtverletzung feststellt ist in Bezug auf die Verwertung der erhobenen Daten dem Arbeitgeber zu raten im Beisein einer weiteren Person ein Gespraumlch mit dem Arbeitnehmer zu fuumlhren Die Praxis zeigt dass Arbeitnehmer sich oft in der Situation der Konfrontation mit der Pflichtverletzung gestaumlndig zeigen Das Gestaumlndnis waumlre unabhaumlngig von der Zulaumlssigkeit der durch die Software gesammelten Daten uumlber die Zeugenaussage im Prozess verwertbar (siehe hierzu auch den Blog-Beitrag von Schmid bei rehmnetzde vom 7 August 2017) Zudem soll-te uumlberlegt werden die Privatnutzung von Internet und E-Mail-Account im Arbeitsvertrag zu verbieten da dann bei Gestaumlndnis einer nur ge-ringfuumlgigen Privatnutzung schneller zumindest fristgerecht gekuumlndigt werden koumlnnte

Dr Anja Branz Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltin fuumlr ArbeitsrechtBEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Berlin

Dr Daniel Hund LLM (NYU) Rechtsanwalt und Fachanwalt fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Darf ich meinen Chef anzeigen

Bundesarbeitsgericht (BAG) Urteil vom 15 Dezember 2016 ndash 2 AZR 4216

SachverhaltEine Arbeitnehmerin zugleich Fachanwaumlltin fuumlr Arbeits- und Sozial-recht unterrichtete an einer Fachhochschule des Bundes fuumlr oumlffentliche Verwaltung Diese wertete nach einer Evaluationsordnung ihre Lehrver-anstaltungen und damit u a auch diejenige der Arbeitnehmerin aus Die Ergebnisse der Umfragen leitete das Unternehmen an andere Mit-arbeiter weiter Wegen eines Verstoszliges gegen das Bundesdatenschutz-gesetz durch das Weiterleiten stellte die Dozentin Strafantrag gegen unbekannt Das Ermittlungsverfahren wurde eingestellt woraufhin die Mitarbeiterin gegen die Einstellung erfolglos Beschwerde bei der Gene-ralstaatsanwaltschaft erhob Die Arbeitgeberin kuumlndigte das Arbeits-verhaumlltnis ordentlich nachdem sie davon erfahren hatte

Die EntscheidungDas BAG sah die Kuumlndigung als gerechtfertigt an weil die Mitarbeite-rin ihre arbeitsvertragliche Nebenpflicht zur Ruumlcksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers erheblich und schuldhaft verletzt habe Die Stellung einer Strafanzeige stelle zwar grundsaumltzlich eine zulaumls-sige Wahrnehmung der staatsbuumlrgerlichen Pflichten dar sofern keine wissentlich unwahre oder leichtfertig falsche Angabe gemacht wor-

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

den sei Hier sei das zwar nicht der Fall Es gab aber keine Anzeichen fuumlr eine strafbare Handlung des Arbeitgebers so dass die Strafanzei-ge leichtfertig und unangemessen gewesen sei Die Arbeitnehmerin haumltte zumindest gegenuumlber ihrem Vorgesetzten oder anderen geeig-neten Stellen einen internen Hinweis geben muumlssen Da ein solcher Klaumlrungsversuch insgesamt fehlte und die Mitarbeiterin als Volljuris-tin die fehlende Schaumldigungsabsicht der Arbeitgeberin haumltte erken-nen muumlssen war die Kuumlndigung gerechtfertigt

Konsequenzen fuumlr die PraxisEine erhebliche Nebenpflichtverletzung kann eine verhaltensbeding-te Kuumlndigung rechtfertigen wenn eine dauerhafte stoumlrungsfreie Ver-tragserfuumlllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten ist In diesen Faumlllen ist auch ohne vorherige Abmahnung eine Kuumlndigung gerechtfertigt wenn entweder schon zum Zeitpunkt des Kuumlndigungsausspruchs eine Verhaltensaumlnderung beim Arbeitnehmer ausgeschlossen werden kann oder die Pflichtverletzung so schwer wiegt dass bei objektiver Betrach-tung die Hinnahme fuumlr den Arbeitgeber unzumutbar und dies fuumlr den Mitarbeiter offensichtlich ist Grundsaumltzlich ist das auf absolute Ausnah-mefaumllle beschraumlnkt vorliegend lag ein solcher jedoch aufgrund der ein-gelegten Beschwerde und damit der Hartnaumlckigkeit der Strafverfolgung vor

PraxistippBei einer Nebenpflichtverletzung ist deshalb zumeist bdquonurrdquo eine Ab-mahnung zu empfehlen es sei denn es handelt sich um ein absolut inakzeptables Verhalten Liegt ein solches vor sollte moumlglichst schnell gehandelt werden um die Unzumutbarkeit der Weiterbeschaumlftigung nicht selbst zu widerlegen Dies gilt nicht nur bei Strafanzeigen son-dern auch bei anderem illoyalen Verhalten gegenuumlber dem Arbeitge-ber So kann ein Aufruf zur Abwahl eines Vorstandsvorsitzenden eines Unternehmens unter Umstaumlnden sogar eine auszligerordentliche fristlose Kuumlndigung rechtfertigen (vgl BAG vom 1 Juni 2017 ndash 6 AZR 72015 ndash aktuell liegt nur die Pressemitteilung des Gerichts hierzu vor)

Manuel Schuumltt LLM Eur Rechtsanwalt Wirtschaftsmediator (MuCDR)BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Rettendes Gesamtkonzept bei befristeten Arbeitsvertraumlgen

Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 14 Dezember 2016 ndash 7 AZR 68814

SachverhaltDie Mitarbeiterin war bei einem Logistikunternehmen zunaumlchst auf Grundlage dreier sachgrundlos befristeter Arbeitsvertraumlge beschaumlftigt Nach einer kurzen Taumltigkeit bei einem anderen Arbeitgeber wurde die Mitarbeiterin erneut befristet im Warenlager des Logistikunternehmens eingestellt Waumlhrend der Laufzeit schlossen die Parteien eine Zusatz-vereinbarung ab mit der die Befristung um zwei Monate verlaumlngert

wurde Aufgrund der Vorbeschaumlftigung im selben Logistikunternehmen bedurfte die Befristung fuumlr ihre Wirksamkeit eines Sachgrunds Das Unternehmen rechtfertigte die Befristung mit einem voruumlbergehenden Bedarf an der Arbeitsleistung der Mitarbeiterin Sie sei nicht mit Dauer-aufgaben beschaumlftigt gewesen sondern mit nicht staumlndig anfallenden Taumltigkeiten wie dem auslaufenden Weihnachts- und dem beginnenden Ostergeschaumlft Die Mitarbeiterin bestritt das Vorbringen zu einem prog-nostizierten voruumlbergehenden Mehrbedarf und fuumlhrte aus dass das Un-ternehmen im April 2013 insgesamt 148 Arbeitnehmer neu befristet eingestellt habe Zuletzt hat das Landesarbeitsgericht (LAG) entschie-den dass nicht nur voruumlbergehender Bedarf bestehe und deswegen eine Befristung nicht gerechtfertigt sei

Die EntscheidungDas BAG entschied nun dass die beiden Vorinstanzen fehlerhaft ge-urteilt haumltten und wies die Klage der Arbeitnehmerin zur weiteren Sach-aufklaumlrung und Entscheidung an das LAG zuruumlck Dabei bestaumltigte das BAG nochmals dass auch ein erhoumlhter Arbeitsaufwand im Rahmen von Daueraufgaben eine Sachgrundbefristung rechtfertigen koumlnne Hierfuumlr sei es unschaumldlich wenn der prognostizierte voruumlbergehende Bedarf an der Arbeitsleistung noch uumlber das Vertragsende des mit dem befristet beschaumlftigten Arbeitnehmer abgeschlossenen Vertrags hinaus andauere Die Vertragsdauer muumlsse aber so mit dem Sachgrund der Befristung in Einklang stehen dass sie ihn nicht von vornherein in Frage stelle Auch muumlsse der befristet beschaumlftigte Arbeitnehmer nicht in dem Bereich eingesetzt werden in dem der voruumlbergehende Mehrbedarf entstehe Es genuumlge vielmehr wenn zwischen dem zeitweilig erhoumlhten Arbeits-anfall und der befristeten Einstellung ein ursaumlchlicher Zusammenhang bestehe Der Arbeitgeber sei im Rahmen voruumlbergehender Mehrarbeit nicht gehindert die vorhandene Arbeitsmenge zu verteilen seine Ar-beitsorganisation zu aumlndern oder die zusaumltzlichen Arbeiten anderen Mitarbeitern zuzuweisen Es duumlrften aber nicht beliebig viele Arbeitneh-mer neu befristet eingestellt werden der prognostizierte Mehrbedarf duumlrfe nicht uumlberschritten werden

Konsequenzen fuumlr die PraxisAn den Arbeitgeber werden weiterhin hohe Anforderungen an die Ent-scheidungen zur Befristung und deren Dokumentation gestellt Ob nur voruumlbergehender Bedarf vorliegt muss der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Vertragsschlusses feststellen Diese Prognose ist Teil des Sach-grunds fuumlr die Befristung und muss in einem Rechtstreit vom Arbeit-geber dargelegt werden Es wird daher weiter erforderlich sein den voruumlbergehenden Mehrbedarf unter Angabe des uumlblichen und des pro-gnostizierten Arbeitsvolumens sowohl in inhaltlicher als auch zeitlicher Hinsicht in ein Verhaumlltnis zum Dauerbedarf zu stellen Weiterhin ausge-schlossen bleibt auch einen Sachgrund dadurch herbeizufuumlhren dass im Wesentlichen unveraumlnderte Daueraufgaben in organisatorisch ei-genstaumlndige bdquoProjekteldquo aufgeteilt werden Der Arbeitgeber darf sich vor Gericht nicht darauf beschraumlnken einen zeitlich begrenzten Mehrbedarf und die befristete Einstellung lediglich des Arbeitnehmers darzustellen dessen Befristung im Streit steht Aus den Angaben muss sich vielmehr ergeben wie viele Arbeitnehmer voraussichtlich fuumlr welchen Zeitraum benoumltigt werden und wie viele zur Deckung dieses Bedarfs befristet eingestellt wurden Durch Unterlagen untermauerte zahlenmaumlszligig kon-kretisierte Angaben zu den befristet eingestellten Arbeitnehmern sind ausreichend ihre namentliche Nennung jedoch nicht noumltig

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

Praxistipp Der Arbeitgeber sollte zur Absicherung ein plausibles Gesamtkonzept zur Bewaumlltigung eines voruumlbergehenden Mehrbedarfs erstellen Das erfordert die Darstellung wie der Bedarf mit Stammarbeitnehmern befristet beschaumlftigten Arbeitnehmern oder gegebenenfalls auf andere Weise ndash etwa durch Leiharbeitnehmer ndash abgedeckt werden sollte Da-mit kann er im Falle eines Rechtsstreits seiner Darlegungspflicht nach-kommen

Dr Kathrin Kentner Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltinfuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Sarah SterflingerRechtsanwaumlltin BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Trotz vereinbarter Notenstufe im Prozessvergleich ndash Formulierung des Arbeitszeugnisses bdquoErmessenssacherdquo

Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 14 Februar 2017 ndash 9 AZB 4916

SachverhaltArbeitnehmer und Arbeitgeber schlossen vor dem Arbeitsgericht im Rah-men eines Kuumlndigungsschutzprozesses einen Vergleich in dem u a Fol-gendes vereinbart wurde

bdquoDie Beklagte erteilt dem Klaumlger ein wohlwollendes qualifiziertes Arbeits-zeugnis mit einer sehr guten Fuumlhrungs- und Leistungsbeurteilung und einer Bedauerns- Dankes- und gute Wuumlnscheformulierung im Schluss-satzrdquo

Der Arbeitgeber erteilte nach Abschluss des Vergleichs ein Zeugnis mit dem sich der Mitarbeiter nicht zufrieden gab Er war der Meinung aus dem Wortlaut ergebe sich keine gute Leistungs- und Fuumlhrungsbeurtei-lung Das Zeugnis weise insgesamt strukturell und inhaltlich groszlige Maumln-gel auf Der Arbeitnehmer forderte deshalb das Unternehmen auf das Zeugnis inhaltlich zu aumlndern was es ablehnte Den vermeintlichen An-spruch auf Zeugnisberichtigung versuchte der Arbeitnehmer anschlie-szligend im Wege der Zwangsvollstreckung aus dem Prozessvergleich durchzusetzen jedoch erfolglos

Die EntscheidungDas BAG gab dem Arbeitgeber Recht und stellte fest dass ein Pro-

zessvergleich der das Unternehmen zur Erteilung eines Zeugnisses mit einer bestimmten Notenstufe verpflichtet nicht den zwangsvoll-streckungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen genuumlge Nach Ansicht des Gerichts bleibt es Sache des Arbeitgebers das Zeugnis im Einzelnen abzufassen wobei die konkrete Formulierung in seinem pflichtgemaumlszligen Ermessen stehe Anders als bei der Verpflichtung ein Zeugnis gemaumlszlig einem Entwurf des Arbeitnehmers zu erteilen laumlsst die Vereinbarung einer bestimmten Notenstufe dem Unternehmen hinsichtlich der Auswahl und Gewichtung einzelner Gesichtspunkte des Umfangs des Zeugnistextes sowie der Formulierung der Leis-tungs- und Fuumlhrungsbeurteilung einen derart weiten Gestaltungs-spielraum dass von einem konkreten vollstreckbaren Leistungsbe-fehl nicht die Rede sein kann

Konsequenzen fuumlr die PraxisDer Arbeitnehmer hat es selbst in der Hand bestimmte Kernformu-lierungen in den Vergleichstext mitaufzunehmen um sicherzustellen dass das Zeugnis einer bestimmten Notenstufe entspricht Auch ist eine Vereinbarung moumlglich dass der Mitarbeiter berechtigt ist einen Entwurf zu erstellen von dem der Arbeitgeber nur aus wichtigen Gruumlnden abweichen kann Hierdurch kann ein weiterer Rechtsstreit vermieden werden Die Regelung in einem gerichtlichen Vergleich in der sich der Arbeitgeber zur Erteilung eines Zeugnisses verpflich-tet das einer bestimmten Note (bdquosehr gutldquo oder bdquogutldquo) entspricht ist jedenfalls fuumlr eine Vollstreckung zu unbestimmt Ist eine solche Vereinbarung getroffen worden kann der Arbeitnehmer im Wege der Zwangsvollstreckung nur dann eine Berichtigung des Zeugnisses erwirken wenn das Zeugnis formal nicht ordnungsgemaumlszlig erteilt wor-den oder erkennbar unvollstaumlndig ist

PraxistippDie vorliegende Entscheidung zeigt dass Arbeitgeber einem Berichti-gungswunsch eines Mitarbeiters im Hinblick auf die Formulierung des Arbeitszeugnisses nicht unbedingt nachkommen muumlssen auch wenn im Prozessvergleich eine Notenstufe vereinbart wurde Vielmehr obliegt es dem Arbeitgeber in einem solchen Fall die konkreten Formulierungen nach pflichtgemaumlszligem Ermessen auszuwaumlhlen Der Mitarbeiter kann die inhaltliche Berichtigung des Zeugnisses dann nicht mehr im Vollstre-ckungsverfahren durchsetzen sondern ist gehalten erneut Klage zu er-heben Moumlchte sich das Unternehmen bei der Formulierung des Arbeits-zeugnisses einen Spielraum vorbehalten spricht weiterhin nichts gegen die Vereinbarung einer bestimmten Zeugnisnote im Vergleich

Sonja Muumlller Rechtsanwaumlltin BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

Entlassungsverlangen des Betriebsrats

Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 28 Maumlrz 2017 ndash 2 AZR 55116

SachverhaltDer Betriebsrat eines Versicherungsunternehmens hatte den Arbeitgeber zur Entlassung einer Sachbearbeiterin aufgefordert Diese war in mehre-re ndash dem Vernehmen nach handgreifliche ndash Vorfaumllle mit Kollegen verwi-ckelt gewesen worin man eine erhebliche Stoumlrung des Betriebsfriedens sah Der Arbeitgeber kam dem Verlangen nicht nach daher leitete der Betriebsrat ein gerichtliches Verfahren (sogenanntes Beschlussverfah-ren) ein An diesem wurde auch die betroffene Arbeitnehmerin beteiligt Nachdem das Arbeitsgericht dem Unternehmen rechtskraumlftig aufgege-ben hatte die Mitarbeiterin zu entlassen erhielt diese eine auszligerordent-liche hilfsweise ordentliche Kuumlndigung gegen die sie sich zur Wehr setzte zuletzt vor dem BAG

Die EntscheidungDas BAG sah in der Verpflichtung zur Entlassung wie schon die Vorinstan-zen ein dringendes betriebliches Erfordernis das eine ordentliche Kuumlndi-gung rechtfertigen kann Ein wichtiger Grund fuumlr eine auszligerordentliche Kuumlndigung sei darin hingegen nicht zu sehen Insbesondere beginne die Zwei-Wochen-Frist fuumlr den Ausspruch einer auszligerordentlichen Kuumlndi-gung nicht erst mit Kenntnis von der Entscheidung des Arbeitsgerichts

Konsequenzen fuumlr die PraxisDie Entscheidung zeigt dass das Beschlussverfahren quasi einen vor-gezogenen Kuumlndigungsschutzprozess beinhaltet da es in mehrerlei Hinsicht fuumlr die Beteiligten ndash darunter den betroffenen Arbeitnehmer ndash praumljudizielle Wirkung hat Dem Betroffenen ist im Kuumlndigungsschutz-verfahren die Argumentation abgeschnitten dass es an einem dringen-den betrieblichen Erfordernis fehlt Zieht umgekehrt der Arbeitgeber in Betracht das im Entlassungsverlangen angesprochene Problem bereits durch eine Versetzung loumlsen zu koumlnnen muss er bereits im Beschluss-verfahren darauf hinwirken dass ihm allenfalls diese Maszlignahme ndash an-stelle einer Entlassung ndash aufgegeben wird

PraxistippNicht moumlglich ist es die Kuumlndigungsgruumlnde durch eine Abmahnung bdquozu verbrauchenldquo weil der Arbeitgeber damit zwar auf sein Recht zum Ausspruch einer Kuumlndigung nicht aber auf die Rechte des Betriebs-rats verzichten kann Andere Gruumlnde die gegen die Wirksamkeit einer solchen Kuumlndigung angefuumlhrt werden koumlnnen bleiben dadurch im Uumlb-rigen unberuumlhrt d h das Entlassungsverlangen kann beispielsweise keinen Sonderkuumlndigungsschutz (z B eines Schwerbehinderten) auf-heben Auch eine Entscheidung im Beschlussverfahren macht eine sol-che Kuumlndigung daher nicht zu einem bdquoSelbstlaumluferldquo

Anekdote am RandeErfolglos muss ein entsprechendes Begehren im Beschlussverfahren bleiben soweit es sich gegen einen Geschaumlftsfuumlhrer richtet Vor dem Landesarbeitsgericht Hamm (Beschuss vom 2 August 2016 minus 7 TaBV 1116) hatte ein Betriebsrat argumentiert dass aus Gruumlnden der eu-roparechtskonformen Auslegung ein weiter Arbeitnehmerbegriff gel-te und daher auch Geschaumlftsfuumlhrer bdquobetriebsstoumlrende Arbeitnehmerldquo sein koumlnnten Dieser bdquotrickreichenldquo Argumentation folgte das Gericht

aber nicht Die weite Auslegung dient dem Arbeitnehmerschutz ndash und nicht der Erweiterung der Rechte des Betriebsrats

Dr Franziska von Kummer LLM MCL Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltin fuumlr Arbeitsrecht Dipl-Kffr Dipl-Vw BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Berlin

(Kein) Anspruch des Arbeitnehmers auf Durchfuumlhrung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens

Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 21 Februar 2017 ndash 1 AZR 36715

SachverhaltDer Arbeitnehmer sollte in einen anderen Betrieb versetzt werden Der Betriebsrat des aufnehmenden Betriebs verweigerte hierzu allerdings die Zustimmung Die Arbeitgeberin fuumlhrte sodann nicht das dafuumlr vorgese-hene gerichtliche Verfahren mit dem Ziel durch die Zustimmung zu er-setzen Der Arbeitnehmer klagte die Arbeitgeberin zu verpflichten dieses Zustimmungsersetzungsverfahren durchzufuumlhren um seine Beschaumlfti-gung in dem anderen Betrieb zu ermoumlglichen

EntscheidungDas BAG wies die Klage zuruumlck Es bestaumltigte seine Rechtsprechung in-sofern dass ein Arbeitnehmer bei Verweigerung der Zustimmung durch den Betriebsrat vom Arbeitgeber die Einleitung eines Zustimmungs-ersetzungsverfahrens nur in dem (Ausnahme-)Fall verlangen koumlnne wenn sich der Arbeitgeber zur Durchfuumlhrung dieses Verfahrens im Wege einer Selbstbindung verpflichtet habe fuumlr die Annahme einer solchen Selbstbindung muumlssten allerdings besondere Anhaltspunkte gegeben sein (BAG vom 16 Maumlrz 2010 ndash 3 AZR 3109) Weiter koumlnne ein An-spruch auf Durchfuumlhrung eines derartigen Verfahrens ausnahmsweise in Betracht kommen wenn ein fuumlr den Arbeitnehmer nachteiliges Zu-sammenwirken zwischen den Betriebsparteien vorlaumlge was vorliegend nicht der Fall war (vgl hierzu u a die vorgenannte BAG-Entscheidung) Im Fall eines schwerbehinderten Menschen verpflichte der in sect 81 Abs 4 S 1 Nr 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch verankerte Beschaumlf-tigungsanspruch fuumlr diese Arbeitnehmergruppe den Arbeitgeber das gerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren durchzufuumlhren wenn er erkennt dass die geltend gemachten Zustimmungsverweige-rungsgruumlnde tatsaumlchlich nicht vorliegen (BAG vom 3 Dezember 2002 ndash 9 AZR 48101) Eine Schwerbehinderung lag hier jedoch auch nicht vor

Nach Auffassung des BAG ergibt sich ein solcher Anspruch des Arbeit-nehmers auch nicht generell aus der arbeitsvertraglichen Ruumlcksichtnah-mepflicht Denn diese verlange vom Arbeitgeber nicht eigene schutz-wuumlrdige Belange hinten anzustellen also beispielsweise einen Rechts-streit fuumlhren zu muumlssen Der Arbeitnehmer sei nicht schutzlos gestellt da fuumlr die Dauer der Nichtbeschaumlftigung ein sogenannter Annahme-verzugslohn geschuldet werde und der Arbeitgeber im Rahmen seiner vertraglichen Verpflichtungen dennoch gehalten sein kann dem Arbeit-nehmer eine andere Taumltigkeit zuzuweisen

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

PraxistippNach Ansicht des BAG haben Arbeitnehmer nur im Ausnahmefall ei-nen Anspruch auf Durchfuumlhrung eines gerichtlichen Zustimmungs-ersetzungsverfahrens wenn der Betriebsrat die Zustimmung zu ei-ner personellen Maszlignahme (Versetzung Einstellung etc) verweigert Wichtig fuumlr die Praxis duumlrfte der Fall sein dass der Arbeitnehmer ei-nen derartigen Durchfuumlhrungsanspruch hat wenn es sich um einen schwerbehinderten Arbeitnehmer handelt Selbst wenn ein Anspruch auf Durchfuumlhrung nicht besteht empfiehlt es sich fuumlr einen Arbeitge-ber der ein Zustimmungsersetzungsverfahren nicht fuumlhren will sein Weisungsrecht ndash wenn rechtlich moumlglich ndash erneut auszuuumlben um nicht Annahmeverzugslohn zahlen zu muumlssen ohne eine entspre-chende Arbeitsleistung des Arbeitsnehmers zu erhalten

Dr Sarah Reinhardt Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltin fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Fristlose Kuumlndigung bei grober Beleidigung auch im langjaumlhrigen Arbeitsverhaumlltnis rechtens

Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein vom 24 Januar 2017 ndash 3 Sa 24416

SachverhaltDer Arbeitnehmer war als einer von fuumlnf Mitarbeitern seit 1992 in ei-nem Familienunternehmen beschaumlftigt Waumlhrend einer Besprechung kam es zu einem Streit zwischen ihm den beiden Geschaumlftsfuumlhrern und deren Vater dem ehemaligen Geschaumlftsfuumlhrer Am Ende des Gespraumlchs als der Arbeitnehmer das Buumlro verlassen wollte kommentierte der aktu-elle Geschaumlftsfuumlhrer das Geschehen mit bdquoKinderkramrdquo Am Morgen des naumlchsten Tages suchte der Arbeitnehmer die Geschaumlftsfuumlhrer erneut auf Es kam zum Wortgefecht in dessen Verlauf der Arbeitnehmer aumluszligerte dass sich der Seniorgeschaumlftsfuumlhrer am Vortag wie ein bdquoArschrdquo verhalten habe und der Geschaumlftsfuumlhrer auf bestem Wege sei seinem Vater (dem Seniorgeschaumlftsfuumlhrer) den Rang abzulaufen Im Weiteren aumluszligerte einer der Geschaumlftsfuumlhrer dass sie im Falle einer Kuumlndigung als bdquosoziale Arsch-loumlcherrdquo dastuumlnden Der Klaumlger erwiderte dass die Firma dies bereits sei Noch am selben Abend wurde der Arbeitnehmer freigestellt Da er sich auch in der Folgezeit nicht entschuldigte kuumlndigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhaumlltnis fristlos

Die EntscheidungDas LAG Schleswig-Holstein hat die Kuumlndigungsschutzklage abge-wiesen Die Aumluszligerungen des Arbeitnehmers gegenuumlber dem Senior-geschaumlftsfuumlhrer sowie dem Geschaumlftsfuumlhrer stellten eine grobe Beleidigung dar die eine fristlose Kuumlndigung auch ohne vorherige Abmahnung rechtfertige Es handelte sich hierbei um gezielte ehr-verletzende und nicht gerechtfertigte Beschimpfungen der Ge-schaumlftsfuumlhrer die auch nicht mehr auf einer Affektsituation durch die streitigen und ndash gegebenenfalls ndash provokanten Aumluszligerungen der Ge-schaumlftsfuumlhrer vom Vortag beruhten die bereits 16 Stunden zuruumlck-lagen Aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung sowie der fehlen-

den Einsicht seines Fehlverhaltens sei der Arbeitnehmer auch nicht vor Ausspruch der Kuumlndigung abzumahnen Im Rahmen der Interes-senabwaumlgung sei zwar die lange Betriebszugehoumlrigkeit zu beachten jedoch uumlberwiege aufgrund der emotionalen Naumlhe im vorliegenden Familienbetrieb das Interesse des Arbeitgebers an der Vertragsbe-endigung Hierbei so das LAG sei ebenfalls die fehlende Entschuldi-gung des Arbeitnehmers die auch im Prozess ausblieb von geson-dertem Gewicht

Konsequenzen fuumlr die PraxisObwohl es sich um einen Einzelfall handelt laumlsst sich aus dieser Ent-scheidung in Bezug auf grobe Beleidigungen des Arbeitgebers undoder dessen Vertretern eine Bestaumltigung der staumlndigen Rechtspre-chung ableiten Je nach Intensitaumlt kann bei groben Beleidigungen eine fristlose Kuumlndigung auch bei langjaumlhriger Betriebszugehoumlrigkeit gerechtfertigt sein Laumlsst das Verhalten des Arbeitnehmers weitere Vertragsverletzungen befuumlrchten und zeigt der Arbeitnehmer keiner-lei Einsichtsfaumlhigkeit so ist eine vorherige Abmahnung nicht erfor-derlich

PraxistippArbeitgeber sollten bei derartigen Vorfaumlllen einen bdquokuumlhlen Kopfrdquo be-wahren und das Verhalten des Arbeitnehmers in jedem Fall dokumen-tieren Je nach Intensitaumlt der Beleidigung kann unmittelbar gekuumlndigt oder zumindest mit einer Abmahnung reagiert werden

Inka Adam Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltin fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Frankfurt

Weiterarbeit nach Erreichen des Rentenalters ndash gleitender Uumlbergang oder Befristungsfalle fuumlr Arbeitgeber

Arbeitsgericht (ArbG) Karlsruhe vom 27 April 2016 ndash 3 Ca 2216 zugleich zu Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen vom 29 November 2016 ndash 10 Sa 21816

SachverhaltIm urspruumlnglichen Arbeitsvertrag eines nicht-verbeamteten Hoch-schullehrers war vereinbart dass das Arbeitsverhaumlltnis zum Ende des Semesters enden sollte in dem der Arbeitnehmer das 65 Lebensjahr vollendet konkret zum 30 September 2014 Am 24 Maumlrz 2014 wurde schriftlich vereinbart dass der Arbeitnehmer vom 1 Oktober 2014 bis 31 September 2015 weiterhin fuumlr den Arbeitgeber nun aber mit redu-zierter Arbeitszeit taumltig sein sollte Am 9 Juni 2015 wurde wieder schrift-lich vereinbart dass der Arbeitnehmer nochmals vom 1 Oktober 2015 bis 29 Februar 2016 bei dem Arbeitgeber in Teilzeit weiterbeschaumlftigt werden sollte Eine Verlaumlngerung daruumlber hinaus lehnte der Arbeitgeber ab

Die EntscheidungDas ArbG entschied dass die Befristung zum 29 Februar 2016 wirksam

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

war und das Arbeitsverhaumlltnis zu diesem Zeitpunkt beendete Es liege ein wirksames bdquoHinausschiebenrdquo des Beendigungszeitpunkts nach sect 41 S 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) vor Nach dieser Vorschrift koumlnnen die Parteien durch Vereinbarung das Ende des Ar-beitsverhaumlltnisses hinausschieben wenn der urspruumlngliche Vertrag fuumlr die Beendigung auf das Erreichen der Regelaltersgrenze abstelle und eine entsprechende Vereinbarung noch waumlhrend des laufenden Arbeits-verhaumlltnisses getroffen werde Nach Auffassung des Gerichts war im urspruumlnglichen Arbeitsvertrag der erforderliche Bezug zur Regelalters-grenze hergestellt Es sei unschaumldlich dass das Ende des Arbeitsverhaumllt-nisses vorliegend nicht exakt mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze zusammenfalle da es jedenfalls bei Hochschullehrern uumlblich sei das Arbeitsverhaumlltnis nicht waumlhrend des laufenden Semesters zu beenden sondern erst mit dessen Abschluss Problematisch war aber dass beim erstmaligen Hinausschieben zugleich auch die Arbeitszeit reduziert wurde Das ArbG entschied dass das bdquoHinausschiebenrdquo eine gleichzeiti-ge Aumlnderung der Vertragsbedingungen zulaumlsst anders als bei sonstigen bdquonormalenrdquo Befristungen ohne Sachgrund sect 41 S 3 SGB VI solle es Ar-beitgeber und Arbeitnehmer ermoumlglichen das Beschaumlftigungsverhaumllt-nis auch nach Erreichen der Regelaltersgrenze einvernehmlich und fuumlr einen von vorn herein festgelegten Zeitraum fortzusetzen Daher sei es sachgerecht eine Reduzierung der Arbeitszeit zuzulassen da nur so die Moumlglichkeit fuumlr einen flexiblen Uumlbergang von der Erwerbstaumltigkeit zum Renteneintritt bestehe

Das mehrfache Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts wie von sect 41 S 3 SGB VI vorgesehen sei auch mit Europarecht vereinbar Dies-bezuumlglich entschied das LAG Niedersachen etwas zuruumlckhaltender dass zumindest das einmalige Hinausschieben europarechtskonform sei

Konsequenzen fuumlr die PraxisDie Entscheidung des ArbG Karlsruhe ermoumlglicht eine praxisgerechte Handhabung der Beschaumlftigung von Rentnern Ob sich die Linie des ArbG Karlsruhe durchsetzt bleibt aber abzuwarten da die Rechtsfra-ge ob im Rahmen von sect 41 S 3 SGB VI zugleich Arbeitsbedingungen geaumlndert werden duumlrfen in der juristischen Literatur weiter umstritten bleibt Fuumlr bereits abgeschlossene Vertraumlge kann aber im Streitfall auf das Urteil verwiesen werden Das vergleichbare bereits erwaumlhnte Ver-fahren vor dem LAG Niedersachsen ist bereits beim BAG unter dem Aktenzeichen 7 AZR 7017 anhaumlngig

PraxistippArbeitgeber sind gut beraten die Entwicklung der Rechtsprechung weiterhin im Auge zu behalten Wer kein Risiko eingehen will sollte sich bis zu einer houmlchstrichterlichen Klaumlrung auf ein einmaliges Hi-nausschieben des Beendigungsdatums beschraumlnken Zudem sollten Unternehmen Aumlnderungen von Arbeitsbedingungen nicht gleich-zeitig vornehmen sondern sie zeitlich versetzt vereinbaren soweit sie fuumlr erforderlich gehalten werden

Dr Roland KleinRechtsanwalt und Fachanwalt fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft Berlin

Im Blickpunkt

Entgelttransparenzgesetz Der Auskunftsanspruch kommt - wichtige To-dos bis zum 6 Januar 2018

Das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) ist seit dem 6 Juli 2017 in Kraft Es gilt als bdquouumlberfluumlssiges Buumlrokratiemonsterrdquo das zwar mit der Durchsetzung des Gebots der gleichen Entlohnung von Frauen und Maumlnnern ein gut gemeintes Ziel verfolgt Gut gemeint ist jedoch be-kanntlich nicht immer auch gut gemacht Es darf durchaus bezweifelt werden dass das Gesetz seinen Zweck erreichen wird Klar ist jeden-falls dass es Arbeitnehmern in Betrieben mit mehr als 200 Beschaumlf-tigten erstmals ab dem 6 Januar 2018 ermoumlglichen wird einen Aus-kunftsanspruch uumlber die Kriterien und das Verfahren zur Festlegung des Entgelts und dessen Houmlhe zu stellen (sect 10 EntgTranspG) vgl auch zu allem Springer BEITEN BURKHARDT Newsletter Arbeitsrecht Ausgabe Maumlrz 2017 Seite 7 f

Das Ende der sechsmonatigen bdquoSchonfristrdquo bis zum 6 Januar 2018 naht bereits Unternehmen mit Betrieben () mit mehr als 200 Mitar-beitern muumlssen daher jetzt handeln um sich vor boumlsen Uumlberraschun-gen zu schuumltzen Dabei stellen sich vor allem die Fragen ob nach dem 6 Januar 2018 eine unterschiedliche Verguumltung noch moumlglich ist und wie sich Arbeitgeber bis zum 6 Januar 2018 auf potenzielle Aus-kunftsanspruumlche vorbereiten sollten

Ist eine unterschiedliche Verguumltung noch moumlglich

Nach sect 7 EntgTranspG darf in einem Beschaumlftigungsverhaumlltnis allein auf-grund des Geschlechts fuumlr gleiche oder gleichwertige Arbeit kein geringe-res Entgelt vereinbart bzw ausgezahlt werden Das bedeutet im Umkehr-schluss dass eine unterschiedliche Verguumltung dann weiterhin moumlglich ist wenn die Arbeit nicht gleich oder gleichwertig ist Wann aber ist eine Ar-beit gleich oder gleichwertig Das ist der Fall wenn sie sich weder nach ihrer Art ihren Ausbildungsanforderungen undoder ihren Arbeitsbedin-gungen von der Arbeit des Kollegen bzw der Kollegin unterscheidet (sect 4 Abs 2 EntgTranspG)

PraxistippVor diesem Hintergrund sollten neu zu besetzende Stellen im Betrieb moumlglichst individuell bezeichnet und Stellenausschreibungen individuell formuliert werden

Eine unterschiedliche Verguumltung ist weiterhin und immer dann moumlglich wenn Regeln zur Entgeltfestsetzung bdquodurch ein rechtmaumlszligiges Ziel sach-lich gerechtfertigt und die Mittel angemessen und erforderlich sindrdquo

PraxistippEs empfiehlt sich daher stets sachliche Gruumlnde wie arbeitsmarkt- leis-tungs- und arbeitsergebnisbezogene Kriterien fuumlr die houmlhere Bezahlung zu dokumentieren Dies koumlnnen zum Beispiel sein houmlheres Dienstalter (Honorierung der Berufserfahrung) koumlrperliche Anforderungen Ge-schicklichkeit und Stressbelastung etc Bei Verguumltungsverhandlungen sollte der Arbeitgeber die Gruumlnde schriftlich niederlegen weshalb eine sachgerechte Mehrbezahlung erfolgen soll etwa Fahrtkosten Umzugs-kosten Kindergartenzulage und Boni

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

Zu beachten ist weiterhin dass eine Auskunft des Arbeitnehmers zum Schutz personenbezogener Daten auch nur dann verlangt werden kann wenn eine Vergleichstaumltigkeit von mindestens sechs Mitarbeiterninnen des jeweils anderen Geschlechts ausgeuumlbt wird (sect 12 Abs 3 EntgTranspG)Arbeiten in der Vergleichsgruppe etwa fuumlnf Frauen und 15 Maumlnner und macht eine Frau den Auskunftsanspruch geltend wird der statistische Mittelwert des Entgelts der 15 Maumlnner als Vergleichswert gebildet Ein Mann koumlnnte in diesem Fall keine Auskunft uumlber den Mittelwert verlan-gen da weniger als sechs Frauen die Vergleichstaumltigkeit ausuumlben

PraxistippPotenzielle Vergleichsgruppen sollten daher kleinstmoumlglich d h unter sechs Mitarbeitern gehalten werden

Wie sollten sich Arbeitgeber auf potenzielle Auskunftsanspruumlche vorbereiten

Ab dem 6 Januar 2018 drohen die ersten Auskunftsanspruumlche Es waumlre verfehlt hierauf nicht vorbereitet zu sein Zusaumltzlich zu den genannten Empfehlungen sollte daher spaumltestens jetzt mit der Erstellung einer Dokumentation zu etwaigen Entgeltunterschieden bei der Belegschaft begonnen werden um nicht in Zeitnot bei der Beantwortung der ersten Auskunftsverlangen zu kommen

PraxistippDie bis zum 6 Januar 2018 verbleibende bdquoSchonfristrdquo sollte genutzt werden um Entgeltunterschiede zu identifizieren Sofern solche Unter-schiede bestehen sollten Unternehmen dokumentieren wodurch die unterschiedliche Verguumltung gerechtfertigt ist (z B durch die o g Krite-rien wie houmlheres Dienstalter etc)

Besonders prekaumlr Unternehmen die weder tarifgebunden sind noch Tarifvertraumlge anwenden droht das Damoklesschwert einer sog Be-weislastumkehr Wenn solche Unternehmen die Auskunftsverlangen nicht innerhalb von drei Monaten beantworten ist der Arbeitgeber im Streitfall zur Uumlberzeugung des Gerichts beweispflichtig dass kein Verstoszlig gegen das Entgeltgleichheitsgebot vorliegt (sect 15 Abs 5 EntgTranspG) Es wird also ein Verstoszlig vermutet der sich durch die Arbeitgeber oft nur schwer widerlegen lassen duumlrfte Gerade solche Unternehmen die nicht tarifgebunden sind und keine Tarifvertraumlge anwenden sollten sich im besonderen Maszlige auf die drohenden Aus-kunftsanspruumlche vorbereiten um nicht in Beweisnoumlte zu kommen

Sofern Unternehmen im Rahmen der Vorbereitungen nicht zu recht-fertigende Entgeltunterschiede auffinden ist zu untersuchen ob sich die Differenzen ggf anlaumlsslich kommender Gehaltsrunden nivellieren lassen

PraxistippWenn moumlglich sollten die kommenden Gehaltsrunden genutzt werden um nicht zu rechtfertigende Entgeltdifferenzen auszugleichen Dies gilt insbesondere fuumlr etwaige zum Jahreswechsel 201718 anstehenden Gehaltsrunden

Zuletzt noch ein wichtiges technisches Detail zum Auskunftsverfah-ren Nach der Intention des Gesetzgebers sollen die Auskuumlnfte ur-

spruumlnglich in einem Betrieb mit Betriebsrat ausschlieszliglich durch die-ses Gremium (und nicht durch die Arbeitgeber) erteilt werden Zum Ende des Gesetzgebungsverfahrens wurde dem Arbeitgeber aber ein Optionsrecht gegeben Auch er kann nun die Adressatenstellung fuumlr den Auskunftsanspruch durch einseitige Erklaumlrung jedoch nach Er-laumluterung gegenuumlber dem Betriebsrat fuumlr die Dauer der Amtszeit des Betriebsrats uumlbernehmen (sect 14 Abs 2 EntgTranspG)

PraxistippViele Arbeitgeber mit Betriebsraumlten duumlrften gut beraten sein die Adres-satenstellung fuumlr den Auskunftsanspruch zu uumlbernehmen Unterneh-men sollten daher nicht abwarten bis sie das erste Auskunftsverlangen ereilt sondern zuumlgig und noch innerhalb der bdquoSchonfristrdquo entscheiden ob sie die Auskunftsverlangen uumlbernehmen wollen

FazitNeben den genannten Punkten gibt es noch eine Reihe weiterer To-dos die sich aus dem Inkrafttreten des EntgTranspG ergeben Arbeitgeber sollten sie sammeln und dann sauber abarbeiten damit die bdquoSchonfristrdquo bis zum 6 Januar 2018 nicht ungenutzt verstreicht

Dr Nina Springer LLM Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltin fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Henrik Luumlthge Rechtsanwalt Fachanwalt fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Duumlsseldorf

Hinweis Dieser Beitrag ist in einer aumlhnlichen Form in der Zeitschrift Personalpraxis und Recht (PuR) Ausgabe Juni 2017 Seiten 131 ff erschienen

Update Das Betriebsrentenstaumlrkungsgesetz ist beschlossene Sache

Bereits im BEITEN BURKHARDT Newsletter Arbeitsrecht Ausgabe Maumlrz 2017 Seite 11 hatten wir detailliert uumlber den Gesetzgebungstand zum Betriebsrentenstaumlrkungsgesetz (BRSG) berichtet Nachdem zwi-schenzeitlich doch Unsicherheiten aufgekommen waren ob das Gesetz noch verabschiedet wuumlrde haben es Bundestag und Bundesrat im Juni bzw Juli nun beschlossen Hierbei hat es auch in letzter Sekunde noch wichtige Aumlnderungen gegeben

Wichtiges fuumlr neue VersorgungszusagenDas sogenannte Sozialpartnermodell ist mit dem BRSG als neue Form

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

der betrieblichen Altersversorgung Gesetz geworden Es ist etwas an-deres als die bislang im Betriebsrentengesetz (BetrAVG) vorgesehenen Kombinationsmoumlglichkeiten aus fuumlnf Durchfuumlhrungswegen (Direkt-zusage Unterstuumltzungskasse Pensionskasse Pensionsfonds und Di-rektversicherung) und drei Zusagemodellen (Leistungszusage Beitrags-zusage mit Mindestleistung und beitragsorientierte Leistungszusage) und bietet nun erstmals die Moumlglichkeit einer reinen Beitragszusage Die Pflichten des Arbeitgebers beschraumlnken sich dann auf die Entrich-tung der zugesagten Beitraumlge (z B aus Entgeltumwandlung) an einen externen Versorgungstraumlger (Pensionskasse Direktversicherung oder Pensionsfonds) Eine bestimmte Versorgungsleistung wird vom Ar-beitgeber nicht zugesagt und darf auch vom Versorgungstraumlger nicht zugesagt werden ndash bdquoGarantieverbotrdquo Versprochen ist allein eine soge-nannte bdquoZielrenterdquo deren Houmlhe und deren Entwicklung abhaumlngig von der Vermoumlgens- und Ertragslage bzw -entwicklung der Versorgungs-einrichtung sein sollen

Da der Arbeitgeber weitgehend befreit ist und eine Absicherung der Ar-beitnehmerinteressen nicht mehr durch eine Garantieleistung gewahrt ist macht das BRSG der Einfuumlhrung von reinen Beitragszusagen ver-schiedene Auflagen Die reine Beitragszusage muss auf Vereinbarungen der Tarifvertragsparteien beruhen die sich auch an der Durchfuumlhrung und Steuerung der Versorgungseinrichtung beteiligen muumlssen Zudem soll die Versorgungseinrichtung einer engen Beaufsichtigung durch die BaFin unterliegen Zuletzt muss der Arbeitgeber einen Risikoauf-schlag (mindestens 15 Prozent) fuumlr entgeltumwandlungsfinanzierte reine Beitragszusagen leisten Arbeitgeber und Beschaumlftigte die nicht tarifgebunden sind sollen vereinbaren koumlnnen dass die einschlaumlgigen Tarifvertraumlge auch fuumlr sie gelten Die Tarifvertragsparteien muumlssen zu-dem ihre Versorgungseinrichtungen fuumlr nicht organisierte Arbeitgeber und Arbeitnehmer oumlffnen

Bestehende EntgeltumwandlungssystemeDie wesentlichste Neuerung im Vergleich zum Stand im Maumlrz ist dass Arbeitgeber auch in bestehenden entgeltumwandlungsfinanzierten Versorgungssystemen zukuumlnftig gesetzlich verpflichtet werden Sozial-versicherungsersparnisse als Zusatzbeitrag an Arbeitnehmer weiter-zugeben Nach einer in letzter Sekunde in das BRSG aufgenommenen Regelung muumlssen Arbeitgeber auch bei bestehenden Entgeltumwand-lungssystemen zukuumlnftig 15 Prozent des umgewandelten Entgelts zu-saumltzlich als Arbeitgeberzuschuss leisten wenn die Entgeltumwandlung uumlber einen Pensionsfonds die Pensionskasse oder die Direktversiche-rung durchgefuumlhrt wird Fuumlr individual- und kollektivrechtliche Entgelt-umwandlungsvereinbarungen die vor dem 1 Januar 2019 geschlossen worden sind gilt die Zuschusspflicht erst ab dem 1 Januar 2022

bdquoOpting OutrdquoAn der Einfuumlhrung der Regelungen zu bdquoOpting outrdquo-Modellen hat es hingegen keine wesentlichen Veraumlnderungen gegeben Nach dem BRSG wird es zulaumlssig sein dass die Teilnahme an der Entgeltumwandlung fuumlr alle Beschaumlftigten oder Gruppen von Beschaumlftigten eines Arbeitgebers durch tarifvertragliche Regelung oder aufgrund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung als Regelfall auch ohne Teilnah-meerklaumlrung des Arbeitnehmers vorgesehen wird Die Nichtteilnahme erfordert dann ein bdquoOpting Outrdquo in Form eines Widerspruchs des Arbeit-nehmers Auch nichttarifgebundene Arbeitgeber koumlnnen ein einschlauml-giges tarifvertragliches Optionssystem anwenden oder aufgrund eines

einschlaumlgigen Tarifvertrags durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung die Einfuumlhrung eines Optionssystems regeln

Aumlnderungen des steuerrechtlich anerkannten Dotierungsrahmens und steuerliche Arbeitgeberfoumlrderung Im Wesentlichen unveraumlndert geblieben sind auch die Vorhaben zum steuerrechtlich anerkannten Dotierungsrahmen und zur steuer-lichen Arbeitgeberfoumlrderung sowie zur Steigerung der Arbeitnehmer-attraktivitaumlt Das Gesetz bringt auch einen geaumlnderten steuerfreien Dotierungsrahmen fuumlr Zahlungen des Arbeitgebers an externe Ver-sorgungstraumlger mit sich Statt bisher vier Prozent gilt fuumlr Beitraumlge an Pensionskassen Pensionsfonds oder Direktversicherungen nach dem BRSG eine einheitliche prozentuale Grenze von nun acht Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung Die Moumlglichkeit der Fortfuumlhrung einer Pauschalbesteuerung soll in Altfaumlllen unter Anrechnung auf den steuerfreien Dotierungsrahmen von acht Prozent bestehen bleiben

Zudem fuumlhrt das BRSG eine Foumlrderung fuumlr arbeitgeberfinanzierte Ver-sorgungszusagen fuumlr Arbeitnehmer mit niedrigen Einkommen ein Als Geringverdiener sind hierbei Beschaumlftigte mit einem monatlichen Brutto-einkommen von bis zu 2200 EUR definiert

Im Bereich der Arbeitnehmerattraktivitaumlt gerade auch fuumlr Arbeitnehmer mit geringen Einkommen steigt die Grundzulage bei der Riester-Rente von derzeit 15400 auf 17500 EUR Betriebs- und Riester-Renten sol-len in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nicht mehr voll angerechnet werden Anrechnungsfrei bleiben Leistungen aus einer zusaumltzlichen Altersvorsorge in Houmlhe eines Sockelbetrages von 100 EUR zuzuumlglich 30 Prozent des uumlbersteigenden Einkommens aus einer zusaumltzlichen Altersvorsorge Die Obergrenze betraumlgt 50 Prozent der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu sect 28 des zwoumllften Buchs Sozialgesetzbuch ndash derzeit (2017) 20450 EUR

Joumlrn Manhart Rechtsanwalt BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Duumlsseldorf

Kurzmeldungen

Ruumlckkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit kommt vorerst nicht

Das geplante Gesetz nach dem Beschaumlftigte die ihre Arbeitszeit vo-ruumlbergehend verringern moumlchten nach der Teilzeitphase wieder zur urspruumlnglichen Arbeitszeit zuruumlckkehren koumlnnen (vgl Fink im BEITEN BURKHARDT Newsletter Arbeitsrecht Ausgabe Maumlrz 2017 Sei-te 6) wird nicht mehr im Bundeskabinett besprochen werden Das er-gibt sich aus uumlbereinstimmenden Medienberichten Der Gesetzentwurf von Angela Nahles ist damit in dieser Legislaturperiode gescheitert

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

BEIJING bull BERLIN bull BRUumlSSEL bull DUumlSSELDORF bull FRANKFURT AM MAINMOSKAU bull MUumlNCHEN bull ST PETERSBURG

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Markus Bauer Rechtsanwalt

Redaktionsschluss dieser Ausgabe ist der 23 August 2017

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Berlin bull Kurfuumlrstenstraszlige 72-74 bull 10787 Berlin Dr Dietmar Muumlller-Boruttau RechtsanwaltTel +49 30 26471-319 bull DietmarMueller-Boruttaubblawcom

Duumlsseldorf bull Cecilienallee 7 bull 40474 Duumlsseldorf Christian von Buddenbrock Rechtsanwalt Tel +49 211 518989-190 bull ChristianvonBuddenbrockbblawcom

Frankfurt am Main bull Mainzer Landstraszlige 3660325 Frankfurt am Main Dr Thomas Drosdeck Rechtsanwalt Tel +49 69 756095-115 bull ThomasDrosdeckbblawcom

Muumlnchen bull Ganghoferstraszlige 33 bull 80339 Muumlnchen Dr Christopher Melms Rechtsanwalt Tel +49 89 35065-1143 bull ChristopherMelmsbblawcom

Weitere interessante Themen und Informationen zum Arbeitsrecht finden Sie in unserem Onlinebereich

Mindestloumlhne in der Pflege steigen

Der Pflegemindestlohn steigt ab Januar 2018 auf 1055 EUR im Westen und 1005 EUR im Osten Anfang 2019 und 2020 wird er nochmals er-houmlht Von diesem Mindestlohn profitieren vor allem Pflegehilfskraumlfte Eine entsprechende Verordnung hat das Kabinett passiert Mit der Verordnung gelten fuumlr alle Pflegebetriebe und ihre Beschaumlftigten die bereits im April von der Pflegekommission ausgehandelten Lohnuntergrenzen Das sind 1020 EUR pro Stunde in den alten Bundeslaumlndern 950 EUR in den neuen Bundeslaumlndern Sie gelten auch fuumlr auslaumlndische Pflegeunternehmen die ihre Arbeitskraumlfte nach Deutschland entsenden Die Pflegemindestloumlhne liegen uumlber dem gesetzlichen Mindestlohn von derzeit 884 EUR

(Quelle und weitere Informationen wwwbundesregierungde)

In eigener Sache BB als Kanzlei des Jahres fuumlr Arbeitsrecht nominiert

BEITEN BURKHARDT ist als bdquoKanzlei des Jahresldquo u a im Bereich Arbeits-recht fuumlr die bdquoJUVE-Awardsldquo nominiert worden Mit den JUVE-Awards werden jedes Jahr Kanzleien oder Rechtsabteilungen ausgezeichnet die aufgrund ihrer Arbeit und Marktposition in den Recherchegespraumlchen fuumlr das JUVE-Handbuch als besonders dynamisch aufgefallen sind Es wird dabei besonders auf Empfehlungen von Marktteilnehmern geachtet die sich nicht nur auf fachliche Expertise sondern auch auf strategische Ausrichtung Serviceorientierung und Zukunftspotenzial beziehen Die Preisverleihung findet am 26 Oktober 2017 in Frankfurt statt Weitere Informationen zu den Awards finden Sie unter wwwjuvedeawards

Anstehende BAG-Entscheidungen (September 2017)

20 September 2017

900 Uhr Insolvenzanfechtung minus in der Krise geleistete Arbeitsverguuml-tung minus Inkongruenz aufgrund drohender Zwangsvollstre-ckung

20 September 2017

1030 Uhr Samstag minus Werktag iSd sect 6 TVoumlD-K

20 September 2017

1000 Uhr Berechnung des Nachtzu-schlags und des Urlaubsent-gelts unter Beruumlcksichtigung des MiLoG

26 September 2017

1030 Uhr Gesetzliche Insolvenzsicherung fuumlr Einstandspflicht des Ar-beitgebers nach Herabsetzung einer Pensionskassenrente minus Versicherungsmissbrauch

26 September 2017

1400 Uhr Ruhen eines Ruhegeldan-spruchs bei betragsmaumlszligig houmlherem Hinterbliebenenver-sorgungsanspruch

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

den sei Hier sei das zwar nicht der Fall Es gab aber keine Anzeichen fuumlr eine strafbare Handlung des Arbeitgebers so dass die Strafanzei-ge leichtfertig und unangemessen gewesen sei Die Arbeitnehmerin haumltte zumindest gegenuumlber ihrem Vorgesetzten oder anderen geeig-neten Stellen einen internen Hinweis geben muumlssen Da ein solcher Klaumlrungsversuch insgesamt fehlte und die Mitarbeiterin als Volljuris-tin die fehlende Schaumldigungsabsicht der Arbeitgeberin haumltte erken-nen muumlssen war die Kuumlndigung gerechtfertigt

Konsequenzen fuumlr die PraxisEine erhebliche Nebenpflichtverletzung kann eine verhaltensbeding-te Kuumlndigung rechtfertigen wenn eine dauerhafte stoumlrungsfreie Ver-tragserfuumlllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten ist In diesen Faumlllen ist auch ohne vorherige Abmahnung eine Kuumlndigung gerechtfertigt wenn entweder schon zum Zeitpunkt des Kuumlndigungsausspruchs eine Verhaltensaumlnderung beim Arbeitnehmer ausgeschlossen werden kann oder die Pflichtverletzung so schwer wiegt dass bei objektiver Betrach-tung die Hinnahme fuumlr den Arbeitgeber unzumutbar und dies fuumlr den Mitarbeiter offensichtlich ist Grundsaumltzlich ist das auf absolute Ausnah-mefaumllle beschraumlnkt vorliegend lag ein solcher jedoch aufgrund der ein-gelegten Beschwerde und damit der Hartnaumlckigkeit der Strafverfolgung vor

PraxistippBei einer Nebenpflichtverletzung ist deshalb zumeist bdquonurrdquo eine Ab-mahnung zu empfehlen es sei denn es handelt sich um ein absolut inakzeptables Verhalten Liegt ein solches vor sollte moumlglichst schnell gehandelt werden um die Unzumutbarkeit der Weiterbeschaumlftigung nicht selbst zu widerlegen Dies gilt nicht nur bei Strafanzeigen son-dern auch bei anderem illoyalen Verhalten gegenuumlber dem Arbeitge-ber So kann ein Aufruf zur Abwahl eines Vorstandsvorsitzenden eines Unternehmens unter Umstaumlnden sogar eine auszligerordentliche fristlose Kuumlndigung rechtfertigen (vgl BAG vom 1 Juni 2017 ndash 6 AZR 72015 ndash aktuell liegt nur die Pressemitteilung des Gerichts hierzu vor)

Manuel Schuumltt LLM Eur Rechtsanwalt Wirtschaftsmediator (MuCDR)BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Rettendes Gesamtkonzept bei befristeten Arbeitsvertraumlgen

Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 14 Dezember 2016 ndash 7 AZR 68814

SachverhaltDie Mitarbeiterin war bei einem Logistikunternehmen zunaumlchst auf Grundlage dreier sachgrundlos befristeter Arbeitsvertraumlge beschaumlftigt Nach einer kurzen Taumltigkeit bei einem anderen Arbeitgeber wurde die Mitarbeiterin erneut befristet im Warenlager des Logistikunternehmens eingestellt Waumlhrend der Laufzeit schlossen die Parteien eine Zusatz-vereinbarung ab mit der die Befristung um zwei Monate verlaumlngert

wurde Aufgrund der Vorbeschaumlftigung im selben Logistikunternehmen bedurfte die Befristung fuumlr ihre Wirksamkeit eines Sachgrunds Das Unternehmen rechtfertigte die Befristung mit einem voruumlbergehenden Bedarf an der Arbeitsleistung der Mitarbeiterin Sie sei nicht mit Dauer-aufgaben beschaumlftigt gewesen sondern mit nicht staumlndig anfallenden Taumltigkeiten wie dem auslaufenden Weihnachts- und dem beginnenden Ostergeschaumlft Die Mitarbeiterin bestritt das Vorbringen zu einem prog-nostizierten voruumlbergehenden Mehrbedarf und fuumlhrte aus dass das Un-ternehmen im April 2013 insgesamt 148 Arbeitnehmer neu befristet eingestellt habe Zuletzt hat das Landesarbeitsgericht (LAG) entschie-den dass nicht nur voruumlbergehender Bedarf bestehe und deswegen eine Befristung nicht gerechtfertigt sei

Die EntscheidungDas BAG entschied nun dass die beiden Vorinstanzen fehlerhaft ge-urteilt haumltten und wies die Klage der Arbeitnehmerin zur weiteren Sach-aufklaumlrung und Entscheidung an das LAG zuruumlck Dabei bestaumltigte das BAG nochmals dass auch ein erhoumlhter Arbeitsaufwand im Rahmen von Daueraufgaben eine Sachgrundbefristung rechtfertigen koumlnne Hierfuumlr sei es unschaumldlich wenn der prognostizierte voruumlbergehende Bedarf an der Arbeitsleistung noch uumlber das Vertragsende des mit dem befristet beschaumlftigten Arbeitnehmer abgeschlossenen Vertrags hinaus andauere Die Vertragsdauer muumlsse aber so mit dem Sachgrund der Befristung in Einklang stehen dass sie ihn nicht von vornherein in Frage stelle Auch muumlsse der befristet beschaumlftigte Arbeitnehmer nicht in dem Bereich eingesetzt werden in dem der voruumlbergehende Mehrbedarf entstehe Es genuumlge vielmehr wenn zwischen dem zeitweilig erhoumlhten Arbeits-anfall und der befristeten Einstellung ein ursaumlchlicher Zusammenhang bestehe Der Arbeitgeber sei im Rahmen voruumlbergehender Mehrarbeit nicht gehindert die vorhandene Arbeitsmenge zu verteilen seine Ar-beitsorganisation zu aumlndern oder die zusaumltzlichen Arbeiten anderen Mitarbeitern zuzuweisen Es duumlrften aber nicht beliebig viele Arbeitneh-mer neu befristet eingestellt werden der prognostizierte Mehrbedarf duumlrfe nicht uumlberschritten werden

Konsequenzen fuumlr die PraxisAn den Arbeitgeber werden weiterhin hohe Anforderungen an die Ent-scheidungen zur Befristung und deren Dokumentation gestellt Ob nur voruumlbergehender Bedarf vorliegt muss der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Vertragsschlusses feststellen Diese Prognose ist Teil des Sach-grunds fuumlr die Befristung und muss in einem Rechtstreit vom Arbeit-geber dargelegt werden Es wird daher weiter erforderlich sein den voruumlbergehenden Mehrbedarf unter Angabe des uumlblichen und des pro-gnostizierten Arbeitsvolumens sowohl in inhaltlicher als auch zeitlicher Hinsicht in ein Verhaumlltnis zum Dauerbedarf zu stellen Weiterhin ausge-schlossen bleibt auch einen Sachgrund dadurch herbeizufuumlhren dass im Wesentlichen unveraumlnderte Daueraufgaben in organisatorisch ei-genstaumlndige bdquoProjekteldquo aufgeteilt werden Der Arbeitgeber darf sich vor Gericht nicht darauf beschraumlnken einen zeitlich begrenzten Mehrbedarf und die befristete Einstellung lediglich des Arbeitnehmers darzustellen dessen Befristung im Streit steht Aus den Angaben muss sich vielmehr ergeben wie viele Arbeitnehmer voraussichtlich fuumlr welchen Zeitraum benoumltigt werden und wie viele zur Deckung dieses Bedarfs befristet eingestellt wurden Durch Unterlagen untermauerte zahlenmaumlszligig kon-kretisierte Angaben zu den befristet eingestellten Arbeitnehmern sind ausreichend ihre namentliche Nennung jedoch nicht noumltig

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

Praxistipp Der Arbeitgeber sollte zur Absicherung ein plausibles Gesamtkonzept zur Bewaumlltigung eines voruumlbergehenden Mehrbedarfs erstellen Das erfordert die Darstellung wie der Bedarf mit Stammarbeitnehmern befristet beschaumlftigten Arbeitnehmern oder gegebenenfalls auf andere Weise ndash etwa durch Leiharbeitnehmer ndash abgedeckt werden sollte Da-mit kann er im Falle eines Rechtsstreits seiner Darlegungspflicht nach-kommen

Dr Kathrin Kentner Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltinfuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Sarah SterflingerRechtsanwaumlltin BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Trotz vereinbarter Notenstufe im Prozessvergleich ndash Formulierung des Arbeitszeugnisses bdquoErmessenssacherdquo

Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 14 Februar 2017 ndash 9 AZB 4916

SachverhaltArbeitnehmer und Arbeitgeber schlossen vor dem Arbeitsgericht im Rah-men eines Kuumlndigungsschutzprozesses einen Vergleich in dem u a Fol-gendes vereinbart wurde

bdquoDie Beklagte erteilt dem Klaumlger ein wohlwollendes qualifiziertes Arbeits-zeugnis mit einer sehr guten Fuumlhrungs- und Leistungsbeurteilung und einer Bedauerns- Dankes- und gute Wuumlnscheformulierung im Schluss-satzrdquo

Der Arbeitgeber erteilte nach Abschluss des Vergleichs ein Zeugnis mit dem sich der Mitarbeiter nicht zufrieden gab Er war der Meinung aus dem Wortlaut ergebe sich keine gute Leistungs- und Fuumlhrungsbeurtei-lung Das Zeugnis weise insgesamt strukturell und inhaltlich groszlige Maumln-gel auf Der Arbeitnehmer forderte deshalb das Unternehmen auf das Zeugnis inhaltlich zu aumlndern was es ablehnte Den vermeintlichen An-spruch auf Zeugnisberichtigung versuchte der Arbeitnehmer anschlie-szligend im Wege der Zwangsvollstreckung aus dem Prozessvergleich durchzusetzen jedoch erfolglos

Die EntscheidungDas BAG gab dem Arbeitgeber Recht und stellte fest dass ein Pro-

zessvergleich der das Unternehmen zur Erteilung eines Zeugnisses mit einer bestimmten Notenstufe verpflichtet nicht den zwangsvoll-streckungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen genuumlge Nach Ansicht des Gerichts bleibt es Sache des Arbeitgebers das Zeugnis im Einzelnen abzufassen wobei die konkrete Formulierung in seinem pflichtgemaumlszligen Ermessen stehe Anders als bei der Verpflichtung ein Zeugnis gemaumlszlig einem Entwurf des Arbeitnehmers zu erteilen laumlsst die Vereinbarung einer bestimmten Notenstufe dem Unternehmen hinsichtlich der Auswahl und Gewichtung einzelner Gesichtspunkte des Umfangs des Zeugnistextes sowie der Formulierung der Leis-tungs- und Fuumlhrungsbeurteilung einen derart weiten Gestaltungs-spielraum dass von einem konkreten vollstreckbaren Leistungsbe-fehl nicht die Rede sein kann

Konsequenzen fuumlr die PraxisDer Arbeitnehmer hat es selbst in der Hand bestimmte Kernformu-lierungen in den Vergleichstext mitaufzunehmen um sicherzustellen dass das Zeugnis einer bestimmten Notenstufe entspricht Auch ist eine Vereinbarung moumlglich dass der Mitarbeiter berechtigt ist einen Entwurf zu erstellen von dem der Arbeitgeber nur aus wichtigen Gruumlnden abweichen kann Hierdurch kann ein weiterer Rechtsstreit vermieden werden Die Regelung in einem gerichtlichen Vergleich in der sich der Arbeitgeber zur Erteilung eines Zeugnisses verpflich-tet das einer bestimmten Note (bdquosehr gutldquo oder bdquogutldquo) entspricht ist jedenfalls fuumlr eine Vollstreckung zu unbestimmt Ist eine solche Vereinbarung getroffen worden kann der Arbeitnehmer im Wege der Zwangsvollstreckung nur dann eine Berichtigung des Zeugnisses erwirken wenn das Zeugnis formal nicht ordnungsgemaumlszlig erteilt wor-den oder erkennbar unvollstaumlndig ist

PraxistippDie vorliegende Entscheidung zeigt dass Arbeitgeber einem Berichti-gungswunsch eines Mitarbeiters im Hinblick auf die Formulierung des Arbeitszeugnisses nicht unbedingt nachkommen muumlssen auch wenn im Prozessvergleich eine Notenstufe vereinbart wurde Vielmehr obliegt es dem Arbeitgeber in einem solchen Fall die konkreten Formulierungen nach pflichtgemaumlszligem Ermessen auszuwaumlhlen Der Mitarbeiter kann die inhaltliche Berichtigung des Zeugnisses dann nicht mehr im Vollstre-ckungsverfahren durchsetzen sondern ist gehalten erneut Klage zu er-heben Moumlchte sich das Unternehmen bei der Formulierung des Arbeits-zeugnisses einen Spielraum vorbehalten spricht weiterhin nichts gegen die Vereinbarung einer bestimmten Zeugnisnote im Vergleich

Sonja Muumlller Rechtsanwaumlltin BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

Entlassungsverlangen des Betriebsrats

Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 28 Maumlrz 2017 ndash 2 AZR 55116

SachverhaltDer Betriebsrat eines Versicherungsunternehmens hatte den Arbeitgeber zur Entlassung einer Sachbearbeiterin aufgefordert Diese war in mehre-re ndash dem Vernehmen nach handgreifliche ndash Vorfaumllle mit Kollegen verwi-ckelt gewesen worin man eine erhebliche Stoumlrung des Betriebsfriedens sah Der Arbeitgeber kam dem Verlangen nicht nach daher leitete der Betriebsrat ein gerichtliches Verfahren (sogenanntes Beschlussverfah-ren) ein An diesem wurde auch die betroffene Arbeitnehmerin beteiligt Nachdem das Arbeitsgericht dem Unternehmen rechtskraumlftig aufgege-ben hatte die Mitarbeiterin zu entlassen erhielt diese eine auszligerordent-liche hilfsweise ordentliche Kuumlndigung gegen die sie sich zur Wehr setzte zuletzt vor dem BAG

Die EntscheidungDas BAG sah in der Verpflichtung zur Entlassung wie schon die Vorinstan-zen ein dringendes betriebliches Erfordernis das eine ordentliche Kuumlndi-gung rechtfertigen kann Ein wichtiger Grund fuumlr eine auszligerordentliche Kuumlndigung sei darin hingegen nicht zu sehen Insbesondere beginne die Zwei-Wochen-Frist fuumlr den Ausspruch einer auszligerordentlichen Kuumlndi-gung nicht erst mit Kenntnis von der Entscheidung des Arbeitsgerichts

Konsequenzen fuumlr die PraxisDie Entscheidung zeigt dass das Beschlussverfahren quasi einen vor-gezogenen Kuumlndigungsschutzprozess beinhaltet da es in mehrerlei Hinsicht fuumlr die Beteiligten ndash darunter den betroffenen Arbeitnehmer ndash praumljudizielle Wirkung hat Dem Betroffenen ist im Kuumlndigungsschutz-verfahren die Argumentation abgeschnitten dass es an einem dringen-den betrieblichen Erfordernis fehlt Zieht umgekehrt der Arbeitgeber in Betracht das im Entlassungsverlangen angesprochene Problem bereits durch eine Versetzung loumlsen zu koumlnnen muss er bereits im Beschluss-verfahren darauf hinwirken dass ihm allenfalls diese Maszlignahme ndash an-stelle einer Entlassung ndash aufgegeben wird

PraxistippNicht moumlglich ist es die Kuumlndigungsgruumlnde durch eine Abmahnung bdquozu verbrauchenldquo weil der Arbeitgeber damit zwar auf sein Recht zum Ausspruch einer Kuumlndigung nicht aber auf die Rechte des Betriebs-rats verzichten kann Andere Gruumlnde die gegen die Wirksamkeit einer solchen Kuumlndigung angefuumlhrt werden koumlnnen bleiben dadurch im Uumlb-rigen unberuumlhrt d h das Entlassungsverlangen kann beispielsweise keinen Sonderkuumlndigungsschutz (z B eines Schwerbehinderten) auf-heben Auch eine Entscheidung im Beschlussverfahren macht eine sol-che Kuumlndigung daher nicht zu einem bdquoSelbstlaumluferldquo

Anekdote am RandeErfolglos muss ein entsprechendes Begehren im Beschlussverfahren bleiben soweit es sich gegen einen Geschaumlftsfuumlhrer richtet Vor dem Landesarbeitsgericht Hamm (Beschuss vom 2 August 2016 minus 7 TaBV 1116) hatte ein Betriebsrat argumentiert dass aus Gruumlnden der eu-roparechtskonformen Auslegung ein weiter Arbeitnehmerbegriff gel-te und daher auch Geschaumlftsfuumlhrer bdquobetriebsstoumlrende Arbeitnehmerldquo sein koumlnnten Dieser bdquotrickreichenldquo Argumentation folgte das Gericht

aber nicht Die weite Auslegung dient dem Arbeitnehmerschutz ndash und nicht der Erweiterung der Rechte des Betriebsrats

Dr Franziska von Kummer LLM MCL Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltin fuumlr Arbeitsrecht Dipl-Kffr Dipl-Vw BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Berlin

(Kein) Anspruch des Arbeitnehmers auf Durchfuumlhrung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens

Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 21 Februar 2017 ndash 1 AZR 36715

SachverhaltDer Arbeitnehmer sollte in einen anderen Betrieb versetzt werden Der Betriebsrat des aufnehmenden Betriebs verweigerte hierzu allerdings die Zustimmung Die Arbeitgeberin fuumlhrte sodann nicht das dafuumlr vorgese-hene gerichtliche Verfahren mit dem Ziel durch die Zustimmung zu er-setzen Der Arbeitnehmer klagte die Arbeitgeberin zu verpflichten dieses Zustimmungsersetzungsverfahren durchzufuumlhren um seine Beschaumlfti-gung in dem anderen Betrieb zu ermoumlglichen

EntscheidungDas BAG wies die Klage zuruumlck Es bestaumltigte seine Rechtsprechung in-sofern dass ein Arbeitnehmer bei Verweigerung der Zustimmung durch den Betriebsrat vom Arbeitgeber die Einleitung eines Zustimmungs-ersetzungsverfahrens nur in dem (Ausnahme-)Fall verlangen koumlnne wenn sich der Arbeitgeber zur Durchfuumlhrung dieses Verfahrens im Wege einer Selbstbindung verpflichtet habe fuumlr die Annahme einer solchen Selbstbindung muumlssten allerdings besondere Anhaltspunkte gegeben sein (BAG vom 16 Maumlrz 2010 ndash 3 AZR 3109) Weiter koumlnne ein An-spruch auf Durchfuumlhrung eines derartigen Verfahrens ausnahmsweise in Betracht kommen wenn ein fuumlr den Arbeitnehmer nachteiliges Zu-sammenwirken zwischen den Betriebsparteien vorlaumlge was vorliegend nicht der Fall war (vgl hierzu u a die vorgenannte BAG-Entscheidung) Im Fall eines schwerbehinderten Menschen verpflichte der in sect 81 Abs 4 S 1 Nr 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch verankerte Beschaumlf-tigungsanspruch fuumlr diese Arbeitnehmergruppe den Arbeitgeber das gerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren durchzufuumlhren wenn er erkennt dass die geltend gemachten Zustimmungsverweige-rungsgruumlnde tatsaumlchlich nicht vorliegen (BAG vom 3 Dezember 2002 ndash 9 AZR 48101) Eine Schwerbehinderung lag hier jedoch auch nicht vor

Nach Auffassung des BAG ergibt sich ein solcher Anspruch des Arbeit-nehmers auch nicht generell aus der arbeitsvertraglichen Ruumlcksichtnah-mepflicht Denn diese verlange vom Arbeitgeber nicht eigene schutz-wuumlrdige Belange hinten anzustellen also beispielsweise einen Rechts-streit fuumlhren zu muumlssen Der Arbeitnehmer sei nicht schutzlos gestellt da fuumlr die Dauer der Nichtbeschaumlftigung ein sogenannter Annahme-verzugslohn geschuldet werde und der Arbeitgeber im Rahmen seiner vertraglichen Verpflichtungen dennoch gehalten sein kann dem Arbeit-nehmer eine andere Taumltigkeit zuzuweisen

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

PraxistippNach Ansicht des BAG haben Arbeitnehmer nur im Ausnahmefall ei-nen Anspruch auf Durchfuumlhrung eines gerichtlichen Zustimmungs-ersetzungsverfahrens wenn der Betriebsrat die Zustimmung zu ei-ner personellen Maszlignahme (Versetzung Einstellung etc) verweigert Wichtig fuumlr die Praxis duumlrfte der Fall sein dass der Arbeitnehmer ei-nen derartigen Durchfuumlhrungsanspruch hat wenn es sich um einen schwerbehinderten Arbeitnehmer handelt Selbst wenn ein Anspruch auf Durchfuumlhrung nicht besteht empfiehlt es sich fuumlr einen Arbeitge-ber der ein Zustimmungsersetzungsverfahren nicht fuumlhren will sein Weisungsrecht ndash wenn rechtlich moumlglich ndash erneut auszuuumlben um nicht Annahmeverzugslohn zahlen zu muumlssen ohne eine entspre-chende Arbeitsleistung des Arbeitsnehmers zu erhalten

Dr Sarah Reinhardt Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltin fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Fristlose Kuumlndigung bei grober Beleidigung auch im langjaumlhrigen Arbeitsverhaumlltnis rechtens

Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein vom 24 Januar 2017 ndash 3 Sa 24416

SachverhaltDer Arbeitnehmer war als einer von fuumlnf Mitarbeitern seit 1992 in ei-nem Familienunternehmen beschaumlftigt Waumlhrend einer Besprechung kam es zu einem Streit zwischen ihm den beiden Geschaumlftsfuumlhrern und deren Vater dem ehemaligen Geschaumlftsfuumlhrer Am Ende des Gespraumlchs als der Arbeitnehmer das Buumlro verlassen wollte kommentierte der aktu-elle Geschaumlftsfuumlhrer das Geschehen mit bdquoKinderkramrdquo Am Morgen des naumlchsten Tages suchte der Arbeitnehmer die Geschaumlftsfuumlhrer erneut auf Es kam zum Wortgefecht in dessen Verlauf der Arbeitnehmer aumluszligerte dass sich der Seniorgeschaumlftsfuumlhrer am Vortag wie ein bdquoArschrdquo verhalten habe und der Geschaumlftsfuumlhrer auf bestem Wege sei seinem Vater (dem Seniorgeschaumlftsfuumlhrer) den Rang abzulaufen Im Weiteren aumluszligerte einer der Geschaumlftsfuumlhrer dass sie im Falle einer Kuumlndigung als bdquosoziale Arsch-loumlcherrdquo dastuumlnden Der Klaumlger erwiderte dass die Firma dies bereits sei Noch am selben Abend wurde der Arbeitnehmer freigestellt Da er sich auch in der Folgezeit nicht entschuldigte kuumlndigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhaumlltnis fristlos

Die EntscheidungDas LAG Schleswig-Holstein hat die Kuumlndigungsschutzklage abge-wiesen Die Aumluszligerungen des Arbeitnehmers gegenuumlber dem Senior-geschaumlftsfuumlhrer sowie dem Geschaumlftsfuumlhrer stellten eine grobe Beleidigung dar die eine fristlose Kuumlndigung auch ohne vorherige Abmahnung rechtfertige Es handelte sich hierbei um gezielte ehr-verletzende und nicht gerechtfertigte Beschimpfungen der Ge-schaumlftsfuumlhrer die auch nicht mehr auf einer Affektsituation durch die streitigen und ndash gegebenenfalls ndash provokanten Aumluszligerungen der Ge-schaumlftsfuumlhrer vom Vortag beruhten die bereits 16 Stunden zuruumlck-lagen Aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung sowie der fehlen-

den Einsicht seines Fehlverhaltens sei der Arbeitnehmer auch nicht vor Ausspruch der Kuumlndigung abzumahnen Im Rahmen der Interes-senabwaumlgung sei zwar die lange Betriebszugehoumlrigkeit zu beachten jedoch uumlberwiege aufgrund der emotionalen Naumlhe im vorliegenden Familienbetrieb das Interesse des Arbeitgebers an der Vertragsbe-endigung Hierbei so das LAG sei ebenfalls die fehlende Entschuldi-gung des Arbeitnehmers die auch im Prozess ausblieb von geson-dertem Gewicht

Konsequenzen fuumlr die PraxisObwohl es sich um einen Einzelfall handelt laumlsst sich aus dieser Ent-scheidung in Bezug auf grobe Beleidigungen des Arbeitgebers undoder dessen Vertretern eine Bestaumltigung der staumlndigen Rechtspre-chung ableiten Je nach Intensitaumlt kann bei groben Beleidigungen eine fristlose Kuumlndigung auch bei langjaumlhriger Betriebszugehoumlrigkeit gerechtfertigt sein Laumlsst das Verhalten des Arbeitnehmers weitere Vertragsverletzungen befuumlrchten und zeigt der Arbeitnehmer keiner-lei Einsichtsfaumlhigkeit so ist eine vorherige Abmahnung nicht erfor-derlich

PraxistippArbeitgeber sollten bei derartigen Vorfaumlllen einen bdquokuumlhlen Kopfrdquo be-wahren und das Verhalten des Arbeitnehmers in jedem Fall dokumen-tieren Je nach Intensitaumlt der Beleidigung kann unmittelbar gekuumlndigt oder zumindest mit einer Abmahnung reagiert werden

Inka Adam Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltin fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Frankfurt

Weiterarbeit nach Erreichen des Rentenalters ndash gleitender Uumlbergang oder Befristungsfalle fuumlr Arbeitgeber

Arbeitsgericht (ArbG) Karlsruhe vom 27 April 2016 ndash 3 Ca 2216 zugleich zu Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen vom 29 November 2016 ndash 10 Sa 21816

SachverhaltIm urspruumlnglichen Arbeitsvertrag eines nicht-verbeamteten Hoch-schullehrers war vereinbart dass das Arbeitsverhaumlltnis zum Ende des Semesters enden sollte in dem der Arbeitnehmer das 65 Lebensjahr vollendet konkret zum 30 September 2014 Am 24 Maumlrz 2014 wurde schriftlich vereinbart dass der Arbeitnehmer vom 1 Oktober 2014 bis 31 September 2015 weiterhin fuumlr den Arbeitgeber nun aber mit redu-zierter Arbeitszeit taumltig sein sollte Am 9 Juni 2015 wurde wieder schrift-lich vereinbart dass der Arbeitnehmer nochmals vom 1 Oktober 2015 bis 29 Februar 2016 bei dem Arbeitgeber in Teilzeit weiterbeschaumlftigt werden sollte Eine Verlaumlngerung daruumlber hinaus lehnte der Arbeitgeber ab

Die EntscheidungDas ArbG entschied dass die Befristung zum 29 Februar 2016 wirksam

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

war und das Arbeitsverhaumlltnis zu diesem Zeitpunkt beendete Es liege ein wirksames bdquoHinausschiebenrdquo des Beendigungszeitpunkts nach sect 41 S 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) vor Nach dieser Vorschrift koumlnnen die Parteien durch Vereinbarung das Ende des Ar-beitsverhaumlltnisses hinausschieben wenn der urspruumlngliche Vertrag fuumlr die Beendigung auf das Erreichen der Regelaltersgrenze abstelle und eine entsprechende Vereinbarung noch waumlhrend des laufenden Arbeits-verhaumlltnisses getroffen werde Nach Auffassung des Gerichts war im urspruumlnglichen Arbeitsvertrag der erforderliche Bezug zur Regelalters-grenze hergestellt Es sei unschaumldlich dass das Ende des Arbeitsverhaumllt-nisses vorliegend nicht exakt mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze zusammenfalle da es jedenfalls bei Hochschullehrern uumlblich sei das Arbeitsverhaumlltnis nicht waumlhrend des laufenden Semesters zu beenden sondern erst mit dessen Abschluss Problematisch war aber dass beim erstmaligen Hinausschieben zugleich auch die Arbeitszeit reduziert wurde Das ArbG entschied dass das bdquoHinausschiebenrdquo eine gleichzeiti-ge Aumlnderung der Vertragsbedingungen zulaumlsst anders als bei sonstigen bdquonormalenrdquo Befristungen ohne Sachgrund sect 41 S 3 SGB VI solle es Ar-beitgeber und Arbeitnehmer ermoumlglichen das Beschaumlftigungsverhaumllt-nis auch nach Erreichen der Regelaltersgrenze einvernehmlich und fuumlr einen von vorn herein festgelegten Zeitraum fortzusetzen Daher sei es sachgerecht eine Reduzierung der Arbeitszeit zuzulassen da nur so die Moumlglichkeit fuumlr einen flexiblen Uumlbergang von der Erwerbstaumltigkeit zum Renteneintritt bestehe

Das mehrfache Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts wie von sect 41 S 3 SGB VI vorgesehen sei auch mit Europarecht vereinbar Dies-bezuumlglich entschied das LAG Niedersachen etwas zuruumlckhaltender dass zumindest das einmalige Hinausschieben europarechtskonform sei

Konsequenzen fuumlr die PraxisDie Entscheidung des ArbG Karlsruhe ermoumlglicht eine praxisgerechte Handhabung der Beschaumlftigung von Rentnern Ob sich die Linie des ArbG Karlsruhe durchsetzt bleibt aber abzuwarten da die Rechtsfra-ge ob im Rahmen von sect 41 S 3 SGB VI zugleich Arbeitsbedingungen geaumlndert werden duumlrfen in der juristischen Literatur weiter umstritten bleibt Fuumlr bereits abgeschlossene Vertraumlge kann aber im Streitfall auf das Urteil verwiesen werden Das vergleichbare bereits erwaumlhnte Ver-fahren vor dem LAG Niedersachsen ist bereits beim BAG unter dem Aktenzeichen 7 AZR 7017 anhaumlngig

PraxistippArbeitgeber sind gut beraten die Entwicklung der Rechtsprechung weiterhin im Auge zu behalten Wer kein Risiko eingehen will sollte sich bis zu einer houmlchstrichterlichen Klaumlrung auf ein einmaliges Hi-nausschieben des Beendigungsdatums beschraumlnken Zudem sollten Unternehmen Aumlnderungen von Arbeitsbedingungen nicht gleich-zeitig vornehmen sondern sie zeitlich versetzt vereinbaren soweit sie fuumlr erforderlich gehalten werden

Dr Roland KleinRechtsanwalt und Fachanwalt fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft Berlin

Im Blickpunkt

Entgelttransparenzgesetz Der Auskunftsanspruch kommt - wichtige To-dos bis zum 6 Januar 2018

Das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) ist seit dem 6 Juli 2017 in Kraft Es gilt als bdquouumlberfluumlssiges Buumlrokratiemonsterrdquo das zwar mit der Durchsetzung des Gebots der gleichen Entlohnung von Frauen und Maumlnnern ein gut gemeintes Ziel verfolgt Gut gemeint ist jedoch be-kanntlich nicht immer auch gut gemacht Es darf durchaus bezweifelt werden dass das Gesetz seinen Zweck erreichen wird Klar ist jeden-falls dass es Arbeitnehmern in Betrieben mit mehr als 200 Beschaumlf-tigten erstmals ab dem 6 Januar 2018 ermoumlglichen wird einen Aus-kunftsanspruch uumlber die Kriterien und das Verfahren zur Festlegung des Entgelts und dessen Houmlhe zu stellen (sect 10 EntgTranspG) vgl auch zu allem Springer BEITEN BURKHARDT Newsletter Arbeitsrecht Ausgabe Maumlrz 2017 Seite 7 f

Das Ende der sechsmonatigen bdquoSchonfristrdquo bis zum 6 Januar 2018 naht bereits Unternehmen mit Betrieben () mit mehr als 200 Mitar-beitern muumlssen daher jetzt handeln um sich vor boumlsen Uumlberraschun-gen zu schuumltzen Dabei stellen sich vor allem die Fragen ob nach dem 6 Januar 2018 eine unterschiedliche Verguumltung noch moumlglich ist und wie sich Arbeitgeber bis zum 6 Januar 2018 auf potenzielle Aus-kunftsanspruumlche vorbereiten sollten

Ist eine unterschiedliche Verguumltung noch moumlglich

Nach sect 7 EntgTranspG darf in einem Beschaumlftigungsverhaumlltnis allein auf-grund des Geschlechts fuumlr gleiche oder gleichwertige Arbeit kein geringe-res Entgelt vereinbart bzw ausgezahlt werden Das bedeutet im Umkehr-schluss dass eine unterschiedliche Verguumltung dann weiterhin moumlglich ist wenn die Arbeit nicht gleich oder gleichwertig ist Wann aber ist eine Ar-beit gleich oder gleichwertig Das ist der Fall wenn sie sich weder nach ihrer Art ihren Ausbildungsanforderungen undoder ihren Arbeitsbedin-gungen von der Arbeit des Kollegen bzw der Kollegin unterscheidet (sect 4 Abs 2 EntgTranspG)

PraxistippVor diesem Hintergrund sollten neu zu besetzende Stellen im Betrieb moumlglichst individuell bezeichnet und Stellenausschreibungen individuell formuliert werden

Eine unterschiedliche Verguumltung ist weiterhin und immer dann moumlglich wenn Regeln zur Entgeltfestsetzung bdquodurch ein rechtmaumlszligiges Ziel sach-lich gerechtfertigt und die Mittel angemessen und erforderlich sindrdquo

PraxistippEs empfiehlt sich daher stets sachliche Gruumlnde wie arbeitsmarkt- leis-tungs- und arbeitsergebnisbezogene Kriterien fuumlr die houmlhere Bezahlung zu dokumentieren Dies koumlnnen zum Beispiel sein houmlheres Dienstalter (Honorierung der Berufserfahrung) koumlrperliche Anforderungen Ge-schicklichkeit und Stressbelastung etc Bei Verguumltungsverhandlungen sollte der Arbeitgeber die Gruumlnde schriftlich niederlegen weshalb eine sachgerechte Mehrbezahlung erfolgen soll etwa Fahrtkosten Umzugs-kosten Kindergartenzulage und Boni

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

Zu beachten ist weiterhin dass eine Auskunft des Arbeitnehmers zum Schutz personenbezogener Daten auch nur dann verlangt werden kann wenn eine Vergleichstaumltigkeit von mindestens sechs Mitarbeiterninnen des jeweils anderen Geschlechts ausgeuumlbt wird (sect 12 Abs 3 EntgTranspG)Arbeiten in der Vergleichsgruppe etwa fuumlnf Frauen und 15 Maumlnner und macht eine Frau den Auskunftsanspruch geltend wird der statistische Mittelwert des Entgelts der 15 Maumlnner als Vergleichswert gebildet Ein Mann koumlnnte in diesem Fall keine Auskunft uumlber den Mittelwert verlan-gen da weniger als sechs Frauen die Vergleichstaumltigkeit ausuumlben

PraxistippPotenzielle Vergleichsgruppen sollten daher kleinstmoumlglich d h unter sechs Mitarbeitern gehalten werden

Wie sollten sich Arbeitgeber auf potenzielle Auskunftsanspruumlche vorbereiten

Ab dem 6 Januar 2018 drohen die ersten Auskunftsanspruumlche Es waumlre verfehlt hierauf nicht vorbereitet zu sein Zusaumltzlich zu den genannten Empfehlungen sollte daher spaumltestens jetzt mit der Erstellung einer Dokumentation zu etwaigen Entgeltunterschieden bei der Belegschaft begonnen werden um nicht in Zeitnot bei der Beantwortung der ersten Auskunftsverlangen zu kommen

PraxistippDie bis zum 6 Januar 2018 verbleibende bdquoSchonfristrdquo sollte genutzt werden um Entgeltunterschiede zu identifizieren Sofern solche Unter-schiede bestehen sollten Unternehmen dokumentieren wodurch die unterschiedliche Verguumltung gerechtfertigt ist (z B durch die o g Krite-rien wie houmlheres Dienstalter etc)

Besonders prekaumlr Unternehmen die weder tarifgebunden sind noch Tarifvertraumlge anwenden droht das Damoklesschwert einer sog Be-weislastumkehr Wenn solche Unternehmen die Auskunftsverlangen nicht innerhalb von drei Monaten beantworten ist der Arbeitgeber im Streitfall zur Uumlberzeugung des Gerichts beweispflichtig dass kein Verstoszlig gegen das Entgeltgleichheitsgebot vorliegt (sect 15 Abs 5 EntgTranspG) Es wird also ein Verstoszlig vermutet der sich durch die Arbeitgeber oft nur schwer widerlegen lassen duumlrfte Gerade solche Unternehmen die nicht tarifgebunden sind und keine Tarifvertraumlge anwenden sollten sich im besonderen Maszlige auf die drohenden Aus-kunftsanspruumlche vorbereiten um nicht in Beweisnoumlte zu kommen

Sofern Unternehmen im Rahmen der Vorbereitungen nicht zu recht-fertigende Entgeltunterschiede auffinden ist zu untersuchen ob sich die Differenzen ggf anlaumlsslich kommender Gehaltsrunden nivellieren lassen

PraxistippWenn moumlglich sollten die kommenden Gehaltsrunden genutzt werden um nicht zu rechtfertigende Entgeltdifferenzen auszugleichen Dies gilt insbesondere fuumlr etwaige zum Jahreswechsel 201718 anstehenden Gehaltsrunden

Zuletzt noch ein wichtiges technisches Detail zum Auskunftsverfah-ren Nach der Intention des Gesetzgebers sollen die Auskuumlnfte ur-

spruumlnglich in einem Betrieb mit Betriebsrat ausschlieszliglich durch die-ses Gremium (und nicht durch die Arbeitgeber) erteilt werden Zum Ende des Gesetzgebungsverfahrens wurde dem Arbeitgeber aber ein Optionsrecht gegeben Auch er kann nun die Adressatenstellung fuumlr den Auskunftsanspruch durch einseitige Erklaumlrung jedoch nach Er-laumluterung gegenuumlber dem Betriebsrat fuumlr die Dauer der Amtszeit des Betriebsrats uumlbernehmen (sect 14 Abs 2 EntgTranspG)

PraxistippViele Arbeitgeber mit Betriebsraumlten duumlrften gut beraten sein die Adres-satenstellung fuumlr den Auskunftsanspruch zu uumlbernehmen Unterneh-men sollten daher nicht abwarten bis sie das erste Auskunftsverlangen ereilt sondern zuumlgig und noch innerhalb der bdquoSchonfristrdquo entscheiden ob sie die Auskunftsverlangen uumlbernehmen wollen

FazitNeben den genannten Punkten gibt es noch eine Reihe weiterer To-dos die sich aus dem Inkrafttreten des EntgTranspG ergeben Arbeitgeber sollten sie sammeln und dann sauber abarbeiten damit die bdquoSchonfristrdquo bis zum 6 Januar 2018 nicht ungenutzt verstreicht

Dr Nina Springer LLM Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltin fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Henrik Luumlthge Rechtsanwalt Fachanwalt fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Duumlsseldorf

Hinweis Dieser Beitrag ist in einer aumlhnlichen Form in der Zeitschrift Personalpraxis und Recht (PuR) Ausgabe Juni 2017 Seiten 131 ff erschienen

Update Das Betriebsrentenstaumlrkungsgesetz ist beschlossene Sache

Bereits im BEITEN BURKHARDT Newsletter Arbeitsrecht Ausgabe Maumlrz 2017 Seite 11 hatten wir detailliert uumlber den Gesetzgebungstand zum Betriebsrentenstaumlrkungsgesetz (BRSG) berichtet Nachdem zwi-schenzeitlich doch Unsicherheiten aufgekommen waren ob das Gesetz noch verabschiedet wuumlrde haben es Bundestag und Bundesrat im Juni bzw Juli nun beschlossen Hierbei hat es auch in letzter Sekunde noch wichtige Aumlnderungen gegeben

Wichtiges fuumlr neue VersorgungszusagenDas sogenannte Sozialpartnermodell ist mit dem BRSG als neue Form

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

der betrieblichen Altersversorgung Gesetz geworden Es ist etwas an-deres als die bislang im Betriebsrentengesetz (BetrAVG) vorgesehenen Kombinationsmoumlglichkeiten aus fuumlnf Durchfuumlhrungswegen (Direkt-zusage Unterstuumltzungskasse Pensionskasse Pensionsfonds und Di-rektversicherung) und drei Zusagemodellen (Leistungszusage Beitrags-zusage mit Mindestleistung und beitragsorientierte Leistungszusage) und bietet nun erstmals die Moumlglichkeit einer reinen Beitragszusage Die Pflichten des Arbeitgebers beschraumlnken sich dann auf die Entrich-tung der zugesagten Beitraumlge (z B aus Entgeltumwandlung) an einen externen Versorgungstraumlger (Pensionskasse Direktversicherung oder Pensionsfonds) Eine bestimmte Versorgungsleistung wird vom Ar-beitgeber nicht zugesagt und darf auch vom Versorgungstraumlger nicht zugesagt werden ndash bdquoGarantieverbotrdquo Versprochen ist allein eine soge-nannte bdquoZielrenterdquo deren Houmlhe und deren Entwicklung abhaumlngig von der Vermoumlgens- und Ertragslage bzw -entwicklung der Versorgungs-einrichtung sein sollen

Da der Arbeitgeber weitgehend befreit ist und eine Absicherung der Ar-beitnehmerinteressen nicht mehr durch eine Garantieleistung gewahrt ist macht das BRSG der Einfuumlhrung von reinen Beitragszusagen ver-schiedene Auflagen Die reine Beitragszusage muss auf Vereinbarungen der Tarifvertragsparteien beruhen die sich auch an der Durchfuumlhrung und Steuerung der Versorgungseinrichtung beteiligen muumlssen Zudem soll die Versorgungseinrichtung einer engen Beaufsichtigung durch die BaFin unterliegen Zuletzt muss der Arbeitgeber einen Risikoauf-schlag (mindestens 15 Prozent) fuumlr entgeltumwandlungsfinanzierte reine Beitragszusagen leisten Arbeitgeber und Beschaumlftigte die nicht tarifgebunden sind sollen vereinbaren koumlnnen dass die einschlaumlgigen Tarifvertraumlge auch fuumlr sie gelten Die Tarifvertragsparteien muumlssen zu-dem ihre Versorgungseinrichtungen fuumlr nicht organisierte Arbeitgeber und Arbeitnehmer oumlffnen

Bestehende EntgeltumwandlungssystemeDie wesentlichste Neuerung im Vergleich zum Stand im Maumlrz ist dass Arbeitgeber auch in bestehenden entgeltumwandlungsfinanzierten Versorgungssystemen zukuumlnftig gesetzlich verpflichtet werden Sozial-versicherungsersparnisse als Zusatzbeitrag an Arbeitnehmer weiter-zugeben Nach einer in letzter Sekunde in das BRSG aufgenommenen Regelung muumlssen Arbeitgeber auch bei bestehenden Entgeltumwand-lungssystemen zukuumlnftig 15 Prozent des umgewandelten Entgelts zu-saumltzlich als Arbeitgeberzuschuss leisten wenn die Entgeltumwandlung uumlber einen Pensionsfonds die Pensionskasse oder die Direktversiche-rung durchgefuumlhrt wird Fuumlr individual- und kollektivrechtliche Entgelt-umwandlungsvereinbarungen die vor dem 1 Januar 2019 geschlossen worden sind gilt die Zuschusspflicht erst ab dem 1 Januar 2022

bdquoOpting OutrdquoAn der Einfuumlhrung der Regelungen zu bdquoOpting outrdquo-Modellen hat es hingegen keine wesentlichen Veraumlnderungen gegeben Nach dem BRSG wird es zulaumlssig sein dass die Teilnahme an der Entgeltumwandlung fuumlr alle Beschaumlftigten oder Gruppen von Beschaumlftigten eines Arbeitgebers durch tarifvertragliche Regelung oder aufgrund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung als Regelfall auch ohne Teilnah-meerklaumlrung des Arbeitnehmers vorgesehen wird Die Nichtteilnahme erfordert dann ein bdquoOpting Outrdquo in Form eines Widerspruchs des Arbeit-nehmers Auch nichttarifgebundene Arbeitgeber koumlnnen ein einschlauml-giges tarifvertragliches Optionssystem anwenden oder aufgrund eines

einschlaumlgigen Tarifvertrags durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung die Einfuumlhrung eines Optionssystems regeln

Aumlnderungen des steuerrechtlich anerkannten Dotierungsrahmens und steuerliche Arbeitgeberfoumlrderung Im Wesentlichen unveraumlndert geblieben sind auch die Vorhaben zum steuerrechtlich anerkannten Dotierungsrahmen und zur steuer-lichen Arbeitgeberfoumlrderung sowie zur Steigerung der Arbeitnehmer-attraktivitaumlt Das Gesetz bringt auch einen geaumlnderten steuerfreien Dotierungsrahmen fuumlr Zahlungen des Arbeitgebers an externe Ver-sorgungstraumlger mit sich Statt bisher vier Prozent gilt fuumlr Beitraumlge an Pensionskassen Pensionsfonds oder Direktversicherungen nach dem BRSG eine einheitliche prozentuale Grenze von nun acht Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung Die Moumlglichkeit der Fortfuumlhrung einer Pauschalbesteuerung soll in Altfaumlllen unter Anrechnung auf den steuerfreien Dotierungsrahmen von acht Prozent bestehen bleiben

Zudem fuumlhrt das BRSG eine Foumlrderung fuumlr arbeitgeberfinanzierte Ver-sorgungszusagen fuumlr Arbeitnehmer mit niedrigen Einkommen ein Als Geringverdiener sind hierbei Beschaumlftigte mit einem monatlichen Brutto-einkommen von bis zu 2200 EUR definiert

Im Bereich der Arbeitnehmerattraktivitaumlt gerade auch fuumlr Arbeitnehmer mit geringen Einkommen steigt die Grundzulage bei der Riester-Rente von derzeit 15400 auf 17500 EUR Betriebs- und Riester-Renten sol-len in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nicht mehr voll angerechnet werden Anrechnungsfrei bleiben Leistungen aus einer zusaumltzlichen Altersvorsorge in Houmlhe eines Sockelbetrages von 100 EUR zuzuumlglich 30 Prozent des uumlbersteigenden Einkommens aus einer zusaumltzlichen Altersvorsorge Die Obergrenze betraumlgt 50 Prozent der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu sect 28 des zwoumllften Buchs Sozialgesetzbuch ndash derzeit (2017) 20450 EUR

Joumlrn Manhart Rechtsanwalt BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Duumlsseldorf

Kurzmeldungen

Ruumlckkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit kommt vorerst nicht

Das geplante Gesetz nach dem Beschaumlftigte die ihre Arbeitszeit vo-ruumlbergehend verringern moumlchten nach der Teilzeitphase wieder zur urspruumlnglichen Arbeitszeit zuruumlckkehren koumlnnen (vgl Fink im BEITEN BURKHARDT Newsletter Arbeitsrecht Ausgabe Maumlrz 2017 Sei-te 6) wird nicht mehr im Bundeskabinett besprochen werden Das er-gibt sich aus uumlbereinstimmenden Medienberichten Der Gesetzentwurf von Angela Nahles ist damit in dieser Legislaturperiode gescheitert

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

BEIJING bull BERLIN bull BRUumlSSEL bull DUumlSSELDORF bull FRANKFURT AM MAINMOSKAU bull MUumlNCHEN bull ST PETERSBURG

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Diese Veroumlffentlichung stellt keine Rechtsberatung dar

Wenn Sie diesen Newsletter nicht mehr erhalten moumlchten koumlnnen Sie jederzeit per E-Mail (bitte E-Mail mit Betreff bdquoAb bestellenldquo an MarkusBauerbblawcom) oder sonst gegenuumlber BEITEN BURKHARDT widersprechen

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BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (Herausgeber) Ganghoferstraszlige 33 D-80339 Muumlnchen AG Muumlnchen HR B 155350USt-Idnr DE811218811

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Redaktion (verantwortlich)

Markus Bauer Rechtsanwalt

Redaktionsschluss dieser Ausgabe ist der 23 August 2017

Ihre Ansprechpartner

Berlin bull Kurfuumlrstenstraszlige 72-74 bull 10787 Berlin Dr Dietmar Muumlller-Boruttau RechtsanwaltTel +49 30 26471-319 bull DietmarMueller-Boruttaubblawcom

Duumlsseldorf bull Cecilienallee 7 bull 40474 Duumlsseldorf Christian von Buddenbrock Rechtsanwalt Tel +49 211 518989-190 bull ChristianvonBuddenbrockbblawcom

Frankfurt am Main bull Mainzer Landstraszlige 3660325 Frankfurt am Main Dr Thomas Drosdeck Rechtsanwalt Tel +49 69 756095-115 bull ThomasDrosdeckbblawcom

Muumlnchen bull Ganghoferstraszlige 33 bull 80339 Muumlnchen Dr Christopher Melms Rechtsanwalt Tel +49 89 35065-1143 bull ChristopherMelmsbblawcom

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Mindestloumlhne in der Pflege steigen

Der Pflegemindestlohn steigt ab Januar 2018 auf 1055 EUR im Westen und 1005 EUR im Osten Anfang 2019 und 2020 wird er nochmals er-houmlht Von diesem Mindestlohn profitieren vor allem Pflegehilfskraumlfte Eine entsprechende Verordnung hat das Kabinett passiert Mit der Verordnung gelten fuumlr alle Pflegebetriebe und ihre Beschaumlftigten die bereits im April von der Pflegekommission ausgehandelten Lohnuntergrenzen Das sind 1020 EUR pro Stunde in den alten Bundeslaumlndern 950 EUR in den neuen Bundeslaumlndern Sie gelten auch fuumlr auslaumlndische Pflegeunternehmen die ihre Arbeitskraumlfte nach Deutschland entsenden Die Pflegemindestloumlhne liegen uumlber dem gesetzlichen Mindestlohn von derzeit 884 EUR

(Quelle und weitere Informationen wwwbundesregierungde)

In eigener Sache BB als Kanzlei des Jahres fuumlr Arbeitsrecht nominiert

BEITEN BURKHARDT ist als bdquoKanzlei des Jahresldquo u a im Bereich Arbeits-recht fuumlr die bdquoJUVE-Awardsldquo nominiert worden Mit den JUVE-Awards werden jedes Jahr Kanzleien oder Rechtsabteilungen ausgezeichnet die aufgrund ihrer Arbeit und Marktposition in den Recherchegespraumlchen fuumlr das JUVE-Handbuch als besonders dynamisch aufgefallen sind Es wird dabei besonders auf Empfehlungen von Marktteilnehmern geachtet die sich nicht nur auf fachliche Expertise sondern auch auf strategische Ausrichtung Serviceorientierung und Zukunftspotenzial beziehen Die Preisverleihung findet am 26 Oktober 2017 in Frankfurt statt Weitere Informationen zu den Awards finden Sie unter wwwjuvedeawards

Anstehende BAG-Entscheidungen (September 2017)

20 September 2017

900 Uhr Insolvenzanfechtung minus in der Krise geleistete Arbeitsverguuml-tung minus Inkongruenz aufgrund drohender Zwangsvollstre-ckung

20 September 2017

1030 Uhr Samstag minus Werktag iSd sect 6 TVoumlD-K

20 September 2017

1000 Uhr Berechnung des Nachtzu-schlags und des Urlaubsent-gelts unter Beruumlcksichtigung des MiLoG

26 September 2017

1030 Uhr Gesetzliche Insolvenzsicherung fuumlr Einstandspflicht des Ar-beitgebers nach Herabsetzung einer Pensionskassenrente minus Versicherungsmissbrauch

26 September 2017

1400 Uhr Ruhen eines Ruhegeldan-spruchs bei betragsmaumlszligig houmlherem Hinterbliebenenver-sorgungsanspruch

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

Praxistipp Der Arbeitgeber sollte zur Absicherung ein plausibles Gesamtkonzept zur Bewaumlltigung eines voruumlbergehenden Mehrbedarfs erstellen Das erfordert die Darstellung wie der Bedarf mit Stammarbeitnehmern befristet beschaumlftigten Arbeitnehmern oder gegebenenfalls auf andere Weise ndash etwa durch Leiharbeitnehmer ndash abgedeckt werden sollte Da-mit kann er im Falle eines Rechtsstreits seiner Darlegungspflicht nach-kommen

Dr Kathrin Kentner Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltinfuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Sarah SterflingerRechtsanwaumlltin BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Trotz vereinbarter Notenstufe im Prozessvergleich ndash Formulierung des Arbeitszeugnisses bdquoErmessenssacherdquo

Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 14 Februar 2017 ndash 9 AZB 4916

SachverhaltArbeitnehmer und Arbeitgeber schlossen vor dem Arbeitsgericht im Rah-men eines Kuumlndigungsschutzprozesses einen Vergleich in dem u a Fol-gendes vereinbart wurde

bdquoDie Beklagte erteilt dem Klaumlger ein wohlwollendes qualifiziertes Arbeits-zeugnis mit einer sehr guten Fuumlhrungs- und Leistungsbeurteilung und einer Bedauerns- Dankes- und gute Wuumlnscheformulierung im Schluss-satzrdquo

Der Arbeitgeber erteilte nach Abschluss des Vergleichs ein Zeugnis mit dem sich der Mitarbeiter nicht zufrieden gab Er war der Meinung aus dem Wortlaut ergebe sich keine gute Leistungs- und Fuumlhrungsbeurtei-lung Das Zeugnis weise insgesamt strukturell und inhaltlich groszlige Maumln-gel auf Der Arbeitnehmer forderte deshalb das Unternehmen auf das Zeugnis inhaltlich zu aumlndern was es ablehnte Den vermeintlichen An-spruch auf Zeugnisberichtigung versuchte der Arbeitnehmer anschlie-szligend im Wege der Zwangsvollstreckung aus dem Prozessvergleich durchzusetzen jedoch erfolglos

Die EntscheidungDas BAG gab dem Arbeitgeber Recht und stellte fest dass ein Pro-

zessvergleich der das Unternehmen zur Erteilung eines Zeugnisses mit einer bestimmten Notenstufe verpflichtet nicht den zwangsvoll-streckungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen genuumlge Nach Ansicht des Gerichts bleibt es Sache des Arbeitgebers das Zeugnis im Einzelnen abzufassen wobei die konkrete Formulierung in seinem pflichtgemaumlszligen Ermessen stehe Anders als bei der Verpflichtung ein Zeugnis gemaumlszlig einem Entwurf des Arbeitnehmers zu erteilen laumlsst die Vereinbarung einer bestimmten Notenstufe dem Unternehmen hinsichtlich der Auswahl und Gewichtung einzelner Gesichtspunkte des Umfangs des Zeugnistextes sowie der Formulierung der Leis-tungs- und Fuumlhrungsbeurteilung einen derart weiten Gestaltungs-spielraum dass von einem konkreten vollstreckbaren Leistungsbe-fehl nicht die Rede sein kann

Konsequenzen fuumlr die PraxisDer Arbeitnehmer hat es selbst in der Hand bestimmte Kernformu-lierungen in den Vergleichstext mitaufzunehmen um sicherzustellen dass das Zeugnis einer bestimmten Notenstufe entspricht Auch ist eine Vereinbarung moumlglich dass der Mitarbeiter berechtigt ist einen Entwurf zu erstellen von dem der Arbeitgeber nur aus wichtigen Gruumlnden abweichen kann Hierdurch kann ein weiterer Rechtsstreit vermieden werden Die Regelung in einem gerichtlichen Vergleich in der sich der Arbeitgeber zur Erteilung eines Zeugnisses verpflich-tet das einer bestimmten Note (bdquosehr gutldquo oder bdquogutldquo) entspricht ist jedenfalls fuumlr eine Vollstreckung zu unbestimmt Ist eine solche Vereinbarung getroffen worden kann der Arbeitnehmer im Wege der Zwangsvollstreckung nur dann eine Berichtigung des Zeugnisses erwirken wenn das Zeugnis formal nicht ordnungsgemaumlszlig erteilt wor-den oder erkennbar unvollstaumlndig ist

PraxistippDie vorliegende Entscheidung zeigt dass Arbeitgeber einem Berichti-gungswunsch eines Mitarbeiters im Hinblick auf die Formulierung des Arbeitszeugnisses nicht unbedingt nachkommen muumlssen auch wenn im Prozessvergleich eine Notenstufe vereinbart wurde Vielmehr obliegt es dem Arbeitgeber in einem solchen Fall die konkreten Formulierungen nach pflichtgemaumlszligem Ermessen auszuwaumlhlen Der Mitarbeiter kann die inhaltliche Berichtigung des Zeugnisses dann nicht mehr im Vollstre-ckungsverfahren durchsetzen sondern ist gehalten erneut Klage zu er-heben Moumlchte sich das Unternehmen bei der Formulierung des Arbeits-zeugnisses einen Spielraum vorbehalten spricht weiterhin nichts gegen die Vereinbarung einer bestimmten Zeugnisnote im Vergleich

Sonja Muumlller Rechtsanwaumlltin BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

Entlassungsverlangen des Betriebsrats

Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 28 Maumlrz 2017 ndash 2 AZR 55116

SachverhaltDer Betriebsrat eines Versicherungsunternehmens hatte den Arbeitgeber zur Entlassung einer Sachbearbeiterin aufgefordert Diese war in mehre-re ndash dem Vernehmen nach handgreifliche ndash Vorfaumllle mit Kollegen verwi-ckelt gewesen worin man eine erhebliche Stoumlrung des Betriebsfriedens sah Der Arbeitgeber kam dem Verlangen nicht nach daher leitete der Betriebsrat ein gerichtliches Verfahren (sogenanntes Beschlussverfah-ren) ein An diesem wurde auch die betroffene Arbeitnehmerin beteiligt Nachdem das Arbeitsgericht dem Unternehmen rechtskraumlftig aufgege-ben hatte die Mitarbeiterin zu entlassen erhielt diese eine auszligerordent-liche hilfsweise ordentliche Kuumlndigung gegen die sie sich zur Wehr setzte zuletzt vor dem BAG

Die EntscheidungDas BAG sah in der Verpflichtung zur Entlassung wie schon die Vorinstan-zen ein dringendes betriebliches Erfordernis das eine ordentliche Kuumlndi-gung rechtfertigen kann Ein wichtiger Grund fuumlr eine auszligerordentliche Kuumlndigung sei darin hingegen nicht zu sehen Insbesondere beginne die Zwei-Wochen-Frist fuumlr den Ausspruch einer auszligerordentlichen Kuumlndi-gung nicht erst mit Kenntnis von der Entscheidung des Arbeitsgerichts

Konsequenzen fuumlr die PraxisDie Entscheidung zeigt dass das Beschlussverfahren quasi einen vor-gezogenen Kuumlndigungsschutzprozess beinhaltet da es in mehrerlei Hinsicht fuumlr die Beteiligten ndash darunter den betroffenen Arbeitnehmer ndash praumljudizielle Wirkung hat Dem Betroffenen ist im Kuumlndigungsschutz-verfahren die Argumentation abgeschnitten dass es an einem dringen-den betrieblichen Erfordernis fehlt Zieht umgekehrt der Arbeitgeber in Betracht das im Entlassungsverlangen angesprochene Problem bereits durch eine Versetzung loumlsen zu koumlnnen muss er bereits im Beschluss-verfahren darauf hinwirken dass ihm allenfalls diese Maszlignahme ndash an-stelle einer Entlassung ndash aufgegeben wird

PraxistippNicht moumlglich ist es die Kuumlndigungsgruumlnde durch eine Abmahnung bdquozu verbrauchenldquo weil der Arbeitgeber damit zwar auf sein Recht zum Ausspruch einer Kuumlndigung nicht aber auf die Rechte des Betriebs-rats verzichten kann Andere Gruumlnde die gegen die Wirksamkeit einer solchen Kuumlndigung angefuumlhrt werden koumlnnen bleiben dadurch im Uumlb-rigen unberuumlhrt d h das Entlassungsverlangen kann beispielsweise keinen Sonderkuumlndigungsschutz (z B eines Schwerbehinderten) auf-heben Auch eine Entscheidung im Beschlussverfahren macht eine sol-che Kuumlndigung daher nicht zu einem bdquoSelbstlaumluferldquo

Anekdote am RandeErfolglos muss ein entsprechendes Begehren im Beschlussverfahren bleiben soweit es sich gegen einen Geschaumlftsfuumlhrer richtet Vor dem Landesarbeitsgericht Hamm (Beschuss vom 2 August 2016 minus 7 TaBV 1116) hatte ein Betriebsrat argumentiert dass aus Gruumlnden der eu-roparechtskonformen Auslegung ein weiter Arbeitnehmerbegriff gel-te und daher auch Geschaumlftsfuumlhrer bdquobetriebsstoumlrende Arbeitnehmerldquo sein koumlnnten Dieser bdquotrickreichenldquo Argumentation folgte das Gericht

aber nicht Die weite Auslegung dient dem Arbeitnehmerschutz ndash und nicht der Erweiterung der Rechte des Betriebsrats

Dr Franziska von Kummer LLM MCL Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltin fuumlr Arbeitsrecht Dipl-Kffr Dipl-Vw BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Berlin

(Kein) Anspruch des Arbeitnehmers auf Durchfuumlhrung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens

Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 21 Februar 2017 ndash 1 AZR 36715

SachverhaltDer Arbeitnehmer sollte in einen anderen Betrieb versetzt werden Der Betriebsrat des aufnehmenden Betriebs verweigerte hierzu allerdings die Zustimmung Die Arbeitgeberin fuumlhrte sodann nicht das dafuumlr vorgese-hene gerichtliche Verfahren mit dem Ziel durch die Zustimmung zu er-setzen Der Arbeitnehmer klagte die Arbeitgeberin zu verpflichten dieses Zustimmungsersetzungsverfahren durchzufuumlhren um seine Beschaumlfti-gung in dem anderen Betrieb zu ermoumlglichen

EntscheidungDas BAG wies die Klage zuruumlck Es bestaumltigte seine Rechtsprechung in-sofern dass ein Arbeitnehmer bei Verweigerung der Zustimmung durch den Betriebsrat vom Arbeitgeber die Einleitung eines Zustimmungs-ersetzungsverfahrens nur in dem (Ausnahme-)Fall verlangen koumlnne wenn sich der Arbeitgeber zur Durchfuumlhrung dieses Verfahrens im Wege einer Selbstbindung verpflichtet habe fuumlr die Annahme einer solchen Selbstbindung muumlssten allerdings besondere Anhaltspunkte gegeben sein (BAG vom 16 Maumlrz 2010 ndash 3 AZR 3109) Weiter koumlnne ein An-spruch auf Durchfuumlhrung eines derartigen Verfahrens ausnahmsweise in Betracht kommen wenn ein fuumlr den Arbeitnehmer nachteiliges Zu-sammenwirken zwischen den Betriebsparteien vorlaumlge was vorliegend nicht der Fall war (vgl hierzu u a die vorgenannte BAG-Entscheidung) Im Fall eines schwerbehinderten Menschen verpflichte der in sect 81 Abs 4 S 1 Nr 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch verankerte Beschaumlf-tigungsanspruch fuumlr diese Arbeitnehmergruppe den Arbeitgeber das gerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren durchzufuumlhren wenn er erkennt dass die geltend gemachten Zustimmungsverweige-rungsgruumlnde tatsaumlchlich nicht vorliegen (BAG vom 3 Dezember 2002 ndash 9 AZR 48101) Eine Schwerbehinderung lag hier jedoch auch nicht vor

Nach Auffassung des BAG ergibt sich ein solcher Anspruch des Arbeit-nehmers auch nicht generell aus der arbeitsvertraglichen Ruumlcksichtnah-mepflicht Denn diese verlange vom Arbeitgeber nicht eigene schutz-wuumlrdige Belange hinten anzustellen also beispielsweise einen Rechts-streit fuumlhren zu muumlssen Der Arbeitnehmer sei nicht schutzlos gestellt da fuumlr die Dauer der Nichtbeschaumlftigung ein sogenannter Annahme-verzugslohn geschuldet werde und der Arbeitgeber im Rahmen seiner vertraglichen Verpflichtungen dennoch gehalten sein kann dem Arbeit-nehmer eine andere Taumltigkeit zuzuweisen

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

PraxistippNach Ansicht des BAG haben Arbeitnehmer nur im Ausnahmefall ei-nen Anspruch auf Durchfuumlhrung eines gerichtlichen Zustimmungs-ersetzungsverfahrens wenn der Betriebsrat die Zustimmung zu ei-ner personellen Maszlignahme (Versetzung Einstellung etc) verweigert Wichtig fuumlr die Praxis duumlrfte der Fall sein dass der Arbeitnehmer ei-nen derartigen Durchfuumlhrungsanspruch hat wenn es sich um einen schwerbehinderten Arbeitnehmer handelt Selbst wenn ein Anspruch auf Durchfuumlhrung nicht besteht empfiehlt es sich fuumlr einen Arbeitge-ber der ein Zustimmungsersetzungsverfahren nicht fuumlhren will sein Weisungsrecht ndash wenn rechtlich moumlglich ndash erneut auszuuumlben um nicht Annahmeverzugslohn zahlen zu muumlssen ohne eine entspre-chende Arbeitsleistung des Arbeitsnehmers zu erhalten

Dr Sarah Reinhardt Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltin fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Fristlose Kuumlndigung bei grober Beleidigung auch im langjaumlhrigen Arbeitsverhaumlltnis rechtens

Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein vom 24 Januar 2017 ndash 3 Sa 24416

SachverhaltDer Arbeitnehmer war als einer von fuumlnf Mitarbeitern seit 1992 in ei-nem Familienunternehmen beschaumlftigt Waumlhrend einer Besprechung kam es zu einem Streit zwischen ihm den beiden Geschaumlftsfuumlhrern und deren Vater dem ehemaligen Geschaumlftsfuumlhrer Am Ende des Gespraumlchs als der Arbeitnehmer das Buumlro verlassen wollte kommentierte der aktu-elle Geschaumlftsfuumlhrer das Geschehen mit bdquoKinderkramrdquo Am Morgen des naumlchsten Tages suchte der Arbeitnehmer die Geschaumlftsfuumlhrer erneut auf Es kam zum Wortgefecht in dessen Verlauf der Arbeitnehmer aumluszligerte dass sich der Seniorgeschaumlftsfuumlhrer am Vortag wie ein bdquoArschrdquo verhalten habe und der Geschaumlftsfuumlhrer auf bestem Wege sei seinem Vater (dem Seniorgeschaumlftsfuumlhrer) den Rang abzulaufen Im Weiteren aumluszligerte einer der Geschaumlftsfuumlhrer dass sie im Falle einer Kuumlndigung als bdquosoziale Arsch-loumlcherrdquo dastuumlnden Der Klaumlger erwiderte dass die Firma dies bereits sei Noch am selben Abend wurde der Arbeitnehmer freigestellt Da er sich auch in der Folgezeit nicht entschuldigte kuumlndigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhaumlltnis fristlos

Die EntscheidungDas LAG Schleswig-Holstein hat die Kuumlndigungsschutzklage abge-wiesen Die Aumluszligerungen des Arbeitnehmers gegenuumlber dem Senior-geschaumlftsfuumlhrer sowie dem Geschaumlftsfuumlhrer stellten eine grobe Beleidigung dar die eine fristlose Kuumlndigung auch ohne vorherige Abmahnung rechtfertige Es handelte sich hierbei um gezielte ehr-verletzende und nicht gerechtfertigte Beschimpfungen der Ge-schaumlftsfuumlhrer die auch nicht mehr auf einer Affektsituation durch die streitigen und ndash gegebenenfalls ndash provokanten Aumluszligerungen der Ge-schaumlftsfuumlhrer vom Vortag beruhten die bereits 16 Stunden zuruumlck-lagen Aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung sowie der fehlen-

den Einsicht seines Fehlverhaltens sei der Arbeitnehmer auch nicht vor Ausspruch der Kuumlndigung abzumahnen Im Rahmen der Interes-senabwaumlgung sei zwar die lange Betriebszugehoumlrigkeit zu beachten jedoch uumlberwiege aufgrund der emotionalen Naumlhe im vorliegenden Familienbetrieb das Interesse des Arbeitgebers an der Vertragsbe-endigung Hierbei so das LAG sei ebenfalls die fehlende Entschuldi-gung des Arbeitnehmers die auch im Prozess ausblieb von geson-dertem Gewicht

Konsequenzen fuumlr die PraxisObwohl es sich um einen Einzelfall handelt laumlsst sich aus dieser Ent-scheidung in Bezug auf grobe Beleidigungen des Arbeitgebers undoder dessen Vertretern eine Bestaumltigung der staumlndigen Rechtspre-chung ableiten Je nach Intensitaumlt kann bei groben Beleidigungen eine fristlose Kuumlndigung auch bei langjaumlhriger Betriebszugehoumlrigkeit gerechtfertigt sein Laumlsst das Verhalten des Arbeitnehmers weitere Vertragsverletzungen befuumlrchten und zeigt der Arbeitnehmer keiner-lei Einsichtsfaumlhigkeit so ist eine vorherige Abmahnung nicht erfor-derlich

PraxistippArbeitgeber sollten bei derartigen Vorfaumlllen einen bdquokuumlhlen Kopfrdquo be-wahren und das Verhalten des Arbeitnehmers in jedem Fall dokumen-tieren Je nach Intensitaumlt der Beleidigung kann unmittelbar gekuumlndigt oder zumindest mit einer Abmahnung reagiert werden

Inka Adam Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltin fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Frankfurt

Weiterarbeit nach Erreichen des Rentenalters ndash gleitender Uumlbergang oder Befristungsfalle fuumlr Arbeitgeber

Arbeitsgericht (ArbG) Karlsruhe vom 27 April 2016 ndash 3 Ca 2216 zugleich zu Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen vom 29 November 2016 ndash 10 Sa 21816

SachverhaltIm urspruumlnglichen Arbeitsvertrag eines nicht-verbeamteten Hoch-schullehrers war vereinbart dass das Arbeitsverhaumlltnis zum Ende des Semesters enden sollte in dem der Arbeitnehmer das 65 Lebensjahr vollendet konkret zum 30 September 2014 Am 24 Maumlrz 2014 wurde schriftlich vereinbart dass der Arbeitnehmer vom 1 Oktober 2014 bis 31 September 2015 weiterhin fuumlr den Arbeitgeber nun aber mit redu-zierter Arbeitszeit taumltig sein sollte Am 9 Juni 2015 wurde wieder schrift-lich vereinbart dass der Arbeitnehmer nochmals vom 1 Oktober 2015 bis 29 Februar 2016 bei dem Arbeitgeber in Teilzeit weiterbeschaumlftigt werden sollte Eine Verlaumlngerung daruumlber hinaus lehnte der Arbeitgeber ab

Die EntscheidungDas ArbG entschied dass die Befristung zum 29 Februar 2016 wirksam

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

war und das Arbeitsverhaumlltnis zu diesem Zeitpunkt beendete Es liege ein wirksames bdquoHinausschiebenrdquo des Beendigungszeitpunkts nach sect 41 S 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) vor Nach dieser Vorschrift koumlnnen die Parteien durch Vereinbarung das Ende des Ar-beitsverhaumlltnisses hinausschieben wenn der urspruumlngliche Vertrag fuumlr die Beendigung auf das Erreichen der Regelaltersgrenze abstelle und eine entsprechende Vereinbarung noch waumlhrend des laufenden Arbeits-verhaumlltnisses getroffen werde Nach Auffassung des Gerichts war im urspruumlnglichen Arbeitsvertrag der erforderliche Bezug zur Regelalters-grenze hergestellt Es sei unschaumldlich dass das Ende des Arbeitsverhaumllt-nisses vorliegend nicht exakt mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze zusammenfalle da es jedenfalls bei Hochschullehrern uumlblich sei das Arbeitsverhaumlltnis nicht waumlhrend des laufenden Semesters zu beenden sondern erst mit dessen Abschluss Problematisch war aber dass beim erstmaligen Hinausschieben zugleich auch die Arbeitszeit reduziert wurde Das ArbG entschied dass das bdquoHinausschiebenrdquo eine gleichzeiti-ge Aumlnderung der Vertragsbedingungen zulaumlsst anders als bei sonstigen bdquonormalenrdquo Befristungen ohne Sachgrund sect 41 S 3 SGB VI solle es Ar-beitgeber und Arbeitnehmer ermoumlglichen das Beschaumlftigungsverhaumllt-nis auch nach Erreichen der Regelaltersgrenze einvernehmlich und fuumlr einen von vorn herein festgelegten Zeitraum fortzusetzen Daher sei es sachgerecht eine Reduzierung der Arbeitszeit zuzulassen da nur so die Moumlglichkeit fuumlr einen flexiblen Uumlbergang von der Erwerbstaumltigkeit zum Renteneintritt bestehe

Das mehrfache Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts wie von sect 41 S 3 SGB VI vorgesehen sei auch mit Europarecht vereinbar Dies-bezuumlglich entschied das LAG Niedersachen etwas zuruumlckhaltender dass zumindest das einmalige Hinausschieben europarechtskonform sei

Konsequenzen fuumlr die PraxisDie Entscheidung des ArbG Karlsruhe ermoumlglicht eine praxisgerechte Handhabung der Beschaumlftigung von Rentnern Ob sich die Linie des ArbG Karlsruhe durchsetzt bleibt aber abzuwarten da die Rechtsfra-ge ob im Rahmen von sect 41 S 3 SGB VI zugleich Arbeitsbedingungen geaumlndert werden duumlrfen in der juristischen Literatur weiter umstritten bleibt Fuumlr bereits abgeschlossene Vertraumlge kann aber im Streitfall auf das Urteil verwiesen werden Das vergleichbare bereits erwaumlhnte Ver-fahren vor dem LAG Niedersachsen ist bereits beim BAG unter dem Aktenzeichen 7 AZR 7017 anhaumlngig

PraxistippArbeitgeber sind gut beraten die Entwicklung der Rechtsprechung weiterhin im Auge zu behalten Wer kein Risiko eingehen will sollte sich bis zu einer houmlchstrichterlichen Klaumlrung auf ein einmaliges Hi-nausschieben des Beendigungsdatums beschraumlnken Zudem sollten Unternehmen Aumlnderungen von Arbeitsbedingungen nicht gleich-zeitig vornehmen sondern sie zeitlich versetzt vereinbaren soweit sie fuumlr erforderlich gehalten werden

Dr Roland KleinRechtsanwalt und Fachanwalt fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft Berlin

Im Blickpunkt

Entgelttransparenzgesetz Der Auskunftsanspruch kommt - wichtige To-dos bis zum 6 Januar 2018

Das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) ist seit dem 6 Juli 2017 in Kraft Es gilt als bdquouumlberfluumlssiges Buumlrokratiemonsterrdquo das zwar mit der Durchsetzung des Gebots der gleichen Entlohnung von Frauen und Maumlnnern ein gut gemeintes Ziel verfolgt Gut gemeint ist jedoch be-kanntlich nicht immer auch gut gemacht Es darf durchaus bezweifelt werden dass das Gesetz seinen Zweck erreichen wird Klar ist jeden-falls dass es Arbeitnehmern in Betrieben mit mehr als 200 Beschaumlf-tigten erstmals ab dem 6 Januar 2018 ermoumlglichen wird einen Aus-kunftsanspruch uumlber die Kriterien und das Verfahren zur Festlegung des Entgelts und dessen Houmlhe zu stellen (sect 10 EntgTranspG) vgl auch zu allem Springer BEITEN BURKHARDT Newsletter Arbeitsrecht Ausgabe Maumlrz 2017 Seite 7 f

Das Ende der sechsmonatigen bdquoSchonfristrdquo bis zum 6 Januar 2018 naht bereits Unternehmen mit Betrieben () mit mehr als 200 Mitar-beitern muumlssen daher jetzt handeln um sich vor boumlsen Uumlberraschun-gen zu schuumltzen Dabei stellen sich vor allem die Fragen ob nach dem 6 Januar 2018 eine unterschiedliche Verguumltung noch moumlglich ist und wie sich Arbeitgeber bis zum 6 Januar 2018 auf potenzielle Aus-kunftsanspruumlche vorbereiten sollten

Ist eine unterschiedliche Verguumltung noch moumlglich

Nach sect 7 EntgTranspG darf in einem Beschaumlftigungsverhaumlltnis allein auf-grund des Geschlechts fuumlr gleiche oder gleichwertige Arbeit kein geringe-res Entgelt vereinbart bzw ausgezahlt werden Das bedeutet im Umkehr-schluss dass eine unterschiedliche Verguumltung dann weiterhin moumlglich ist wenn die Arbeit nicht gleich oder gleichwertig ist Wann aber ist eine Ar-beit gleich oder gleichwertig Das ist der Fall wenn sie sich weder nach ihrer Art ihren Ausbildungsanforderungen undoder ihren Arbeitsbedin-gungen von der Arbeit des Kollegen bzw der Kollegin unterscheidet (sect 4 Abs 2 EntgTranspG)

PraxistippVor diesem Hintergrund sollten neu zu besetzende Stellen im Betrieb moumlglichst individuell bezeichnet und Stellenausschreibungen individuell formuliert werden

Eine unterschiedliche Verguumltung ist weiterhin und immer dann moumlglich wenn Regeln zur Entgeltfestsetzung bdquodurch ein rechtmaumlszligiges Ziel sach-lich gerechtfertigt und die Mittel angemessen und erforderlich sindrdquo

PraxistippEs empfiehlt sich daher stets sachliche Gruumlnde wie arbeitsmarkt- leis-tungs- und arbeitsergebnisbezogene Kriterien fuumlr die houmlhere Bezahlung zu dokumentieren Dies koumlnnen zum Beispiel sein houmlheres Dienstalter (Honorierung der Berufserfahrung) koumlrperliche Anforderungen Ge-schicklichkeit und Stressbelastung etc Bei Verguumltungsverhandlungen sollte der Arbeitgeber die Gruumlnde schriftlich niederlegen weshalb eine sachgerechte Mehrbezahlung erfolgen soll etwa Fahrtkosten Umzugs-kosten Kindergartenzulage und Boni

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

Zu beachten ist weiterhin dass eine Auskunft des Arbeitnehmers zum Schutz personenbezogener Daten auch nur dann verlangt werden kann wenn eine Vergleichstaumltigkeit von mindestens sechs Mitarbeiterninnen des jeweils anderen Geschlechts ausgeuumlbt wird (sect 12 Abs 3 EntgTranspG)Arbeiten in der Vergleichsgruppe etwa fuumlnf Frauen und 15 Maumlnner und macht eine Frau den Auskunftsanspruch geltend wird der statistische Mittelwert des Entgelts der 15 Maumlnner als Vergleichswert gebildet Ein Mann koumlnnte in diesem Fall keine Auskunft uumlber den Mittelwert verlan-gen da weniger als sechs Frauen die Vergleichstaumltigkeit ausuumlben

PraxistippPotenzielle Vergleichsgruppen sollten daher kleinstmoumlglich d h unter sechs Mitarbeitern gehalten werden

Wie sollten sich Arbeitgeber auf potenzielle Auskunftsanspruumlche vorbereiten

Ab dem 6 Januar 2018 drohen die ersten Auskunftsanspruumlche Es waumlre verfehlt hierauf nicht vorbereitet zu sein Zusaumltzlich zu den genannten Empfehlungen sollte daher spaumltestens jetzt mit der Erstellung einer Dokumentation zu etwaigen Entgeltunterschieden bei der Belegschaft begonnen werden um nicht in Zeitnot bei der Beantwortung der ersten Auskunftsverlangen zu kommen

PraxistippDie bis zum 6 Januar 2018 verbleibende bdquoSchonfristrdquo sollte genutzt werden um Entgeltunterschiede zu identifizieren Sofern solche Unter-schiede bestehen sollten Unternehmen dokumentieren wodurch die unterschiedliche Verguumltung gerechtfertigt ist (z B durch die o g Krite-rien wie houmlheres Dienstalter etc)

Besonders prekaumlr Unternehmen die weder tarifgebunden sind noch Tarifvertraumlge anwenden droht das Damoklesschwert einer sog Be-weislastumkehr Wenn solche Unternehmen die Auskunftsverlangen nicht innerhalb von drei Monaten beantworten ist der Arbeitgeber im Streitfall zur Uumlberzeugung des Gerichts beweispflichtig dass kein Verstoszlig gegen das Entgeltgleichheitsgebot vorliegt (sect 15 Abs 5 EntgTranspG) Es wird also ein Verstoszlig vermutet der sich durch die Arbeitgeber oft nur schwer widerlegen lassen duumlrfte Gerade solche Unternehmen die nicht tarifgebunden sind und keine Tarifvertraumlge anwenden sollten sich im besonderen Maszlige auf die drohenden Aus-kunftsanspruumlche vorbereiten um nicht in Beweisnoumlte zu kommen

Sofern Unternehmen im Rahmen der Vorbereitungen nicht zu recht-fertigende Entgeltunterschiede auffinden ist zu untersuchen ob sich die Differenzen ggf anlaumlsslich kommender Gehaltsrunden nivellieren lassen

PraxistippWenn moumlglich sollten die kommenden Gehaltsrunden genutzt werden um nicht zu rechtfertigende Entgeltdifferenzen auszugleichen Dies gilt insbesondere fuumlr etwaige zum Jahreswechsel 201718 anstehenden Gehaltsrunden

Zuletzt noch ein wichtiges technisches Detail zum Auskunftsverfah-ren Nach der Intention des Gesetzgebers sollen die Auskuumlnfte ur-

spruumlnglich in einem Betrieb mit Betriebsrat ausschlieszliglich durch die-ses Gremium (und nicht durch die Arbeitgeber) erteilt werden Zum Ende des Gesetzgebungsverfahrens wurde dem Arbeitgeber aber ein Optionsrecht gegeben Auch er kann nun die Adressatenstellung fuumlr den Auskunftsanspruch durch einseitige Erklaumlrung jedoch nach Er-laumluterung gegenuumlber dem Betriebsrat fuumlr die Dauer der Amtszeit des Betriebsrats uumlbernehmen (sect 14 Abs 2 EntgTranspG)

PraxistippViele Arbeitgeber mit Betriebsraumlten duumlrften gut beraten sein die Adres-satenstellung fuumlr den Auskunftsanspruch zu uumlbernehmen Unterneh-men sollten daher nicht abwarten bis sie das erste Auskunftsverlangen ereilt sondern zuumlgig und noch innerhalb der bdquoSchonfristrdquo entscheiden ob sie die Auskunftsverlangen uumlbernehmen wollen

FazitNeben den genannten Punkten gibt es noch eine Reihe weiterer To-dos die sich aus dem Inkrafttreten des EntgTranspG ergeben Arbeitgeber sollten sie sammeln und dann sauber abarbeiten damit die bdquoSchonfristrdquo bis zum 6 Januar 2018 nicht ungenutzt verstreicht

Dr Nina Springer LLM Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltin fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Henrik Luumlthge Rechtsanwalt Fachanwalt fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Duumlsseldorf

Hinweis Dieser Beitrag ist in einer aumlhnlichen Form in der Zeitschrift Personalpraxis und Recht (PuR) Ausgabe Juni 2017 Seiten 131 ff erschienen

Update Das Betriebsrentenstaumlrkungsgesetz ist beschlossene Sache

Bereits im BEITEN BURKHARDT Newsletter Arbeitsrecht Ausgabe Maumlrz 2017 Seite 11 hatten wir detailliert uumlber den Gesetzgebungstand zum Betriebsrentenstaumlrkungsgesetz (BRSG) berichtet Nachdem zwi-schenzeitlich doch Unsicherheiten aufgekommen waren ob das Gesetz noch verabschiedet wuumlrde haben es Bundestag und Bundesrat im Juni bzw Juli nun beschlossen Hierbei hat es auch in letzter Sekunde noch wichtige Aumlnderungen gegeben

Wichtiges fuumlr neue VersorgungszusagenDas sogenannte Sozialpartnermodell ist mit dem BRSG als neue Form

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

der betrieblichen Altersversorgung Gesetz geworden Es ist etwas an-deres als die bislang im Betriebsrentengesetz (BetrAVG) vorgesehenen Kombinationsmoumlglichkeiten aus fuumlnf Durchfuumlhrungswegen (Direkt-zusage Unterstuumltzungskasse Pensionskasse Pensionsfonds und Di-rektversicherung) und drei Zusagemodellen (Leistungszusage Beitrags-zusage mit Mindestleistung und beitragsorientierte Leistungszusage) und bietet nun erstmals die Moumlglichkeit einer reinen Beitragszusage Die Pflichten des Arbeitgebers beschraumlnken sich dann auf die Entrich-tung der zugesagten Beitraumlge (z B aus Entgeltumwandlung) an einen externen Versorgungstraumlger (Pensionskasse Direktversicherung oder Pensionsfonds) Eine bestimmte Versorgungsleistung wird vom Ar-beitgeber nicht zugesagt und darf auch vom Versorgungstraumlger nicht zugesagt werden ndash bdquoGarantieverbotrdquo Versprochen ist allein eine soge-nannte bdquoZielrenterdquo deren Houmlhe und deren Entwicklung abhaumlngig von der Vermoumlgens- und Ertragslage bzw -entwicklung der Versorgungs-einrichtung sein sollen

Da der Arbeitgeber weitgehend befreit ist und eine Absicherung der Ar-beitnehmerinteressen nicht mehr durch eine Garantieleistung gewahrt ist macht das BRSG der Einfuumlhrung von reinen Beitragszusagen ver-schiedene Auflagen Die reine Beitragszusage muss auf Vereinbarungen der Tarifvertragsparteien beruhen die sich auch an der Durchfuumlhrung und Steuerung der Versorgungseinrichtung beteiligen muumlssen Zudem soll die Versorgungseinrichtung einer engen Beaufsichtigung durch die BaFin unterliegen Zuletzt muss der Arbeitgeber einen Risikoauf-schlag (mindestens 15 Prozent) fuumlr entgeltumwandlungsfinanzierte reine Beitragszusagen leisten Arbeitgeber und Beschaumlftigte die nicht tarifgebunden sind sollen vereinbaren koumlnnen dass die einschlaumlgigen Tarifvertraumlge auch fuumlr sie gelten Die Tarifvertragsparteien muumlssen zu-dem ihre Versorgungseinrichtungen fuumlr nicht organisierte Arbeitgeber und Arbeitnehmer oumlffnen

Bestehende EntgeltumwandlungssystemeDie wesentlichste Neuerung im Vergleich zum Stand im Maumlrz ist dass Arbeitgeber auch in bestehenden entgeltumwandlungsfinanzierten Versorgungssystemen zukuumlnftig gesetzlich verpflichtet werden Sozial-versicherungsersparnisse als Zusatzbeitrag an Arbeitnehmer weiter-zugeben Nach einer in letzter Sekunde in das BRSG aufgenommenen Regelung muumlssen Arbeitgeber auch bei bestehenden Entgeltumwand-lungssystemen zukuumlnftig 15 Prozent des umgewandelten Entgelts zu-saumltzlich als Arbeitgeberzuschuss leisten wenn die Entgeltumwandlung uumlber einen Pensionsfonds die Pensionskasse oder die Direktversiche-rung durchgefuumlhrt wird Fuumlr individual- und kollektivrechtliche Entgelt-umwandlungsvereinbarungen die vor dem 1 Januar 2019 geschlossen worden sind gilt die Zuschusspflicht erst ab dem 1 Januar 2022

bdquoOpting OutrdquoAn der Einfuumlhrung der Regelungen zu bdquoOpting outrdquo-Modellen hat es hingegen keine wesentlichen Veraumlnderungen gegeben Nach dem BRSG wird es zulaumlssig sein dass die Teilnahme an der Entgeltumwandlung fuumlr alle Beschaumlftigten oder Gruppen von Beschaumlftigten eines Arbeitgebers durch tarifvertragliche Regelung oder aufgrund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung als Regelfall auch ohne Teilnah-meerklaumlrung des Arbeitnehmers vorgesehen wird Die Nichtteilnahme erfordert dann ein bdquoOpting Outrdquo in Form eines Widerspruchs des Arbeit-nehmers Auch nichttarifgebundene Arbeitgeber koumlnnen ein einschlauml-giges tarifvertragliches Optionssystem anwenden oder aufgrund eines

einschlaumlgigen Tarifvertrags durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung die Einfuumlhrung eines Optionssystems regeln

Aumlnderungen des steuerrechtlich anerkannten Dotierungsrahmens und steuerliche Arbeitgeberfoumlrderung Im Wesentlichen unveraumlndert geblieben sind auch die Vorhaben zum steuerrechtlich anerkannten Dotierungsrahmen und zur steuer-lichen Arbeitgeberfoumlrderung sowie zur Steigerung der Arbeitnehmer-attraktivitaumlt Das Gesetz bringt auch einen geaumlnderten steuerfreien Dotierungsrahmen fuumlr Zahlungen des Arbeitgebers an externe Ver-sorgungstraumlger mit sich Statt bisher vier Prozent gilt fuumlr Beitraumlge an Pensionskassen Pensionsfonds oder Direktversicherungen nach dem BRSG eine einheitliche prozentuale Grenze von nun acht Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung Die Moumlglichkeit der Fortfuumlhrung einer Pauschalbesteuerung soll in Altfaumlllen unter Anrechnung auf den steuerfreien Dotierungsrahmen von acht Prozent bestehen bleiben

Zudem fuumlhrt das BRSG eine Foumlrderung fuumlr arbeitgeberfinanzierte Ver-sorgungszusagen fuumlr Arbeitnehmer mit niedrigen Einkommen ein Als Geringverdiener sind hierbei Beschaumlftigte mit einem monatlichen Brutto-einkommen von bis zu 2200 EUR definiert

Im Bereich der Arbeitnehmerattraktivitaumlt gerade auch fuumlr Arbeitnehmer mit geringen Einkommen steigt die Grundzulage bei der Riester-Rente von derzeit 15400 auf 17500 EUR Betriebs- und Riester-Renten sol-len in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nicht mehr voll angerechnet werden Anrechnungsfrei bleiben Leistungen aus einer zusaumltzlichen Altersvorsorge in Houmlhe eines Sockelbetrages von 100 EUR zuzuumlglich 30 Prozent des uumlbersteigenden Einkommens aus einer zusaumltzlichen Altersvorsorge Die Obergrenze betraumlgt 50 Prozent der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu sect 28 des zwoumllften Buchs Sozialgesetzbuch ndash derzeit (2017) 20450 EUR

Joumlrn Manhart Rechtsanwalt BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Duumlsseldorf

Kurzmeldungen

Ruumlckkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit kommt vorerst nicht

Das geplante Gesetz nach dem Beschaumlftigte die ihre Arbeitszeit vo-ruumlbergehend verringern moumlchten nach der Teilzeitphase wieder zur urspruumlnglichen Arbeitszeit zuruumlckkehren koumlnnen (vgl Fink im BEITEN BURKHARDT Newsletter Arbeitsrecht Ausgabe Maumlrz 2017 Sei-te 6) wird nicht mehr im Bundeskabinett besprochen werden Das er-gibt sich aus uumlbereinstimmenden Medienberichten Der Gesetzentwurf von Angela Nahles ist damit in dieser Legislaturperiode gescheitert

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

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Diese Veroumlffentlichung stellt keine Rechtsberatung dar

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BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (Herausgeber) Ganghoferstraszlige 33 D-80339 Muumlnchen AG Muumlnchen HR B 155350USt-Idnr DE811218811

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Redaktion (verantwortlich)

Markus Bauer Rechtsanwalt

Redaktionsschluss dieser Ausgabe ist der 23 August 2017

Ihre Ansprechpartner

Berlin bull Kurfuumlrstenstraszlige 72-74 bull 10787 Berlin Dr Dietmar Muumlller-Boruttau RechtsanwaltTel +49 30 26471-319 bull DietmarMueller-Boruttaubblawcom

Duumlsseldorf bull Cecilienallee 7 bull 40474 Duumlsseldorf Christian von Buddenbrock Rechtsanwalt Tel +49 211 518989-190 bull ChristianvonBuddenbrockbblawcom

Frankfurt am Main bull Mainzer Landstraszlige 3660325 Frankfurt am Main Dr Thomas Drosdeck Rechtsanwalt Tel +49 69 756095-115 bull ThomasDrosdeckbblawcom

Muumlnchen bull Ganghoferstraszlige 33 bull 80339 Muumlnchen Dr Christopher Melms Rechtsanwalt Tel +49 89 35065-1143 bull ChristopherMelmsbblawcom

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Mindestloumlhne in der Pflege steigen

Der Pflegemindestlohn steigt ab Januar 2018 auf 1055 EUR im Westen und 1005 EUR im Osten Anfang 2019 und 2020 wird er nochmals er-houmlht Von diesem Mindestlohn profitieren vor allem Pflegehilfskraumlfte Eine entsprechende Verordnung hat das Kabinett passiert Mit der Verordnung gelten fuumlr alle Pflegebetriebe und ihre Beschaumlftigten die bereits im April von der Pflegekommission ausgehandelten Lohnuntergrenzen Das sind 1020 EUR pro Stunde in den alten Bundeslaumlndern 950 EUR in den neuen Bundeslaumlndern Sie gelten auch fuumlr auslaumlndische Pflegeunternehmen die ihre Arbeitskraumlfte nach Deutschland entsenden Die Pflegemindestloumlhne liegen uumlber dem gesetzlichen Mindestlohn von derzeit 884 EUR

(Quelle und weitere Informationen wwwbundesregierungde)

In eigener Sache BB als Kanzlei des Jahres fuumlr Arbeitsrecht nominiert

BEITEN BURKHARDT ist als bdquoKanzlei des Jahresldquo u a im Bereich Arbeits-recht fuumlr die bdquoJUVE-Awardsldquo nominiert worden Mit den JUVE-Awards werden jedes Jahr Kanzleien oder Rechtsabteilungen ausgezeichnet die aufgrund ihrer Arbeit und Marktposition in den Recherchegespraumlchen fuumlr das JUVE-Handbuch als besonders dynamisch aufgefallen sind Es wird dabei besonders auf Empfehlungen von Marktteilnehmern geachtet die sich nicht nur auf fachliche Expertise sondern auch auf strategische Ausrichtung Serviceorientierung und Zukunftspotenzial beziehen Die Preisverleihung findet am 26 Oktober 2017 in Frankfurt statt Weitere Informationen zu den Awards finden Sie unter wwwjuvedeawards

Anstehende BAG-Entscheidungen (September 2017)

20 September 2017

900 Uhr Insolvenzanfechtung minus in der Krise geleistete Arbeitsverguuml-tung minus Inkongruenz aufgrund drohender Zwangsvollstre-ckung

20 September 2017

1030 Uhr Samstag minus Werktag iSd sect 6 TVoumlD-K

20 September 2017

1000 Uhr Berechnung des Nachtzu-schlags und des Urlaubsent-gelts unter Beruumlcksichtigung des MiLoG

26 September 2017

1030 Uhr Gesetzliche Insolvenzsicherung fuumlr Einstandspflicht des Ar-beitgebers nach Herabsetzung einer Pensionskassenrente minus Versicherungsmissbrauch

26 September 2017

1400 Uhr Ruhen eines Ruhegeldan-spruchs bei betragsmaumlszligig houmlherem Hinterbliebenenver-sorgungsanspruch

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

Entlassungsverlangen des Betriebsrats

Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 28 Maumlrz 2017 ndash 2 AZR 55116

SachverhaltDer Betriebsrat eines Versicherungsunternehmens hatte den Arbeitgeber zur Entlassung einer Sachbearbeiterin aufgefordert Diese war in mehre-re ndash dem Vernehmen nach handgreifliche ndash Vorfaumllle mit Kollegen verwi-ckelt gewesen worin man eine erhebliche Stoumlrung des Betriebsfriedens sah Der Arbeitgeber kam dem Verlangen nicht nach daher leitete der Betriebsrat ein gerichtliches Verfahren (sogenanntes Beschlussverfah-ren) ein An diesem wurde auch die betroffene Arbeitnehmerin beteiligt Nachdem das Arbeitsgericht dem Unternehmen rechtskraumlftig aufgege-ben hatte die Mitarbeiterin zu entlassen erhielt diese eine auszligerordent-liche hilfsweise ordentliche Kuumlndigung gegen die sie sich zur Wehr setzte zuletzt vor dem BAG

Die EntscheidungDas BAG sah in der Verpflichtung zur Entlassung wie schon die Vorinstan-zen ein dringendes betriebliches Erfordernis das eine ordentliche Kuumlndi-gung rechtfertigen kann Ein wichtiger Grund fuumlr eine auszligerordentliche Kuumlndigung sei darin hingegen nicht zu sehen Insbesondere beginne die Zwei-Wochen-Frist fuumlr den Ausspruch einer auszligerordentlichen Kuumlndi-gung nicht erst mit Kenntnis von der Entscheidung des Arbeitsgerichts

Konsequenzen fuumlr die PraxisDie Entscheidung zeigt dass das Beschlussverfahren quasi einen vor-gezogenen Kuumlndigungsschutzprozess beinhaltet da es in mehrerlei Hinsicht fuumlr die Beteiligten ndash darunter den betroffenen Arbeitnehmer ndash praumljudizielle Wirkung hat Dem Betroffenen ist im Kuumlndigungsschutz-verfahren die Argumentation abgeschnitten dass es an einem dringen-den betrieblichen Erfordernis fehlt Zieht umgekehrt der Arbeitgeber in Betracht das im Entlassungsverlangen angesprochene Problem bereits durch eine Versetzung loumlsen zu koumlnnen muss er bereits im Beschluss-verfahren darauf hinwirken dass ihm allenfalls diese Maszlignahme ndash an-stelle einer Entlassung ndash aufgegeben wird

PraxistippNicht moumlglich ist es die Kuumlndigungsgruumlnde durch eine Abmahnung bdquozu verbrauchenldquo weil der Arbeitgeber damit zwar auf sein Recht zum Ausspruch einer Kuumlndigung nicht aber auf die Rechte des Betriebs-rats verzichten kann Andere Gruumlnde die gegen die Wirksamkeit einer solchen Kuumlndigung angefuumlhrt werden koumlnnen bleiben dadurch im Uumlb-rigen unberuumlhrt d h das Entlassungsverlangen kann beispielsweise keinen Sonderkuumlndigungsschutz (z B eines Schwerbehinderten) auf-heben Auch eine Entscheidung im Beschlussverfahren macht eine sol-che Kuumlndigung daher nicht zu einem bdquoSelbstlaumluferldquo

Anekdote am RandeErfolglos muss ein entsprechendes Begehren im Beschlussverfahren bleiben soweit es sich gegen einen Geschaumlftsfuumlhrer richtet Vor dem Landesarbeitsgericht Hamm (Beschuss vom 2 August 2016 minus 7 TaBV 1116) hatte ein Betriebsrat argumentiert dass aus Gruumlnden der eu-roparechtskonformen Auslegung ein weiter Arbeitnehmerbegriff gel-te und daher auch Geschaumlftsfuumlhrer bdquobetriebsstoumlrende Arbeitnehmerldquo sein koumlnnten Dieser bdquotrickreichenldquo Argumentation folgte das Gericht

aber nicht Die weite Auslegung dient dem Arbeitnehmerschutz ndash und nicht der Erweiterung der Rechte des Betriebsrats

Dr Franziska von Kummer LLM MCL Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltin fuumlr Arbeitsrecht Dipl-Kffr Dipl-Vw BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Berlin

(Kein) Anspruch des Arbeitnehmers auf Durchfuumlhrung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens

Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 21 Februar 2017 ndash 1 AZR 36715

SachverhaltDer Arbeitnehmer sollte in einen anderen Betrieb versetzt werden Der Betriebsrat des aufnehmenden Betriebs verweigerte hierzu allerdings die Zustimmung Die Arbeitgeberin fuumlhrte sodann nicht das dafuumlr vorgese-hene gerichtliche Verfahren mit dem Ziel durch die Zustimmung zu er-setzen Der Arbeitnehmer klagte die Arbeitgeberin zu verpflichten dieses Zustimmungsersetzungsverfahren durchzufuumlhren um seine Beschaumlfti-gung in dem anderen Betrieb zu ermoumlglichen

EntscheidungDas BAG wies die Klage zuruumlck Es bestaumltigte seine Rechtsprechung in-sofern dass ein Arbeitnehmer bei Verweigerung der Zustimmung durch den Betriebsrat vom Arbeitgeber die Einleitung eines Zustimmungs-ersetzungsverfahrens nur in dem (Ausnahme-)Fall verlangen koumlnne wenn sich der Arbeitgeber zur Durchfuumlhrung dieses Verfahrens im Wege einer Selbstbindung verpflichtet habe fuumlr die Annahme einer solchen Selbstbindung muumlssten allerdings besondere Anhaltspunkte gegeben sein (BAG vom 16 Maumlrz 2010 ndash 3 AZR 3109) Weiter koumlnne ein An-spruch auf Durchfuumlhrung eines derartigen Verfahrens ausnahmsweise in Betracht kommen wenn ein fuumlr den Arbeitnehmer nachteiliges Zu-sammenwirken zwischen den Betriebsparteien vorlaumlge was vorliegend nicht der Fall war (vgl hierzu u a die vorgenannte BAG-Entscheidung) Im Fall eines schwerbehinderten Menschen verpflichte der in sect 81 Abs 4 S 1 Nr 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch verankerte Beschaumlf-tigungsanspruch fuumlr diese Arbeitnehmergruppe den Arbeitgeber das gerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren durchzufuumlhren wenn er erkennt dass die geltend gemachten Zustimmungsverweige-rungsgruumlnde tatsaumlchlich nicht vorliegen (BAG vom 3 Dezember 2002 ndash 9 AZR 48101) Eine Schwerbehinderung lag hier jedoch auch nicht vor

Nach Auffassung des BAG ergibt sich ein solcher Anspruch des Arbeit-nehmers auch nicht generell aus der arbeitsvertraglichen Ruumlcksichtnah-mepflicht Denn diese verlange vom Arbeitgeber nicht eigene schutz-wuumlrdige Belange hinten anzustellen also beispielsweise einen Rechts-streit fuumlhren zu muumlssen Der Arbeitnehmer sei nicht schutzlos gestellt da fuumlr die Dauer der Nichtbeschaumlftigung ein sogenannter Annahme-verzugslohn geschuldet werde und der Arbeitgeber im Rahmen seiner vertraglichen Verpflichtungen dennoch gehalten sein kann dem Arbeit-nehmer eine andere Taumltigkeit zuzuweisen

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

PraxistippNach Ansicht des BAG haben Arbeitnehmer nur im Ausnahmefall ei-nen Anspruch auf Durchfuumlhrung eines gerichtlichen Zustimmungs-ersetzungsverfahrens wenn der Betriebsrat die Zustimmung zu ei-ner personellen Maszlignahme (Versetzung Einstellung etc) verweigert Wichtig fuumlr die Praxis duumlrfte der Fall sein dass der Arbeitnehmer ei-nen derartigen Durchfuumlhrungsanspruch hat wenn es sich um einen schwerbehinderten Arbeitnehmer handelt Selbst wenn ein Anspruch auf Durchfuumlhrung nicht besteht empfiehlt es sich fuumlr einen Arbeitge-ber der ein Zustimmungsersetzungsverfahren nicht fuumlhren will sein Weisungsrecht ndash wenn rechtlich moumlglich ndash erneut auszuuumlben um nicht Annahmeverzugslohn zahlen zu muumlssen ohne eine entspre-chende Arbeitsleistung des Arbeitsnehmers zu erhalten

Dr Sarah Reinhardt Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltin fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Fristlose Kuumlndigung bei grober Beleidigung auch im langjaumlhrigen Arbeitsverhaumlltnis rechtens

Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein vom 24 Januar 2017 ndash 3 Sa 24416

SachverhaltDer Arbeitnehmer war als einer von fuumlnf Mitarbeitern seit 1992 in ei-nem Familienunternehmen beschaumlftigt Waumlhrend einer Besprechung kam es zu einem Streit zwischen ihm den beiden Geschaumlftsfuumlhrern und deren Vater dem ehemaligen Geschaumlftsfuumlhrer Am Ende des Gespraumlchs als der Arbeitnehmer das Buumlro verlassen wollte kommentierte der aktu-elle Geschaumlftsfuumlhrer das Geschehen mit bdquoKinderkramrdquo Am Morgen des naumlchsten Tages suchte der Arbeitnehmer die Geschaumlftsfuumlhrer erneut auf Es kam zum Wortgefecht in dessen Verlauf der Arbeitnehmer aumluszligerte dass sich der Seniorgeschaumlftsfuumlhrer am Vortag wie ein bdquoArschrdquo verhalten habe und der Geschaumlftsfuumlhrer auf bestem Wege sei seinem Vater (dem Seniorgeschaumlftsfuumlhrer) den Rang abzulaufen Im Weiteren aumluszligerte einer der Geschaumlftsfuumlhrer dass sie im Falle einer Kuumlndigung als bdquosoziale Arsch-loumlcherrdquo dastuumlnden Der Klaumlger erwiderte dass die Firma dies bereits sei Noch am selben Abend wurde der Arbeitnehmer freigestellt Da er sich auch in der Folgezeit nicht entschuldigte kuumlndigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhaumlltnis fristlos

Die EntscheidungDas LAG Schleswig-Holstein hat die Kuumlndigungsschutzklage abge-wiesen Die Aumluszligerungen des Arbeitnehmers gegenuumlber dem Senior-geschaumlftsfuumlhrer sowie dem Geschaumlftsfuumlhrer stellten eine grobe Beleidigung dar die eine fristlose Kuumlndigung auch ohne vorherige Abmahnung rechtfertige Es handelte sich hierbei um gezielte ehr-verletzende und nicht gerechtfertigte Beschimpfungen der Ge-schaumlftsfuumlhrer die auch nicht mehr auf einer Affektsituation durch die streitigen und ndash gegebenenfalls ndash provokanten Aumluszligerungen der Ge-schaumlftsfuumlhrer vom Vortag beruhten die bereits 16 Stunden zuruumlck-lagen Aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung sowie der fehlen-

den Einsicht seines Fehlverhaltens sei der Arbeitnehmer auch nicht vor Ausspruch der Kuumlndigung abzumahnen Im Rahmen der Interes-senabwaumlgung sei zwar die lange Betriebszugehoumlrigkeit zu beachten jedoch uumlberwiege aufgrund der emotionalen Naumlhe im vorliegenden Familienbetrieb das Interesse des Arbeitgebers an der Vertragsbe-endigung Hierbei so das LAG sei ebenfalls die fehlende Entschuldi-gung des Arbeitnehmers die auch im Prozess ausblieb von geson-dertem Gewicht

Konsequenzen fuumlr die PraxisObwohl es sich um einen Einzelfall handelt laumlsst sich aus dieser Ent-scheidung in Bezug auf grobe Beleidigungen des Arbeitgebers undoder dessen Vertretern eine Bestaumltigung der staumlndigen Rechtspre-chung ableiten Je nach Intensitaumlt kann bei groben Beleidigungen eine fristlose Kuumlndigung auch bei langjaumlhriger Betriebszugehoumlrigkeit gerechtfertigt sein Laumlsst das Verhalten des Arbeitnehmers weitere Vertragsverletzungen befuumlrchten und zeigt der Arbeitnehmer keiner-lei Einsichtsfaumlhigkeit so ist eine vorherige Abmahnung nicht erfor-derlich

PraxistippArbeitgeber sollten bei derartigen Vorfaumlllen einen bdquokuumlhlen Kopfrdquo be-wahren und das Verhalten des Arbeitnehmers in jedem Fall dokumen-tieren Je nach Intensitaumlt der Beleidigung kann unmittelbar gekuumlndigt oder zumindest mit einer Abmahnung reagiert werden

Inka Adam Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltin fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Frankfurt

Weiterarbeit nach Erreichen des Rentenalters ndash gleitender Uumlbergang oder Befristungsfalle fuumlr Arbeitgeber

Arbeitsgericht (ArbG) Karlsruhe vom 27 April 2016 ndash 3 Ca 2216 zugleich zu Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen vom 29 November 2016 ndash 10 Sa 21816

SachverhaltIm urspruumlnglichen Arbeitsvertrag eines nicht-verbeamteten Hoch-schullehrers war vereinbart dass das Arbeitsverhaumlltnis zum Ende des Semesters enden sollte in dem der Arbeitnehmer das 65 Lebensjahr vollendet konkret zum 30 September 2014 Am 24 Maumlrz 2014 wurde schriftlich vereinbart dass der Arbeitnehmer vom 1 Oktober 2014 bis 31 September 2015 weiterhin fuumlr den Arbeitgeber nun aber mit redu-zierter Arbeitszeit taumltig sein sollte Am 9 Juni 2015 wurde wieder schrift-lich vereinbart dass der Arbeitnehmer nochmals vom 1 Oktober 2015 bis 29 Februar 2016 bei dem Arbeitgeber in Teilzeit weiterbeschaumlftigt werden sollte Eine Verlaumlngerung daruumlber hinaus lehnte der Arbeitgeber ab

Die EntscheidungDas ArbG entschied dass die Befristung zum 29 Februar 2016 wirksam

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

war und das Arbeitsverhaumlltnis zu diesem Zeitpunkt beendete Es liege ein wirksames bdquoHinausschiebenrdquo des Beendigungszeitpunkts nach sect 41 S 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) vor Nach dieser Vorschrift koumlnnen die Parteien durch Vereinbarung das Ende des Ar-beitsverhaumlltnisses hinausschieben wenn der urspruumlngliche Vertrag fuumlr die Beendigung auf das Erreichen der Regelaltersgrenze abstelle und eine entsprechende Vereinbarung noch waumlhrend des laufenden Arbeits-verhaumlltnisses getroffen werde Nach Auffassung des Gerichts war im urspruumlnglichen Arbeitsvertrag der erforderliche Bezug zur Regelalters-grenze hergestellt Es sei unschaumldlich dass das Ende des Arbeitsverhaumllt-nisses vorliegend nicht exakt mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze zusammenfalle da es jedenfalls bei Hochschullehrern uumlblich sei das Arbeitsverhaumlltnis nicht waumlhrend des laufenden Semesters zu beenden sondern erst mit dessen Abschluss Problematisch war aber dass beim erstmaligen Hinausschieben zugleich auch die Arbeitszeit reduziert wurde Das ArbG entschied dass das bdquoHinausschiebenrdquo eine gleichzeiti-ge Aumlnderung der Vertragsbedingungen zulaumlsst anders als bei sonstigen bdquonormalenrdquo Befristungen ohne Sachgrund sect 41 S 3 SGB VI solle es Ar-beitgeber und Arbeitnehmer ermoumlglichen das Beschaumlftigungsverhaumllt-nis auch nach Erreichen der Regelaltersgrenze einvernehmlich und fuumlr einen von vorn herein festgelegten Zeitraum fortzusetzen Daher sei es sachgerecht eine Reduzierung der Arbeitszeit zuzulassen da nur so die Moumlglichkeit fuumlr einen flexiblen Uumlbergang von der Erwerbstaumltigkeit zum Renteneintritt bestehe

Das mehrfache Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts wie von sect 41 S 3 SGB VI vorgesehen sei auch mit Europarecht vereinbar Dies-bezuumlglich entschied das LAG Niedersachen etwas zuruumlckhaltender dass zumindest das einmalige Hinausschieben europarechtskonform sei

Konsequenzen fuumlr die PraxisDie Entscheidung des ArbG Karlsruhe ermoumlglicht eine praxisgerechte Handhabung der Beschaumlftigung von Rentnern Ob sich die Linie des ArbG Karlsruhe durchsetzt bleibt aber abzuwarten da die Rechtsfra-ge ob im Rahmen von sect 41 S 3 SGB VI zugleich Arbeitsbedingungen geaumlndert werden duumlrfen in der juristischen Literatur weiter umstritten bleibt Fuumlr bereits abgeschlossene Vertraumlge kann aber im Streitfall auf das Urteil verwiesen werden Das vergleichbare bereits erwaumlhnte Ver-fahren vor dem LAG Niedersachsen ist bereits beim BAG unter dem Aktenzeichen 7 AZR 7017 anhaumlngig

PraxistippArbeitgeber sind gut beraten die Entwicklung der Rechtsprechung weiterhin im Auge zu behalten Wer kein Risiko eingehen will sollte sich bis zu einer houmlchstrichterlichen Klaumlrung auf ein einmaliges Hi-nausschieben des Beendigungsdatums beschraumlnken Zudem sollten Unternehmen Aumlnderungen von Arbeitsbedingungen nicht gleich-zeitig vornehmen sondern sie zeitlich versetzt vereinbaren soweit sie fuumlr erforderlich gehalten werden

Dr Roland KleinRechtsanwalt und Fachanwalt fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft Berlin

Im Blickpunkt

Entgelttransparenzgesetz Der Auskunftsanspruch kommt - wichtige To-dos bis zum 6 Januar 2018

Das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) ist seit dem 6 Juli 2017 in Kraft Es gilt als bdquouumlberfluumlssiges Buumlrokratiemonsterrdquo das zwar mit der Durchsetzung des Gebots der gleichen Entlohnung von Frauen und Maumlnnern ein gut gemeintes Ziel verfolgt Gut gemeint ist jedoch be-kanntlich nicht immer auch gut gemacht Es darf durchaus bezweifelt werden dass das Gesetz seinen Zweck erreichen wird Klar ist jeden-falls dass es Arbeitnehmern in Betrieben mit mehr als 200 Beschaumlf-tigten erstmals ab dem 6 Januar 2018 ermoumlglichen wird einen Aus-kunftsanspruch uumlber die Kriterien und das Verfahren zur Festlegung des Entgelts und dessen Houmlhe zu stellen (sect 10 EntgTranspG) vgl auch zu allem Springer BEITEN BURKHARDT Newsletter Arbeitsrecht Ausgabe Maumlrz 2017 Seite 7 f

Das Ende der sechsmonatigen bdquoSchonfristrdquo bis zum 6 Januar 2018 naht bereits Unternehmen mit Betrieben () mit mehr als 200 Mitar-beitern muumlssen daher jetzt handeln um sich vor boumlsen Uumlberraschun-gen zu schuumltzen Dabei stellen sich vor allem die Fragen ob nach dem 6 Januar 2018 eine unterschiedliche Verguumltung noch moumlglich ist und wie sich Arbeitgeber bis zum 6 Januar 2018 auf potenzielle Aus-kunftsanspruumlche vorbereiten sollten

Ist eine unterschiedliche Verguumltung noch moumlglich

Nach sect 7 EntgTranspG darf in einem Beschaumlftigungsverhaumlltnis allein auf-grund des Geschlechts fuumlr gleiche oder gleichwertige Arbeit kein geringe-res Entgelt vereinbart bzw ausgezahlt werden Das bedeutet im Umkehr-schluss dass eine unterschiedliche Verguumltung dann weiterhin moumlglich ist wenn die Arbeit nicht gleich oder gleichwertig ist Wann aber ist eine Ar-beit gleich oder gleichwertig Das ist der Fall wenn sie sich weder nach ihrer Art ihren Ausbildungsanforderungen undoder ihren Arbeitsbedin-gungen von der Arbeit des Kollegen bzw der Kollegin unterscheidet (sect 4 Abs 2 EntgTranspG)

PraxistippVor diesem Hintergrund sollten neu zu besetzende Stellen im Betrieb moumlglichst individuell bezeichnet und Stellenausschreibungen individuell formuliert werden

Eine unterschiedliche Verguumltung ist weiterhin und immer dann moumlglich wenn Regeln zur Entgeltfestsetzung bdquodurch ein rechtmaumlszligiges Ziel sach-lich gerechtfertigt und die Mittel angemessen und erforderlich sindrdquo

PraxistippEs empfiehlt sich daher stets sachliche Gruumlnde wie arbeitsmarkt- leis-tungs- und arbeitsergebnisbezogene Kriterien fuumlr die houmlhere Bezahlung zu dokumentieren Dies koumlnnen zum Beispiel sein houmlheres Dienstalter (Honorierung der Berufserfahrung) koumlrperliche Anforderungen Ge-schicklichkeit und Stressbelastung etc Bei Verguumltungsverhandlungen sollte der Arbeitgeber die Gruumlnde schriftlich niederlegen weshalb eine sachgerechte Mehrbezahlung erfolgen soll etwa Fahrtkosten Umzugs-kosten Kindergartenzulage und Boni

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Zu beachten ist weiterhin dass eine Auskunft des Arbeitnehmers zum Schutz personenbezogener Daten auch nur dann verlangt werden kann wenn eine Vergleichstaumltigkeit von mindestens sechs Mitarbeiterninnen des jeweils anderen Geschlechts ausgeuumlbt wird (sect 12 Abs 3 EntgTranspG)Arbeiten in der Vergleichsgruppe etwa fuumlnf Frauen und 15 Maumlnner und macht eine Frau den Auskunftsanspruch geltend wird der statistische Mittelwert des Entgelts der 15 Maumlnner als Vergleichswert gebildet Ein Mann koumlnnte in diesem Fall keine Auskunft uumlber den Mittelwert verlan-gen da weniger als sechs Frauen die Vergleichstaumltigkeit ausuumlben

PraxistippPotenzielle Vergleichsgruppen sollten daher kleinstmoumlglich d h unter sechs Mitarbeitern gehalten werden

Wie sollten sich Arbeitgeber auf potenzielle Auskunftsanspruumlche vorbereiten

Ab dem 6 Januar 2018 drohen die ersten Auskunftsanspruumlche Es waumlre verfehlt hierauf nicht vorbereitet zu sein Zusaumltzlich zu den genannten Empfehlungen sollte daher spaumltestens jetzt mit der Erstellung einer Dokumentation zu etwaigen Entgeltunterschieden bei der Belegschaft begonnen werden um nicht in Zeitnot bei der Beantwortung der ersten Auskunftsverlangen zu kommen

PraxistippDie bis zum 6 Januar 2018 verbleibende bdquoSchonfristrdquo sollte genutzt werden um Entgeltunterschiede zu identifizieren Sofern solche Unter-schiede bestehen sollten Unternehmen dokumentieren wodurch die unterschiedliche Verguumltung gerechtfertigt ist (z B durch die o g Krite-rien wie houmlheres Dienstalter etc)

Besonders prekaumlr Unternehmen die weder tarifgebunden sind noch Tarifvertraumlge anwenden droht das Damoklesschwert einer sog Be-weislastumkehr Wenn solche Unternehmen die Auskunftsverlangen nicht innerhalb von drei Monaten beantworten ist der Arbeitgeber im Streitfall zur Uumlberzeugung des Gerichts beweispflichtig dass kein Verstoszlig gegen das Entgeltgleichheitsgebot vorliegt (sect 15 Abs 5 EntgTranspG) Es wird also ein Verstoszlig vermutet der sich durch die Arbeitgeber oft nur schwer widerlegen lassen duumlrfte Gerade solche Unternehmen die nicht tarifgebunden sind und keine Tarifvertraumlge anwenden sollten sich im besonderen Maszlige auf die drohenden Aus-kunftsanspruumlche vorbereiten um nicht in Beweisnoumlte zu kommen

Sofern Unternehmen im Rahmen der Vorbereitungen nicht zu recht-fertigende Entgeltunterschiede auffinden ist zu untersuchen ob sich die Differenzen ggf anlaumlsslich kommender Gehaltsrunden nivellieren lassen

PraxistippWenn moumlglich sollten die kommenden Gehaltsrunden genutzt werden um nicht zu rechtfertigende Entgeltdifferenzen auszugleichen Dies gilt insbesondere fuumlr etwaige zum Jahreswechsel 201718 anstehenden Gehaltsrunden

Zuletzt noch ein wichtiges technisches Detail zum Auskunftsverfah-ren Nach der Intention des Gesetzgebers sollen die Auskuumlnfte ur-

spruumlnglich in einem Betrieb mit Betriebsrat ausschlieszliglich durch die-ses Gremium (und nicht durch die Arbeitgeber) erteilt werden Zum Ende des Gesetzgebungsverfahrens wurde dem Arbeitgeber aber ein Optionsrecht gegeben Auch er kann nun die Adressatenstellung fuumlr den Auskunftsanspruch durch einseitige Erklaumlrung jedoch nach Er-laumluterung gegenuumlber dem Betriebsrat fuumlr die Dauer der Amtszeit des Betriebsrats uumlbernehmen (sect 14 Abs 2 EntgTranspG)

PraxistippViele Arbeitgeber mit Betriebsraumlten duumlrften gut beraten sein die Adres-satenstellung fuumlr den Auskunftsanspruch zu uumlbernehmen Unterneh-men sollten daher nicht abwarten bis sie das erste Auskunftsverlangen ereilt sondern zuumlgig und noch innerhalb der bdquoSchonfristrdquo entscheiden ob sie die Auskunftsverlangen uumlbernehmen wollen

FazitNeben den genannten Punkten gibt es noch eine Reihe weiterer To-dos die sich aus dem Inkrafttreten des EntgTranspG ergeben Arbeitgeber sollten sie sammeln und dann sauber abarbeiten damit die bdquoSchonfristrdquo bis zum 6 Januar 2018 nicht ungenutzt verstreicht

Dr Nina Springer LLM Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltin fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Henrik Luumlthge Rechtsanwalt Fachanwalt fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Duumlsseldorf

Hinweis Dieser Beitrag ist in einer aumlhnlichen Form in der Zeitschrift Personalpraxis und Recht (PuR) Ausgabe Juni 2017 Seiten 131 ff erschienen

Update Das Betriebsrentenstaumlrkungsgesetz ist beschlossene Sache

Bereits im BEITEN BURKHARDT Newsletter Arbeitsrecht Ausgabe Maumlrz 2017 Seite 11 hatten wir detailliert uumlber den Gesetzgebungstand zum Betriebsrentenstaumlrkungsgesetz (BRSG) berichtet Nachdem zwi-schenzeitlich doch Unsicherheiten aufgekommen waren ob das Gesetz noch verabschiedet wuumlrde haben es Bundestag und Bundesrat im Juni bzw Juli nun beschlossen Hierbei hat es auch in letzter Sekunde noch wichtige Aumlnderungen gegeben

Wichtiges fuumlr neue VersorgungszusagenDas sogenannte Sozialpartnermodell ist mit dem BRSG als neue Form

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der betrieblichen Altersversorgung Gesetz geworden Es ist etwas an-deres als die bislang im Betriebsrentengesetz (BetrAVG) vorgesehenen Kombinationsmoumlglichkeiten aus fuumlnf Durchfuumlhrungswegen (Direkt-zusage Unterstuumltzungskasse Pensionskasse Pensionsfonds und Di-rektversicherung) und drei Zusagemodellen (Leistungszusage Beitrags-zusage mit Mindestleistung und beitragsorientierte Leistungszusage) und bietet nun erstmals die Moumlglichkeit einer reinen Beitragszusage Die Pflichten des Arbeitgebers beschraumlnken sich dann auf die Entrich-tung der zugesagten Beitraumlge (z B aus Entgeltumwandlung) an einen externen Versorgungstraumlger (Pensionskasse Direktversicherung oder Pensionsfonds) Eine bestimmte Versorgungsleistung wird vom Ar-beitgeber nicht zugesagt und darf auch vom Versorgungstraumlger nicht zugesagt werden ndash bdquoGarantieverbotrdquo Versprochen ist allein eine soge-nannte bdquoZielrenterdquo deren Houmlhe und deren Entwicklung abhaumlngig von der Vermoumlgens- und Ertragslage bzw -entwicklung der Versorgungs-einrichtung sein sollen

Da der Arbeitgeber weitgehend befreit ist und eine Absicherung der Ar-beitnehmerinteressen nicht mehr durch eine Garantieleistung gewahrt ist macht das BRSG der Einfuumlhrung von reinen Beitragszusagen ver-schiedene Auflagen Die reine Beitragszusage muss auf Vereinbarungen der Tarifvertragsparteien beruhen die sich auch an der Durchfuumlhrung und Steuerung der Versorgungseinrichtung beteiligen muumlssen Zudem soll die Versorgungseinrichtung einer engen Beaufsichtigung durch die BaFin unterliegen Zuletzt muss der Arbeitgeber einen Risikoauf-schlag (mindestens 15 Prozent) fuumlr entgeltumwandlungsfinanzierte reine Beitragszusagen leisten Arbeitgeber und Beschaumlftigte die nicht tarifgebunden sind sollen vereinbaren koumlnnen dass die einschlaumlgigen Tarifvertraumlge auch fuumlr sie gelten Die Tarifvertragsparteien muumlssen zu-dem ihre Versorgungseinrichtungen fuumlr nicht organisierte Arbeitgeber und Arbeitnehmer oumlffnen

Bestehende EntgeltumwandlungssystemeDie wesentlichste Neuerung im Vergleich zum Stand im Maumlrz ist dass Arbeitgeber auch in bestehenden entgeltumwandlungsfinanzierten Versorgungssystemen zukuumlnftig gesetzlich verpflichtet werden Sozial-versicherungsersparnisse als Zusatzbeitrag an Arbeitnehmer weiter-zugeben Nach einer in letzter Sekunde in das BRSG aufgenommenen Regelung muumlssen Arbeitgeber auch bei bestehenden Entgeltumwand-lungssystemen zukuumlnftig 15 Prozent des umgewandelten Entgelts zu-saumltzlich als Arbeitgeberzuschuss leisten wenn die Entgeltumwandlung uumlber einen Pensionsfonds die Pensionskasse oder die Direktversiche-rung durchgefuumlhrt wird Fuumlr individual- und kollektivrechtliche Entgelt-umwandlungsvereinbarungen die vor dem 1 Januar 2019 geschlossen worden sind gilt die Zuschusspflicht erst ab dem 1 Januar 2022

bdquoOpting OutrdquoAn der Einfuumlhrung der Regelungen zu bdquoOpting outrdquo-Modellen hat es hingegen keine wesentlichen Veraumlnderungen gegeben Nach dem BRSG wird es zulaumlssig sein dass die Teilnahme an der Entgeltumwandlung fuumlr alle Beschaumlftigten oder Gruppen von Beschaumlftigten eines Arbeitgebers durch tarifvertragliche Regelung oder aufgrund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung als Regelfall auch ohne Teilnah-meerklaumlrung des Arbeitnehmers vorgesehen wird Die Nichtteilnahme erfordert dann ein bdquoOpting Outrdquo in Form eines Widerspruchs des Arbeit-nehmers Auch nichttarifgebundene Arbeitgeber koumlnnen ein einschlauml-giges tarifvertragliches Optionssystem anwenden oder aufgrund eines

einschlaumlgigen Tarifvertrags durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung die Einfuumlhrung eines Optionssystems regeln

Aumlnderungen des steuerrechtlich anerkannten Dotierungsrahmens und steuerliche Arbeitgeberfoumlrderung Im Wesentlichen unveraumlndert geblieben sind auch die Vorhaben zum steuerrechtlich anerkannten Dotierungsrahmen und zur steuer-lichen Arbeitgeberfoumlrderung sowie zur Steigerung der Arbeitnehmer-attraktivitaumlt Das Gesetz bringt auch einen geaumlnderten steuerfreien Dotierungsrahmen fuumlr Zahlungen des Arbeitgebers an externe Ver-sorgungstraumlger mit sich Statt bisher vier Prozent gilt fuumlr Beitraumlge an Pensionskassen Pensionsfonds oder Direktversicherungen nach dem BRSG eine einheitliche prozentuale Grenze von nun acht Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung Die Moumlglichkeit der Fortfuumlhrung einer Pauschalbesteuerung soll in Altfaumlllen unter Anrechnung auf den steuerfreien Dotierungsrahmen von acht Prozent bestehen bleiben

Zudem fuumlhrt das BRSG eine Foumlrderung fuumlr arbeitgeberfinanzierte Ver-sorgungszusagen fuumlr Arbeitnehmer mit niedrigen Einkommen ein Als Geringverdiener sind hierbei Beschaumlftigte mit einem monatlichen Brutto-einkommen von bis zu 2200 EUR definiert

Im Bereich der Arbeitnehmerattraktivitaumlt gerade auch fuumlr Arbeitnehmer mit geringen Einkommen steigt die Grundzulage bei der Riester-Rente von derzeit 15400 auf 17500 EUR Betriebs- und Riester-Renten sol-len in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nicht mehr voll angerechnet werden Anrechnungsfrei bleiben Leistungen aus einer zusaumltzlichen Altersvorsorge in Houmlhe eines Sockelbetrages von 100 EUR zuzuumlglich 30 Prozent des uumlbersteigenden Einkommens aus einer zusaumltzlichen Altersvorsorge Die Obergrenze betraumlgt 50 Prozent der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu sect 28 des zwoumllften Buchs Sozialgesetzbuch ndash derzeit (2017) 20450 EUR

Joumlrn Manhart Rechtsanwalt BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Duumlsseldorf

Kurzmeldungen

Ruumlckkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit kommt vorerst nicht

Das geplante Gesetz nach dem Beschaumlftigte die ihre Arbeitszeit vo-ruumlbergehend verringern moumlchten nach der Teilzeitphase wieder zur urspruumlnglichen Arbeitszeit zuruumlckkehren koumlnnen (vgl Fink im BEITEN BURKHARDT Newsletter Arbeitsrecht Ausgabe Maumlrz 2017 Sei-te 6) wird nicht mehr im Bundeskabinett besprochen werden Das er-gibt sich aus uumlbereinstimmenden Medienberichten Der Gesetzentwurf von Angela Nahles ist damit in dieser Legislaturperiode gescheitert

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BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (Herausgeber) Ganghoferstraszlige 33 D-80339 Muumlnchen AG Muumlnchen HR B 155350USt-Idnr DE811218811

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Redaktion (verantwortlich)

Markus Bauer Rechtsanwalt

Redaktionsschluss dieser Ausgabe ist der 23 August 2017

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Berlin bull Kurfuumlrstenstraszlige 72-74 bull 10787 Berlin Dr Dietmar Muumlller-Boruttau RechtsanwaltTel +49 30 26471-319 bull DietmarMueller-Boruttaubblawcom

Duumlsseldorf bull Cecilienallee 7 bull 40474 Duumlsseldorf Christian von Buddenbrock Rechtsanwalt Tel +49 211 518989-190 bull ChristianvonBuddenbrockbblawcom

Frankfurt am Main bull Mainzer Landstraszlige 3660325 Frankfurt am Main Dr Thomas Drosdeck Rechtsanwalt Tel +49 69 756095-115 bull ThomasDrosdeckbblawcom

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Mindestloumlhne in der Pflege steigen

Der Pflegemindestlohn steigt ab Januar 2018 auf 1055 EUR im Westen und 1005 EUR im Osten Anfang 2019 und 2020 wird er nochmals er-houmlht Von diesem Mindestlohn profitieren vor allem Pflegehilfskraumlfte Eine entsprechende Verordnung hat das Kabinett passiert Mit der Verordnung gelten fuumlr alle Pflegebetriebe und ihre Beschaumlftigten die bereits im April von der Pflegekommission ausgehandelten Lohnuntergrenzen Das sind 1020 EUR pro Stunde in den alten Bundeslaumlndern 950 EUR in den neuen Bundeslaumlndern Sie gelten auch fuumlr auslaumlndische Pflegeunternehmen die ihre Arbeitskraumlfte nach Deutschland entsenden Die Pflegemindestloumlhne liegen uumlber dem gesetzlichen Mindestlohn von derzeit 884 EUR

(Quelle und weitere Informationen wwwbundesregierungde)

In eigener Sache BB als Kanzlei des Jahres fuumlr Arbeitsrecht nominiert

BEITEN BURKHARDT ist als bdquoKanzlei des Jahresldquo u a im Bereich Arbeits-recht fuumlr die bdquoJUVE-Awardsldquo nominiert worden Mit den JUVE-Awards werden jedes Jahr Kanzleien oder Rechtsabteilungen ausgezeichnet die aufgrund ihrer Arbeit und Marktposition in den Recherchegespraumlchen fuumlr das JUVE-Handbuch als besonders dynamisch aufgefallen sind Es wird dabei besonders auf Empfehlungen von Marktteilnehmern geachtet die sich nicht nur auf fachliche Expertise sondern auch auf strategische Ausrichtung Serviceorientierung und Zukunftspotenzial beziehen Die Preisverleihung findet am 26 Oktober 2017 in Frankfurt statt Weitere Informationen zu den Awards finden Sie unter wwwjuvedeawards

Anstehende BAG-Entscheidungen (September 2017)

20 September 2017

900 Uhr Insolvenzanfechtung minus in der Krise geleistete Arbeitsverguuml-tung minus Inkongruenz aufgrund drohender Zwangsvollstre-ckung

20 September 2017

1030 Uhr Samstag minus Werktag iSd sect 6 TVoumlD-K

20 September 2017

1000 Uhr Berechnung des Nachtzu-schlags und des Urlaubsent-gelts unter Beruumlcksichtigung des MiLoG

26 September 2017

1030 Uhr Gesetzliche Insolvenzsicherung fuumlr Einstandspflicht des Ar-beitgebers nach Herabsetzung einer Pensionskassenrente minus Versicherungsmissbrauch

26 September 2017

1400 Uhr Ruhen eines Ruhegeldan-spruchs bei betragsmaumlszligig houmlherem Hinterbliebenenver-sorgungsanspruch

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PraxistippNach Ansicht des BAG haben Arbeitnehmer nur im Ausnahmefall ei-nen Anspruch auf Durchfuumlhrung eines gerichtlichen Zustimmungs-ersetzungsverfahrens wenn der Betriebsrat die Zustimmung zu ei-ner personellen Maszlignahme (Versetzung Einstellung etc) verweigert Wichtig fuumlr die Praxis duumlrfte der Fall sein dass der Arbeitnehmer ei-nen derartigen Durchfuumlhrungsanspruch hat wenn es sich um einen schwerbehinderten Arbeitnehmer handelt Selbst wenn ein Anspruch auf Durchfuumlhrung nicht besteht empfiehlt es sich fuumlr einen Arbeitge-ber der ein Zustimmungsersetzungsverfahren nicht fuumlhren will sein Weisungsrecht ndash wenn rechtlich moumlglich ndash erneut auszuuumlben um nicht Annahmeverzugslohn zahlen zu muumlssen ohne eine entspre-chende Arbeitsleistung des Arbeitsnehmers zu erhalten

Dr Sarah Reinhardt Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltin fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Fristlose Kuumlndigung bei grober Beleidigung auch im langjaumlhrigen Arbeitsverhaumlltnis rechtens

Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein vom 24 Januar 2017 ndash 3 Sa 24416

SachverhaltDer Arbeitnehmer war als einer von fuumlnf Mitarbeitern seit 1992 in ei-nem Familienunternehmen beschaumlftigt Waumlhrend einer Besprechung kam es zu einem Streit zwischen ihm den beiden Geschaumlftsfuumlhrern und deren Vater dem ehemaligen Geschaumlftsfuumlhrer Am Ende des Gespraumlchs als der Arbeitnehmer das Buumlro verlassen wollte kommentierte der aktu-elle Geschaumlftsfuumlhrer das Geschehen mit bdquoKinderkramrdquo Am Morgen des naumlchsten Tages suchte der Arbeitnehmer die Geschaumlftsfuumlhrer erneut auf Es kam zum Wortgefecht in dessen Verlauf der Arbeitnehmer aumluszligerte dass sich der Seniorgeschaumlftsfuumlhrer am Vortag wie ein bdquoArschrdquo verhalten habe und der Geschaumlftsfuumlhrer auf bestem Wege sei seinem Vater (dem Seniorgeschaumlftsfuumlhrer) den Rang abzulaufen Im Weiteren aumluszligerte einer der Geschaumlftsfuumlhrer dass sie im Falle einer Kuumlndigung als bdquosoziale Arsch-loumlcherrdquo dastuumlnden Der Klaumlger erwiderte dass die Firma dies bereits sei Noch am selben Abend wurde der Arbeitnehmer freigestellt Da er sich auch in der Folgezeit nicht entschuldigte kuumlndigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhaumlltnis fristlos

Die EntscheidungDas LAG Schleswig-Holstein hat die Kuumlndigungsschutzklage abge-wiesen Die Aumluszligerungen des Arbeitnehmers gegenuumlber dem Senior-geschaumlftsfuumlhrer sowie dem Geschaumlftsfuumlhrer stellten eine grobe Beleidigung dar die eine fristlose Kuumlndigung auch ohne vorherige Abmahnung rechtfertige Es handelte sich hierbei um gezielte ehr-verletzende und nicht gerechtfertigte Beschimpfungen der Ge-schaumlftsfuumlhrer die auch nicht mehr auf einer Affektsituation durch die streitigen und ndash gegebenenfalls ndash provokanten Aumluszligerungen der Ge-schaumlftsfuumlhrer vom Vortag beruhten die bereits 16 Stunden zuruumlck-lagen Aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung sowie der fehlen-

den Einsicht seines Fehlverhaltens sei der Arbeitnehmer auch nicht vor Ausspruch der Kuumlndigung abzumahnen Im Rahmen der Interes-senabwaumlgung sei zwar die lange Betriebszugehoumlrigkeit zu beachten jedoch uumlberwiege aufgrund der emotionalen Naumlhe im vorliegenden Familienbetrieb das Interesse des Arbeitgebers an der Vertragsbe-endigung Hierbei so das LAG sei ebenfalls die fehlende Entschuldi-gung des Arbeitnehmers die auch im Prozess ausblieb von geson-dertem Gewicht

Konsequenzen fuumlr die PraxisObwohl es sich um einen Einzelfall handelt laumlsst sich aus dieser Ent-scheidung in Bezug auf grobe Beleidigungen des Arbeitgebers undoder dessen Vertretern eine Bestaumltigung der staumlndigen Rechtspre-chung ableiten Je nach Intensitaumlt kann bei groben Beleidigungen eine fristlose Kuumlndigung auch bei langjaumlhriger Betriebszugehoumlrigkeit gerechtfertigt sein Laumlsst das Verhalten des Arbeitnehmers weitere Vertragsverletzungen befuumlrchten und zeigt der Arbeitnehmer keiner-lei Einsichtsfaumlhigkeit so ist eine vorherige Abmahnung nicht erfor-derlich

PraxistippArbeitgeber sollten bei derartigen Vorfaumlllen einen bdquokuumlhlen Kopfrdquo be-wahren und das Verhalten des Arbeitnehmers in jedem Fall dokumen-tieren Je nach Intensitaumlt der Beleidigung kann unmittelbar gekuumlndigt oder zumindest mit einer Abmahnung reagiert werden

Inka Adam Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltin fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Frankfurt

Weiterarbeit nach Erreichen des Rentenalters ndash gleitender Uumlbergang oder Befristungsfalle fuumlr Arbeitgeber

Arbeitsgericht (ArbG) Karlsruhe vom 27 April 2016 ndash 3 Ca 2216 zugleich zu Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen vom 29 November 2016 ndash 10 Sa 21816

SachverhaltIm urspruumlnglichen Arbeitsvertrag eines nicht-verbeamteten Hoch-schullehrers war vereinbart dass das Arbeitsverhaumlltnis zum Ende des Semesters enden sollte in dem der Arbeitnehmer das 65 Lebensjahr vollendet konkret zum 30 September 2014 Am 24 Maumlrz 2014 wurde schriftlich vereinbart dass der Arbeitnehmer vom 1 Oktober 2014 bis 31 September 2015 weiterhin fuumlr den Arbeitgeber nun aber mit redu-zierter Arbeitszeit taumltig sein sollte Am 9 Juni 2015 wurde wieder schrift-lich vereinbart dass der Arbeitnehmer nochmals vom 1 Oktober 2015 bis 29 Februar 2016 bei dem Arbeitgeber in Teilzeit weiterbeschaumlftigt werden sollte Eine Verlaumlngerung daruumlber hinaus lehnte der Arbeitgeber ab

Die EntscheidungDas ArbG entschied dass die Befristung zum 29 Februar 2016 wirksam

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war und das Arbeitsverhaumlltnis zu diesem Zeitpunkt beendete Es liege ein wirksames bdquoHinausschiebenrdquo des Beendigungszeitpunkts nach sect 41 S 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) vor Nach dieser Vorschrift koumlnnen die Parteien durch Vereinbarung das Ende des Ar-beitsverhaumlltnisses hinausschieben wenn der urspruumlngliche Vertrag fuumlr die Beendigung auf das Erreichen der Regelaltersgrenze abstelle und eine entsprechende Vereinbarung noch waumlhrend des laufenden Arbeits-verhaumlltnisses getroffen werde Nach Auffassung des Gerichts war im urspruumlnglichen Arbeitsvertrag der erforderliche Bezug zur Regelalters-grenze hergestellt Es sei unschaumldlich dass das Ende des Arbeitsverhaumllt-nisses vorliegend nicht exakt mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze zusammenfalle da es jedenfalls bei Hochschullehrern uumlblich sei das Arbeitsverhaumlltnis nicht waumlhrend des laufenden Semesters zu beenden sondern erst mit dessen Abschluss Problematisch war aber dass beim erstmaligen Hinausschieben zugleich auch die Arbeitszeit reduziert wurde Das ArbG entschied dass das bdquoHinausschiebenrdquo eine gleichzeiti-ge Aumlnderung der Vertragsbedingungen zulaumlsst anders als bei sonstigen bdquonormalenrdquo Befristungen ohne Sachgrund sect 41 S 3 SGB VI solle es Ar-beitgeber und Arbeitnehmer ermoumlglichen das Beschaumlftigungsverhaumllt-nis auch nach Erreichen der Regelaltersgrenze einvernehmlich und fuumlr einen von vorn herein festgelegten Zeitraum fortzusetzen Daher sei es sachgerecht eine Reduzierung der Arbeitszeit zuzulassen da nur so die Moumlglichkeit fuumlr einen flexiblen Uumlbergang von der Erwerbstaumltigkeit zum Renteneintritt bestehe

Das mehrfache Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts wie von sect 41 S 3 SGB VI vorgesehen sei auch mit Europarecht vereinbar Dies-bezuumlglich entschied das LAG Niedersachen etwas zuruumlckhaltender dass zumindest das einmalige Hinausschieben europarechtskonform sei

Konsequenzen fuumlr die PraxisDie Entscheidung des ArbG Karlsruhe ermoumlglicht eine praxisgerechte Handhabung der Beschaumlftigung von Rentnern Ob sich die Linie des ArbG Karlsruhe durchsetzt bleibt aber abzuwarten da die Rechtsfra-ge ob im Rahmen von sect 41 S 3 SGB VI zugleich Arbeitsbedingungen geaumlndert werden duumlrfen in der juristischen Literatur weiter umstritten bleibt Fuumlr bereits abgeschlossene Vertraumlge kann aber im Streitfall auf das Urteil verwiesen werden Das vergleichbare bereits erwaumlhnte Ver-fahren vor dem LAG Niedersachsen ist bereits beim BAG unter dem Aktenzeichen 7 AZR 7017 anhaumlngig

PraxistippArbeitgeber sind gut beraten die Entwicklung der Rechtsprechung weiterhin im Auge zu behalten Wer kein Risiko eingehen will sollte sich bis zu einer houmlchstrichterlichen Klaumlrung auf ein einmaliges Hi-nausschieben des Beendigungsdatums beschraumlnken Zudem sollten Unternehmen Aumlnderungen von Arbeitsbedingungen nicht gleich-zeitig vornehmen sondern sie zeitlich versetzt vereinbaren soweit sie fuumlr erforderlich gehalten werden

Dr Roland KleinRechtsanwalt und Fachanwalt fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft Berlin

Im Blickpunkt

Entgelttransparenzgesetz Der Auskunftsanspruch kommt - wichtige To-dos bis zum 6 Januar 2018

Das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) ist seit dem 6 Juli 2017 in Kraft Es gilt als bdquouumlberfluumlssiges Buumlrokratiemonsterrdquo das zwar mit der Durchsetzung des Gebots der gleichen Entlohnung von Frauen und Maumlnnern ein gut gemeintes Ziel verfolgt Gut gemeint ist jedoch be-kanntlich nicht immer auch gut gemacht Es darf durchaus bezweifelt werden dass das Gesetz seinen Zweck erreichen wird Klar ist jeden-falls dass es Arbeitnehmern in Betrieben mit mehr als 200 Beschaumlf-tigten erstmals ab dem 6 Januar 2018 ermoumlglichen wird einen Aus-kunftsanspruch uumlber die Kriterien und das Verfahren zur Festlegung des Entgelts und dessen Houmlhe zu stellen (sect 10 EntgTranspG) vgl auch zu allem Springer BEITEN BURKHARDT Newsletter Arbeitsrecht Ausgabe Maumlrz 2017 Seite 7 f

Das Ende der sechsmonatigen bdquoSchonfristrdquo bis zum 6 Januar 2018 naht bereits Unternehmen mit Betrieben () mit mehr als 200 Mitar-beitern muumlssen daher jetzt handeln um sich vor boumlsen Uumlberraschun-gen zu schuumltzen Dabei stellen sich vor allem die Fragen ob nach dem 6 Januar 2018 eine unterschiedliche Verguumltung noch moumlglich ist und wie sich Arbeitgeber bis zum 6 Januar 2018 auf potenzielle Aus-kunftsanspruumlche vorbereiten sollten

Ist eine unterschiedliche Verguumltung noch moumlglich

Nach sect 7 EntgTranspG darf in einem Beschaumlftigungsverhaumlltnis allein auf-grund des Geschlechts fuumlr gleiche oder gleichwertige Arbeit kein geringe-res Entgelt vereinbart bzw ausgezahlt werden Das bedeutet im Umkehr-schluss dass eine unterschiedliche Verguumltung dann weiterhin moumlglich ist wenn die Arbeit nicht gleich oder gleichwertig ist Wann aber ist eine Ar-beit gleich oder gleichwertig Das ist der Fall wenn sie sich weder nach ihrer Art ihren Ausbildungsanforderungen undoder ihren Arbeitsbedin-gungen von der Arbeit des Kollegen bzw der Kollegin unterscheidet (sect 4 Abs 2 EntgTranspG)

PraxistippVor diesem Hintergrund sollten neu zu besetzende Stellen im Betrieb moumlglichst individuell bezeichnet und Stellenausschreibungen individuell formuliert werden

Eine unterschiedliche Verguumltung ist weiterhin und immer dann moumlglich wenn Regeln zur Entgeltfestsetzung bdquodurch ein rechtmaumlszligiges Ziel sach-lich gerechtfertigt und die Mittel angemessen und erforderlich sindrdquo

PraxistippEs empfiehlt sich daher stets sachliche Gruumlnde wie arbeitsmarkt- leis-tungs- und arbeitsergebnisbezogene Kriterien fuumlr die houmlhere Bezahlung zu dokumentieren Dies koumlnnen zum Beispiel sein houmlheres Dienstalter (Honorierung der Berufserfahrung) koumlrperliche Anforderungen Ge-schicklichkeit und Stressbelastung etc Bei Verguumltungsverhandlungen sollte der Arbeitgeber die Gruumlnde schriftlich niederlegen weshalb eine sachgerechte Mehrbezahlung erfolgen soll etwa Fahrtkosten Umzugs-kosten Kindergartenzulage und Boni

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

Zu beachten ist weiterhin dass eine Auskunft des Arbeitnehmers zum Schutz personenbezogener Daten auch nur dann verlangt werden kann wenn eine Vergleichstaumltigkeit von mindestens sechs Mitarbeiterninnen des jeweils anderen Geschlechts ausgeuumlbt wird (sect 12 Abs 3 EntgTranspG)Arbeiten in der Vergleichsgruppe etwa fuumlnf Frauen und 15 Maumlnner und macht eine Frau den Auskunftsanspruch geltend wird der statistische Mittelwert des Entgelts der 15 Maumlnner als Vergleichswert gebildet Ein Mann koumlnnte in diesem Fall keine Auskunft uumlber den Mittelwert verlan-gen da weniger als sechs Frauen die Vergleichstaumltigkeit ausuumlben

PraxistippPotenzielle Vergleichsgruppen sollten daher kleinstmoumlglich d h unter sechs Mitarbeitern gehalten werden

Wie sollten sich Arbeitgeber auf potenzielle Auskunftsanspruumlche vorbereiten

Ab dem 6 Januar 2018 drohen die ersten Auskunftsanspruumlche Es waumlre verfehlt hierauf nicht vorbereitet zu sein Zusaumltzlich zu den genannten Empfehlungen sollte daher spaumltestens jetzt mit der Erstellung einer Dokumentation zu etwaigen Entgeltunterschieden bei der Belegschaft begonnen werden um nicht in Zeitnot bei der Beantwortung der ersten Auskunftsverlangen zu kommen

PraxistippDie bis zum 6 Januar 2018 verbleibende bdquoSchonfristrdquo sollte genutzt werden um Entgeltunterschiede zu identifizieren Sofern solche Unter-schiede bestehen sollten Unternehmen dokumentieren wodurch die unterschiedliche Verguumltung gerechtfertigt ist (z B durch die o g Krite-rien wie houmlheres Dienstalter etc)

Besonders prekaumlr Unternehmen die weder tarifgebunden sind noch Tarifvertraumlge anwenden droht das Damoklesschwert einer sog Be-weislastumkehr Wenn solche Unternehmen die Auskunftsverlangen nicht innerhalb von drei Monaten beantworten ist der Arbeitgeber im Streitfall zur Uumlberzeugung des Gerichts beweispflichtig dass kein Verstoszlig gegen das Entgeltgleichheitsgebot vorliegt (sect 15 Abs 5 EntgTranspG) Es wird also ein Verstoszlig vermutet der sich durch die Arbeitgeber oft nur schwer widerlegen lassen duumlrfte Gerade solche Unternehmen die nicht tarifgebunden sind und keine Tarifvertraumlge anwenden sollten sich im besonderen Maszlige auf die drohenden Aus-kunftsanspruumlche vorbereiten um nicht in Beweisnoumlte zu kommen

Sofern Unternehmen im Rahmen der Vorbereitungen nicht zu recht-fertigende Entgeltunterschiede auffinden ist zu untersuchen ob sich die Differenzen ggf anlaumlsslich kommender Gehaltsrunden nivellieren lassen

PraxistippWenn moumlglich sollten die kommenden Gehaltsrunden genutzt werden um nicht zu rechtfertigende Entgeltdifferenzen auszugleichen Dies gilt insbesondere fuumlr etwaige zum Jahreswechsel 201718 anstehenden Gehaltsrunden

Zuletzt noch ein wichtiges technisches Detail zum Auskunftsverfah-ren Nach der Intention des Gesetzgebers sollen die Auskuumlnfte ur-

spruumlnglich in einem Betrieb mit Betriebsrat ausschlieszliglich durch die-ses Gremium (und nicht durch die Arbeitgeber) erteilt werden Zum Ende des Gesetzgebungsverfahrens wurde dem Arbeitgeber aber ein Optionsrecht gegeben Auch er kann nun die Adressatenstellung fuumlr den Auskunftsanspruch durch einseitige Erklaumlrung jedoch nach Er-laumluterung gegenuumlber dem Betriebsrat fuumlr die Dauer der Amtszeit des Betriebsrats uumlbernehmen (sect 14 Abs 2 EntgTranspG)

PraxistippViele Arbeitgeber mit Betriebsraumlten duumlrften gut beraten sein die Adres-satenstellung fuumlr den Auskunftsanspruch zu uumlbernehmen Unterneh-men sollten daher nicht abwarten bis sie das erste Auskunftsverlangen ereilt sondern zuumlgig und noch innerhalb der bdquoSchonfristrdquo entscheiden ob sie die Auskunftsverlangen uumlbernehmen wollen

FazitNeben den genannten Punkten gibt es noch eine Reihe weiterer To-dos die sich aus dem Inkrafttreten des EntgTranspG ergeben Arbeitgeber sollten sie sammeln und dann sauber abarbeiten damit die bdquoSchonfristrdquo bis zum 6 Januar 2018 nicht ungenutzt verstreicht

Dr Nina Springer LLM Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltin fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Henrik Luumlthge Rechtsanwalt Fachanwalt fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Duumlsseldorf

Hinweis Dieser Beitrag ist in einer aumlhnlichen Form in der Zeitschrift Personalpraxis und Recht (PuR) Ausgabe Juni 2017 Seiten 131 ff erschienen

Update Das Betriebsrentenstaumlrkungsgesetz ist beschlossene Sache

Bereits im BEITEN BURKHARDT Newsletter Arbeitsrecht Ausgabe Maumlrz 2017 Seite 11 hatten wir detailliert uumlber den Gesetzgebungstand zum Betriebsrentenstaumlrkungsgesetz (BRSG) berichtet Nachdem zwi-schenzeitlich doch Unsicherheiten aufgekommen waren ob das Gesetz noch verabschiedet wuumlrde haben es Bundestag und Bundesrat im Juni bzw Juli nun beschlossen Hierbei hat es auch in letzter Sekunde noch wichtige Aumlnderungen gegeben

Wichtiges fuumlr neue VersorgungszusagenDas sogenannte Sozialpartnermodell ist mit dem BRSG als neue Form

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

der betrieblichen Altersversorgung Gesetz geworden Es ist etwas an-deres als die bislang im Betriebsrentengesetz (BetrAVG) vorgesehenen Kombinationsmoumlglichkeiten aus fuumlnf Durchfuumlhrungswegen (Direkt-zusage Unterstuumltzungskasse Pensionskasse Pensionsfonds und Di-rektversicherung) und drei Zusagemodellen (Leistungszusage Beitrags-zusage mit Mindestleistung und beitragsorientierte Leistungszusage) und bietet nun erstmals die Moumlglichkeit einer reinen Beitragszusage Die Pflichten des Arbeitgebers beschraumlnken sich dann auf die Entrich-tung der zugesagten Beitraumlge (z B aus Entgeltumwandlung) an einen externen Versorgungstraumlger (Pensionskasse Direktversicherung oder Pensionsfonds) Eine bestimmte Versorgungsleistung wird vom Ar-beitgeber nicht zugesagt und darf auch vom Versorgungstraumlger nicht zugesagt werden ndash bdquoGarantieverbotrdquo Versprochen ist allein eine soge-nannte bdquoZielrenterdquo deren Houmlhe und deren Entwicklung abhaumlngig von der Vermoumlgens- und Ertragslage bzw -entwicklung der Versorgungs-einrichtung sein sollen

Da der Arbeitgeber weitgehend befreit ist und eine Absicherung der Ar-beitnehmerinteressen nicht mehr durch eine Garantieleistung gewahrt ist macht das BRSG der Einfuumlhrung von reinen Beitragszusagen ver-schiedene Auflagen Die reine Beitragszusage muss auf Vereinbarungen der Tarifvertragsparteien beruhen die sich auch an der Durchfuumlhrung und Steuerung der Versorgungseinrichtung beteiligen muumlssen Zudem soll die Versorgungseinrichtung einer engen Beaufsichtigung durch die BaFin unterliegen Zuletzt muss der Arbeitgeber einen Risikoauf-schlag (mindestens 15 Prozent) fuumlr entgeltumwandlungsfinanzierte reine Beitragszusagen leisten Arbeitgeber und Beschaumlftigte die nicht tarifgebunden sind sollen vereinbaren koumlnnen dass die einschlaumlgigen Tarifvertraumlge auch fuumlr sie gelten Die Tarifvertragsparteien muumlssen zu-dem ihre Versorgungseinrichtungen fuumlr nicht organisierte Arbeitgeber und Arbeitnehmer oumlffnen

Bestehende EntgeltumwandlungssystemeDie wesentlichste Neuerung im Vergleich zum Stand im Maumlrz ist dass Arbeitgeber auch in bestehenden entgeltumwandlungsfinanzierten Versorgungssystemen zukuumlnftig gesetzlich verpflichtet werden Sozial-versicherungsersparnisse als Zusatzbeitrag an Arbeitnehmer weiter-zugeben Nach einer in letzter Sekunde in das BRSG aufgenommenen Regelung muumlssen Arbeitgeber auch bei bestehenden Entgeltumwand-lungssystemen zukuumlnftig 15 Prozent des umgewandelten Entgelts zu-saumltzlich als Arbeitgeberzuschuss leisten wenn die Entgeltumwandlung uumlber einen Pensionsfonds die Pensionskasse oder die Direktversiche-rung durchgefuumlhrt wird Fuumlr individual- und kollektivrechtliche Entgelt-umwandlungsvereinbarungen die vor dem 1 Januar 2019 geschlossen worden sind gilt die Zuschusspflicht erst ab dem 1 Januar 2022

bdquoOpting OutrdquoAn der Einfuumlhrung der Regelungen zu bdquoOpting outrdquo-Modellen hat es hingegen keine wesentlichen Veraumlnderungen gegeben Nach dem BRSG wird es zulaumlssig sein dass die Teilnahme an der Entgeltumwandlung fuumlr alle Beschaumlftigten oder Gruppen von Beschaumlftigten eines Arbeitgebers durch tarifvertragliche Regelung oder aufgrund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung als Regelfall auch ohne Teilnah-meerklaumlrung des Arbeitnehmers vorgesehen wird Die Nichtteilnahme erfordert dann ein bdquoOpting Outrdquo in Form eines Widerspruchs des Arbeit-nehmers Auch nichttarifgebundene Arbeitgeber koumlnnen ein einschlauml-giges tarifvertragliches Optionssystem anwenden oder aufgrund eines

einschlaumlgigen Tarifvertrags durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung die Einfuumlhrung eines Optionssystems regeln

Aumlnderungen des steuerrechtlich anerkannten Dotierungsrahmens und steuerliche Arbeitgeberfoumlrderung Im Wesentlichen unveraumlndert geblieben sind auch die Vorhaben zum steuerrechtlich anerkannten Dotierungsrahmen und zur steuer-lichen Arbeitgeberfoumlrderung sowie zur Steigerung der Arbeitnehmer-attraktivitaumlt Das Gesetz bringt auch einen geaumlnderten steuerfreien Dotierungsrahmen fuumlr Zahlungen des Arbeitgebers an externe Ver-sorgungstraumlger mit sich Statt bisher vier Prozent gilt fuumlr Beitraumlge an Pensionskassen Pensionsfonds oder Direktversicherungen nach dem BRSG eine einheitliche prozentuale Grenze von nun acht Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung Die Moumlglichkeit der Fortfuumlhrung einer Pauschalbesteuerung soll in Altfaumlllen unter Anrechnung auf den steuerfreien Dotierungsrahmen von acht Prozent bestehen bleiben

Zudem fuumlhrt das BRSG eine Foumlrderung fuumlr arbeitgeberfinanzierte Ver-sorgungszusagen fuumlr Arbeitnehmer mit niedrigen Einkommen ein Als Geringverdiener sind hierbei Beschaumlftigte mit einem monatlichen Brutto-einkommen von bis zu 2200 EUR definiert

Im Bereich der Arbeitnehmerattraktivitaumlt gerade auch fuumlr Arbeitnehmer mit geringen Einkommen steigt die Grundzulage bei der Riester-Rente von derzeit 15400 auf 17500 EUR Betriebs- und Riester-Renten sol-len in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nicht mehr voll angerechnet werden Anrechnungsfrei bleiben Leistungen aus einer zusaumltzlichen Altersvorsorge in Houmlhe eines Sockelbetrages von 100 EUR zuzuumlglich 30 Prozent des uumlbersteigenden Einkommens aus einer zusaumltzlichen Altersvorsorge Die Obergrenze betraumlgt 50 Prozent der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu sect 28 des zwoumllften Buchs Sozialgesetzbuch ndash derzeit (2017) 20450 EUR

Joumlrn Manhart Rechtsanwalt BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Duumlsseldorf

Kurzmeldungen

Ruumlckkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit kommt vorerst nicht

Das geplante Gesetz nach dem Beschaumlftigte die ihre Arbeitszeit vo-ruumlbergehend verringern moumlchten nach der Teilzeitphase wieder zur urspruumlnglichen Arbeitszeit zuruumlckkehren koumlnnen (vgl Fink im BEITEN BURKHARDT Newsletter Arbeitsrecht Ausgabe Maumlrz 2017 Sei-te 6) wird nicht mehr im Bundeskabinett besprochen werden Das er-gibt sich aus uumlbereinstimmenden Medienberichten Der Gesetzentwurf von Angela Nahles ist damit in dieser Legislaturperiode gescheitert

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

BEIJING bull BERLIN bull BRUumlSSEL bull DUumlSSELDORF bull FRANKFURT AM MAINMOSKAU bull MUumlNCHEN bull ST PETERSBURG

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Hinweise

Diese Veroumlffentlichung stellt keine Rechtsberatung dar

Wenn Sie diesen Newsletter nicht mehr erhalten moumlchten koumlnnen Sie jederzeit per E-Mail (bitte E-Mail mit Betreff bdquoAb bestellenldquo an MarkusBauerbblawcom) oder sonst gegenuumlber BEITEN BURKHARDT widersprechen

copy BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbHAlle Rechte vorbehalten 2017

Impressum

BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (Herausgeber) Ganghoferstraszlige 33 D-80339 Muumlnchen AG Muumlnchen HR B 155350USt-Idnr DE811218811

Weitere Informationen (Impressumsangaben) unter httpswwwbeiten-burkhardtcomdehinweiseimpressum

Redaktion (verantwortlich)

Markus Bauer Rechtsanwalt

Redaktionsschluss dieser Ausgabe ist der 23 August 2017

Ihre Ansprechpartner

Berlin bull Kurfuumlrstenstraszlige 72-74 bull 10787 Berlin Dr Dietmar Muumlller-Boruttau RechtsanwaltTel +49 30 26471-319 bull DietmarMueller-Boruttaubblawcom

Duumlsseldorf bull Cecilienallee 7 bull 40474 Duumlsseldorf Christian von Buddenbrock Rechtsanwalt Tel +49 211 518989-190 bull ChristianvonBuddenbrockbblawcom

Frankfurt am Main bull Mainzer Landstraszlige 3660325 Frankfurt am Main Dr Thomas Drosdeck Rechtsanwalt Tel +49 69 756095-115 bull ThomasDrosdeckbblawcom

Muumlnchen bull Ganghoferstraszlige 33 bull 80339 Muumlnchen Dr Christopher Melms Rechtsanwalt Tel +49 89 35065-1143 bull ChristopherMelmsbblawcom

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Mindestloumlhne in der Pflege steigen

Der Pflegemindestlohn steigt ab Januar 2018 auf 1055 EUR im Westen und 1005 EUR im Osten Anfang 2019 und 2020 wird er nochmals er-houmlht Von diesem Mindestlohn profitieren vor allem Pflegehilfskraumlfte Eine entsprechende Verordnung hat das Kabinett passiert Mit der Verordnung gelten fuumlr alle Pflegebetriebe und ihre Beschaumlftigten die bereits im April von der Pflegekommission ausgehandelten Lohnuntergrenzen Das sind 1020 EUR pro Stunde in den alten Bundeslaumlndern 950 EUR in den neuen Bundeslaumlndern Sie gelten auch fuumlr auslaumlndische Pflegeunternehmen die ihre Arbeitskraumlfte nach Deutschland entsenden Die Pflegemindestloumlhne liegen uumlber dem gesetzlichen Mindestlohn von derzeit 884 EUR

(Quelle und weitere Informationen wwwbundesregierungde)

In eigener Sache BB als Kanzlei des Jahres fuumlr Arbeitsrecht nominiert

BEITEN BURKHARDT ist als bdquoKanzlei des Jahresldquo u a im Bereich Arbeits-recht fuumlr die bdquoJUVE-Awardsldquo nominiert worden Mit den JUVE-Awards werden jedes Jahr Kanzleien oder Rechtsabteilungen ausgezeichnet die aufgrund ihrer Arbeit und Marktposition in den Recherchegespraumlchen fuumlr das JUVE-Handbuch als besonders dynamisch aufgefallen sind Es wird dabei besonders auf Empfehlungen von Marktteilnehmern geachtet die sich nicht nur auf fachliche Expertise sondern auch auf strategische Ausrichtung Serviceorientierung und Zukunftspotenzial beziehen Die Preisverleihung findet am 26 Oktober 2017 in Frankfurt statt Weitere Informationen zu den Awards finden Sie unter wwwjuvedeawards

Anstehende BAG-Entscheidungen (September 2017)

20 September 2017

900 Uhr Insolvenzanfechtung minus in der Krise geleistete Arbeitsverguuml-tung minus Inkongruenz aufgrund drohender Zwangsvollstre-ckung

20 September 2017

1030 Uhr Samstag minus Werktag iSd sect 6 TVoumlD-K

20 September 2017

1000 Uhr Berechnung des Nachtzu-schlags und des Urlaubsent-gelts unter Beruumlcksichtigung des MiLoG

26 September 2017

1030 Uhr Gesetzliche Insolvenzsicherung fuumlr Einstandspflicht des Ar-beitgebers nach Herabsetzung einer Pensionskassenrente minus Versicherungsmissbrauch

26 September 2017

1400 Uhr Ruhen eines Ruhegeldan-spruchs bei betragsmaumlszligig houmlherem Hinterbliebenenver-sorgungsanspruch

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

war und das Arbeitsverhaumlltnis zu diesem Zeitpunkt beendete Es liege ein wirksames bdquoHinausschiebenrdquo des Beendigungszeitpunkts nach sect 41 S 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) vor Nach dieser Vorschrift koumlnnen die Parteien durch Vereinbarung das Ende des Ar-beitsverhaumlltnisses hinausschieben wenn der urspruumlngliche Vertrag fuumlr die Beendigung auf das Erreichen der Regelaltersgrenze abstelle und eine entsprechende Vereinbarung noch waumlhrend des laufenden Arbeits-verhaumlltnisses getroffen werde Nach Auffassung des Gerichts war im urspruumlnglichen Arbeitsvertrag der erforderliche Bezug zur Regelalters-grenze hergestellt Es sei unschaumldlich dass das Ende des Arbeitsverhaumllt-nisses vorliegend nicht exakt mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze zusammenfalle da es jedenfalls bei Hochschullehrern uumlblich sei das Arbeitsverhaumlltnis nicht waumlhrend des laufenden Semesters zu beenden sondern erst mit dessen Abschluss Problematisch war aber dass beim erstmaligen Hinausschieben zugleich auch die Arbeitszeit reduziert wurde Das ArbG entschied dass das bdquoHinausschiebenrdquo eine gleichzeiti-ge Aumlnderung der Vertragsbedingungen zulaumlsst anders als bei sonstigen bdquonormalenrdquo Befristungen ohne Sachgrund sect 41 S 3 SGB VI solle es Ar-beitgeber und Arbeitnehmer ermoumlglichen das Beschaumlftigungsverhaumllt-nis auch nach Erreichen der Regelaltersgrenze einvernehmlich und fuumlr einen von vorn herein festgelegten Zeitraum fortzusetzen Daher sei es sachgerecht eine Reduzierung der Arbeitszeit zuzulassen da nur so die Moumlglichkeit fuumlr einen flexiblen Uumlbergang von der Erwerbstaumltigkeit zum Renteneintritt bestehe

Das mehrfache Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts wie von sect 41 S 3 SGB VI vorgesehen sei auch mit Europarecht vereinbar Dies-bezuumlglich entschied das LAG Niedersachen etwas zuruumlckhaltender dass zumindest das einmalige Hinausschieben europarechtskonform sei

Konsequenzen fuumlr die PraxisDie Entscheidung des ArbG Karlsruhe ermoumlglicht eine praxisgerechte Handhabung der Beschaumlftigung von Rentnern Ob sich die Linie des ArbG Karlsruhe durchsetzt bleibt aber abzuwarten da die Rechtsfra-ge ob im Rahmen von sect 41 S 3 SGB VI zugleich Arbeitsbedingungen geaumlndert werden duumlrfen in der juristischen Literatur weiter umstritten bleibt Fuumlr bereits abgeschlossene Vertraumlge kann aber im Streitfall auf das Urteil verwiesen werden Das vergleichbare bereits erwaumlhnte Ver-fahren vor dem LAG Niedersachsen ist bereits beim BAG unter dem Aktenzeichen 7 AZR 7017 anhaumlngig

PraxistippArbeitgeber sind gut beraten die Entwicklung der Rechtsprechung weiterhin im Auge zu behalten Wer kein Risiko eingehen will sollte sich bis zu einer houmlchstrichterlichen Klaumlrung auf ein einmaliges Hi-nausschieben des Beendigungsdatums beschraumlnken Zudem sollten Unternehmen Aumlnderungen von Arbeitsbedingungen nicht gleich-zeitig vornehmen sondern sie zeitlich versetzt vereinbaren soweit sie fuumlr erforderlich gehalten werden

Dr Roland KleinRechtsanwalt und Fachanwalt fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft Berlin

Im Blickpunkt

Entgelttransparenzgesetz Der Auskunftsanspruch kommt - wichtige To-dos bis zum 6 Januar 2018

Das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) ist seit dem 6 Juli 2017 in Kraft Es gilt als bdquouumlberfluumlssiges Buumlrokratiemonsterrdquo das zwar mit der Durchsetzung des Gebots der gleichen Entlohnung von Frauen und Maumlnnern ein gut gemeintes Ziel verfolgt Gut gemeint ist jedoch be-kanntlich nicht immer auch gut gemacht Es darf durchaus bezweifelt werden dass das Gesetz seinen Zweck erreichen wird Klar ist jeden-falls dass es Arbeitnehmern in Betrieben mit mehr als 200 Beschaumlf-tigten erstmals ab dem 6 Januar 2018 ermoumlglichen wird einen Aus-kunftsanspruch uumlber die Kriterien und das Verfahren zur Festlegung des Entgelts und dessen Houmlhe zu stellen (sect 10 EntgTranspG) vgl auch zu allem Springer BEITEN BURKHARDT Newsletter Arbeitsrecht Ausgabe Maumlrz 2017 Seite 7 f

Das Ende der sechsmonatigen bdquoSchonfristrdquo bis zum 6 Januar 2018 naht bereits Unternehmen mit Betrieben () mit mehr als 200 Mitar-beitern muumlssen daher jetzt handeln um sich vor boumlsen Uumlberraschun-gen zu schuumltzen Dabei stellen sich vor allem die Fragen ob nach dem 6 Januar 2018 eine unterschiedliche Verguumltung noch moumlglich ist und wie sich Arbeitgeber bis zum 6 Januar 2018 auf potenzielle Aus-kunftsanspruumlche vorbereiten sollten

Ist eine unterschiedliche Verguumltung noch moumlglich

Nach sect 7 EntgTranspG darf in einem Beschaumlftigungsverhaumlltnis allein auf-grund des Geschlechts fuumlr gleiche oder gleichwertige Arbeit kein geringe-res Entgelt vereinbart bzw ausgezahlt werden Das bedeutet im Umkehr-schluss dass eine unterschiedliche Verguumltung dann weiterhin moumlglich ist wenn die Arbeit nicht gleich oder gleichwertig ist Wann aber ist eine Ar-beit gleich oder gleichwertig Das ist der Fall wenn sie sich weder nach ihrer Art ihren Ausbildungsanforderungen undoder ihren Arbeitsbedin-gungen von der Arbeit des Kollegen bzw der Kollegin unterscheidet (sect 4 Abs 2 EntgTranspG)

PraxistippVor diesem Hintergrund sollten neu zu besetzende Stellen im Betrieb moumlglichst individuell bezeichnet und Stellenausschreibungen individuell formuliert werden

Eine unterschiedliche Verguumltung ist weiterhin und immer dann moumlglich wenn Regeln zur Entgeltfestsetzung bdquodurch ein rechtmaumlszligiges Ziel sach-lich gerechtfertigt und die Mittel angemessen und erforderlich sindrdquo

PraxistippEs empfiehlt sich daher stets sachliche Gruumlnde wie arbeitsmarkt- leis-tungs- und arbeitsergebnisbezogene Kriterien fuumlr die houmlhere Bezahlung zu dokumentieren Dies koumlnnen zum Beispiel sein houmlheres Dienstalter (Honorierung der Berufserfahrung) koumlrperliche Anforderungen Ge-schicklichkeit und Stressbelastung etc Bei Verguumltungsverhandlungen sollte der Arbeitgeber die Gruumlnde schriftlich niederlegen weshalb eine sachgerechte Mehrbezahlung erfolgen soll etwa Fahrtkosten Umzugs-kosten Kindergartenzulage und Boni

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Zu beachten ist weiterhin dass eine Auskunft des Arbeitnehmers zum Schutz personenbezogener Daten auch nur dann verlangt werden kann wenn eine Vergleichstaumltigkeit von mindestens sechs Mitarbeiterninnen des jeweils anderen Geschlechts ausgeuumlbt wird (sect 12 Abs 3 EntgTranspG)Arbeiten in der Vergleichsgruppe etwa fuumlnf Frauen und 15 Maumlnner und macht eine Frau den Auskunftsanspruch geltend wird der statistische Mittelwert des Entgelts der 15 Maumlnner als Vergleichswert gebildet Ein Mann koumlnnte in diesem Fall keine Auskunft uumlber den Mittelwert verlan-gen da weniger als sechs Frauen die Vergleichstaumltigkeit ausuumlben

PraxistippPotenzielle Vergleichsgruppen sollten daher kleinstmoumlglich d h unter sechs Mitarbeitern gehalten werden

Wie sollten sich Arbeitgeber auf potenzielle Auskunftsanspruumlche vorbereiten

Ab dem 6 Januar 2018 drohen die ersten Auskunftsanspruumlche Es waumlre verfehlt hierauf nicht vorbereitet zu sein Zusaumltzlich zu den genannten Empfehlungen sollte daher spaumltestens jetzt mit der Erstellung einer Dokumentation zu etwaigen Entgeltunterschieden bei der Belegschaft begonnen werden um nicht in Zeitnot bei der Beantwortung der ersten Auskunftsverlangen zu kommen

PraxistippDie bis zum 6 Januar 2018 verbleibende bdquoSchonfristrdquo sollte genutzt werden um Entgeltunterschiede zu identifizieren Sofern solche Unter-schiede bestehen sollten Unternehmen dokumentieren wodurch die unterschiedliche Verguumltung gerechtfertigt ist (z B durch die o g Krite-rien wie houmlheres Dienstalter etc)

Besonders prekaumlr Unternehmen die weder tarifgebunden sind noch Tarifvertraumlge anwenden droht das Damoklesschwert einer sog Be-weislastumkehr Wenn solche Unternehmen die Auskunftsverlangen nicht innerhalb von drei Monaten beantworten ist der Arbeitgeber im Streitfall zur Uumlberzeugung des Gerichts beweispflichtig dass kein Verstoszlig gegen das Entgeltgleichheitsgebot vorliegt (sect 15 Abs 5 EntgTranspG) Es wird also ein Verstoszlig vermutet der sich durch die Arbeitgeber oft nur schwer widerlegen lassen duumlrfte Gerade solche Unternehmen die nicht tarifgebunden sind und keine Tarifvertraumlge anwenden sollten sich im besonderen Maszlige auf die drohenden Aus-kunftsanspruumlche vorbereiten um nicht in Beweisnoumlte zu kommen

Sofern Unternehmen im Rahmen der Vorbereitungen nicht zu recht-fertigende Entgeltunterschiede auffinden ist zu untersuchen ob sich die Differenzen ggf anlaumlsslich kommender Gehaltsrunden nivellieren lassen

PraxistippWenn moumlglich sollten die kommenden Gehaltsrunden genutzt werden um nicht zu rechtfertigende Entgeltdifferenzen auszugleichen Dies gilt insbesondere fuumlr etwaige zum Jahreswechsel 201718 anstehenden Gehaltsrunden

Zuletzt noch ein wichtiges technisches Detail zum Auskunftsverfah-ren Nach der Intention des Gesetzgebers sollen die Auskuumlnfte ur-

spruumlnglich in einem Betrieb mit Betriebsrat ausschlieszliglich durch die-ses Gremium (und nicht durch die Arbeitgeber) erteilt werden Zum Ende des Gesetzgebungsverfahrens wurde dem Arbeitgeber aber ein Optionsrecht gegeben Auch er kann nun die Adressatenstellung fuumlr den Auskunftsanspruch durch einseitige Erklaumlrung jedoch nach Er-laumluterung gegenuumlber dem Betriebsrat fuumlr die Dauer der Amtszeit des Betriebsrats uumlbernehmen (sect 14 Abs 2 EntgTranspG)

PraxistippViele Arbeitgeber mit Betriebsraumlten duumlrften gut beraten sein die Adres-satenstellung fuumlr den Auskunftsanspruch zu uumlbernehmen Unterneh-men sollten daher nicht abwarten bis sie das erste Auskunftsverlangen ereilt sondern zuumlgig und noch innerhalb der bdquoSchonfristrdquo entscheiden ob sie die Auskunftsverlangen uumlbernehmen wollen

FazitNeben den genannten Punkten gibt es noch eine Reihe weiterer To-dos die sich aus dem Inkrafttreten des EntgTranspG ergeben Arbeitgeber sollten sie sammeln und dann sauber abarbeiten damit die bdquoSchonfristrdquo bis zum 6 Januar 2018 nicht ungenutzt verstreicht

Dr Nina Springer LLM Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltin fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Henrik Luumlthge Rechtsanwalt Fachanwalt fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Duumlsseldorf

Hinweis Dieser Beitrag ist in einer aumlhnlichen Form in der Zeitschrift Personalpraxis und Recht (PuR) Ausgabe Juni 2017 Seiten 131 ff erschienen

Update Das Betriebsrentenstaumlrkungsgesetz ist beschlossene Sache

Bereits im BEITEN BURKHARDT Newsletter Arbeitsrecht Ausgabe Maumlrz 2017 Seite 11 hatten wir detailliert uumlber den Gesetzgebungstand zum Betriebsrentenstaumlrkungsgesetz (BRSG) berichtet Nachdem zwi-schenzeitlich doch Unsicherheiten aufgekommen waren ob das Gesetz noch verabschiedet wuumlrde haben es Bundestag und Bundesrat im Juni bzw Juli nun beschlossen Hierbei hat es auch in letzter Sekunde noch wichtige Aumlnderungen gegeben

Wichtiges fuumlr neue VersorgungszusagenDas sogenannte Sozialpartnermodell ist mit dem BRSG als neue Form

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

der betrieblichen Altersversorgung Gesetz geworden Es ist etwas an-deres als die bislang im Betriebsrentengesetz (BetrAVG) vorgesehenen Kombinationsmoumlglichkeiten aus fuumlnf Durchfuumlhrungswegen (Direkt-zusage Unterstuumltzungskasse Pensionskasse Pensionsfonds und Di-rektversicherung) und drei Zusagemodellen (Leistungszusage Beitrags-zusage mit Mindestleistung und beitragsorientierte Leistungszusage) und bietet nun erstmals die Moumlglichkeit einer reinen Beitragszusage Die Pflichten des Arbeitgebers beschraumlnken sich dann auf die Entrich-tung der zugesagten Beitraumlge (z B aus Entgeltumwandlung) an einen externen Versorgungstraumlger (Pensionskasse Direktversicherung oder Pensionsfonds) Eine bestimmte Versorgungsleistung wird vom Ar-beitgeber nicht zugesagt und darf auch vom Versorgungstraumlger nicht zugesagt werden ndash bdquoGarantieverbotrdquo Versprochen ist allein eine soge-nannte bdquoZielrenterdquo deren Houmlhe und deren Entwicklung abhaumlngig von der Vermoumlgens- und Ertragslage bzw -entwicklung der Versorgungs-einrichtung sein sollen

Da der Arbeitgeber weitgehend befreit ist und eine Absicherung der Ar-beitnehmerinteressen nicht mehr durch eine Garantieleistung gewahrt ist macht das BRSG der Einfuumlhrung von reinen Beitragszusagen ver-schiedene Auflagen Die reine Beitragszusage muss auf Vereinbarungen der Tarifvertragsparteien beruhen die sich auch an der Durchfuumlhrung und Steuerung der Versorgungseinrichtung beteiligen muumlssen Zudem soll die Versorgungseinrichtung einer engen Beaufsichtigung durch die BaFin unterliegen Zuletzt muss der Arbeitgeber einen Risikoauf-schlag (mindestens 15 Prozent) fuumlr entgeltumwandlungsfinanzierte reine Beitragszusagen leisten Arbeitgeber und Beschaumlftigte die nicht tarifgebunden sind sollen vereinbaren koumlnnen dass die einschlaumlgigen Tarifvertraumlge auch fuumlr sie gelten Die Tarifvertragsparteien muumlssen zu-dem ihre Versorgungseinrichtungen fuumlr nicht organisierte Arbeitgeber und Arbeitnehmer oumlffnen

Bestehende EntgeltumwandlungssystemeDie wesentlichste Neuerung im Vergleich zum Stand im Maumlrz ist dass Arbeitgeber auch in bestehenden entgeltumwandlungsfinanzierten Versorgungssystemen zukuumlnftig gesetzlich verpflichtet werden Sozial-versicherungsersparnisse als Zusatzbeitrag an Arbeitnehmer weiter-zugeben Nach einer in letzter Sekunde in das BRSG aufgenommenen Regelung muumlssen Arbeitgeber auch bei bestehenden Entgeltumwand-lungssystemen zukuumlnftig 15 Prozent des umgewandelten Entgelts zu-saumltzlich als Arbeitgeberzuschuss leisten wenn die Entgeltumwandlung uumlber einen Pensionsfonds die Pensionskasse oder die Direktversiche-rung durchgefuumlhrt wird Fuumlr individual- und kollektivrechtliche Entgelt-umwandlungsvereinbarungen die vor dem 1 Januar 2019 geschlossen worden sind gilt die Zuschusspflicht erst ab dem 1 Januar 2022

bdquoOpting OutrdquoAn der Einfuumlhrung der Regelungen zu bdquoOpting outrdquo-Modellen hat es hingegen keine wesentlichen Veraumlnderungen gegeben Nach dem BRSG wird es zulaumlssig sein dass die Teilnahme an der Entgeltumwandlung fuumlr alle Beschaumlftigten oder Gruppen von Beschaumlftigten eines Arbeitgebers durch tarifvertragliche Regelung oder aufgrund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung als Regelfall auch ohne Teilnah-meerklaumlrung des Arbeitnehmers vorgesehen wird Die Nichtteilnahme erfordert dann ein bdquoOpting Outrdquo in Form eines Widerspruchs des Arbeit-nehmers Auch nichttarifgebundene Arbeitgeber koumlnnen ein einschlauml-giges tarifvertragliches Optionssystem anwenden oder aufgrund eines

einschlaumlgigen Tarifvertrags durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung die Einfuumlhrung eines Optionssystems regeln

Aumlnderungen des steuerrechtlich anerkannten Dotierungsrahmens und steuerliche Arbeitgeberfoumlrderung Im Wesentlichen unveraumlndert geblieben sind auch die Vorhaben zum steuerrechtlich anerkannten Dotierungsrahmen und zur steuer-lichen Arbeitgeberfoumlrderung sowie zur Steigerung der Arbeitnehmer-attraktivitaumlt Das Gesetz bringt auch einen geaumlnderten steuerfreien Dotierungsrahmen fuumlr Zahlungen des Arbeitgebers an externe Ver-sorgungstraumlger mit sich Statt bisher vier Prozent gilt fuumlr Beitraumlge an Pensionskassen Pensionsfonds oder Direktversicherungen nach dem BRSG eine einheitliche prozentuale Grenze von nun acht Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung Die Moumlglichkeit der Fortfuumlhrung einer Pauschalbesteuerung soll in Altfaumlllen unter Anrechnung auf den steuerfreien Dotierungsrahmen von acht Prozent bestehen bleiben

Zudem fuumlhrt das BRSG eine Foumlrderung fuumlr arbeitgeberfinanzierte Ver-sorgungszusagen fuumlr Arbeitnehmer mit niedrigen Einkommen ein Als Geringverdiener sind hierbei Beschaumlftigte mit einem monatlichen Brutto-einkommen von bis zu 2200 EUR definiert

Im Bereich der Arbeitnehmerattraktivitaumlt gerade auch fuumlr Arbeitnehmer mit geringen Einkommen steigt die Grundzulage bei der Riester-Rente von derzeit 15400 auf 17500 EUR Betriebs- und Riester-Renten sol-len in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nicht mehr voll angerechnet werden Anrechnungsfrei bleiben Leistungen aus einer zusaumltzlichen Altersvorsorge in Houmlhe eines Sockelbetrages von 100 EUR zuzuumlglich 30 Prozent des uumlbersteigenden Einkommens aus einer zusaumltzlichen Altersvorsorge Die Obergrenze betraumlgt 50 Prozent der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu sect 28 des zwoumllften Buchs Sozialgesetzbuch ndash derzeit (2017) 20450 EUR

Joumlrn Manhart Rechtsanwalt BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Duumlsseldorf

Kurzmeldungen

Ruumlckkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit kommt vorerst nicht

Das geplante Gesetz nach dem Beschaumlftigte die ihre Arbeitszeit vo-ruumlbergehend verringern moumlchten nach der Teilzeitphase wieder zur urspruumlnglichen Arbeitszeit zuruumlckkehren koumlnnen (vgl Fink im BEITEN BURKHARDT Newsletter Arbeitsrecht Ausgabe Maumlrz 2017 Sei-te 6) wird nicht mehr im Bundeskabinett besprochen werden Das er-gibt sich aus uumlbereinstimmenden Medienberichten Der Gesetzentwurf von Angela Nahles ist damit in dieser Legislaturperiode gescheitert

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

BEIJING bull BERLIN bull BRUumlSSEL bull DUumlSSELDORF bull FRANKFURT AM MAINMOSKAU bull MUumlNCHEN bull ST PETERSBURG

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Hinweise

Diese Veroumlffentlichung stellt keine Rechtsberatung dar

Wenn Sie diesen Newsletter nicht mehr erhalten moumlchten koumlnnen Sie jederzeit per E-Mail (bitte E-Mail mit Betreff bdquoAb bestellenldquo an MarkusBauerbblawcom) oder sonst gegenuumlber BEITEN BURKHARDT widersprechen

copy BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbHAlle Rechte vorbehalten 2017

Impressum

BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (Herausgeber) Ganghoferstraszlige 33 D-80339 Muumlnchen AG Muumlnchen HR B 155350USt-Idnr DE811218811

Weitere Informationen (Impressumsangaben) unter httpswwwbeiten-burkhardtcomdehinweiseimpressum

Redaktion (verantwortlich)

Markus Bauer Rechtsanwalt

Redaktionsschluss dieser Ausgabe ist der 23 August 2017

Ihre Ansprechpartner

Berlin bull Kurfuumlrstenstraszlige 72-74 bull 10787 Berlin Dr Dietmar Muumlller-Boruttau RechtsanwaltTel +49 30 26471-319 bull DietmarMueller-Boruttaubblawcom

Duumlsseldorf bull Cecilienallee 7 bull 40474 Duumlsseldorf Christian von Buddenbrock Rechtsanwalt Tel +49 211 518989-190 bull ChristianvonBuddenbrockbblawcom

Frankfurt am Main bull Mainzer Landstraszlige 3660325 Frankfurt am Main Dr Thomas Drosdeck Rechtsanwalt Tel +49 69 756095-115 bull ThomasDrosdeckbblawcom

Muumlnchen bull Ganghoferstraszlige 33 bull 80339 Muumlnchen Dr Christopher Melms Rechtsanwalt Tel +49 89 35065-1143 bull ChristopherMelmsbblawcom

Weitere interessante Themen und Informationen zum Arbeitsrecht finden Sie in unserem Onlinebereich

Mindestloumlhne in der Pflege steigen

Der Pflegemindestlohn steigt ab Januar 2018 auf 1055 EUR im Westen und 1005 EUR im Osten Anfang 2019 und 2020 wird er nochmals er-houmlht Von diesem Mindestlohn profitieren vor allem Pflegehilfskraumlfte Eine entsprechende Verordnung hat das Kabinett passiert Mit der Verordnung gelten fuumlr alle Pflegebetriebe und ihre Beschaumlftigten die bereits im April von der Pflegekommission ausgehandelten Lohnuntergrenzen Das sind 1020 EUR pro Stunde in den alten Bundeslaumlndern 950 EUR in den neuen Bundeslaumlndern Sie gelten auch fuumlr auslaumlndische Pflegeunternehmen die ihre Arbeitskraumlfte nach Deutschland entsenden Die Pflegemindestloumlhne liegen uumlber dem gesetzlichen Mindestlohn von derzeit 884 EUR

(Quelle und weitere Informationen wwwbundesregierungde)

In eigener Sache BB als Kanzlei des Jahres fuumlr Arbeitsrecht nominiert

BEITEN BURKHARDT ist als bdquoKanzlei des Jahresldquo u a im Bereich Arbeits-recht fuumlr die bdquoJUVE-Awardsldquo nominiert worden Mit den JUVE-Awards werden jedes Jahr Kanzleien oder Rechtsabteilungen ausgezeichnet die aufgrund ihrer Arbeit und Marktposition in den Recherchegespraumlchen fuumlr das JUVE-Handbuch als besonders dynamisch aufgefallen sind Es wird dabei besonders auf Empfehlungen von Marktteilnehmern geachtet die sich nicht nur auf fachliche Expertise sondern auch auf strategische Ausrichtung Serviceorientierung und Zukunftspotenzial beziehen Die Preisverleihung findet am 26 Oktober 2017 in Frankfurt statt Weitere Informationen zu den Awards finden Sie unter wwwjuvedeawards

Anstehende BAG-Entscheidungen (September 2017)

20 September 2017

900 Uhr Insolvenzanfechtung minus in der Krise geleistete Arbeitsverguuml-tung minus Inkongruenz aufgrund drohender Zwangsvollstre-ckung

20 September 2017

1030 Uhr Samstag minus Werktag iSd sect 6 TVoumlD-K

20 September 2017

1000 Uhr Berechnung des Nachtzu-schlags und des Urlaubsent-gelts unter Beruumlcksichtigung des MiLoG

26 September 2017

1030 Uhr Gesetzliche Insolvenzsicherung fuumlr Einstandspflicht des Ar-beitgebers nach Herabsetzung einer Pensionskassenrente minus Versicherungsmissbrauch

26 September 2017

1400 Uhr Ruhen eines Ruhegeldan-spruchs bei betragsmaumlszligig houmlherem Hinterbliebenenver-sorgungsanspruch

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

Zu beachten ist weiterhin dass eine Auskunft des Arbeitnehmers zum Schutz personenbezogener Daten auch nur dann verlangt werden kann wenn eine Vergleichstaumltigkeit von mindestens sechs Mitarbeiterninnen des jeweils anderen Geschlechts ausgeuumlbt wird (sect 12 Abs 3 EntgTranspG)Arbeiten in der Vergleichsgruppe etwa fuumlnf Frauen und 15 Maumlnner und macht eine Frau den Auskunftsanspruch geltend wird der statistische Mittelwert des Entgelts der 15 Maumlnner als Vergleichswert gebildet Ein Mann koumlnnte in diesem Fall keine Auskunft uumlber den Mittelwert verlan-gen da weniger als sechs Frauen die Vergleichstaumltigkeit ausuumlben

PraxistippPotenzielle Vergleichsgruppen sollten daher kleinstmoumlglich d h unter sechs Mitarbeitern gehalten werden

Wie sollten sich Arbeitgeber auf potenzielle Auskunftsanspruumlche vorbereiten

Ab dem 6 Januar 2018 drohen die ersten Auskunftsanspruumlche Es waumlre verfehlt hierauf nicht vorbereitet zu sein Zusaumltzlich zu den genannten Empfehlungen sollte daher spaumltestens jetzt mit der Erstellung einer Dokumentation zu etwaigen Entgeltunterschieden bei der Belegschaft begonnen werden um nicht in Zeitnot bei der Beantwortung der ersten Auskunftsverlangen zu kommen

PraxistippDie bis zum 6 Januar 2018 verbleibende bdquoSchonfristrdquo sollte genutzt werden um Entgeltunterschiede zu identifizieren Sofern solche Unter-schiede bestehen sollten Unternehmen dokumentieren wodurch die unterschiedliche Verguumltung gerechtfertigt ist (z B durch die o g Krite-rien wie houmlheres Dienstalter etc)

Besonders prekaumlr Unternehmen die weder tarifgebunden sind noch Tarifvertraumlge anwenden droht das Damoklesschwert einer sog Be-weislastumkehr Wenn solche Unternehmen die Auskunftsverlangen nicht innerhalb von drei Monaten beantworten ist der Arbeitgeber im Streitfall zur Uumlberzeugung des Gerichts beweispflichtig dass kein Verstoszlig gegen das Entgeltgleichheitsgebot vorliegt (sect 15 Abs 5 EntgTranspG) Es wird also ein Verstoszlig vermutet der sich durch die Arbeitgeber oft nur schwer widerlegen lassen duumlrfte Gerade solche Unternehmen die nicht tarifgebunden sind und keine Tarifvertraumlge anwenden sollten sich im besonderen Maszlige auf die drohenden Aus-kunftsanspruumlche vorbereiten um nicht in Beweisnoumlte zu kommen

Sofern Unternehmen im Rahmen der Vorbereitungen nicht zu recht-fertigende Entgeltunterschiede auffinden ist zu untersuchen ob sich die Differenzen ggf anlaumlsslich kommender Gehaltsrunden nivellieren lassen

PraxistippWenn moumlglich sollten die kommenden Gehaltsrunden genutzt werden um nicht zu rechtfertigende Entgeltdifferenzen auszugleichen Dies gilt insbesondere fuumlr etwaige zum Jahreswechsel 201718 anstehenden Gehaltsrunden

Zuletzt noch ein wichtiges technisches Detail zum Auskunftsverfah-ren Nach der Intention des Gesetzgebers sollen die Auskuumlnfte ur-

spruumlnglich in einem Betrieb mit Betriebsrat ausschlieszliglich durch die-ses Gremium (und nicht durch die Arbeitgeber) erteilt werden Zum Ende des Gesetzgebungsverfahrens wurde dem Arbeitgeber aber ein Optionsrecht gegeben Auch er kann nun die Adressatenstellung fuumlr den Auskunftsanspruch durch einseitige Erklaumlrung jedoch nach Er-laumluterung gegenuumlber dem Betriebsrat fuumlr die Dauer der Amtszeit des Betriebsrats uumlbernehmen (sect 14 Abs 2 EntgTranspG)

PraxistippViele Arbeitgeber mit Betriebsraumlten duumlrften gut beraten sein die Adres-satenstellung fuumlr den Auskunftsanspruch zu uumlbernehmen Unterneh-men sollten daher nicht abwarten bis sie das erste Auskunftsverlangen ereilt sondern zuumlgig und noch innerhalb der bdquoSchonfristrdquo entscheiden ob sie die Auskunftsverlangen uumlbernehmen wollen

FazitNeben den genannten Punkten gibt es noch eine Reihe weiterer To-dos die sich aus dem Inkrafttreten des EntgTranspG ergeben Arbeitgeber sollten sie sammeln und dann sauber abarbeiten damit die bdquoSchonfristrdquo bis zum 6 Januar 2018 nicht ungenutzt verstreicht

Dr Nina Springer LLM Rechtsanwaumlltin und Fachanwaumlltin fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Muumlnchen

Henrik Luumlthge Rechtsanwalt Fachanwalt fuumlr Arbeitsrecht BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Duumlsseldorf

Hinweis Dieser Beitrag ist in einer aumlhnlichen Form in der Zeitschrift Personalpraxis und Recht (PuR) Ausgabe Juni 2017 Seiten 131 ff erschienen

Update Das Betriebsrentenstaumlrkungsgesetz ist beschlossene Sache

Bereits im BEITEN BURKHARDT Newsletter Arbeitsrecht Ausgabe Maumlrz 2017 Seite 11 hatten wir detailliert uumlber den Gesetzgebungstand zum Betriebsrentenstaumlrkungsgesetz (BRSG) berichtet Nachdem zwi-schenzeitlich doch Unsicherheiten aufgekommen waren ob das Gesetz noch verabschiedet wuumlrde haben es Bundestag und Bundesrat im Juni bzw Juli nun beschlossen Hierbei hat es auch in letzter Sekunde noch wichtige Aumlnderungen gegeben

Wichtiges fuumlr neue VersorgungszusagenDas sogenannte Sozialpartnermodell ist mit dem BRSG als neue Form

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

der betrieblichen Altersversorgung Gesetz geworden Es ist etwas an-deres als die bislang im Betriebsrentengesetz (BetrAVG) vorgesehenen Kombinationsmoumlglichkeiten aus fuumlnf Durchfuumlhrungswegen (Direkt-zusage Unterstuumltzungskasse Pensionskasse Pensionsfonds und Di-rektversicherung) und drei Zusagemodellen (Leistungszusage Beitrags-zusage mit Mindestleistung und beitragsorientierte Leistungszusage) und bietet nun erstmals die Moumlglichkeit einer reinen Beitragszusage Die Pflichten des Arbeitgebers beschraumlnken sich dann auf die Entrich-tung der zugesagten Beitraumlge (z B aus Entgeltumwandlung) an einen externen Versorgungstraumlger (Pensionskasse Direktversicherung oder Pensionsfonds) Eine bestimmte Versorgungsleistung wird vom Ar-beitgeber nicht zugesagt und darf auch vom Versorgungstraumlger nicht zugesagt werden ndash bdquoGarantieverbotrdquo Versprochen ist allein eine soge-nannte bdquoZielrenterdquo deren Houmlhe und deren Entwicklung abhaumlngig von der Vermoumlgens- und Ertragslage bzw -entwicklung der Versorgungs-einrichtung sein sollen

Da der Arbeitgeber weitgehend befreit ist und eine Absicherung der Ar-beitnehmerinteressen nicht mehr durch eine Garantieleistung gewahrt ist macht das BRSG der Einfuumlhrung von reinen Beitragszusagen ver-schiedene Auflagen Die reine Beitragszusage muss auf Vereinbarungen der Tarifvertragsparteien beruhen die sich auch an der Durchfuumlhrung und Steuerung der Versorgungseinrichtung beteiligen muumlssen Zudem soll die Versorgungseinrichtung einer engen Beaufsichtigung durch die BaFin unterliegen Zuletzt muss der Arbeitgeber einen Risikoauf-schlag (mindestens 15 Prozent) fuumlr entgeltumwandlungsfinanzierte reine Beitragszusagen leisten Arbeitgeber und Beschaumlftigte die nicht tarifgebunden sind sollen vereinbaren koumlnnen dass die einschlaumlgigen Tarifvertraumlge auch fuumlr sie gelten Die Tarifvertragsparteien muumlssen zu-dem ihre Versorgungseinrichtungen fuumlr nicht organisierte Arbeitgeber und Arbeitnehmer oumlffnen

Bestehende EntgeltumwandlungssystemeDie wesentlichste Neuerung im Vergleich zum Stand im Maumlrz ist dass Arbeitgeber auch in bestehenden entgeltumwandlungsfinanzierten Versorgungssystemen zukuumlnftig gesetzlich verpflichtet werden Sozial-versicherungsersparnisse als Zusatzbeitrag an Arbeitnehmer weiter-zugeben Nach einer in letzter Sekunde in das BRSG aufgenommenen Regelung muumlssen Arbeitgeber auch bei bestehenden Entgeltumwand-lungssystemen zukuumlnftig 15 Prozent des umgewandelten Entgelts zu-saumltzlich als Arbeitgeberzuschuss leisten wenn die Entgeltumwandlung uumlber einen Pensionsfonds die Pensionskasse oder die Direktversiche-rung durchgefuumlhrt wird Fuumlr individual- und kollektivrechtliche Entgelt-umwandlungsvereinbarungen die vor dem 1 Januar 2019 geschlossen worden sind gilt die Zuschusspflicht erst ab dem 1 Januar 2022

bdquoOpting OutrdquoAn der Einfuumlhrung der Regelungen zu bdquoOpting outrdquo-Modellen hat es hingegen keine wesentlichen Veraumlnderungen gegeben Nach dem BRSG wird es zulaumlssig sein dass die Teilnahme an der Entgeltumwandlung fuumlr alle Beschaumlftigten oder Gruppen von Beschaumlftigten eines Arbeitgebers durch tarifvertragliche Regelung oder aufgrund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung als Regelfall auch ohne Teilnah-meerklaumlrung des Arbeitnehmers vorgesehen wird Die Nichtteilnahme erfordert dann ein bdquoOpting Outrdquo in Form eines Widerspruchs des Arbeit-nehmers Auch nichttarifgebundene Arbeitgeber koumlnnen ein einschlauml-giges tarifvertragliches Optionssystem anwenden oder aufgrund eines

einschlaumlgigen Tarifvertrags durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung die Einfuumlhrung eines Optionssystems regeln

Aumlnderungen des steuerrechtlich anerkannten Dotierungsrahmens und steuerliche Arbeitgeberfoumlrderung Im Wesentlichen unveraumlndert geblieben sind auch die Vorhaben zum steuerrechtlich anerkannten Dotierungsrahmen und zur steuer-lichen Arbeitgeberfoumlrderung sowie zur Steigerung der Arbeitnehmer-attraktivitaumlt Das Gesetz bringt auch einen geaumlnderten steuerfreien Dotierungsrahmen fuumlr Zahlungen des Arbeitgebers an externe Ver-sorgungstraumlger mit sich Statt bisher vier Prozent gilt fuumlr Beitraumlge an Pensionskassen Pensionsfonds oder Direktversicherungen nach dem BRSG eine einheitliche prozentuale Grenze von nun acht Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung Die Moumlglichkeit der Fortfuumlhrung einer Pauschalbesteuerung soll in Altfaumlllen unter Anrechnung auf den steuerfreien Dotierungsrahmen von acht Prozent bestehen bleiben

Zudem fuumlhrt das BRSG eine Foumlrderung fuumlr arbeitgeberfinanzierte Ver-sorgungszusagen fuumlr Arbeitnehmer mit niedrigen Einkommen ein Als Geringverdiener sind hierbei Beschaumlftigte mit einem monatlichen Brutto-einkommen von bis zu 2200 EUR definiert

Im Bereich der Arbeitnehmerattraktivitaumlt gerade auch fuumlr Arbeitnehmer mit geringen Einkommen steigt die Grundzulage bei der Riester-Rente von derzeit 15400 auf 17500 EUR Betriebs- und Riester-Renten sol-len in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nicht mehr voll angerechnet werden Anrechnungsfrei bleiben Leistungen aus einer zusaumltzlichen Altersvorsorge in Houmlhe eines Sockelbetrages von 100 EUR zuzuumlglich 30 Prozent des uumlbersteigenden Einkommens aus einer zusaumltzlichen Altersvorsorge Die Obergrenze betraumlgt 50 Prozent der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu sect 28 des zwoumllften Buchs Sozialgesetzbuch ndash derzeit (2017) 20450 EUR

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Ruumlckkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit kommt vorerst nicht

Das geplante Gesetz nach dem Beschaumlftigte die ihre Arbeitszeit vo-ruumlbergehend verringern moumlchten nach der Teilzeitphase wieder zur urspruumlnglichen Arbeitszeit zuruumlckkehren koumlnnen (vgl Fink im BEITEN BURKHARDT Newsletter Arbeitsrecht Ausgabe Maumlrz 2017 Sei-te 6) wird nicht mehr im Bundeskabinett besprochen werden Das er-gibt sich aus uumlbereinstimmenden Medienberichten Der Gesetzentwurf von Angela Nahles ist damit in dieser Legislaturperiode gescheitert

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Weitere Informationen (Impressumsangaben) unter httpswwwbeiten-burkhardtcomdehinweiseimpressum

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Mindestloumlhne in der Pflege steigen

Der Pflegemindestlohn steigt ab Januar 2018 auf 1055 EUR im Westen und 1005 EUR im Osten Anfang 2019 und 2020 wird er nochmals er-houmlht Von diesem Mindestlohn profitieren vor allem Pflegehilfskraumlfte Eine entsprechende Verordnung hat das Kabinett passiert Mit der Verordnung gelten fuumlr alle Pflegebetriebe und ihre Beschaumlftigten die bereits im April von der Pflegekommission ausgehandelten Lohnuntergrenzen Das sind 1020 EUR pro Stunde in den alten Bundeslaumlndern 950 EUR in den neuen Bundeslaumlndern Sie gelten auch fuumlr auslaumlndische Pflegeunternehmen die ihre Arbeitskraumlfte nach Deutschland entsenden Die Pflegemindestloumlhne liegen uumlber dem gesetzlichen Mindestlohn von derzeit 884 EUR

(Quelle und weitere Informationen wwwbundesregierungde)

In eigener Sache BB als Kanzlei des Jahres fuumlr Arbeitsrecht nominiert

BEITEN BURKHARDT ist als bdquoKanzlei des Jahresldquo u a im Bereich Arbeits-recht fuumlr die bdquoJUVE-Awardsldquo nominiert worden Mit den JUVE-Awards werden jedes Jahr Kanzleien oder Rechtsabteilungen ausgezeichnet die aufgrund ihrer Arbeit und Marktposition in den Recherchegespraumlchen fuumlr das JUVE-Handbuch als besonders dynamisch aufgefallen sind Es wird dabei besonders auf Empfehlungen von Marktteilnehmern geachtet die sich nicht nur auf fachliche Expertise sondern auch auf strategische Ausrichtung Serviceorientierung und Zukunftspotenzial beziehen Die Preisverleihung findet am 26 Oktober 2017 in Frankfurt statt Weitere Informationen zu den Awards finden Sie unter wwwjuvedeawards

Anstehende BAG-Entscheidungen (September 2017)

20 September 2017

900 Uhr Insolvenzanfechtung minus in der Krise geleistete Arbeitsverguuml-tung minus Inkongruenz aufgrund drohender Zwangsvollstre-ckung

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1030 Uhr Samstag minus Werktag iSd sect 6 TVoumlD-K

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1000 Uhr Berechnung des Nachtzu-schlags und des Urlaubsent-gelts unter Beruumlcksichtigung des MiLoG

26 September 2017

1030 Uhr Gesetzliche Insolvenzsicherung fuumlr Einstandspflicht des Ar-beitgebers nach Herabsetzung einer Pensionskassenrente minus Versicherungsmissbrauch

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1400 Uhr Ruhen eines Ruhegeldan-spruchs bei betragsmaumlszligig houmlherem Hinterbliebenenver-sorgungsanspruch

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Da der Arbeitgeber weitgehend befreit ist und eine Absicherung der Ar-beitnehmerinteressen nicht mehr durch eine Garantieleistung gewahrt ist macht das BRSG der Einfuumlhrung von reinen Beitragszusagen ver-schiedene Auflagen Die reine Beitragszusage muss auf Vereinbarungen der Tarifvertragsparteien beruhen die sich auch an der Durchfuumlhrung und Steuerung der Versorgungseinrichtung beteiligen muumlssen Zudem soll die Versorgungseinrichtung einer engen Beaufsichtigung durch die BaFin unterliegen Zuletzt muss der Arbeitgeber einen Risikoauf-schlag (mindestens 15 Prozent) fuumlr entgeltumwandlungsfinanzierte reine Beitragszusagen leisten Arbeitgeber und Beschaumlftigte die nicht tarifgebunden sind sollen vereinbaren koumlnnen dass die einschlaumlgigen Tarifvertraumlge auch fuumlr sie gelten Die Tarifvertragsparteien muumlssen zu-dem ihre Versorgungseinrichtungen fuumlr nicht organisierte Arbeitgeber und Arbeitnehmer oumlffnen

Bestehende EntgeltumwandlungssystemeDie wesentlichste Neuerung im Vergleich zum Stand im Maumlrz ist dass Arbeitgeber auch in bestehenden entgeltumwandlungsfinanzierten Versorgungssystemen zukuumlnftig gesetzlich verpflichtet werden Sozial-versicherungsersparnisse als Zusatzbeitrag an Arbeitnehmer weiter-zugeben Nach einer in letzter Sekunde in das BRSG aufgenommenen Regelung muumlssen Arbeitgeber auch bei bestehenden Entgeltumwand-lungssystemen zukuumlnftig 15 Prozent des umgewandelten Entgelts zu-saumltzlich als Arbeitgeberzuschuss leisten wenn die Entgeltumwandlung uumlber einen Pensionsfonds die Pensionskasse oder die Direktversiche-rung durchgefuumlhrt wird Fuumlr individual- und kollektivrechtliche Entgelt-umwandlungsvereinbarungen die vor dem 1 Januar 2019 geschlossen worden sind gilt die Zuschusspflicht erst ab dem 1 Januar 2022

bdquoOpting OutrdquoAn der Einfuumlhrung der Regelungen zu bdquoOpting outrdquo-Modellen hat es hingegen keine wesentlichen Veraumlnderungen gegeben Nach dem BRSG wird es zulaumlssig sein dass die Teilnahme an der Entgeltumwandlung fuumlr alle Beschaumlftigten oder Gruppen von Beschaumlftigten eines Arbeitgebers durch tarifvertragliche Regelung oder aufgrund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung als Regelfall auch ohne Teilnah-meerklaumlrung des Arbeitnehmers vorgesehen wird Die Nichtteilnahme erfordert dann ein bdquoOpting Outrdquo in Form eines Widerspruchs des Arbeit-nehmers Auch nichttarifgebundene Arbeitgeber koumlnnen ein einschlauml-giges tarifvertragliches Optionssystem anwenden oder aufgrund eines

einschlaumlgigen Tarifvertrags durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung die Einfuumlhrung eines Optionssystems regeln

Aumlnderungen des steuerrechtlich anerkannten Dotierungsrahmens und steuerliche Arbeitgeberfoumlrderung Im Wesentlichen unveraumlndert geblieben sind auch die Vorhaben zum steuerrechtlich anerkannten Dotierungsrahmen und zur steuer-lichen Arbeitgeberfoumlrderung sowie zur Steigerung der Arbeitnehmer-attraktivitaumlt Das Gesetz bringt auch einen geaumlnderten steuerfreien Dotierungsrahmen fuumlr Zahlungen des Arbeitgebers an externe Ver-sorgungstraumlger mit sich Statt bisher vier Prozent gilt fuumlr Beitraumlge an Pensionskassen Pensionsfonds oder Direktversicherungen nach dem BRSG eine einheitliche prozentuale Grenze von nun acht Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung Die Moumlglichkeit der Fortfuumlhrung einer Pauschalbesteuerung soll in Altfaumlllen unter Anrechnung auf den steuerfreien Dotierungsrahmen von acht Prozent bestehen bleiben

Zudem fuumlhrt das BRSG eine Foumlrderung fuumlr arbeitgeberfinanzierte Ver-sorgungszusagen fuumlr Arbeitnehmer mit niedrigen Einkommen ein Als Geringverdiener sind hierbei Beschaumlftigte mit einem monatlichen Brutto-einkommen von bis zu 2200 EUR definiert

Im Bereich der Arbeitnehmerattraktivitaumlt gerade auch fuumlr Arbeitnehmer mit geringen Einkommen steigt die Grundzulage bei der Riester-Rente von derzeit 15400 auf 17500 EUR Betriebs- und Riester-Renten sol-len in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nicht mehr voll angerechnet werden Anrechnungsfrei bleiben Leistungen aus einer zusaumltzlichen Altersvorsorge in Houmlhe eines Sockelbetrages von 100 EUR zuzuumlglich 30 Prozent des uumlbersteigenden Einkommens aus einer zusaumltzlichen Altersvorsorge Die Obergrenze betraumlgt 50 Prozent der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu sect 28 des zwoumllften Buchs Sozialgesetzbuch ndash derzeit (2017) 20450 EUR

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Das geplante Gesetz nach dem Beschaumlftigte die ihre Arbeitszeit vo-ruumlbergehend verringern moumlchten nach der Teilzeitphase wieder zur urspruumlnglichen Arbeitszeit zuruumlckkehren koumlnnen (vgl Fink im BEITEN BURKHARDT Newsletter Arbeitsrecht Ausgabe Maumlrz 2017 Sei-te 6) wird nicht mehr im Bundeskabinett besprochen werden Das er-gibt sich aus uumlbereinstimmenden Medienberichten Der Gesetzentwurf von Angela Nahles ist damit in dieser Legislaturperiode gescheitert

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Berlin bull Kurfuumlrstenstraszlige 72-74 bull 10787 Berlin Dr Dietmar Muumlller-Boruttau RechtsanwaltTel +49 30 26471-319 bull DietmarMueller-Boruttaubblawcom

Duumlsseldorf bull Cecilienallee 7 bull 40474 Duumlsseldorf Christian von Buddenbrock Rechtsanwalt Tel +49 211 518989-190 bull ChristianvonBuddenbrockbblawcom

Frankfurt am Main bull Mainzer Landstraszlige 3660325 Frankfurt am Main Dr Thomas Drosdeck Rechtsanwalt Tel +49 69 756095-115 bull ThomasDrosdeckbblawcom

Muumlnchen bull Ganghoferstraszlige 33 bull 80339 Muumlnchen Dr Christopher Melms Rechtsanwalt Tel +49 89 35065-1143 bull ChristopherMelmsbblawcom

Weitere interessante Themen und Informationen zum Arbeitsrecht finden Sie in unserem Onlinebereich

Mindestloumlhne in der Pflege steigen

Der Pflegemindestlohn steigt ab Januar 2018 auf 1055 EUR im Westen und 1005 EUR im Osten Anfang 2019 und 2020 wird er nochmals er-houmlht Von diesem Mindestlohn profitieren vor allem Pflegehilfskraumlfte Eine entsprechende Verordnung hat das Kabinett passiert Mit der Verordnung gelten fuumlr alle Pflegebetriebe und ihre Beschaumlftigten die bereits im April von der Pflegekommission ausgehandelten Lohnuntergrenzen Das sind 1020 EUR pro Stunde in den alten Bundeslaumlndern 950 EUR in den neuen Bundeslaumlndern Sie gelten auch fuumlr auslaumlndische Pflegeunternehmen die ihre Arbeitskraumlfte nach Deutschland entsenden Die Pflegemindestloumlhne liegen uumlber dem gesetzlichen Mindestlohn von derzeit 884 EUR

(Quelle und weitere Informationen wwwbundesregierungde)

In eigener Sache BB als Kanzlei des Jahres fuumlr Arbeitsrecht nominiert

BEITEN BURKHARDT ist als bdquoKanzlei des Jahresldquo u a im Bereich Arbeits-recht fuumlr die bdquoJUVE-Awardsldquo nominiert worden Mit den JUVE-Awards werden jedes Jahr Kanzleien oder Rechtsabteilungen ausgezeichnet die aufgrund ihrer Arbeit und Marktposition in den Recherchegespraumlchen fuumlr das JUVE-Handbuch als besonders dynamisch aufgefallen sind Es wird dabei besonders auf Empfehlungen von Marktteilnehmern geachtet die sich nicht nur auf fachliche Expertise sondern auch auf strategische Ausrichtung Serviceorientierung und Zukunftspotenzial beziehen Die Preisverleihung findet am 26 Oktober 2017 in Frankfurt statt Weitere Informationen zu den Awards finden Sie unter wwwjuvedeawards

Anstehende BAG-Entscheidungen (September 2017)

20 September 2017

900 Uhr Insolvenzanfechtung minus in der Krise geleistete Arbeitsverguuml-tung minus Inkongruenz aufgrund drohender Zwangsvollstre-ckung

20 September 2017

1030 Uhr Samstag minus Werktag iSd sect 6 TVoumlD-K

20 September 2017

1000 Uhr Berechnung des Nachtzu-schlags und des Urlaubsent-gelts unter Beruumlcksichtigung des MiLoG

26 September 2017

1030 Uhr Gesetzliche Insolvenzsicherung fuumlr Einstandspflicht des Ar-beitgebers nach Herabsetzung einer Pensionskassenrente minus Versicherungsmissbrauch

26 September 2017

1400 Uhr Ruhen eines Ruhegeldan-spruchs bei betragsmaumlszligig houmlherem Hinterbliebenenver-sorgungsanspruch

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Newsletter September 2017Arbeitsrecht

BEIJING bull BERLIN bull BRUumlSSEL bull DUumlSSELDORF bull FRANKFURT AM MAINMOSKAU bull MUumlNCHEN bull ST PETERSBURG

WWWBEITENBURKHARDTCOM

Hinweise

Diese Veroumlffentlichung stellt keine Rechtsberatung dar

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copy BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbHAlle Rechte vorbehalten 2017

Impressum

BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (Herausgeber) Ganghoferstraszlige 33 D-80339 Muumlnchen AG Muumlnchen HR B 155350USt-Idnr DE811218811

Weitere Informationen (Impressumsangaben) unter httpswwwbeiten-burkhardtcomdehinweiseimpressum

Redaktion (verantwortlich)

Markus Bauer Rechtsanwalt

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Mindestloumlhne in der Pflege steigen

Der Pflegemindestlohn steigt ab Januar 2018 auf 1055 EUR im Westen und 1005 EUR im Osten Anfang 2019 und 2020 wird er nochmals er-houmlht Von diesem Mindestlohn profitieren vor allem Pflegehilfskraumlfte Eine entsprechende Verordnung hat das Kabinett passiert Mit der Verordnung gelten fuumlr alle Pflegebetriebe und ihre Beschaumlftigten die bereits im April von der Pflegekommission ausgehandelten Lohnuntergrenzen Das sind 1020 EUR pro Stunde in den alten Bundeslaumlndern 950 EUR in den neuen Bundeslaumlndern Sie gelten auch fuumlr auslaumlndische Pflegeunternehmen die ihre Arbeitskraumlfte nach Deutschland entsenden Die Pflegemindestloumlhne liegen uumlber dem gesetzlichen Mindestlohn von derzeit 884 EUR

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Anstehende BAG-Entscheidungen (September 2017)

20 September 2017

900 Uhr Insolvenzanfechtung minus in der Krise geleistete Arbeitsverguuml-tung minus Inkongruenz aufgrund drohender Zwangsvollstre-ckung

20 September 2017

1030 Uhr Samstag minus Werktag iSd sect 6 TVoumlD-K

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26 September 2017

1030 Uhr Gesetzliche Insolvenzsicherung fuumlr Einstandspflicht des Ar-beitgebers nach Herabsetzung einer Pensionskassenrente minus Versicherungsmissbrauch

26 September 2017

1400 Uhr Ruhen eines Ruhegeldan-spruchs bei betragsmaumlszligig houmlherem Hinterbliebenenver-sorgungsanspruch