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BERN PUNKT Ausgabe N° 13 SEITEN 4 — 6 TEAMARBEIT, WORKSHOPS, KOOPERATION Was Unternehmer von Coworkern lernen können SEITE 8 WISSENSKULTUR IN UNTERNEHMEN Wissenstransfer ist Basis für Innovation und Produktivität SEITEN 16 — 17 MEHR ODER WENIGER FREIHANDEL? Zwei Experten nehmen Stellung Magazin für Stadt und Region Bern Coworking Spaces. Was ist das Geheimnis ihres Erfolgs?

Ausgabe N° BERNPUNKT€¦ · WEITERE INFOS Das Impact-Hub-Netzwerk besteht aus weltweit fast 90 unabhängigen Hubs, mit drei Standorten in der Schweiz. Der Impact Hub Bern prägt

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HINTERGRUND STADT BERN LOREM IPSUM

BERNPUNKT

Ausg

abe

N° 13

SEITEN 4 — 6 TEAMARBEIT, WORKSHOPS, KOOPERATION

Was Unternehmer von Coworkern lernen können

SEITE 8 WISSENSKULTUR IN UNTERNEHMEN

Wissenstransfer ist Basis für Innovation und Produktivität

SEITEN 16 — 17 MEHR ODER WENIGER FREIHANDEL?

Zwei Experten nehmen Stellung

Magazin für Stadt und Region Bern

Coworking Spaces.

Was ist das Geheimnis

ihres Erfolgs?

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© UBS 2016. Alle Rechte vorbehalten.

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INHALT

EDITORIAL

04 — 06 COWORKING SPACES Eine neue Arbeitsform macht Furore

08 WISSENSKULTUR IN UNTERNEHMEN Erfolgreicher dank gezieltem Umgang mit Wissen

09 SELBSTSTÄNDIGKEIT UND TEILZEITARBEIT Was man bei der Vorsorge beachten muss

10 SCHÖNE NEUE ARBEITSWELT Ein Blick in die Zukunft

11 WIRTSCHAFT UND GESELLSCHAFT IM WANDEL Das Gespräch mit Professor Günter G. Voss

12 — 13 STANDORTFÖRDERUNG K ANTON BERN Leiter Denis Grisel erklärt, wo

die Probleme des Kantons liegen

14 — 15 ALTERSVORSORGE IN DER KLEMME Individuelles Sparen bietet weitere Möglichkeiten

16 — 17 MEHR ODER WENIGER FREIHANDEL? Daniel Lampart (Gewerkschaftsbund)

und Jan Atteslander (economiesuisse) nehmen Stellung

18 — 19 BERNPUNKT-GESPRÄCH MIT HANSMARTIN AMREIN Der Mitbegründer der Gelateria spricht über Geschäftseröf fnungen und Gelati

Zu Kapital, Boden und Arbeit ist ein vierter Produktionsfaktor dazuge-kommen: die Information. Es gibt verschiedene Qualitäten von Informationen. Eine Dimension geht weiter über reine Fakten hinaus: das Wissen. Über 50 Pro-zent aller Beschäftigten in der Schweiz sind Wissensarbeitende, in vielen Unter-nehmen ist Wissen für bis zu 60 Prozent der Wertschöpfung verantwortlich. Doch, obwohl der Faktor «Wissen» an Bedeutung gewinnt, wird konsequentes Wissensmanagement in den seltensten Fällen betrieben – zum Nachteil für die Unternehmen. Die Frage ist heute für viele Chefinnen und Chefs wichtiger denn je: Wie soll ich mit Wissen in meinem Betrieb umgehen? In den sogenannten Coworking Spaces wird in dieser Hinsicht äusserst vorbildlich gearbeitet. In die-sen Bürogemeinschaften wird der Grundsatz grossgeschrieben: Wissen teilen heisst Wissen multiplizieren. Mit Wissenstransfer und Kooperation kann Wissen auf eine höhere Stufe gehoben werden: Wissensentwicklung nennt sich das. Die Wissenschaft ist sich einig: Der systematische Umgang mit Wissen ist heute eine der bedeutendsten Quellen von Wettbewerbsvorteilen. Es besteht eine enge Korrelation zwischen Wissensentwicklung und Produktivität. Wie soll mit Wissen umgegangen werden? Das aktuelle BERNpunkt soll Ihnen dazu einige Inputs liefern.

Hans-Jürg Gerber, Geschäftsleiter Wirtschaftsraum Bern

Achtung!

Wissen ist kostbar.

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TITELSTORY

Was Unternehmervon Coworkern lernen können

Wissen ist zu einem zentralen Produktionsfaktor geworden. Das haben die Betreiber von Coworking Spaces erkannt und daraus ein zukunftsweisendes Geschäftsmodell entwickelt. Mittlerweile arbeiten sogar Grosskonzerne mit ihnen zu - sammen. Wie wird in solchen Coworking Spaces gearbeitet? Wir haben den neu eröffneten Impact Hub Bern besucht.

Ein rauer Wind weht seit einigen Jahren durch den Schweizer Wirt-schaftsraum und treibt den ökonomischen Wandel an. Dies durch Globalisie-rung, Digitalisierung und den starken Franken. Wer sich nicht neu erfindet, wird irgendwann weggefegt. Charles Vögele kann davon ein Liedchen singen, eben-so der Industriekonzern Sulzer. Das legendäre Musikhaus Krompholz kennt das Liedchen ebenfalls. Vor zwei Jahren musste es die Räumlichkeiten an der Spitalgasse in Bern nach Jahren in den roten Zahlen räumen. Gestolpert ist das Musikhaus unter anderem über die digitalen Technologien: Zu viele Kunden klimperten in dem Showroom auf den Klavieren rum, hörten CDs, bestellten bei-des später aber im Internet.

«Neuartige Ideen und Konzepte sind die Motoren unserer heutigen Wirtschaft.»

Wirtschaft und Gesellschaft verändern sich laufend, dabei entstehen neuartige Jobs, neue Beschäftigungsmodelle und Formen der Zusammenarbeit. Schöpferische Zerstörung nennt sich das. Und so besichtigte Frederike Asael (32) mit ihren fünf Geschäftspartnern erstmals vor einem Jahr das leere Kromp-holz-Gebäude: Grosse repräsentative Räume, teils mit denkmalgeschützten Stuckaturen und erst noch mitten in Bern – das war genau, was sie suchten. Die Jungunternehmer machten sich hinter detaillierte Abklärungen, ein Business-plan wurde verfasst, nach Partnern gesucht und «unzählige Stunden Gratisar-beit verrichtet», sagt Asael. Im Mai 2016 setzten sie dann ihre Unterschriften un-ter den Mietvertrag und starteten umfassende Renovationsarbeiten. So eröffne-

ten die Jungunternehmer am vergangenen 17. Oktober im alten Krompholz- Gebäude den grössten Coworking Space in Bern, den Impact Hub Bern. Ihre fi-nanzielle Last war Frederike und ihrem Team durchaus bewusst, doch wer kann schon von sich behaupten, ein Geschäftsmodell zu betreiben, das sich global bewährt hat? Im Gegensatz zu anderen Coworking Spaces ist der Impact Hub nämlich ein Netzwerk von Bürogemeinschaften, das sich rund um den Globus spannt: mit Ablegern in fünf Kontinenten, z. B. in Johannesburg, São Paulo, Stockholm und Melbourne.

DIE COMMUNITY IST DAS HERZ

Wer jetzt beim Impact Hub an ein rein profitorientiertes Business - center denkt, ist auf dem Holzweg. Zwar vermietet der Impact Hub ebenfalls Arbeitsplätze – sei es für ein paar Stunden, sei es auf unbestimmte Dauer. Damit können die Kosten jedoch bei Weitem nicht gedeckt werden. Das Angebot geht weit über das Bereitstellen von Arbeitsplätzen, Internet und Kaffee hinaus. Wer einen Arbeitsplatz mietet, wird gleichzeitig Teil der Community – sie ist das Herz eines jeden Coworking Space. Zu ihr gehören nicht nur eingemietete Coworker, sondern ebenfalls externe Freelancer, Mikrounternehmer, Freunde oder Wissen-schaftler. Rund um diese Community werden Events organisiert, Workshops ab-gehalten oder Projektarbeiten für Firmen durchgeführt. Das Credo in diesen Spaces lautet: «Coworking Spaces sollen Orte sein, in denen neuartige, zu-kunftsweisende Ideen und Konzepte entstehen und umgesetzt werden», schreibt Mathias Schürmann in seinem Buch «Coworking Space». Damit deutet Schürmann an, warum solche Bürogemeinschaften für Grossfirmen wie auch für Freelancer höchst attraktiv sind. «Neuartige Ideen und Konzepte» sind die Mo-toren unserer heutigen Wirtschaft. «Der langfristig wichtigste Wachstumstrei-ber sind Innovation und technischer Fortschritt», sagt auch Samuel Rutz, Vizedi-rektor von Avenir Suisse. Und exakt im Schöpfen und Ausarbeiten von revoluti-onären, neuartigen Ideen liegt die grosse Stärke der Coworking Spaces.

Von Reto Liniger

Coworking Spaces: Die innovative Kraft dieser flexiblen Netzwerke haben grosse und kleine

Betriebe heute längst erkannt.

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Die Coworking-Idee stammt aus den USA. Computerfreaks hatten es satt, isoliert im stillen Kämmerchen vor ihren Laptops zu brüten. Die vielen Mik-rounternehmer und Freelancer suchten nach Interaktion und Austausch, weil sie erkannt haben: Im Team sind wir einfach stärker. So entstanden erste Büro-gemeinschaften in stillgelegten Lagerhallen und schon bald erreichte der Trend aus den USA Europa. Seit einigen Jahren schiessen Coworking Spaces nun wie Pilze aus dem Boden: Laut dem Global Coworking Survey, einer Umfrage unter Betreibern von Coworking Spaces, existierten Ende 2015 weltweit rund 8000 solcher Bürogemeinschaften. Heute gibt es bereits mehr als 10 000 mit einer hal-ben Million Nutzern. In der Schweiz sind es heute mehr als 70 Coworking Spaces, sieben davon in Bern.

Frederike Asael vom Impact Hub Bern ist wie die meisten Coworker eine Digital Native: Zwischen 1980 und 1990 geboren, mit den digitalen Technologien aufgewachsen, gut ausgebildet und oft selbstständig. Sie kennt das Potenzial dieser Spaces aus eigener Erfahrung. Nachdem sie 2010 das Studium der Geo-grafie an der Universität Cambridge abgeschlossen hatte, hangelte sie sich von einer befristeten Anstellung in die nächste. Auf einen grünen Zweig sei sie nicht gekommen – bis sie die Strategie änderte. Sie machte ihre langjährige Leiden-schaft, die Fotografie, zum Beruf und mietete sich 2012 im Impact Hub in Zürich ein. Dort vernetzte sie sich mit Journalisten, Webdesignern, Grafikern und Kul-turschaffenden. «Gemeinsam setzten wir Projekte um, tauschten Fachwissen aus und knüpften spannende Kontakte.» Das Netzwerk verhalf ihr bald zu ersten Aufträgen. Entscheidender war: Grosskonzernen und KMU ist die schöpferische Kraft der Community nicht entgangen. Immer zahlreicher mieteten sich ihre Mit-arbeiter ebenfalls im Impact Hub ein. Sie liessen Veranstaltungen, Weiterbil-dungstage oder Workshops in den Räumlichkeiten des Impact Hub durchführen, profitierten dabei von der innovativen Community und tankten Inspiration. Und so dauerte es nicht lange, und Frederike und ihr Team in Zürich erhielten Aufträ-ge von Novartis, Swisscom oder A X A Winterthur.

COWORKING STEHT FÜR WACHSTUM UND ENTWICKLUNG

Die innovative Kraft dieser flexiblen Netzwerke haben grosse und klei-ne Betriebe heute längst erkannt und in ihre Geschäftsstrategie integriert. Kon-kret kann das dann so aussehen: Eine Ladenkette möchte verstehen, welche Be-dürfnisse die Digital Natives haben. Also organisiert ein Coworking Space einen Workshop mit Mitarbeitenden, Studierenden und Coworkern. Die Community erarbeitet eine Ideensammlung und bringt sie schlussendlich in Form eines Kon-zepts auf Papier. Zwar führen viele Betriebe eigene Innovationsabteilungen. Doch anstelle von geschlossenen Strukturen – dem Closed-Innovation-Konzept – nutzen sie heute vermehrt solche externen Netzwerke. Gemäss einer Studie von Regus, einem Anbieter von flexiblen Arbeitsplätzen, ist für viele Unternehmen Coworking eine nachhaltige Lösung für Wachstum und Entwicklung. Der Kon-takt zu offenen Wissens-Netzwerken ermöglicht den Firmen, schnell auf plötz-liche Veränderungen im globalen Umfeld zu reagieren – flexible Netzwerke sind den starren Strukturen in manchen Betrieben weit überlegen. Die Mitarbeiter der A X A Winterthur beispielsweise haben seit einigen Monaten die Möglichkeit, einen Tag pro Woche im Impact Hub in Zürich zu arbeiten. «Neben dem Aus-tausch mit Start-ups haben wir verschiedene Formate mit dem Impact Hub ent-wickelt. So profitieren wir vom Know-how und dem Ideenreichtum der gesam-ten Community », sagt Claudia Bienentreu, Head Open Innovation bei der A X A Winterthur. Die Zusammenarbeit mit Grossfirmen und KMU soll denn auch Hauptstandbein des Impact Hub in Bern werden. «Start-ups und Grossfirmen ergänzen sich perfekt», sagt Frederike.

Die Frage ist brennend: Wie, bitte, vermögen Coworking Spaces eine derart innovative Kraft zu entfalten? Zu verstehen ist das mit Blick auf die Struktur unserer Wirtschaft. Der Wissens- und Dienstleistungssektor hat in den vergangenen Jahren massiv an Bedeutung gewonnen: Heute entfallen von den 593 000 Unternehmen in der Schweiz 75 Prozent auf den Dienstleistungssektor. Wissen ist mit Boden, Arbeit

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TITELSTORY

WEITERE INFOS

Das Impact-Hub-Netzwerk besteht aus weltweit fast 90 unabhängigen Hubs, mit drei Standorten in der Schweiz. Der Impact Hub Bern prägt die Zukunft von Wirtschaft und Gesellschaft in der Region Bern: Mit einem Coworking Space, Events und Programmen vernetzt er Unternehmer, Start-ups, KMU, Grossfirmen sowie Politik und Verwaltung. Ziel ist es, innovative Antworten auf die wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Herausforderungen unserer Zeit zu entwickeln. Ab 35 Franken ist man dabei. 40 Stunden im Monat kosten im Impact Hub 110 Franken. Weitere Infos auf : www.bern.impacthub.net

Weitere Coworking Spaces in Bern • Coworking Effinger: www.effinger.ch• Urbanfish: www.urbanfish.ch• Welle 7: www.welle7.ch• Hauptsitz Progr: www.derhauptsitz.ch• Work Central: www.workcentral.ch• Innodorf: www.innovationsdorf.ch

und Kapital zu einem vierten Produktionsfaktor geworden, der mittlerweile in vielen Unternehmen für bis zu 60 Prozent der Wertschöpfung verantwortlich ist. Doch obwohl der Faktor «Wissen» an Bedeutung gewinnt, wird konsequentes Wissens-management nur in den seltensten Fällen betrieben – zum Nachteil für die Unterneh-men. Viele Betriebe können in dieser Hinsicht viel von Coworkern lernen. Sie haben den Trend richtig erfasst, Coworker haben erkannt: Innovation ist eine Mannschafts-sportart. Zwar gibt es im Impact Hub rund 40 bis 60 Arbeitsplätze, wichtiger sind jedoch die Event-Räume, die Lounge und die Sitzungszimmer. Diese Aufenthalts-räume sind das Herz des Betriebs und sind der Einsicht entsprungen, dass die Zeit der Einzelkämpfer vorbei ist; Kooperation ist das A und O in unserer heutigen Wissensgesellschaft. Vernetzen sich verschiedene Personen mit unterschiedlichen Kompetenzen, ist der Output wesentlich höher als bei einem Einzelkämpfer im stillen Kämmerchen. Nicht der IQ – der Intelligenzquotient – steht für Fortschritt, sondern die Leistungsfähigkeit der Gemeinschaft, der WeQ. Fakten, Informationen und Ideen werden im Austausch auf eine höhere Stufe gehoben, indem sie gewich-tet, hinterfragt und aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden. Wissen teilen heisst Wissen multiplizieren. Der systematische Umgang mit Wissen ist eine der bedeutendsten Quellen von Wettbewerbsvorteilen. Es besteht eine enge Korre-lation zwischen Wissensentwicklung und Produktivität.

«Innovation ist eine Mannschaftssportart.»

FLEXIBLE ARBEITSFORMEN ALS ERFOLGSREZEPT

Kooperation und Austausch sind in Coworking Spaces heilige Kühe. Im Impact Hub lautet das Motto gar: «Radical Collaboration». Frederike und ihr Team leisten «aktive Vernetzung». Tritt jemand in den Space ein, wird er mit möglichen Arbeitspartnern vernetzt: Grafiker mit Fotografen und Kulturschaf-fenden, Journalisten mit Webdesignern oder Ingenieuren. «Wissen und Fertig-keiten jederzeit und bedenkenlos zu teilen – das wird die Arbeitshaltung der Zukunft sein. Die gegenseitige Unterstützung, der Expertenaustausch über Fachgrenzen hinaus werden zum selbstverständlichen Arbeitsmodus werden. Streng hierarchische Strukturen geben dazu nicht mehr den passenden Rah-men», schreibt Professor Ulrich Weinberg, Leiter der School of Design Thinking in Potsdam. Firmen würden in Zukunft vor Herausforderungen stehen, die nicht mehr in einzelnen Abteilungen gelöst werden könnten, sagt Weinberg der «Frank-furter Rundschau». Gefördert werden müssten « flexible Teams mit breitem

Frederike Asael im Impact Hub: «Start-ups und Grossfirmen ergänzen sich perfekt.»

Wissenshorizont». Neue Zeiten verlangen neue Methoden. Tim Brown ist einer der führenden internationalen Innovationsberater. Gegenüber der NZZ sagte er: «Die Fähigkeit von Organisationen, neuen Ideen gegenüber aufgeschlossen zu sein, sie zu generieren und umzusetzen, wird darüber entscheiden, ob sie überleben und florieren.» Innovation sei kein Luxus, sondern eine absolute Notwendigkeit.

In unserer New Economy gelten neue Regeln; wer sich nicht ständig neu erfindet, läuft Gefahr, weggefegt zu werden. Der Impact Hub steht symbo-lisch für diese New Economy. Er hat dem alten Krompholz-Gebäude an der Spi-talgasse wieder Leben eingehaucht. Das breite Echo zeigt: Coworking Spaces und Mikrounternehmer sind keine Eintagsfliegen, sondern haben das Potenzial, gewichtige Player unserer dienstleistungsbasierten Wirtschaft zu werden. Für eine erste Bilanz sei der Zeitpunkt jedoch verfrüht, sagt Frederike. Eines kann sie bereits sagen: Ausgegangen sei ihr die Arbeit in den letzten zwei Monaten nicht – ganz im Gegenteil. Bereits im Vorfeld der Eröffnung sei sie mit Anfragen über-häuft worden, «die Resonanz war riesig». Umso mehr interessiert ein Blick in die Zukunft. Welche Projekte stehen im kommenden Jahr an? So viel verrät sie schon: «Konkret haben wir bereits eine Partnerschaft mit Swisscom und der Hochschule der Künste in Bern, weitere sind in Verhandlung. Ausserdem haben wir einige Projekte in der Pipeline, die für mehr Innovation in der Verwaltung sor-gen sollen.»

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Zwar wird der Wert von Wissen heute in Betrieben als bedeutend eingeschätzt, dennoch fehlt oftmals eine institutionalisierte Wis-senskultur. Gerade die Bedeutung von Wissenstransfer innerhalb eines Betriebs ist kaum hoch genug einzuschätzen. Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen aktivem Wissensmanage-ment, Kreativität und Innovation.

Die Bedeutung von Wissen für den Unternehmenserfolg bei Grossun-ternehmen und KMU steht seit Langem ausser Frage. Vielmehr sind Begriffe wie Wissensarbeit, Wissensarbeiter, aber auch Wissen als vierter Produktionsfaktor Teil der Alltagssprache geworden.

Dennoch zeigt sich die erfolgreiche Umsetzung von Wissensmanage-ment, insbesondere auch von Wissenstransfer, als grosse Herausforderung für die Mehrheit von Unternehmen. Was sind hier mögliche Ursachen? Erfahrungen zeigen, dass oft mehr auf technische Lösungen gesetzt wurde als auf den Faktor Mensch. Tools und neue Softwareprogramme wurden gekauft, implementiert, aber von den Mitarbeitenden kaum bis gar nicht verwendet. Bei diesem Vorge-hen wurde zu wenig beachtet, dass Wissen stets an den einzelnen Mitarbeiten-den gebunden ist. Der Mensch ist und bleibt der ausschliessliche Wissensträger. Die Chancen der Technologie können nur so weit realisiert werden, als die betei-ligten Personen bereit sind, diese auch zu nutzen und Anteile ihres Wissens preiszugeben. Das Funktionieren des Wissenstransfers hängt in hohem Aus-mass von den Werten einer Unternehmung ab. So konnten Studien zeigen, dass Organisationen mit einer ausgeprägten Wissenskultur respektive Werten wie Vertrauen, Autonomie, Offenheit oder Lernbereitschaft erfolgreicher im Wis-sensmanagement und in der Entwicklung von innovativen Produkten sind.

Die Entwicklung hin zu einer Wissenskultur ist ein langjähriger Prozess, wobei die Rolle des Managements zentral ist. Führungskräfte haben in zweierlei Hinsicht einen entscheidenden Einfluss auf die Kultur: Einerseits prägt das Ma-nagement die Rahmenbedingungen einer Unternehmenskultur, andererseits fungieren die Manager aufgrund ihrer Funktion als Repräsentanten und Multipli-katoren der vorherrschenden Unternehmenskultur. Die gezielte und nachhaltige Veränderung der Unternehmenskultur ist die grösste Herausforderung für die Führung. Obwohl für Kulturveränderungen das Commitment einer grösseren Mitarbeitergruppe wichtig ist, spielt die Beharrlichkeit des obersten und mittle-ren Managements für die Unterstützung des Wandels eine ausschlaggebende Rolle. Es beeinflusst den Richtungswechsel sowie die zugrunde liegenden Wer-te und weckt das Bewusstsein, wie die Organisation zukünftig aussehen soll.

Das Verhalten der Führungskräfte wird von den Mitarbeitenden mit be-sonderer Aufmerksamkeit wahrgenommen und beobachtet. Davon wird abge-

leitet, welche Verhaltensweisen wichtig sind und welche eigenen Reaktionen eher zu Belohnung bzw. zu Bestrafung führen. Es ist wesentlich, dass sich die Führung ihres eigenen Verhaltens bewusst ist und reflektiert, ob sie die ge-wünschten Signale aussendet. Will ein Unternehmen eine Wissenskultur entwi-ckeln und fördern, so haben die Führungsleute die entsprechenden Werte in ih-rem täglichen Handeln vorzuleben.

«Organisationen mit einer ausgeprägten Wissenskultur sind erfolgreicher in der Entwicklung von innovativen Produkten.»

Wird zum Beispiel in der Vision von einer innovationsförderlichen Kultur gesprochen, in deren Rahmen Fehler erlaubt sind, da diese auch Quelle für Neues sind, den Mitarbeitenden im Alltag gleichzeitig kommuniziert, dass eine Null- Fehler-Kultur das Ziel ist und Fehler negative Konsequenzen zur Folge haben, so werden hier widersprüchliche Signale ausgesendet. Demzufolge kann nicht erwar-tet werden, dass Innovation Teil des Unternehmens wird, vielmehr werden die Mitarbeitenden auf Sicherheit, Altbewährtes bedacht sein und Angst vor Neuem zeigen. Hier ist die Führungskraft gefordert, ein Umfeld für einen konstruktiven Umgang mit Fehlern zu schaffen und gemeinsam mit den Mitarbeitenden darauf basierend neue Lösungen und Verbesserungen abzuleiten.

Nicht zuletzt ist die Unterstützung eines erfolgreichen Wissensmanage-ments aber auch mit dem Vorhandensein von zeitlichen Ressourcen verbunden. Will das Management den Wissenstransfer und die Entwicklung neuer Produkte fördern, so zeigt sich die Umsetzung im Arbeitsalltag auch mit dem Zugestehen von entsprechenden Zeitbudgets, um beispielsweise an bereichsübergreifen-den (informellen) Anlässen teilzunehmen, sich in einer Community of Practice zu engagieren oder auch als Götti oder Gotte einen neuen Mitarbeitenden wäh-rend dessen ersten Monaten zu unterstützen.

Als Fazit kann festgehalten werden, dass ein erfolgreicher Wissens-transfer und damit verbunden die Entwicklung von innovativen Produkten von einer ausgeprägten Wissenskultur abhängen. Für die Förderung einer Wissens-kultur ist das Management als Vorbild und Multiplikator gefordert.

Von Prof. Dr. Bettina Anne Sollberger,

Leiterin des Zentrums für Weiterbildung an der Hoch-

schule für Angewandte Psychologie, Fachhochschule

Nordwestschweiz. Zudem berät sie Unternehmen zu

Fragen des Wissensmanagements.

Wissenskultur und Wissenstransfer

als Basis für Innovation und Produktivität

TITELSTORY

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Teilzeit arbeiten? Sich selbstständig machen? Viele Arbeitnehmen-de träumen von mehr Unabhängigkeit und Flexibilität. Wer die-sen Schritt wagen will, sollte abklären, wie sich dies auf seine Sozial-versicherungen und die Altersvorsorge auswirkt. Sonst kann es später zu unangenehmen Überraschungen kommen.

Von der Festanstellung zur Selbstständigkeit: Was geschieht mit der Pensionskasse?Ihr Pensionskassenguthaben gehört Ihnen persönlich, und Sie haben

sechs Monate Zeit, um zu entscheiden, was Sie damit machen wollen. Folgende Lösungen sind möglich: Sie können das gesamte Guthaben beziehen und damit Ihre neue Tätigkeit finanzieren. Langfristig ist dies jedoch nicht die beste Lösung, da dieses Geld für Ihr Pensionsalter vorgesehen ist. Als Alternative können Sie die Pensionskasse anweisen, das Vermögen in zwei Teile aufzuteilen und das Guthaben auf zwei Konten zu überweisen: entweder auf zwei Freizügigkeitspo-licen (Versicherungslösung) oder zwei Freizügigkeitskonten (Banklösung). Inner-halb eines Jahres können Sie dann ein Konto oder beide Konten auflösen und mit dem Geld Ihr Unternehmen finanzieren. Für den ausbezahlten Betrag gilt ein reduzierter Steuersatz, und das Guthaben wird getrennt vom übrigen Einkom-men besteuert, was von Vorteil ist.

Was geschieht mit der Risikodeckung? Wenn Sie sich selbstständig machen, haben Sie nicht mehr Anspruch

auf Leistungen der Pensionskasse bei Krankheit, Unfall oder Tod. Bestehen bleibt lediglich der Schutz durch die erste Säule (AHV-IV). Deshalb ist es wichtig, dass Sie Ihr AHV-pflichtiges Einkommen möglichst genau beziffern. Wenn Sie zu wenig angeben, besteht ein geringerer Schutz, wenn Sie zu viel angeben, zahlen Sie zu viel ein. Sobald es Ihnen wirtschaftlich möglich ist, können Sie wieder der zweiten Säule beitreten, um Ihre Risikoabdeckung zu verbessern. Häufig beste-hen Branchenlösungen (Verbandspensionskassen).

Teilzeitarbeit: auf Kosten der Vorsorge?Wenn Sie Ihr Pensum reduzieren, besteht die Gefahr, dass Sie nicht

mehr obligatorisch in der zweiten Säule versichert sind. Bei einem Jahreslohn von weniger als CHF 21 150.– kommt das BVG nicht zwingend zur Anwendung, und bei höheren Löhnen wird der Koordinationsabzug von CHF 24 675.– vom AHV-pflichtigen Lohn abgezogen. Wenn Sie also CHF 30 000.– verdienen, sind durch das BVG lediglich CHF 5325.– versichert. Wählen Sie das Pensum so, dass Sie mehr als CHF 2 1 150.– pro Jahr verdienen und BVG-pflichtig sind.

Status 1. Säule (AHV)

2. Säule (BVG) 3. Säule

Selbstständig obligatorisch nicht obligatorisch Abzug max. CHF 33 840.– / Jahr

Angestellt (Teilzeit)

obligatorisch obligatorisch ab CHF 21 150.– / Jahr (beim gleichen Arbeitgeber)

Risikoversicherung für Tod und Invalidität

Abzug max. CHF 6768.– / Jahr

Und die dritte Säule? Mit der dritten Säule können Sie Ihre Vorsorge ergänzen und von Steu-

ervorteilen profitieren. Falls Sie eine Deckung bei Tod oder Invalidität benötigen, wählen Sie eine Vorsorgepolice 3a. Die Prämien sind bis zu einem Betrag von CHF 6768.– pro Jahr für Angestellte und CHF 33 840.– für Selbstständigerwer-bende vom Einkommen abziehbar. Mittel, die Sie nicht für die Prämie Ihrer 3a-«Risiko»-Police benötigen, können Sie mit denselben Steuervorteilen in ein 3a-Sparkonto einzahlen. Zulässig ist es, mehrere 3a-Konten oder -Policen zu haben, damit Sie bei der Pensionierung das Guthaben auf zwei Steuerjahre verteilt bezie-hen können.

Bei der Vorsorge ist Beratung zentralIn einem so komplexen Bereich wie der Vorsorge ist es unerlässlich,

sich gut beraten und begleiten zu lassen. Mit Vorteil wählen Sie dafür eine Vertrauensperson in Ihrer Nähe, zum Beispiel Ihren Vorsorge- oder Steuerberater.

Von David Burkhard,

Spezialist Berufliche Vorsorge, Schweizerische

Mobiliar Lebensversicherungs-Gesellschaft AG

TITELSTORY

Vorsorge bei Selbstständig-

keit und Teilzeitarbeit:

Woran Sie denken sollten

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TITELSTORY

«Grundlegende Veränderung

unserer Gesellschaft.»

Moderne Arbeitswelt –

quo vadis?

Der Weg von einer traditionellen in eine moderne Arbeitswelt ist ge-pflastert mit verschiedenen Unsicherheiten, welche sich auf die Arbeits- wie auch die Lebensweise von Mitarbeitenden und Führungskräften auswirken. Wie aktuelle Studien zeigen, befindet sich ein Grossteil der Unternehmen bereits auf diesem Weg, der sich allerdings im Einzelfall als recht unwegsam erweisen kann. Getrieben von der Erkenntnis, dass neue Arbeitsformen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern immer stärker eingefordert werden und auf Unternehmenssei-te mit vielerlei Chancen verbunden sind, führt eine zunehmende Zahl von Fir-men neue Arbeitsformen ein. Wie eine solche Einführung konkret aussehen soll und an welchen Erfolgsgeschichten man sich in diesem Zusammenhang orien-tieren kann, ist dabei oft unklar. Darüber hinaus geschieht die Umsetzung in der Regel nicht auf der grünen Wiese, sondern innerhalb bestehender Strukturen und Prozesse, einer verankerten Kultur und den entsprechenden Werten und Einstellungen der Unternehmensmitglieder, wodurch eine erfolgreiche Realisie-rung häufig erschwert wird.

UNTERNEHMEN ALS ORT DER FLEXIBILITÄT UND INDIVIDUALITÄT

Unter modernen Arbeitsformen werden hauptsächlich diejenigen Ele-mente der Arbeitswelt verstanden, welche Flexibilisierung, Individualisierung und Zusammenarbeit ermöglichen. Die Elemente der Flexibilisierung stellen in diesem Zusammenhang die etabliertesten dar. Ohne das Angebot flexibler Ar-beitszeiten und flexibler Arbeitsorte – Stichworte sind hier Homeoffice oder Smart Work – sind Personalgewinnungs- wie auch Personalerhaltungsaktivitäten heutzutage praktisch aussichtslos. Individualisierte Arbeitsformen weisen eben-falls flexible Elemente auf, sind im Einzelfall aber noch stärker auf die spezifi-schen Bedürfnisse der Mitarbeitenden zugeschnitten. Um trotz aller Flexibilität und Individualisierung die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zusammen-arbeit zu schaffen, müssen sich Unternehmen neue Informations- und Kommu-nikationsinstrumente zunutze machen. Die Vernetzung von örtlich und zeitlich verteilten Ressourcen, insbesondere der Ressource Wissen, kann somit effektiv und effizient gestaltet werden – solange allfälligen Nachteilen virtueller Arbeit entsprechend Rechnung getragen wird.

Auch wenn viele Unternehmen auf ihrem Weg in die moderne Arbeits-welt das Ziel noch nicht in Sicht haben, sollten sie sich bereits darüber Gedanken

machen, wie die Arbeitswelt jenseits der Ziellinie aussehen wird; womöglich lässt sich somit ein Teil des Weges sparen. Vor allem aufgrund der rasch voran-schreitenden Digitalisierung können Entwicklungen, die gerade noch als modern gefeiert wurden, sehr schnell wieder veraltet sein, sodass sich allenfalls sinn volle «Abkürzungen» in die moderne Arbeitswelt ergeben können. Wie bei allen neuen Trends und Veränderungen stellt sich nämlich auch im Zusammenhang mit modernen Arbeitsformen die Frage, inwieweit es für das einzelne Unterneh-men sinnvoll ist, alle sich abzeichnenden Entwicklungen zu übernehmen.

Zu denjenigen Entwicklungen, die längerfristig von Relevanz sein wer-den, gehören die Projektarbeit, die mit der Globalisierung einhergehende Inter-kulturalität, die weiterhin rasch fortschreitende Digitalisierung sowie die damit verbundene Virtualisierung von Wissensinhalten und Kommunikation. Die oben genannten Aspekte der Flexibilität und Individualisierung werden hingegen nicht mehr als Elemente einer modernen Arbeitswelt und als Alleinstellungs-merkmal moderner Unternehmen wahrgenommen, sondern als Muss-Kriterien für die Arbeitgeberwahl vorausgesetzt.

UNTERNEHMEN ALS ORT DER IDENTIFIK ATION

In Zeiten zunehmender Virtualisierung und Digitalisierung verlieren Un-ternehmen ihre Relevanz als Arbeitsort und müssen nun vielmehr als Ort der Identifikation die Motivation und Leistungsbereitschaft der Mitarbeitenden si-cherstellen. Dies gelingt zum einen über eine Unternehmenskultur, welche die Selbstaktualisierung der Mitarbeitenden und somit lebenslanges Lernen för-dert. Zum anderen muss Zusammenarbeit neu gedacht werden. Die Verbreitung von Technologien im täglichen Leben beeinflusst die Qualität unserer Interak-tionen. Die Förderung persönlicher Kontakte durch eine entsprechende Arbeits-umgebung auf der einen sowie die Bereitstellung modernster IT-Tools zur Unter-stützung von Problemlösungen in geografisch verteilten Arbeitsorten auf der an-deren Seite sind in diesem Zusammenhang zentrale Voraussetzungen. Vor die-sem Hintergrund wird es für Unternehmen eine der vordringlichsten Aufgaben sein, ihren Sinn und Zweck als Ort neu zu definieren, um für die Anforderungen einer (post-)modernen Arbeitswelt gerüstet zu sein.

Durch die sogenannten Megatrends wie Globalisierung, demogra-fischer Wandel, Wertewandel und Digitalisierung werden Rah-menbedingungen und Inhalte der Arbeit auf den Kopf gestellt. Un-ternehmen und Mitarbeitende sind gefordert, bisher Selbst ver - ständliches neu zu denken, um den Herausforderungen der moder-nen Arbeitswelt zu begegnen. Es stellt sich aber schon jetzt die Frage: Was kommt danach?

Von Prof. Anja Habegger, sie leitet das Kompetenzteam

Führung, Organisation und Personal im Fachbereich Wirt-

schaft der Berner Fachhochschule. Ihre Forschungs- und Lehr-

tätigkeiten liegen in den Bereichen Personalmanagement,

Organisationsarbeit und Neue Arbeitswelten. Darüber hinaus

ist sie am Zentrum Digital Society sowie am Zentrum

Soziale Sicherheit der Berner Fachhochschule tätig.

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TITELSTORY

«Grundlegende Veränderung

unserer Gesellschaft.»Wir befinden uns im Wandel von der Industrie- zur Dienstleis-tungsgesellschaft. Dieser Strukturwandel in der Arbeitswelt ist nur Teil eines Übergangs in eine flexible Form von Wirtschaft und Gesellschaft. Der deutsche Soziologe Günter Voss erklärt, wie es zu diesem Wandel kam und welche konkreten Effekte er auf unser Leben hat.

Von Reto Liniger

Herr Voss, Sie haben in einem Aufsatz geschrieben: Veränderungen in Wirtschaft und Arbeit habe es immer gegeben. «Aber nie vollzog sich dieser Wandel so schnell und so grundlegend wie jetzt.» Können Sie das erklären?In den letzten zwanzig Jahren fand eine starke Beschleunigung von Ver-

änderungen aller Art statt – ökonomisch, technologisch, aber auch von der Sozi-alstruktur her. Nicht wenige Wissenschaftler sind der Ansicht, dass wir uns in ei-nem beschleunigten Übergang befinden. Es geht eine Phase zu Ende, die in Mit-teleuropa nach dem Zweiten Weltkrieg begonnen hat: Mit dem Wirtschaftsauf-schwung, aber auch mit dem Herausbilden von sozialen Strukturen wie dem Wohlfahrtsstaat, Rechtsstaat oder Sozialstaat. Eine keynesianisch ausgerichtete Wirtschaftspolitik hat dazu beigetragen, dass soziale Strukturen entstanden, die wir bis vor einigen Jahren für «normal» gehalten haben. Man identifiziert diese Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg auch mit dem Namen Henry Ford. Er steht für eine Rationalisierung von Arbeit, also das Fliessband, in Verbindung mit einer deutlichen sozial- und wirtschaftspolitischen Orientierung.

Und was kommt jetzt?Viele nennen die angebrochene Zeit den Postfordismus. Basis für die

Neuorientierung der Wirtschafts- und Sozialpolitik ist die neoliberale Politik mit einer Deregulierung von Wirtschaft und Sozialpolitik. Zurzeit stecken wir mitten im Übergang in diese flexible Form von Wirtschaft und Gesellschaft und suchen nach neuen Regulierungsformen für die sich abzeichnenden sozialen Folgen. Fast überall wird nun danach gesucht, wie man diese flexibleren Formen der Wirtschaft und Gesellschaft auf neue Weise regulieren kann – ohne aber zurück-zugehen zu den alten Formen, die nicht mehr funktionieren.

Auf welchen konkreten Ebenen macht sich Flexibilisierung bemerkbar?Sie können alles nehmen: die Finanzmärkte, die Wirtschaft, die betrieb-

liche Ebene, aber auch die sozial- und gesellschaftspolitische Ebene. Sogar die Diskussion über veränderte Familienformen, die neue Rolle der Geschlechter oder gleichgeschlechtliche Lebensformen gehören in diesen Zusammenhang. Das sind Teile sehr grundlegender Veränderungen des Lebens in unserer Gesell-schaft ; und da stecken wir mitten drin. Das ist spannend und gleichzeitig aufre-gend, weil man nicht weiss, wie es ausgeht.

Seit einigen Jahren gibt es eine Verlagerung des Arbeitsmarktes von industrieller Arbeit hin zu mehr Wissens- und Dienstleistungsarbeit. Welche Gründe sehen Sie für diese Entwicklung?Dank der Technisierung konnte der gewerbliche Sektor immer wieder

rationalisieren. Arbeit wurde produktiver und viele Stellen wurden eingespart. Der Dienstleistungssektor hingegen galt eher als «rationalisierungsresistent». Das ist ein wichtiger Grund dafür, dass eine Verschiebung der Erwerbstätigkeit von der Landwirtschaft und der Industrie hin zum dritten Sektor, den Dienstleis-tungen, zu beobachten ist.

Sie sehen die Technisierung als Hauptgrund für den Wandel. Gibt es weitere Gründe?Die Technisierung spielt eine wichtige Rolle, doch andere Faktoren wir-

ken mit – ökonomische und gesellschaftliche Faktoren: Die Bedürfnisse der Men-schen haben sich gewandelt, als Arbeitskräfte, aber auch als Konsumenten. Ver-mehrt werden intelligentere und flexible Produkte verlangt, aber auch qualifi-ziert sach- und personenbezogene Dienstleistungen. Auf diese veränderte Nachfrage der Konsumenten und Märkte hat die Wirtschaft reagiert, indem neue Produkte auf den Markt kamen. Angesichts dieser veränderten Bedürfnisse ge-riet die klassische industrielle Produktion in den Hintergrund. Im Moment kann man aber, auch als Folge der beiden Finanzkrisen, teilweise auch wieder eine Rückbesinnung auf die klassisch gewerblichen Industrien beobachten.

Unsere Arbeitswelt verändert sich ebenfalls. Welche Hauptveränderungen sehen Sie?Wir fassen die Veränderungen der Arbeitswelt unter dem Stichwort

«Entgrenzung» zusammen. Da ist die Frage aktuell, ob die Vertrauensarbeitszeit funktioniert oder ob man wieder stärkere Begrenzungen einführen muss. Ent-grenzung findet aber auch im Raum statt. Der Arbeitsort der Zukunft ist nicht mehr zwingend das Büro, sondern kann der Garten oder das Hotel sein – Arbeit ist mobil geworden. Entgrenzung findet aber auch bei der Qualifikation statt. Es ist nicht mehr so, dass man nach der Grundschule einen Job erlernt und dann bis zur Pension arbeitet. Vor allem die jungen Menschen müssen sich darauf ein-stellen, dass sie immer wieder dazulernen müssen – Stichwort: lebenslanges Lernen. Das heisst auch, dass man sich beruflich mobil halten muss. Immer we-niger wird man sich an einen Abschluss oder einen Beruf klammern können, man wird vermehrt beruflich mobil sein müssen.

Hat sich mit dem Strukturwandel auch die Qualität der Arbeit verändert?Die Technisierung hat dazu geführt, dass immer mehr Funktionen mit

hohen Anforderungen entstanden sind. Also Tätigkeiten, die wissensbasiert sind und hohe Qualifikationen erfordern. Auch das ist ein Merkmal dessen, was man unter «Trend zur Dienstleistungsgesellschaft» oder auch «Tertiarisierung» versteht.

PROFESSOR DR. GÜNTER G. VOSS

Professor Dr. Günter G. Voss ist emeritierter Professor für Industrie- und Techniksoziologie an der Technischen Universität in Chemnitz.

Professor Voss: «In der Arbeitswelt findet eine ‹Entgrenzung› statt.»

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STANDORTFÖRDERUNG BERN

Wie muss man sich ihre Arbeit vorstellen? Sie reisen in die weite Welt und versuchen Firmen zu überzeugen, nach Bern zu kommen?Nein. Wir betreiben die Akquisition von ausländischen Firmen mit Part-

nern zusammen. Der Kanton Bern ist zu klein, um weltweit präsent zu sein. Des-halb haben wir uns mit den Westschweizer Kantonen zusammengetan. Dort sind wir Mitglied der Greater Geneva Bern area (GGBa). Diese Organisation hat Agenten in der ganzen Welt, die Firmen akquirieren. Die angeschlossenen Kanto-ne können sich dann für Projekte bewerben. Und zweitens hat der Kanton Bern eine Leistungsvereinbarung mit der Global Switzerland Enterprise. Ihre Aufgabe ist aber, die Schweiz als Wirtschaftsstandort bekannt zu machen.

Die Konkurrenz zwischen den Standorten ist heute grösser denn je. Gibt es einen Rückgang von Firmen-ansiedlungen auf Schweizer0 Boden? Die Statistik zeigt klar einen Rückgang von Ansiedlungen in der Schweiz.

Das ist ein anhaltender Trend seit einigen Jahren. Verantwortlich für den Rück-gang ist aber nicht nur die grosse Konkurrenz.

Sondern? Die rechtliche Unsicherheit. Die Annahme der Masseneinwanderungs-

initiative und die damit verbundenen unstabilen Beziehungen zur Europäischen Union sowie die anstehende Unternehmenssteuerreform II I sorgen für Unsi-cherheit bei den Firmen. Stabile Verhältnisse sind für Firmen zentral, sie ermög-lichen ihnen Planungssicherheit. In der Schweiz waren die Rahmenbedingungen lange Zeit klar und deutlich. Das half den Firmen langfristig zu planen, seit eini-gen Jahren hat die Schweiz in dieser Beziehung leicht an Attraktivität verloren. Eine weitere Hypothek ist natürlich auch der starke Franken.

Herr, Grisel, Sie sind oberster Standortvermarkter des Kantons Bern und dafür zuständig, ausländische Firmen nach Bern zu holen. Kommen überhaupt noch welche? Ich muss zuerst präzisieren. Unser Ziel ist nicht nur die Ansiedlung von

Firmen aus dem Ausland. Wir hegen und pflegen auch die ansässigen Firmen und Start-ups und unterstützen diese, wo wir können. Bestehende Firmen zu unterstützen, ist immer günstiger, als neue Firmen anzusiedeln.

Wie unterstützen Sie denn konkret ansässige Firmen? Es gibt verschiedene Instrumente. Erstens helfen wir ihnen bei adminis-

trativen Hürden und suchen gemeinsam nach Lösungen. Das kann dann so aus-sehen, dass wir der Firma helfen bei der Vermittlung von Bewilligungen, oder wir sind behilflich beim Suchen von bestimmten Spezialisten. Eine weitere Möglich-keit ist finanzielle Unterstützung. Insbesondere Kleinunternehmen unterstützen wir bei innovativen Projekten selber finanziell oder wir helfen ihnen bei der Suche nach sonstigen Finanzquellen.

Zurück zur ersten Frage: Kommen noch ausländische Firmen in die Schweiz?Ja, es kommen Firmen nach Bern. Wir haben jedes Jahr rund 60 Besuche

von Unternehmern aus der ganzen Welt. Mit ihnen betreiben wir dann hier eine Evaluation. Daraus resultieren zwischen 10 und 15 Ansiedlungen pro Jahr. Dabei sind kleinere Unternehmen, es hat teils auch grössere.

« Das letzte Filetstück ist vergeben.»

Denis Grisel, der oberster Verkäufer des Wirtschaftsstandortes Bern, geht nach mehr als 20 Jahren im Amt im Jahr 2017 in Pension. Im Gespräch wagt er einen Rückblick auf seine Amtszeit und erklärt, welche Hürden sich ihm bei der Ansiedlung ausländischer Firmen in Bern in den Weg stellen.

Von Reto Liniger

Denis Grisel: «Ja, Bern ist auf dem richtigen Weg.»

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Vor gut einem Monat hat das World Economic Forum der Schweiz erneut Bestnoten vergeben. Punkto Wett-bewerbsfähigkeit belegt die Schweiz zum achten Mal in Folge den ersten Platz. So schlecht kann es nicht bestellt sein um unser Land?Nein, ganz und gar nicht. An positiven Eigenschaften fehlt es der

Schweiz nicht, sie sind die Basis unseres Erfolgs: Die Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern funktioniert in der Schweiz sehr gut – wir haben notabene kaum Streiks hier in der Schweiz. Die Qualität der Arbeit und die Qua-lifikation der Beschäftigten sind sehr hoch. Unser Bildungssystem mit dualer Bildung, Fachhochschulen und Hochschulen ist absolute Weltklasse. Ebenfalls punkto Sicherheit und Lebensqualität ist die Schweiz fast einzigartig. Die Rah-menbedingungen sind bei uns auf sehr hohem Niveau. Man muss jetzt einfach noch rechtliche Unsicherheiten mit der Europäischen Union beseitigen, dann haben wir wieder die ganze alte Stärke.

Ist der Kanton Bern für ausländische Firmen attraktiv? Es ist klar, erste Adresse sind wir in der Schweiz nie. Die Gründe dafür

liegen auf der Hand: Wir haben keinen interkontinentalen Flughafen und wir ha-ben keinen ETH-Standort. Das sind entscheidende Standortfaktoren. Als Google bekannt gab, etwas in der Schweiz aufbauen zu wollen, war ich auf dem Google Campus und führte erste Gespräche mit den Verantwortlichen. Google ent-schied sich aber für den Standort Zürich, ausschlaggebend für diesen Entscheid war der ETH-Standort in Zürich.

Gerade punkto Bildungsstandort hat sich im Kanton Bern so einiges getan. Ja, Bern ist da auf dem richtigen Weg. Ziel ist die Positionierung als High-

techstandort. Zur Realisierung dieses Ziels sind einige wichtige strategische Pro-jekte aufgegleist worden: unter anderem der Switzerland Innovation Park oder der Campus der Berner Fachhochschule in Biel sowie das Projekt sitem-Insel in Bern. Ziel ist es, in verschiedenen Nischen noch attraktiver zu werden, damit na-tionale und internationale Firmen in den Kanton Bern kommen, um neue Projek-te zu entwickeln. Ein Standort muss in seine Stärken investieren. In Bern sind das insbesondere die Medizinal- und die Präzisionstechnik sowie der Medtechbe-reich. Wichtig für Bern ist auch die International School of Bern, die im nächsten Jahr in Gümligen ihre Türen öffnen wird. Kommen ausländische Manager nach Bern, wollen sie gute und international kompatible Schulen für ihre Kinder vor-finden – beides wird die International School of Bern bieten.

Bern hat keinen grossen Flughafen und keine ETH. Gibt es weitere Faktoren, welche die Ansiedlung von Firmen erschweren?Bern hat zu wenige Landreserven für grosse Projekte. Wir haben für die

CSL Behring das letzte Filetstück zur Verfügung gestellt. Nun fehlen uns weitere grosse Grundstücke. Das haben wir erneut schmerzlich erfahren im Fall Biogen. Biogen plante den Bau einer biopharmazeutischen Produktionsanlage. Der Kanton Bern bewarb sich als Standort, wir mussten aber eingestehen, dass uns die pas-senden Grundstücke fehlen. Die Anlage wird nun im Kanton Solothurn gebaut. Eine zweite grosse Hypothek des Kantons Bern ist die relativ hohe Steuerbelas-tung. Die Unternehmenssteuerreform dürfte diese Situation noch verschärfen.

« Das letzte Filetstück ist vergeben.»

GREATER GENEVA BERNE AREA

Die Greater Geneva Berne Area (GGBa) ist ein Verbund der Wirtschafts-förderungen der Kantone Bern, Freiburg, Genf, Neuenburg, Waadt und Wallis. Die Greater Geneva Berne Area greift in der Wirtschaftsförderung auf verschiedene Kompetenznetzwerke zurück, in erster Linie in den Bereichen Mikro- und Nanotechnologie, Life Sciences, Informations- und Kommunikationstechnologie und Cleantech. Denis Grisel ist Leiter der Standortförderung des Kantons Bern.

Warum sind Ansiedlungen in der Schweiz oder in Bern überhaupt wichtig?Das ist eine wichtige Frage. Die Industrialisierung der Schweiz im

19. Jahrhundert war stark geprägt durch Impulse von aussen. Beispiele sind die Uhrenindustrie oder die Stahlindustrie. Diese Impulse von aussen waren aus-schlaggebend für die Entwicklung von neuen Produkten, die Weiterentwicklung bestehender und die Prosperität der Schweiz. Dieser Mechanismus ist heute noch derselbe wie damals. Neue Firmen sind wichtige Ergänzungen zu den be-stehenden: Sie geben wichtige Impulse für die Entwicklung des Kantons oder Landes und tragen zur Diversifikation der Schweizer Wirtschaft bei.

Bieten Sie ausländischen Firmen Steuerdeals an?Grundsätzlich erlaubt der Gesetzgeber in Bern bestimmte Steuerver-

günstigungen. Diese sind aber immer verbunden mit Forderungen nach Investi-tionen und Arbeitsplätzen. Das sind auch keine Deals, sondern Verträge, die wir mit den Firmen abschliessen. Das Ziel ist am Schluss eine Win-win-Situation: Die Ansiedlung muss sich für den Kanton lohnen wie auch für die Firma. Solche Steuervergünstigungen sind keine Geschenke, sondern basieren immer auf Gegenleistungen.

«An positiven Eigenschaften fehlt es der Schweiz nicht, sie sind die Basis unseres Erfolgs.»

Herr Grisel, Sie gehen im nächsten Jahr in Pension. Wenn Sie auf Ihre Amtszeit zurückblicken: Wie hat sich Bern verändert?In den letzten Jahren hat sich viel verändert. Als ich meine Tätigkeit vor

20 Jahren startete, hatten die Akquisition und die Wirtschaftsförderung noch nicht den heutigen Stellenwert. Alles lief noch in ruhigeren und gesicherten Bah-nen, einzig die Uhrenindustrie steckte in einer kleinen Krise. Heute ist die Welt schneller geworden. Die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft sind äusserst volatil geworden. Daher ist es wichtig, dass der Kanton proaktiv wird in seinen Möglichkeiten, für Stabilität sorgt und sich für die Unternehmen engagiert.

Auf welche Karten sollte der Kanton Bern künftig setzen?Für den Kanton Bern sind einige Leuchtturm-Projekte entscheidend:

der Switzerland Innovation Park, der Campus Technik der Berner Fachhochschu-le und sitem-Insel. Diese Projekte dienen zur Positionierung des Kantons als at-traktiver Hightechstandort. Es wird in den nächsten Jahren wichtig sein, diese Vorteile zu verkaufen. Hier spielt die Standortförderung ihre wichtige Rolle.

Herr Grisel, ich danke Ihnen für das Gespräch.

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Vorsorgestaat in der Klemme

Von Dr. Michael Zurkinden,

Mitglied Direktion Notenstein

La Roche Privatbank

ALTERSVORSORGE

Unser Rentensystem ist in Schieflage geraten. Zurzeit wird im Par-lament im Rahmen der Altersvorsorge 2020 nach Lösungen für ein zukunftsfähiges Vorsorgesystem gesucht. Die individuelle Vorsor-ge bietet zusätzliche Möglichkeiten, um für die Zukunft zu sparen.

ERSTE SÄULE UNTER DRUCK

2015 hat die AHV zum zweiten Mal in Folge einen Verlust ausweisen müssen. Da die Anzahl Rentner weiter ansteigt, diese immer älter werden und gleichzeitig die Anzahl Beitragszahler stagniert, wird es wohl nicht das letzte De-fizit gewesen sein – im Gegenteil ! Bei Einführung der umlagefinanzierten AHV im Jahre 1948 lag die durchschnittliche Lebenserwartung für Männer bei 68,7 Jahren und für Frauen bei 74,1 Jahren. Das Rentenalter war damals aber fast gleich hoch wie heute – obwohl wir heute elf bis zwölf Jahre länger leben. Ursprünglich lag der Zweck der AHV hauptsächlich in der Absicherung des Langlebigkeitsrisikos, also des «Risikos», dass man länger lebt, als man erwerbstätig bleibt. Heute er-wartet man von der AHV, dass sie den Existenzbedarf im (durchschnittlich 18 bis 20 Jahre währenden) Ruhestand deckt.

Gemäss den Berechnungen des Bundesamtes für Statistik (BfS) ist in den nächsten Jahrzehnten mit einem deutlichen Anstieg des Altersquotienten (also des Verhältnisses zwischen der Anzahl der Rentenberechtigten und der Zahl der Aktiven) zu rechnen. Die AHV wird deshalb in absehbarer Zukunft vor sehr gro-ssen finanziellen Herausforderungen stehen. Das Bundesamt für Sozialversiche-rungen (BSV) publiziert regelmässig die Finanzperspektiven für die AHV. Das Um-lageergebnis dürfte auch im besten Szenario schon bald deutlich negativ ausfal-len. Die heutigen Leistungen der AHV lassen sich ohne Gegenmassnahmen auf Dauer nicht mehr finanzieren. Je nach Entwicklung der Wirtschaft und Höhe der Zuwanderung müssen bis 2030 Mehreinnahmen oder Einsparungen im Umfang von 5,1 bis CHF 11,4 Milliarden beschlossen werden. Würde man den Hebel aus-schliesslich auf der Finanzierungsseite ansetzen, würde dies eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um 1,3 bis 3,7 Prozentpunkte oder eine Erhöhung der Versiche-rungsbeträge um 1 bis 2,9 Lohnprozente bedeuten. Bei einer vollständigen De-ckung über die Ausgaben hingegen müsste das Rentenalter gemäss Berechnun-gen von Professor Schaltegger von der Universität Luzern um 1,8 bis 4,2 Jahre er-höht werden. Der Handlungsbedarf in der Schweiz ist offensichtlich. Die zurzeit im

Parlament verhandelte Altersreform 2020 stellt folglich die richtigen Fragen. Es braucht – gerade auch mit Blick auf die gescheiterte AHVplus-Initiative vom 25. September – keine Teilrevisionen, sondern eine Totalsanierung.

ZWEITE SÄULE: STÄRKER IN SCHIEFLAGE ALS ALLGEMEIN BEK ANNT

Zum Glück ruht unser Vorsorgesystem aber auf drei Säulen: Droht eine an Tragkraft zu verlieren, so fällt das Gebäude nicht gleich in sich zusammen. Bei der zweiten Säule, der beruflichen Vorsorge, ist aber auch nicht alles zum Besten bestellt. Anders als die umlagefinanzierte AHV funktioniert sie nach dem Kapi-taldeckungsverfahren. Sie ist damit abhängig von den Bedingungen an den Fi-nanzmärkten – und diese sind zurzeit durch extrem tiefe Zinsen geprägt. Die Aussicht auf ein Andauern dieses Zustandes veranlasst die Pensionskassen dazu, ihre Projektionen zu revidieren und die zu erwartenden Renditen nach un-ten anzupassen. Ein Teil des angesparten Vermögens muss aber weiterhin zu ei-nem vom Staat vorgegebenen Mindestzinssatz vergütet werden. Dieser liegt ak-tuell bei 1,25 Prozent und damit deutlich höher als die heute mit sicheren Anla-gen erzielbare Rendite. Eine zehnjährige Staatsanleihe der schweizerischen Eid-genossenschaft rentiert aktuell mit –0,4 Prozent.

LÖCHER IN DER ZWEITEN SÄULE

Auch der demografische Wandel wirkt sich negativ auf die berufliche Vorsorge aus. Das von einer erwerbstätigen Person angesparte Kapital kann zum Zeitpunkt der Pensionierung in eine lebenslängliche Rente umgewandelt wer-den. Da wir immer älter werden, muss der geschaffene Vorrat auf immer kleine-re Jahresrationen aufgeteilt werden. Wenn der Kapitalstock vor dem Ableben aufgebraucht ist, entsteht eine Lücke. Eine finanziell gesunde Versicherung gleicht diese Lücken mit dem übrig gebliebenen Kapital all derjenigen aus, die «zu früh» ableben, also vor Erreichen der durchschnittlichen Lebenserwartung. Nun schreibt das Gesetz den Pensionskassen aber vor, zu welchem Satz sie einen Teil des Kapitals in Renten umwandeln müssen, also wie gross die Jahresratio-nen auszufallen haben. Dieser sogenannte Umwandlungssatz wird von der Poli-tik definiert und bemisst sich nicht unmittelbar nach der effektiv zu beobachten-den durchschnittlichen Lebenserwartung. Aktuell liegt der Mindestumwand-

Wer kann, sollte sämtliche Möglichkeiten der Vorsorge nutzen.

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«Zum Glück ruht unser Vorsorgesystem aber auf drei Säulen.»

lungssatz im Obligatorium bei 6,8 Prozent. Gemessen an der durchschnittlichen Lebenserwartung und unter der Annahme von weiterhin bescheidenen Rendi-ten an den Finanzmärkten wären wohl 5 Prozent mathematisch korrekt, aber we-der im Parlament noch in der Bevölkerung mehrheitsfähig.

In der zweiten Säule werden somit Löcher aufgerissen, die von der heu-tigen Erwerbsbevölkerung gestopft werden müssen. Diese Umverteilung kam schleichend und erst jetzt wird uns klar, dass auch in der beruflichen Vorsorge quersubventioniert wird: Schätzungen zufolge beträgt die Finanzierungslücke pro Neurentner heute 20 bis 30 Prozent. Zwar steigt mit dem Problembewusst-sein auch die Wahrscheinlichkeit, dass Reformen eingeleitet werden. Die Erfah-rung zeigt aber, dass solche Anpassungen nur zögerlich vorgenommen werden.

GEGENSTEUERN AUF INDIVIDUELLER EBENE

Vor dem Hintergrund der Herausforderungen der gesetzlichen Vorsor-gesysteme gilt es, sämtliche Möglichkeiten des Vorsorgesparens zu nutzen. Die in der Schweiz steuerbefreite dritte Säule ist nicht von strukturellen Problemen betroffen. Die eigene Vorsorge zu diversifizieren, bedeutet somit, auch diese an-gemessen zu berücksichtigen.

Aber auch in der zweiten Säule kann man gegensteuern: Das Korsett bei Zinsen und Umwandlungssatz gilt nur für den obligatorischen Teil (Jahreslöhne bis CHF 84 600). Oberhalb dieser Grenze sind flexiblere Lösungen möglich. Man kann sich ein zweites Standbein aufbauen, indem man überobligatorische Lohn-bestandteile in einer separaten Vorsorgeeinrichtung versichert. Bereits ange-spartes Vorsorgevermögen kann dabei in der bestehenden Lösung bleiben. Durch diese Trennung von Obligatorium und Überobligatorium werden die zu hohen Rentenversprechen im obligatorischen Teil nicht mehr quersubventio-niert. Ab einem Jahreslohn von CHF 126 900 können Vorsorgenehmer gemäss Art. 1e BVV2 zudem ihre Anlagestrategie selber wählen. Diese sogenannten 1e-Lösungen erfreuen sich seit einigen Jahren zwar einer immer grösseren Beliebt-heit, sind insgesamt aber noch wenig bekannt.

Nicht zuletzt aber ist natürlich auch das freie Privatvermögen ein wich-tiger (vierter) Pfeiler der Vorsorge. Wenn staatliche und Teile der beruflichen Vorsorge mit Unsicherheiten behaftet sind, so gilt es, ausserhalb des Pensions-systems zu sparen. Es ist wichtig, aktiv zu werden, bevor es zu spät ist. Nicht nur, damit die Pensionierung möglichst angenehm wird, sondern auch, damit unse-re Kinder weiterhin auf unser Vorsorgesystem zählen können.

«Keine überzeugenden Gründe.»Frau König, die Notenstein La Roche bietet individuelle Vor sor-gelösungen – sogenannte 1e-Sparpläne – für Gutverdienende an. Angenommen jemand kommt mit seinem über dem Obligato-rium liegenden Lohn zu Ihnen. Welche Vorteile hat man?Er hat ein persönliches, auf seinen Namen lautendes Portfolio und kann die Anlagestrategie im Rahmen des BVG selber wählen. Sämtliche steuerwirksamen Einkäufe werden in vollem Umfang diesem persönlichen Vorsorgeguthaben gutgeschrieben. Dieses Geld steht auch im Falle eines Austritts oder im Todesfall vollstän-dig zur Verfügung, was im Obligatorium heute so nicht der Fall ist. Zudem hat jeder Vorsorgenehmer eine persönliche Ansprechperson, die ihn in Vorsorgefragen und bei der Wahl der Anlagestrategie berät.

Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) möchte die vollständige Individualisierung der Anlagestrategie beschränken. Richtig?Das BSV möchte die Anzahl der zur Verfügung stehenden Anlagestra-tegien auf drei pro Vorsorgewerk beschränken. Unseres Erachtens gibt es für diese Einschränkung keine überzeugenden Gründe, so hat sich das Parlament ja für eine weitergehende Individualisierung im Bereich der 1e-Lösungen ausgesprochen. Zudem ist eine vollständige Individu-alisierung der Anlagen weiterhin nicht zulässig. Der Vorsorgenehmer kann die Strategie wählen, sie aber nicht beeinflussen. Insbesondere bestehen keine Mitsprachemöglichkeiten auf Titelebene. Wir sind deshalb zuversichtlich, dass man von dieser extremen Beschränkung auf drei Anlagestrategien wieder wegkommt.

Wählt jemand eine risikoreiche Anlagestrategie, wird man für Verluste voll belangt?Zurzeit gilt noch der Artikel 17 des Freizügigkeitsgesetzes, welcher dem Vorsorgenehmer bei negativem Kursverlauf im Austrittsfall, also bei einem Wechsel des Arbeitgebers, einen gewissen Schutz bietet. Dieser Artikel wird aber in absehbarer Zeit wegfallen. Dann wird der Vorsorge-nehmer das Anlagerisiko vollständig selber tragen müssen, was eine gute Beratung noch wichtiger macht, als sie es heute bereits ist.

Welche Anlagestrategie empfehlen Sie?Das hängt ganz von der Risikofähigkeit und -bereitschaft des jeweiligen Kunden ab. Ein grosser Vorteil von 1e-Lösungen besteht ja gerade darin, dass «one size fits all» nicht gilt und stattdessen auf individuelle Bedürfnisse Rücksicht genommen werden kann.

In welchem Alter empfehlen Sie, mit der individuellen Vorsorge zu beginnen?Grundsätzlich so früh wie möglich. Typischerweise werden die notwendigen Saläre für 1e-Lösungen (zur Erinnerung: ab CHF 126 900.–) erst etwas später im Karriereverlauf erreicht, also zwischen 35 und 55 Jahren.

Interview: Reto Liniger

Anna König, Mitglied Direktion Notenstein La Roche Privatbank

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FREIHANDEL

Freihandel – wie weiter? Über den internationalen Freihandel wird zurzeit leidenschaftlich gestritten. Stichworte wie TTIP oder CETA erregen die Gemüter. Während Christin Lagarde, Chefin des Internationalen Währungsfonds, wiederholt für mehr Handelsliberalisierung und weniger protektionistische Massnahmen eintritt, mehren sich derweil die politischen Voten der Liberalisierungskritiker. Sie verteufeln den liberalisierten Welthandel und wollen wieder vermehrt mit protektionisti-schen Massnahmen den heimischen Markt schützen. Also, wo bitte, liegt der richtige Weg in die Zukunft? Braucht es vermehrt internationale Handelsabkommen oder hat die Globalisie-rung ihren Zenit überschritten? Muss das Rad der Zeit zurückgedreht werden?

Die zunehmende Opposition gegen «Mega-FHA» wie T TP, T TIP, CETA oder TISA, der immer lautere Ruf nach Protektionismus und Rückkehr ins «nati-onale Réduit» ist die teure Quittung für die unsoziale Globalisierung der letzten Jahrzehnte, von der Konzerne und Reiche überproportional profitiert haben. Die damit verbundenen, ungenügend begleiteten Umwälzungen auf den Arbeits-märkten, die zunehmenden Einkommensungleichheiten und Angriffe gegen de-mokratische Prozesse werden nicht mehr einfach hingenommen. Umso weniger, als diese «Mega-FHA» einen umfassenden Charakter haben: Es geht nicht mehr nur wie früher um die Liberalisierung des Handels mit Gütern. Im Vordergrund steht heute vor allem die Liberalisierung von finanziellen und öffentlichen Dienstleistungen wie Energie, des öffentlichen Beschaffungswesens, von grenz-überschreitenden Investitionen. Es geht auch um Patentschutz und regulatori-sche Fragen, wie Schlichtungsverfahren im Fall von Konflikten bei Investitions-entscheiden. Alles Bereiche, die für das Gemeinwesen von hoher Brisanz sind.

Freihandel ist nicht per se negativ. Für eine offene Wirtschaft wie die der Schweiz und für eine wirtschaftlich immer vernetztere Welt ist dieser sogar eine logische Entwicklung, die den Wohlstand vermehren kann. Doch ein Frei-handel ohne sozialen Schutz und Ausgleich führt zu vielen Verlierern und scha-det unserer Gesellschaft. Freihandel lässt sich durchaus mit menschenrechtli-chen, sozialen und ökologischen Anforderungen und mit der Demokratie verein-baren, dafür braucht es aber einen Kurswechsel. Protektionismus ist keine Pers-pektive; die positive Alternative liegt in einem gerechten internationalen Handel, von dem die meisten profitieren und der die Verlierer nicht auf der Strecke lässt.

Zuerst braucht es mehr Transparenz und Dialog mit der Zivilgesellschaft von Anfang an und im Laufe des ganzen Verhandlungsprozesses von solchen FHA. Ohne dies fehlt jedes Vertrauen.

In der neuen Generation von FHA figurieren immer mehr Bestimmun-gen – oft in einem separaten Kapitel – zur Einhaltung von Menschenrechten, so-zialen und ökologischen Standards. Dies ist bestimmt ein Fortschritt. Das Prob-lem liegt aber im Mangel an Präzision, Verbindlichkeit und Sanktionsmöglichkei-ten. Es fehlt meistens auch an einer ernsthaften Implementierung (mit «Monito-

ring»). Beim T TIP zum Beispiel ist die Rede von Einhaltung der ILO-Grundnor-men bezüglich sozialer Standards. Im Unterschied zur EU haben aber die USA nur zwei der acht ILO-Grundnormen ratifiziert.

Weiter dürfen internationale private Schiedsgerichte wie die « Investor-State Dispute Settlements» (ISDS) demokratisch legitimierte Standards im Sozial- oder Umweltbereich zugunsten von Konzernen infrage stellen. In den Verhand-lungen zum T TIP und im Rahmen des laufenden Ratifizierungsprozesses von CETA (EU-Canada) hat die EU – unter dem öffentlichen Druck der Gewerkschaf-ten und der Zivilgesellschaft – als Alternative die Schaffung eines öffentlichen in-ternationalen Handelsgerichts ins Spiel gebracht. Es ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung, aber es braucht zusätzliche Leitplanken, damit sich negative Erfahrungen aus der Vergangenheit nicht wiederholen.

Für die öffentlichen Dienstleistungen liegt eines der grössten Risiken in den sogenannten «negativen Listen», welche in den neuen FHA vorgesehen sind. Früher hat man mit «positiven Listen» operiert. Man hat sich nämlich auf eine Liberalisierung der Bereiche begrenzt, die explizit im FHA genannt wurden. Heu-te läuft es zum Beispiel bei T TIP und CETA umgekehrt. Die Bereiche, die nicht explizit erwähnt und ausgeschlossen werden, unterstehen alle den Regeln der neuen FHA. Als Illustration: Zum Glück hat die Deutsche Gesetzliche Unfallver-sicherung (DGUV) von ihrer Regierung verlangt, vom T TIP explizit ausgeschlos-sen zu werden. Sonst hätte ihr in Zukunft die Privatisierung unter dem Druck von privaten amerikanischen Versicherungskonzernen gedroht!

Für die Gewerkschaften ist unter den neuen Voraussetzungen klar: Jede zukünftige Liberalisierung und Privatisierung soll im Rahmen von demokra-tischen Prozessen rückgängig gemacht werden können. Alles andere wäre Aus-hebelung der Demokratie durch FHA.

Wir sind fest überzeugt: Ohne flankierende Massnahmen zur sozialen und demokratischen Absicherung wird der internationale wirtschaftliche Aus-tausch in unseren Gesellschaften nicht mehr die erforderliche Akzeptanz finden. Die Zeit drängt!

Von Daniel Lampart, SGB-Chefökonom (links), und

Vasco Pedrina, SGB-Vertreter im EFTA-Konsultativausschuss

Ohne flankierende Massnahmen zur sozialen und demokratischen Absicherung keine Zukunft für Freihandelsabkommen (FHA)

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Braucht es vermehrt internationale Handelsabkommen oder hat die Globalisierung ihren Zenit überschritten?

Von Jan Atteslander

Leiter Aussenwirtschaft, economiesuisse

Die Globalisierung und der Freihandel finden vor meiner Haustüre statt. Wenn ich durch meine Heimat, das Seeland, fahre, komme ich an vielen KMU vorbei. Eines dieser Unternehmen ist für mich etwas Besonderes – habe ich doch dort meinen ersten Arbeitstag verbracht. Das Unternehmen steht noch im-mer mitten im Dorf – das Gebäude, in dem sich mein Arbeitsplatz im ersten Stock befand, steht auch noch. Sonst hat sich viel verändert. Ein hochmoderner Neubau aus Glas steht an der Hauptstrasse, das Unternehmen stellt heute kom-plexe Präzisionsteile her.

Damals bestaunten wir die ersten CNC-Fräsen. Man konnte eine solche Fräse programmieren, sodass sie nacheinander verschiedene Arbeitsschritte durchführte und dabei das eingesetzte Werkzeug jeweils wechselte – ganz selbstständig und fehlerfrei, soweit beim Programmieren und Testen nicht et-was übersehen worden war. Heute ist die Automatisierung weit fortgeschritten

– und Voraussetzung für Innovation und Erfolg in der Industrie.Das KMU exportiert erstklassige Produkte in die ganze Welt – offen-

sichtlich sehr erfolgreich. Der Zugang zum Weltmarkt ist Voraussetzung für die-sen Erfolg. Auch die Schweizer Kunden des Seeländer Unternehmens brauchen diesen Zugang, da sie ihrerseits exportieren. Die Schweiz dürfte insgesamt rund 26 000 Exportunternehmen zählen. Die meisten davon sind KMU. Warum ha-ben gerade KMU Vorteile von der Globalisierung und wie wirkt sich das auf mei-ne Heimat aus? Die Globalisierung ist kein neues Phänomen. Neu sind die Ge-schwindigkeit und das Ausmass von grenzüberschreitendem Handel und Inves-titionen. Die Wirtschaft des Kantons Bern profitiert hiervon besonders stark, ist er doch der Standort mit den meisten Industriearbeitsplätzen in der Schweiz. Der Kanton Bern erarbeitet 7 Prozent der Schweizer Exporte (2015). Davon gehen mehr als 50 Prozent in die EU, 24 Prozent nach Asien und 20 Prozent in die USA. Der relativ grosse Exportanteil Asiens und der USA zeigt auf, dass die Berner Ex-porte globaler ausgerichtet sind als im Schweizer Durchschnitt. Gerade der Zu-gang zu den aufstrebenden Ländern Asiens wird in naher Zukunft noch wichti-ger werden für den Berner Wirtschaftsstandort. Dabei wird der Freihandel eine

grosse Rolle spielen. Die asiatischen Länder öffnen ihre Volkswirtschaften für Handel und ausländische Investitionen, um nachhaltiges Wachstum zu erreichen.

Wie geht es nun weiter? Die Globalisierung findet in Dörfern der ganzen Welt statt. Wie bei uns verändern sich auch in anderen Ländern und Kontinen-ten die Gesellschaften durch die weltumspannende Arbeitsteilung. Zentral ist dabei, wie die Früchte des Handels in den Gesellschaften verteilt werden. Hier armen Ländern über Freihandelsverträge Vorschriften bei Arbeits- und Umwelt-standards machen zu wollen, ist heikel. Als unser eigenes Land noch arm war, hätten wir eine solche «Einmischung» wohl auch nicht geschätzt. Besser dürf-ten konkrete Angebote sein – wie kann Trinkwasser effizient aufbereitet werden, wie eine Berufsausbildung praxisbezogen gestaltet oder der Dialog zwischen Ar-beitgebern und -nehmern in die Wege geleitet werden? Gute Beispiele vor Ort überzeugen besser oder es gibt spezialisierte Institutionen wie die Internationa-le Arbeitsorganisation (ILO), die hier mit konkreten Projekten ansetzen.

Die Bedeutung des internationalen Marktzugangs wird für den Wirt-schaftskanton Bern weiter zunehmen – ebenso die Konkurrenz. Es liegt an uns, ob wir auch künftig zu den Globalisierungsgewinnern gehören. Dafür braucht es Innovationen und günstige Bedingungen für die Exportunternehmen im Inland und gute Abkommen für den Marktzugang im Ausland. Wenn uns das gelingt, werden wir weiterhin prosperierende KMU mitten in unseren Dörfern haben.

Marktzugang für den Kanton Bern ist entscheidend

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BERNPUNKT-GESPRÄCH

Hansmartin Amrein ist einer der vier Mitbegründer der Gelateria di Berna. Der Jurist, Linienpilot und strategische Kopf des Familienunternehmens über italienische Kind-heitsträume, Geschäftseröffnungen, die süchtig machen, und das neue Lebensgefühl in Berner Quartieren.

Hansmartin Amrein, wo haben Sie die beste Glace Ihres Lebens gegessen?Als Kind in Italien. In Cecina Mare. Ich erinnere mich genau, wie ich mit

1000 Lire in der Hand die ganze Vitrine hätte kaufen wollen. Das hat sich einge-brannt. Tatsache ist aber, dass ich vor zwei Jahren genau diese Hafenbeiz wieder aufsuchte und enttäuscht war. Ich weiss inzwischen zu viel über das Gelato- Machen. Dadurch habe ich heute einen anderen, eher wissenschaftlichen Mass-stab. Ich beurteile Textur, Fruchtanteil, Intensität, Farbe, Kreativität, Produkte-herkunft. Wenn ich mit diesem Massstab Glace esse, steht unsere eigene Zuppa inglese sehr hoch oben, auf die bin ich wirklich stolz.

Wie sind Sie eigentlich auf den Namen Gelateria di Berna gekommen?Es war auf jeden Fall kein Marketinggag, und wir sind auch nicht bera-

ten worden. Mir hat das einfach lautmalerisch sehr gefallen – Gelateriiia die Beeerna, das klingt, das bringt einen zum Träumen. Und wir wollten schon auch zeigen, dass wir aus Bern sind und stolz darauf sind.

Bernerinnen und Berner stehen sich für ein Produkt die Beine in den Bauch, das den Namen ihrer Stadt trägt. Sind wir alles Lokalpatrioten?Ich denke schon, dass die Menschen hier mit einem gewissen Stolz

reagieren, wenn es ein Berner Produkt zu haben gibt. Das wird geschätzt. Vielleicht

auch, weil es eben nicht Hunderte von Kilometern aus irgendeinem Zentral- Tiefkühllager im Autobahnkreuz Härkingen nach Bern transportiert wird.

Wie steht es denn um Ihr Verhältnis zu Bern?Ich bin auf dem Land aufgewachsen, am Gerzensee, aber durch Schule

und Studium früh nach Bern gekommen. Dann war ich länger in Paris, bin auch mal nach Zürich gezogen und habe in Kanada gewohnt, aber es war immer sehr schnell klar, dass ich wieder nach Bern zurückkommen würde.

Weshalb?Was mich hält, sind die Beziehungen, die Menschen. Kommt dazu, dass

meine Freunde zufälligerweise in der schönsten aller Städte wohnen. In einer Stadt, die beruhigend überschaubar ist. Hier gibt es an einem Abend nicht drei verschiedene Wahnsinns-Independent-Theateraufführungen irgendwo unter ei-ner Brücke, sondern bloss eine. Dafür eine gute. Das hält mich in Bern.

Ist Bern ein gutes P flaster für ein Gastro-Start-up wie Ihre Gelateria?Ja, ohne Wenn und Aber. Ganz im Gegenteil zum Lamento über die feh-

lende Wirtschaftsfreundlichkeit der Stadt oder träge Beamtenmühlen sind wir in Bern auf viel Augenmass und Unterstützung gestossen. Selten hat sich eine Behörde hinter dem Buchstaben versteckt. Ich will niemandem Honig um den Mund streichen, aber das ist einfach so. Bern ist ein guter, fairer Standort, um et-was aufzubauen.

Von Kaspar Meuli

«Bern ist ein guter

und fairer Standort

für ein Start-up.»

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Die Gelateria di Berna ist eine Er folgsgeschichte. Sie verkaufen Ihre Glacen mittlerweile an vier Standorten ...... dieses Wachstum hatten wir uns nicht strategisch auf die Fahne ge-

schrieben. Das kam vielmehr spielerisch. Wir haben sehr häufig aus dem Bauch heraus entschieden – vor allem aber durch die ungestüme Freude, die uns jeder neue Standort wieder beschert hat. Jede Eröffnung ist ein Fest! Um punkt 12 Uhr öffnen wir die Türen, und dann kommen wie aus dem Nichts heraus auch schon die ersten Gäste. Etwas aufzubauen, auf eine Eröffnung hinzufiebern, und dann kommen tatsächlich Leute – das ist ein wahnsinnig starkes Gefühl. Das kann süchtig machen.

Sie haben Ihr Geschäft als Familienunternehmen gegründet. Wollen immer noch alle vier von Ihnen dasselbe? Haben Sie alle gleich viele schlaflose Nächte?Nein, das haben wir nicht, und das ist eine ganz heikle Frage, an der

schon so manches Unternehmen gescheitert ist. Man hat eine schöne kleine Idee, dann kommt der Erfolg, man fährt weiter und plötzlich wird aus einer en-gen Beziehung zwischen Brüdern eine Businessbeziehung. Es geht immer ums Geschäft und kaum mehr um Persönliches, weil es halt immer etwas Geschäftli-ches zu besprechen gibt. Vor dem sind wir nicht gefeit. Auch bei uns ist ein ge-wisses Auseinanderdriften zu beobachten. Allerdings haben wir erkannt, dass wir genauso über unsere Beziehungen nachdenken müssen wie darüber, wie wir unsere Zuppa inglese noch einen Zacken besser machen könnten.

Für einen Gelatiere haben Sie einen eher unerwarteten beruflichen Hintergrund: Sie sind Jurist und Linienpilot.Als Jurist arbeite ich nicht mehr, als Swiss-Pilot hingegen schon. Im

Durchschnitt mache ich zwei Langstreckenflüge pro Monat, bin aber auch noch im Management der Swiss tätig. Das ist eigentlich mein Hauptjob. Im Gegensatz zu meinen Brüdern, die zu 100 Prozent für die Gelateria arbeiten, habe ich also noch eine feste Stelle.

Welche Rolle spielen Sie denn im Familiengeschäft?Ich bin in der Geschäftsleitung, Verwaltungsratspräsident und so et-

was wie der strategische Kopf des Unternehmens. Unter anderem bin ich für das zuständig, was man bei der Swiss «Brand Development» nennt, bei der Gelate-ria di Berna ist das natürlich völlig überrissen.

Heisst das, dass Sie unter Ihrer Marke auch andere Produkte auf den Markt bringen wollen?Nein, ganz klar nicht. Wir haben längerfristig nur eine Chance, wenn wir

uns cento per cento auf unsere Gelati fokussieren. Klar läge es auf der Hand, auch Kaffee anzubieten. In jeder italienischen Gelateria steht im Minimum eine Kaffeemaschine. Aber einen guten Kaffee, den muss man zelebrieren, den muss man leben. Zwei Produkte gleichzeitig zu leben, liegt nicht drin. Ich möchte, dass die Gelateria di Berna eine Marke bleibt, für die Bernerinnen und Berner auch mal 20 Minuten anstehen; und sie erhalten nichts anderes als ein profanes Gelato! Allerdings ein Gelato, das all unsere Leidenschaft und Detailbesessenheit vereint.

Sie sind Linienpilot, Ihre Frau Susanna Moor arbeitet als Staatsanwältin, und Ihr Bruder David ist Partner in einem Zürcher Medienunternehmen, beruflich also alle sehr er folgreich. Weshalb haben Sie sich überhaupt in ein Abenteuer wie die Gelateria di Berna gestürzt?Die Geschichte der Gelateria ist das Zusammentreffen von vier Zufäl-

len: Susanna war zwei Jahre lang Skilehrerin in Verona und hatte aus dieser Zeit Freunde, die Gelatieri sind. Auf der anderen Seite hatte sich bei meinem Bruder David und mir ein Bedürfnis aufgestaut, endlich mal eine Geschäftsidee auf den Boden zu bringen. Unsere Eltern hatten immer davon gesprochen, etwas Eige-nes auf die Beine zu stellen, einen Zeltplatz zu kaufen oder einen Landgasthof zu übernehmen. Wir Kinder fingen jedes Mal Feuer und malten uns ein unterneh-merisches Leben auf eigenen Füssen in den farbigsten Tönen aus. Aber passiert ist dann schliesslich nie etwas ...

... und dann war da noch ein zweiter Bruder ...

... ja, Michael, der seinen ursprünglichen Beruf als Bootsbauer aus ver-meintlich gesundheitlichen Gründen aufgeben musste und sagte: Ich mache mit! Der letzte Erzählstrang schliesslich war, dass wir diese Garage hinter der Café-Bar Sattler an der Mittelstrasse kaufen konnten. Da war auf einmal klar : Das ist der Moment, wir sind die Leute, wir haben die Energie und den Willen! Aber uns war bewusst, dass wir nicht alle würden von diesem Unternehmen leben können. Zumindest nicht von Anfang an.

Mit Ihren guten Berufen und Stellen mussten Sie ja auch nicht alles auf eine Karte setzen.Finanziell schon, da haben wir ziemlich Kopf und Kragen riskiert.

Ihr ursprünglicher Plan war ja nicht, Glace über die Gasse zu verkaufen, sondern Restaurants zu beliefern.Genau, und deshalb haben wir zuerst Türklinken geputzt und bei den

himmeltraurigsten Beizen angeklopft. Die Idee war, dass wir Gelato produzieren, damit dann irgendein Restaurant daraus ganz uninspiriert Bananasplits oder Coupes Danmark macht. Und sollte sich mal jemand in unser Laboratorio verir-ren, wollten wir die Produktion kurz unterbrechen und ihm im Stil eines Fabrikla-dens schnell ein Gelato verkaufen. Doch am Eröffnungstag standen um fünf vor zwölf schon vier Leute da – ich hätte sterben können vor Glück! Und so wurde uns schon am ersten Abend bewusst, dass wir uns anders organisieren mussten und nicht bloss nebenher an der Gelato-Vitrine stehen konnten.

Um die Gelateria die Berna als Tref fpunkt, um den sozialen Aspekt gewissermassen, ging es zu Beginn also nicht?Ach woher! Das hat sich erst viel später entwickelt. Zuerst ging es ziem-

lich hart darum, die Existenz meines Bruders Michael zu sichern. Punkt. Es wäre geblufft, wenn ich sagen würde, wir wollten von Anfang etwas zur Bereicherung des Quartierlebens tun. Inzwischen jedoch ist uns dieser Aspekt sehr wichtig. In einer Zeit, in der sich so viele Leute nur noch virtuell begegnen, spüren wir einen feinen Gegentrend: Es bekommt wieder einen Wert, vor einer Vitrine anzuste-hen und warten zu müssen. Reale Gespräche zu führen und real neue Menschen kennenzulernen. In den Quartieren passiert heute das, was früher nach Feier-abend auf dem Dorfplatz oder im Gasthaus gelebt wurde. Oder in Italien auf der Piazza. Einfach mal schauen, wer da so alles unterwegs ist, wer mit der Vespa eine Runde um den Platz dreht. Wir freuen uns unterdessen sehr, dass unsere Laboratori ein wenig dazu beitragen, dass dieses Bedürfnis, aufs Gratwohl Men-schen zu treffen, heute auch in Berns Quartieren gelebt wird.

Es geht Ihnen also inzwischen nicht mehr ausschliess-lich ums Gelato-Verkaufen?Nein, und das tönt jetzt wahnsinnig selbstlos, aber Treffpunkte zu

schaffen, ist uns mittlerweile sehr wichtig. Der Mattenhof zum Beispiel hat ja nicht gerade nach einer Gelateria geschrien. An diesem Standort hat tatsächlich der Gedanke mitgespielt, dass wir etwas zur Lebensqualität im Quartier beitra-gen könnten. Da ist an einem Ort, wo bis vor Kurzem nur Läden zugingen, mit der Gelateria di Berna ein kleiner Treffpunkt entstanden. Wir bekommen ja auch Standorte am Kornhausplatz angeboten oder in der Welle 7 – die haben uns mehrfach bedrängt. Aber das ist nicht unser Ding. Das wäre der Ausverkauf un-serer Idee. Wir würden vom Ideellen, das wir am Anfang zwar nicht hatten, das aber heute die Gelateria di Berna ausmacht, ganz viel aufgeben.

BIOBOX

Hansmartin Amrein (44) ist neben Susanna Moor, David und Michael Amrein Mitbegründer der Gelateria di Berna, die in Bern 2010 eine neue Glacekultur lanciert hat. Nach einem ersten Standort an der Mittelstrasse gibt es die Berner Gelati inzwischen auch im Marzili, im Breitenrain und im Mattenhof. Hansmartin Amrein hat Jura studiert und ist Linienpilot. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt im Berner Länggassquartier.

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November 2016

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