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1 Folie 1 www.advocat.ch Prof. Dr. Roland Müller Kollektives und öffentliches Arbeitsrecht Vorlesung 9: Arbeits- und Ruhezeiten Prof. Dr.iur. Roland Müller, Rechtsanwalt und Notar Titularprofessor an den Universitäten St.Gallen und Bern Masterkurs Arbeitsrecht II Masterkurs Arbeitsrecht II Kollektives und öffentliches Arbeitsrecht www.advocat.ch Arbeitszeit - Problem der modernen Arbeitswelt Arbeitszeit ist noch immer das Hauptkriterium zur Lohn- bestimmung, obwohl in vielen Bereichen die Arbeitsleistung als Lohnkriterium gewünscht wird. Umgekehrt haben Gewerkschaften Bedenken, dass die Aufhebung von Vorschriften zur Arbeitszeit zu einer Überforderung der Arbeitnehmer führen würde. Die Politik ist im Zwiespalt der Interessen. Die Arbeitgeber fordern die Aufhebung der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung, die Gewerkschaften verlangen Bestimmungen zur Einschränkung der ständigen Erreichbarkeit (E-Mail Flut). Folie 2 Prof. Dr. Roland Müller

Masterkurs Arbeitsrecht II - ziv.unibe.ch · 1 Masterkurs Arbeitsrecht II Kollektives und öffentliches Arbeitsrecht ... handels, die im gleichen Betrieb oder Betriebsteil zusammen

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Masterkurs Arbeitsrecht II Kollektives und öffentliches Arbeitsrecht

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Kollektives und öffentliches Arbeitsrecht

Vorlesung 9: Arbeits- und Ruhezeiten

Prof. Dr.iur. Roland Müller, Rechtsanwalt und NotarTitularprofessor an den Universitäten St.Gallen und Bern

Masterkurs Arbeitsrecht II

Masterkurs Arbeitsrecht II Kollektives und öffentliches Arbeitsrecht

www.advocat.ch

Arbeitszeit - Problem der modernen Arbeitswelt

Arbeitszeit ist noch immer das Hauptkriterium zur Lohn-bestimmung, obwohl in vielen Bereichen die Arbeitsleistung als Lohnkriterium gewünscht wird. Umgekehrt haben Gewerkschaften Bedenken, dass die Aufhebung von Vorschriften zur Arbeitszeit zu einer Überforderung der Arbeitnehmer führen würde.

Die Politik ist im Zwiespalt der Interessen. Die Arbeitgeber fordern die Aufhebung der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung, die Gewerkschaften verlangen Bestimmungen zur Einschränkung der ständigen Erreichbarkeit (E-Mail Flut).

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Zielsetzungen der 9. Vorlesung

Klarstellen der Begriffe rund um Arbeitszeit, Freizeit und Ruhezeit

Aufzeigen der detaillierten gesetzlichen Regelungen im Bereich der Arbeitszeit

Hinweisen auf die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung trotz Möglichkeit zur Vertrauensarbeitszeit

Exkurs zur Problematik von Schichtbetrieben

Vertiefung der Kenntnisse anhand von Fällen aus der Praxis

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Gliederung der Vorlesung

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1. Begriffe rund um die Arbeitszeit

2. Entwicklung der Arbeitszeit in der Schweiz

3. Zulässige Höchstarbeitszeit

4. Überstunden und Überzeitarbeit

5. Tages-, Abend- und Nachtarbeit

6. Freizeit, Ruhezeiten und Pausen

7. Pflicht zur Arbeitszeiterfassung

8. Ununterbrochener Schichtbetrieb

9. Repetitionsfragen und Fälle aus der Praxis

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Definition der Arbeitszeit

Begriff der Arbeitszeit (Art. 13 ArGV 1)1Als Arbeitszeit im Sinne des Gesetzes gilt die Zeit, während der sich der Arbeitnehmer oder die Arbeit-nehmerin zur Verfügung des Arbeitgebers zu halten hat; der Weg zu und von der Arbeit gilt nicht als Arbeitszeit. Vorbehalten bleiben die Bestimmungen über die Beschäftigung von schwangeren Frauen und stillenden Müttern sowie Artikel 15 Absatz 2.2Ist die Arbeit ausserhalb des Arbeitsortes zu leisten, an dem der Arbeitnehmer normalerweise seine Arbeit verrichtet, und fällt dadurch die Wegzeit länger als üblich aus, so stellt die zeitliche Differenz zur normalen Wegzeit Arbeitszeit dar.

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Masterkurs Arbeitsrecht II Kollektives und öffentliches Arbeitsrecht

Definition des Pikettdienstes

Begriff des Pikettdienstes (Art. 14 ArGV 1)1 Beim Pikettdienst hält sich der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin neben der normalen Arbeit für allfällige Arbeitseinsätze bereit für die Behebung von Störun-gen, die Hilfeleistung in Notsituationen, für Kontroll-gänge oder für ähnliche Sonderereignisse.2 Der einzelne Arbeitnehmer oder die einzelne Arbeit-nehmerin darf im Zeitraum von 4 Wochen an höch-stens 7 Tagen auf Pikett sein oder Piketteinsätze leisten. Nach Beendigung des letzten Pikettdienstes darf der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin während den zwei darauf folgenden Wochen nicht mehr zum Pikettdienst aufgeboten werden.3 ...

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Pikett innerhalb und ausserhalb des Betriebes

Anrechnung an die Arbeitszeit (Art. 15 ArGV 1)1 Wird der Pikettdienst im Betrieb geleistet, stellt die gesamte zur Verfügung gestellte Zeit Arbeitszeit dar.2 Wird der Pikettdienst ausserhalb des Betriebes geleistet, so ist die zur Verfügung gestellte Zeit soweit an die Arbeitszeit anzurechnen, als der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin tatsächlich zur Arbeit heran-gezogen wird. Die Wegzeit zu und von der Arbeit ist in diesem Fall an die Arbeitszeit anzurechnen.

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Wann ist Pikettdienst ausserhalb des Betriebes?

BGE 4A_94/2010Bereitschaft in 15 Minuten oder weniger verunmöglicht i.d.R. ein Profitieren von der Freizeit und gilt deshalb als Arbeitszeit - Ausnahme: Arbeitnehmer ist zu Hause!

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Gliederung der Vorlesung

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1. Begriffe rund um die Arbeitszeit

2. Entwicklung der Arbeitszeit in der Schweiz

3. Zulässige Höchstarbeitszeit

4. Überstunden und Überzeitarbeit

5. Tages-, Abend- und Nachtarbeit

6. Freizeit, Ruhezeiten und Pausen

7. Pflicht zur Arbeitszeiterfassung

8. Ununterbrochener Schichtbetrieb

9. Repetitionsfragen und Fälle aus der Praxis

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Entwicklung der Arbeitszeit in der Schweiz (1)

1816 erste Jugendschutzverordnung im Kanton Zürich: Verbot der Kinderarbeit bis 9 Jahre und Arbeits-zeitbeschränkung für Kinder auf 12-14 Stunden pro Tag bis zur Konfirmation (wurde aber nicht durchgesetzt!)

1837 revidierte Jugendschutzverordnung im Kanton ZH: Verbot der Kinderarbeit bis 12 Jahre und Arbeitszeit-beschränkung für Kinder auf 14 Stunden pro Tag (durchgesetzt wegen Kontrollrecht der Lehrer und Pfarrherren!)

1864 erstes Fabrikgesetz in Kontinentaleuropa erlassen vom Kanton Glarus: Verbot der Nachtarbeit, Verbot der Kinderarbeit bis 13 Jahre und Beschränkung der Arbeitszeit für alle Arbeitnehmer auf 15 Stunden pro Tag

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Entwicklung der Arbeitszeit in der Schweiz (2)

1877 Eidgenössisches Fabrikgesetz: Verbot von Nacht-und Sonntagsarbeit für Frauen, Verbot von Kinderarbeit bis 14 Jahre, Arbeitszeitbeschränkung auf 11 Stunden pro Tag sowie weitere Vorschriften zur Betriebshygiene und Unfallverhütung

1879 Der Bund schreibt erstmals Ferien von 4 Tagen für Beamte vor; für alle übrigen Arbeitnehmer bleiben Ferien aber eine freiwillige "Wohltat" des Arbeitgebers

1911 Revision des Dienstvertrages im OR führt zu Art. 339 aOR mit Marginale "Schutzmassregeln und Arbeitsräume": Arbeitgeber wird verpflichtet, für angemessene und gesunde Arbeits- und Schlafräume zu sorgen und genügende Schutzmassnahmen gegen Betriebsgefahren zu treffen

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Entwicklung der gesetzlichen Schutzpflichten (3)

1946 Solothurn schreibt als erster Kanton 2 Wochen Ferien für alle Arbeitnehmer vor; 1947 folgen Glarus, Waadt und Genf

1964 Eidgenössisches Arbeitsgesetz mit neuen Regelungen betr. Gesundheitsschutz, Höchstarbeits-zeiten, Nachtarbeit, Jugendarbeit und Beschäftigung von Schwangeren; nun max. 45 bzw. 50 Std. pro Woche

1972 Revision des Dienstvertrages im OR mit Aufhebung der Unterscheidung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer; nun 5 Wochen Ferien bis 20 Jahre, danach 4 Wochen

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Achtung:In der Schweiz besteht eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung; diese wird aber derzeit heftig diskutiert und in Frage gestellt

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Statistik zur Arbeitszeit in der Schweiz

Jahresdurchschnitt wöchentliche Arbeitszeit 41.7 h Sektor 1 42.8 h Sektor 2 41.4 h Sektor 3 41.7 h

Jährliche Arbeitszeit in Stunden pro Arbeitsstelle Männer 1733 h Frauen 1214 h Vollzeit (90-100%) 1886 h Teilzeit I (50-89%) 1223 h Teilzeit II (weniger als 50%) 458 h

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Grundlage:Angaben des Bundesamtes für Statistik basierend auf 2013 publiziert in der Zeitschrift Volkswirtschaft

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Masterkurs Arbeitsrecht II Kollektives und öffentliches Arbeitsrecht

Vor- und Nachteile der heutigen Regelung

Vorteile:

Keine wirklich engen Strukturen

Branchenspezifische Regelungen

Durch Verordnungen (inkl. NAV) besteht die Möglichkeit, angemessen schnell auf Veränderungen zu reagieren

Nachteile:

Keine einheitlichen Regelungen

Äusserst unübersichtlich bei Detailfragen

Daraus resultierend eine gewisse Rechts-unsicherheit

Für Arbeitnehmer im gleichen Betrieb können unterschiedliche Regelungen gelten

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Gestaltungsspielraum und dessen Nutzung (1)

Vom Staat grundsätzlich vorgegeben sind:

Wochenhöchstarbeitszeit

Gewisse Rahmendaten bezüglich der Lage der Arbeit

Minimaldauer von Pausen- und Ruhezeiten

Obergrenze für Mehrarbeit

Relativ grosser Spielraum für individuelle Arbeitszeitgestaltung:

Vertragliche Arbeitszeit

Wegbedingung von Überstundenzuschlag

Festlegung der Pauseneinteilung

Gleitzeit und Jahresarbeitszeit

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Gestaltungsspielraum und dessen Nutzung (2)

Nutzung des Gestaltungsspielraums in der Praxis:

Arbeitszeitregelungen sind Bestandteil der meisten Gesamtarbeitsverträge (GAV)

Allgemeinverbindlicherklärung von GAV durch den Bund unter bestimmen Voraussetzungen möglich

Primär wird Wochenarbeitszeit festgelegt

Weniger häufig Festlegung einer Jahresarbeitszeit (wird mit zunehmender Hierarchiestufe eher der Fall)

Regelmässig auch Regelungen bezüglich Flexibilisierungsmöglichkeit der Arbeitszeit durch den Arbeitnehmer

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Forderungen und zukünftige Entwicklungen

Tendenz zur Flexibilisierung der Arbeitszeit bis hin zur Vertrauensarbeitszeit (Erfassung der Arbeitszeit vollständig durch den Arbeitnehmer)

Problem der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung bei Mitarbeitern, die zwar zum Kader gehören, aber noch keine höheren leitenden Angestellten sind

Mit zunehmender Teilzeitarbeit und Telearbeit wird die Erfassung der Arbeitszeit problematischer; was gilt noch als Arbeitszeit und was nicht (Beantwortung von E-Mails)

Kein Änderungsbedarf besteht bei Wochenhöchst-arbeitszeiten, Pausenregelungen, Ferien (Abstimmung über 6 Wochen Ferien!), Spezialregelungen

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Gliederung der Vorlesung

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1. Begriffe rund um die Arbeitszeit

2. Entwicklung der Arbeitszeit in der Schweiz

3. Zulässige Höchstarbeitszeit

4. Überstunden und Überzeitarbeit

5. Tages-, Abend- und Nachtarbeit

6. Freizeit, Ruhezeiten und Pausen

7. Pflicht zur Arbeitszeiterfassung

8. Ununterbrochener Schichtbetrieb

9. Repetitionsfragen und Fälle aus der Praxis

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Gesetzliche Regelung gemäss Art. 9 ArG

45 Stunden für Arbeitnehmer in industriellen Betrieben, Büropersonal, technische und andere Angestellte, Verkaufspersonal in Grossbetrieben des Detailhandels (Gemäss seco werden Filialen nicht zusammengezählt)

50 Stunden für alle übrigen Arbeitnehmer

Grundlage ist nicht die Arbeitszeit pro Tag, sondern die gesamte Arbeitszeit pro Woche

Die Woche beginnt am Sonntagabend um 23.00 Uhr und endet wieder am nächsten Sonntagabend um 23.00 Uhr

Bei der Teilzeitarbeit wird die Höchstarbeitszeit nicht pro rata berechnet, sondern es gelten die gleichen Zeiten

Gesetzliche Höchstarbeitszeit mit Ausnahmen

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Unterschiedliche Arbeitszeit im gleichen Betrieb

SachverhaltBei der Muster AG handelt es sich um einen kleinen Garagen-betrieb, der sich auf die Umarbeitung von angeblich schadstoff-freien Dieselfahrzeugen spezialisiert hat. Es gilt deshalb in diesem Betrieb die 50 Stunden Woche. Die beiden Sekretärinnen machen geltend, für sie gelte als Büropersonal nur die 45 Stunden Woche.

Fragestellunga) Ist es richtig, dass in einem Garagenbetrieb mit technischen

Angestellten die 50 Stunden Woche gilt?b) Ist es richtig, dass für Büropersonal die 45 Stunden Woche gilt?c) Ist es also möglich, dass im gleichen Betrieb unterschiedliche

Arbeitszeiten gelten?

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Abweichungen von der Höchstarbeitszeit

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Art. 9 Abs. 3 bis 4 ArG3 Für bestimmte Gruppen von Betrieben oder Arbeitnehmern kann die wöchentliche Höchstarbeitszeit durch Verordnung zeitweise umhöchstens vier Stunden verlängert werden, sofern sie im Jahres-durchschnitt nicht überschritten wird.4 Eine Verlängerung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit um höchstens vier Stunden kann vom Bundesamt für bestimmte Gruppen von Betrieben oder Arbeitnehmern oder für bestimmte Betriebe bewilligt werden, sofern und solange zwingende Gründe dies rechtfertigen.5 Auf Büropersonal, technische und andere Angestellte, mit Einschluss des Verkaufspersonals in Grossbetrieben des Detail-handels, die im gleichen Betrieb oder Betriebsteil zusammen mit Arbeitnehmern beschäftigt werden, für die eine längere wöchent-liche Höchstarbeitszeit gilt, ist diese ebenfalls anwendbar.

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Ausgleich ausfallender Arbeitszeit

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Art. 11 ArGWird die Arbeit wegen Betriebsstörungen, wegen Betriebsferien, zwischen arbeitsfreien Tagen oder unter ähnlichen Umständen für verhältnismässig kurze Zeit ausgesetzt oder werden einem Arbeitnehmer auf seinen Wunsch arbeitsfreie Tage eingeräumt, so darf der Arbeitgeber innert eines angemessenen Zeitraumes einen entsprechenden Ausgleich in Abweichung von der wöchentlichen Höchstarbeitszeit anordnen. Der Ausgleich für den einzelnen Arbeitnehmer darf, mit Einschluss von Überzeitarbeit, zwei Stunden im Tag nicht überschreiten, ausser an arbeitsfreien Tagen oder Halbtagen.

Im Gegensatz zu Deutschland ist in der Schweiz eine Überschreitung der wöchentlichen Höchst-arbeitszeit unter best. Voraussetzungen zulässig

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Überschreitung der wöchentl. Höchstarbeitszeit

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Art. 12 ArG1 Die wöchentliche Höchstarbeitszeit darf ausnahmsweise überschritten werden:a. wegen Dringlichkeit der Arbeit oder a.o. Arbeitsandranges;b. für Inventaraufnahmen, Rechnungsabschlüsse und

Liquidationsarbeiten;c. zur Vermeidung oder Beseitigung von Betriebsstörungen,

soweit dem Arbeitgeber nicht andere Vorkehren zugemutet werden können.

2 Die Überzeit darf für den einzelnen Arbeitnehmer 2 Std. im Tag nicht überschreiten, ausser an arbeitsfreien Werktagen oder in Notfällen, und im Kalenderjahr insgesamt nicht mehr betragen als:a. 170 Stunden für Arbeitnehmer mit einer wöchentlichen

Höchstarbeitszeit von 45 Stundenb. 140 Stunden für Arbeitnehmer mit einer wöchentlichen

Höchstarbeitszeit von 50 Stunden.

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Höchstarbeitszeit und Feiertage

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Art. 23 ArGV1 Verkürzung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit1 In Wochen, in denen ein oder mehrere den Sonntagen gleich-gestellte gesetzliche Feiertage auf einen Werktag fallen, an dem der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin üblicherweise zu arbeiten hat, wird die wöchentliche Höchstarbeitszeit anteils-mässig verkürzt.2 Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen, die an einem den Sonntagen gleichgestellten gesetzlichen Feiertag arbeiten, ist die anteilsmässige Verkürzung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit in der Woche anzurechnen, in welcher der Ersatzruhetagfür den Feiertag gewährt wird.

Massgebend für die Kürzung ist die eff. Sollarbeitszeit am Feiertag im Verhältnis zur ganzen Wochenarbeitszeit

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Gliederung der Vorlesung

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1. Begriffe rund um die Arbeitszeit

2. Zulässige Höchstarbeitszeit

3. Überstunden und Überzeitarbeit

4. Tages-, Abend- und Nachtarbeit

5. Freizeit, Ruhezeiten und Pausen

6. Pflicht zur Arbeitszeiterfassung

7. Ununterbrochener Schichtbetrieb

8. Repetitionsfragen und Fälle aus der Praxis

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Überstunden nach OR und Überzeit nach ArG

ÜberstundenarbeitJede Arbeit, welche die vertrag-lich festgelegte oder die übliche Arbeitszeit übersteigt.

ÜberzeitarbeitBeginnt da, wo die vom ArGvorgeschrieben Höchst-arbeitszeit überschritten wird.

• auch bei Teilzeitarbeit• Verpflichtung des Arbeitnehmers

soweit notwendig und zumutbar• 25% Zuschlag nach OR 321c,

aber schriftliche Wegbedingung möglich

• pauschaler Lohnzuschlag mögl.• Kompensation nur mit

Einverständnis des AN, dann aber im Verhältnis 1:1

• kein nachträglicher Verzicht möglich

• 45 Std. Industrie/Büropersonal• 50 Std. übrige Betriebe• 25% Zuschlag nach ArG 13

(bei Büropers./techn. Angest. Zuschlag erst ab 60 Std. p.a.)

• keine Wegbedingung mögl.• Kompensation ohne Zuschlag

möglich, aber nur im Einverständnis mit AN, dann aber im Verhältnis 1:1

• keine Kumulation mit Überstunden

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Verhältnis von Überstunden und Überzeit

Überstunden (12 h)

Überzeit (7 h)

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Ausgleich von Überzeitarbeit

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Grundsatz in Art. 25 ArGV 11 Unter Vorbehalt von Artikel 26 ist Überzeitarbeit nach Artikel 12 Absatz 1 Buchstaben a und b des Gesetzes nur als Tages- und Abendarbeit nach Artikel 10 des Gesetzes und nur an Werktagen zulässig.2 Der Ausgleich von Überzeitarbeit durch Freizeit nach Artikel 13 Absatz 2 des Gesetzes ist innert 14 Wochen vorzunehmen, sofern Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerin nicht eine längere Frist vereinbaren, die aber zwölf Monate nicht über-schreiten darf.

Art. 25 ArG ist indirekt die Grundlage zur Vereinbarungeiner Jahresarbeitszeit

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Gliederung der Vorlesung

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1. Begriffe rund um die Arbeitszeit

2. Entwicklung der Arbeitszeit in der Schweiz

3. Zulässige Höchstarbeitszeit

4. Überstunden und Überzeitarbeit

5. Tages-, Abend- und Nachtarbeit

6. Freizeit, Ruhezeiten und Pausen

7. Pflicht zur Arbeitszeiterfassung

8. Ununterbrochener Schichtbetrieb

9. Repetitionsfragen und Fälle aus der Praxis

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Tagesarbeit: 06.00 - 20.00 UhrAbendarbeit: 20.00 - 23.00 UhrNachtarbeit: 23.00 - 06.00 Uhr

Nur in Sonderfällen (z.B. Pikett) sind Arbeiten in der Nacht und am Sonntag ohne Bewilligung zulässig

Beginn und Ende der Arbeitszeit muss mit Pausen und Überzeit innerhalb von 14 Std. liegen (ArG 10)

Bei vorübergehender Nachtarbeit ist ein Zuschlag von 25% zu zahlen, bei dauernder Nachtarbeit ist ein Zeitzuschlag von 10% als Freizeit zu gewähren

Tagesarbeit, Abendarbeit und Nachtarbeit

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Bewilligungsfreie Arbeitszeit

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Sonderbewilligung für Nachtarbeit nötig

Art. 17 ArG1 Ausnahmen vom Verbot der Nachtarbeit bedürfen der Bewilligung.2 Dauernde oder regelmässig wiederkehrende Nacht-arbeit wird bewilligt, sofern sie aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen unentbehrlich ist.3 Vorübergehende Nachtarbeit wird bewilligt, sofern ein dringendes Bedürfnis nachgewiesen wird.4 Nachtarbeit zwischen 5 Uhr und 6 Uhr sowie zwischen 23 Uhr und 24 Uhr wird bewilligt, sofern ein dringendes Bedürfnis nachgewiesen wird.5 Dauernde oder regelmässig wiederkehrende Nacht-arbeit wird vom Bundesamt, vorübergehende Nacht-arbeit von der kantonalen Behörde bewilligt.6 Der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer ohne dessen Einverständnis nicht zu Nachtarbeit heranziehen.

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Zulässige Verschiebungen der Tagesarbeit

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Lohn- und Zeitzuschlag für Nachtarbeit

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Art. 18 ArG1 In der Zeit zwischen Samstag 23 Uhr und Sonntag 23 Uhr ist die Beschäftigung von Arbeitnehmern unter-sagt. Vorbehalten bleibt Artikel 19.2 Der in Absatz 1 festgelegte Zeitraum von 24 Stunden kann um höchstens eine Stunde vorgezogen oder verschoben werden, wenn die Arbeitnehmervertretung im Betrieb oder, wo eine solche nicht besteht, die Mehrheit der betroffenen Arbeitnehmer dem zustimmt.

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Grundsätzliches Verbot für Sonntagsarbeit

Gemäss ArGV 2 sind rund 55 spezielle Betriebsarten permanent vom Sonntagsverbot ausgenommen!

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Ausnahmebewilligungen für Sonntagsarbeit

Art. 19 ArG (Teil 1)1 Ausnahmen vom Verbot der Sonntagsarbeit bedürfen der Bewilligung.2 Dauernde oder regelmässig wiederkehrende Sonn-tagsarbeit wird bewilligt, sofern sie aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen unentbehrlich ist.3 Vorübergehende Sonntagsarbeit wird bewilligt, sofern ein dringendes Bedürfnis nachgewiesen wird. Dem Arbeitnehmer ist ein Lohnzuschlag von 50 Prozent zu bezahlen.4 Dauernde oder regelmässig wiederkehrende Sonn-tagsarbeit wird vom Bundesamt, vorübergehende Sonntagsarbeit von der kant. Behörde bewilligt.

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Ausnahmebewilligungen für Sonntagsarbeit

Art. 19 ArG (Teil 2)5 Der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer ohne dessen Einverständnis nicht zu Sonntagsarbeit heranziehen.6 Die Kantone können höchstens vier Sonntage pro Jahr bezeichnen, an denen Arbeitnehmer in Verkaufs-geschäften ohne Bewilligung beschäftigt werden dürfen.

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Bei verschiedenen Lohnzuschlägen (z.B. Nachtzu-schlag und Sonntagszuschlag) gilt der für den Arbeitnehmer günstigere. Es gibt keine Kumulation!

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Überstunden: + 25%Überzeit: + 25%vorüberg. Nachtarbeit: + 25%dauernde Nachtarbeit: + 25% / + 10% ZeitSonntagsarbeit: + 50%

Der Lohnzuschlag ist bei Zeitlohn nach dem auf die Stunde berechneten Lohn, ohne Orts-, Haus-haltungs- und Kinderzulagen, zu bemessen.

Sind gleichzeitig verschiedene Zuschläge anwend-bar, so ist der für den Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin günstigste Zuschlag auszurichten; es gibt also keine Kumulation (Ausnahmen im öff. rechtl. Bereich oder durch GAV bzw. EAV konkret vorbehalten).

Zusammenfassung der Lohnzuschläge

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Gliederung der Vorlesung

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1. Begriffe rund um die Arbeitszeit

2. Entwicklung der Arbeitszeit in der Schweiz

3. Zulässige Höchstarbeitszeit

4. Überstunden und Überzeitarbeit

5. Tages-, Abend- und Nachtarbeit

6. Freizeit, Ruhezeiten und Pausen

7. Pflicht zur Arbeitszeiterfassung

8. Ununterbrochener Schichtbetrieb

9. Repetitionsfragen und Fälle aus der Praxis

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Wöchentlicher Ruhetag gemäss OR

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Art. 329 OR1 Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer jede Woche einen freien Tag zu gewähren, in der Regel den Sonntag oder, wo dies nach den Verhältnissen nicht möglich ist, einen vollen Werktag.

Im Obligationenrecht ist nur ein einziger freier Tag vor-geschrieben, woraus sich grundsätzlich eine 6-Tages-woche ergibt.

Diese Bestimmung im OR wird durch Art. 20 ArG erweitert, wonach bei einer 6-Tageswoche zusätzlich ein halber Tag frei gewährt werden muss.

Letztlich gilt somit für Betriebe, die dem ArG unterstehen, eine 5 1/2 Tageswoche.

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Zusätzlicher freier Halbtag gemäss ArG

Art. 21 ArG1 Wird die wöchentliche Arbeitszeit auf mehr als fünf Tage verteilt, so ist den Arbeitnehmern jede Woche ein freier Halbtag zu gewähren, mit Ausnahme der Wochen, in die ein arbeitsfreier Tag fällt.2 Der Arbeitgeber darf im Einverständnis mit dem Arbeitnehmer die wöchentlichen freien Halbtage für höchstens vier Wochen zusammenhängend gewähren; die wöchentliche Höchstarbeitszeit ist im Durchschnitt einzuhalten.3 Artikel 20 Absatz 3 ist sinngemäss anwendbar.

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Präzisierung des Halbtages in der ArGV 1

Art. 20 ArGV 11 Der wöchentliche freie Halbtag umfasst 8 Stunden, die unmittelbar vor oder nach der täglichen Ruhezeit an einem Werktag zu gewähren sind.2 Der wöchentliche freie Halbtag gilt als gewährt, wenn:a. der ganze Vormittag von 6 Uhr bis 14 Uhr arbeitsfrei

bleibt;b. der ganze Nachmittag von 12 Uhr bis 20 Uhr

arbeitsfrei bleibt;c. bei zweischichtiger Arbeit der Schichtwechsel

zwischen 12 Uhr und 14 Uhr erfolgt; oderd. bei Nachtarbeit die alternierende Fünf-Tage-Woche

oder im Zeitraum von vier Wochen zwei Kompen-sationstage eingeräumt werden.

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Wöchentlicher freier Halbtag

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Zusatzbestimmungen zur Sonntagsarbeit

Art. 21 ArGV 11 Wöchentlicher Ruhetag ist grundsätzlich der Sonntag.2 Der wöchentliche Ruhetag und die tägliche Ruhezeit müssen zusammen mindestens 35 aufeinander folgen-de Stunden ergeben.3 Muss am Sonntag gearbeitet werden, darf der Arbeit-nehmer oder die Arbeitnehmerin nicht mehr als an 6 aufeinander folgenden Tagen beschäftigt werden. Vor-behalten bleiben die Bestimmungen über den unun-terbrochenen Betrieb.4 Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen, die sonntags arbeiten, dürfen Sonntage, die in ihre Ferienzeit fallen, nicht an die gesetzlich vorgeschriebenen freien Sonn-tage angerechnet werden.

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Alle Arbeitnehmer haben Anspruch auf eine tägliche Ruhezeit und wöchentliche Freitage

• Ruhezeit von mind. 11 Std. pro Tag (ArG 15a mit einer Ausnahme von 8 Std. pro 2 Wochen)

• Von Sa 23.00 bis So 23.00 Arbeit nur mit Sonder-bewilligung und 50%-Lohnzuschlag (ArGV1 18-20)

• Bei 6-Tage Arbeitswoche Anspruch auf einen freien Halbtag von mind. 8 Std. (ArG 21 und ArGV1 20)

Ruhezeiten dürfen nicht durch Geldleistungen abgegolten werden ausser bei Beendigung des Arbeitsvertrages (ArG 22)

Keine Abgeltung von Arbeits- und Ruhezeiten

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Gesetzlich vorgeschriebene Pausen

Art. 15 ArG Pausen1 Die Arbeit ist durch Pausen von folgender Mindestdauer zu unterbrechen:a. eine Viertelstunde bei einer täglichen Arbeitszeit von

mehr als fünfeinhalb Stunden;b. eine halbe Stunde bei einer täglichen Arbeitszeit von

mehr als sieben Stunden;c. eine Stunde bei einer täglichen Arbeitszeit von mehr

als neun Stunden.2 Die Pausen gelten als Arbeitszeit, wenn die Arbeit-nehmer ihren Arbeitsplatz nicht verlassen dürfen.

www.advocat.chFolie 45 Prof. Dr. Roland Müller

Werden die gesetzlich vorgeschriebenen Pausen mit Wissen des Arbeitgebers nicht eingehalten und kommt es zu einem Unfall können strafrechtliche Konsequenzen resultieren.

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Zusätzliche Pausenregelung in der ArGV 1

Art. 18 ArGV 11 Die Pausen können für einzelne Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen oder Gruppen von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen gleichmässig oder zeitlich verschieden angesetzt werden.2 Die Pausen sind um die Mitte der Arbeitszeit anzu-setzen. Entsteht vor oder nach einer Pause eine Teilarbeitszeit von mehr als 5½ Stunden, so ist für diese eine zusätzliche Pause gemäss Artikel 15 des Gesetzes zu gewähren.3 Pausen von mehr als einer halben Stunde dürfen aufgeteilt werden.4 Bei flexiblen Arbeitszeiten, wie etwa bei der gleiten-den Arbeitszeit, ist für die Bemessung der Pausen die durchschnittliche tägliche Arbeitszeit massgebend.

www.advocat.chFolie 46 Prof. Dr. Roland Müller

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Tägliche Arbeitszeit über 5,5 Std. ► 15 Min. PauseTägliche Arbeitszeit über 7,0 Std. ► 30 Min. PauseTägliche Arbeitszeit über 9,0 Std. ► 60 Min. Pause

• Pausen müssen nicht für alle Arbeitnehmer zur gleichen Zeit angesetzt werden (ArG 18 I)

• Pausen müssen um die Mitte der Arbeitszeit angesetzt werden, bei mehr als 5 1/2 Std. Arbeitszeit ohne Pause ist zusätzlich 15 Min. Pause zu geben (ArGV1 18)

Pausen gelten nur dann als Arbeitszeit, wenn der Arbeitsplatz nicht verlassen werden darf!

Arbeits- und Ruhezeiten / Pausen

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Vgl. Tabelle mit Übersicht über die zahlreichen Schutzbestimmungen für Arbeitnehmer

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Max. tägliche Arbeitszeit inkl. Pausenzeit

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Im Flyer des seco zu Arbeits- und Ruhezeiten (ohne Datumsangabe steht:

Wie berechnet sich die vom seco angege-bene tägliche Maximalarbeitszeit von nur 12,5 Std. effektive Arbeit?

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Masterkurs Arbeitsrecht II Kollektives und öffentliches Arbeitsrecht

Gliederung der Vorlesung

www.advocat.chFolie 49 Prof. Dr. Roland Müller

1. Begriffe rund um die Arbeitszeit

2. Entwicklung der Arbeitszeit in der Schweiz

3. Zulässige Höchstarbeitszeit

4. Überstunden und Überzeitarbeit

5. Tages-, Abend- und Nachtarbeit

6. Freizeit, Ruhezeiten und Pausen

7. Pflicht zur Arbeitszeiterfassung

8. Ununterbrochener Schichtbetrieb

9. Repetitionsfragen und Fälle aus der Praxis

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Pflicht zur Arbeitszeiterfassung

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Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung ist gesetzlich verankert (Art. 46 ArG i.V. Art. 73 ArGV 1)

Die Unterlagen sind während 5 Jahren aufzubewahren und können von den kant. Arbeitsinspektoraten jederzeit eingesehen werden (Art. 73 Abs. 1 und 2 ArGV 1)

Zuwiderhandlungen gegen Art. 46 ArG sind nicht direkt mit Sanktionen bedroht

Verstösse können aber mit der Androhung einer Ungehorsamsstrafe nach Art. 292 StGB verbunden werden

Vertrauensarbeitszeit bedeutet, dass Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit selbst erfassen können, doch muss Arbeitgeber die Erfassung kontrollieren und u.U. sanktionieren

Vgl. Abhandlung von Müller/Oechsle, Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung, in: AJP 7/2007

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Checkliste des SECO zur Arbeitszeitkontrolle

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Änderungen von Art. 73a und 73b ArGV1

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Arbeitnehmer in Kaderpositionen oder mit Bonusaussicht wollen vielfach auf Arbeitszeiterfassung verzichten

Banken, Treuhandunternehmen und Versicherungen bekunden Mühe bei der Umsetzung der Zeiterfassung

Per 1.1.2016 werden deshalb Art. 73a und 73b ArGV1geändert, so dass die Pflicht zur Arbeitszeit erleichtert wird

Von der Erleichterung zur Arbeitszeiterfassung sind aber nicht alle Arbeitsverhältnisse betroffen

Vorausgesetzt werden für die Erleichterung eine hohe Arbeitszeitautonomie und eine Vereinbarung

Für den Verzicht ist zudem ein überdurchschnittlich hoher Lohn sowie ein GAV erforderlich

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Masterkurs Arbeitsrecht II Kollektives und öffentliches Arbeitsrecht

Übersicht über die Änderungen gemäss seco

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Gliederung der Vorlesung

www.advocat.chFolie 54 Prof. Dr. Roland Müller

1. Begriffe rund um die Arbeitszeit

2. Entwicklung der Arbeitszeit in der Schweiz

3. Zulässige Höchstarbeitszeit

4. Überstunden und Überzeitarbeit

5. Tages-, Abend- und Nachtarbeit

6. Freizeit, Ruhezeiten und Pausen

7. Pflicht zur Arbeitszeiterfassung

8. Ununterbrochener Schichtbetrieb

9. Repetitionsfragen und Fälle aus der Praxis

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Vielfältige Formen von Schichtbetrieb

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Quelle: Tina Marina Heim, Schichtmodelle nach schweiz.

Arbeitsrecht, Masterarbeit Bern 2013

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Schichtarbeit liegt nach Art. 34 Abs. 1 ArGV 1 vor, wenn zwei oder mehrere Gruppen von Arbeitnehmenden nach einem bestimmten Zeitplan gestaffelt arbeiten, und der Einsatz wechselweise am gleichen Arbeitsplatz erfolgt.

Werden verschiedene Arbeitsplätze zeitlich gestaffelt bedient, ohne dass die Arbeitnehmer die Arbeitsplätze untereinander wechseln, so liegt keine Schichtarbeit im Sinne des Gesetzes vor. Dies ist der Fall, wenn bspw. die Frühgruppe in der Produktion und zeitlich gestaffelt die Spätgruppe im Verpackungsbereich arbeitet.

Ziel von Schichtarbeit ist eine längere Betriebszeit über die Arbeitszeit der einzelnen Arbeitnehmer hinaus. Die Schichten müssen allerdings nicht zeitlich nacheinander liegen, sondern können sich auch überschneiden.

Definition der Schichtarbeit im Allgemeinen

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Einschicht: Arbeitszeitsystem bestehend aus einer einzigen Arbeitsschicht von bspw. acht bis neun Stunden pro Tag.

Zweischicht: Arbeitszeitsystem, welches aus zwei Schichten besteht. Beim Zweischichtmodell kann die betriebliche Arbeitszeit auf die doppelte individuelle Arbeitszeit ausgedehnt werden.

Dreischicht: Zusätzlich zur Früh- und Spätschicht kommt noch die Nachtschicht hinzu. Die tägliche Betriebszeit wird dadurch über die normale Tagesarbeitszeit auf 24 Stunden ausgedehnt. Bei einem Dreischichtmodell wird i. d. R. von Montag bis Freitag ohne Unterbrechung gearbeitet.

Definition der unterschiedlichen Schichtformen

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Vierschicht: Hier werden vier Schichtgruppen auf die Früh-, Spät- und Nachtschichten verteilt. Soll von Montag bis Sonntag durchgearbeitet werden und somit eine Betriebszeit von 168 Std. pro Woche erreicht werden, so werden mind. vier Arbeitnehmer bzw. vier Schichtbeleg-schaften notwendig bei wöchentlich 42 Arbeitsstunden.

Fünfschicht: Durchlaufbetrieb mit fünf Schichtbeleg-schaften. Die wöchentl. Arbeitszeit von 42 Stunden ist im Vergleich zur Vierschicht deutlich reduziert. Ein Fünf-schichtsystem kann mit drei Schichten unter der Woche und mit Zwölfstunden-Schichten am Wochenende ausgestaltet sein. Alternativ besteht die Möglichkeit von Montag bis Sonntag durchgehend mit drei Schichten und fünf Schichtgruppen zu planen.

Definition der unterschiedlichen Schichtformen

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Merkblatt SECO für ununterbrochenen Betrieb

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Merkblatt SECO für ununterbrochenen Betrieb

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Die Arbeitnehmer müssen in jedem Fall schriftlich ihr Einverständnis zur Schichtarbeit erklären!

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Merkblatt SECO für ununterbrochenen Betrieb

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Muster 4-Schichtplan des SECO

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Masterkurs Arbeitsrecht II Kollektives und öffentliches Arbeitsrecht

Gliederung der Vorlesung

www.advocat.chFolie 63 Prof. Dr. Roland Müller

1. Begriffe rund um die Arbeitszeit

2. Entwicklung der Arbeitszeit in der Schweiz

3. Zulässige Höchstarbeitszeit

4. Überstunden und Überzeitarbeit

5. Tages-, Abend- und Nachtarbeit

6. Freitage, Ruhezeiten und Pausen

7. Pflicht zur Arbeitszeiterfassung

8. Ununterbrochener Schichtbetrieb

9. Repetitionsfragen und Fälle aus der Praxis

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Masterprüfung Arbeitsrecht II vom 14.1.2011

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SachverhaltTheo Troller ist Automechaniker. Er ist sich bewusst, dass der Garagenbetrieb, in dem er arbeitet, dem ArG unterstellt ist. Er hält deshalb die Pausen- und Ruhezeiten sehr genau ein und bemüht sich, nie mehr als die im Betrieb üblichen 38 Stunden zu arbeiten. Nach einem Unwetter muss Theo Troller mithelfen, die zahlrei-chen Hagelschäden zu beheben. Während 2 Wochen muss er jeden Tag und damit je 48 Std. pro Woche arbeiten. Als er vom Garagenchef eine entsprechende Entschädigung verlangt, wird allen Mitarbeitern die Weisung erteilt, allfällige Zusatzstunden im Verhältnis 1:1 durch Freizeit zu kompensieren.

FragestellungWie ist die durchgehende Arbeit während 2 Wochen aus arbeits-rechtlicher Sicht zu beurteilen und kann der Garagenbetrieb die Weisung zur Kompensation wirklich durchsetzen?

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Masterprüfung Arbeitsrecht II vom 18.1.2013

www.advocat.chFolie 65 Prof. Dr. Roland Müller

SachverhaltJohannes Bach arbeitet in der kant. Forellenzucht Nemo als Fischverkäufer. Er stellt mit Besorgnis fest, dass drei Schüler im Alter von 14 Jahren von der Nemo GmbH wöchentlich an zwei Nachmittagen beschäftigt werden. Ausser während den Schulferien besorgen die Schüler am Mittwoch und Samstag jeweils während zwei Std. zusammen 50 kg Fischfutter mit einem Handwagen von einem Laden in der Nähe. Für Johannes Bach ist das übermässige Jugendarbeit, die gemäss ArG verboten ist.

Fragestellung

a) Sind im vorliegenden Fall die Bestimmungen des Arbeitsgesetzes bzw. der entsprechenden Verordnungen überhaupt auf den Betrieb der Nemo GmbH anwendbar?

b) Wäre die Beschäftigung der Jugendlichen im vorliegenden Fall zulässig, falls das Arbeitsgesetz bzw. die entsprechenden Verordnungen anwendbar sind?

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Masterprüfung Arbeitsrecht II vom 15.1.2014

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SachverhaltDr. Willi Waser ist Elektroing. und Vizedirektor der Industrial AG. Er ist Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung und arbeitet dort bereits seit 35 Jahren. Seine Anstellung erfolgte per Handschlag, weshalb bis heute nie ein schriftlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen wurde. Doch mit der Beförderung zum Vizedirektor hat er eine Bestätigung der Direktion erhalten, dass er nun leitender Angestellter der Industrial AG sei. Um die Dienstleistungen preislich attraktiv zu halten, müssen alle Mitarbeiter der Industrial AG bei gleichem Lohn Mehrarbeit leisten. Auch Dr. Waser arbeitet nun regelmässig 47 bis 49 Stunden pro Woche. Als Vizedirektor muss er dabei oft bis zum Ende der Spätschicht um 23.30 Uhr im Betrieb bleiben. Er stellt Ihnen deshalb folgende Fragen mit der zusätzlichen Bitte um Angabe der entsprechenden Gesetzesbestimmungen:

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Masterprüfung Arbeitsrecht II vom 15.1.2014

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Fragestellung

a) Gelten die Arbeitszeitvorschriften im Arbeitsgesetz nicht für Willi Waser?

b) Falls das Arbeitsgesetz anwendbar wäre, ist es dann zulässig, dass ein Vizedirektor regelmässig 47 bis 49 Stunden arbeitet?

c) Falls das Arbeitsgesetz anwendbar wäre, ist es dann zulässig, dass ein Vizedirektor auch noch bis 23.30 Uhr arbeitet?

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Masterprüfung Arbeitsrecht II vom 26.1.2016

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SachverhaltDer Bundesrat hat am 4. November 2015 die Arbeitszeiterfassung den Realitäten der heutigen Arbeitswelt angepasst. Er beschloss per 1. Januar 2016 die Einführung von Art. 73a und 73b in die Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz (ArGV 1). Beantworten Sie bitte die folgenden Fragen zu diesem Themenbereich.

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Masterprüfung Arbeitsrecht II vom 26.1.2016

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Fragestellungen

1. Muss ein Betrieb die Arbeitszeit inkl. Pause, Beginn und Ende der geleisteten täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit und Freitage grundsätzlich erfassen?

(a) Ja, aber mit Ausnahme der Mitarbeiter, die freiwillig darauf verzichten.

(b) Ja, aber u.a. mit Ausnahme aller Arbeitnehmer mit Führungsfunktion.

(c) Ja, aber u.a. mit Ausnahme der Mitglieder der obersten Geschäftsleitung.

(d) Ja, mit Ausnahme jener Mitarbeiterkategorien, welche in einem GAV vom Anwendungsbereich des ArG ausgenommen worden sind.

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Masterprüfung Arbeitsrecht II vom 26.1.2016

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2. Unter welchen Voraussetzungen kann die Erfassung der Arbeitszeit bei Betrieben mit mehr als 50 Mitarbeitenden erleichtert werden?(a) Es muss eine Kollektivvereinbarung (mit der Arbeitnehmervertre-

tung oder wo eine solche nicht besteht mit der Mehrheit der Mitar-beitenden) vorliegen und die Mitarbeitenden müssen zu einem namhaften Teil ihre Arbeitszeit selber festsetzen können.

(b) Es muss eine individuelle Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und den einzelnen Mitarbeitenden abgeschlossen werden und die Mitarbeitenden müssen zu einem namhaften Teil ihre Arbeitszeit selber festsetzen können.

(c) Es muss ein GAV vorliegen, der die Vereinfachung der Arbeitszeit vorschreibt.

(d) Es muss eine individuelle Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und den einzelnen Mitarbeitenden abgeschlossen werden und die Mitarbeitenden müssen über ein Bruttojahreseinkommen von CHF 140'000.00 verfügen.

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3. Gibt es eine Möglichkeit, für bestimmte Mitarbeitende ganz auf die Arbeitszeiterfassung zu verzichten und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?

(a) Ja, die Arbeitszeit muss von einem Mitarbeitenden automatisch nicht mehr erfasst werden, wenn dieser ein Bruttojahres-einkommen von CHF 140'000 erreicht und seine Arbeitszeit mehrheitlich selber festsetzen kann.

(b) Ja, auf die Arbeitszeiterfassung kann verzichtet werden, wenn ein GAV vorliegt, der entsprechendes vorsieht, wenn die betreffenden Mitarbeitenden über grosse Autonomie verfügen, ihre Arbeitszeiten mehrheitlich selbst festsetzen können, wenn sie über einen Bruttojahreseinkommen von CHF 120'000 verfügen und wenn sie schriftlich individuell vereinbart haben, auf die Arbeitszeiterfassung zu verzichten.

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(c) Ja, auf die Arbeitszeiterfassung kann verzichtet werden, wenn ein GAV vorliegt, der entsprechendes vorsieht, wenn die betroffenen Mitarbeitenden über grosse Autonomie verfügen, ihre Arbeitszeiten mehrheitlich selbst festsetzen können, wenn sie über einen Bruttojahreseinkommen von CHF 140'000 verfügen und wenn sie schriftlich individuell vereinbart haben, auf die Arbeitszeiterfassung zu verzichten.

(d) Ja, auf die Arbeitszeiterfassung kann verzichtet werden, wenn ein GAV vorliegt, der entsprechendes vorsieht, wenn sie über einen Bruttojahreseinkommen von CHF 120'000 verfügen und wenn sie schriftlich individuell vereinbart haben, auf die Arbeitszeit-erfassung zu verzichten.

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Masterprüfung Arbeitsrecht II vom 26.1.2016

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4. Können Arbeitsinspektorate die Arbeitszeiterfassung eines Betriebes kontrollieren?

(a) Nein, die Arbeitsinspektorate sind dafür nicht zuständig.

(b) Ja, die Arbeitsinspektorate dürfen solche Kontrollen durchführen, aber nur auf gerichtliche Anordnung.

(c) Nein, von sich aus dürfen Arbeitsinspektorate keine Kontrollen durchführen, ausser die Arbeitnehmervertretung verlangt eine solche Kontrolle.

(d) Ja, die Arbeitsinspektorate können jederzeit eine Kontrolle durchführen.

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5. Wann wird Pikettdienst als Arbeitszeit angerechnet?

a) Pikettdienst wird als Arbeitszeit angerechnet, wenn der Dienst im Betrieb geleistet werden muss. Wenn der Pikettdienst ausserhalb des Betriebes geleistet wird, so ist die zur Verfügung gestellte Zeit soweit an die Arbeitszeit anzurechnen, als die Mitarbeitenden tatsächlich zur Arbeit herangezogen werden. Die Wegzeit zu und von der Arbeit ist in diesem Fall an die Arbeitszeit anzurechnen.

(b) Pikettdienst wird nur dann als Arbeitszeit angerechnet, wenn ein GAV die Rahmenbedingungen dafür festlegt und vorsieht, dass eine Anrechnung vorzunehmen ist.

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(c) Pikettdienst wird zu 50% als Arbeitszeit angerechnet, wenn der Dienst im Betrieb geleistet werden muss. Wenn der Pikettdienst ausserhalb des Betriebes geleistet wird, so ist die zur Verfügung gestellte Zeit soweit an die Arbeitszeit anzurechnen, als die Mitarbeitenden tatsächlich zur Arbeit herangezogen werden. Die Wegzeit zu und von der Arbeit ist in diesem Fall an die Arbeitszeit anzurechnen.

(d) Pikettdienst wird als Arbeitszeit angerechnet, wenn der Dienst im Betrieb geleistet werden muss. Wenn der Pikettdienst ausserhalb des Betriebes geleistet wird, so ist die zur Verfügung gestellte Zeit soweit an die Arbeitszeit anzurechnen, als die Mitarbeitenden tatsächlich zur Arbeit herangezogen werden. Die Wegzeit zu und von der Arbeit ist nicht an die Arbeitszeit anzurechnen.

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6. Darf ein Arbeitnehmer, bei dem die Arbeitszeiterfassung gemäss Art. 73b ArGV 1 vereinfacht worden ist, seine Arbeitszeiten trotzdem detailliert erfassen? [1 Punkt]

(a) Nein, das wird durch die Kollektivvereinbarung ausgeschlossen.

(b) Ja, aber erst, wenn er bemerkt, dass er die arbeitsvertraglich vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit regelmässig überschreitet.

(c) Ja, aber nur, wenn er bemerkt, dass er regelmässig die wöchentlichen arbeitsgesetzlichen Höchstarbeitszeiten überschreitet.

(d) Ja, der Arbeitgeber muss dafür sogar ein geeignetes Instrument zur Verfügung stellen.

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Schlussfrage aus dem Alltag eines HR-Chefs

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SachverhaltMax Meier, whft. in Glattbrugg, muss im Auftrag der Muster AG am Sonntag Mittag ab Zürich nach Dubai fliegen, um dort einen Schaden an einer Turbine zu inspizieren. Schon einen Tag später fliegt Max Meier zurück. Der Flug pro Arbeitsweg hat jeweils 14 Stunden gedauert. Bei der Lohnabrechnung Ende Monat kommt es zu einer Auseinandersetzung. Der HR-Chef will nicht die vollen 14 Stunden pro Flug bezahlen. Zudem weigert er sich, einen Zuschlag für Nacht- und Sonntagsarbeit zu zahlen.

Fragestellunga) Braucht die Muster AG für die Flüge eine Bewilligung für Nacht-

bzw. Sonntagsarbeit?b) Hat Max Meier Anspruch auf volle Bezahlung der beiden Flüge

als Arbeitszeitc) Kann Max Meier allenfalls Zuschläge geltend machen?

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Antworten an der VII. IAD-Tagung in St.Gallen

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Frankreich: 14.0 Stunden ohne Zuschlag Tschechien: 8.0 Stunden Griechenland: 0.0 Stunden Schweiz:* 8.2 Stunden (gemäss jeweiligem EAV) Dänemark: 14.0 Stunden (gemäss jeweiligem GAV) Deutschland: 10.0 Stunden ohne Zuschlag Slowakei: 8.0 Stunden Türkei: 14.0 Stunden ohne Zuschlag Spanien: 0.0 Stunden Portugal: 0.0 Stunden (Suspendierung des EAV) Italien: 8.0 Stunden (max. gemäss GAV) Kroatien: 8.0 Stunden Österreich: 14.0 Stunden (wovon 6 Std. mit Zuschlag)* Gemäss seco keine Arbeitszeit, daher auch keine Bewilligung für Nacht- oder Sonntagsarbeit nötig; Bezahlung gemäss Vereinbarung.