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Bund Deutscher Kriminalbeamter Landesverband Schleswig-Holstein Stephan Nietz 1 / 26.06.22 Definitionsmacht und Deutungshoheit der Polizei 35. Strafverteidigertag 25.-27.03.2011 Humboldt-Universität zu Berlin Die (un-)heimlichen Datensammlungen

Bund Deutscher Kriminalbeamter Landesverband Schleswig-Holstein Stephan Nietz 1 / 28.03.2014 Definitionsmacht und Deutungshoheit der Polizei 35. Strafverteidigertag

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Bund Deutscher Kriminalbeamter

Landesverband Schleswig-Holstein

Stephan Nietz 1 / 11.04.23

Definitionsmacht und Deutungshoheit der Polizei

35. Strafverteidigertag25.-27.03.2011

Humboldt-Universität zu Berlin

Die (un-)heimlichen Datensammlungen

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Bund Deutscher Kriminalbeamter

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Agenda

1. Aufgabenstellung der Polizei

2. Polizeiliche Datenverarbeitung

3. Die Kriminalakte

4. Psychologische Wirkungen

5. (Un-)Heimlichkeit der Datensammlung

6. Fazit

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Landesverband Schleswig-Holstein

Stephan Nietz

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Bund Deutscher Kriminalbeamter

1. Aufgabenstellung der Polizei

Stephan Nietz

Der polizeiliche Fokus liegt auf:

•Strafverfolgung - StPO

•Gefahrenabwehr - Polizeigesetze der Länder (z.B. LVwG)

(Polizei schützt andere und sichert sich.)

•Unterstützung anderer Aufgabenträger

(z.B. Amtshilfe, Ausländer- und sonstige Ordnungsbehörden)

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Landesverband Schleswig-Holstein

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Bund Deutscher Kriminalbeamter

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Agenda

1. Aufgabenstellung der Polizei

2. Polizeiliche Datenverarbeitung

3. Die Kriminalakte

4. Psychologische Wirkungen

5. (Un-)Heimlichkeit der Datensammlung

6. Fazit

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Landesverband Schleswig-Holstein

Stephan Nietz

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2. Polizeiliche Datenverarbeitung

2.1 Phasen der Datenverarbeitung

2.2 Genutzte Dateien

2.3 Polizeilicher Workflow

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Landesverband Schleswig-Holstein

Stephan Nietz

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2.1 Phasen der Datenverarbeitung

Stephan Nietz

•Informationserhebung

•Informationsverarbeitung und -steuerung

•Informationsbewertung

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2. Polizeiliche Datenverarbeitung

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Bund Deutscher Kriminalbeamter

2.2 Genutzte Dateien

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z.B.

INPOL-Land, INPOL-Zentral

Vorgangsbearbeitungssysteme (VBS) der Länder - @rtus, ComVor, POLIKS, IGVP, NIVADIS, EVA

Fallbearbeitungssysteme in Bund und Ländern (CRIME, Polygon, rsCase – „Merlin“, „Safir“, „bCase“, „KRISTAL“…)

INPOL-Fall / kriminalpolizeiliche Meldedienste (KPMD)

Schengener Informationssystem (SIS) u.a. internationale Dateien

zahlreiche Sonderdateien von der Anti-Terror-Datei (ATD) bis zu regionalen Dateien (z.B. für Häusliche Gewalt)

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2. Polizeiliche Datenverarbeitung

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2.3 Polizeilicher Workflow - 1

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(beispielhaft am „Standardfall Strafsache“ dargestellt)

1. Sachverhalt wird gemeldet bzw. „von Amts wegen“ bekannt

2. Sachverhalt wird durch Polizeivollzugsbeamten aufgenommen und in dem VBS erfasst

3. so entstandener Vorgang wird an die zuständige sachbearbeitende Dienststelle weitergeleitet

4. …

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2. Polizeiliche Datenverarbeitung

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2.3 Polizeilicher Workflow - 2

Stephan Nietz

4. SB-Dienststelle dokumentiert ihre Ermittlungen im VBS

5. unterschiedlichste Meldeverpflichtungen werden bedient (Ordnungsbehörden, KPMD, Polizeiliche Kriminalstatistik…)

6. Fertigung eines Merkblatts für eine Kriminalakte, insoweit die Voraussetzungen vorliegen

7. Abgabe des Vorgangs an die Staatsanwaltschaft

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2. Polizeiliche Datenverarbeitung

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Bund Deutscher Kriminalbeamter

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3. Die Kriminalakte

3.1 Definition/Zweck

3.2 Rechtliche Voraussetzungen

3.3 Qualitätskontrolle

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Landesverband Schleswig-Holstein

Stephan Nietz

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Bund Deutscher Kriminalbeamter

3.1 Definition/Zweck der Kriminalakte

Stephan Nietz

Kriminalakten (KA) haben, wenn sie sachgerecht geführt werden, eine besondere Bedeutung für die polizeiliche Ermittlungsarbeit, um

•aussagekräftige Informationen über die Persönlichkeit einer Person und über deren bisheriges Verhalten gegenüber der Polizei und der Justiz zusammenführen zu können (z. B. Aggressions-, Fluchtbereitschaft, Aussagewilligkeit)

•Prognosen für zukünftiges kriminelles Verhalten aufstellen zu können

•Fahndungshinweise bei flüchtigen Tätern zu erlangen

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3. Die Kriminalakte

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3.2 Rechtliche Voraussetzungen der KA -1

Stephan Nietz

am Beispiel des § 189 LVwG (Schleswig-Holstein):

[…] "… wenn wegen der Art oder Ausführung und Schwere der Tat sowie der Persönlichkeit der oder des Verdächtigen die Gefahr der Wiederholung besteht und wenn dies zur Aufklärung oder Verhütung einer künftigen Straftat erforderlich ist."

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3. Die Kriminalakte

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3.2 Rechtliche Voraussetzungen der KA -2

Stephan Nietz

am Beispiel des § 189 LVwG (Schleswig-Holstein):

•Art oder Ausführung und Schwere der Tat

•Persönlichkeit der / des TV

•Negativprognose ("Gefahr der Wiederholung")

•Erforderlichkeit der Speicherung

Aber: kumulativ, nicht alternativ!

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3. Die Kriminalakte

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3.2 Rechtliche Voraussetzungen der KA -3

Stephan Nietz

Bundesweit gelten sehr unterschiedliche Regelungen hinsichtlich…

Umfang der Anlassdelikte

Erfordernis der besonderen Begründung der Negativprognose

Länge der Prüffrist zur Aktenlöschung

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3. Die Kriminalakte

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Bund Deutscher Kriminalbeamter

3.3 Qualitätskontrolle der Merkblätter

Stephan Nietz

•Ausgangskontrolle durch Vorgesetzte/Fachaufsicht (!?!?)

•QS durch (zentrale) KA-Haltung, ggf. Rückgabe mit Vermerk

•Erfassung der Inhalte in INPOL-Land; bei KAN-Relevanz auch Speicherung in INPOL-Zentral

•regelmäßige Prüfung durch behördliche Datenschutzbeauftragte; anlassbezogen auch durch Landesdatenschutzbeauftragten

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3. Die Kriminalakte

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Bund Deutscher Kriminalbeamter

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Agenda

1. Aufgabenstellung der Polizei

2. Polizeiliche Datenverarbeitung

3. Die Kriminalakte

4. Psychologische Wirkungen

5. (Un-)Heimlichkeit der Datensammlung

6. Fazit

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Landesverband Schleswig-Holstein

Stephan Nietz

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Bund Deutscher Kriminalbeamter

Suggestionsgefahren!?

Stephan Nietz

•INPOL-Bestand vorhanden

– ggf. „einschlägig in Erscheinung getreten“,

„gewalttätig“, „bewaffnet“, usw.

•INPOL-Bestand gelöscht

– mehrfacher „Ersttäter“; angemessene

Bewertung gerade im Jugendbereich

problematisch

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4. Psychologische Auswirkungen

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Bund Deutscher Kriminalbeamter

Suggestionsgefahren!?

Stephan Nietz

Personengebundene Hinweise (PHW) in INPOL sind auch für die polizeitaktische Vorgehensweise (z.B. Eigensicherung) wichtig!

Gespeicherte Inhalte sind grundsätzlich nur auszugsweise in aktuelle Verfahren einzubringen; tendenziöse Stigmatisierungen sind zu vermeiden!

Gefahr der Beeinflussung von entscheidenden Verfahrensbeteiligten/Richtern; aber auch Ansatzpunkt für Verteidigungstaktik; insgesamt kontraproduktiv!

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4. Psychologische Auswirkungen

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Bund Deutscher Kriminalbeamter

Weitere Suggestionsgefahren!?

Stephan Nietz

Art und Weise der Vernehmungen

„Andicken“ und „Ausdünnen“ von Hypothesen

Emotionale Beeinflussung der Verfahrensbeteiligten durch Lichtbilder/Videoaufnahmen

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4. Psychologische Auswirkungen

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Bund Deutscher Kriminalbeamter

Weitere Suggestionsgefahren!?

Stephan Nietz

Art und Weise der Vernehmungen

„Andicken“ und „Ausdünnen“ von Hypothesen

Emotionale Beeinflussung der Verfahrensbeteiligten durch Lichtbilder/Videoaufnahmen

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4. Psychologische Auswirkungen

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Bund Deutscher Kriminalbeamter

Weitere Suggestionsgefahren!?

Stephan Nietz

Art und Weise der Vernehmungen

„Andicken“ und „Ausdünnen“ von Hypothesen

Emotionale Beeinflussung der Verfahrensbeteiligten durch Lichtbilder/Videoaufnahmen

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4. Psychologische Auswirkungen

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Bund Deutscher Kriminalbeamter

Weitere Suggestionsgefahren!?

Stephan Nietz

Art und Weise der Vernehmungen

„Andicken“ und „Ausdünnen“ von Hypothesen

Emotionale Beeinflussung der Verfahrensbeteiligten durch Lichtbilder/Videoaufnahmen

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4. Psychologische Auswirkungen

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Agenda

1. Aufgabenstellung der Polizei

2. Polizeiliche Datenverarbeitung

3. Die Kriminalakte

4. Psychologische Wirkungen

5. (Un-)Heimlichkeit der Datensammlung

6. Fazit

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Stephan Nietz

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Bund Deutscher Kriminalbeamter

„Geheime Dateien“!?

Stephan Nietz

NEIN!

Auskunftsrechte der Betroffenen (z.B. ca. 1000mal jährlich allein in SH in Anspruch genommen)

Keine polizeiliche Datei ohne entsprechende Freigabe und Errichtungsanordnung!

Fachaufsicht durch Bundes- und Landesdatenschutz-beauftragte!

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5. (Un-)Heimlichkeit der Datensammlung

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Agenda

1. Aufgabenstellung der Polizei

2. Polizeiliche Datenverarbeitung

3. Die Kriminalakte

4. Psychologische Wirkungen

5. (Un-)Heimlichkeit der Datensammlung

6. Fazit

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Stephan Nietz

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Bund Deutscher Kriminalbeamter

6. Fazit:

Stephan Nietz

Qualifizierung der Polizei ist gefordert

Verständnis für die unterschiedlichen Rollen der Beteiligten im Strafverfahren

Professionalisierung aller Verfahrensbeteiligten

Offener, interdisziplinärer Austausch

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Landesverband Schleswig-Holstein