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BONB-06.06.18 1 Dr.med. Barbara Hochstrasser, M.P.H: Privatklinik Meiringen, Schweiz Schweizer Expertennetzwerk für Burnout (SEB) 06.06.2018, Winterthur Burnout- (auch) eine neurobiologische Störung [email protected] www.burnoutexperts.ch Burnout Burnout ist ein stressbedingter Erschöpfungszustand in Folge von chronischen Arbeitsbelastungen mit den Kernelementen: Erschöpfung * Gefühl sowohl emotional als auch körperlich entkräftet zu sein Zynismus (Depersonalisierung, Demotivierung) * gleichgültige Einstellung gegenüber der Arbeit und gegenüber Kunden Ineffektivität * Gefühl beruflich weniger effektiv zu sein oder zu versagen BONB-06.06.18 2 Maslach et al, Ann Review of Psychology,2001, 52; 397-422 Schaufeli und Enzmann, 1998 * Dimensionen des Maslach Burnout Inventars

Burnout- (auch) eine neurobiologische Störung · Immunsystem Schlaf Glucose, HBA1c, Cholesterin Blutdruck und Herzrate Bisher kein konsistenter Parameter mit Burnout korreliert BONB-06.06.18,

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BONB-06.06.18 1

Dr.med. Barbara Hochstrasser, M.P.H:

Privatklinik Meiringen, Schweiz

Schweizer Expertennetzwerk für Burnout (SEB)

06.06.2018, Winterthur

Burnout-(auch) eine neurobiologische Störung

barbara.hochstrasser@privatklinik-meiringen.chwww.burnoutexperts.ch

Burnout

Burnout ist ein stressbedingter Erschöpfungszustand in Folge von chronischen Arbeitsbelastungen mit den Kernelementen:

Erschöpfung *

Gefühl sowohl emotional als auch körperlich entkräftet zu sein

Zynismus (Depersonalisierung, Demotivierung) *

gleichgültige Einstellung gegenüber der Arbeit und gegenüber Kunden

Ineffektivität *

Gefühl beruflich weniger effektiv zu sein oder zu versagen

BONB-06.06.182

Maslach et al, Ann Review of Psychology,2001, 52; 397-422Schaufeli und Enzmann, 1998

* Dimensionen des Maslach Burnout Inventars

Burnout aus medizinischer Sicht

BONB-06.06.183Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie, 2012

ArbeitsüberforderungVegetative Stresssymptome

Erschöpfung

Burnout Z 73.0Risikozustand

Erschöpfung, Zynismus, Reduzierte Leistungseinschätzung

Folgekrankheiten(Depression,

AngsterkrankungenSubstanzemmissbrauch

Tinnitus)

Chronifizierter Stress Leistungseinschränkung

Andauernde Überforderung

Arbeitsbedingte Faktoren Individuelle Faktoren

Erholung

Regeneration

Somatische und psychische Erkrankungen

(Herz/Kreislauferkrankungen, MS, Malignom)

Das Prozessstadium bestimmt die Behandlungsstrategie

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Arbeitsbezogene Stressbelastung

StressRisikozustandZ73.0

Burnout

Folgeerkrankung

Depression,

Angststörung

Therapie hergeleitet aus der wissenschaftlichen Literatur (Stress, Depression, Angst), Interventionsstudien bei leichtem Burnout, wenigen Therapiestudien bei klinischem Burnout und der klinischen Praxis und Erfahrung

Burnout – eine Prozess

Hochstrasser et al, Therapieempfehlungen des Schweizer Expertennetzwerks für Burnout (SEB), submitted

Phasen der Burnoutentwicklung

Stadium Hauptsächliche Symptome

Stadium 1 erhöhte Stressbelastung

Nervosität, Reizbarkeit, Aufmerksamkeitsstörungen, Überaktivität, vegetative Symptome, unregelmässige Schlafstörungen, Symptomatik reversibel bei längerer Erholungsphase

Stadium 2 leichtes oder mittelschweres Burnout

Erschöpfung, regelmässige Schlafstörungen (Ein-und Durchschlafstörungen, reduzierte Aktivität, sozialer Rückzug, emotionale Labilität, Überdruss, Demotivierung, reduzierte Erholungsfähigkeit, dauerhafte vegetative Symptome, multiple Scherzen, kognitive Symptome (Konzentrations- und Gedächtnisstörungen), Niedergeschlagenheit, Interesse und Freudfähigkeit erhalten

Stadium 3 schweres Burnout mit klinischer Depression

Ausgeprägte Erschöpfung, reduzierte Erholungsfähigkeit, Schlafstörungen, Früherwachen, Freud- und Interesselosigkeit, Depressivität, Reduktion von Appetit und Libido, ausgeprägte kognitive Symptome, dauerhafte vegetative Symptome, multiple Schmerzen, Hoffnungslosigkeit, unter Umständen Suizidalität

BONB-06.06.185

Tabelle 2: Vereinfachtes Phasenmodell des Burnout-Prozesses

Symptome bei Burnout

Psychisch Körperlich Kognitiv Verhalten

EmotionaleErschöpfungEmotionaleLabilitätGedrückterAffektReizbarkeitAggressivitätÄngsteUnsicherheitMotivations-verlust

KörperlicheMüdigkeitSchweregefühleErholungsun-fähigkeitSchlafstörungenSchmerzen(Kopf,Rücken,Bauch)Verdauungs-beschwerdenInfektanfällig-keitSchwindel

Konzentrations-störungenGedächtnis-störungenMangelndeEntscheidungs-fähigkeit

Erhöhte oderverminderteAktivitätSozialerRückzugHäufige Arbeits-absenzenLeistungsabfallReduzierteBelastbarkeitZögerlichkeit

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Seyle‘s generelles Anpassungssyndrom

.

+

-

0

Adapation/ Resistenz Erschöpfung

Burnout

Widerstand

Erholung nach Bewältigungder Herausforderung

Herausforderung, Bedrohnung

AlarmReaktion

Stressreaktion «fight or flight»

Kognitive und

emotionale Evaluation

Chance ? Gefahr?

«fight»

Angriff

Engagement

«flight»

Flucht

Vermeidung

Die physiologische

Reaktion löst intellektuell und

körperlich Aktivität ausBONB-06.06.18

8

Regulation der Stressreaktion

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Emotionale und kognitive Einschätzung einer Situation als (potentiell) belastend

Cortex

Hypothalamus

Hypophyse

Neurone des sympathischen Nervensystems

NOR-ADRENALINErhöht Vigilanz,Fokus, Puls, Blutdruck, muskuläre Funktion

Nebennierenrinde

Nebennierenmark

Immunsystem

CORTISOLunterstütztmultiple Prozesse

ACTH

CRH

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Regulation der Stressreaktion

McEwen (1999) N Engl J Med, 338(3):171-9

1. Aktivierung komplexer adaptiver Mechanismen (Stressachse, autonomes Nervensystem)

2. Abschalten der adaptiven Mechanismen nach Bewältigung der Herausforderung

Stressreaktion

Negativer Feedback

Herzfrequenz- VariabilitätFluktuationen der sympathischen und

parasympathischen AktivitätParasympathisches System verantwortlich für anabole,

regenerative Prozesse wie

Zellreperatur und –regeneration, Gewebeaufbau

Verdauung

Schlafförderung

Akuter und chronischer Stress reduzieren die HRV

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Herzfrequenz- VariabilitätAktivität des Parasympathikus

10

15

20

25

30

35

40

45

10 12 14 16 18 20 22 24 2 4 6 8 10

Stunden

RM

SS

D i

n m

s

Schlaf

50

55

Dia Joachim Fischer mod.

RMSSD: root mean squareof successive differencesin RR intervals

24 Std Kontinuierliche Messung

Psychologisches Stressmodell

Antwort

Ja Engagement Nein Stress

Sekundäre Beurteilung

Habe ich die nötigen Ressourcen ?

Bin ich in der Lage diese Herausforderung zu

bewältigen ?

Primäre Beurteilung

Ist es ein Bedrohung? Ist es eine Chance?

Herausforderung, Bedrohung

Nach Lazarus R, 1974BONB-06.06.18

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Stress, beziehungsweise Stress-Empfinden,

ist ein persönlich bedeutsamer und als unangenehm, das hiesst bedrohlich erlebter Ungleichgewichtszustand

zwischen den Anforderungen (Leistungszielen) und den eigenen Handlungsmöglichkeiten

oder zwischen den Angeboten (Belohnungen) und den eigenen Bedürfnissen

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Norbert Semmer, 1984

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Persönliche Einstellungen beeinflussen das Stresserleben

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Herausforderung, Aufgabe

SelbstvertrauenSelbstwirksamkeit

PositiveErwartungMotivation

NeugierdeOffensive Problem-Bewältigung

ErfolgreicheBewältigung

Mangel an SelbstvertrauenUnd Selbstwirksamkeit

NegativeErwartungÄngste

VermeidungDefensive Problem-Bewältigung

GescheiterteBewältigung

Modifiziert nach G. Hüther, http://www.hsi-heidelberg.com/tagungen/507/vortrag/VM03.pdf

Engagement DistressRessourcen--gewinn

Ressourcen-verlust

BONB-06.06.18

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Chronische Stress-Belastung

1) McEwen (1999) N Engl J Med, 338(3):171-9,

2) Groebel & Holsboer, 2012, Holsboer & Ising, 2010, Krishnan & Nester, 2008

Regulation der HPA- Achse gestört

Biomarker für Burnout?

HPA-Achse

Autonomes Nervensystem

Hormone (nicht Cortison)

Immunsystem

Schlaf

Glucose, HBA1c, Cholesterin

Blutdruck und Herzrate

Bisher kein konsistenter Parameter mit Burnout korreliert

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Speichelcortisol nach Dexamenthason

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Misst die Sensitivität der HPA Achse auf negativen Feedback

0.25 mg Dexamethason am Vorabend

Herzratenvariabilität bei Burnout

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Lennartsson AK,. Jonsdottir I., Sjörs A., Low heart rate variabilityin patients with clinical burnout,, Intl J of Psychophysiology, 110 (2016) 171-178

RMSSD: root mean squareof successive differencesin RR intervals

SDNN: standard deviationof all normal RR-intervals

300s EKG % Min Ableitung nach 5 Min Entspannung am Morgen, nüchternAm Vortag keine Nikotin- oder Alkohol- Konsumation und kein intensiver Sport

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Stress schädigt das Nervensystem

Degeneriert

Normale Nervenzelle Stress

Coritisol

BDNF

Stress(Cortisol, Glutamat)

Genetische

Faktoren

BDNF: Brain Derived

Neurotrophic Factor

mod. Duman et al, 1997

SchlafKörperliche Bewegung

Medikamente

BDNF

Beziehung neurotropher Prozesse im Gehirnzur depressiven Störung

Nachweis konnte erbracht werden, dass in verschiedenenHirnregionen Neurogenese erfolgt ( z.B.Hippokampus)1

Die Produktion neuer Neurone, deren Wachstum und Entwicklung werden durch eine Familie von neurotrophenWachstumsfaktoren reguliert, unter anderem durch Brain Derived Neurotrophic Factor (BDNF)2*

Neurotrophine modifizieren die synaptische Transmission in einer Aktivitäts-abhängigen Weise3*

Stress reduziert die Produktion von BDNF und die Neurogenese2,4*

1. Gould E. Neuropsychopharmacology. 1999;21(2 suppl):46S-51S.2. Duman RS, et al. Arch Gen Psychiatry. 1997;54(7):597-606.3. Kojima M, et al. Neurosci Res. 2002;43(3):193-199.4. Eriksson PS, Wallin L. Acta Neurol Scand. 2004;110(5):275-280.

*In präklinischen Studien

Hirnatrophie bei Depression?

1. Bremner JD, et al. Am J Psychiatry. 2000;157(1):115-118.2. Images courtesy of J Douglas Bremner, MD, Yale University.

Atrophie des Hippokampus bei Depression1

Normal2 Depression2

Korrelation zwischen Hippokampus -Volumen und Dauer einer

nicht behandelten Depression

Sheline YI, et al. Am J Psychiatry. 2003;160(8):1516-1518.

38 Ambulante Patientinnen mit rekurriender depressiver Störung in Remission

Tage der unbehandelten Depression

Tota

les

Hip

po

kam

pu

s-V

olu

me

n (

mm

3)

R2=.28 *P=.0006N=38

0 1000 2000 3000 4000

3000

3500

4000

4500

5000

5500

6000

*Signifikante umgekehrte Beziehung zwischen Hippokampusvolumen und Zeitdauer während der die Depression nicht behandelt wurde.

Ausdruck von chronischer Stressbelastung

Erhöhtes Risiko für

Übergewicht

Herzinfarkt, Schlaganfall

Diabetes Typ 2

Erhöhte Infektanfälligkeit

Veränderungen von Gerinnungsfaktoren

Burnout, Depression

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Hellhammer et al , 2004, Melamed et al 2006,

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Stress und BurnoutFolge einer mangelnden Übereinstimmung

Arbeitsbedingungen

Arbeitsüberlastung

Mangelnde Autonomie

Mangelnde Belohnung

Mangelnde Gemeinschaft

Mangelnde Fairness

Wertekonflikte

Individuelle Risikofaktoren

Mangelndes Selbstwertgefühl

Verausgabungsbereitschaft

Perfektionsstreben

Geringe Distanzierungsfähigkeit

Ambivalente Bindungen

Emotionsorientiertes Coping

Alleinstehend

Vorbelastung mit DepressionStress

Burnout

Soziale Unterstützung als Puffer

Maslach und Leiter 1988, 1999,, Lee und Ashfort 1996, Nyklicek I und Pop VJ, 2005

Gratifikationskrise

BONB-06.06.18 26Effort-Reward-InbalanceSiegrist 1996, Buunk and Schaufeli 1999

Aufwand Ertrag

AnforderungenAufgabenZiele

EngagementIdentifkationVerausgabung

LohnAnerkennungPartizipationKarriereentwicklungArbeitssicherheit

Erwartungen(Über)Engagement

Extrinsische Faktorenorganisationell

Intrinsische Faktorenindividell

UngleichgewichtFührt zu Stress,KrankheitVerlust von Engagement

Hängt von den Eigenschaften des einzelnen Indiviuums und dem effektiven Aufwand ab

Burnout- Ausdruck einer chronischen (schädlichen)

Stressbelastung

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Subjektives Stressempfinden

Physiologische Stressreaktion

Psychologische Vulnerabilität 1)

Mangelnder SelbstwertPerfektionismus

VerausgabungstendenzAmbivalent-unsicherer

BindungsstilHohe Kränkbarkeit

Aufopfernde HaltungAlleinstehend

Biologische Vulnerabilität 3)Genetik, Epigenetik

Intrauterine und frühkindliche Entwicklung

Organisationelle Belastungen 2)Arbeitsbelastung

Mangelnde AutonomieMangelnde Wertschätzung

Mangelnder TeamgeistMangelnde Gerechtigkeit

Wertekonflikte

Chronischer Stress 4)

Dysregulation der HPA-Achse

, des autonomen Nervensystems

Burnout Depression 5)

Dysregulation der StressachseVerlust von

Neuroplastzität

1) Rössler et al, 2013, Schramm & Berger, 20132) Leiter & Maslach, 1999, 3) Caspi et al, 20003, Oberlander et al, 2008, Feder et al,

20094) Groebel & Holsboer, 2012, Holsboer & Ising, 20105) Krishnan & Nester, 2008

Therapieansatzpunkte bei Burnout

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Burnout

Stressbedingte Genese

EntspannungsübungenSport

AchtsamkeitsübungenKörperanwendungen

Dysregulaion der StressachseReduzierte

NeuroplastizitätDepression

Neura-stehnie

LeitliniengerechtePharmakotherapie

Dysfunktionale Kognitionen mangelnde Ressourcen

PsychotherapieStressmanagement

Existenzielle Dimension und

Sinnnfrage

Faktoren am Arbeitsplatz

Interpersonelle Probleme

Intervention Schnittstelle Individuum-

Arbeitssituation

Energiemonitoring

Veränderungen von Haltungen und Hirnstrukturen

Nach dauerhafter regelmässige Achtsamkeitspraxis (MBSR) empfanden vorher stressgeplagte Menschen wesentlich weniger Stress

Sie wiesen eine Volumenveränderung der Amygdala auf, einer Zellsubstanz, die für die Stressregulation mitverantwortlich ist.

BONB-06.06.1829Hölzel, B. K., Carmody, K., & Evans, K. C. (2009). Stress reduction correlates with structural changes in the amygdala.

Social Congitive and Affective Neuroscience, 5(1), 11-17. ,

Danke für Ihre Aufmerksamkeit

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